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Kill

von

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Der Mord

Der Mord
 

°Also, warum noch mal habe ich den Job angenommen?°

Sie stand vor einem Luxushotel, gehüllt in einen schwarzen Ledermantel. Ihr Blick war gen Dach des Wolkenkratzers gerichtet. Laut den Informationen, die sie erhalten hatte, befand sich die Person, die sie brauchte, auf dem vierzigsten Stock des Gebäudes.

°Yukio Nakamura, fünfundvierzig Jahre alt, Oppositionsführerin. Seit achtzehn Jahren in der Politik tätig, davon neun in der Opposition. Hält nichts von der momentanen Regierung Japans und versucht mit allen Mitteln, eine Revolution hervorzurufen. In den zwei Jahren als Oppositionsführerin hat sie es geschafft, manchen hohen Tieren auf eine wunde Stelle zu treten. So ist es vorherzusehen gewesen, dass sie sich so viele Feinde schaffte. Dessen ist sie sich allerdings bewusst und geht daher ohne persönliche Leibgarde, die aus vier Leibwächtern besteht, nicht ausser Haus. Ihre einzige Schwäche: Frauen.°

Die junge Frau musste erneut seufzen. °Wenn ihre Anhänger aus dem Volk nur wüssten, dass ihre geliebte Yukio eine Männer verachtende Lesbe ist, würden sie die Frau nicht mehr so anhimmeln.°

Sie gab zwar zu, mit einigen Entscheidungen der Regierung ebenfalls nicht einverstanden zu sein, doch Nakamura übertrieb masslos.

°Eine Revolution, mit der als Anführerin…°, dachte sie voller Verachtung. °Und ich dachte, die Zeiten des Leninismus und der Bolschewiki seien schon längst vorbei.°

Obwohl… diese Frau hatte sich dafür einsetzt, dass die einfacheren Angestellten wie Bau- oder Mienenarbeiter einen höheren Lohn bekamen, und das war wiederum gut. Aber eigentlich war sie dort nicht um das Verhalten der Zielperson zu kritisieren, sondern um ihre Arbeit zu erledigen. Also konnte sie es noch lange drehen und wenden, dies würde nichts an der Tatsache ändern, dass sie nun in das Hotel gehen musste, was sie nach einem viel sagenden Seufzen auch tat.
 

Das Klingeln des Telefons ertönte in unmittelbarer Nähe von seinem Ohr. Murrend drehte er sich um und versuchte das nervende Geräusch zu ignorieren. Das war definitiv die falsche Entscheidung gewesen, denn kaum verstummte das Gerät, schon fing es wieder an wie verrückt zu trällern.

Schliesslich nahm er den Hörer doch noch ab:

"Telefon, Fluch der Menschheit… Osa?"

"Na endlich!", ertönte es am anderen Ende der Leitung. "Ich dachte schon, ich muss dir einen persönlichen Besuch abstatten, damit du endlich erwachst."

"Hör auf zu meckern, du klingst ja glatt wie meine Oma. Und jetzt sag mir endlich, was los ist, sonst lege ich auf.", murrte der Mann, denn er war alles andere als begeistert von der Tatsache, um halb vier Uhr morgens geweckt zu werden.

"Wir haben eine Leiche. Und was für eine."

Ein Teil seines Ärgernisses war weg.

"Wer?"

"Yukio Nakamura."

Nun hatte ihn der Schlaf endgültig verlassen, der Hörer wäre ihm fast aus seiner Hand geflogen.

"Willst du mich verarschen?"

"Keines Falls. Der Chef will dich in einer Viertelstunde hier sehen."

"Ähm… Und wo ist hier?"

"Das Plaza-Hotel."

"OK, bin …" Er sah schnell auf die Uhr. "… in zwanzig Minuten bei euch." Dann legte er den Hörer ab.

Schnell und doch leise fing er an, sich anzuziehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine Bewegung.

"Musst du wieder gehen?"

Eine junge Frau sah zu ihm, ihre ernsten Augen durchbohrten ihn selbst in der Dunkelheit des Zimmers. Auch ihre Frage zeigte keinerlei Emotionen. Es war eine sachliche Erkundigung der Tatsachen.

"Ja.", lautete die kurze Antwort. Dies war das Letzte, was sie zu einander sagten, abgesehen von einem:

"Wir sehen uns, Süsse.", als er aus der Tür der Wohnung stürmte, die Autoschlüssel in der Hand haltend.
 

Erschöpft schmiss sie sich auf ihr Bett. Dieser Auftrag gehörte nicht gerade zu den besten, die sie gehabt hatte. Nicht, dass sie ihre Arbeit schlecht erledigt hätte, doch der Job hatte ein unangenehmes Gefühl hinterlassen…

___________
 

Auf dem richtigen Stockwerk angekommen verliess die junge Frau den Fahrstuhl. Sofort wurde sie von den Securities empfangen. Auf eine Begrüssung dieser Art war sie, natürlich, vorbereitet, zeigte dies aber nicht.

"Lasst mich durch!", meinte sie genervt. "Yukio erwartet mich."

"Wir müssen Sie aber dennoch durchsuchen.", erwiderte einer der Muskelprotze.

Sie machte ein angewidertes Gesicht, ganz wie ihre Rolle dies verlangte. Während sie nach Waffen und sonstigem durchsucht wurde, tat sie so, als wurde sie sich jeden Moment übergeben müssen.

"Na endlich.", gab sie von sich, als sie die Prozedur hinter sich hatte. Natürlich wurden bei ihr keine Waffen gefunden, sonst hätte man sie nicht einmal ins Hotel reingelassen.

Empört stolzierte sie zur Umkleide. Unterwegs begegneten ihr mehr als nur leicht bekleidete Frauen in allen ausdenkbaren Kostümen: Geishas, Griechinnen, Göttinnen, Hula-Tänzerinnen, Ägypterinnen…

In der Umkleide angekommen, nahm sie ihre Verkleidung hervor: Ein orientalisches Tanzgewand mit praktisch durchsichtiger Hose und einem bauchfreiem Top mit einem tiefen Ausschnitt. Ein Schleier ergänzte ihr Outfit. Den Mantel und ihre normale Kleidung hatte sie in ihrer Stofftasche verstaut. Erst dann verliess sie ihren momentanen Aufenthaltsraum und schritt des sicheren Schrittes auf die grosse Halle zu. Ohne auch nur etwas zu zögern lief sie geschmeidig durch die offene Tür.

Sie hatte schon vorher eine vage Vorstellung dessen, was sie da erwarten würde, doch DAS übertraf alles, was sie sich zusammengereimt hatte.

Soweit das Auge reichte, war der ganze Boden mit Kissen und weichen Teppichen übersäht. Tiefe, bunt verzierte orientalische Tische waren mit Abstand die einzigen Möbelstücke. Mitten in der Halle befand sich ein grosser Springbrunnen aus weissem Marmor und um den herum… und um den herum waren halb- und ganz nackte Frauenkörper zu sehen, die sich miteinander vergnügten. Zu zweit, zu dritt und mehr. Kurz, es war eine riesige Orgie mit nur Frauen als Teilnehmer.

Doch was am meisten überwältigend war, war die Tatsache, dass ein gewisses weisses Pulver vorhanden war, welches zwischen den Anwesenden grosszügig verteilt wurde. °Kokain.°, lautete ihre stumme Schlussfolgerung.

Etwas zog an ihrem Hosenbein und zwang sie nach unten zu schauen. Ihr Blick auf fiel auf eine junge Frau, die mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht einmal achtzehn geworden war, also praktisch ein Mädchen. Ihre Augen sahen die Neuangetroffene sehnsüchtig und voller Verlangen an. Knapp dreissig Zentimeter von ihnen entfernt befanden sich drei weitere Frauen, die sich ausgiebig miteinander vergnügten und lauthals stöhnten. Etwas weiter weg, vielleicht einen halben Meter, befand sich ein Tischlein mit allerlei Flaschen, die alle verdächtig nach verschiedensten Arten alkoholischer Getränke rochen.

Sanft liess sie sich zum Mädchen nieder und fragte es, während ihre Hand über dessen feines Gesicht fuhr:

"Hat man dich alleine gelassen?"

Die durch Drogen und Alkohol verschleierten Augen brannten von Verlangen, als die Minderjährige nickte.

"Komm, ich leiste dir Gesellschaft.", meinte die Frau darauf und lächelte dabei ganz sanft.

So liess sie sich mit dem Mädchen auf die Kissen nieder und spielte zuerst mit dem und dann auch noch mit den anderen drei Frauen mit. Auf diese Weise wollte sie sich in die Richtung einer Tür bewegen, welche in einen weiteren Raum führte: In das Gemach der "Bienenkönigin". Auch wenn sie immer wieder heisse Finger erregter Frauen auf ihrer Haut spürte, sie die stöhnenden Gestalten selber liebkostete, verlor sie nie das Ziel aus ihren Augen: Die besagte Tür.

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Er gähnte ausgiebig und von ganzem Herzen. Auch wenn er seinen Job gerne machte, hasste er es, mitten in der Nacht auf die Beine gezogen zu werden. Na ja, war auch nicht das erste Mal.

"Also, was haben wir da Schönes?", fragte er seinen Arbeitskollegen und besten Freund seit der Schulzeit.

"Yukio Nakamura, fünfundvierzig Jahre alt, politische Oppositionsführerin."

Der Neuangekommene kratzte sich den Hinterkopf.

"Na, da haben wir aber eine Bescherung."

Er ging in die Hocke vor der Toten. Yukio lag auf dem Bauch, die Augen aufgerissen, der Mund offen. Die langen, schwarzen Haare verdeckten ihr Gesicht.

Das Opfer war fast nackt, ein leichter, halbdurchsichtiger Rock stellte ihre gesamte Kleidung dar.

"Hat man schon eine Vermutung, was der Todesgrund sein könnte?"

Die Leiche wies keine sichtbaren Verletzungen auf.

"Mit Sicherheit werden wir dies erst am Montag wissen…"

Er sah auf:

"Komm schon, Kyo, ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass du eine Vermutung hast. Also, raus mit der Sprache."

Der Genannte seufzte leicht.

"Wirbelsäule." Und als sein Freund verstand, was er, Kyo, damit gemeint hatte, ergänzte der noch. "Ihr wurde die Wirbelsäule gebrochen."

Zu sagen, dass sein Freund überrascht und ungläubig war, war leicht untertrieben.

"Sieh mich nicht so an, Zero. Du hast mich nach meiner Meinung gefragt, also habe ich dir auch eine Antwort gegeben."

"Ja, ja, schon gut."

Mit diesen Worten war das Gespräch beendet und die beiden jungen Männer machten sich an die Arbeit.

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Endlich hatte sie es geschafft, zur Tür des Gemachs der "Bienenkönigin" zu gelangen. Man dürfte sie nur mit ihrem Spitznamen ansprechen, sonst würde man noch Verdacht schöpfen.

"Cleopatra erwartet mich.", sagte sie mit einer selbstsicheren Stimme und kurz darauf wurde die junge Frau ins Schafzimmer geführt. Um drei Uhr würde Nakamura die grosse Halle betreten und sich mit dem Rest vergnügen. Sie hatte also noch knapp zwei Stunden, um ihre Arbeit erledigen zu können. Nun, das würde mehr als nur reichen.

Yukio lag auf einem riesigen Doppelbett, in dem locker fünf Personen Platz gefunden hätten. Die Oppositionsführerin hatte einen breiten, vergoldeten Kragen, die Arme mit breiten Armbändern verziert. Ein halbdurchsichtiger Rock bedeckte ihre Hüfte, wobei man aber mehr sah, als man sollte. Ihre Haare hatte Yukio sich in ägyptischen Stil machen lassen: Lang, gerade, mit goldenem Schmuck verschönert.

Eigentlich war sie sehr schön, auch wenn man ihr ihre Jahre durchaus ansehen konnte. Dies war sogar fast besser so, denn die Jahre unterstrichen ihre Reife und ihre Erfahrung. Sie müsste immer noch viele Verehrer haben.

Die junge Frau, die erst ins Zimmer eingetreten war, ging auf die Liegende zu, darauf bedacht, möglichst geschmeidig auszusehen. In ihren Augen loderte das Feuer der Begierde, sobald sie Yukio erblickte.

"Cleopatra.", hauchte sie voller Sehnsucht und Verlangen.

Sie blieb vor dem Bett stehen. Doch dann brach sie plötzlich auf ihren Knien zusammen und sprach erneut zu Yukio, während ihre Finger zittrig über das Lacken fuhren.

"Oh Cleopatra, ich flehe dich an, erweise mir, Sheherazade, die Ehre, dich massieren zu dürfen."

Ein prüfender Blick durchbohrte sie und liess sie erschaudern.

Um nicht aufzufliegen, machte sie das, was sie normalerweise bei Männer tat: Ihr Atem wurde schwer und zittrig, ihre hervorgehobene Brust hob und senkte sich in unregelmässigen Abständen. Ihr ganzes Auftreten zeigte ihre Erregung, ihre Lust, ihren Wunsch…

Die Oppositionsführerin sah zu den Frauen an der Tür.

"Macht die Tür zu. Ich will bis drei Uhr nicht gestört werden.", sagte sie mit einer befehlenden Stimme, wobei die Angesprochenen sofort gehorchten.

Dann wurde die junge Frau von Yukio mit einer Handbewegung zu sich gerufen. Auf allen vieren krabbelte die Gerufene zu ihrer Cleopatra. Eine zarte Bewegung ihrer Finger öffnete den Verschluss des breiten Goldkragens um den Hals der Fünfundvierzigjährigen. Mit einer weiteren Bewegung nahm sie den Kragen ganz weg und entblösste damit Yukios Oberkörper vollständig.

"Leg dich hin, meine Königin.", trällerte sie mit einer samtweichen Stimme, während ihre Finger über die Schultern der Zielperson wanderten, mit ihrer Brust spielten.

Anscheinend war Yukio von dieser Behandlung angetan, denn sie legte sich hin, ohne etwas zu sagen.

Die junge Frau nahm ein Fläschchen mit Massageöl, welches auf dem Nachttischchen stand. °Hm? Rose? Na, die hat vielleicht Kohle…° Sie entschied sich dafür, keine Gedanken mehr über das Vermögen ihrer Zielperson zu verschwenden, und machte sich an die Arbeit.

Sie goss sich aus der Flasche ein wenig Öl auf ihre Handfläche verteilte es dann auf beiden Händen: Das Öl musste warm sein, bevor man mit der Massage beginnen konnte.

Als die Flüssigkeit die Temperatur ihrer Hände angenommen hatte, fing sie mit der Massage an.

Sanft und entspannt glitten ihre Hände über den Rücken Yukios. Mit jeder weiteren Bewegung spürte sie, wie die Zielperson unter ihr sich mehr und mehr entspannte.

Ungefähr zehn Minuten später liess die Oppositionsführerin ein wohliges Seufzen von sich hören. Das war ein gutes Zeichen.

Es vergingen noch zwanzig Minuten, als die junge Frau fühlte, dass ihre Hände nicht mehr so gut über den Rücken Nakamuras fuhren. Zur Sicherheit massierte sie sie noch weitere fünf Minuten, bis sich das Öl vollständig in die Haut Yukios eingesaugt hatte.

°Jetzt!°, dachte sie…

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"Sag mal, Kyo, wie bist du überhaupt auf die Idee mit der Wirbelsäule gekommen?", fragte Zero, während er sich die Leiche ansah.

"Wie du selber siehst, weist sie keine sichtbaren Verletzungen auf." Er ging ebenfalls in die Hocke und zeigte mit dem Finger auf das Gesicht des Opfers. "Und trotzdem ist da etwas Blut an ihrem Mund. Siehst du?" Sein Freund nickte. "Solche Ringsäle sind immer da, wenn entweder die Lunge oder der Magen verletzt ist, das wissen wir beide gut genug. Aber Yukio hat nichts dergleichen."

"Vielleicht wurde sie auch vergiftet?", schlug Zero vor, dem die Wirbelsäule-Theorie zu mystisch war.

"Erstens, die Securities haben alle Frauen durchgesucht, die hierher gekommen waren. Sie hätten das Gift sofort entdeckt. Und zweitens: Kennst du irgendwelches Gift, das innere Blutungen verursacht?"

Da musste sich der junge Mann geschlagen geben.

"OK, die Version können wir uns abschminken. Na dann, lass mal hören, was du dir da zusammengereimt hast."

"Als ich noch den Judo-Unterricht besuchte, erklärte der Sensei uns mal, dass es eine spezielle tödliche Technik gibt, die mit nur zwei kleinen Bewegungen zum Bruch der Wirbelsäule führt, wobei auch der Rückenmark zerrissen wird. Dann kommt es vor, dass etwas Blut sichtbar wird bzw. aus dem Mund hervortritt."

Er zog sich Gummihandschuhe an und fuhr sachte über den Rücken der Toten. "Saubere Arbeit.", kommentierte er. "Man spürt nicht die geringste Unebene bei dem Rückgrad."

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Mit einer schnelle Bewegung und steifen Finger durchbrach sie die Wirbelsäule ihres Opfers beim siebten Rückenwirbel entzwei. Ohne auch einen Moment zu zögern, packte sie den abgebrochenen Teil und zog diesen oberhalb des anderen Teils. So verharrte sie anschliessend. Ihre angespannten Gesichtsmuskeln zeigten, dass sie in dem Moment ganz genau lauschte, ob jemand etwas bemerkt hatte. Doch das einzige, was zu ihren Ohren gekommen war, waren die Lust erfüllten Geräusche von neben an.

Als sie sich sicher war, niemand hätte sie gehört, brachte sie die Wirbeln in ihre ursprüngliche Position. Nun war es an der Zeit, zu verschwinden.

Ihre Tasche hatte sie mit sich in Yukios Gemach mitgenommen. Für Aussenstehenden war das Massageöl der Grund dafür, also hatte sich niemand gewundert. Den wahren Hintergrund für ihr Handeln kannte keiner ausser ihr selbst und so sollte es auch sein.

Schnell wurde aus im Zimmer verfügbaren Mitteln ein Seil konstruiert. Mit dessen Hilfe kletterte sie zum Fenster oberhalb dieses Raumes. Diese Suite war von Anfang an für diese Nacht reserviert. Von da aus war es ein Kinderspiel, das Hotel unbemerkt zu verlassen.

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"Wann wurde sie eigentlich gefunden?", erkundigte sich Zero, bevor er einen kräftigen Schluck von seinem Kaffee nahm.

"So um die halb drei. Vielleicht auch Viertel vor. Die Angaben sind ungenau, da es hier keine einzige Uhr gibt.", lautete Kyos Antwort. "Auf jeden Fall haben wir davon um zehn vor drei erfahren. Da ich heute mit der Nachtschicht dran gewesen bin, bin ich es halt gewesen, der als erstes hier war. Um die zwanzig nach drei kam der Untersuchungsführer. Der verlangte dann dich."

"Aha.", machte Zero mit wenig Begeisterung. "Und wer ist der Untersuchungsführer?"

"Der Eisprinz."

"Auch das noch.", meinte der Ermittler noch begeisterter, als er es schon vorher war.

Der Eisprinz hiess in Wirklichkeit Takuro Inuyo. Allerdings nannte ihn man nur dann so, wenn man ihm gegenüber stand. Hinter seinem Rücken hiess er "der Eisprinz" – wegen seiner ständig seriösen Miene, den kalten Augen und der emotionsloser Stimme.

Takuro selbst wusste über den Spitznamen Bescheid, machte sich aber nichts daraus. Es war ihm egal, wie man ihn nannte. Wichtiger war, dass er und die Leute, mit denen er arbeitete, ihre Arbeit gut machten.

"Wo ist er denn jetzt?"

"Der versucht die ganzen verscheuchten Hühner zusammen zu bekommen." Damit meinte Kyo die Horde praktisch nackter Lesben. Sie alle mussten verhört werden, doch solange sie Panik schlugen, war dies so gut wie unmöglich.

"Na dann wünsche ich ihm viel Glück.", seufzte Zero. "Eins sag ich dir, mit diesem Fall werden wir noch grau."

"Pass damit auf, was du sagst, sonst wird es noch wahr.", ermahnte ihn Kyo mit einem ironischen Unterton. "Du weisst doch, wie man es so schön sagt: Mal nicht den Teufel an die Wand." Nach diesem Kommentar machten sich die beiden Männer wieder an die Arbeit.

Die Begegnung

Die Begegnung
 

Sie streckte sich ausgiebig und gähnte von ganzem Herzen. Ja, die Mütze voll Schlaf hatte ihr wirklich gut getan.

Bevor sie aus dem Bett stieg, warf sie noch schnell einen Blick auf ihren Wecker. Der kleine Zeiger zeigte, dass es zwölf Uhr mittags war…

"SCHEISSE!"

Wie von einer Tarantel gestochen, sprang sie auf. Sie hatte doch glatt verschlafen! Dabei hatten sie schon vor einer Woche abgemacht, zusammen shoppen zu gehen. °Erstens: Dusche. Zweitens: Kaffe. Drittens: Frühstück. Viertens: Anziehen. Fünftens: Haare machen. Sechstens: Schminken. Siebtens: Beten, dass Eri mich nicht killt!!!°

Vierzig Minuten später stürmte die junge Frau aus der Wohnung.
 

"Da bist du ja endlich!", rief Eri aus. "Ich dachte schon, ich muss mir alleine ein Hochzeitskleid aussuchen!"

"Tut mir echt leid.", keuchte die Neuangekommene.

Eri schüttelte den Kopf:

"Mensch, Revi, man kann sich doch nicht immer verspäten. Ich frage mich echt, warum dein Chef dich immer noch nicht rausgeschmissen hat…"

"Ich schaffe es immer, im letzten Moment zu erscheinen."

"Erscheinen… Das ist genau das richtige Wort für dich.", murrte Eri noch, was aber nicht mehr böse gemeint war.

"Gehen wir." Ohne auf Revis Antwort abzuwarten, ging die junge Frau schon los. Der anderen blieb nichts anderes übrig, als gehorsam zu folgen.

"Sag mal, Eri…", fing Revi vorsichtig an. "Deine Hochzeit findet doch erst im Juni statt… Meinst du nicht, dass es etwas zu früh ist, sich ein Hochzeitskleid zu suchen?"

Ihre Freundin schüttelte nur den Kopf.

"Revi, man merkt es, dass du noch nie verheiratet warst… Ein Hochzeitskleid muss mit viel Geduld und Hingabe ausgesucht werden. Das braucht halt seine Zeit."

"Ja, aber wir haben erst August!", rief Revi verzweifelt aus. "Du könntest auch im Dezember oder Januar mit der Suche anfangen. Fünf bis sechs Monate würden für die Suche doch locker ausreichen."

Der Blick, der sie durchbohrte, war mit Abstand das Tödlichste, was sie je erlebt hatte.

"Wir suchen mir ein Hochzeitskleid und zwar jetzt.", presste Eri zwischen zusammen gepressten Zähnen aus, packte ihre Freundin am Arm und zerrte diese mit. Der jungen Frau blieb nichts anderes übrig, als das brave Lahm zu spielen. Ihre Freundin war recht fanatisch, was ihre bevorstehende Hochzeit betraf…
 

"Ich kann nicht mehr.", gab Zero von sich total erschöpft. Die ganzen Befragungen dieses Morgens hatten ihn echt geschafft. Es reichte schon, dass es sich dabei um von Panik ergriffene Frauen handelte. Aber nein, es musste sich dabei um von Panik ergriffene, Männer verachtende Lesben handeln! Nicht zu vergessen, dass sie alle unter Drogen standen und einen hohen Alkoholpegel aufwiesen. Er hatte nichts gegen sexuelle Minderheiten, aber…

Seine Kollegin sah ihn mitleidig an. Sie hatte es etwas einfacher gehabt, da sie ja nun mal eine Frau war.

"Das war sicher kein Zuckerschlecken."

"Nein. Nicht, wenn du von jeder befragten Person tötende Blicke ernten musst. Obwohl man das gar nicht als Befragung bezeichnen kann. Die waren ja alle entweder high, oder stockbesoffen, oder eben beides." Er seufzte. "Auf die Informationen können wir uns nicht verlassen. "

Egal, wer was gesagt hatte, es was keinen Deut wert, solange diese Worte unter dem Einfluss von Rauschmitteln ausgesprochen wurden, das wusste jeder Beamte.

Es herrschte für einige Zeit Stille im Auto, in dem sie sassen, bis die Frau das Schweigen brach:

"Darf ich rauchen?"

"Nur zu. Mach nur das Fenster auf."

"Sag mal, wie läuft es eigentlich mit Mitsuki?", fragte Zeros Kollegin nach, nachdem sie einen tiefen Zug genommen hatte.

"Nicht so toll… Weißt du, Minako, irgendwie sind wir uns ganz fremd geworden.", meinte der junge Mann.

Minako stutzte:

"Fremd? Aber ihr seid doch schon seit fünf Jahren zusammen. Wie könnt ihr euch dann fremd sein?"

Er fuhr mit der Hand über seine schwarzen, kurzen Haare.

"Ich weiss es auch nicht. Ich meine, natürlich machen wir Vieles zusammen und so, aber… Als ich heute Morgen gehen musste, war sie weder wütend, noch empört, noch sonst irgendwas. Klar, so etwas wünscht sich jeder Beamter, aber, wie man es so schön sagt, übertreiben kann man immer. Sie hat lediglich nachgefragt, ob ich gehen müsse. Sachlich, ohne jegliche Emotionen." Er sah seine Gesprächspartnerin direkt an. "Kalt. Es ist kalt neben ihr. SIE ist kalt… und ich friere in ihrer Nähe."

Minako lauschte aufmerksam zu. Es war nicht das erste Mal, dass Zero ihr sein Herz ausschüttete. Im Grunde genommen wusste sie mit Abstand über alles, was sein Liebesleben betraf, bescheid.

Sie nahm einen weiteren Zog:

"Kyo wird aber alles andere als begeistert sein, wenn er dies erfährt. Du weißt ja, wie sehr er an Mitsuki hängt. Schliesslich ist sie seine kleine Schwester."

"Hm… Vielleicht wird er nicht so heftig reagieren, wenn ich es ihm erkläre? Ich meine, wir sind beide erwachsene Männer und es ist nichts Weltbewegendes, wenn zwei Leute miteinander Schluss macht."

"Versuchen kannst du es auf jeden Fall.", meinte Minako nach einigen Überlegungen.

Wieder kehrte die Stille in das Fahrzeug, doch dieses Mal war es der junge Mann, der seine Stimme erhob:

"Willst du einen Kaffee?"

"Au ja, und noch etwas zu essen, falls möglich. Ich verhungere demnächst."

So stieg er aus dem Wagen aus und ging zur nächst besten Imbissbude. Doch kaum sah er das Essen dort, wurde es ihm übel. Das Zeug sah aus, als hätte man es zwei Wochen lang an der Hitze liegen gelassen. Daher entschied er sich weiter zu gehen.
 

°Gott, ist das nervig. Wie kann man wegen einem Schleier ein solches Theater veranstalten?°

Revi schüttelte den Kopf. Ihre Freundin konnte äusserst euphorisch und fanatisch sein. Nun stritt diese sich mit der Verkäuferin über die Länge des Schleiers. Eri hatte irgendwo gelesen, dass der Schleier genau fünfundsiebzig Zentimeter lang sein musste, wenn das Paar über lange Zeit glücklich verheiratet bleiben wollte. Wo die Frau DEN Mist her hatte, wusste Revi nicht und wollte dies, ehrlich gesagt, auch nicht erfahren. Das Einzige, was sie sich in dem Moment wünschte, war schleunigst aus dem Laden zu verschwinden.

Sie rief nur noch:

"Ich hol' mir einen Kaffee!" Und schon war sie weg.

Nun suchte sie nach einem geeigneten Ort, um ihren Kaffee ungestört geniessen zu können. Dabei bemerkte sie nicht den Jugendlichen, der genau auf sie zusteuerte. Natürlich kam es zu einem Zusammenstoss, wobei sie den Kaffee nur durch ein Wunder nicht verschüttete.

"Pass doch auf, du dumme Kuh.", murrte der Jugendlicher und verschwand in der Menge.

Revi blieb der Mund offen stehen. Solch eine Frechheit hatte sie nun wirklich nicht erwartet.

"Idiot.", zischte sie durch die Zähne und drehte sich um… und dieses Mal war ihr Kaffee nicht mehr zu retten gewesen…
 

°Also, habe ich nun alles?° Er zählte in Gedanken noch mal auf, was er alles besorgen musste.

Nach drei weiteren unsympathischen Imbissbuden hatte er endlich eine gefunden, in der er geniessbaren Kaffee und vernünftiges Essen kaufen konnte. Nun war er auf dem Rückweg zum Auto und zählte alles durch, was er gekauft hatte.

°Hm, ich glaube, ich habe nichts vergessen.°, resümierte er zufrieden. Noch zufriedener war die Tatsache, dass das Auto gerade mal zwanzig Meter von ihm entfernt stand.

°Endlich mal etwas Positives an diesem verschissenen Tag.° Doch da hatte Zero sich zu früh gefreut.

Er schaffte es gerade noch eine Frauengestalt vor ihm zu sehen und schon wurde er mit etwas Heissem übergossen.

"Oh mein Gott, bitte entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht gesehen.", ertönte eine hektische Stimme, die definitiv weiblich war. Er sah nach unten und bemerkte einen schwarzen Haarschopf. Das Gesicht, welches die Haare umrahmten, war eigentlich sehr schön.

So weit er dies von seiner Perspektive aus beurteilen konnte, hatte die Frau vor ihm ein ovales Gesicht mit relativ hohen Wangenknochen und etwas hoher Stirn. Die Nase war nicht perfekt gerade, eher etwas bucklig, doch dies störte das Bild nicht in kleinster Weise. Im Gegenteil, es brachte das gewisse Etwas in die Gesichtszüge der Frau vor ihm. Die Augen wurden von etwas breiteren Augenbrauen betont. Er konnte die Augenfarbe nicht erkennen, da die Frau nach unten zu ihrer Tasche sah, aus der sie versuchte, Taschentücher herauszufischen. Die vollen Lippen murmelten Entschuldigungen.

Im Grossen und Ganzen schätzte er sie auf etwa einundzwanzig bis vierundzwanzig Jahre.

"Das tut mir schrecklich leid.", meinte sie erneut und reichte ihm eine Packung Papiertaschentücher, die sie endlich finden konnte. Die Papiertüte mit dem Essen und den Getränken in einer Hand haltend, nahm er mit der anderen das Angebotene… und hatte das Gefühl, von Innen zu verbrennen.

Dunkle, braune Augen waren nun auf ihn gerichtet, in denen ein Feuer loderte, den er noch nie zuvor erlebt hatte. Die Berührung der zarten Haut der schmalen, gepflegten Finger hinterliess ein angenehmes Prickeln auf seiner Hand.

Für einen Moment lang fehlte ihm die Sprache, doch er kam schon bald wieder zu sich.

"Ist halb so schlimm. Auf Schwarz sieht man Kaffeeflecken nicht." Er wies auf sein T-Shirt und seine Hose, die beide schwarz waren.

Die Frau lächelte ihn an, wobei ihre Augen zu lodern schienen…

"Da bist du ja! Wie konntest du nur einfach so abhauen?!"
 

°Eri, wieso tauchst du immer dann auf, wenn dies gar nicht nötig ist?°

Um ein Haar hätte Revi geseufzt.

Eri kam angestürmt, packte ihre Freundin am Arm und bugsierte diese zum nächsten Laden.

Revi schaffte nur noch, einen kurzen Blick nach hinten zu werfen und ein "Man sieht sich, Fremder." mit den Lippen zu formen. Dann verschwand er auf ihrem Blickfeld.
 

Zero stand da, wie vom Donner gerührt. Der letzte Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, liess es ihm heiss und kalt den Rücken runter laufen. Das Feuer der Augen der Unbekannten durchbohrte ihn und liess es ihm kochendheiss werden. °Wer war das?°, fragte er sich immer wieder. Doch auf eine Antwort konnte er noch lange warten…
 

"Was War Denn Das?", fragte Minako, wobei sie jedes Wort separat betonte. Zero war endlich beim Auto angelangt und verteilte das Essen und die Getränke. Anscheinend hatte die junge Frau die ganze Szene vom Wagen aus gesehen.

