Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil von Izaya-kun (Das Tagebuch eines Gesuchten) ================================================================================ Kapitel 14: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Der Matrose schloss die Tür hinter sich und suchte den Raum mit den Augen ab, jedoch war es zu dämmrig. Als er etwas erkannte, ging er zum Schreibtisch und entzündete eine der Laternen, dann sah er sich um. Sinnlos schob er einige der Pergamente hin und her, als könnte das Buch darunter liegen. Es dauerte nicht lange, vielleicht zwanzig oder dreißig Sekunden, aber mir kamen sie vor wie die halbe Ewigkeit. Als er das Buch endlich entdeckte – es lag im Schubfach oben links – nahm er es, wedelte kurz damit und flüsterte: „Dieser Idiot… Auf dem Schreibtisch, was? Dass ich nicht lache…!“, und mit diesen Worten wandte er sich ab. Ich atmete tonlos auf, als ich sah, wie er abdrehte und die Tür ansteuerte. Ich hatte mich im letzten Moment unter den Schreibtisch gerettet und wie gebannt beobachtete ich seine Füße. Er hielt inne und drehte sich zurück. Sein Oberkörper und vor allem sein Gesicht waren außerhalb meines Sichtfeldes, aber anhand seiner Stiefel erkannte ich sehr gut, dass er in meine Richtung starrte. „Sieh mal einer an…“, ich hielt den Atem an, als er auf mich zukam. „Wen haben wir denn da…?“ Mein Hirn setzte fast aus, mein Herz schlug so stark dass es schmerzte. Er hatte mich entdeckt...! Erneut blieb er stehen und in mir raste mein Puls. Sollte ich hervor springen oder mein Messer ziehen oder gar beides? Es klapperte auf dem Tisch. Dann hörte ich, wie er leise lachte und ich sah ihn schon vor mir: Mit einem der Brieföffner des Kapitäns, wie er sich zu mir beugte, mich gehässig angrinste und die Klinge in meine Richtung hielt. Aber stattdessen trank er einige Schluck Rum, den er vom Schreibtisch geklaut hatte, rülpste ausgiebig, stöpselte die Flasche wieder zu und stellte sie dumpf hörbar zurück. Dann fluchte er leise: „Bastard… Das hat du davon, unsere Rationen zu kürzen.“ und wandte sich abermals ab. Der Knoten in meiner Brust löste sich so stark, dass ich dachte, es zerreiße mich. Aber es reichte noch nicht. Gott wollte mich verrückt machen, dachte ich, denn er hielt abermals und diesmal direkt vor der Tür. Der Mann drehte sich nach links und mit einem Laut der Verwunderung hob er etwas auf. Etwas kleines, silbern schimmerndes, das in der Sonne glänzte. Mit Entsetzen starrte ich die Spiegelscherbe an und dann ihn. Noch ehe er sich aufgerichtet hatte, hatte er den Kopf nach rechts gedreht, unmittelbar in meine Richtung und durch das Hocken nun direkt auf Augenhöhe. Ich sah sein dunkles Gesicht und das wirre Haar, dann hielt ich den Atem an. Wir starrten uns an. Ich entsetzt, er verwundert, aber es dauerte nicht lange, bis es in seinem Kopf klickte und sein Blick wurde finster und verhasst. „Du kleiner-…!