Er zuckte mit den Schultern. Er selbst wusste auch nicht, was das gerade eben gewesen war, doch schon allein der Gedanke daran liess es ihm wieder heiss werden.

Prüfend musterte Minako ihren Kollegen und Freund:

"Hm… Ich glaube, du hast dich in die verguckt."

"Hör auf mit dem Scheiss und iss endlich, sonst wird mein Geld noch kalt." Mit diesen Worten biss er in den saftigen Burger und spülte diesen mit einem Schluck Kaffee runter.
 

"Wer war denn das?", fragte Eri mit einem viel sagenden Seitenblick.

"Wer denn?", lautete Revis Gegenfrage.

"Komm schon, spiel nicht die Dumme. Du weißt genau, wen ich meine. Den Typen, in dessen Armen du fast gelegen bist." Die junge Frau rutschte noch näher zu ihrer Freundin. "Also, wer ist er? Kennst du ihn?"

"Eri, hör auf mit dem Scheiss, ich kenn ihn gar nicht. Ich habe ihn aus Versehen mit meinem Kaffee übergossen, weil ich ihn nicht bemerkt habe. Das ist alles."

"Wie heisst er? Hast du seine Telefonnummer?", hackte Eri weiter nach, was bei ihrer Freundin nur ein genervtes Seufzen hervor rief.

"Nein, habe ich nicht und ich habe auch nicht vor, diese zu bekommen. Und seinen Namen kenne ich auch nicht, also hör jetzt endlich damit auf. Das nervt."

"Oh.", machte die zukünftige Braut etwas geknickt. Anscheinend war dies doch keine romantische Geschichte über die Liebe auf den ersten Blick. Das war schade, denn Eri liebte solche Geschichten über alles und glaubte an die Liebe bis in alle Ewigkeit.

Dummerweise hatte ihre Freundin Revi ihre eigene Theorie. Nämlich, dass man einen Menschen erst kennen musste, bevor man sich verliebte.

°Sie hat wirklich keinen Spürsinn für Romantik.°, tadelte Eri in Gedanken über die junge Frau neben ihr.

Revi hingegen hatte ihre eigenen Gedanken betreffend dem Vorfall. Sie gab ehrlich zu, dass der Mann ganz nach ihrem Geschmack war. Gross, durchtrainiert, mit schwarzem, etwas längerem Haar, welches nicht ganz seine Ohren verdeckte. Doch seine Augen waren das faszinierendste an ihm. So tief und unergründlich… und die junge Frau liebte alles, was unbekannt war. °Wer er wohl war?…° Aber dann nahm sie sich zusammen. °Nein, so was darf ich nicht denken. Selbst, wenn ich wüsste, wer er war, dürfte ich nichts mit ihm anfangen. Nicht, wenn man eine wie ich ist.° Mit diesem Satz waren ihre Überlegungen beendet.

"Sag mal, Eri, hast du dir den Schleier gekauft?", fragte Revi, um die gefährliche Atmosphäre zu beseitigen.

Kaum hatte Revis Freundin die Frage gehört, schon war sie wieder auf hundertachtzig.

"Nein, habe ich nicht. Du wirst es gar nicht glauben…" Und schon war Eri nicht zu stoppen. Revi war dies nur Recht. Sie musste nur ab und zu nicken oder sonst irgendwelche kurze Kommentare abgeben, damit ihre Freundin weiter quasselte. Denn die junge Frau selbst hatte vollkommen andere Sachen im Kopf.
 

"Was wirst du heute so machen?"

Minakos Frage ertönte vollkommen unerwartet, denn seit ungefähr einer Viertelstunde im Auto Stille geherrscht hatte.

"Beruflich oder allgemein?", versuchte Zero seine kommende Antwort etwas einzuschränken.

"Beides."

°OK, hat nicht geklappt.° "Öhm… Ich werde Yukio noch einen Besuch bei ihr zu Hause abstatten. Vielleicht haben die Jungs von der Spurensicherung da etwas gefunden. Und dann… ja, keine Ahnung. Wahrscheinlich werde ich zu Mitsuki gehen. Dann kann ich in aller Ruhe mit ihr über unsere Beziehung reden."

Seine Kollegin sah ihn etwas skeptisch an.

"Bist du sicher, dass du es heute machen willst? Ich meine, du hast schon genug Aufruhr für heute gehabt. Meinst du, du könntest noch mehr vertragen?"

"Mitsuki ist kein kleines Mädchen mehr. Ich werde gewiss mit ihr normal reden können, ohne dass mir das gesamte Geschirr auf den Kopf fliegt. Zumal denke ich, dass es sie genau so beschäftig wie mich. Aber natürlich werde ich erst mal herausfinden, was sie von unserer Beziehung hält. Wenn unsere Meinungen übereinstimmen, dann wird es kein Problem mehr geben."

"Doch, ein Problem wäre da noch. Kyo.", gab Minako von sich zu hören, während sie eine weitere Zigarette anzündete. "Du weißt ja, wie sehr er um das Wohl seiner Schwester besorgt ist. Käme jemand auf den Gedanken, Mitsuki auch nur ein Haar zu krümmen, könnte der seine Einzelteile in der gesamten Stadt zusammensuchen."

"Lass das, Minako. Du machst ja glatt ein Monster aus ihm.", tadelte Zero seine Arbeitskollegin. "So schlimm wird es jawohl nicht sein. Du vergisst, dass Kyo ein erwachsener Mann ist. Es wird wohl möglich sein, mit ihm ein ernsthaftes Gespräch unter Männer führen zu können."

"Hoffen wir, dass alles gut klappt.", resümierte Minako und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.

Der Rest des Weges zum Hauptquartier verlief ohne weitere Gespräche.

Einer Legende auf der Spur

Einer Legende auf der Spur
 

Am nächsten Tag erschien er gegen acht Uhr auf dem Revier. Wie auf Autopilot ging er direkt zu seinem Tisch, obwohl er eigentlich bei Kyo vorbeischauen wollte. Doch dies hatte sich von selbst erledigt, denn kaum war er bei seinem Tisch angekommen, schon ging sein Kindheitsfreund auf Zero zu.

"Die Ergebnisse der Autopsie sind fertig.", sagte er ohne Begrüssung.

"Dir auch einen schönen guten Morgen.", meinte Zero darauf, erkundigte sich jedoch: "Und, was sagen denn die Experten?"

"Darfst drei Mal raten."

"Sag bloss, Wirbelsäulenbruch?", entfuhr es Zero, der grosse Augen gemacht hatte und sich auf seinen Stuhl niedersetzen liess.

"Genau das. Der Tod ist gegen halb zwei Uhr morgens eingetreten. Die Wirbelsäule wurde genau beim siebten Rückenwirbel durchgebrochen und dann wieder in die Ursprungsposition gebracht. Sogar Zubov meinte, es sei eine Meisterarbeit."

Sergej Zubov war einer der anspruchsvollen Experten, die es auf dem Revier nur gab. Geboren in Sibirien lebte er seit dreiundvierzig Jahren in Japan – von den neunundvierzig, die er schon auf dem Buckel hatte.

Seine Mitarbeiter hatten versucht ihm den Spitznamen "Russe" anzueignen, doch der hatte sich mit seinem gesamten Temperament dagegen gewehrt. Somit war das Thema schnell aus der Welt geschafft. Das einzige, was man sich erlaubte, war, dass man den Experten bei seinem Nachnamen nannte. Dagegen hatte Zubov nichts einzuwenden.

Sergej war dafür berühmt, immer schlechte Laune zu haben und andauernd wegen seiner schlechten Gesundheit zu klagen. Alle, die schon über längere Zeit mit ihm arbeiteten, wussten darüber gut bescheid und machten sich nicht viel daraus. Man musste sich bei Sergej nur richtig einschleimen. Und auf diesem Gebiet war jeder Beamter ein Experte.

"Sieh an, da hat jemand tatsächlich geschafft, Zubov zu beeindrucken." Das klang anerkennend. Dann aber wechselte sich Zeros Tonlage auf ernst. "Fragt sich nur, wo wir nach unserem Mann suchen. Ich glaube nämlich nicht, dass er mit einem Schild "Ich habe Yukio Nakamura auf dem Gewissen." um den Hals in der Gegend herumspaziert und geduldig darauf wartet, gefangen genommen zu werden. Also, irgendwelche Vorschläge?"

Bevor Kyo auch nur ein Wort sagen konnte, ertönte Minakos Stimme direkt hinter seinem Rücken:

"Ja, ich hätte einen Vorschlag. Nämlich, dass es bei unterem Täter nicht um einen Mann sondern um eine Frau handelt."

Die Männer machten beide grosse Augen.

"Wie kommst du darauf?", wollte Kyo wissen.

Die junge Frau lächelte wissend, stellte ihre Tasse Kaffee auf Zeros Schreibtisch und lehnte sich an den Tischrand.

"Ganz einfach. Bedenkt doch, was das eigentlich für eine Veranstaltung war, bei der Yukio Nakamura ermordet worden war."

"Veranstaltung?", meinte Zero mürrisch. "Das war das reinste Sexparadies für Lesben."

"Genau auf das will ich auch hinaus. Würde ein Mann unbemerkt dort rein kommen? Und auch wenn, hätte Yukio ihm freiwillig den Rücken zugedreht? Ich sage mal ganz ehrlich, daran glaube ich weniger. Ihr vielleicht?"

Da mussten die alten Freunde verneinen. Tatsächlich, sie hatten doch glatt diese kleine Tatsache übersehen. Peinlich.

"Gut. Wir wissen nun, dass es sich dabei um eine Frau handeln muss. Der Rest sollte eigentlich weniger schwierig sein. Wie viele Kampfsportmeisterinnen haben wir hier in Japan? Sicher mal weniger als Männer. Wir müssen nur bei dem entsprechenden Amt vorbeischauen und schon haben wir die Listen. Klar, es wird relativ viel Papierarbeit geben, aber das wird sich sicher lohnen.", sagte Zero voller Optimismus.

"Ich fürchte, die Sache ist nicht so einfach, wie du sie dir ausgemalt hast, Zero.", widersprach ihm Kyo, womit er zum Zentrum der Aufmerksamkeit wurde.

"Wie jetzt?", fragte der überrascht nach.

"Ich habe dir ja erzählt, dass ich die Geschichte von meinem Sensei aus dem Judo-Kurs gehört habe."

"Ja, und?", verstand Zero nicht, doch dann dämmerte es ihm. "Oh. Es gibt einen Hacken, habe ich Recht?"

"Jup, einen gewaltigen Hacken…"

"Und der wäre?", unterbrach der Hitzigere von den beiden Männern den Erzähler.

Zwar kommentierte Kyo diese Frechheit nicht, dennoch sah man ihm an, dass er langsam aber sicher deswegen genervt wurde.

"Die Geschichte ist eine Legende. Dachte ich zumindest, bevor ich den Autopsiebericht gelesen habe."

Um ein Haar hätte Zero seine ganzen Papiere, die er zu dem Moment in den Händen gehalten hatte, fallen gelassen.

"WAS?" Minako sprach genau das aus, was ihr und auch ihrem stürmischen Kollegen gerade durch den Kopf gegangen war.

"Vor langer Zeit gab es in China eine Technik, die es einem erlaubte, mit nur zwei Bewegungen das Opfer zu töten. Meistens wurde diese Technik bei Attentaten auf Leute ausgeübt, die hohe Posten besetzten. War ja auch klar, denn die Meister dieser Mordart waren sehr selten und sie hinterliessen keine Spuren." Er sah zu der einzigen weiblichen Person in deren Runde. "Meistens waren es Frauen, die dieser Technik belehrt wurden, da sie am einfachsten das Vertrauen eines Mannes für sich gewinnen konnten. Ausserdem waren sie weniger verdächtig."

"Damit wäre meine Theorie wohl wieder bestätigt.", lautete der Kommentar der Beamtin, ehe sie einen Schluck von ihrem Kaffee nahm. "Aber beim Sportamt sollten wir doch vorbeischauen. Es könnte sein, dass diese Person doch irgendwo registriert ist."

Damit war die Diskussion beendet und alle drei gingen ihren Aufgaben nach. Dabei sah Zero alles andere als motiviert aus. Ihm stand noch ein äusserst unangenehmes Gespräch vor…
 

Es war Mittag und in Tokio herrschte das reinste Chaos. Die Strassen waren überfüllt mit Autos, so dass es unmöglich war, sich einigermassen vernünftig vorwärts zu bewegen, wurde doch ein Stau vom anderen abgelöst. Er und Kyo waren beim Sportamt gewesen, um die nötige Liste abzuholen. Auf der standen alle Namen deren, die in den letzten zehn Jahren zu Meistern ihres Faches wurden. Für den Anfang hatten die beiden Männer sich nur auf Tokio und dessen Umgebung konzentriert. Wenn sie da nichts Aussergewöhnliches finden würden, würden sie den Kreis vergrössern. Zero hatte Recht gehabt, das würde viel Papierarbeit geben.

Nun waren sie auf dem Weg ins Revier, um dort mit der Sortierung anzufangen, denn Männer und Frauen waren durcheinander aufgelistet und das Amt für Sport hatte den beiden jungen Herren alles andere als zweideutig klar gemacht, dass sie sich mit dem Mist selber auseinander nehmen sollten. Wenigstens waren die Namen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet.

Sie waren schon seit einer Stunde unterwegs, aber in dieser Stunde wurde kein einziges Wort gesprochen.

Zero zuckte zusammen, als er plötzlich Kyos Stimme vernahm:

"Ich hörte, du hast mit Mitsuki Schluss gemacht."

Der Angesprochene spürte, wie seine Handflächen zu schwitzen begannen. Nun war er gekommen, der Moment der Wahrheit.

"Ja, das habe ich.", sagte er darauf langsam. Er wusste einfach nicht, wie er sich verhalten sollte.

"Was war eigentlich der Grund für dein Handeln?" Kyos Stimme war monoton, wie Zero es sich eher von dem Eisprinzen gewohnt war.

"Ich… ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr das Gleiche für sie empfinde, wie ich es vorher getan habe. Daher wollte ich sie nicht dem Schein aussetzen, ich würde sie immer noch lieben. Ich dachte, es sei besser, wenn sie die Wahrheit kennt, als ihr etwas vorzutäuschen."

"Uhu…", war Kyos einziger Kommentar dazu. Dann hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
 

Endlich auf dem Revier angekommen hatten Zero, Kyo und Minako sich in einem der Büros verbarrikadiert und nahmen sich die Liste vor. Laut den Angaben den einigermassen nüchternen und vernünftig denkenden Zeugen musste es sich dabei um eine junge Frau zwischen einundzwanzig und vierundzwanzig Jahre alt handeln. Sicherheitshalber rechneten die Beamten noch Zwanzig-, Fünfundzwanzig- und Sechsundzwanzigjährige. Obwohl... wenn es sich dabei um einen Profi handelte, konnte es natürlich auch sein, dass die Frau älter war. Deshalb hatten sie sich entschieden, eine separate Liste mit den Namen und Angaben der Frauen, deren Alter sich zwischen siebenundzwanzig und fünfunddreissig befand.

Es war schon sieben Uhr abends, als sie die Listen endlich fertig hatten.

Erschöpft liess sich Minako auf ihrem Stuhl runter sinken:

"Mann, war das mühsam."

"Du sagst es.", bestätigte Zero ihre Aussage und griff nach seiner Tasse Kaffee, der fünften, seit sie mit dem Sortieren angefangen hatten. Er wollte schon einen Schluck nehmen, bemerkte jedoch, dass dort praktisch nichts mehr vorhanden war. So stellte er etwas enttäuscht das Gefäss wieder auf den Tisch zurück.

"Ich schlage mal vor, wir machen Feierabend. Für heute haben wir genug gemacht.", meinte Kyo, womit die restlichen zwei Personen mehr als nur einverstanden waren.
 

Sie war gerade am Lesen, als ihr Handy klingelte. Da auf dem Display keine Nummer zu sehen war, schloss sie daraus, dass man sie aus einer Telefonzelle anrief.

"Moshimoshi?"

"Den letzten Auftrag hast du schlecht erledigt.", ertönte eine männliche Stimme aus dem Hörer.

Sofort sass sie kerzengerade auf dem Sofa.

"Das kann nicht sein.", war ihre erste Reaktion.

"Es ist aber so. Man hat Ermittlungen eingeleitet."

Die Spannung, welche sie in ihrer eisernen Hand gehalten hatte, löste sich und es fühlte sich so gut an, dass sie fast aufgelacht hätte.

"Und das bezeichnen Sie als schlechte Arbeit?", meinte sie belustigt, doch dann wurde ihre Stimme ernst. "Hören Sie, wenn eine so hohe Person stirbt, wird immer ermittelt, selbst, wenn es sich dabei um einen alten, von Schwäche und Krankheit gezeichneten Menschen handelt."

"Ich habe dich angeheuert, damit du diese Schlampe weg räumst und zwar leise."

Nun wurde die junge Frau wütend.

"Hören Sie mal, Herr Minister. Für die mickrige Summe, die Sie mir für den Auftrag bezahlt haben, hätten Sie genau so gut einen einfachen Killer anstellen können. Der hätte Yukio schlicht und einfach abgeknallt und, glauben Sie mir, DAS hätte für weit mehr Furor gesorgt als meine Methode. Wenn es Sie glücklich macht, können sie das entsprechende Polizeirevier in Brand stecken. Doch dann würde der Verdacht auf erster Stelle auf Sie fallen. Wollen Sie Ihre glorreiche Kariere hinter Gittern fortsetzen?"

"Nein, natürlich nicht." Nun klang ihr Gesprächspartner eingeschüchtert. "Aber Sie sind sich schon sicher, dass nichts rauskommt, oder?"

°So ist es brav.°, dachte die Frau amüsiert, als sie ihm antwortete:

"Ich versichere Ihnen, die Polizei wird nichts finden. Und nun lehnen Sie sich zurück und geniessen Sie die Show. Falls etwas passieren soll, wird N Sie kontaktieren."

Dann legte sie ab. Es war normal, dass man Ermittlungen einstellte, aber dennoch hatte sie ein ungutes Gefühl bei der Sache. Warum wohl?

°Ich sollte wohl meinem eigenen Ratschlag folgen und selber N kontaktieren.°, entschied sie sich. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht vermutet, wie sich dieser Fall ausarten würde.
 

Nach sechs Uhr war normalerweise die Rush Hour vorbei. Da Zero aber erst um halb acht sich hinters Steuerrad setzte, waren die Strassen fast leer. Wer ging schon am Montagabend grossartig weg, wenn man am nächsten Tag arbeiten musste.

Die leeren Strassen waren ihm gerade recht, denn so konnte er seinen Gedanken nachhängen.

Was hatten sie bis jetzt erfahren? Yukio Nakamura hatte sehr viele politische Feinde auf der einen Seite. Auf der anderen aber stand fast das ganze Arbeitervolk hinter ihr, da sie dafür gesorgt hatte, dass der Mindestlohn erhöht wurde.

Von den Frauen im Hotel konnte man nicht viel erfahren, da sie alle unter Drogen- und Alkoholeinfluss standen. Zumal weigerten sich viele eine Unterhaltung mit einem Mann zu führen, was die Sache deutlich erschwert hatte. Zwar hatte Minako herausgefunden, dass eine gewisse Scheherazade in Nakamuras Zimmer war, doch diese Info brachte sie auch nicht weiter. Alle dort anwesenden Frauen waren als jemand verkleidet und als die berühmte orientalische Märchenprinzessin versteckte die Mörderin natürlich ihr Gesicht hinter einem Schleier. Hier war auch eine Sackgasse.

Die Spurensicherung hatte auch nicht viel Interessantes herausfinden können. Im Raum waren um die fünfzig Personen gewesen. Ein Paradies für den Täter.

Im Wohnsitz der Oppositionsführerin wurde auch nichts gefunden, ausser der Bestätigung, dass Yukio wirklich eine steinharte Lesbe war. In einem in Wand eingebautem Schrank wurden verschiedene Kostüme und Accessoires gefunden, einige von denen waren recht sadomasochistisch wie zum Beispiel Peitschen mit kleinen Metallkrallen an den Spitzen, ein paar Meter Seil oder "Bällen", mit denen man (normalerweise der Frau) den Mund zustopfen konnte. Ein netter Anblick, da konnte man es drehen und wenden, wie man es wollte. Am sehenswertesten war Yukios Kollektion an Dildos und Vibratoren. Allein mit denen konnte man ein eigenes Museum aufmachen.

Auf der anderen Seite hatten er, Kyo und Minako fast den ganzen Tag mit den meterlangen Listen gekämpft. Wenigstens das hatten sie hinter sich. Und nun hatten sie um die zwanzig Namen, die sie noch überprüfen mussten. °Vorausgesetzt, die gesuchte Person befindet sich irgendwo zwischen den zwanzig Auserwählten.°, dachte Zero sarkastisch. °Ansonsten sitzen wir alle heftig in der Scheisse.° Er seufzte. °Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir noch mächtigen Ärger bekommen werden.°

Wenn er nur wüsste, wie Recht er mit seiner Vermutung hatte...

Alter Freund, neuer Kollege

Alter Freund, neuer Kollege
 

Der Morgen kam wieder viel zu schnell für Zero. Am liebsten hätte er den Wecker aus dem Fenster geworfen und weiter geschlafen, doch er durfte nicht. Sein Pensum an verschlafenen Tagen hatte er für den Monat schon erfüllt.

So kletterte er träge aus dem Bett und schlenderte ins Badezimmer. Unterwegs dorthin wollte er schon Mitsuki rufen, sie solle ihm doch auch einen Kaffee machen, stoppte sich dann aber. Mitsuki war nicht mehr da und würde auch nicht mehr da sein. Zumindest morgens nicht.

Er seufzte. Das Gespräch mit ihr hinterliess ein unangenehmes Gefühl in ihm, so etwas wie eine Art Nachgeschmack, den man einfach nicht wegbringen konnte.

Der junge Mann entsann sich dem kalten Gesichtsausdruck der jungen Frau. Wie sachlich sie mit ihm geredet hatte, schon bevor er ihr sagte, es sei aus. Selbst bei der Begrüssung war sie ruhig und gelassen gewesen, zeigte fast keine Emotionen. Es schauderte ihn zu dem Zeitpunkt des Gesprächs und auch jetzt, einen Tag später bekam er Gänsehaut bei dem Gedanken an sie. Klar, früher hatte er auch Gänsehaut bekommen, nur war da nun ein kleiner Unterschied zu früher: Diese nun war von der Art, die man normalerweise im Winter bekam, wenn man bei minus dreissig Grad Celsius nur einen dünnen Pullover anhatte.

Während er seinen Gedanken nachhing, bog er noch schnell in die Küche ab und liess die Kaffeemaschine an. So würde der Kaffee fertig werden, so lange er seine Zähne putzte und sich rasierte.

Von Mitsuki schweifte er zu der unbekannten, jungen Frau, die er neulich getroffen hatte. Zwar hatte er erst mit seiner Freundin Schluss gemacht, doch diese Fremde ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Die feinen, schwarzen Haare. Die etwas bucklige, freche Nase. Die vollen, wohlgeformten Lippen. Die zarte Haut ihrer Hände. Und das Feuer ihrer Augen, welches ihn von Innen heraus zu verbrennen schien.

Seine Nackenhaare stellten sich auf, seine Arme und sein Rücken wurden wieder mit Gänsehaut überzogen, allerdings mit einer angenehmen. In seiner Lendengegend fing es an, zu kribbeln. Warum reagierte er bloss so auf sie? Warum ging sie ihm nicht aus dem Kopf?

Er gehörte nicht gerade zu der Sorte Menschen, die sich auf den ersten Blick verlieben konnten, darum empfand er sein Verhalten als äusserst merkwürdig. Nicht einmal, als er sich zum ersten Mal verliebt hatte, hatte er sich so verhalten. Und auch bei Mitsuki hatte er nicht immer an sie denken müssen.

°Habe ich mich wirklich in sie verguckt?°, fragte er sich, als ihm Minakos Worte in den Sinn kamen. Doch dann schüttelte er den Kopf. °Nein, das kann nicht sein. Seit wann verliebe ich mich so schnell.° Selbst bei Mitsuki hatte es drei Jahre gedauert, bis er bemerkt hatte, dass er Gefühle ihr gegenüber hegte. Wieso er sich nun plötzlich aufführte wie ein pubertierender Junge, begriff er einfach nicht.

In all seinen achtundzwanzig Jahren, die er schon gelebt hatte, hatte er noch nie solch eine Neigung zu einem fremden Menschen verspürt. Seine Mutter war viel zu früh gestorben, um ihm das Vertrauen in Menschen beizubringen. Und sein Vater war immer zu beschäftigt mit der Sorge um die Erziehung seines Sohnes gewesen. Klar, Zero verdankte ihm sehr viel, sie waren immer ein Herz und eine Seele gewesen. Aber ein Vater könnte niemals eine Mutter ersetzen. Genauso wenig wie eine Mutter einen Vater ersetzen könnte.

So musste er Vieles selber lernen. Den korrekten Umgang mit den Menschen, anständiges Verhalten, Psychologie der Mädchen...

Er war in reiner Männerrunde aufgewachsen, so konnte er nichts mit den Frauen anfangen, die Tag und Nach Seifenopern schauten und dabei heulten wie ein Wasserfall. Er fand das alles zu kitschig, zu unreal. Man konnte sich nicht einfach in eine Person verlieben, wenn man sie doch gar nicht kannte. Vielleicht hatte sie einen schrecklichen Charakter, war egoistisch und eingebildet. Vielleicht verriet sie ihre Freunde. °…vielleicht aber auch nicht.°, meldete sich eine leise Stimme seines Unterbewusstseins.

Er schüttelte den Kopf. Er sollte sich lieber beeilen, sonst würde er eine Standpauke von seinem lieben Chef einfangen und auf die konnte er liebend gerne verzichten.
 

"Ohayó.", gab er müde von sich.

"Morgen, Zero." Minako war wie immer fit und munter... und wie immer war es dem Beamten ein Rätsel, wie sie das schaffte.

"Hast du schon das Neuste gehört?", fragte die junge Frau, während sie sich auf der Kante seines Pultes bequem machte.

"Klar doch. Hab noch in der Wohnung mitbekommen, was hier los ist.", murrte er als Antwort.

"Mensch, Zero, sei doch nicht immer so genervt.", meinte Minako etwas schmollend.

"Du weißt ganz genau, wie ich morgens immer drauf bin, also beschwer' dich nicht.", war sein Kommentar dazu. "Und jetzt sag mir endlich, was hier los ist, dass alle herumhüpfen, wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner."

"Wir bekommen vom Ministerium einen neuen Mitarbeiter.", sagte die junge Frau. "Er wird uns bei den Ermittlungen im Fall Nakamura helfen. Falls er sich in der Zeit hier gut einarbeitet, wird er weiterhin im Team bleiben."

"Toll. Und warum habe ich erst jetzt davon erfahren?"

"Tu nicht so, als wärst du der Ärmste von allen. Kyo und ich haben es auch erst heute Morgen erfahren. Weil wir uns ja gestern in meinem Büro verbarrikadiert haben, haben wir es halt nicht mitbekommen. Den anderen hingegen wurde dies gross und laut verkündet."

Kaum hatte sie geendet, schon läutete sein Telefon. Auf dem Display war die Kurzwahl des Teamchefs zu sehen.

"Wenn man vom Teufel spricht.", lautete Zeros Kommentar dazu, bevor er den Hörer abnahm und die Anweisung bekam, sich unverzüglich ins Sitzungszimmer zu begeben.
 

"Danke, dass ihr alle so schnell gekommen seid.", begrüsste der Teamleiter, Rokuro Kamui, seine Untertanen. "Wie ihr alle wisst, hat das Ministerium uns einen weiteren Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Wenn ihr alle schön brav sein und gut zusammen spielen können werdet, wird er auch nach den Ermittlungen im Fall Nakamura bei uns im Team bleiben. Darf ich vorstellen? Zack Houshi."

Die Bürotür ging auf und ein junger Mann kam rein. Er war gross gewachsen, so um einen Meter und fünfundachtzig Zentimeter gross, hatte schwarzes, etwas längeres Haar, welches er mit einem Haargummi zusammenhielt, und war von sportlichem Körperbau. Durchschnittliche Gesichtszüge, nichts Besonderes, ausser den stechendblauen Augen. Solch eine Augenfarbe war in Japan äusserst ungewöhnlich und würde deswegen bei Beschattungen sofort auffallen und lange in Erinnerung bleiben. Vom Alter her war er sicher nicht älter als dreissig, vielleicht um die siebenundzwanzig Jahre.

Das alles schoss Zero in einem Bruchteil der Sekunde durch den Kopf. Er bemerkte die Schlussfolgerung nicht einmal richtig, denn das passierte schon automatisch und ohne sein Zutun. Schliesslich arbeitete er nicht um sonst seit sechs Jahren in der Abteilung für schwere körperliche Verbrechen.

Aus Augenwinkeln bemerkte er Minako, deren Gesicht sich plötzlich veränderte. Ihre Augen wurden gross vor Entsetzen, ihre Zähne presste sie fest aufeinander. Langsam, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen, versuchte sie sich hinter Zeros Rücken zu verstecken.

°Was hat sie bloss?°, fragte sich der, sagte dies aber nicht laut, da Kamui es nicht sonderlich gern hatte, unterbrochen zu werden oder wenn hinter seinem Rücken getuschelt wurde.
 

Die Vorstellungsrunde und die darauf folgende Sitzung waren vorbei und alle begaben sich auf ihre Arbeitsplätze.

"Sag mal, Minako, geht es dir nicht gut? Du bist ja kreidebleich.", meinte Zero, als er und die junge Frau auf dem Weg in sein Büro waren. Kyo hatte sich früher verabschiedet, da er noch auf die Toilette musste.

Die Beamtin seufzte.

"Na ja, wie soll ich es dir am besten sagen… IEK!!!!!!" Sie unterbrach sich selber und stiess einen spitzen Schrei aus.

Verblüfft sah der junge Mann seine Arbeitskollegin an. Dann sah er an ihr vorbei und bemerkte hinter ihr den neuen Mitarbeiter, diesen Zack Houshi. Der stand nun in Minakos unmittelbarer Nähe.

"Hah, Minako, es war so lange her, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben.", murmelte er, während sein Arm sich eigenartig hin und her bewegte. "Ich habe dich vermisst."

Die junge Frau schloss die Augen, ihre Hand ballte sich zu einer Faust.

"Ich dich aber nicht, du Perverser!!!", brüllte sie, packte seine Hand, die sich auf ihrem Hintern befand, drehte sich plötzlich um und liess Zack ihre Linke zu spüren bekommen.

Vom Schlag wurde der Kopf des Neuen zur Seite geschleudert. Hätte die Beamtin ihn nicht an der Hand gehalten, hätte er die Wand und dann den Boden aus der allernächsten Nähe betrachten können.

Er wollte noch etwas sagen, doch da wand Minako ihm erneut den Rücken zu und stolzierte den Gang runter zu Zeros Büro.

"Willst du dort noch Wurzeln schlagen? Wir müssen noch einen Killer zu fassen kriegen.", rief sie ihrem Arbeitskollegen und Freund zu und ging dann weiter, ohne auf diesen zu achten.

Zero blieb also nichts anderes übrig, als ihr schleunigst zu folgen.
 

"Was war denn das?", fragte der junge Mann, immer noch verblüfft über den Vorfall von eben. Sie waren nun beide in seinem und Kyos Büro und warteten, bis das Wasser in der Kanne heiss genug wurde, um einen Kaffee zu machen.

"Das war Zack.", lautete die Antwort.

"Na, das habe ich auch mitbekommen. Aber warum...?" Er konnte seine Frage nicht beenden, denn die Gefragte erzählte schon, was vorgefallen war.

"Ich bin mit ihm zusammen in derselben Gruppe in der Akademie gewesen." Sie seufzte. "Er gehörte zu den beliebtesten Kadetten und alle Mädchen waren verrückt nach ihm. Anfangs war er ganz nett, aber dann war ihm die ganze Aufmerksamkeit des weiblichen Geschlechts zu Kopf gestiegen. Daher war es nur verständlich, dass er zu einem Macho mutierte. Er konnte keinen Rock unbeachtet vorbeigehen lassen und begrabschte alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war."

Zero machte grosse Augen.

"Grossartig. Wir haben nicht nur eine ermordete Politikerin auf dem Hals, sondern auch einen notgeilen Ermittler. Die Glücksgöttin scheint uns sehr gerne zu haben."

Missmutig sah die junge Frau ihren Kollegen an.

"Meinst du, ich bin deswegen begeistert? Auf der Akademie klebte der Typ an mir wie eine Klette, da ich eine von den wenigen war, die ihn zum Teufel jagten. Als wir fertig waren, war ich froh, Zack endlich loszuwerden. Ich dachte, ich würde ihm nicht mehr begegnen. Aber Pustekuchen, zu früh gefreut, Mädchen."

Die Elektrokanne wurde nun heiss und Zero holte aus einer Schublade eine Dose mit wasserlöslichem Kaffee. Während er die Kornen auf die Tassen verteilte, meinte er:

"Wir sollten uns lieber nicht zu sehr auf diese Kleinigkeiten konzentrieren. Wir haben eine Politikerin am Hals und ich persönlich noch zehn weitere Fälle, bei denen ich nicht wirklich vorwärts komme."

Beim letzten Satz wurde Minako ganz Ohr.

"Na dann, lass mal hören, was du sonst noch auf den Schultern hast. Vielleicht werde ich dir irgendwie weiter helfen können."

"Wenn du das schaffst, werde ich für dich alles machen."

Die junge Frau lachte auf.

"Bei dem verlockenden Angebot kann ich unmöglich ablehnen. Ich hoffe nur, dass du dich an dein Versprechen hältst."

"Habe ich es jemals gebrochen?", maulte Zero beleidigt. Er hatte noch nie in seinem Leben ein Versprechen gebrochen. Auf sein Wort war immer Verlass.

"Gut, dann erzähl mir doch mal, was du da so Hübsches hast?"

Sie setzten sich zusammen an seinen Tisch und schon bald konnte man sie wegen den vielen Unterlagen fast nicht mehr sehen.
 

Zwei Stunden später hatte Zero eine vage Vorstellung dessen, was er als nächstes in vier anderen Fällen machen sollte. Das war ein Anfang, sogar ein grosser Anfang.

"Ich schulde dir ein Mittagessen.", meinte er dankbar.

"Keine Ursache. Wollen wir bei Jo essen gehen?"

"Klar. Aber wir sollten vorher noch die Aufgaben verteilen. Wir haben zwanzig Personen, die wir finden und befragen müssen. Zu dritt wird das schneller gehen..."

"Zu viert.", unterbrach ihn eine weitere Stimme.

"Zack?", hauchte Minako überrascht, denn ihn hatte sie nicht erwartet.

"Habt ihr vergessen, dass ich auch zum Team gehöre?"

Er packte einen weiteren Stuhl und zog diesen näher zum Tisch, an dem die anderen zwei Beamten sassen.

"Die grobe Geschichte habe ich von Kyo schon gehört. Könnt ihr mir noch die Details erzählen?"

Die junge Frau sah ihren Arbeitskollegen an, der ihr kaum merklich zunickte. Auch sie dachte es so. Schliesslich war Zack in Wirklichkeit da, um den Fall zu lösen. Private Geschichten, die dazu noch über fünf Jahre alt waren, hatten bei der Arbeit nichts zu suchen. So weihten die beiden den Neuankömmling in die kleinsten Details ein.
 

"Der Auftragsgeber gefällt mir nicht. Ich glaube, er wird noch für grosse Probleme mit seiner Hitzköpfigkeit sorgen."

"Was macht dich denn so sicher?"

"Er hat mir gestern angerufen und warf mir vor, meine Arbeit schlecht erledigt zu haben."

"Was waren seine Begründungen?"

"Die Polizei stellt Ermittlungen an, um den Mörder zu finden."

"Und deswegen macht er sich in die Hosen? Ein Wunder, dass er mit solchen Nerven immer noch seinen Posten hat. Hast du ihn beruhigen können?"

"Ja. Ich habe ihm gesagt, dass bei solch einer wichtigen Person es immer ermittelt wird. Egal ob es sich dabei um einen natürlichen Tod handelt oder nicht. Ich habe ihm geraten, er solle sich ganz ruhig verhalten, denn schliesslich wolle er seine Kariere nicht im Knast weiter führen."

"Du und dein Humor…"

"Ich sage doch nur die Wahrheit. Ausserdem war es wirklich lustig zu hören, wie höflich und zuvorkommend er nach der Aussage wurde. Ich fand es witzig."

"Meinst du, dass er ruhig bleibt?"

"Ich habe ihm gesagt, dass er bei Problemen Sie kontaktieren soll."

Schweigen.

"Aber etwas beunruhigt dich, oder?"

"Der Mann ist gefährlich. Er ist ein Feigling, der bei der kleinsten, noch so unbedeutenden Gefahr Panik schlägt. Einer wie der verkauft seine eigene Mutter nur um seinen feigen Hintern zu retten."

"Hm… Nun gut, du hast mich überredet. Ich werde ein Auge auf ihn werfen."

"Danke."

"Hast du sonst noch etwas?"

"Nein. Sie?"

"Auch nichts Neues. Ausser, dass es einen Neuen bei den Ermittlungen gibt. Zack Houshi, siebenundzwanzig Jahre alt. Seit seinem siebzehnten Lebensjahr ist er Vollweise. Hat viele Liebhaberinnen und fünfmal so viel Verehrerinnen."

"Huh? Bei ihm scheinen Frauen auch eine Schwachstelle zu sein."

"Ja, aber noch ist keiner der Beamten uns zu gefährlich. Sollen sie doch versuchen, ihre Arbeit zu machen. Wenn sie uns zu nahe kommen, werden wir Massnahmen ergreifen."

"Natürlich. Haben Sie noch einen schönen Tag."

"Du auch, Kleines."
 

"Das ist alles, was wir bis jetzt herausfinden konnten.", beendete Zero seine Rede. Er und Minako hatten fast eine ganze Stunde gebraucht, um alle Details zu schildern. Nun sass Zack auf seinen Stuhl zurückgelehnt und machte ein nachdenkliches Gesicht.

"Habt ihr auch eine andere Version?"

"Ja, aber damit beschäftigt sich die Abteilung für politische Verbrechen. Sie versuchen jemanden aus der Politik ausfindig zu machen, der Yukio auf dem Gewissen haben könnte."

"Damit haben sie aber beachtliche Probleme." Minako stützte ihren Kopf mit ihrer Hand. "Man muss nicht einmal ein Politiker sein, um zu wissen, wie beliebt Yukio war."

"Ich wette, sie haben eine zehnseitige Liste der Verdächtigen.", murmelte Zero.

"Hallo allerseits.", ertönte eine neue Stimme und alle Blicke wandten sich der Tür zu, die Kyo gerade hinter sich schloss.

"Seid ihr wenigstens irgendwie vorwärts gekommen?"

Die Frage blieb unbeantwortet, denn das Innentelefon läutete und Zero sah sich gezwungen, den Hörer abzunehmen.

"Osa?"

"Ah, Zero, gut, dass ich dich noch erwischen konnte."

"Ist was, Kamui-san?"

"Ich habe gerade einen Anruf aus der Politikabteilung erhalten. Von heutigem Tag an wirst du denen zur Hand gehen."

Er meinte, er würde jeden Moment von seinem Stuhl runter fallen.

"Was haben Sie gesagt?"

"Genau das, was du gehört hast. Am Nachmittag gehst du rüber zu denen und holst deren Unterlagen. Fragen?"

"Keine.", lautete die etwas geknickte Antwort.

"Na dann wünsch ich dir einen guten Appetit." Damit war das Gespräch beendet.

°Grossartig.°, schoss es ihm durch den Kopf. Bei der Nachricht würde der Beamte keinen sonderlich grossen Appetit haben. Er war über diese Entscheidung alles andere als begeistert. Doch anscheinend war der Befehl von ganz oben gekommen, denn normalerweise kämpfte Kamui für seine Leute. Und wenn's um politische Fragen ging mit doppeltem, gar dreifachem Ehrgeiz, wusste er doch, wie ungerne seine Leute sich mit dem ganzen politischen Kramm befassten.

Er seufzte. Ob er es nun wollte oder nicht, er musste dies machen. Wer wusste es schon, vielleicht würde er etwas Interessantes herausfinden.
 


 

Glossar:

"Ohayó" – "Guten Morgen"

Das Wiedersehen

Das Wiedersehen
 

Revi sass mit einem Bleistift im Mund vor ihrem Notizblock und sah sich die aufgeschriebenen Worte an. Die Infos, die sie dort hatte, waren zwar interessant, aber es gab auch andere interessante Sachen. Und diese würden mit Sicherheit auf die Titelseite schaffen.

Sie hörte auf, an ihrem Bleistift herumzukauen, legte ihren Kopf auf den Tisch. Journalistin zu sein war alles andere als einfach, wie sich das die meisten vorstellten. Damit eine Story überhaupt in die Zeitung kam, musste man sie wie eine seltene Trüffel auf dem Silbertablett präsentieren können. Doch bis man diese Trüffel endlich hatte, verging meistens viel Zeit und es erforderte enorme Mühen und Arbeit. Dabei hatten die Termine meistens die Eigenschaft, sich schneller zu Ende zu neigen, als man es gerne hatte.

°Sanosuke, du Mistkerl, wie hast du es bloss geschafft, den Nakamura-Artikel so gut dem Redaktor unterzujubeln?° Sie trommelte mit dem Bleistift auf das Holz ihres Pultes. °Ich habe schon vorher gedacht, dass du eine falsche Schlange bist, aber dass du solch eine bist, habe ich nicht einmal im Traum vermutet.°

Ihr Gesichtsausdruck wurde grimmig, als sie an Sonntag dachte…
 

Am Sonntagabend streckte sich die junge Frau ausgiebig.

°Endlich ist der Artikel fertig.°

Zufrieden sammelte Revi ihre Papiere zusammen in ein Mäppchen und wollte diese zum Redaktor bringen, als plötzlich ein Schatten auf ihr Gesicht fiel. Beim Hinaufsehen bemerkte sie ihren Mitarbeiter, Sanosuke Matomi.

"Hallo, Revi. – Oh, wie ich sehe, hast du den Nakamura-Artikel bekommen. Glückwunsch.", meinte er, als er die Bezeichnung auf dem Mäppchen sah.

"Äh, ja, danke, Sanosuke.", erwiderte sie etwas unbeholfen. Wenn der Typ in der Nähe war, konnte dies nur Schlechtes bedeuten.

Währenddessen fuhr der Journalist weiter fort:

"Ich war gerade bei Ayumi und dachte, ich schaue mal bei dir vorbei. Du bist so selten da, ich sehe dich ja kaum."

"Danke für die Fürsorge.", lautete Revis gespielt liebe Antwort. Doch da fiel ihr Blick auf die ganzen Papiere in seinen Armen. "Gehst du zum Redaktor?"

"Ja, ich habe ein paar Artikel, die man für die Ausgabe morgen brauchen könnte. Soll ich deinen auch mitnehmen? Ich gehe ja sowieso zum Chef, da kann ich ihm auch deine Unterlagen geben. Dann musst du nicht auch noch dorthin laufen."

Dass der mal etwas Nettes vorschlug, war für Revi neu. Immer noch sprachlos streckte sie ihm fast automatisch das Klarsichtmäppchen in die Hand.

"OK.", war alles, was sie herausbringen konnte.

Der etwas ältere Mann verschwand aus dem Raum und die junge Frau sah ihm noch lange hinterher. Sie konnte schlicht und einfach nicht das Gefühl loswerden, dass etwas nicht stimmte.
 

Mit offenem Mund starrte sie am Montagmorgen die aktuelle Ausgabe der "Tokyo News" an. Sie konnte es nicht fassen, was sie da sah.

Auf der Titelseite war das Bild zu sehen, welches SIE ihrem bekannten Fotografen in Auftrag gegeben hatte. Auf der zweiten Seite befanden sich mehrere Artikel und der längste und damit auch einer, der am meisten Aufmerksamkeit auf sich erregte, trug den Titel, den sie ausgedacht hatte. Im Grunde genommen war das ihr Artikel… nur war er nicht mit ihrem Namen unterschrieben. Statt dem Wort "Miko", den sie sich als Pseudonym ausgewählt hatte, standen dort Initialen M.S., Matomi Sanosuke.

Am liebsten hätte sie die Zeitung in Stücke gerissen. Das konnte doch nicht wahr sein! Darum war er am Tag zuvor so nett gewesen. Am Sonntag hatte sie den Stadtbummel mit Eri aushalten müssen und nun, am Tag danach, durfte sie bewundern, wie kinderleicht sie auszutricksen war.

Mit knallrotem Gesicht ging sie zu ihrem Auto und fuhr in die Redaktion. Der würde noch sein blaues Wunder erleben, der Mistkerl, das schwor sie sich bei allen vorhandenen Heiligen.
 

Nun war Dienstag und sie musste einen weiteren Artikel über den Nakamura-Fall schreiben. Die Infos hatte sie, sie musste diese nur schön präsentieren. Allerdings störte sie immer noch ihre Wut auf diesen Mistkerl von einem Mitarbeiter. Klar, sie hatte ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit ihrem Chef gehabt, der dann diesen miesen Sanosuke zu sich ins Büro holte, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass ihr Kapitel ihm, Matomi, zugeschrieben wurde. Und das machte sie rasend vor Wut!

Missmutig liess sie ihr Bleistift fallen.

"Hah, das bringt alles nichts."

Sie stand auf. °Ich sollte mich lieber beruhigen. In diesem Zustand kann ich unmöglich irgendetwas Vernünftiges schreiben.° So ging Revi in die Küche und machte sich einen Kräutertee. Danach ging sie ins Wohnzimmer und machte es sich auf dem Sofa vor dem Fernseher bequem. °So, Revi, du wirst jetzt schön brav deinen Tee trinken und dich beruhigen. Falls es nicht klappt, nimmst du ein schönes, wohlduftendes Bad und liesst dabei ein Buch.°

Sie sah sich einen Film mit Johny Depp an und hatte dann weitere dreissig Minuten in einem Schaumbad verbracht. Als sie sich anschliessend abtrocknete, konnte sie zu Recht behaupten, dass sie sich endlich beruhigen konnte.

°So, und jetzt nichts wie an die Arbeit.°, dachte sie motivierter und stürzte sich auf den noch nicht fertigen Artikel, bewaffnet mit einem Bleistift und einem Radiergummi.
 

°Oh ihr Götter, womit habe ich das verdient? Ist es weil ich mit Mitsuki Schluss gemacht habe? Ich dachte, ich hätte meine Strafe schon erhalten…° Er seufzte. Jetzt, da er Kyo gebeichtet hatte, dass er nicht mehr mit dessen Schwester zusammen war, wurde die Atmosphäre zwischen den beiden Kollegen etwas angespannter. Zumindest empfand Zero dies so. Sein Freund hingegen meinte, es sei nichts Schlimmes. Sie waren ja keine Kinder mehr. °Klar, ist alles in Ordnung.°, dachte er sarkastisch. °Und warum habe ich dann immer das Gefühl, als ob du mich jeden Moment am liebsten aufspiessen würdest?°

Um sich von den unangenehmen Gedanken abzulenken, rief er sich die Ereignisse des Nachmittages sich in Erinnerung. Nach dem Mittagessen hatten er und Minako sich getrennt. Sie ging zurück in ihr Büro und er schlenderte zum Kabinett des Chefs der Abteilung für politische Verbrechen.

Er hatte schon immer diese Abteilung gehasst. Besser gesagt, nicht die Abteilung selbst, weil die Jungs dort wirklich gut waren. Der Grund dafür war die Politik selbst. Er hasste Intrigen und diese Heuchler, welche die Sessel der Regierung zu Boden drücken, waren nichts weiter als feige Angsthasen und Huren. Für ihr Wohl würden sie ihre eigene Mutter dem Teufel verkaufen. Was die Prostituierten anging, so hatten die Frauen mehr Ehre im Leib, als die "Auserwählten der Nation". Die ersten verkauften wenigstens nur das, was auch wirklich ihnen gehörte - ihren Körper. Die anderen hingegen verkauften die ganze Nation, ohne sich wirklich bewusst zu sein, welche Folgen ihre Entscheidungen ziehen könnten.

Zero hielt nicht viel davon und informierte sich eher kläglich über den Stand der Dinge in der Regierung. Zeitungen las er nur dann, wenn es nötig war oder er sich langweilte. Die Abendschau war ebenfalls alles andere als erfreulich. Statt zu erzählen, wie viele Bürger unter den einigen Entscheidungen der Regierung litten, trällerten alle Kanäle über neue Verordnungen oder einen weiteren Besuch vom Ausland. Klar, es gab auch gute Nachrichten, doch welches Schwein interessierte es, dass man irgendwo in Tibet einen schwulen Elefanten gefunden hatte?

Er seufzte. Statt sich über die Lage zu beschweren, sollte er sich lieber darauf konzentrieren, den Fall so schnell wie möglich zu lösen. Oder es irgendwie schaffen, seine Einstellung zum Ganzen zu ändern. Das würde schon irgendwie klappen.

Es war schon sieben Uhr abends und fast alle Läden waren schon zu. Das wäre nicht so schlimm, wenn da nicht ein kleines Problem wäre – Zeros Kühlschrank sah aus, als hätte man den in einem Hungeranfall ausgeräumt. Kurz, er musste dringend einkaufen gehen, sonst würde er auf das Abendessen verzichten müssen. So machte er sich auf die Suche nach einem Laden, der vierundzwanzig Stunden lang offen hatte.

Einige Zeit später wurde er endlich fündig. Schnell waren ein paar Fertiggerichte und einige Getränke – darunter auch Bier – in den Einkaufskorb geschmissen worden und anschliessend an der Kasse bezahlt. Dann ging er zufrieden zu seiner Toyota. An dem Abend würde er sich ein kleines Bier gönnen, das würde sicher nicht schaden.

Er schmiss die Einkaufstüte auf den Beifahrersitz und wollte schon den Wagen umgehen, um zum Fahrersitz zu gelangen, als er plötzlich stehen blieb. Er meinte, er sähe nicht mehr richtig. °Das ist sie.°, schoss ihm durch den Kopf.

In die Richtung seines Autos lief die feine Gestallt einer Frau. Ihre schwarzen Haare spiegelten das Licht der untergehenden Sonne wieder, der Wind wirbelte leicht die Haarpracht. In einer Hand trug sie eine schwere Einkaufstüte, auf der anderen Schulter befand sich eine kleine, schwarze Handtasche.

Zero musste grinsen. Mit einer leichten Bewegung machte er die Autotür zu und ging der jungen Frau entgegen. Diese sah ihn zuerst überrascht an, dann aber verzierte ein Lächeln ihr Gesicht, in ihren Augen entfachte wieder das schon bekannte Feuer.

"So sieht man sich wieder.", meinte sie amüsiert.

"Sieht so aus.", erwiderte er. Dann sah er zu ihrer Einkaufstüte. "Darf ich Ihnen helfen?"

"Ich wohne in der Nähe, das wird schon noch gehen.", versuchte sie sein Angebot auszuschlagen, obwohl die Tasche nun wirklich schwer war…

"Ich bestehe aber darauf." Seine tiefen und unergründlichen Augen bohrten sich in die ihren. "Sonst bin ich kein Mann, wenn ich einer Frau nicht helfe."

Die junge Frau seufzte leicht, doch ihre Lippen zierte ein Lächeln.

"Sie sind wirklich hartnäckig."

"Nein. Nur hilfsbereit." Mit diesen Worten nahm er ihr die Einkaufstasche aus der Hand. Zufrieden bemerkte er dabei, wie die Schwarzhaarige sich entspannte. War auch verständlich, denn die Tasche war wirklich alles andere als leicht.

"Die ist aber recht schwer. Erwarten Sie Gäste?", erkundigte er sich, jeder Zeit bereit zu hören, es ginge ihn gar nichts an.

Zu seiner Überraschung aber erhielt er eine bessere Antwort.

"Nein, ich habe einfach nicht genügend Zeit, um einkaufen zu gehen. Daher kaufe ich lieber sofort viel, damit es für längere Zeit reicht."

"Verstehe. Ich schätze, ich sollte damit auch anfangen. Sonst würde ich irgendwann mal verhungern." Er lächelte sie an.

Dieses Lächeln wurde erwidert.

"Das wäre aber ganz schlecht, wenn Sie verhungern würden. Dann gäbe es einen hilfsbereiten Menschen weniger auf der Welt und dies wäre dann jammerschade, meinen Sie nicht?"

Sie alberten noch ein Bisschen, bis sie zum Wohnblock kamen, in dem die junge Frau wohnte.

"So, da sind wir. Bis zum Lift und von dort aus zur Wohnung werde ich es sicher auch selber schaffen." Sie nahm wieder die Einkaufstasche in die Hand und stellte diese auf den Boden. "Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe." Sie verbeugte sich leicht. Dann packte die junge Frau die Tasche, lächelte Zero nochmals zu und ging schliesslich in den Wohnblock rein.

Der junge Mann wartete noch einige Momente lang, bevor er wieder zum Auto ging. Er wusste selber nicht, warum er wie ein Volltrottel vor der Tür gestanden war, aber an der Tatsache war nichts mehr zu ändern.

Wieder beim Wagen angekommen, setzte er sich endlich hinters Steuerrad und liess den Motor an. Ehe er losfuhr, warf er noch einen Blick auf seine Einkaufstüte. °Ich sollte wohl wirklich mehr einkaufen.°, dachte er noch. Dann fuhr er nach Hause.
 

Als Minako ihre Wohnung betrat, musste sie erst mal seufzen. Der Tag war alles andere als toll gewesen.

Zuerst war da Zack, der aus dem heiteren Himmel auf ihren armen Kopf – oder besser gesagt Hintern – gefallen war. Dann wurde Zero in die andere Abteilung versetzt, weil die zu wenig Arbeitskräfte hatten - als ob sie selbst zu viel von denselben hatten. Und zu guter Letzt musste sie fünf Besuche verschiedenen Frauen abstatten… mit Zack im Schlepptau. Dessen Auto war nämlich in der Garage, weil der Nichtsnutz es geschafft hatte, das arme Fahrzeug zu Schrott zu fahren.

Während die junge Frau sich ein Abendessen zusammenbastelte, da sie zu müde war, irgendetwas Richtiges zu kochen, liess sie die Geschehnisse revu passieren…

Kaum waren sie bei der ersten Frau angekommen (zum Glück war diese zu Hause gewesen), schon fing Zack mit der Schleimerei an. Frau Yatsume – verheiratet – war eh schon nicht so begeistert über den Besuch von der Polizei gewesen, aber nach Zacks Verhalten und seinem Macho-Gehabe hatte sie die beiden auf eine höffliche Weise rausgeschmissen.

Nach einer halbstündigen Standpauke von Minako, waren die beiden weiter zur nächsten Frau gefahren. Dort hatte sich die Geschichte wiederholt… mit dem kleinen Unterschied, dass nun Minako das Opfer war. Während des Gesprächs konnte sich die junge Frau noch zusammenreissen, aber kaum waren sie draussen, bekam der Ermittler alles zu spüren, was sich in seiner Kollegin angestaut hatte.

Die restlichen drei Besuche verliefen friedlich. Anscheinend hatte Zack seine Lektion endlich gelernt. Leider hatte dies nicht viel gebracht, denn die Ermittlungen blieben erfolglos. Von den fünf Frauen waren gerade mal zwei dem Kampfsport treu geblieben. Eine trainierte nur, um fit zu bleiben, und die restlichen beiden haben sich voll und ganz der Familie gewidmet.

Alle fünf hatten während deren Kariere mindestens ein Mal von der tödlichen Technik des Wirbelsäulenbruches gehört, dennoch beteuerten alle, diese nicht zu beherschen. Die Technik war geheim und sehr kompliziert. Da sie auch tödlich war, wurde noch seit geraumer Zeit ein Verbot an alle Kampfschulen ausgesetzt, diese Kampfart zu praktizieren. Vielleicht gab es auch Unterlagen dazu, doch es glich eher einer Legende als der Realität.

Während der Heimfahrt sagte niemand auch nur ein Wort. Erst als Minako ihren Mitarbeiter bei seinem Wohnblock absetzte, fragte er sie, ob sie mit ihm was trinken wollte. Doch die Frau lehnte ab. Sie war einfach zu müde, um irgendetwas zu machen, ausser nach Hause zu fahren und sich auf ihr Sofa zu stürzen. Dies sagte sie auch zu Zack, worauf er verständnisvoll nickte. Sie hatte Recht, es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Gut, hatte sie noch eine spitze Bemerkung bezüglich des Verhaltens ihres Mitarbeiters unterdrücken können.

Nun, da sie endlich zu Hause war, konnte sie sich auf dem Sofa bequem machen und sich bei einem Film in Gesellschaft einer Tasse heissen Tee entspannen.

Als der Film fertig war, warf Minako noch schnell einen Blick auf die Uhr. Der kleine Zeiger hatte die Marke neun schon überschritten. Also stand sie etwas schwerfällig auf, schlenderte in die Küche, wo sie die Tasse abwusch und begab sich anschliessend ins Bad. Sie konnte sagen, was sie wollte, aber der Tag hatte sie wirklich geschafft.

Der erste Verdacht

Die nächsten zwei Wochen war Zero bis zu den Ohrenspitzen in die Akten getaucht. Es musste so vieles überprüfen werden und noch mehr erforderte enormes Feingefühl bei der Arbeit und Vorsicht. Er und die Jungs von der Politikabteilung, mit denen der Achtundzwanzigjährige nun arbeitete, hatten die Liste der Verdächtigen deutlich verkleinern können. Von den ursprünglichen fünfzig waren nur noch fünf geblieben. Das war schon ein riesiger Fortschritt, das musste man einfach zugeben.

An dem Abend verliess er etwas früher den Arbeitsplatz. Er hatte nämlich ein Treffen, welches er auf keinen Fall vermasseln wollte.

Dreiviertel Stunde war er schon am Treffpunkt angekommen und wartete geduldig auf die entsprechende Person. Doch der Erwartete kam einfach nicht.

Etwas genervt sah Zero auf seine Uhr, deren Zeiger halb acht Uhr aufwiesen. °Dabei haben wir doch um sieben abgemacht. Wo ist der bloss?° Kaum war der Schwarzhaarige mit seinem Gedanken fertig, schon hörte er eine Stimme, welche seinen Namen rief.

"Osa-san!"

Ein junger Mann, der gerade mal knapp zwanzig Jahre alt war, lief auf den Beamten zu.

"Da bist du ja, Yoshi! Warum kommst du denn so spät?"

Erschöpft blieb der junge Mann bei Zero stehen. Er atmete schwer wegen dem langen, schnellen Lauf und musste sich mit den Armen an den Knien abstützen.

Yoshi Kitsune war erst vor kurzem zwanzig geworden und arbeitete als Fotograf. Er war ein sehr lebensfreudiger junger Mann, spielte gerne den anderen die verschiedensten Streiche, doch wenn es um ernste Angelegenheiten ging, war auf ihn immer Verlass. Der rote Haarschopf passe in solchen Situationen überhaupt nicht zu ihm, doch sobald Yoshi lachte und sich amüsierte, leuchteten seine Haare rot wie Karotten und verliehen ihm einen gewissen Charme.

"Hier, Osa-san.", meinte der Jüngere und reichte Zero einen Umschlag. "Das war es doch, was Sie wollten, oder?"

Der Ermittler machte das Couvert auf und überflog schnell dessen Inhalt.

"Ja, genau das ist es. Vielen Dank, Yoshi, du bist mir wirklich eine grosse Hilfe."

Der junge Mann rieb sich verlegen die Nase.

"Das war doch gar nichts, Osa-san."

Zero konnte nichts anderes tun als nur lächeln bei dem Anblick. Yoshi war immer so ehrgeizig, wenn es darum ging, für ihn, Zero, etwas zu erledigen.

Sie kannten sich schon seit vier Jahren, fingen aber erst vor ungefähr dreizehn Monaten, zusammen zu arbeiten. Die ganze Zeit lang, während der sie sich kannten, kämpfte Zero gegen das Siezen und das "Osa-san"-Gerede… leider erfolglos. Der Junge weigerte sich strikt dagegen, wollte auf keinen Fall von seinen Prinzipien zurückweichen. Für ihn war der Beamte ein Idol, ein Vorbild, wie es sein eigener Vater, Yahiko Kitsune, mal gewesen war… bis der ermordet worden war.

Herr Kitsune war unwillkürlicher Weise Zeuge eines Drogengeschäftes geworden. Die Schmuggler hatten davon Wind bekommen und bald darauf fand man den armen Mann atemlos in einem Sumpf ausserhalb der Stadt liegen. Zurück blieben ein sechzehnjähriger Sohn und eine nun allein erziehende Mutter bzw. die Frau des Verstorbenen.

Damals hatte Zero den Fall bekommen und mit Hilfe der Jungs vom Drogenkomitee konnte er die Schmugglerbande ausfindig machen. Danach war es nur eine Frage der richtigen Planung und der korrekten Organisation der Operation, damit die Gangster gefangen werden könnten mit möglichst minimalen Verlusten auf beiden Seiten. Schliesslich waren sie Polizisten, deren Ziel nicht darin bestand, die Verbrecher zu töten.

Während den Ermittlungen hatte auch Yoshi sehr mitgeholfen. Allerdings hatten seine halsbrecherischen Beschattungen seiner Mutter und auch Zero einige Nerven gekostet. Wie der Kleine dies angestellt hatte, dass niemand von der Bande ihn auch nur leicht verdächtigt hatte, war für alle ein Rätsel, aber die Informationen, die der Junge gebracht hatte, waren äusserst hilfreich gewesen und nur dank denen konnte man die Schmuggler fassen.

Seit dem folgte der jüngere Kitsune dem Beamten auf Schritt und Tritt. Er wollte unbedingt auch Polizist werden, so wie es sein Vorbild war.

Zero hatte es enorme Mühen gekostet, den Jungen von der Idee abzubringen. Er wusste ganz genau, wie schwer das Leben eines Ermittlers war und dass es Yoshis Lachen zerstören würde. Er wollte, dass der Kleine sein sonniges Gemüt behielt, dass der weiterhin alle mit seinem Lachen ansteckte.

Der Beamte konnte Yoshi schlussendlich dazu überreden, etwas anderes zu tun, was der Junge auch machte. Da Jugendlicher sich schon länger für Fotografie interessierte, entschied er sich nach der Schule die entsprechende Ausbildung zu absolvieren.

So verging die Zeit, bis die beiden sich wieder mal über den Weg liefen. Und genau so, wie bei ihrer ersten Begegnung, war ein Mord geschehen.

Der nunmehrige Herr Kitsune war in eine Gemeinde gegangen, um sich dort nach Ereignissen zu erkundigen, die bald stattfinden sollten. Feste, Theater, Ausstellungen… Der junge Mann musste diesen Nebenjob machen, denn sonst würde ihm sein Lohn nicht ausreichen. Kaum wollte er seine Frage an eine Mitarbeiterin stellen, als plötzlich ein Schrei ertönte – eine Praktikantin wurde tot aufgefunden.

Yoshi, der nun zur falschen Zeit am falschen Ort war, begriff die Lage sofort. Er liess die Securities die Ausgänge sperren, wies eine einigermassen klar denkende Frau auf, die Polizei zu rufen. Zwei weitere Wachmänner bat er, niemanden an den Tatort ranzulassen, während der junge Mann selbst sich Plastiktüten um die Schuhe band, um möglichst keine Spuren zu verwischen und keine neuen zu hinterlassen, und fing damit an, was er am besten konnte – fotografieren.

Als die Polizei ankam, waren der Tatort, die Leiche und die meisten Anwesenden fotografiert. Der Untersuchungsführer – ein etwas rundlicher, älterer Mann – meinte, nachdem Yoshi alle Zeugen fotografiert hatte, er solle in ein Studio gehen und die Fotos entwickeln lassen.

Am nächsten Tag kam wurde der junge Mann angenehm überrascht – der Beamte, der die Fotos abholen sollte, war kein geringer als Zero Osa. Dieser war ebenfalls überrascht, denn man hatte vergessen, ihm den Namen des Fotografen zu nennen. Der Chef sagte nur, wo die Fotos abgeholt werden sollten, erwähnte aber nicht bei wem.