“ Ohne zu wissen, was ich eigentlich tat, sprang ich aus meinem Versteck direkt auf ihn zu. Er fluchte, erhob die Hand mit seinem Messer und ehe ich mich versah krachten wir aneinander. Es dauerte nur wenige Sekunden. Das Schiff krängte kurz und senkte sich stückweise immer mehr nach Lee. Dann war es vorbei. Der Boden senkte sich zurück, einige Wellen klatschten gegen den Bug und einige Möwen kreischten laut, als man ihnen Brot entgegen warf. Geschockt starrte ich auf den Matrosen hinunter, der auf dem Boden lag, mit dem Kinn auf dem Brustkorb gesunken und aufgerissenen Augen. Ungläubig starrte er auf das Loch in seinem Hemd. Erst war es kaum bemerkbar, doch dann färbte der Stoff sich merklich rot. Langsam und geschockt erhob er den Blick und sah mich an. Ich hockte vor ihm und entgegnete den Blick, Panik stieg in mir hoch. Was hatte ich getan?! Dann öffnete der Mann den Mund. Leise, gurgelnde Laute, bevor seine Augen sich nach oben verdrehten und er vornüber kippte in meine Arme. Ich weiß nicht wie lange wir da saßen, er an mich gesunken, das Messer in meiner rechten Hand, die blutige Klinge und das sanfte, gleichmäßige Schaukeln. Es mussten mindestens fünf Minuten gewesen sein. Ich starrte vor mich hin, als hätte ich den Verstand verloren. Als ich mich einigermaßen gefasst hatte, stand ich auf. Der Matrose sackte rücklings zu Boden und blieb liegen, den Blick starr zur Decke. Sein Hemd wurde immer dunkler. Panisch sah ich mich um, entriss ihm die Scherbe und drehte mich um mich selbst. Ich keuchte. Mein Blut rauschte in meinen Ohren und meine Wangen wurden heiß, unwahrscheinlich heiß. Wenn seine Freunde nach ihm sahen! Was, wenn sie sich fragten, wo er bliebt?! „Er muss hier raus…! Er muss hier raus…!“, und ich dachte an Kai und aus irgendeinem Grund sah ich ihn direkt vor mir. Seinen Kopf, die Öffnung in seinem Schädel, das Blut… Übelkeit überfiel mich und ich würgte auf. Erschrocken hielt ich mir den Mund und starrte den Mann an. „Ich bin ein Mörder…!“, schoss es mir in den Kopf. „Ich werde in die Hölle kommen…! Diesmal war ich schuld an seinem Tod…!“ Unglaublicher Schmerz durchschoss mich und ich sackte in die Knie. Verwirrt und stöhnend registrierte ich, dass sein Messer mir tief in den Oberschenkel geschnitten hatte. Es lag, rot und glänzend, am Boden und etwas verwirrt nahm ich es an mich. Erst jetzt spürte ich die Schmerzen, sah das Blut und hatte keine Kraft mehr mich zu halten. Panisch faltete ich die Hände und begann zu beten. Ich betete so wirr durcheinander, dass selbst der Herr kein Wort verstanden haben dürfte. Ich betete für mein Seelenheil, flehte um Vergebung und sogar darum, dass der Mann noch lebte. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich, machten Purzelbäume und so schnell ich angefangen hatte, hörte ich wieder auf. Wie von Sinnen hinkte ich zum Fenster und warf das Messer mit einem Ruck ins Meer. Es platschte leise, aber ich achtete nicht darauf. Stattdessen begann ich nun wie wild an dem Mann zu zerren, um auch ihn über Bord zu werfen. Er musste weg! Niemand durfte sehen, dass er tot war! Und dann musste ich fliehen, so schnell es ging! Mein Bein zitterte durch Schmerzen und Anstrengung, aber auch das schob ich beiseite. Er musste hier raus! Doch dann verharrte ich und ließ ihn sinken. Der Seemann lag starrt mit dem Rücken gegen meine Beine gesunken und ich richtete mich auf. Nein…, dachte ich. Nein, seine Leiche würde vom Boot aus gesehen werden… Was sollte ich bloß tun? Wenn ich ihn hinunterwarf, würde man das Platschen hören und als wäre das nicht genug, wurde er vielleicht an Land gespült. Vielleicht hatte ich Glück und er wurde an den Klippen zerschlagen? Vielleicht aber auch nicht...? Ein Blick zur Tür und bewusst atmete ich