Während dieses Falles mussten die beiden Männer viel zusammenarbeiten, denn Yoshi war auf eine gewisse Weise auch ein Zeuge. Seine Aussagen und vor allem seine Fotos machten es der Polizei möglich, die Mörderin zu entlarven und sie dann dem Gericht zu übergeben.

Als dieser Mord aufgeklärt worden war, machte Zero ein für Yoshi überaus verlockendes Angebot…
 

Flashback…
 

"Vielen Dank, Yoshi. Du hast uns wirklich sehr geholfen."

Sie sassen im Park und assen Fastfood, welches aus der nahe stehenden Imbissbude stamm. Yoshi sah den Älteren immer noch schräg an. Der Fall war doch gelöst worden, warum rief er ihn dann noch mal?

"Gern geschehen.", meinte der Jüngere auf den Dank.

Einige Zeit lang war es still, dann erhob Zero seine Stimme.

"Schaffst du es immer noch, dich irgendwo durchzuschleichen?"

Überrascht sah Yoshi seinen Gesprächspartner an, meinte aber wahrheitsgemäss:

"Ich würde sonst keinen einzigen Yen verdienen können."

Das war es, was der Beamte hören wollte.

"Sag mal… Hättest du Lust, weiterhin mit mir zusammen zu arbeiten?"

"Sie meinen, ob ich Lust hätte, Ihr Agent zu werden?", fragte der junge Mann vorsichtig nach.

"Ja, genau das meine ich. Sieh mal, ich werde dich um nichts bitten, was irgendwelche Bedrohung für dich darstellt. Nicht für deine Kariere und schon gar nicht für dein Leben. Du wirst lediglich in den Kreisen der Journalisten einige Sachen für mich herausfinden. Was hältst du davon?"

Yoshi schwieg. Ihm fehlte zu dem Zeitpunkt einfach die Sprache. Er hatte davon geträumt, seinem Vorbild nützlich zu sein, ihm helfen zu können. Und nun… nun war der Moment gekommen.

Zero hingegen interpretierte das Schweigen auf seine Art.

"Ich weiss, ich kann dir deine Arbeit leider nicht bezahlen. Daher zwing ich dich auch nicht, für mich zu arbeiten. Es ist allein deine Entscheidung…"

"Bin dabei." Der Satz schoss aus dem Mund des Jüngeren wie eine Kugel aus einer Pistole. Er selbst hatte kaum realisiert, dass er geantwortet hatte. Und als er verstand, was er da gerade gesagt hatte, bereute er seine Antwort kein Bisschen.

Seit dem Tag wurde Yoshi Kitsune zum Agenten des Ermittlers Zero Osa…
 

Flashback Ende…
 

Zero warf einen Blick auf den jungen Fotografen. Er hatte sich wirklich keinen Deut verändert. Ja, in dem Jahr der Zusammenarbeit wurde Yoshi reifer, erfahrener, aber seine Ausstrahlung, seine gute Laune und sein Interesse gegenüber dem Unbekannten waren immer noch vorhanden. °Gut, dass ich ihn davon abhalten konnte, Polizist zu werden.°, dachte der Beamte. °Das hätte ihn sonst zerstört.°

"Wie schaffst du es bloss, solche Fotos zu machen?", fragte Herr Osa fasziniert.

Yoshi lachte.

"Nichts da, Osa-san. Berufsgeheimnis. Würde ich dies nicht können, wäre ich nutzlos nicht nur für Sie, sondern auch für die Redaktionen, für die ich arbeite."

Zero konnte dem Lachen seines Agenten nicht standhalten und grinste selber.

"Stimmt. Wie konnte ich dies vergessen, wenn ich es doch gewesen bin, der dir diesen Satz immer wieder wiederholt hat."

Der Jüngere grinste noch ein Mal, doch dann wurde sein Gesicht wieder ernst.

"Ich habe die Bilder noch nummeriert und eine Liste mit den Details für Sie erstellt."

"Was für Details?"

"Wann und wo die Fotos geschossen worden waren. Also wo und zu welchem Zeitpunkt sich die besagte Person befand. Zum Teil auch der Name des Gesprächspartners, falls sich auf dem Foto mehrere Personen befinden. Leider konnte ich nicht alle herausfinden, da nicht immer der vollständige Name erwähnt wurde, aber ein paar konnte ich notieren. Ich dachte, dies würde Ihnen noch nützlich sein."

Zero sah den Fotografen mit grossen Augen an.

"Was ist?", fragte der Angestarrte vorsichtig nach. "Habe ich dies nicht machen sollen?"

"Yoshi.", meinte der Ermittler darauf perplex und fasziniert zugleich. "Du bist ein Fund von einem Agenten, weißt du das eigentlich?"

Dieser kratzte sich verlegen den Hinterkopf.

"Meinen Sie?"

"Hätte ich dies sonst gesagt?", kam sofort die Gegenfrage.

Dies erforderte keine Antwort, also beliessen sie es dabei.

"Oh Mist, ich komme wieder zu spät!", ertönte plötzlich Yoshis Stimme, nach dem der Besagte einen Blick auf seine Uhr geworfen hatte.

"Was ist?"

"Ich muss leider schon gehen, sonst verpasse ich den Bus.", erklärte der Jüngere. "Ein Bekannter von mir ist hier, in Tokyo, zu Besuch und hat ein Medikament für meine Mutter mitgebracht. Ich muss es noch heute bei ihm abholen, denn heute Abend fliegt er zurück nach Okinawa."

Kaum wollte der junge Kitsune schon rennen, wurde er von Zero gestoppt:

"Wo musst du denn hin?"

"In das Ota-Bezirk."

Wenn Yoshis Bekannter wirklich noch an diesem Abend wegflog, würde er sehr knapp für den jungen Mann werden. Da sie sich zurzeit in Shinjuku befanden, war der Weg alles andere als kurz.

Ohne lange nachzudenken, ging der Beamte zu seinem Wagen, öffnete die Beifahrertür und meinte:

"Steig ein."
 

Sie sass auf dem Sofa und war in ihren Gedanken versunken. Die ganze Situation gefiel ihr immer weniger. Der Auftragsgeber benahm sich einfach nur gefährlich.

Vor drei Tagen wurde er von der Polizei befragt. Kaum waren die Beamten weg, hatte der ihr sofort angerufen und hatte alles verflucht, worauf die Welt stand. Sie hatte sich eine sehr lange Tirade darüber anhören müssen, wie schlampig sie ihre Arbeit verrichtet hatte, wie viele Fehler sie gemacht hatte und allgemein war sie nicht mehr als eine ganz gewöhnliche Nutte und Heuchlerin.

Noch nie zuvor in ihrem gesamten Leben musste sie sich so zusammenreissen, wie es während dem Gespräch der Fall gewesen war. Am liebsten hätte sie diesem selbstverliebten, feigen Arsch alles gesagt, was sie von ihm dachte. Aber sie dürfte nicht. Noch nicht. Noch war ihre Aufgabe nicht zu Ende. Und so lange sie dies nicht hinter sich hatte, konnte sie ihrem Willen keinen freien Lauf geben.

Sie wusste selber nicht, wie sie es geschafft hatte, den Kerl zu beruhigen. Aber noch weniger hatte sie Ahnung, wie sie dabei noch ruhig bleiben konnte. Denn sobald der Hörer abgelegt wurde, schmiss sie das erst beste Kissen in irgendeine Ecke des Wohnzimmers. Der Typ brachte sie einfach immer wieder zur Weissglut.

°Ruhig, Süsse, ruhig. Es bringt nichts, in Tollwut alles dem Boden gleich zu machen. Rational denken, genau das musst du tun.°

Sie atmete ein paar Mal durch und griff erneut zum Hörer. Sie musste schleunigst N über dieses Telefonat berichten.

Das war vor drei Tagen. Und noch immer hatte sie nichts gehört. Was da wohl los war?
 

Nachdem Zero Yoshi bei der entsprechenden Adresse abgeliefert hatte, fuhr er direkt nach Hause. Dort angekommen sah er sich den Inhalt des Umschlages noch mal genau an. Die Fotos, die er von Yoshi erhalten hatte, zeigten alle fünf Hauptverdächtigen, diejenigen, welche den Grund und die Möglichkeit besassen, den Mord zu begehen. Pro einen Verdächtigen waren mindestens zehn Bilder vorhanden.

Natürlich gab es auch die Version eines beauftragten Mordes, aber dies wurde von Takuma aus der Politikabteilung und Yori aus der Abteilung für schwere körperliche Verbrechen bearbeitet. Doch, ehrlich gesagt, wenn es sich dabei um einen Auftragskiller handelte, würde die Sache noch komplizierter werden, als sie es schon war. Die Medien verübten auch so einen enormen Druck auf die Ermittler, in dem die Journalisten sich in allen Zeitungen lauthals über die "mangelnden Erfolge der Polizei" beschwerten.

Nachdenklich verteilte der junge Mann die Fotos über die gesamte Fläche des Esstisches aus und nahm jedes einzelne unter die Lupe. Einige Bilder wollten ihm einfach nicht gefallen. Doch so sehr er sich anstrengte und überlegte, woran dies liegen konnte, schaffte er es einfach nicht, den Grund für dieses eigenartige Gefühl zu finden. Sein Spürsinn als Ermittler wollte ihm etwas verraten, doch sobald Zero meinte, den Gedanken endlich fassen zu können, entschwand ihm dieser wieder und der Beamter konnte weiter seinen Kopf zerbrechen.

Zero setzte sich an den Tisch und stützte seinen Kopf mit den Händen ab. Der störende Gedanke wollte ihn einfach nicht in Ruhe lassen. Er wusste ganz genau, dass es sich dabei um etwas ganz Wichtiges handelte, aber… Was? Was war es, das ihn so beschäftigte? Was?
 

Schwerfällig liess er sich auf einen Sessel fallen. Als er den Mord geplant hatte, dachte er, es würde kein Aufsehen erregen. Aber der Killer, den man ihm unterjubelt hatte, entpuppte sich als Amateur und sorgte mit seiner niveaulosen Arbeit für einen Furor.

Als Vertreter seiner Position musste er auf sein Image achten. Doch irgendwie hatte diese Schlampe von Yukio es geschafft, an Material heranzukommen, welches dafür sorgen würde, dass der Minister seine Karriere wegflattern sehen könnte. Nakamura selbst hatte kein Geheimnis aus ihrem Wissen gemacht und hatte ihn immer auf Trab gehalten. Sie spielte mit ihm wie Katze mit einer Maus.

So konnte es nicht weitergehen, das wusste er ganz genau. Er musste dieses störrische Weib loswerden. Egal wie teuer das sein würde, er musste sie tot sehen. Einen anderen Ausweg gab es nicht.

Er war sechzig Jahre alt, klein gewachsen und die Kopfhaut seiner Glatze reflektierte jegliche Art von Licht. Der ordentliche Bierbauch sorgte für träge Bewegungen und mit seiner unvorhandenen Kondition schaffte er es gerade mal von seinem Büro aus zum Auto und von dort aus zu seinem Lieblingssessel bei ihm zu Hause zu gelangen.

An seinem mit Schweiss und Blut erworbenen Posten hing er mehr als an seiner eigenen Familie. Natürlich musste diese nichts davon wissen, aber auch wenn, mussten sie es verstehen. Schliesslich verschaffte er so seiner Frau und den Kindern ein Leben in Luxus. Also sollten die doch gefälligst nicht meckern, dass er selten zu Hause war.

Mit Yukios Tod konnte er ein wenig aufatmen. Die Hauptgefahr war weg und die Papiere aus ihrem Safe, die direkt oder indirekt mit der Erpressung zu tun hatten, wurden vernichtet. Er dachte, er hätte es geschafft. Doch dann fingen die Überraschungen eine nach der anderen auf seinen Kopf niederzuprasseln.

Die angefangenen Ermittlungen, die nie hätten stattfinden dürfen. Die Liste der Verdächtigen, die niemals hätte erstellt werden dürfen. Die Fragen der Polizisten, welche ihn Bäche von Schweiss gekostet hatten… Und all dies wegen diesem Flittchen, die ihre Arbeit nicht erledigt hatte. Diese Schlampe, der er fünfhunderttausend Yen blättern musste, hatte so viele Spuren hinterlassen, dass diese selbst ein Blinder sehen würde. Falls die Polizei ihn hinter Gitter bringen würde, würde er schon dafür sorgen, dass er in der Zelle Gesellschaft erhielt. Darauf konnte diese Nutte Gift nehmen…

Grosse Schwierigkeiten

Am nächsten Tag nahm Zero den Umschlag mit zur Arbeit. Es war einfach zu gefährlich, diese Fotos unbeaufsichtigt liegen zu lassen, dafür war das Beweismaterial viel zu wichtig. Auch wenn der Ermittler noch keine Ahnung hatte, was er mit diesen Bildern machen konnte, so war er sich sicher, dass sie noch einiges verbarten. Die eigentliche Arbeit bestand darin, dieses Etwas herauszufiltern und wie ein Puzzlestück hinzuzufügen und auf diese Art des Rätsels Lösung näher zu kommen. So landete das besagte Couvert zwischen mehreren Mappen in die Tasche des Beamten und wurde anschliessend aufs Polizeirevier genommen.

Der Morgen sollte nicht so schön ausfallen, denn kaum hatte er die Tür seines Büros aufgemacht, schon hörte er sein Telefon läuten. Aus Erfahrung wusste Zero, dass ein Tag, der mit einem Anruf anfing, selten gut verlief, und doch nahm er den Hörer ab.

"Osa.", sagte der Mann, wobei er zur selben Zeit versuchte, seine leichte Sommerjacke auszuziehen.

"Endlich konnte ich Sie erwischen, Herr Osa.", ertönte die genervte Stimme des Kriminalhauptkommissars Nagami Otaro, des momentanen Chefs des Ermittlers. Der war wirklich alles andere als guter Laune, da musste man nicht einmal raten.

"Sie kommen sofort in mein Büro, haben Sie mich verstanden?"

"Jawohl.", konnte Zero gerade noch parieren, als der Hörer auf der anderen Seite der Leitung schon abgelegt wurde. °Das verheisst nichts Gutes.°

Ohne seine Jacke und Tasche im Büro zu lassen schnellte er zum Chef. Je näher er zum besagten Raum kam, desto mulmiger es ihm im Magen wurde. Hatte er was angestellt? Hatte er einen schwerwiegenden Fehler bei der Ermittlungsarbeit begannen? Er war hier zwar nur vorübergehen, aber für diese Zeit, die er auf dem Revier hier verbrachte, musste sich Zero wohl oder übel den Launen des Hauptkommissars beugen, ob er es nun wollte oder nicht.

Als er endlich vor der Tür stand, hatte er das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen, so schlimm war es um ihn. Doch er schluckte die schlechte Vorahnung runter und ermahnte sich zur Ruhe. Er war doch ein Mann, verdammt noch mal! So biss der Beamte sich die Zähne zusammen und trat in Otaro-samas Büro ein.

"Herr Osa, da sind Sie ja.", lautete die überraschend freundliche Begrüssung.

"Guten Morgen, Herr Nagami.", antwortete Zero vorsichtig. Die Situation gefiel ihm immer weniger. Zuerst das Gebrülle und nun die Samthandschuhe? Nicht gut, das war überhaupt nicht gut.

"Wie läuft es mit der toten Politikerin? Wenn ich mich nicht täusche, arbeiten Sie schon seit drei Wochen an dem Fall."

"Genau so ist es, Herr Nagami." Der Ermittler kam sich wie bei einem Militärverhör vor. Wozu zum Geier hatte man ihm diesen Tribunal organisiert? "Wir überprüfen jede noch so unwahrscheinliche Version und auch meine Kollegen aus der Abteilung für schwere körperliche Verbrechen helfen uns dabei, in dem sie von einer anderen Richtung die Informationen bearbeiten und uns so entgegenkommen sollten. Leider haben wir bis jetzt keinen Erfolg."

"Uhu.", brummte der Kriminalhauptkommissar, die Hände zusammengefaltet. Einige Zeit herrschte Stille, doch dann erhob der Ranghöhere der beiden die Stimme:

"In diesem Fall möchte ich Sie fragen, wie die zehn Millionen Yen auf ihrem Konto gelandet sind? Und wie hat man es geschafft, den Weg dermassen zu blockieren, dass man nicht einmal herausfinden konnte, von welchem Konto man Ihnen das Geld überwiesen hat."

Zero stand da wie vom Donner gerührt, die Augen gross wie zwei Untertassen. Zehn Millionen Yen?!!! Solch eine Summe hatte er noch nie in seinem gesamten Leben verdient! Und er konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemandem so viel Geld ausgeliehen hatte – konnte er gar nicht, denn auf seinem Konto hatte es nie mehr als zehntausend Yen gegeben, die er dann für seinen Wagen ausgegeben hatte.

Derweilen sah sein Chef ihn seelenruhig an.

"Und? Wissen Sie, woher dieses Geld kommt?"

Wahrheitsgemäss schüttelte der Gefragte den Kopf. Nein, das war ihm schleierhaft, woher die Kohle kam, jedoch zweifelte Zero nicht einen Sekunde lang daran, dass diese Summe nicht mit den rechten Dingen zusammengekommen war.

Herr Nagami faltete die Hände. Sein Gesichtsausdruck war dabei alles andere als glücklich.

"Wollen Sie mich hier auf den Arm nehmen? Seit vier Wochen höre ich von Ihnen nichts zum Fall Nakamura und gestern habe ich mitgeteilt bekommen, dass es auf Ihr Konto aus heiterem Himmel zehn Millionen Yen geschneit hat. Wie würden Sie auf meiner Stelle reagieren?"

Schweigen.

"Na gut.", meinte der Kriminalhauptkommissar. "Dann habe ich eine andere Frage an Sie: Wo waren Sie gestern gegen halb sieben Uhr abends?"

"In meinem Auto, auf dem Weg nach Hause.", antwortete der Ermittler verblüfft. Diese Frage brachte ihn genau so aus dem Konzept wie die vorherigen.

"Kennen Sie einen gewissen Yoshi Kitsune?"

Eine schlechte Vorahnung breitete sich in ihm aus.

"Ja, Herr Nagami."

"Zu Ihrer Information: Gestern Abend um sieben Uhr fand man im Oto-Bezirk die Leiche eines jungen Mannes. Er wurde erdrosselt. Seinen Dokumenten zufolge hörte er zu seinen Lebzeiten auf den Namen Yoshi Kitsune."

Die gesamte Farbe wich Zero aus dem Gesicht. Yoshi. Der Kleine, der ihm immer auf Schritt und Tritt folgen wollte, dessen Vater er auf gewisse Art und Weise gerächt hatte, der so eifrig dabei war, ihm, Zero, zu helfen, war nun tot…

"Das… Das ist nicht wahr…", krächzte der Beamte, während er um sein Gleichgewicht kämpfte. Das Blut war in seinen Adern gefroren, sein Herz hatte ausgesetzt, die Kehle wurde trocken, die Handflächen hingegen feucht.

Der Kriminalhauptkommissar sagte nichts dazu. Das einzige, was er machte, war eine kleine Geste, mit der er einige Fotos auf den Tisch schmiss.

Mit tauber Hand nahm der Beamte eines der Bilder und dachte, er würde gleich umkippen. Der Ermittler sah ein ihm sehr wohl bekanntes Gesicht, das Gesicht eines jungen Mannes, dessen Lachen alle um ihn herum angesteckt hatte. Allerdings war dieses Gesicht nun von allen möglichen Emotionen verlassen, die sonst leuchtenden Augen sahen starr vor sich hin, ohne irgendwelche Zeichen des Lebens aufzuweisen.

Dem Ermittler war es so, als würde er wieder das ansteckende Lachen hören. Doch er wusste ganz genau, dass er, Zero, dieses Lachen nie mehr hören können würde, denn der Besitzer dieses Lachens war nun tot. Und er war schuld daran…

Derweilen beobachtete ihn der Kriminalhauptkommissar mit zunehmender Sorge. Herr Osa war eigentlich kein Mann mit schwachen Nerven. Die Mitteilung über den Tod dieses jungen Mannes namens Yoshi Kitsune schien ihm wirklich nah zu gehen. Auf jeden Fall sah das Verhalten des Beamten alles andere als gespielt. Oder aber auch er war ein geborener Schauspieler und konnte dieses Talent gezielt einsetzen…

"Fühlen Sie sich nicht gut?", fragte er daher. Nun hing alles von Osas Reaktion ab.

Zero schluckte, obwohl ihm dies schwer gefallen war. Er selbst war schuld am Tod Yoshis, nur er alleine. Hätte er ihn nicht zu seinem Agenten gemacht, wäre das alles nicht so ausgegangen. Yoshi wäre noch am Leben und würde immer noch mit seiner Ausstrahlung und seinem Charme alle in seinen Bann ziehen. Nur wenn er, Zero, besser auf ihn aufgepasst hätte…

Der Polizist war dermassen erschüttert, dass er nicht einmal eine einigermassen vernünftige Antwort geben konnte. Selbst nicken und den Kopf schütteln fiel ihm schwer. Sein Chef bemerkte dies ebenfalls, daher hackte er nicht weiterhin auf dem Beamten, sondern meinte:

"Haben Sie irgendwelche Medikamente bei Ihnen?"

Der Gefragte zwang sich leicht zu nicken.

"Gehen Sie und trinken Sie es. In zehn Minuten will ich Sie hier in einem vernünftigen Zustand sehen."

"Jawohl.", krächzte der nur noch, als er den Raum verliess.
 

Im Gang lehnte Zero sich an die Wand. In seinem Kopf drehte sich alles.

°Ruhig, ganz ruhig.°, sagte er zu sich selber, während er langsam und tief durchatmete. Nach kurzer Weile konnte er wieder einigermassen rational denken, seine Atemzüge waren nicht mehr so zittrig, wie es zuvor der Fall war.

Also, was hatte er da alles so Schönes?

Aus heiterem Himmel waren auf seinem Konto ganze zehn Millionen Yen gefallen. Yoshi wurde, kurz nach dem er ihn im Oto-Bezirk abgesetzt hatte, umgebracht. Der Fall Nakamura bewegte sich keinen Millimeter. Kaum hatte man eine gute Version, schon wurden alle Enden abgehackt. Würde jetzt jemand behaupten, das alles sei nur ein Zufall, würde Zero denjenigen ohne nachzudenken für einen naiven Idioten erklären.

°Nein, das ist alles andere als ein Zufall.°, dachte er. °Das wirkt zu unrealistisch. Aber Nagami glaubt mir so oder so nicht, egal was ich sagen würde. Kamui würde vielleicht noch glauben, aber das würde nicht viel nutzen. Wahrscheinlich eher schaden.°

Er sah sich um. Der Gang war vollkommen leer. So lehnte er noch zusätzlich seinen Kopf an die kalte Mauer der Wand. Er hatte einen Entschluss gefasst.

°Ich muss von hier verschwinden. Und das so schnell wie möglich.°

Mit einem Ruck löste der Beamte sich von der Wand und ging auf sein Büro zu. Doch mitten auf dem Weg blieb er stehen. Es könnte fatale Folgen haben, sollte jemand ihn in seinem Büro entdecken. Kyo würde da sicher ausfragen, warum er so bleich herumlief, vor seinem Kindheitsfreund konnte Zero einfach nichts verstecken. Nichts Neues, aber in einer Situation wie diese mehr als nur unpassend. Noch während der Ermittler sich diese Gedanken machte, marschierte er entschlossen an der Tür seines Büros vorbei. Es war besser so.

Sein Auto konnte er auch nicht mitnehmen, das war zu riskant. Mit Hilfe des Nummerschilds würde man ihn im Null Komma nichts finden können. Daher nahm er die U-Bahn. Vielleicht würde er dort jemanden finden, bei dem er übernachten oder sogar eine gewisse Zeit lang leben konnte. So paradox dies auch zu sein vermochte, aber auf diese Art und Weise hatten schon viele Ermittler versucht, das Vertrauen der potentiellen Zeugen für sich zu gewinnen.

Zero setzte sich in den erstbesten Zug. Sein Ziel war, eine ledige, allein wohnende Frau um die fünfundvierzig zu finden. Sie sollte eine Romantikerin sein und keine feste Beziehung haben. Eine, welche die Zuneigung eines Mannes misste, welche ihre nicht ausgelebte Gefühlswelt und die romantischen Fantasien mit hilfe der Liebesromanen nährte und immer noch auf ihren Prinz auf dem weissen Schimmel wartete. Für hin und wieder Sex und eine gewissen Portion an Zärtlichkeiten und Zuneigung würde der Ermittler für eine Zeit lang eine Bleibe, Essen, Trinken und einen Schlafplatz erhalten können.

Schon in der Polizeiakademie war er dafür bekannt, besonders gut mit Frauen umgehen zu können. Woher er dies hatte, wusste er selbst nicht, doch sobald Zero Frauen befragen oder deren Vertrauen gewinnen musste, schmolzen die Ladies unter seinem Blick. Die meisten sagten, er hätte das gewisse Etwas an sich, denn viele haben versucht, ihn zu kopieren, scheiterten aber daran.

Der Trick war, all dem, was man schwafelte, auch selbst zu glauben. Wenn man sagte, man sei ein Kunstkönner, sollte man ein Basiswissen besitzen und fest davon überzeugt sein, die Wahrheit zu sagen. Selbst wenn die Frau klein und dick ist und über ein Mondgesicht verfügt, war es wichtig, etwas zu finden, was einem doch gefiel. Auf keinen Fall an eine andere Frau denken, wenn man die Fette, die Alte oder wen auch immer verführt. Jede Frau ist besonders, man müsste nur finden, was genau an ihr so besonders sei.

Mit dieser Methode wollte Zero sich nun ein Versteck für die nächste Zeit finden…

Aber anscheinend war das Glück an dem Tag wirklich nicht an seiner Seite. Er hatte schon vier Stunden in der U-Bahn verbracht, immer wieder die Züge wechselnd, jedoch ohne Erfolg. Er war hungrig, müde und einfach nur kaputt. Noch ein Mal würde er eine Strecke fahren, noch ein einziges Mal. Falls er dann immer noch kein Glück haben würde, müsse er sich was einfallen lassen…

"Endstation!", brüllte ihm ein altes Weib direkt ins Ohr. Erschrocken und noch etwas benommen sah er sich um. Wie konnte dies schon die Endstation sein, wenn er doch erst vor kurzem eingestiegen war? Dann verstand er. Ohne dies zu merken war er auf dem Sitz des Wagons einfach eingeschlafen! Das gab es doch nicht, er hatte tatsächlich seine letzte Chance wortwörtlich verschlafen! Wie dämlich konnte man denn überhaupt sein?

Sich innerlich verfluchend versuchte er aufzustehen, als die alte Frau wieder zu meckern anfing:

"Diese jungen Leute von heute, einfach typisch. Saufen schon am helllichten Tag. Komm schon, beweg dich. Ich habe keine Lust, dich selber zu schleppen."

Mit diesen Worten bugsierte die Frau Zero regelrecht aus dem Wagen. Der flüchtende Ermittler erwiderte nichts dazu. Er hatte weder Lust noch Kraft sich mit diesem alten Weib zu streiten. So verliess er die U-Bahn und schlenderte die Strasse entlang. Er hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Und genau so wenig wusste er, was er in dieser Situation machen konnte.

°Du hast dich in einen ganz schönen Schlamassel reingeritten, Alter.°, sagte er zu sich selbst. Er konnte es drehen und wenden wie er wollte. Er war nun ein Krimineller auf der Flucht, auch wenn er in Wirklichkeit unschuldig war. Sein Magen knurrte so laut, dass er sich fast die Ohren zuhalten musste, seine Bewegungen waren träge. Wenn er nicht bald etwas zu essen kriegen würde, würde er noch mitten auf der Strasse umkippen. Schliesslich war das Einzige, was er an dem Tag zu sich genommen hatte, eine armselige Tasse Kaffee. Nicht gerade viel, aber schliesslich hatte sich Zero auf Sangos belegte Brötchen eingestellt, mit denen sie am Tag zuvor gedroht hatte. °"Ich werde extra zu dir aufs Revier kommen, damit du auch was abkriegst."° Ja, das hatte die Beamtin gesagt. Das hatte er nun davon, nicht gefrühstückt zu haben. Wenn es doch hier irgendwo eine Imbisbude geben würde…

°Nein, zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.°, ermahnte Zero sich selbst. Vorher musste er einen Ort der Zuflucht finden. Dies hatte zu dem Zeitpunkt die grösste Priorität.

Der junge Mann lief gerade an einem Wohnblock vorbei, als er plötzlich etwas hinter sich hörte. Ein flüchtiger Blick nach hinten, den er wagte, als er zu einer Kreuzung abbog, verriet ihm, dass er verfolgt wurde. OK, auch schön. Der Beamte war einfach zu erfahren, um zu zeigen, dass er von der Beschattung bescheid wusste, und ging des ruhigen Schrittes weiter. Ja nichts anmerken lassen, ganz normal gehen, total lässig und… na ja, doch nicht so total lässig, war er doch auf der Flucht, aber dies konnte sein Verfolger ja auch nicht wissen. Und es bestand ja immer noch die Möglichkeit, dass Zero sich nur was einbildete und der Mann lediglich auf dem Weg zu sich nach Hause war, schliesslich war es ja auch ein Quartier, wo Menschen wohnten, sich entspannten und die Zeit mit ihren Familien verbrachten. Es konnte durchaus sein, dass dieser Mann niemand weiteres als ein Familienvater war, der sich nach einem harten Arbeitstag beeilte, seine Frau und seine Kinder in die Arme zu nehmen…

Doch beim Eingang in den einen Wohnblock angekommen, wurde er plötzlich gepackt und in die Dunkelheit des Treppenhauses gezogen. Im nächsten Moment wurde sein Kopf unter der Wucht eines Faustschlages zurück geschleudert, so dass der Ermittler auf den Treppen landete und benommen vor sich hinschaute.

Zuerst fühlte sich seine Wange wie betäubt an, dann kam der Schmerz und der unverkennbare Geschmack Blutes in seinem Mund – die Innenseite seiner Backe wurde mit dem Schlag stark an seine Zähne gepresst und war deshalb geplatzt. Na das war vielleicht ein toller Anfang einer Unterhaltung.

Benommen lehnte sich Zero gegen die Wand und versuchte seinen Angreifer zu erkennen. Sein Versuch scheiterte, da es im Treppenhaus stockfinster war und der Angreifer selbst zusätzlich noch eine Maske trug. Aber auch die Tatsache, dass der (noch) Beamter sich schnell vor dem nächsten Schlag schützen musste, trug ihren Anteil bei.

°Verdammt noch mal, wer ist das?°, fragte er sich, während er sich von den Schlägen schützte. Er hatte automatisch eine Haltung angenommen, die den besten Schutz der Organe bieten konnte. Doch irgendwann wurde es dem jungen Mann zu bunt.

"Jetzt reicht es aber!", knurrte er laut und schlug seinem Gegner ebenfalls ins Gesicht, worauf dieser zurücktaumelte. Unten am Treppenansatz angekommen blieb Zeros Opponent stehen, was dem Ermittler die Zeit gab, sich etwas zu erholen. Er spuckte zur Seite, um wenigstens irgendwie die Menge des Blutes in seinem Mund zu verringern. Doch als der junge Mann wieder aufschaute, wurden seine Augen gross… denn genau in dem Moment hatte sein Angreifer eine Pistole hervorgezogen.

"Ach du heilige Scheisse.", wisperte er noch. Dann hatte er keine Zeit mehr, zu den Heiligen zu beten, denn eine Kugel verfehlte ihn nur knappe Zentimeter.

Leise fluchte er vor sich hin, als er sich duckte, und, während er die Treppe raufraste, dachte Zero fiebrig nach, wie er aus dieser Situation lebendig rauskommen wollte. Da es aber Freitagabend war, waren die meisten Leute sicher irgendwo unterwegs am Saufen. So würde ihm niemand helfen können. Und falls doch irgendjemand zu Hause wäre, würde es ihm trotzdem nicht viel nutzen. Der Täter benutzte einen Dämpfer. So waren praktisch keine wirklich lauten Geräusche zu hören.