tief durch, ehe ich langsam auf sie zuging, abschloss und vor ihr zu Boden sackte. Mit dem Rücken an das Holz gelehnt starrte ich dem Matrosen entgegen und dachte nach. Betrachtete die anklagenden, geschockten Augen und seinen offenen Mund. Was sollte ich bloß mit ihm machen...? Es wurde dämmrig. Sowohl auf Nimmerland selbst, als auch auf dem Meer in der Umgebung. Die Winde wurden kühler und etwas stärker. Ihr Pfeifen erfüllte das gesamte Tauwerk und mit der Dunkelheit kam die Kälte. Ich hatte die Kerze über dem Schreibtisch ausgeblasen und lauschte angespannt den Männern an Deck. Einer von ihnen war an die Tür gekommen und hatte geklopft, aber als keine Antwort kam, hatte er sich abgewendet. Entweder, man dachte, der Mann suche noch immer das Notizbuch oder aber sie dachten, er wäre gegangen, ohne dass sie es gemerkt hatten. Meine einzige Sorge war nun: Wann würde Wilkinson an Bord kommen und in seine Kajüte gehen? Ich wartete, bis es voll und ganz dunkel war und die Laute der Mannschaft sich in jene von Trunkenheit verwandelten. Dann hievte ich den Seemann mit aller Kraft durch das Fenster nach draußen. Als ich es geschafft hatte lauschte ich dem Platschen und seinem Dumpfen, regelmäßigen Anstoßen an die Bootswand. Es war zu dunkel, um ihn zu erkennen und ebenso würde es sicherlich den anderen Matrosen gehen, wenn sie hinunter sahen. Nicht mehr lange und es würde Flut herrschen. Er wird mit Sicherheit gegen die Felsen geschlagen werden und sich in einem der Riffe verhängen. Es musste einfach so sein... Ich hatte keine andere Möglichkeit gefunden, ihn loszuwerden, aber ich konnte auch nicht ewig im Zimmer herumsitzen. Erleichtert atmete ich durch, dann sah ich mich um. Jegliches Blut hatte ich gesäubert, kein Tropfen dürfte mich verraten, also beschloss ich zitternd die Kajüte zu verlassen. Ich schlüpfte wieder aus dem Fenster, dann griff ich nach dem Seil und band es mit abermals um den Bauch. Nur Gott weiß, wie ich es geschafft habe, wieder hinauf zu kommen. Vorausgesetzt er war trotz der Sünden noch bei mir und hatte mich nicht längst aufgegeben. Jeder Griff, jedes Ziehen nach oben ließ mich wimmern vor Schmerzen im Handgelenk und jeder noch so kleine Schritt zerriss mir innerlich das Bein. Als ich mich mit Mühe und Not über die Reling zwang war das Stück Stoff, das ich aus meinem Hemd gerissen und um meinen Oberschenkel gebunden hatte, blutrot getränkt. Ich hätte es auswringen können, so stark blutete die Wunde. Die Männer waren so betrunken, dass sie mich nicht einmal bemerkten und so schlich ich in die Kombüse und sackte wimmernd hinter dem Ofen versteckt zusammen. Es war aus, vorbei, für immer. Leide Schmerzenslaute von mir gebend umklammerte ich mein Bein. Black hatte kein Zeichen bekommen, nun würden sie mich töten. Wer weiß, vielleicht hatten sie Black für seinen Verrat bereits ebenfalls getötet. Ich war verletzt, ich hatte keine Chance an Land zu kommen und in die Hölle kam ich ohne Frage auch. Dann erfüllte Licht den Raum. Erschrocken hob ich den Kopf, doch der Ofen versperrte meine Sicht. Jemand hatte die Lampe neben der Tür angezündet und nun hörte ich, wie dieser jemand die Kombüsentür schloss. Langsam, ganz langsam ging jemand um den Ofen herum und ich starrte gebannt an die Stelle, an der derjenige erscheinen würde. Ich hörte kein Holzbein, also war es nicht Black. Aber wer dann? Als ich Robert erkannte rutschte ich instinktiv zurück, bis mein Rücken gegen den Schemel am Holztisch knallte. „Guten Abend…Mister O’Neil…“, Robert grinste stark angetrunken, aber seine Stimme war klar und deutlich. Der erste Maat blieb belustigt vor mir stehen und salutierte amüsiert. „Ich störe doch nicht?“, ich starrte ihn an, dann das Messer in seiner anderen Hand, dann wieder ihn. Unfähig zu antworten schluckte ich schwer. Hatte Gott mir für heute nicht genug Strafen erteilt? Er lächelte nur und legte den Kopf schief. „Nun… Darf ich fragen, wo Ihr die letzten vier Stunden gewesen seid, Mister O’Neil?“ Und er betonte das Mister O’Neil so gedehnt und sarkastisch, dass es so wirkte, als würde er mich allein mit diesen Worten erstechen wollen. „Das geht Euch nichts an.“, brachte ich stockend hervor und als er das Messer in die andere Hand nahm, stützte ich mich schwer ab und erhob mich. Ich wagte es nicht, die Ablage los zu lassen, aus Angst ich würde umfallen. Der erste Maat sah auf mein Bein und sein Grinsen wurde unwahrscheinlich breit. Schadenfroh zischte er: „Es interessiert mich auch gar nicht, wenn ich ehrlich bin, du verfluchter Meuterer…!“ „Ich bin kein Meuterer! Ich-…!“, doch im gleichen Moment versagte meine Stimme, mein Bein schmerzte einfach zu sehr. Mit verzerrtem Gesicht hielt ich mir den Oberschenkel und zwang mich, mich zusammenzureißen. Robert schnaubte verächtlich und trat an mich herum. „Ich sage dir jetzt etwas, Son, und du hörst mir ganz genau zu… Du hast mir schon nicht gepasst, als du hier an Bord geschleppt wurdest. Du warst so billig für den Käpt’n, es war eindeutig, dass du eine Landratte warst! Als Schiffsjunge solltest du angestellt werden, als Amüsement für die Matrosen… Aber dieser verfluchte Black hat sich vor dich gestellt, verruchter, kleiner Dreckskerl…! Du hast keinen Nutzen für uns, du frisst unser Essen und säufst unseren Rum und nun spielst du auch noch den großen Meuterer…!“, er packte mich am Haar und riss mich zu sich. Roberts Stimme war so leise, dass ich fast glaubte, sie käme direkt aus meinem Kopf. „Und dann, wenn’s hart auf hart kommt… Verraten wirst du uns, alle miteinander! Ich habe von Anfang an gesagt, auf den alten Black ist kein Verlass! Setzt ihn ab, diesen Säufer, habe ich gesagt! Er fickt den Jungen, mehr nicht, mit jedem Bein in einer Partei! Ha!“ „Das ist nicht wahr!“, verteidigte ich mich. Der Schmerz brachte mich fast um den Verstand und er zog fester an. „Er liebäugelt mit dir, hat einen Narren an dir gefressen und nun will er uns alle hoch gehen lassen, nur damit dich niemand anrührt?!“, er zerrte mich zu Ofen und zwang mich, mich vornüber zu beugen. Panisch erstarrte ich und atmete schneller. Aber er ließ nicht von mir ab. „Oh nein, nicht mit mir, Junge! Ich werde dem alten Mistkerl eine Lektion erteilen, die er niemals vergessen hat…! Wenn er hier ankommt wird er Hackfleisch vorfinden, verlass dich drauf, Son…!“ „Ich habe den Schlüssel…!“, begann ich und wollte mich weg drücken. Robert versetzte mir einen harten Stoß von hinten, so dass ich aufschrie vor Schmerz, als mein Oberschenkel gegen den Steinofen knallte. „Spar’s dir, es ist mir gleich!