"Gr…", knurrte er, fiel auf ein Knie und hielt sich sein Oberschenkel. Der Schütze hatte es doch geschafft, ihn zu treffen. Zwar handelte es sich dabei um einen Streifschuss, jedoch spürte er schon jetzt, wie die Wunde ihn langsamer werden liess. °Verdammt noch mal, in was habe ich mich da bloss reingeritten?°, fragte er niemand Bestimmtes. Doch genau so gut hätte er den Attentäter fragen können, wer diesen angeheuert hat, um ihn, Zero, umzulegen.

Voller Sorge merkte er, wie sein Bein taub wurde. Der Schock des Schusses paralysierte die Nerven, so dass er sein Bein kaum noch bewegen konnte. Aber er musste es schaffen. Er musste es einfach tun, sonst würde dies gravierende Folgen haben. Im besten Fall würde er schwer verletzt im Krankenhaus landen, im schlimmsten hingegen… Nun, die Radieschen sahen von unten sicher interessant aus.

Ein weiterer Schuss ertönte knapp über seinem Kopf und spornte ihn dazu an, sich weiter zu bewegen. Schliesslich hatte er nicht die geringste Lust, ein Loch mehr im Kopf zu haben. Nun, allgemeint irgendwo in seinem Körper war ein zusätzliches Loch unerwünscht. Zu schade dass dieser Schütze nicht so mit der Meinung des Ermittlers Osa einverstanden war.

Er zwang sich weiter nach oben zu bewegen. Keine Ahnung auf welchem Stockwerk er sich nun befand, aber es war ihm überaus klar, dass er irgendwann mal das Dach erreichen würden… und dann würde es für ihn kein Entkommen mehr geben.

"Arg!", stöhnte er schmerzerfüllt auf und musste sich an die Wand anlehnen. Der letzte Schuss hatte seine Seite getroffen und hinterliess eine klaffende Wunde. Zero vermutete stark, dass die Kugel sich immer noch in seinem Körper befand. Das war schlecht. Würde man die Kugel nicht bald und chirurgisch korrekt aus der Wunde entfernen, bestand die Gefahr einer Blutvergiftung und diese Option wollte dem Beamten nicht wirklich gefallen.

Zum gelähmten Bein kamen noch die zitternden Hände und der unendlicher Schmerz der neuen Wunde. Der Schock, der von der Verletzung kam, lähmte fast seinen gesamten Körper. Wenn Zero schon vorher nicht gerade schnell war, da er von seinem angeschossenen Bein behindert wurde, konnte er sich nun jegliche Möglichkeit, hier heil herauszukommen, gleich abschminken.

Aus irgendwoher genommener Kraft schleppte er sich einige weitere paar Stufen hoch und lehnte sich anschliessend völlig erschöpft gegen eine Tür. Vor seinen Augen verschwamm alles, sein Atem war nicht mehr als ein blosses Keuchen. Es gab für ihn kein Entkommen mehr, in seinem momentanen Zustand konnte er von Glück und Wunder reden, die letzen Stufen überhaupt geschafft zu haben.

Er schloss die Augen und lauschte den Schritten des Killers, die langsam auf ihn zukamen. Es war, als käme der Sensemann höchstpersönlich die Stufen rauf, um sich seiner zu bemächtigen. Er hörte schon förmlich das Klappern der Knochen und das Rattern der Sense auf dem Betonboden.

°Werde ich so sterben?°, fragte er sich selbst. °Nicht als ein alter Mann, der schon das ganze Leben gelebt hat? Ohne eine richtige Familie zu haben? Ohne Frau und Kinder? Einfach so, weil jemand mich unbedingt loswerden wollte?° Diese Fragen schwirrten in seinem Kopf und zum aller ersten Mal in seinem Leben hatte er Angst davor, allein zu sein. Er hatte grosse, ja, fast panische Angst davor, allein zu sein. Das war ihm bis zu dem Zeitpunkt noch nie passiert, egal wie gefährlich die Kombination war, um einen Verbrecher zu fangen. Egal, wie gefährlich die Verbrecher selbst waren.

°Andererseits… so wird wenigstens niemand verletzt.°, dachte er noch, als er die Schritte schon ganz nah bei sich hörte. Binnen weniger Momente schossen Bilder durch seinen Kopf. Seine Mitarbeiter, die auch seine Freunde waren. Sein armer Vater, der immer noch wie ein Büffel schuften musste, um sich wenigstens das Existenzminimum sichern zu können. Mitsuki, die er schon sein ganzes Leben lang kannte und mit der er im Grunde genommen sich gut verstand, selbst als er die Beziehung beendet hatte. °Lebt wohl, ihr alle. Ich werde euch vermissen, wenn ich dies können werde…°

Aus irgendeinem Grund kam ihm das Gesicht der Unbekannten in den Sinn, die er schon zwei Mal getroffen hatte. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. °Ich wünschte, ich hätte dich näher kennen gelernt.° Dann schloss er die Augen, ergab sich seinem Schicksal. Nun würde er sterben, das wusste er ganz genau. Es war unvermeidlich…

Das Holz hinter seinem Rücken gab plötzlich nach und, ehe er es realisiert hatte, landete er hart mit dem Rücken auf dem Boden. Und da er an dem Tag ein so wahnsinniges Glück hatte, schlug er beim Aufprall zusätzlich den Kopf an einer Kante an. Vermutlich hatte es sich dabei um einen Kleiderschrank gehandelt, aber dessen konnte der Ermittler sich nicht wirklich sicher sein. Seine gesamte Umgebung verschwamm, er wusste nur, dass er in einer Wohnung war, wusste aber nicht in welcher. Das Letzte, was er noch wahrgenommen hatte, waren schwarze, lange Haare und ein Gesicht, welches er zu seinem Leideswesen nicht zuordnen konnte, denn es sah aus wie ein grosser Fleck in schwarzer Umrandung. Dann versank alles in der Dunkelheit, sämtliche Geräusche verstummten…
 


 

Hat lange gedauert, aber ich habe schlussendlich doch ein Kapi hochladen können =)

Wo ist Zero?

Wo ist Zero?
 


 

Der Mann in der schwarzen Maske unterdrückte einen Fluch. Es reichte schon, dass das Zielobjekt entwischt war, in einer Wohnung verschwunden war. Aber nein, es musste auch unbedingt IHRE Wohnung sein! Sein Chef würde ihm das Fehl über die Ohren ziehen, da musste er nicht einmal zu einer WahrsageYumi gehen, um dies zu wissen.

Nach einigem Überlegen zog der Unbekannte die Maske runter und stopfte diese in seine hintere Hosentasche. Dann ging er entschlossen zur besagten Tür und läutete ein Mal. Kurze Zeit später erschien eine junge, schöne Frau vor ihm und sah ihn fragend an.

"Ja? Was wollen Sie?", fragte sie mit einer weichen, melodischen Stimme.

"Nun ja, wissen Sie, hier gab es eine Schlägerei, die fast zu einer Schiesserei wurde, und einer meiner Kumpels wurde dabei verletzt.", log der Unbekannte ohne mit der Wimper zu zucken. "Man hat mir gesagt, dass einer der Schläger hierher geflohen sei. Ich habe vor, diesen Typen der Polizei zu übergeben. Haben Sie hier nichts gehört, was auf eine laufende Person hindeuten könnte?"

Die junge Frau hob ihren Kopf und sah ihn mit ihren braunen Augen an. Er musste schlucken. Dieser Blick zwang ihn dazu, von Innen zu verbrennen.

"Tut mir leid." Ihre Stimme hingegen klang immer noch belegt. "Aber ich habe niemanden gesehen."

Der Mann lächelte künstlich, in der Hoffnung, die Frau würde es als echt abkaufen.

"Na dann, nichts für Ungut. Vielen Dank für die Auskunft und haben Sie noch einen schönen Tag."

"Ihnen auch einen schönen Tag und viel Glück bei Ihrer Suche.", lächelte die WohnungsbesitzeYumi freundlich. Danach verschwand sie in dem Appartement und schloss hinter sich die Tür.

Der Mann hingegen fluchte in sich hinein. Nun konnte er es vergessen, seinen Auftrag erledigen zu können. Warum musste der Typ ausgerechnet bei DER landen? Nun war dieser Leutnant unerreichbar, denn diese Frau durfte nicht angerührt werden. Andererseits… andererseits hatte er nun sich selbst Probleme aufgehalst, denn sein Boss würde ihm diesen Fehler nicht verzeihen. Was sollte er nun bloss tun???
 

Nagami Otaro hätte sich selber schlagen können. Wie konnte er nun solch einen Fehler machen? Er war der Kriminalhauptkommissar der Abteilung für politische Verbrechen. Von dem Departement für schwere körperliche Verbrechen hatte er den Ermittler Zero Osa zur Hilfe erhalten und als dieser aus heiterem Himmel Unmengen an Yen auf seinem Konto hatte, die übrigens eines unbekannten Ursprungs waren, hatte er, Otaro, den Beamten unverzüglich zu sich gerufen. Er hatte ihn schon in der Hand, aber er war so dumm gewesen und war auf das bleiche Gesicht Osas reingefallen.

Natürlich war Zero so schlau gewesen, nach dem er in sein Büro gehen konnte, nicht mehr zum Kriminalhauptkommissar zurück zu kommen sondern abzuhauen. Das hätte wohl jeder gemacht. Alles schön und gut, wenn da nicht ein Problem wäre – der Typ war nicht mehr zu finden.

Osas Auto – eine silberne Toyota Corola – stand vor dem Polizeirevier. Zu Hause war er logischerweise ebenfalls nicht. Und seine Ex-Freundin Mitsuki Kamara hatte nicht die leiseste Ahnung, wo ihr ehemaliger Freund sich zurzeit befand. Eine Sackgasse.

Nun, einen Tag nach Zeros Verschwinden, wurde er, Otaro, zum General gerufen. Das würde noch heikel werden, denn der General verstand keine Fehler. Besser gesagt, Fehler jeglicher Art waren strengstens untersagt. Wenn aber dennoch etwas passierte, konnte der Schuldige schon mit der Suche nach einem neuen Job anfangen.

°Kein Wunder, dass der schon sechs SekretäYuminen gehabt hat…°, schoss es dem Kommissar unwillkürlich durch den Kopf. Hoffentlich war der General guter Laune, sonst würde Nagamis Polizeikarriere hier und jetzt ein Ende nehmen. Ein überaus erbärmliches und ehrenloses Ende.
 

"Mr. N, Guten Tag."

"Hallo, Kleines. Wie geht es dir?"

"Ganz gut, danke der Nachfrage. Und Ihnen, Mr. N?"

"Danke, ich kann auch nicht klagen. Was gibt es denn, dass du mich plötzlich am helllichten Tag anrufst?"

"Ich wollte Sie darum bitten, mir in der nächsten Zeit nur auf mein Handy und nicht auf meine private Telefonnummer anzurufen. Ist das möglich?"

"Möglich ist es, aber was ist der Grund für solch eine Bitte?"

"Eine Freundin von mir hat sich mit ihrem Mann gestritten. Zu ihren Eltern will sie nicht und vom Ehemann braucht sie momentan ein wenig Abstand, damit sie sich beide abkühlen könnten."

"Das wird natürlich wer weiss wie lange dauern, habe ich Recht?"

"Leider. Meine Freundin ist recht stur, was Streitigkeiten angeht."

"Aber deine Aufträge wirst du wohl erfüllen können, oder?"

"Natürlich. Ich habe schliesslich immer in paar gute Ausreden auf Lager. Nicht zu vergessen, dass sie immer Schlaftabletten zu sich nimmt."

"Dann ist es gut. Aber pass auf, dass es nicht zu lange dauert."

"Ich werde mich bemühen, so schnell wie möglich wieder alleine in der Wohnung zu sein. Haben Sie irgendwelche Neuigkeiten?"

"Nicht wirklich."

"Neue Aufträge?"

"Keine. Im Moment ist alles ruhig. Sobald es etwas geben wird, werde ich dich informieren."

"Gut. Vielen Dank, Mr. N."
 

Minako und Kyo sassen gerade in der Kantine und versuchten das Gebräu, welches man dort unter der Bezeichnung "Kaffee" servierte, runterzuschlucken, als ein völlig verstörter Zack in den Raum gestürzt kam. Schnell hatten seine blauen Augen seine Arbeitskollegen ausfindig gemacht und keinen Moment später stand er schon vor ihnen.

Kaum beim Tisch angekommen, sprudelten schon die Worte aus dem jungen Mann wie ein Wasserfall in den Bergen:

"Zero ist verschwunden!"

Minako, die gerade einen Schluck von der Brühe in ihrer Tasse genommen hatte, verschluckte sich augenblicklich und sah ihren Mitarbeiter mit grossen Augen an.

"Wie verschwunden?", fragte sie dumm.

"Seit wann?", wollte auch Kyo wissen, der ebenfalls total verblüfft über die Nachricht war.

Kurz hatte Zack den beiden die Tatsachen geschildert, die er selbst mitbekommen hatte. nach dem der Siebenundzwanzigjährige geendet hatte, meinte Kyo:

"Nein, das kann nicht sein. Zero ist zwar kein Engel, aber Korruption ist mit Abstand das Letzte, was man ihm unterstellen könnte. Da steht er härter zu seinen PYumizipien als der Fuji auf seinem Platz."

"Das stimmt.", gab Minako ihrem Mitarbeiter Recht. "Man kann Zero nicht bestechen. Sie könnten ihm gleich zehn Millionen Yen überweisen, das würde nichts bYumigen, ausser dass Zero noch verbissener an dem Fall arbeitet, als es schon zuvor der Fall gewesen ist. Er ist sturer als ein Esel und, wenn er sich mal sagt, er würde diesen oder jenen Fall zu Ende bYumigen, dann wird er dies auch tun. Da kann man ihm noch so viel Geld als Bestechung zuschicken, es würde sowieso nichts nützen."

Zack seufzte.

"Schön, dass wir dies geklärt haben. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Zero abgehauen ist."

"Und sich irgendwo versteckt hält.", vervollständigte Minako den Satz ihres ehemaligen Mitschülers. "Die Frage ist nur, warum er abgehauen ist."

"Das ist doch klar.", meinte Kyo, während er die fast ungerührte Tasse von sich schob. Nach dem so genannten "Kaffee" war ihm eher danach, sich so schnell die Zähne zu putzen… oder sich gleich zu übergeben.

"Er will seine Unschuld beweisen.", fuhr der Beamte ernst fort. "Schliesslich kann er das schlecht hinter Gittern machen."

"Da ist was dran.", gab Zack nachdenklich von sich.

Währenddessen erhob sich Kyo:

"Auf jeden Fall denke ich, dass Zero sich in der nächsten Zeit melden wird. Da bin ich mir zu neunundneunzig Prozent sicher."

Mit diesen Worten verschwand der Ermittler aus der Cafeteria.

Minako sah ihm nachdenklich nach und meinte dann mit einem besorgten Unterton zu niemand bestimmten:

"Ich hoffe nur, es geht ihm gut…"

Einen Moment später spürte die Beamtin, wie eine grosse Hand sich auf ihre Schulter gelegt hatte. Aber noch überraschter was die junge Frau, als sie sah, wem diese Hand auch gehörte.

"Mach dir keinen Kopf.", sagte Zack fast sanft. "Ihm geht es bestimmt prima… nun, der Situation entsprechend.", fügte er lächelnd hinzu.

Auf diese Worte hatte Minako nichts zu erwidern. Daher nickte sie nur, schob die halbvolle Tasse von sich und ging zusammen mit ihrem Arbeitskollegen zurück an den Arbeitsplatz. Unterwegs holten sie sich noch je einen Becher Kaffee aus dem Automaten. Der war wenigstens halbwegs geniessbar.
 

Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Blei gefüllt. Zusätzlich spürte er ein Porchen in seinen Schläfen, welches den Schlägen der Schmiedehämmer Konkurrenz machte. Von irgendwo weit her hörte er ein Auto vorbeifahren.

Zero versuchte wenigstens ein Auge aufzumachen, doch dieses Vorhaben erwies sich schwieriger zu sein, als er es vorher angenommen hatte. Er konnte gerade noch seinen tonnenschweren Kopf leicht zur Seite drehen und kaum merklich mit den Fingern zu zucken. Zu mehr war er nicht zustande.

"Hören Sie mich?", ertönte eine sanfte und vorsichtige Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam.

Ein "Ja" wollte ihm einfach nicht über die Lippen kommen. Alles, was er gerade noch herausbYumigen konnte, war ein tiefes Brummen.

"Wissen Sie, was passiert war?", fragte die eindeutig weibliche Stimme weiter.

Kaum merkliches Kopfschütteln, worauf ein Seufzen zu hören war.

"Ich hätte es wissen sollen. Es ist noch viel zu früh, so was zu fragen. Schlafen Sie lieber noch eine Weile, das wird Ihnen gut tun."

Er hörte zwar noch keine Schritte, aber er spürte förmlich, dass diese Frau nun weggehen würde. Dabei brauchte er sie noch…

Zero wusste nicht, woher er die Kraft genommen hatte. Tatsache war aber, dass er es geschafft hatte, ein "Warten Sie…" zu krächzen. Erneut startete der junge Mann den Versuch, seine Lieder wenigstens für einen Spalt zu öffnen. Dieses Mal wurden seine Mühen belohnt, denn er schaffte es, sein Vorhaben durchzusetzen. Dummerweise blendete ihn die Mittagssonne, so musste er seine Augen wieder schliessen.

Die Frau hingegen kam näher an das Bett und setzte sich an dessen Rand – das könnte der Achtundzwanzigjährige hören und spüren.

"Benötigen Sie etwas? Haben Sie einen Wunsch?", erfassten seine Ohren ihre Frage und auf einmal schämte er sich für das, was er dieser netten Frau sagen wollte. Dennoch musste er es einfach machen, sonst würden die Folgen schlimmer aussehen.

"Ich… ich muss…", krächzte er und brach dann doch ab.

Wie konnte man wohl am besten formulieren, dass er mal aufs Klo musste? Peinlicher konnte die Situation gar nicht sein. Zwar handelte es sich dabei um ein ganz natürliches Bedürfnis eines Menschen, aber trotzdem…

Der junge Mann nahm seinen gesamten Mut zusammen. Würde er darum nicht fragen, müsste seine RetteYumi die gesamte Bettwäsche waschen und dies würde schlimmer sein, als einen dummen Satz auszusprechen. Nicht zu vergessen, dass es äusserst undankbar wäre, eine Schweinerei zu veranstalten, nach dem die Frau so nett und hilfsbereit zu ihm war.

"Ich muss… mal… auf die… Toilette.", flüsterte er kaum hörbar.

Sein Körper hatte zwar nicht die Kraft dafür, aber innerlich verkrampfte er sich. Wie sie wohl reagieren würde? Würde sie wütend werden? Unschlüssig? Ratlos?

"Ich verstehe."

Zu seiner eigenen Überraschung klang die Stimme alles andere als genervt oder ratlos. Im Gegenteil, sie war immer noch sanft und auf eine gewisse Art verständnisvoll. So, als wäre er ein kleiner Junge, der seiner Mutter gesagt hatte, er hätte in der Nacht ins Bett gepinkelt.

Das Bett, in dem er sich momentan befand, bewegte sich etwas – ein Zeichen dafür, dass die Frau aufgestanden war. Dann hörte er ihre sich entfernenden Schritte. Was hatte sie nun vor? Würde sie ihm irgendwie aufs Klo helfen? Oder hatte sie da eine andere Idee? Fast fragte er sich, wie diese Frau ihn wohl ins Badezimmer transportieren wollte. Aus einem unerklärlichen Grund hatte er das Gefühl, seine RetteYumi sei zierlichen Körperbau.

Während seiner Grübelei merkte er gar nicht, wie die Zeit vergangen war. So überraschte es ihn, als er nach kurzer Weile wieder die weichen Schritte der Frau wahrnehmen konnte.

Durch seine geschlossenen Lieder merkte er, wie ein Schatten auf sein Gesicht geworfen wurde. Also öffnete er erneut die Augen für einen Spalt. Der Spalt war wohl nicht breit genug, denn die Sicht war total verschwommen. Allerdings konnte diese auch an seinen tierischen Kopfschmerzen liegen.

"Ich muss Sie leider ausziehen.", sagte die Frau ernst. Anscheinend wollte sie die Situation möglicht schmerzlos für sein Ego gestalten. Zero musste zugeben, dass er äusserst dankbar seiner RetteYumi war. So machte sein Kopf eine Bewegung, die einem Nicken ähnlich war.

Die Unbekannte schien verstanden zu haben, was er andeuten wollte. Das schloss er daraus, dass sie die Decke zur Seite geschoben hatte. Vom Ventilator wehte eine kühle Briese auf seine Beine und dies war der Moment, an dem er verstanden hatte, dass er die ganze Zeit über nur in seinen Boxershorts gelegen war, wenn man die Bandagen nicht zählte. °Da gibt's ja fast gar nichts zum Ausziehen.°, dachte der junge Mann etwas sarkastisch.

Zwei vorsichtige Hände, welche den Rand seines einzigen Kleidungsstückes gepackt hatten, holten ihn aus seinen Überlegungen heraus. Ein kurzes Zögern – war es Unschlüssigkeit oder ein prüfender Blick? Doch dann aber spürte er, wie sein Becken angehoben wurde… worauf er ein Zischen unterdrücken musste. Sein Bein tat bei jeder noch so kleinsten Bewegung höllisch weh. Hoffentlich hatte sich die Wunde nicht entzündet…

Die Person, auf die er nun angewiesen war, machte eine Pause. Sie wartete ab, bis seine Schmerzen vorbei waren. Kaum war dies der Fall, schon wurde das letzte Fetzen Stoff, welches seine Unterwäsche darstellte, entfernt und er präsentierte wohl oder übel seine Blösse… wenn auch nicht ganz freiwillig.

°Nun weiss sie wirklich alles über mich.°, schoss Zero unwillkürlich durch den Kopf. Es war ja nicht so, dass er sich noch nie vor einer Frau ausgezogen hatte, aber der Sachverhalt war da "ein Bisschen" anders. Zum ersten Mal in seinem Leben schämte er sich dafür, nackt zu sein.

Währenddessen spürte er, wie eine Hand sein Penis nahm und diesen in ein Gefäss legte.

"Ich warte draussen.", hörte er noch, ehe die Tür zuging und der nun ehemalige Beamte sich selbst überlassen wurde. Dieser war der Dame überaus dankbar, denn mit dieser kleinen Geste bewahrte sie die letzten armseligen Überreste seiner Würde als Mann…
 

°Ich denke, es wird wohl langsam an der Zeit, dass ich reingehe.°, dachte die junge Frau, die sich um den verletzten Ermittler Zero Osa kümmerte. Da sie die bisherige Zeit auf dem Sofa vor dem Fernseher verbracht hatte, stand sie auf und begab sich zum Schlafzimmer.

Leise öffnete sie die Tür einen Spalt breit und lugte vorsichtig hinein. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr Patient friedlich und tief schlummerte. °Na den Göttern sei Dank, er ist eingeschlafen. Das wurde aber Zeit, dass sein Körper ihm klar macht, was gut für ihn ist.°

Die Frau machte die Tür nun ganz auf und trat in das Zimmer ein. Ihr Blick bewunderte unwillkürlich den auf dem Bett liegenden Mann. Selbst zur Hälfte in Bandagen und recht demoliert sah der Schwarzhaarige zum Anbeissen aus. Das etwas markante Gesicht, die nicht zu breiten Augenbrauen, die leicht grösseren Augen und nicht zu vergessen die vollen, ja, sinnlichen Lippen.

Solche Lippen hatte sie schon immer küssen wollen, dennoch hielt sich die junge Dame zurück. Wie würde denn das aussehen, wenn sie einen total – na ja, nicht ganz "total", aber das spielte nicht wirklich eine so grosse Rolle – unbekannten Mann küssen würde.

°Ich soll mich lieber an die Arbeit machen. Die erledigt sich ja schliesslich nicht von selbst.°, sagte sie zu sich in Gedanken und trat näher an das Bett. Mit einer Serviette bewaffnet putze die junge Frau sein bestes Stück und entfernte die kleine Brattpfanne, welche Zero als Toilette gedient hatte. Dann zog sie ihm die schwarzen Boxershorts an, damit das Kleidungsstück sich auch am entsprechenden Platz befand – nämlich auf den Hüften des Verletzten.

"Das wäre geschafft.", meinte sie leise zu sich, nachdem sie das Zimmer verlassen hatte. Sie gratulierte sich selber für die Idee mit der Pfanne, während sie das besagte Gefäss abwusch. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, bis ihr Patient wieder aufwachte… wobei sie sich fast dazu zwang, nicht an den Adoniskörper des Schlafenden zu denken.
 

Je weiter die Sache ging, desto stärker wurde das ungute Gefühl in ihr. Sie konnte nicht genau sagen, warum sie dieses Gefühl hatte, aber es nagte an ihr wie ein Wurm, wie ein Parasit, der ihren Lebenssaft saugte, um selber weiter existieren zu können.

Irgendetwas war da faul im Busch, das spürte sie mit all ihren Sinnen, den sechsten, siebten und achten inbegriffen. Der übertrieben panische Kunde war da wohl das beste Beispiel. Seit sie mit Mr. N zusammenarbeitete, ging so Vieles schief, dass sie schon aufgehört hatte zu zählen. Früher war dies nie der Fall. Und dabei arbeitete sie mit ihm gerade mal ein halbes Jahr! Keiner ihrer vorherigen Vermittler brachte sie mit solch schlimmen Kunden zusammen. Bei Mr. N sah die Sache ganz anders aus, denn seine Kundschaft wurde von Mal zu Mal schlimmer. Der jetzige Angsthase von einem Minister war der schlimmste von allen.

Sie liess einen Seufzer von sich hören. °Qingfu… in was bin ich da bloss reingeritten?° Etwas missmutig schob sie die Tasse mit Kaffee von sich. Ihr war wirklich jegliche Lust auf das lateinamerikanische Getränk vergangen. So widmete sie die junge Frau wieder ihren trübsinnigen Gedanken.

Mr. N hatte ihr später noch mal angerufen, wobei er ihr einen neuen Auftrag vermittelte und wie nebenbei erwähnte, dass der Ermittler Osa verschwunden war. Hatte der auch etwas gespürt und war abgehauen oder lag es an etwas anderem? Sie wusste es nicht und den Ermittler selbst konnte sie natürlich schlecht fragen. War der vielleicht untergetaucht, wie er etwas herausgefunden hatte, was er nicht wissen sollte?

Fragen, nichts als Fragen. Und nicht die geYumigste Aussicht auf wenigstens eine Antwort. Verwünscht sollte der Auftrag doch sein! Und der Auftraggeber gleich mit dazu. Es wäre besser gewesen, hätte sie den Typ statt Yukio umgelegt. Damit hätte sie dem Land einen grossen Dienst erwiesen und sich selbst eine Menge Nerven gespart. Und nicht zu vergessen, sie würde dann nicht in der Scheisse sitzen, in der sie sich gerade befand. Nur leider war daran nichts mehr zu ändern…
 

Als er seine Augen erneut öffnete, waren seine Lieder nicht mehr so schwer. Zwar hatte er nach wie vor Kopfschmerzen, doch waren diese nicht mit den vorherigen zu vergleichen.

Da er nun ganz wach war, entschloss er sich, den Raum, in dem er sich momentan befand, genauer zu "untersuchen".

Das Bett stand bei der Wand, rechts von Zero befand sich auf etwa zwei Meter Entfernung die Tür. Bei der Wand dem jungen Mann gegenüber befand sich das Fenster. Wenn er sich aufrichten würde, könnte er das Panorama hinter der Fensterscheibe ansehen. Rechts von Fenster stand ein Kleiderschrank. Mehr befand sich im Zimmer nicht, abgesehen von einem kleinen Nachttischchen mit einer Lampe und einem aufgeschlagenen Buch.

Weiche Schritte, vorsichtiges Knarren der Tür.

"Oh, Sie sind ja wach."

Er wandte seinen Blick zur Seite... und meinte, mit seinem Kopf sei nicht alles in Ordnung.

An der Türschwelle stand ein wunderbares Geschöpf. Schwarze, gerade Haare umrahmten das leicht gebräunte Gesicht, die etwas breiteren Augenbrauen unterstrichen das Feuer der brauen Augen. Nun wusste der Beamte auch, warum ihm die Stimme seltsam bekannt vorkam.

"Sie sind es?", entfuhr es ihm überrascht.

"Wen haben Sie denn erwartet? Die Mutter Theresa?", fragte sie amüsiert und etwas spöttisch.

"Nein.", meinte er nun lächelnd. "Aber Sie habe ich auch nicht erwartet."

"Die Welt ist klein, Osa-san.", resümierte die junge Frau, während sie mit einem geschmeidigen Gang auf das Bett zukam und sich auf dessen Rand setzte.

"Woher kennen Sie meinen Namen?"

"Ich habe mir erlaubt, Ihre Kleider durchzuchecken und habe dabei Ihren Ausweis gefunden. Bitte verzeihen Sie mir diese Frechheit."

Er hob die Hände.

"Ist schon gut, das ist kein Problem. Wäre ich an Ihrer Stelle, hätte ich dasselbe getan. Schliesslich müssen Sie ja wissen, wen Sie da zu sich ins Haus geholt haben." Beim letzten Satz lächelte er vielsagend, worauf die Frau lachen musste.

"Wollen Sie denn nicht wissen, bei wem Sie da gelandet sind?"

"Ich habe gehofft, Sie würden sich ohne meine Aufforderung vorstellen.", antwortete Zero, immer noch im selben Ton.

"Inagawa, Revi.", meinte die nun nicht mehr Unbekannte langsam.

"Ein schöner Name.", versuchte er ihr zu schmeicheln, woraus aber nichts wurde. Seine Bemerkung wurde schlicht und einfach ignoriert.

"Sind Sie hungrig?", wollte die WohnungsbesitzeYumi wissen.

"Ich…", setzte er gerade an, als er plötzlich von einem knurrenden Geräusch unterbrochen wurde. Verlegen schlang Zero die Arme um seinen Bauch, während die junge Frau lachen musste.

"Können Sie aufstehen? Oder soll ich Ihnen das Essen ins Bett bYumigen?"

"Als erstes könnten Sie mir meine Kleider bYumigen." Auch er musste nun lachen. Die Situation war einfach zu komisch und er fühlte sich so richtig ausgelassen. "Danach sehen wir, was wir machen."

"Einverstanden.", nickte Frau Inagawa ihrem Patienten zu und verschwand für kurze Zeit aus dem Zimmer. Nachdem sie wieder da war, half die junge Dame ihm gleich mit dem Anziehen.

"Dafür, dass Sie drei Tage lang geschlafen haben, können Sie sich erstaunlich gut bewegen.", warf Fräulein Revi nebenbei ein. Der Ermittler hingegen erstarrte augenblicklich.

"Wie lange?", fragte er halb flüsternd.

"Drei Tage.", wiederholte die junge Frau brav. "Heute ist der sechsundzwanzigste September."

Seine Augen weiteten sich überrascht. So lange war er also schon weg. Der nun ehemalige Ermittler versank in seinen Gedanken.

Suchte man ihn? Vermutlich schon. Schliesslich war er nun ein Krimineller. Zumindest für die Führungskräfte der Tokio-Polizei. Und seine Arbeitskollegen? Seine Freunde? Seine Familie? Glaubten sie auch, er sei ein Verbrecher, er habe sich bestechen lassen? Sein Vater – da war er sich sicher – würde dies gewiss nicht glauben. Kyo würde diesem Mist ebenfalls keinen Glauben schenken. Minako? Höchstwahrscheinlich auch nicht. Zack? Nun, der war neu, vielleicht sogar noch ganz grün hinter den Ohren, siebenundzwanzig Jahre hin oder her. Mitsuki? Bei der hatte er nie durchblicken können. Selbst nach fünf Jahren Beziehung konnte er nicht einschätzen, was dieser Frau durch den Kopf ging.

Während er so vor sich hingrübelte, wurde er von Frau Inagawa genau beobachtet. Sie merkte, dass ihr Patient nervös und leicht geschockt war, wusste aber nicht, wie sie ihm helfen konnte. Den Grund für seine Reaktion hingegen konnte sie sehr gut nachvollziehen.

"Ihre Angehörigen machen sich bestimmt Sorgen.", meinte sie langsam. "Möchten Sie vielleicht jemanden anrufen?"