“ Er wandte sich ab und begann Holz in den ohnehin leicht glühenden Ofen zu schieben. Ich sackte zu Boden, doch sofort als er fertig war packte er mich erneut und stieß mich zurück. Er lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich, das Messer an meiner Kehle und während er weiter sprach, zischte er mir seine Rumfahne direkt ins Gesicht: „Wir werden sehen, Son, wie der alte Black dein hübsches Gesichtchen findet, wenn es erstmal auf dem Ofen lag…!“, dann presste Robert meinen Kopf seitlich auf die Steinplatte. Ich spürte, wie diese langsam begann warm zu werden und Panik stieg in mir auf. War der Mann wirklich so betrunken oder einfach nur verrückt geworden?! „Nein…! Ihr seid doch wahnsinnig, lasst mich! Ich habe doch den Schlüssel!“ „Aber natürlich hast du ihn!“, wiederholte er mit sarkastischer Ironie. „Es ist wahr!“, beteuerte ich daraufhin. „Bitte glaubt mir, seht nach, es ist wahr!“ Ein lautes Lachen kam zur Antwort. „Und wo soll er bitte sein?!“ „In meiner Tasche! Seht nach, bitte, seht doch nach!“, ich versuchte abermals weg zu kommen, aber ein weiterer Tritt ließ mich aufschreien. Ich krachte zu Boden, dann knallte ich zurück auf die Platte. Mittlerweile war sie bedeutend heißer. Mürrisch begann er mich zu durchsuchen, ruckartig, entnervt. Er fand zuerst die Scherbe, die er achtlos in die Ecke warf, dann die drei Schlüssel. „Drei?! Willst du mich verarschen?!“, der erste Maat riss mich hoch, aber ich sackte in die Knie da mein Bein mich nicht halten konnte und ehe ich mich versah donnerte ein harter Faustschlag mich zu Boden. Ich schrie nicht einmal mehr, als ich auf die Ablage knallte und mit meinem Sturz sämtliches Geschirr und Besteck mit hinunter riss. „Was treibst du für Spiele?!“, schrie er mich an. Keuchend lag ich in einem Haufen Trümmer und Scherben. Ich wollte antworten, doch meine Kräfte schwanden weiter und der hohe Blutverlust trug nicht gerade dazu bei, dass es mir besser ging. Als ich hörte, wie er sich bewegte, fuhr ich ängstlich herum, aus Angst vor einem Tritt. Aber Robert trat nicht zu. Robert fluchte nur, griff einen Metallspieß und hielt ihn in die Kohlen. Entsetzt starrte ich ihm entgegen, als er mir das glühende Werkzeug direkt zwischen beide Augen hielt. „Nun gut… Dann werden wir jetzt ein kleines Spielchen spielen und sehen, was du zu sagen hast…!“ Ein gedehntes und tiefes „Robert Iven McGohonnay!“ ließ uns zusammen fahren. Black stand in der Tür. Keuchend und auf seine Krücke gestützt, aber keiner von uns beiden wagte es, ihn anzusehen. Robert rang damit, zu zustechen und ich starrte wie gebannt, nach Luft ringend auf die orange glühende Spitze. Er ließ sie nicht sinken, im Gegenteil. Das glühende Metall kam etwas näher auf mich zu und ich lehnte den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zu. Weiter ausweichen konnte ich, aber die Stange weg zu schlagen kam nicht in Frage. Ich hörte Robert kalt fragen: „Was wollt Ihr, Black?“ Der Smutje humpelte mühevoll hinunter in die Kombüse und langsam um den Ofen herum auf ihn zu. „Krümme ihm ein Haar, Robert und ich schwöre dir, bei Gott – wenn es ihn gibt – ich zeige dir deine Eingeweide!“ Doch der erste Maat reagierte nicht und als Black sich ihm näherte, hielt er ihm mit der anderen Hand das Messer entgegen. „Einen Schritt näher, Mathew und es ist aus mit euch. Mit euch beiden! Der Rat hat entschieden, die Sache ist gelaufen, du hast versagt!