Endlich hatte er seine Selbstbeherrschung wieder erlangt.

"Ich denke, es wäre besser, wenn wir zuerst etwas essen würden. Dann könnte ich Ihnen alles erzählen. Das wäre doch gerecht, meinen Sie nicht?"

Der jungen Frau blieb nichts anderes übrig, als einfach nur zu nicken und dem verletzten Mann in die Küche zu helfen. Gut, dass einer der Stühle um den Tisch so stand, dass man im Rücken den Kühlschrank hatte. So konnte Fräulein Inagawa seinen Patienten dagegen anlehnen, ohne dass er gleich umkippte. Sobald dies erledigt war, machte die junge Frau sich daran, das Essen zu wärmen. Inzwischen war es zwei Uhr nachmittags und die Journalistin verspürte einen deutlichen Hunger, hatte sie doch seit dem Morgen nichts ausser einem Teeküchlein gegessen.

Das Mahl verging im Schweigen. Revi wagte es nicht, irgendetwas zu fragen, um den Mann vor ihr nicht zu überfordern, und Zero dachte nach, wie er es ihr am besten beibYumigen konnte. Wie er in seinen Gedanken versunken war, merkte er gar nicht, dass er schon längst fertig gegessen hatte und nun mit den Stäbchen in der leeren Schale herumstocherte. Erst als eine feine Hand ohne jegliche Vorwarnung in seinem Blickfeld erschien, erwachte er aus seiner Starre.

"Ich mache nur schnell den Abwasch.", sagte die WohnungsbesitzeYumi, während sie mit sanfter Gewalt Zeros Schale und seine Stäbchen zu sich nahm und diese zum Waschbecken brachte.

"Lassen Sie das bitte und setzen Sie sich zu mir.", bat er sie und hob müde, aber entschlossen die Lieder. Die junge Frau setzte sich ohne Widerworte zu ihm, ein Handtuch auf dem Schoss legend. So begann der junge Mann seine Erzählung.

Deal or no deal?

Zero lehnte seinen Kopf an den Kühlschrank und begann mit einer leicht müden Stimme zu sprechen:

"Wie Sie es sicher verstanden haben, stecke ich in Schwierigkeiten. Um aus dem ganzen Schlamassel rauszukommen, benötige ich Ihre Hilfe. Daher schlage ich Ihnen einen Deal vor: Ich erzähle Ihnen alles und Sie helfen mir, aus der Sache rauszukommen. Im Gegenzug mache ich alles, was Sie von mir verlangen – natürlich in den Grenzen des gesunden Menschenverstandes."

"Und was ist, wenn ich Ihnen nicht helfen will?", fragte die junge Frau nach.

"Dann werde ich mich von Ihnen verabschieden und gehen.", erklärte er ruhig.

"Aber Sie sind doch verletzt!"

Auf den Ausruf zuckte Zero nur mit den Schultern.

"Ich will Ihnen nicht zur Last fallen, ganz gleich, ob ich nun gesund bin oder nicht. Wenn Sie aber zustimmen, mir zu helfen, müssen Sie sich bewusst sei, dass es gefährlich für Sie werden kann. Sagen Sie, schauen Sie sich gerne Actionfilme an?", wechselte er plötzlich das Thema.

Fräulein Inagawa, etwas perplex von der unerwarteten Frage, meinte darauf:

"Nein, ich ziehe Triller vor. Wieso…?"

"Stellen Sie sich vor,…", unterbrach er sie. "…das, was Sie erwartet, sei eine Mischung aus Action und einem Psychotriller hoch drei."

"Übertreiben Sie's mal nicht, Osa-san."

"Ich übertreibe nicht." Seine Stimme war ganz ruhig, seine dunkelbraunen, fast schwarzen Augen sahen sie mit einem ernsten Blick an. "Ich warne Sie vor, was Sie möglicherweise erwarten kann, wenn Sie mir helfen würden. Meine Arbeit ist auch sonst kein Zuckerschlecken und die jetzige Situation schon gar nicht. Ich möchte nicht, dass Sie sich blindlings auf einen gefährlichen Pfad begeben."

Er wollte schon weiterreden, doch ihre Hand hinderte ihn daran.

"Glauben Sie mir, ich weiss, welche Gefahren birgt die Arbeit bei der Polizei. Sie müssen wissen, ich bin Journalistin von Beruf. Daher denke ich, Sie müssen auch nachdenken, wem Sie ihre Geheimnisse anvertrauen."

Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Eine Journalistin! Das hatte ihm zu vollständigem Glück noch gefehlt. Zero seufzte. Das Schicksal meinte es wohl besonders gut mit ihm…

"Da muss ich Ihnen wohl oder übel vertrauen. Etwas anderes beleibt mir da nicht übrig. Ich kann nur hoffen, Sie werden die Informationen, die ich Ihnen mitteile, nicht für Ihre Zeitungsartikel verwenden. Vorausgesetzt, Sie stimmen meinem Angebot zu.", fügte er am Schluss noch hinzu.

Stille breitete sich im Raum aus. Die Journalistin und Wohnungsbesitzerin wiegte alle Punkte ab, um eine richtige Entscheidung treffen zu können. Der Ermittler zu seinem Teil schwieg, da er die junge Frau nicht stören und ihren Entschluss auf keiner Weise beeinflusse wollte.

Nach scheinbar unendlich langer Zeit hob das Fräulein seinen Blick und sah sein Gegenüber fest an.

"Ich bin einverstanden.", war die Antwort der Journalistin. "Aber als Erstes schlage ich mal vor, dass wir uns auf eine weniger formale Ebene begeben. Ich bin Revi." Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er dann schwach schüttelte.

"Zero."

"Gut. Weiter im Text.", fuhr die junge Frau unbeirrt weiter. "Ich verspreche dir, Zero, dass jedes von dir gesagte Wort die Wände dieser Wohnung nicht verlassen werden. Zumindest ich werde niemandem irgendetwas sagen oder schreiben."

Erleichtert senkte er die Lieder, so dass seine Augen nun nur noch halbgeschlossen waren.

"Danke.", flüsterte er ihr zu. Dieses Versprechen war ihm wichtig. So war er kein Verräter, hielt sich an die Justiz – nun, im gewissen Rahmen – und konnte sichergehen, dass nichts an die Öffentlichkeit gelang. Er musste zugeben, dass die junge Frau nicht nur schön, sondern auch schlau war. Besser für ihn.

"Dann fange ich mal an.", meinte der Ermittler und öffnete seine Augen wieder ganz. "Du hast sicher vom Mord an Yukio Nakamura erfahren."

Die Gefragte nickte.

"Ja, ich wurde beauftragt, einen Artikel über sie zu schreiben." Sie machte eine Pause, um dann mit einer stahlharten Stimme weiterzufahren. "Den mir mein heissgeliebter Mitarbeiter freundlicherweise gestohlen hatte."

"Lieb.", kommentierte Zero Revis Aussage, fuhr dann aber fort. "Aber wenn das so ist, muss ich nicht zu sehr ins Detail gehen.

Eine Oppositionsführerin wird nicht jeden Tag ins Jenseits befördert. Und schon gar nicht so eine wie Yukio. So hat die Regierung uns alle - also die Polizisten - auf den Kopf gestellt, dass wir ja so schnell wie möglich Yukios Mörder finden. Die Medien verfolgen jeden unserer Schritte und beklagen sich beim Volk über die schlechte Arbeit der Polizei. Glaub mir, es ist alles andere als ein Zuckerschlecken unter solchen Umständen zu arbeiten."

Er lachte leise.

"Aber belassen wir dieses Gelaber lieber. Wir sind ja schliesslich nicht so alt, dass wir uns über jede Kleinigkeit beschweren. Ich komme mal lieber zum Wesentlichen.

Ich arbeite in der Abteilung für schwere körperliche Verbrecher. So bin ich wohl oder übel ebenfalls in das Ermittlungsteam eingeteilt. Zusammen mit meinen Arbeitskollegen haben wir einige Hypothesen erstellt und sind gerade dabei gewesen, diese zu überprüfen, als da eine andere tolle Nachricht mir überbracht wurde. Jemand ist so verdammt schlau gewesen und hat mich in ein anderes Departement eingeteilt, nämlich in das für politische Verbrechen.

Allerdings muss ich sagen, dass dort auch nicht gerade komplette Idioten arbeiten. Die Jungs haben schon einiges in Erfahrung bringen können und haben mir grosszügig alles erzählt, was sie in der Zwischenzeit ausgegraben haben. Dabei habe ich erfahren, dass Yukio zwar einige Skandale verursacht hatte – wobei die betroffenen Politiker sich von ihrer Kariere verabschiedet hatten -, hatte aber noch mehr "Schuldner" auf ihrer Liste."

Revi runzelte die Stirn.

"Schuldner?" Einen Moment lang verstand sie nicht, was er damit gemeint hatte, doch dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. "Sie hatte die Politiker erpresst, nicht wahr?"

Zero nickte.

"Genau. Was meinst du, auf welches Geld sie die Arbeitsbedingungen vieler Arbeiter verbessert hatte? Woher sie die Mittel dazu hatte, die Kinderheime renovieren und Krankenhäuser mit verbesserter Technik ausstatten zu können? Das alles hatte sie mit den Erpressungsgeldern ihrer "Kollegen" gemacht. Jeder hat eine Leiche im Keller und Yukio hatte eben eine Nase für das gehabt. Sie hatte einiges über die Politiker im Regierungsrat gewusst und sich dieses Wissen Zunutze gemacht."

"Eine Art weiblicher Robin Hood." Revi lächelte schief.

"Könnte man meinen. Auf jeden Fall hatten diese Aktionen zur Folge, dass das gemeine Volk auf ihrer Seite war – was Yukio eigentlich auch vorhatte. Ihr Ziel war es, die Politik des Landes zu ändern, und dafür war ihr jedes Mittel Recht."

Die Journalistin schluckte.

"Wollte sie… Wollte sie etwa eine Revolution starten?"

Das Nicken ihres Gegenübers reichte ihr als Antwort.

"Aber wie…?"

"Das gemeine Volk stand hinter ihr. Hätte man sie zwei Jahre später getötet, wäre eine Revolution ausgebrochen, welche die von 1917 in den Schatten gestellt hätte."

1917… Die Oktoberrevolution in Russland… Damals, als die Bolschewiki den Winterpalast in St. Petersburg gestürmt hatten, hatte es viele Opfer gegeben, sowohl von der Seite der Regierung als auch beim einfachen Volk. Natürlich wurden die Opferzahlen nie veröffentlicht, aber man müsste schon komplett verblödet sein, dass man solch einfache Schüsse nicht ziehen konnte.

Der Beamte hatte währenddessen weiter geredet:

"Mit Mühe und Not haben wir eine Liste der Schuldner erstellen können. Uns allen ist klar, dass die Liste alles andere als vollständig ist, aber sie ist alles, worüber wir momentan verfügen. Beim Überprüfen haben wir einige Namen wegstreichen können. Zwar haben die Politiker weiterhin Rate zahlen müssen, aber sie haben mit Yukio verhandeln können. Je weiter wir nachgeforscht haben, desto kleiner ist die Liste geworden. Jetzt besteht der Kreis der Verdächtigen aus nur acht Personen. Wenn man bedenkt, dass die ursprüngliche Zahl um die fünfzig betragen hat, ist das ein gar nicht so ein schlechter Fortschritt."

"Da kann ich dir nur zustimmen.", gab Revi ihm Recht. "Aber ist es nicht so, dass ein Politiker ganz einfach einen Auftragskiller anheuern konnte?"

"Natürlich war da ein Killer im Spiel, da muss ich nicht mal zu einer Wahrsagerin gehen, um dies bestätigt zu bekommen. Aber wir haben das Motiv geprüft und es hat sich herausgestellt, dass die meisten so schlau waren, mit Yukio einen Deal zu vereinbaren. Yukio schweigt und die Politiker überweisen ihr jeden Monat einen gewissen Geldbetrag. Bei allen ihren kranken Vorstellungen einer heilen Welt war Yukio erstaunlich anständig in Sachen Geld und Versprechungen. Sie hatte nie mehr verlangt, blieb immer beim gleichen Betrag, der – erstaunlicherweise – recht tief war und hielt – wie versprochen – ihren Mund. Dennoch gab es einige Leute, die mit ihr keine gemeinsame Sprache finden konnten."

"Und diese Leute sind nun eure Verdächtigen.", schlussfolgerte die Journalistin. Sie erblickte nun eine neue Person hinter der sonst so harten Fassade der Oppositionsführerin.

Zero nickte ihr als Bestätigung zu.

"Einer meiner Agenten hatte den Auftrag, die Verdächtigen je einen Tag lang zu beschatten. Als Ergebnis seiner Arbeit habe ich ein Couvert voller Fotos erhalten. Die meisten wurden von ihm gemacht, einige aber stammen aus einer früheren Zeit. Keine Ahnung, wie er auf die gekommen war, aber der Junge hatte eine ganze Arbeit geleistet."

Er brach ab und betrachtete die Tischplatte vor ihm. Seine Wunden schmerzten ihm, aber auch die Erinnerung and den jungen, ehrgeizigen Mann, der seiner Arbeit wegen sein Leben verloren hatte. Diesen Verlust würde er, Zero, wohl nie verarbeiten können.

"Als Journalistin könntest du ihn kennen. Yoshi Kitsune. Sagt dir der Name etwas?"

Revis Augen wurden gross vor Überraschung.

"Yoshi? Aber natürlich kenne ich ihn. Er bringt mir die meisten Fotos für meine Artikel… und ich muss sagen, es sind auch die besten, die man kriegen kann."

"Bist du etwa die Miko von den Tokyo News?"

"Genau die bin ich."

"Dann fürchte ich, du musst dir einen neuen Fotografen suchen."

Das Gesicht der Wohnungsbesitzerin wechselte von angenehm überrascht zu fragend ernst.

"Wieso denn das?", wollte sie mit einer harten, angespannten Stimme wissen.

Die Trauer und der Schmerz seiner Augen liess sie das Schlimmste befürchten.

"Weil er tot ist. Er wurde gestern… nun, vor vier Tagen umgebracht. Sein Leichnam wurde vor dem Eingang in einen Wohnblock gefunden. Auf seine Bitte hin habe ich ihn dorthin gebracht, da ein Bekannter von ihm etwas gebracht hat, was in Japan nicht zu finden ist."

Geschockt presste die junge Frau die Handfläche auf ihre Lippen.

"Du meine Güte, wie schrecklich.", brachte sie halb flüsternd hervor.

"Ich vermute, jemand hat herausgefunden, dass er Fotos und Informationen für mich beschaffen hat… und dass er mein bester Agent gewesen ist.

Du musst wissen, es gibt drei Arten von Agenten. Zum ersten haben wird da Leute, die etwas verbrockt haben, laufen aber frei in der Gegend herum, weil wir für ihre Verhaftung nicht genug Belastungsmaterial auftreiben konnten. Diese Leute bringen wir mit unserem Wissen auf unsere Seite. Grob gesagt, wir erpressen sie, sei es wegen eines Verbrechens gegen das Gesetz oder wegen eines Vorgehens gegen die Regeln ihrer Kriminalgruppe.

Zweitens haben wir da die Rachesucht. Selbst hat man nicht genug Kraft und Macht um der einen oder anderen Person Schaden zufügen zu können. Also versucht der Beleidigte, die Angelegenheit mit Hilfe von dritten dem Schuldigen so viel Mist wie es nur möglich ist zu bauen.

Und zum Schluss gibt es da noch Agenten, die rein aus ihrem eigenen Willen mit der Polizei arbeiten. Das sind Leute, die mit deiner Einstellung einverstanden sind und sogar mehr, sie teilen deine Meinung. Wenn ein Ermittler solch einen Agenten für sich gewinnen kann, achtet der Beamte auf diese Person mehr als auf seinen eigenen Augapfel.

So war es bei mir und Yoshi. Ich war es, der ihm die Arbeit bei der Polizei aus dem Kopf geschlagen hatte. Und ich war auch derjenige, der ihm das Angebot gemacht hatte, als mein Agent zu arbeiten… und ihn somit ins Jenseits befördert."

Seine Kräfte verliessen ihn langsam aber sicher und er schloss erschöpft die Augen. Besorgt sah Revi ihren Patienten an.

"Möchtest du dich vielleicht lieber ausruhen? Du kannst mir auch später die ganze Geschichte erzählen…"

"Es geht schon.", unterbrach er sie.

Der Beamte atmete tief durch.

"Am Tag zuvor hatte mir Yoshi neben dem Couvert mit den Fotos noch einige andere Unterlagen gegeben, deren Beschaffung eigentlich nicht direkt zu seiner Aufgabe gehört hatte. Die Fotos und die Unterlagen enthalten viele wichtige Informationen, daher habe ich die Dokumente auf keinen Fall zu Hause lassen können. Jetzt bin ich sogar froh darüber, zusätzliche Papiere in meine Arbeitstasche reingestopft zu haben.

Kaum bin ich in meinem Büro angekommen, schon werde ich zum Chef gerufen. Nichts Schlimmes ahnend bin ich hingegangen und habe erfahren müssen, dass der Betrag auf meinem Bankkonto um zwei Millionen Yen zugenommen hat, der Überweiser der Summe unbekannt ist und mein bester Agent, ja, auf eine gewisse Art und Weise mein Schützling, nach unserem Treffen ermordet wurde. Und zur Krönung des wunderschönen Tages wirft man mir Korruption vor und will mich ohne grosses Gerede hinter Gitter stecken. Wie würdest du in solch einer Situation reagieren?

Ich würde mal sagen, du wärst geschockt, wie ich es gewesen bin. Und dann würdest du sehen, dass du heil davon kommst, denn im Gefängnis kannst du deine Unschuld nicht beweisen. Habe ich da richtig geraten?"

Die junge Frau nickte zur Bestätigung seiner Worte.

"Na dann wirst du doch verstehen, dass ich unter einem Vorwand das Büro verlassen und das Weite gesucht habe – wahrlich nicht ohne meine Tasche mit den Dokumenten mit zu nehmen.

Den ganzen Tag habe ich damit verbracht, ein Versteck zu suchen. Erfolglos, wie du es siehst. Und als ich dann gegen Abend an einem Wohnblock vorbeiging, habe ich einen Typen entdeckt, der mich beschattete. Einen Wohnblock später wurde ich ins Treppenhaus gezerrt und mit einem Faustschlag ins Gesicht in Empfang genommen. Kaum war ich zu mir gekommen, schon erwartete mich die nächste Überraschung: Mein Angreifer zog eine Pistole, mit einem Schaldämpfer ausgestattet, und zeigte mir alles andere als zweideutig, was in dem Moment durch seinen Kopf gegangen war. Den Rest der Geschichte kannst du dir ausmalen: ich wurde durchs gesamte Treppenhaus gejagt, zwei Mal angeschossen und dazu gebracht, es ernsthaft zu bereuen, kein Testament erstellt zu haben. Als ich mich dann an eine Tür angelehnt habe, ging diese plötzlich auf und ich landete rücklings auf dem Boden. Danach wurde alles schwarz."

Für Revi war Zeros letzter Satz wie eine Aufforderung zum Weitererzählen, um die Lücke in seinem Gedächtnis wenigstens halbwegs zu füllen.

"Ich habe komische Geräusche vom Treppenhaus gehört und bin nachsehen gegangen, was da los war. Doch kaum habe ich die Tür geöffnet, da bist du schon wie aus heiterem Himmel beim Eingang in meine Wohnung zusammengebrochen. Ohne gross zu überlegen habe ich dich reingezerrt und die Tür geschlossen. Ich bin gerade damit fertig geworden, dich an eine Wand zu lehnen, als es läutete. Im Gang ist ein Mann in Grösse eines Kleiderschrankes gestanden und hat mir ein Märchen von wegen einer Schiesserei und einem Typen, der angeblich seinen Kumpel angeschossen und sich dann in diesem Treppenhaus versteckt hat, erzählt. Ich habe ihm gesagt, ich hätte nichts gesehen, so ist er wieder verschwunden. Der weitere Verlauf der Geschehnisse dürfte wohl klar sein: ich habe dich zum Bett gezerrt und hab' dich dann verarztet."

"Arigato.", sagte Zero und meinte dies auch so. Ohne Revi wäre er jetzt ganz sicher irgendwo tot herumliegen und würde nicht einmal die Radieschen von unten betrachten können.

"Nichts zu danken.", winkte die junge Frau ab. "Mich würde eher interessieren, welche Rolle ich in diesem Stück spiele. Was erwartest du von mir? Nun ja, abgesehen davon, dass meine Wohnung dir für die nächste Zeit Schutz bieten wird."

Der Beamte öffnete zum ersten Mal seine Augen ganz und sah die Journalistin mit einem ernsten Blick an. Von der Müdigkeit fehlte jede Spur.

"Du wirst zu meinen Ohren und Augen. Ich kann mich nirgendwo blicken lassen, im anderen Fall würde ich auf dem direkten Weg im Knast landen. Am besten wäre es, wenn du Urlaub nähmest. Ich werde dich nämlich immer brauchen."

"Hmm…", machte Revi nachdenklich. "Das mit dem Urlaub wird schwierig sein. Aber, wenn ich ehrlich bin, wird es für mich gar nicht nötig sein, Ferien zu beziehen."

"Wie denn das?"

"Ich bin eine von den bestbezahlten Journalisten der Tokyo News. Ich muss nicht täglich im Büro erscheinen, um meinen Job machen zu können. Natürlich, wenn etwas passiert, wäre es für mich von Vorteil, zur Stelle zu sein, aber ein oder zwei Mal nicht dabei zu sein würde meine Karriere nicht ruinieren. Und die Artikel kann ich auch von zu Hause aus dem Redaktor zuschicken."

Zum ersten Mal seit scheinbar unendlich langer Zeit lächelte Zero.

"Das würde, natürlich, einiges erleichtern. Du kannst ruhig dem Neusten auf der Spur bleiben, ich beabsichtige nicht, dich irgendwie einzuschränken. Ich bin schon glücklich, wenn du deine Texte von hier aus publizierst. Meine einzige Bitte wäre, dass du niemandem über mich erzählst. Keine Freundestreffen bei dir zu Hause, keine Geschichten über einen Mann, der bei dir wohnt…"

"Mach dir darüber mal keine Sorgen. Ich wäre eine schlechte Journalistin, könnte ich meinen Mund nicht halten."

Erleichtert lehnte sich Zero gegen den Kühlschrank. Er hatte es geschafft, er hatte für sich eine Bleibe gefunden und sogar einen Helfer – nun, Helferin, aber der Sinn der Sache blieb der gleiche. Auf jeden Fall war all das mehr, als er es sich an dem besagten Morgen erhofft hatte.

Der Ermittler wurde abrupt aus seinen Gedanken rausgeholt, da seine jetzige Helferin aufgestanden war.

"So, da wir nun alles geklärt haben, schlage ich mal vor, wir bringen dich wieder ins Bett."

"Die Couch wird reichen.", versuchte der junge Mann sich schwach zu wehren, was allerdings scheiterte.

"Spiel hier nicht den noblen Ritter in kunstvoller Rüstung. Du bist immer noch verletzt und wenn du nicht vorhast, über längere Zeit in deinem jetzigen Zustand zu bleiben, wirst du gefälligst das tun, was ich dir sage. Du kannst dich ohne fremde Hilfe ja kaum bewegen. Und über die Schlafplatzverteilung reden wir später mal."

Zero seufzte ergeben.

"Kann ich wenigstens auf die Toilette gehen?"

Da musste Revi grinsen.

"OK, diesen kleinen Umweg gönn' ich dir noch."

Es dauerte sicher um die zwanzig Minuten, bis der Beamte wieder im Bett lag. Ganz schön lange in Anbetracht dessen, dass normalerweise er für all dies allerhöchstens fünf Minuten gebraucht hätte. °Ich brauche wirklich noch viel Ruhe.°, dachte er missmutig. Der Gedanke an seine Hilflosigkeit und das Gefühl, auf jemanden angewiesen zu sein, machte ihn halb wahnsinnig!

Bevor er einschlief, fragte der Ermittler seine Helferin noch:

"Sag mal, hast du einen Freund? Versteh' mich nicht falsch, ich will nur nicht, dass mitten in der Nacht ein zwei Meter grosser Kleiderschrank ins Zimmer reinplatzt und ich einen Abflug durch das Fenster machen muss."

Die junge Frau lachte.

"Keine Sorge, ich bin solo. Auf eine wie mich beissen die Männer nicht."

Sie bemerkte zu spät, dass ihr mehr rausgerutscht war, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte.

Natürlich fragte der Beamte, nun sichtlich neugierig, weiter nach.

"Und was für eine bist du?"

"Was bringt dir, dies zu wissen?", lautete die Gegenfrage.

"Nichts. Ich bin einfach ein neugieriger Mensch."

Die Wohnungsbesitzerin ging vom Bett weg und blieb stehen. Dann seufzte sie.

"Ich bin eine erfolgreiche Journalistin, bin alles andere als hässlich und habe keine lebenden Verwandten mehr. Jeder will solch eine haben… wenn man Probleme mit den Finanzen hat. Für die meisten Männer dieser verdammten Welt bin ich nur ein Stück Fleisch ohne Verstand und Seele.

Zwei Mal bin ich in diese Falle getappt, ein drittes Mal wird es nicht geben."

Während sie sprach, stand Revi mit dem Rücken zu Zero, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Aber das war eigentlich auch nicht nötig. Ihre Stimme wurde von solch einer Bitterkeit gezeichnet, dass es ihm schwer fiel zu atmen. Es war so, als hätte jemand sein Herz in eine eiserne Hand geschlossen.

"Revi…", sprach er leise ihren Namen aus.

Da realisierte die junge Frau, was sie da eigentlich erzählte. Wie von einer Tarantel gestochen fing an, sich hektisch im Zimmer zu bewegen. Was hatte sie da nur geritten, diesem Beamten alles zu erzählen? Was war bloss in sie gefahren? Sie wusste es nicht. Was sie aber wusste, war, dass sie nun schleunigst aus dem Raum verschwinden sollte.

"Du sollst jetzt schlafen!", rief die Journalistin aus und schloss hinter sich die Tür. Zurück blieb nur ein total verwirrter Zero. Dem Armen blieb nichts anderes übrig, als doof zu gucken und überrascht zu blinzeln.

"Was hat denn sie gebissen?", fragte er sich selbst, doch es war dummerweise niemand da, der ihm diese Frage beantworten konnte. Also entschied er sich dazu, der Aufforderung Folge zu leisten und sich schlafen zu legen. Dies war nicht sonderlich schwer, da er wirklich noch ganz schwach war. Kurze Zeit später war in dem Zimmer nur sein gleichmässiger Atem vorzunehmen.

Die Arbeit beginnt

Drei weitere Tage waren vergangen, bis sich Zero einigermassen vernünftig bewegen konnte. Er und Revi waren gerade mit dem Mittagessen fertig geworden und der junge Ermittler beobachtete die Journalistin beim Abwaschen. Je mehr Zeit er in ihrer Nähe verbrachte, desto mehr gefiel sie ihm. Hübsch, voller Anmut, mit schönen weiblichen Kurven und strafen Beinen sorgte sie mit Sicherheit bei vielen Männern für schlaflose Nächte. Abgesehen davon war Revi sehr schlau, verstand alles auf Anhieb. Kurz, sie war perfekt dafür, seine Komplizin, nein, seine Helferin zu sein. Denn er würde sofort verschwinden, sobald es für die junge Frau zu gefährlich werden würde. Er hatte keine Lust, dass noch jemand seinetwegen starb…

Währenddessen war das Geschirr schon abgewaschen worden und die Wohnungsbesitzerin setzte sich zu ihrem jetzigen Mitbewohner an den Tisch.

"Also, Herr Polizist, wie sieht denn unsere Vorgehensweise aus?"

Zero grinste bei der Anrede. Man merkte bei Revi ganz genau den spassigen Unterton. So faltete er die Finger und presste seine Lippen gegen diese, jedoch so, dass er immer noch reden konnte.

"Wir spielen Puzzle.", sagte er geheimnisvoll, wobei in seinen Augen ein gewisses Leuchten vorhanden war.

Die junge Frau konnte nur eine Augenbraue heben. Was zum Kuckuck hatte dieser Typ nur vor?
 

Inspektor Inuyo lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss etwas erschöpf die Augen. Seit schon einer Woche fehlte von Zero Osa auch nur die Andeutung einer Spur. Verdächtig. Vielleicht aber auch nicht? Hätte man ihn, Takuro, des selben Verbrechens beschuldigt, würde er auch nicht brav da sitzen und warten, bis man hin für ein paar Jahre ins Kittchen steckte.

Er seufzte etwas schwerer. Dieser Nakamura-Fall entwickelte sich in eine äusserst überraschende Richtung.

Ein flüchtiger Blick auf die Digitaluhr auf seinem Schreibtisch verriet dem Untersuchungsführer, dass es schon höchste Zeit wurde, dass er sich nach Hause bewegen sollte. Auch gut. Dort würde er sich sicher entspannen können. Dafür würde seine Ehefrau schon sorgen.
 

°Endlich wieder zu Hause.°, dachte er erfreut, ja, fast erleichtert, als er die Tür aufschloss. Sofort schlugen ihm die verschiedensten Düfte aus der Küche, die ihm eine angenehme Vorfreude auf das Abendessen beschert hatten. Aus dem besagten Raum lief eine junge Frau mit einem recht grossen Bauch raus und näherte sich strahlend dem Inspektor.

"Okairinasai, Takuro.", zwitscherte sie.

"Tadaima.", antwortete er ihr mit einer weichen Stimme und küsste die junge Frau auf die Stirn. "Na, wie geht es euch heute? Habt ihr was Schönes gemacht?" Seit seine Gemahlin schwanger war, sagte er "ihr" statt "du". Nicht immer, natürlich, aber bei solchen Fragen des Öfteren.

Die Frau lächelte so aufrichtig und voller Liebe, dass er meinte, ein Engel stehe vor ihm. Aber… war sie nicht auch in gewisser Weise ein Engel? Sein Engel?

Ihre liebevolle Stimme holte ihn wieder aus seinen Überlegungen.

"Ja, uns geht es prächtig, Liebster. Aber willst du nicht zuerst…" Sie unterbrach sich selbst. Dann, ohne jegliche Vorwarnung packte sie seine Hand und führte diese zu ihrem Bauch.

Zuerst hatte Takuro nicht verstanden, was mit ihr los war, doch dann spürte er es. Selbst durch den Stoff des Hauskimonos, welches seine Frau trug, konnte er die Tritte fühlen, die aus ihrem Bauch kommen.

Die Haushälterin sah die Hand ihres Mannes mit einem liebevollen Lächeln an.

"Er kann es schon kaum erwarten, auf die Welt zu kommen."

Auch Takuro lächelte. Er liess seinen Aktenkoffer zu Boden fallen und stellte sich hinter seine Ehefrau, wobei seine Hand immer noch auf dem Bauch der Schwangeren befand. Mit dem freien Arm umarmte er die junge Frau und legte seinen Kopf sachte auf ihre Schulter.

"Natürlich.", meinte er auf ihre Aussage. "Bei solch einer Mutter würde ich es auch kaum aushalten."

Die Hausfrau lächelte.

"Du bist mir aber ein Süssholzraspler.", meinte sie etwas lachend. "Geh dich lieber umziehen, das Essen wird nämlich gleich fertig."

Während er sich ins Schlafzimmer begab und sich dort umzog, dachte er daran, wie schön es doch war, eine Familie zu haben. Er war nun schon seit zwei Jahren mit Yumi verheiratet und kennen tat er sie schon seit einer Ewigkeit. Sie war mit Abstand die Einzige, die ihn wirklich verstand, in deren Nähe er sich vollkommen entspannen konnte. Und nun… nun erwartete sie ein Kind von ihm, welches in knapp anderthalb Monaten zur Welt kommen sollte. Das Leben war einfach nur schön.

Nach dem Abendessen haben es sich die beiden auf dem Sofa vor dem Fernseher bequem gemacht. Dabei hatte sich Takuro halb hingelegt, den Kopf neben dem Bauch der zukünftigen Mutter platziert und strich immer wieder über den gewölbten Leib, in dem ein neues Leben heranwuchs. Und obwohl Yumi sich eigentlich den Film ansehen wollte, dieser Anblick war ihr um einiges mehr wert, als der Streifen auf dem flimmernden Bildschirm.

Die Idylle wäre perfekt gewesen, wenn da nicht das Telefon gewesen wäre. Missmutig knurrte der Inspektor.

"Kann man sich denn nicht einmal zu Hause entspannen?"

Yumi lachte leicht auf.

"Das geht leider nicht, Liebster. Du bist ein wichtiger Mann bei der Polizei. Und ob du es willst oder nicht, du musst jetzt das Telefon abnehmen."

Mit einem schweren Seufzen erhob er sich.

"Derjenige sollte sich bei dir artig bedanken, wenn ich da fertig bin.", meinte er noch und nahm den Hörer ab:

"Familie Inuyo?"

"Spreche ich mit Takuro Inuyo?", fragte eine eindeutig weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung.

Sofort war der Inspektor hellwach.

"Ja, der bin ich.", antwortete er leicht angespannt. "Was wollen Sie?"

Die Frage blieb unbeantwortet… vorerst.

"Kennen Sie einen gewissen Zero Osa?"

Ein Blitz hätte vor seinen Füssen einschlagen können, er wäre nicht so überrascht gewesen. Sein Gesicht nahm die gewohnten Züge an, halt jene, die seine Mitarbeiter von ihm kannten.

"Was ist mit ihm?" Von dem glücklichen Ehemann von vor ein paar Sekunden fehlte nun jede Spur. In dem Moment war er der Untersuchungsführer Takuro Inuyo, bekannt unter dem Spitznamen "der Eisprinz".

"Es geht ihm gut. Im Moment. Und es hängt von Ihnen ab, ob dieser Zustand weiterhin anhält."

"Ist das eine Erpressung?", fragte er direkt.

"Um Gottes Willen, nein.", beteuerte die Person am anderen Ende der Leitung. "Im Gegenteil, ich helfe ihm. Allerdings sollten Sie verstehen, dass ich dies alleine nicht schaffen kann."

"Wo ist er?"

"An einem sicheren Ort und an dem wird er vorerst auch bleiben."

"Wie kann ich ihn kontaktieren?"

"Gar nicht. Er wird Sie selbst kontaktieren. So wie er es jetzt tut."

Pause.

"O.K. Was verlangt er von mir?"

Von da an fing die Frau an, in Rätseln zu sprechen.

"Ein Puzzle ist auf den Boden gefallen, seine Teile sind nun zerstreut. Vier Männlein haben sich dazu bereit erklärt, diese Stücke zu sammeln und diese dann bei deren Anführer aufzubewahren. Nur wenn alle Stücke beisammen sind, kann man das Bild, welches hinter einem Schleier versteckt ist, erkennen."

Sie sagte dies und legte auf.

Takuro hingegen hielt noch eine Zeit lang den Hörer in der Hand und lauschte den kurz abgehackten Tönen.

"Liebling? Was ist los?" Yumis besorgte Stimme holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen. "Du siehst so bleich aus."

Endlich hatte er sich vom Hörer trennen und diesen auf die Basis legen können.

"Ich muss mich hinsetzen.", meinte er mit einer emotionslosen Stimme.

Als das Ehepaar wieder auf dem Sofa sass, meinte Yumi:

"Was ist los, Takuro? Du weißt, du kannst mir alles anvertrauen." Und als er zum Sprechen ansetzen wollte: "Und sag ja nicht, es ginge mich nichts an und ich sollte mir keine Sorgen machen. Ich bin schwanger, nicht sterbenskrank."

Genauso wie er seinen Mund geöffnet hatte, schloss er diesen wieder. Dann war ein weiteres Seufzen von dem Inspektor zu hören.

"Erinnerst du dich noch an Zero?"

"Ja, natürlich. Wie könnte ich ihn auch vergessen, nach dem, was passiert ist…", lautete ihre angespannte Antwort.

"Er ist verschwunden. Momentan steckt er in grossen Schwierigkeiten und ist deswegen abgehauen, um das Problem lösen zu können."

"Das verstehe ich nicht. Wie kann er ein Problem lösen, wenn er untergetaucht ist?"

"Wäre er geblieben, würde er jetzt in einer Zelle sitzen und Däumchen drehen."

Das war für Yumi mehr als einleuchtend.

"Oh, verstehe. Dann ist es natürlich klar, warum er verschwunden ist. Aber was hat das mit diesem Telefonat zu tun?"

Takuro fasste schnell alles zusammen. Zum Schluss zitierte er noch das Rätsel, welches er von der unbekannten Frau zu hören bekommen hatte.

"Ein Puzzle ist auf den Boden gefallen, seine Teile sind nun zerstreut. Vier Männlein haben sich dazu bereit erklärt, diese Stücke zu sammeln und diese dann bei deren Anführer aufzubewahren. Nur wenn alle Stücke beisammen sind, kann man das Bild, welches hinter einem Schleier versteckt ist, erkennen.", wiederholte Yumi gedankenverloren.

"Hast du vielleicht eine Idee, was darunter gemeint wurde?", fragte Takuro. Seine Frau war Professorin an einer Uni und spezialisierte auf Biologie. Ihr Denken war das genaue Gegenteil des seines und so war es dem Untersuchungsführer möglich, das Problem oder den Fall von einem anderen Blickwinkeln betrachten zu können.

Nach einer Weile der Überlegungen sah Yumi ihren Ehemann an:

"An welchem Fall arbeitest du gerade am härtesten?"

"Nakamura-Fall, das ist doch wohl klar." Takuro murrte ein wenig. "Und wenn ich den nicht löse, verarbeiten mich die Generäle zu Brei."

"Dann dürfte die Lösung des Rätsels klar sein.", meinte die Schwangere und erhielt augenblicklich die volle Aufmerksamkeit des Inspektors. "Ich denke, Zero hat da etwas herausgefunden, was dem Mörder zu gefährlich erschienen ist. Und er selbst, also Zero, ist ja auch nicht gerade dumm und lebensmüde, um dies nicht zu begreifen. So versteckt er sich und teilt das, was er herausgefunden hat, euch mit, damit ihr die Wahrheit finden könnt."

"Das ist mir auch klar gewesen.", sagte Takuro. "Nur verstehe ich nicht, warum er nicht alles auf einmal sagt? Warum muss er solch ein Theater veranstalten?"

Yumi schwieg nur. Sie wusste auch nicht, wozu das Ganze nötig war. Dabei wünschte sie sich so sehr, ihrem Mann helfen zu können.
 

Geniesserisch fuhren seine Hände über den Oberschenkel der Frau unter ihm, der Kuss, in den er gerade verwickelt war, raubte ihm den Atem. Seine Lungen verlangten nach Sauerstoff, was er aber zu ignorieren versuchte. Einige Zeit lang klappte dies auch, aber auf Dauer konnte kein Mensch ohne zu atmen überleben. So war er gezwungen, sich von den verführerischen Lippen zu trennen und sich dem Hals der Frau zu widmen.

Ihr Keuchen war Musik in seinen Ohren. Er konnte förmlich riechen, dass sie ihn wollte. Seine Hand zwischen ihren Schenkeln bestätigte nur seine Vermutung. Noch ein Bisschen, dann würde er ihr das geben, was sie sich so sehr ersehnte…
 

Baby if you strip, you could get a tip

'Cause I like you just the way you are

I'm about to strip and I want it quick

Can you handle me the way I are?

I don't need the cheese or the car keys

Boy I like you just the way you are

And let me see ya strip, you could get a tip

'Cause I like
 

Genervt trennte er sich von der weichen, wohl duftenden Haut der Frau. Ein Handy war eine äusserst praktische Erfindung, doch auch diese hatte ihre Nachteile.

Er sah zur Seite und spürte im nächsten Moment, wie zwei Arme sich um ihn legten.

"Pfeif drauf. Lass uns weiter machen."

Diese atemlose Stimme klang so verlockend… Er wünschte sich so sehr, dem Wunsch seiner Bettgenossin nachzugehen, niemand rief ihn um zehn Uhr abends an. Niemand, ausser der Arbeit. Daher nahm er das kleine Gerät seufzend in die Hand.

"Moshimoshi?"

"Zack Houshi?"

Schlagartig wechselte sich sein Gemüht.

"Ja. Und wer sind Sie?"

"Das spielt keine Rolle. Alles, was Sie wissen sollten, ist, dass ich in Zero Osas Auftrag arbeite."

Nun sass er kerzengerade auf dem Bett.

"Wo ist er?"

"Das kann ich Ihnen nicht sagen."

"Und warum nicht?"

"Weil Sie dies nichts angeht. Sie müssen nur wissen, dass es sich hier um ein Spiel handelt. Um an das erste Puzzlestück zu kommen, werden Sie morgen um neun beim Hauptbahnhof erscheinen. Im Schliessfach Nummer fünfundzwanzig wird etwas auf Sie warten."

Kaum waren die letzten Worte ausgesprochen, ertönten schon die nervigen Piepstöne – am anderen Ende wurde der Hörer abgelegt.

"Hey! Warten Sie!", schrie Zack, auch wenn er begriff, dass diese Frau seine Schreie unmöglich hören konnte.

Ratlos legte er sein Handy auf den Nachttisch. Das war's mit der Liebesnacht. Also stand er auf und fing an, sich anzuziehen.

"Wo gehst du denn hin?", fragte die Frau im Bett.

"Sorry, Babe. Die Pflicht ruft.", meinte der Gefragte, während er seine Jeans anzog.

Die Frau zog eine Schute.

"Das ist unfair. Du hast mir versprochen, dass wir diese Nacht zusammen verbringen werden.", nörgelte sie wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.

"Das ändert trotzdem nicht an der Tatsache, dass ich jetzt gehen muss." Er packte seine Autoschlüssel und stopfte das Handy in die hintere Hosentasche. "Wir sehen uns ein anderes Mal." Mit diesen Worten verschwand er aus der Wohnung seiner Bettgenossin und überliess die Frau ganz ihrem beleidigten Gemüht.

Ihm war es reichlich egal, was Kima von ihm dachte. Die fing eh schon langsam an, gefährlich für seinen Status als Single zu werden. Womöglich würde sie ihn bald zum Altar schleifen und darauf hatte er überhaupt keine Lust.

Auf dem Heimweg grübelte Zack über den Anruf und die Botschaft. Was hatte es wohl damit auf sich?...
 

°Es ist schon elf Uhr nachts, und ich sitze immer noch vor dem Bildschirm und stopfe mich mit Keksen voll… Dabei weiss ich doch ganz genau, wie meine Reaktion am Morgen sein wird…° Sie seufzte. °Ich sollte mich was schämen.° Doch egal wie sehr sie sich dies einredete, sie konnte sich einfach nicht schämen. °Leb wohl, Bikinifigur.°

Kaum wollte sie sich an die nächste Schachtel mit Keksen ranmachen, als plötzlich ihr Handy zu vibrieren anfing. °Nanu? Wer kommt bloss auf solch eine Schnapsidee um den Zeitpunkt mir anzurufen?°

Auf dem kleinen Gerät war keine Nummer zu sehen – anscheinend rief man sie von einem Automaten an. Trotz ihrem Misstrauen nahm sie dennoch ab.

"Moshimoshi?"

"Spreche ich mit Minako Tajiya?"

"Ja, und dürfte ich wissen, mit wem ich das Vergnügen habe, zu sprechen?", erwiderte die Gefragte.

"Mein Name spielt da keine Rolle. Das einzige, was Sie wissen müssen, ist, dass ich im Auftrag von Zero Osa handle."

Sofort war Minako hellwach.

"Zero? Geht es ihm gut?"

"Ich würde sagen, den Umständen entsprechend, ja. Wenn Sie die Situation beeinflussen wollen, kommen Sie morgen um vierzehn Uhr zum Hauptbahnhof. Im Schliessfach Nummer dreiunddreissig wird Sie etwas erwarten."

"Hören Sie…", setzte Minako an, wurde aber unterbrochen.

"Gute Nacht, Tajiya-sama."

Dann wurde der Hörer auf der anderen Seite der Leitung aufgelegt.

Noch eine Weile lang starrte die Beamtin ihr Handy an, als würde dieses ihr bald mitteilen, wo Zero war. Doch das kleine Gerät schwieg. Vielleicht wollte es seine Besitzerin ein bisschen necken, vielleicht aber auch wusste es einfach keine Antwort.

Schliesslich liess die Fünfundzwanzigjährige das Kommunikationshilfsmittel auf die Couch fallen. °Zero.°, dachte sie. °Was ist nur passiert, dass du so plötzlich verschwinden musstest? Was hast du nur herausgefunden, dass der Verbrecher dich für gefährlich erklärt hat?°

Nachdenklich stand die Ermittlerin auf und begab sich langsamen Schrittes in die Küche. Fast automatisch füllte sie Wasser in die Elektrokanne und schaltete diese an. Danach lehnte sie sich gegen die Wand, in Erwartung, bis das Leitungswasser zu kochen anfing. Dabei starrte sie scheinbar teilnahmslos auf den Kachelboden ihrer Küche. Die Gedanken der Frau kreisten um das vorherige Telefonat. Ein Gedanke geisterte in ihrem Kopf herum, doch egal, wie sehr sie es versuchte, sie kriegte diesen einfach nicht zu fassen!

Nach einiger Zeit hob Minako ihren Kopf und sah die gegenüber liegende Wand an… und glaubte, ein Blitz hätte in ihren Hirn eingeschlagen. °Das ist es… Warum bin ich bloss nicht früher auf den Gedanken gekommen?!°

Sie hätte sicher gelacht, wenn sie gewusst hätte, dass in genau demselben Moment der gleiche Gedanke auch zwei anderen Personen in den Sinn gekommen war.
 

Zero sass am Küchentisch und sah durch das Fenster in die dunkle Nacht hinein. Wenn alles nach Plan lief, müsste Revi jeden Moment zurückkommen. Kyo konnten sie noch am Nachmittag erreichen, die anderen hingegen waren die ganze Zeit über entweder nicht allein, oder besetzt oder nicht erreichbar. Hoffentlich würde alles klappen…

Das Schloss knackte und die Tür ging auf. Danach war ein Klicken zu hören – Revi hatte das Licht im Gang eingeschaltet. Wieder das Geräusch, welches nur ein Schloss von sich geben konnte – dieses Mal wurde der Schlüssel in eine andere Richtung gedreht. Ein dumpfer Laut bezeugte, dass die Wohnungsbesitzerin ihre Schuhe ausgezogen hatte.

"Und?", fragte er, als die junge Frau die Küche betrat.

"Wie wäre es mit einer Begrüssung?", war die ruhige Gegenfrage, während Revi zur Elektrokanne griff und diese mit Wasser füllte.

Zwar konnte man keinen einzigen gereizten Ton hören, doch die Aussage alleine reichte schon aus, damit der ehemalige Beamte Schuldgefühle bekam.

"Gomen.", fragte er deutlich entspannter und fuhr seufzend durch sein schwarzes Haar.

Revi lächelte.

"Schon gut. Ist ja nicht so, dass ich deinen Zustand nicht nachvollziehen kann."

Die junge Frau liess das Wasser in der Kanne heiss werden, während sie Zero über den Stand der Dinge berichtete.

"Ich konnte alle drei erreichen und ihnen deine Worte übermitteln. Komischerweise dachten sie alle, du seiest entführt worden." Sie lachte etwas, als sie diese Worte aussprach. "Jedenfalls habe ich die entsprechenden Fächer reserviert und Zack Houshi und Minako Tajiyama zu ihren Fächern angewiesen."

"Arigato.", sagte er ehrlich.

Das Wasser kochte und die Elektrokanne schaltete von alleine ab.

"Ich mach uns einen Tee, wenn du nichts dagegen hast." Revi stand auf und ging zum Wasserkocher.

"Was denn? Keinen Kaffee?", wollte der Ermittler mit gespielt-beleidigtem Ton wissen.

Die Wohnungsbesitzerin lachte.

"Es ist bald Mitternacht. Ausserdem ist es in deinem Zustand untersagt grosse Mengen an Koffein einzunehmen."

"Apropos.", setzte der Beamte nachdenklich ein. "Was ich dich eigentlich schon lange fragen wollte… Wie hast du es geschafft, mich so gut zu versorgen? Ich meine, ich war an zwei Stellen angeschossen worden."

Er konnte ihre Mimik nicht sehen, da sie ihm den Rücken zugewandt hatte, doch er konnte wetten, dass sie gelächelt hatte.

"Sie werden mir langsam zu persönlich, Herr Osa.", war von Revi zu hören. Allerdings verriet schon allein ihr Ton, dass sie diese Worte nicht ernst meinte.

"Werde ich?", fragte er zurück, eine Augenbraue hochhebend.

Die junge Frau lächelte ihn an und machte sich an die Zubereitung von Tee.

"Mein Vater war Chirurg. Als ich noch klein war, wollte ich unbedingt auch Chirurg werden wie er. Daher bestand ich immer darauf, dass er mir alles zeigte und erklärte. Mein Vater hatte nichts dagegen und hatte mir daher Vieles beigebracht."

Wieder verzog sich ihr Mund in einem Lächeln, doch dieses war eher traurig.

"Allerdings wurde daraus nichts. Er starb, als ich vierzehn Jahre alt war. Es hatte sich herausgestellt, dass er Krebs hatte, allerdings wurde dieser zu spät entdeckt."

Der Tee war fertig und sie stellte die beiden Tassen auf den Tisch.

"Welch eine Ironie, nicht wahr? Ein Chirurg, der normalerweise den Tumor herausschneidet, erleidet selbst daran."

"Mein Beileid.", sagte Zero, doch sie schüttelte den Kopf.

"Es muss dir nicht Leid tun. Erstens ist es schon lange her und zweitens…" Sie machte eine Pause. "…lebt er hier weiter." Sie zeigte mit dem Finger auf ihre Brust. "Und ausserdem nutzt mir das, was er mir zu seiner Zeit beigebracht hatte, immer noch sehr viel. Zum Beispiel konnte ich so deine Kugel entfernen, ohne dass du eine Blutvergiftung bekommen hast."

Revi sah den Mann neben ihr vielsagend an, wobei er diesen Blick mit einem Lächeln erwiderte.

"Da hatte ich reichlich Glück, muss ich sagen."

Sie beredeten noch belanglose Sachen und gingen schlussendlich schlafen – sie zu sich ins Schlaffzimmer, er auf die Couch. Nach langen Diskussionen hatten sie sich auf darauf geeinigt… auch wenn Revi darauf bestanden hatte, dass er noch ein paar Tage im normalen Bett verbrachte, wollte er so schnell es ging wieder einigermassen gesund werden.

Im Wohnzimmer auf der Couch liegend dachte der Ermittler noch mal über seine Situation nach. Wenn alles nach Plan verlief, würde die Wahrheit ans Licht kommen. Doch ob er diesen Moment auch noch erleben würde…

Memories

Am Tag nach dem Anruf der mysteriösen Frau sass Takuro an seinem Bürotisch und drehte gedankenverloren einen Bleistift in den Fingern. Nach langen Überlegungen war ihm gestern klar geworden, was dieses Rätsel bedeutete. Nämlich, dass Zero die gesammelte Information aufteilte und unter verschiedenen Personen verteilte. Irgendwann werden diese Personen auf den Gedanken kommen, das erhaltene Material plus ihre eigenen Überlegungen ihm, Takuro, zu bringen.

Der Untersuchungsführer legte den Bleistift zur Seite. Ja, es würden Leute zu ihm kommen, aber es würden nicht alle sein. Eine Person würde fehlen, das falsche Glied der Kette. Jemand, der Zero vernichten wollte, der an zwei Fronten arbeitete. Der Verräter.

Er nahm ein Blatt Papier und schrieb alle möglichen Namen der Personen, zu denen der Ermittler Osa hätte gehen können.

Minako Tajiya. Sechsundzwanzig Jahre alt, arbeitete seit fünf Jahren zusammen mit Zero in der gleichen Abteilung. Hatte zuvor die Polizeiakademie mit Zack Houshi besucht.

Zack Houshi. Ein neuer in der Abteilung für schwere körperliche Verbrechen. Er war siebenundzwanzig Jahre alt und war nach dem Abschluss der Akademie im Shinjuku-Bezirk stationiert.

Kyo Kamara, dreissig Jahre alt. Arbeitete seit nunmehr zehn Jahren in der gleichen Abteilung und hatte es bis zum Major-Titel geschafft. Seine Schwester war die Ex-Freundin des Ermittlers Osa. Die beiden Männer selbst kannten sich schon seit Kindertagen und hatten auch dieselbe Schule besucht.

Rokuro Kamui. Er war der Leiter der Abteilung für schwere körperliche Verbrechen. Noch in der Akademie hatte er ein Auge auf Osa geworfen und hatte Zero, sobald dieser mit der Akademie fertig war, in seine Abteilung geschleppt. Genau ein Jahr lang wurde über den Abteilungsleiter gelacht, bis der Frischling einen Fall gelöst hatte, der landesweit für Furor gesorgt hatte. Genauer genommen, er hatte einen Serienmörder gefasst, der es auf schwangere Frauen abgesehen hatte.

Takuro hielt inne. Ja, diesen Fall würde er niemals vergessen können…
 

Vor sieben Jahren…
 

"Sagara ist nicht unser Mann, Inuyo-san."

Ein zweiundzwanzigjähriger Mann mit wild in alle Seite stehendem schwarzem Haar presste seine Hände auf die Oberfläche eines Bürotisches und sah den frisch gewordenen Inspektor energisch an. Die dunklen Augen glänzten vor Überzeugung, trotz der etwas gräulicher Hautfarbe und den tiefen Augenringen, was von wenig bis überhaupt keinem Schlaf zeugte.

Takuro faltete die Hände zusammen und sah den jungen Beamten an.

"So? Und was macht dich denn so sicher?"

"Bitte versprechen Sie mir zuerst, dass Sie darüber meinem Chef nichts sagen werden."

"So jung und stellst schon Forderungen? Mein Junge, du bewegst dich auf dünnem Eis. Du bist zehn Jahre zu jung, um mir Forderungen zu stellen.", erwiderte der Untersuchungsführer kalt.

Der Zweiundzwanzigjährige seufzte.

"Das weiss ich. Aber ich liebe meinen Job und ich will diesen nicht wegen solch einer Kleinigkeit verlieren.", sagte er aufrichtig.

Wie in Zeitlupentempo richtete sich der ältere der beiden Männer auf und öffnete genau so langsam seinen Mund. Der Blick Zeros erinnerte ihn an einen Hund, der etwas Schlimmes getan hatte und nun sein Herrchen voller Reue ansah. Dieser Blick bestätigte den Inspektor in seiner Vermutung.

"Du Unglückshund, was hast du angestellt?", fragte Takuro sein Gegenüber langsam.

Osa verzog etwas genervt das Gesicht, wurde er doch praktisch all seine Kindergarten- und Schuljahre als "Inu" – "Hund" – bezeichnet, auch wenn er nie den Grund dafür verstanden hatte. Doch schnell legte er das gewohnte Gehabe zur Seite und widmete sich voll und ganz seiner Aufgabe. In diesem Falle der Erzählung seines halsbrecherischen Einzelganges.

Je länger Herr Inuyo dem Ermittler zuhörte, desto ungläubiger wurde sein Gesichtsausdruck. Der Typ war doch wahnsinnig… wahnsinnig und zur gleichen Zeit teuflisch genial! Grob zusammengefasst sah die ganze Geschichte ungefähr so aus:

Bei der Verhaftung des mutmasslichen Serienmörder Jakotsu Sagara fiel Zero der Blick des Mannes auf, welchen dieser dem Ermittler hin und wieder warf. Nachdem der Beamte sich dies mehrere Male durch den Kopf gehen gelassen und sich einige Hypothesen zusammengereimt hatte, ging er wieder zum Haus des Verhafteten.

Am Zielort angekommen sah der junge Mann eine verdächtige Gestallt, die einige Zeit lang bei dem Eingang verbracht hatte und sich dann schlendernd von dannen machte. Da es Zero äusserst merkwürdig vorgekommen war – schliesslich war es schon nach zehn Uhr abends und es war Mittwoch -, folgte der Beamte der verdächtigen Gestalt.

Einige Zeit später war die unbekannte Person in einer Gasse verschwunden und Osa stellte verblüfft fest, dass er sich im Rotlichtviertel befand. Während er noch überlegte, was er nun machen sollte, kam eine Nutte auf ihn zu und bot ihm mit einer verrauchten Stimme ihre Dienste an. Ohne gross nachzudenken nahm er diese auch an, allerdings nicht in dem Sinne, wie es die Prostituierte gedacht hatte. Nach einer Viertelstunde voller Flüchen und Beschimpfungen aller Art hatte der Ermittler herausgefunden, dass sich in der Gasse ein sadomasochistischer Schwulenclub befand. Zwar war er dabei auch sechstausend Yen losgeworden – tausend für die Info und der Rest dafür, dass die Frau über diese Unterhaltung schwieg -, aber das war es wert.

Weiss der Teufel, wie der es geschafft hatte, die Wachgorillas davon zu überzeugen, ihn in den Schuppen reinzulassen. Tatsache war, dass er reingekommen war. Der Anblick des Geschehenen hatte dem jungen Mann beinahe für ein paar graue Haarsträhnen und einen ordentlichen Bruchreiz gesorgt, doch er hatte sich zusammenreisen können.

Durch Lügen und Unwahrheiten hatte Zero es geschafft zum Boss dieses fragwürdigen Schuppens zu gelangen und von da an wurde es noch spassiger. Nach ein paar missglückten Verhandlungsversuchen zog der junge Osa seine Pistole und richtete diese dem fetten Besitzer direkt zwischen die Augen. Gegen dieses Argument konnte der Fettsack nicht ankommen und verriet schön brav alles, was er über Jakotsu Sagara wusste.

"Dieser Typ ist ein schwuler Provinzjunge, der seit fünf Jahren illegal im Rotlichtviertel als Stripper arbeitet.", vervollständigte Zero seine Erzählung. "Er steht total auf Männer, bewundert aber die gewölbte weibliche Figur während der Schwangerschaft. Sein Chef erzählte mir, dass Sagara von jeder Bezahlung eine gewisse Summe zur Seite legte, um später mal eine OP zu machen."

"Geschlechtsumwandlung?"

"Genau."

Takuro fasste sich an den Kopf.

"Das ist alles schön und gut, aber weißt du eigentlich, was du dir da aufgehalst hast, Zero?"

Keine Antwort.

"Fassen wir doch alles zusammen. Du bist ohne Wissen deines Vorgesetzten an den Wohnort des mutmasslichen Täters gegangen, hast ohne einen Beschattungsbefehl eine unbekannte Person verfolgt, die dir merkwürdig vorgekommen ist, hast eine Person bestochen – Prostituierte hin oder her –, bist rechtwidrig ins Privatbesitz eingedrungen und hast mit deiner Dienstwaffe einen Mann bedroht. Junge, im besten Fall wirst du deine Marke ablegen, im Schlimmsten verbringst du zwei Jahre hinter Gitter. Ich hoffe doch schwer, dass dir das klar ist."

Zero seufzte.

"Das ist auch der Grund dafür, warum ich sie darum gebeten habe, meinem Chef nichts davon zu erzählen."

Fassungslos sah der Untersuchungsführer den jungen Beamten vor sich an. Dieser Osa hatte doch wohl nicht alle Tassen dort oben auf dem Regal!

Resignierend fuhr der Ältere über seine Haare.

"Warten wir erst mal die Resultate der Spurensicherung ab. Die Experten sollten uns sagen können, ob aus der Pistole, die wir bei Sagara zu Hause gefunden haben, auch geschossen wurde."

Zwei dunkle Augen sahen ihn so ernst an, dass er glaubte, an die Wand genagelt zu werden.

"Sie werden dort keine Pulverspuren finden können. Ich wette, die Spurensicherung wird an der Pistole nicht einmal die Fingerabdrücke Sagaras finden. Darauf könnte ich nicht nur die Hand ins Feuer legen, sondern gar den Kopf unter die Guillotine platzieren."

"Und was macht dich denn so sicher, wenn ich fragen darf?"

"Die Tatsache, dass er Geld für eine Geschlechtsumwandlung spart. Er will sich umoperieren lassen, sprich zu einer Frau werden. Und es gibt nur einen einzigen Grund für deinen Homosexuellen, sich so unters Messer zu legen. Er will Kinder gebären können."

Ein Schweigen erfüllte das Büro des Herrn Inuyo, bis dieser seine Stimme erhob.

"Das ist die verrückteste Geschichte, die ich je gehört habe.", meinte er langsam.

"Glauben Sie mir, Inuyo-san, ich konnte es anfangs auch nicht glauben. Ich habe die ganze Nacht damit verbracht, die errungenen Informationen zu verarbeiten, und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto logischer erschien mir die ganze Geschichte."

"Könnte der Wirt nicht vielleicht lügen?"

Zero schüttelte den Kopf.

"Nein, der nicht. Er ist nur ein Bauer auf dem Schachbrett. Sonst wäre ich gar nicht erst in den Schuppen reingekommen."

Da musste Takuro dem Jüngling Recht geben.

"Klingt logisch. Aber warten wir trotzdem mal ab, was die Spurensicherung sagt."
 

Einige Tage später bestätigte sich alles, was Zero gesagt hatte. Auf der Pistole wurden weder Schmausspuren noch Fingerabdrücke Sagaras gefunden. Bei den Fingerabdrücken war es noch nicht Endstation, konnte man doch Handschuhe in jedem beliebigen Geschäft kaufen, doch man konnte unmöglich aus einer Pistole schiessen, ohne dass sich wenigstens irgendwelche Rückstände gebildet hatten.

"Da haben wir aber eine Bescherung.", seufzte Takuro und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Osa konnte nur mit den Schultern zucken. Er hatte ihn ja gewarnt, aber der Ermittler konnte das Verhalten des Inspektors gut nachvollziehen. Das Bauchgefühl eines Beamten interessierte den Richter genauso wenig, wie es einen Hund interessierte, wie viele Räder ein Wagen hatte. Das Gericht erforderte Fakten und handfeste Beweise.

Der jüngere der beiden Männer wollte gerade etwas sagen, als die Tür zum Büro aufging und drei Frauen waren eingetreten.

Die erste Frau, Fumio Suzuno, war Fotografin. Sie arbeitete für verschiedene Ausgaben beziehungsweise machte Fotos für mehrere Zeitungen und Zeitschriften, um so an ihr Lebensunterhalt zu kommen. Seit es diese Mordserie an Schwangere gab, wurde sie richtig berühmt, da sie die richtigen Fotos zum richtigen Zeitpunkt lieferte. Für die Polizei war sie ein wichtiger Zeuge.

Die zweite war unter dem Namen Sayoko Inuyo bekannt und war mit dem nunmehrigen Inspektor verheiratet. Da sie sich zu dem Zeitpunkt kurz vor dem neunten Monat der Schwangerschaft befand, arbeitete sie nicht mehr, sondern verbrachte mehr Zeit zu Hause. Allerdings konnte ihr nicht einmal ihr Ehemann verbieten, das Haus zu verlassen und Takuro frisch zubereitetes Mittagessen direkt zum Arbeitsplatz zu bringen.

Zu guter Letzt war da auch noch Yumi Narukawa. Sie war Sayokos jüngere Schwester und half dieser viel im Haushalt, seit Frau Inuyo's Schwangerschaft den siebten Monat erreicht hatte. Auch Yumi war eine Zeugin, denn eine ihrer Freundinnen war dem Serienmörder zum Opfer gefallen.

"Na, wen haben wir denn da?", sagte Yumi fröhlich und strahlte auf das gesamte Büro. Man könnte meine, dieser Mensch konnte einfach nicht traurig sein. Immer versuchte sie alle mit ihrem Lächeln aufzumuntern. Eine faszinierende Person.

"Zero Osa.", stellte Takuro den Beamten vor, ohne den Betreffenden auch nur anzusehen.

"Hallo, Takuro.", gab Sayoko eher zurückhaltend von sich zu hören und gab dem Inspektor einen Kuss auf die Wange. "Hier, dein Bento." Sie legte die besagte Ladung auf den Arbeitstisch ihres Mannes.