“ „Du sagst du zu mir? Du wagst es, mit mir zu reden, als seien wir Freunde?!“, und mit diesen Worten trat Black vor und riss ihm das Messer aus der Hand. Noch nie habe ich ihn so laut fluchen gehört. „Wage es nicht noch einmal die Waffe gegen mich zu erheben! Ich bin eurer Anführer, du verlauster-…!“ Robert unterbrach ihn kühl: „Du wurdest abgesetzt.“, dennoch ließ er finster die Stange sinken, wenn auch nur langsam. Ich atmete erleichtert aus und schloss kurz die Augen, als die Hitze aus meinem Gesicht wich. Black lachte verächtlich: „Hat das der Rat entschieden, ja?! Aber eins sage ich dir, Robert, eines sage ich dir und höre gut zu: In den Statuen steht geschrieben, dass wenn ihr mich absetzt, ich Recht habe auf Verteidigung und Anhörung. Und hast du sie nicht unterschrieben, Robert McGohonnay?! Hast du es nicht getan?!“ „Aye, habe ich, aber-…“ „Das will ich wohl meinen!“, fuhr Black ihn an und entriss ihm nun wütend die Eisenstange. „Und nun scher dich raus! Raus sage ich! Ehe ich nicht alles klar auf dem Tisch habe bin ich der Anführer, beim Donnerwetter noch einmal!“, und dabei stampfte er so stark mit seinem Holzbein auf, dass die Scherben neben mir leicht hüpften. Robert starrte ihn finster und hasserfüllt an, dann warf er mir einen noch schlimmeren Blick zu. Nur langsam verließ er die Kombüse, drehte sich jedoch noch einmal herum, als er auf der Treppe stand und zischte: „Eines will ich dir sagen, Black, eins und da höre mir ganz genau zu…! Mit jedem Bein in einer Partei, aye? Aber eines ist nur noch Brennholz...! Du kannst nicht mehr lange stehen! Da sei dir mal sicher…!“ Mit diesen Worten verschwand er. Black schnaubte verächtlich oder verhasst, ich war mir nicht sicher, dann drehte er sich zu mir und seufzte kopfschüttelnd. Er warf die Eisenstange achtlos weg und streckte mir seine behandschuhte Pranke entgegen. Unsicher griff ich zu und stöhnte auf vor Schmerz, als ich meinen Oberschenkel wieder spürte. Er half mir, mich zu setzen und seufzte, ließ seinen Blick schweifend und seufzte gleich noch mal erneut. Kaputtes Geschirr, verteiltes Essen, ein umgeworfener Schemel... Die Küche sah aus, wie ein kleines Schlachtfeld und der Ofen glühte unbenutzt vor sich hin. Ich hockte auf dem Hocker wie ein getretener Hund oder ein Kind, das eine Standpauke erwartete, wohl wissend, dass sie bald folgen würde. Aber sie kam nicht. Und so saß ich nur da und starrte zum Boden. Black begann einen Topf mit Wasser füllen, anschließend stellte er diesen auf den Ofen und setzte sich wieder zu mir Wir schwiegen lange, ich weiß nicht wie lange eigentlich. Doch irgendwann dann sah er mich an und brummte: „Son…“ Es fiel mir schwer, zu deuten, wie es gemeint war. Vorwürfe? Mitleid? Aber auch ein Blick in sein Gesicht half mir nicht, also starrte ich den Tisch an. „Es tut mir leid…“, mehr brachte ich nicht heraus. Er brummte nur, schüttelte den Kopf und schwieg abermals. Dann, nach weiteren gut fünf Minuten sagte er ein wenig sanfter, jedoch ohne mich anzusehen, was ich viel schlimmer fand als seinen tadelnden Ton: „Geh zum Feldscher, lass das untersuchen und dann in deine Koje.“ Ich nickte und erhob mich. Still sah ich ihm zu, wie er begann eine Suppe zu kochen. Jedoch ignorierte er mich und so gehorchte ich. Jetzt wusste ich, was es war...Enttäuschung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)