"Also dieses Mal hast du es echt übertrieben, Sayoko.", meinte der Untersuchungsführer, während er sein Mittagessen ansah. Es war so viel zubereitet worden, dass von dem Lunchpaket gleich zwei Personen hätten satt werden können…

"Hey, Zero. Hast du Lust, mit mir zu essen? Die Ladies hier haben sich zu viel Mühe gegeben und gleich für zwei gekocht."

"Nur wenn es Ihnen keine Umstände macht, Inuyo-san.", erwiderte der Angesprochene etwas schüchtern.

"Auf keinen Fall.", konnte man unverzüglich Yumi's Stimme hören. "Es wäre viel zu schade, das Essen wegzuwerfen. Essen Sie nur ruhig, Osa-kun." Die junge Frau lächelte wieder ihr strahlendes Lächeln, so dass der Ermittler gar nicht drum herum kam, dieses Strahlen nicht zu erwidern.

"Zero reicht mir vollkommen. Solch ein grosses Tier bin ich auch nicht." Doch dann wandte er sich zu der dritten weiblichen Person. "Suzuno-sama, wollten Sie etwas mit uns bereden, dass Sie hier sind?"

Die Fotografin schüttelte den Kopf.

"Nein, ich habe nur einen Spaziergang gemacht, als ich Yumi und ihre Schwester getroffen habe. Sie müssen wissen, ich und Yumi haben früher mal denselben Ekibana-Club besucht. Und da ich mich im Moment eh nirgendwo beeilen muss, habe ich eingewilligt, mit den beiden hierher zu kommen. Wer weiss, vielleicht hätten Sie noch Fragen an mich."

°Solche Zeugen sollte man immer haben.°, dachte Takuro unwillkürlich.

"Vielen Dank, Suzuno-sama, aber momentan haben wir keine Fragen an Sie. Dennoch ist es sehr freundlich von Ihnen, uns so behilflich zu sein."

Während dem Mittagessen wurde viel geredet und auch nicht gerade wenig gelacht. Als die beiden Männer mit dem Mahl fertig waren, nahmen Yumi und Sayoko das Geschirr mit.

"So, jetzt können wir es ruhigen Herzens nach Hause gehen.", sagte die jüngere der beiden Schwestern. "Nun können wir uns sicher sein, dass ihr weder verhungert noch zweifelhaftes Zeug in euch reinstopft."

Zero konnte man gut ansehen, dass er sich zurückhielt, nicht zu lachen. Zwar täuschte dieser dann einen Hustenanfall vor, doch Takuro war sofort klar, um was für ein Husten es sich dabei handelte.

"Wir sollten jetzt gehen.", meinte Frau Suzuno. "Schliesslich wollen wir euch nicht ablenken."

Fünf Minuten später waren die Frauen schon weg und die Polizisten machten sich an die Arbeit.

"Also, gehen wir noch mal alles durch.", meinte der Inspektor wieder mit seinem ernsten Ton. "Alle neun Opfer waren mit einer automatischen M9 Beretta Pistole, 9mm erschossen. Wie uns die Bilder und auch der Autopsiebericht sagen, hat der Täter eher von der Seite geschossen, so dass sowohl der Embryo als auch die Leber der Mutter getroffen wurden. Unter diesen Umständen blieben die Frauen noch ungefähr zwanzig Minuten lang am Leben. Theoretisch hätten sie um Hilfe schreien können, doch auch das hat unter Mörder durchdacht, in dem er seinen Opfern den Mund zustopfte und die Arme hinter ihrem Rücken zusammenknebelte.

Die Frauen müssten den Täter gekannt haben, denn es ist beinahe unmöglich, so präzise aus grosser Distanz zu schiessen. Nein, die Person musste an ihr Opfer nah genug rankommen."

Gedankenversunken sah er sich die Fotos der Tatorte an. Etwas hatte er da übersehen, darauf konnte er wetten, nur was…

Der Blick Takuros wich von den Bildern zur Seite, wo sich eine Ausgabe der Tageszeitung befand. Auf dem Titelblatt leuchtete in allen möglichen Farben das Bild eines der Tatorte, allerdings ohne Leiche.

"Diese Suzuno ist wirklich immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.", sagte er so dahin, den Blick immer noch auf die Zeitung gerichtet. Da geschah etwas, womit er nie im Leben gerechnet hätte.

Zero, der sich gerade die Aufnahmen eines Opfers ansah, hielt inne und hob in Zeitlupe seinen Kopf, die Augen weit geöffnet.

"Was haben Sie gesagt?", flüsterte er.

"Diese Suzuno ist wirklich immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.", wiederholte der Inspektor brav.

"Und jetzt bitte noch das, was Sie vor diesem Satz gesagt haben.", forderte der junge Ermittler.

"Der Täter schoss aus kurzer…", fing Takuro an, wurde aber unterbrochen:

"Noch früher."

Von der Frechheit sprachlos folgte der ältere der beiden Männer der Aufforderung.

"Die Frauen müssten den Täter gekannt haben."

Inspektor Inuyo wartete, dass Zero ihm endlich erklären würde, was die Fragerei sollte, doch dieser schien eine Weile lang zu überlegen, dann, als hätte er nun alle Gedanken beisammen, griff der junge Mann zum Telefon und wählte eine Nummer. Der Untersuchungsführer glaubte zum ersten Mal in seinem Leben einen so frechen Ermittler gesehen zu haben.

"Ist das die Kaderabteilung?... Ich will alles wissen, was Sie auf diese Person haben: Fumio Suzuno. … Jetzt. … Ich weiss, wie kurzfristig es ist, aber es geht hier um Leben und Tod!", schrie der Beamte plötzlich auf, so dass Takuro fast auf seinem Stuhl aufgesprungen war. "Wenn Sie nicht sofort Ihren Arsch bewegen, werden Menschen sterben und das ist KEIN WITZ!!!"

Einige Zeit lang war es totenstill im Büro des Untersuchungsführers. Zero lauschte gespannt dem, was man ihm auf der anderen Seite der Leitung erzählte, während der Inspektor verwirrt auf seinem Stuhl sass. Was war denn nur passiert, dass der so aufgeregt war? Egal, wie der Ältere es drehte und wendete, er wurde aus dem Jüngeren einfach nicht schlau.

Nach scheinbar einer halben Ewigkeit gab Osa einen Laut von sich.

"Ich verstehe. … Danke. Ah, und nichts für ungut, Jungs, ja?!"

Die Antwort wurde gar nicht erst abgewartet, denn kurz nach dem letzten Satz wurde der Hörer abgelegt. Stattdessen packte der Ermittler seine Jacke und sprang wie von einer Tarantel gestochen auf.

"Kommen Sie, Inuyo-san, wir müssen uns beeilen.", rief er erregt aus.

Man hatte Wohl Takuros Gesicht vor den Augen gehabt, als man das Wort "Verblüffung" erfand.

"Wieso?", fragte der Inspektor dumm, die Augen ganz rund.

"Stellen Sie keine Fragen und kommen Sie mit! Ich werde Ihnen alles unterwegs erklären…"

Dies erwies sich als überflüssig, denn die Tür ging auf und Yumi torkelte rein, sich am Türrahmen haltend. Auf ihrem Kopf war Blut zu sehen, die Wunde wurde von ihrer Hand gehalten.

"Takuro.", sagte sie mit höherer Stimme als sonst. "Sayoko…"

In diesem Moment war Zero zu ihr gekommen und hatte die junge Frau schon aufgefangen. Gerade noch rechtzeitig, denn sonst wäre sie auf dem Boden gelandet.

"Was ist mit Sayoko?" Auch der Untersuchungsführer war gekommen.

"Fumio… Sie hat sie ins Auto gezerrt…", brachte Yumi keuchend heraus.

"Dann muss sie Yumi auf den Kopf geschlagen haben, damit diese ihr nicht folgte.", schlussfolgerte Zero, wobei die Worte eher dem Inspektor gegolten hatten.

Der Untersuchungsführer sagte nichts. Er eilte lediglich zum Telefon und rief einen Mitarbeiter zu sich. Er habe eine verletzte Zeugin bei sich, müsse aber dringend weg.

"Wir müssen gehen, Yumi.", meinte er dann zu der jungen Frau. "Takagi kümmert sich um dich."

Und schon waren die zwei weg.
 

"Du hast gewusst, dass es Suzuno ist, oder?" Der Ältere drückte aufs Gaspedal, während über ihren Köpfen die Sirene aus ganzen Leibeskräften einer Maschine schrie.

"Nein, Inuyo-san. Es ist mir erst in Ihrem Büro klar geworden. Der plötzliche Karriereschwung gleich nach der ersten Leiche. Ihre zufällige Anwesenheit an Tatorten kurz nach dem Eintreffen der Polizei. Und dann noch eine nette Tatsache, die ich dank der Kaderabteilung herausfinden konnte." Der Ermittler wandte sich dem Inspektor zu. "Suzuno kann nicht schwanger werden."

Takuro hob eine Augenbraue.

"Wie denn das?"

"In ihrer Jugend war sie eher pummelig und hatte deshalb, ihrer Meinung nach, kein Glück bei den Männern. Dann fing sie an, stark abzunehmen. Nachdem sie ihre Kleider nur noch in der Kinderabteilung suchen musste, brachten sie ihre Eltern zum Arzt, der auch die Diagnose feststellte - Anorexie. Sie hatte Glück im Unglück, währe sie eine Woche später hospitalisiert worden, hätte man nichts mehr für sie machen können. Allerdings hatte die Erkrankung ihre Folgen. Die junge Frau konnte keine Kinder mehr kriegen."

"Verstehe.", meinte der Untersuchungsführer. "Aus Mitleid zu sich selbst hatte der Gedanke der eigenen Kinderlosigkeit den gesamten Raum in ihrem Bewusstsein erobert. Und der Neid zu anderen Frauen liess eine hässliche Mischung an Gefühlen entstehen."

"Daraus entstand die Idee, wenn ihr schon das Kinderglück untersagt wurde, warum sollten dann die anderen glücklich sein– Da sind sie!", rief er plötzlich aus und zeigte mit dem Finger auf einen grünen Subaru, der gerade abbog. Auf dem Fahrersitz war Fumio zu sehen.

"Kontaktiere die Zentrale. Wir brauchen so viel Verstärkung, wie sie uns nur zur Verfügung stellen können!", kommandierte Takuro und riss am Lenkrad, um die Verfolgung aufzunehmen. Dass Zero sich dabei oben festhalten musste, bemerkte er gar nicht erst.

"Zentrale? Hier ist Wagen 1.2.0.9. Wir verfolgen gerade einen Personenwagen, in dem sich eine Geisel befindet. Ich wiederhole, wir verfolgen einen Personenwagen, in dem sich eine Geisel befindet."

"Was sind die Merkmale des Personenwagens?"

"Ein grüner Subaru, Jahrgang achtundneunzig."

"Wo seid ihr jetzt?"

"Kreuzung Shinjuku-Strasse und Komaeba-Strasse. Die verdächtige Person hat in Richtung Shijukusanchôme abgebogen. Bei der Geisel handelt es sich um eine schwangere Frau. Die verdächtige Person könnte bewaffnet werden. Ich wiederhole, die verdächtige Person könnte bewaffnet werden."

"Roger. Wir schicken euch alle Patrouillen, die sich gerade in der Region befinden."

Kaum war der Satz fertig, schon war die Ansage zu hören.

"An alle Patrouillen! In Richtung Shijukusanchôme bewegt sich ein grüner Subaru, achtundneunziger Jahrgang. Der Fahrer hat eine schwangere Frau als Geisel bei sich und könnte bewaffnet sein. Ich wiederhole, der Fahrer hat eine schwangere Frau als Geisel bei sich und könnte bewaffnet sein. Der Personenwagen muss gestoppt werden, ohne dass die Geisel gefährdet wird."

"Hier Wagen 1.3.5.7. Habe den Wagen gesichtet. Nehme die Verfolgung auf. Roger.", kam unverzüglich eine Antwort und schon gesellte sich zu den waghalsigen Polizisten eine Patrouille.

Es vergingen nicht einmal zehn Minuten, schon entwickelte sich eine Verfolgungsjagd, die man nur von den amerikanischen Filmen aus kannte. Erst in der Nähe der Docks konnte man es schaffen, dem flüchtenden Wagen den Weg abzuschneiden, die Fahrerin in die Enge treiben.

Innerhalb von wenigen Sekunden waren alle Polizisten draussen, bereit ernsthaft einzugreifen.

"Fumio Suzuno, Sie sind umstellt.", rief Takuro durch ein Megaphon. "Geben Sie auf und lassen Sie die Geisel frei." Vielleicht war sie vernünftig genug, aufzugeben und somit die ganze Situation von sich aus zu entschärfen…

"Sie haben aber lange gebraucht, um es zu schnallen, Inuyo-san.", kam es wider Hoffnungen vom Wagen aus. Die Tür ging auf und Fumio stieg aus dem Fahrzeug aus, hinter der offenen Tür war Jammern zu hören.

"Wo ist die Geisel?!", schrie der Untersuchungsführer, wobei er darauf verzichtet hatte, das Megaphon zum Mund zu führen.

"Oh, die sitzt auf dem besten Platz. Nämlich in der ersten Reihe."

Mit diesen Worten machte die Frau ein paar Schritte vom Subaru und zerrte die Schwangere an den Haaren aus dem Auto. Sayoko kam hart auf dem Boden auf, wurde aber schnell in die Höhe gezogen.

Bei diesem Anblick wollte Takuro schon zu seiner Frau schnellen, als da etwas im Sonnenlicht aufblitzte. Dieses etwas veranlasste den Inspektor dazu, mitten in der Bewegung zu erstarren.

"Nicht so schnell.", sagte die Täterin mit einer stahlharten Stimme. Ihr linker Arm hielt die zukünftige Mutter fest, während der rechte sich langsam erhob. Schwarzer Metal blitzte im Schein der untergehenden Sonne auf. "Einen Schritt weiter und ich puste ihr das Hirn raus."

Der Polizist schluckte. Dies war keine Drohung – es war eine Feststellung der Tatsachen. Sie würde es wirklich machen, daran bestand kein Zweifel. °Die Frau ist wirklich verrückt.°, schnellte durch seinen Kopf.

"Ich werde dir nichts tun, versprochen.", sagte er daher und hob die Hände auf. Dann liess er sie langsam zu seiner Dienstwaffe gleiten.

"Lass die Finger von der Waffe.", ertöte es sofort, doch er unterbrach sein Vorhaben nicht. Ebenso langsam öffneten seine Finger den Waffengürtel, dann liess er den Revolver vor seinem Gesicht baumeln.

"Ich werde nichts Verdächtiges tun, ich will nur mit dir reden." Der Untersuchungsführer warf seine Dienstwaffe zur Seite. Die Hände behielt er weiterhin oben.

"Meinst du, ich werde auf diesen Trick reinfallen?"

"Ich werde bis auf Weiteres hier bleiben.", lautete seine entschlossene Antwort. "Meine Hände wirst du immer sehen können. Falls nicht…"

"…wird ihr hübscher Kopf eine weitere Öffnung haben.", vervollständigte Fumio den Satz.

Takuro nickte, auch wenn in ihm sich alles zusammenzog. Ein falscher Wimpernschlag und Sayoko war tot… Nein! An so etwas dürfte er gar nicht erst denken. Er sah seine Frau an, die anscheinend ruhig dastand. Allerdings wusste er, dass dies nichts als ein verzweifelter Versuch war, sich einigermassen zusammenzureissen und nicht in Panik zu verfallen.

"Warum machen Sie das, Suzuno-san?", redete er vorsichtig. "Glauben Sie mir, ich möchte Sie nur verstehen."

"Was versteht schon ein Mann von einer Frau!", fauchte die Gefragte aggressiv zurück.

"Nicht wirklich viel.", gab der Inspektor ehrlich zu.

"Nichts." Dieses Wort schnitt in seinen Ohren wie eine Nähnadel. "Gar nichts versteht ihr von Frauen."

"Dann erklären Sie es mir.", bat er sanft. "Wenn ein Mann schwangere Frauen tötet, kann man viele Hypothesen erstellen. In Ihrem Fall hingegen bin ich ratlos. Sie sind doch auch eine Frau. Irgendwann werden Sie bestimmt ein Kind gebären…"

Da wurde er von einem hysterischen Schrei unterbrochen.

"NEIN, WERDE ICH NICHT!!!" Tränen liefen unaufhaltsam die Wangen der Frau mit der Pistole runter. "UND DAS IST ALLES NUR EURE SCHULD!!!" Sie schluchzte. "Man gibt sich die Mühe, für den Liebsten die Schönste zu sein, erfüllt jede seiner Forderungen UND FÜR WAS???!!! DAMIT MAN SCHLUSSENDLICH WIE EIN STÜCK DRECK BEHANDELT WIRD?!!! DAMIT MAN VERLASSEN WIRD?!!!"

Fumio schien vollkommen ihrer Hysterie verfallen zu sein. Sie schluchzte heftig, ihr Gesicht war vom Weinen mit roten Flecken übersäht.

"Ich habe ihn geliebt… ich habe ihn wirklich geliebt…", gab sie überraschend kleinlaut von sich zu hören. "Ich habe alles getan, damit er bei mir blieb. Als ich schwanger wurde, hatte ich Angst davor, zuzunehmen, denn sonst hätte er mich verlassen. Ich wurde krank und verlor das Kind wegen der Unterernährung. Und als ich dann im Pflegeheim gelandet bin, ist er mit einer anderen aufgekreuzt."

Der Gesichtsausdruck der Fotografin verdunkelte sich.

"Er hat mir eine SMS geschrieben. Eine SMS!!! Das war das Letzte, was ich von ihm gehört hatte… bis ich ihn im Park gesehen habe. Mit dieser Schnepfe." Ihre Stimme triefte nur so vor Hass. "Mit ihrem überdimensionalen Bauch."

Eine Weile lang war es still, doch dann hob Fumio ihren Kopf und sah Takuro aus wahnsinnigen Augen an. Bei dem Blick lief es dem Untersuchungsführer kalt den Rücken runter. Diese Frau war wirklich verrückt.

"Dann habe ich die Tussi spät am Abend spazieren gesehen. Das war die Chance. Wie sie geweint, um ihr Baby geheult hat… Diesen Anblick werde ich nie vergessen." Sie leckte sich über die Lippen. "Ihretwegen kann ich nun keine Kinder mehr gebären. Warum sollte dann sie dieses Glück besitzen? Was hatte sie so Grossartiges gemacht, um ein Baby bekommen zu können, zu dürfen? Es ist doch nur gerecht, dass sie die Freude des Kinderhabens genauso wie ich nicht erleben darf, meinst du nicht, Inuyo-kun?"

Die letzte Frage sagte sie ganz langsam und bei seinem Namen betonte sie sogar jede einzelne Silbe. Noch nie hatte der Inspektor es mit solch einer geisteskranken Person zu tun gehabt. Am liebsten hätte er eine Flasche Mineralwasser aus seinem Wagen geholt, doch dies konnte er sich abschminken, war die Situation doch viel zu angespannt. Doch schon einen Augenblick darauf hatte sich das Szenario schlagartig geändert…

Ein Arm tauchte wie aus dem Nichts auf und wickelte sich um den von Fumio, schlug ihr so die Pistole aus der Hand aus. Im nächsten Moment wurde derselbe Arm hinter dem Rücken der Mörderin verdreht, sodass diese vor Schmerz aufschrie. Die Geisel war frei.

"Zero…", flüsterte Takuro den Namen des Beamten. Dann verstand er es. Während er sich mit der Wahnsinnigen unterhalten hatte, wurde die Situation vom jungen Polizisten ausnutzte, indem der sich vorsichtig hinter den grünen Subaru geschlichen hatte und den richtigen Moment abgewartet hatte. Die Chance bat sich recht schnell an, denn die Fotografin war dermassen in ihrer Hysterie gefangen gewesen, dass sie nichts mehr um sich herum bemerkt hatte.

"Takuro." Mit einem erleichterten Ruf fiel Sayoko ihm in die Arme, während die anderen Polizisten sich auf die Verhaftete stürzten.

"Geht es dir gut?", erkundigte er sich, während er seine Frau so fest es mit ihrem Bauch ging umarmte.

"Ja, mir ist nichts passiert." Der Inspektor spürte ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und verspürte ein noch nie gekanntes Gefühl der Erleichterung. Als hätte jemand eine ganze Ladung Steine von ihm runtergenommen.

"Komm, ich bringe dich zum Krankenwagen. Die Ärzte müssen dich noch untersuchen.", meinte er dann, worauf die Schwangere nickte. So ging das Ehepaar zu einem der in der Nähe stehenden Krankenwagen.

Dann geschah alles sehr schnell. Fumio stiess einen wilden, hysterischen Schrei aus, wand sich aus den Umklammerungen der Beamten und lief auf Zero zu. Sie stoss ihn und zog währenddessen seine Dienstwaffe aus dem Gürtel raus. Im nächsten Augenblick war der Revolver auf Sayoko gerichtet.

"STIRB, DU LUDER!!!!", kreischte sie mit schriller Stimme und drückte ab.

Die Kugel durchstoss den Bauch der Frau und blieb anschliessend in der Seite im Fleisch stecken. Die Schwangere brach zusammen, während die Polizisten die Mörderin knebelten und ihr die Handschellen anlegten. Takuro hielt Sayoko in den Armen und versuchte mit zitternden Fingern die Blutung zu stoppen. Dann waren auch schon die Ärzte da…
 

"Wie geht es ihr?"

Total aufgelöst stürmte Yumi auf Takuro zu und packte diesen an dessen Hemd. Ihre Augen waren voller Sorge, die junge Frau selbst war den Tränen nahe.

"Ich weiss noch nichts. Die Ärzte kümmern sich momentan um sie.", antwortete er ernst und besorgt zugleich. Sein Blick fiel auf Zero, der auf dem Sitz aussah wie ein Häufchen Elend. °Er macht sich Vorwürfe.°, schlussfolgerte der Inspektor. °Wahrscheinlich denkt er, all dies wäre nicht passiert, hätte er Fumio nur fester gehalten.°

Er ging zum jungen Mann und setzte sich neben diesen.

"Quäl dich nicht. Es hätte jeden treffen können."

Unsicher hob der junge Beamte den Kopf.

"Wie können Sie nur so ruhig bleiben? Das Leben Ihrer Frau ist in Gefahr und Sie sagen noch, ich solle mich nicht quälen?"

Der Ältere legte eine Hand auf die Schulter des Jüngeren – eine fast väterliche Geste.

"Es ist nicht deine Schuld.", wiederholte er sich. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, kam schon der Arzt aus. Sofort sahen alle Anwesenden zu ihm, warteten gespannt darauf, was er zusagen hatte.

"Wir können ihr nicht helfen." Der Neuankömmling schüttelte den Kopf.

"Nani?", hauchte Takuro fassungslos.

"Und das Kind?", wollte Zero genauso geschockt wie die anderen.

Der Arzt presste die Lippen zusammen.

"Sie hatte eine Fehlgeburt." Er machte eine Pause und wandte sich dann dem Ranghöherem zu. "Sie können sich von ihr verabschieden." Nach diesen Worten trat er zur Seite und liess somit den Weg frei.

Der Inspektor schluckte trocken und sah seitlich, wo sich Yumi befand. Grosse Augen, gefüllt mit Tränen, sahen ihn verzweifelt an.

"Geh du zuerst.", meinte er dann.

"Und du?"

"Ich werde nach dir gehen."

"Meinst du… meinst du, dass wir genug Zeit haben?" Ihre zweifelhafte, aufgelöste Stimme war voller Trauer. Er nickte, dann ging sie rein.
 

Einige Zeit später kam die junge Frau wieder raus, total aufgelöst, unfähig, die Tränen zurückzuhalten.

"Du sollst mit Zero zu ihr kommen.", hatte Yumi es geschafft ruhig zu sagen, ehe sie sich and die Wand anlehnte und langsam runterrutschte.

Takuro war nicht fähig, irgendwas zu erwidern, daher betrat er schweigend das Zimmer, gefolgt vom jungen Beamten.

Sayoko lag bleich und krankhaft dünn in ihrem Bett. Von ihren Armen zogen verschiedene Schläuche und Kabel zu allerlei möglichen Geräten, die ihr leider nicht mehr helfen konnten. Die dunkel umrandeten Augen sahen müde und doch mit Freude zu ihrem Mann.

"Takuro…"

Der Gerufene wollte etwas zu ihr sagen, doch seine Kehle war zu trocken, um auch nur den kleinsten Laut hervorzubringen. Er ging einfach zu ihrem Bett und setzte sich zu ihr, nahm ihre Hand.

"Unser Kind ist tot.", sagte die Frau schwach und mit weinerlicher Stimme. "Es tut mir so leid."

Er drückte ihre Hand etwas fester.

"Nein, mir tut es leid. Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen."

"Falsch.", ertönte es im Hintergrund und das Ehepaar sah zum vergessenen Polizisten. "Ich hätte besser darauf aufpassen sollen, dass Fumio nicht ausbricht."

"Quäl dich nicht, Zero. Es ist niemand schuld.", lächelte Sayoko den jungen Ermittler an. Dann sah sie wieder zu Takuro. "Die Schuld trifft niemanden, nicht wahr?"

"Ja." Die Worte klangen erstickt. "Niemand ist schuld daran. Es ist nur… dumm gelaufen."

°Dümmer konnte es gar nicht gehen.°, fügte er noch in Gedanken hinzu, insgeheim überrascht darüber, dass er immer noch so rational denken konnte. Doch sein Gesicht, rationales Denken hin oder her, zeigte nur Schmerz und Trauer. Trotz seiner Worte gab er sich die Schuld an der Situation. Wäre er doch früher auf die Idee gekommen, wer der Serienmörder war… Zero war ein guter Junge, er war froh darum, dass dieser knapp einen Jahr nach seinem Abschluss ein so geschickter Polizist war. Dennoch war es unverzeihlich, dass der Akademieabgänger früher auf den Mörder gekommen war als der Untersuchungsführer selbst. Wegen seiner, Takuros, Dummheit und Blindheit starb nun der wichtigste Mensch in seinem Leben…

"Takuro…" Ihre Stimme war so schwach, dass ihm beinahe die Tränen hervorgekommen waren. "Ich hätte noch eine… nein, zwei Bitten an dich."

"Alles, was du willst.", erwiderte der Genannte ohne zu überlegen.

"Lass es nicht zu, dass dein Leben von diesem Fall beeinflusst wird. Werde glücklich." Die Sterbende lächelte leicht. "Ich werde dich von oben ganz genau beobachten, also denk erst gar nicht daran, mich zu belügen."

Sayoko machte eine Pause. Man sah ihr richtig an, wie schwer es ihr fiel, zu sprechen. Der Inspektor wollte sie schon davon abhalten, weiter zu reden, stoppte aber sich selbst. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, sie zu retten. So war es nur noch fair, erhielte sie eine Chance, das letzte Wort zu sagen.

"Und nun die zweite Bitte.", fing Frau Inuyo wieder an, schwach atmend. Ihre dunkel umrandeten Augen sahen ihn liebevoll, aber auch traurig an. "Ich möchte dein Lächeln sehen. Ein letztes Mal. Bitte." Das letzte Wort hauchte sie nur, dennoch hatte er es gehört.

Takuro schluckte, um den Kloss in seinem Hals loszuwerden, was ihm aber nicht so gut gelang. Dennoch schenkte er ihr sein schönstes Lächeln, das Lächeln, welches er immer hatte, wenn sie sich an ihn gelehnt hatte. Oder, den Kopf auf seine Schulter gelegt, eingeschlafen hatte. Ein zartes, liebevolles Lächeln, welches von der liegenden Frau schwach erwidert wurde.

"Arigato.", hauchte sie und schloss die Augen.

Er schrie nicht und warf sich auch nicht auf seine Gemahlin. Er schloss lediglich die Augen, nur um diese ein paar Momente später wieder zu öffnen. Seine Hand drückte die ihre, das warme, sanfte Lächeln verzerrte sich immer mehr. Die Lippen zitterten. Schlussendlich durchnässten die Tränen seine Wangen.

°Sayoko.°, rief er ihren Namen in Gedanken und küsste ihre Hand. Dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Zitternd rutschte er das Bett runter, bis er vor ihrer Liege kniete. Erste Schluchzer waren zu hören, doch diese konnten nicht mal einen Zehntel seiner Trauer und seiner Schmerzen zum Ausdruck bringen. Es war ihm egal, dass Zero beinahe direkt hinter ihm stand. Seine Frau war tot.
 

Sieben Jahre später…
 

Zero lehnte sich an die Wand des Kühlschranks und sah aus dem Fenster. Vor kurzem hatte Revi ihn angerufen und gesagt, dass Kyo nun seine Unterlagen erhalten hatte. Und auch Zack und Minako. Bis jetzt lief alles nach seinem Plan.

Nach reichlichen Überlegungen musste er zum Entschluss kommen, dass zwischen es seinen Mitarbeitern eine Ratte gibt, einen Zwei-Richtungs-Läufer. Früher oder später würden sich die zerstreuten Informationen, die er den dreien verteilt hatte, bei Takuro Inuyo sammeln. Derjenige, der nichts sagen, die Beweise und gesammelten Informationen unterschlagen würde, war der Verräter.

Er seufzte und nahm einen Schluck Kaffee, der ihm eigentlich untersagt war. Hoffentlich würden die anderen den Möchtegernpolizisten schnell ausfindig machen…

Die Pressekonferenz

Als Zero erwachte, musste er feststellen, dass Revi schon längst wach war und ging schnell, aber ruhig in der Wohnung auf und ab. Die junge Frau trug eine weisse Bluse mit einem beigefarbenen Rock dazu. Absatzschuhe in beige vervollständigten das Outfit. Ihre schwarzen Haare hatte sie hochgesteckt, was ihr ein seriöses Aussehen verlieh. Auf dem Stuhl sah der Ermittler noch einen leichten Blazer in der Farbe des Rocks. Anscheinend war dies ein Anzug.

"Oh, habe ich dich geweckt?", fragte die Journalistin überrascht, als sie zum Sofa blickte.

"Nein, du warst ganz leise, wenn man bedenkt, dass du Absatzschuhe trägst.", meinte der Gefragte. "Aber sag mal, wo gehst du denn hin, dass du dich so ins Zeug gelegt hast?"

"Weißt du es nicht mehr?" Die junge Frau stand vor dem Spiegel und schminkte sich, während sie sprach. "Ich habe dir doch gestern gesagt, dass ich heute eine Pressekonferenz habe. Mit deinem Chef, dem Justizminister Taketo Hanagawa, und Kiyotaka Katsuta."

Zero, der gerade einen Schluck Wasser nahm, verschluckte sich fast.

"Kiyotaka Katsuta? Der nimmt an einer Pressekonferenz teil?"

"Anscheinend kennst du ihn.", schlussfolgerte die Wohnungsbesitzerin.

"Wer kennt schon den Schlächter nicht…", meinte er rhetorisch.

Revi seufzte.

"Da hast du Recht. Ich frage mich nur, warum der Typ immer noch frei herumspazieren darf."

Der Beamte hatte die Andeutung richtig verstanden.

"Der Typ ist schlimmer als ein Aal. Um ihn hinter Gitter zu stecken, benötigen wir handfeste Beweise. Aber auf die können wir noch lange warten. Da ist wahrscheinlicher, dass ein Toter wieder zum Leben erwacht, als an die Beweisstücke zu kommen."

"Ich verstehe."

Sie war nun fertig mit dem Schminken und hielt nun ein Fläschchen mit Parfum in der Hand.

"Ich kann leider nicht mit dir zusammen essen, da ich mich beeilen muss. Im Kühlschrank stehen noch Reste vom gestrigen Abendessen. Auf dem Regal oberhalb der Mikrowelle findest du Kaffeebohnen. Wie die Kaffeemaschine zu bedienen ist wirst du sicher selber herausfinden."

Der schlichte Goldschmuck passte hervorragend zu ihrem gesamten Erscheinen, liess ihre braunen Augen aufglänzen.

"Falls es Probleme geben soll, kannst du mir ruhig aufs Handy anrufen und eine Mitteilung hinterlassen. Ich werde dir wie abgemacht zurückrufen."

Die beiden hatten abgemacht, dass Revi zuerst drei Mal läuten lässt, dann zwei Mal, dann nur ein einziges Mal und beim vierten Anruf würde Zero das Telefon abnehmen. So konnte es vermieden werden, dass irgendjemand über den Aufenthaltsort des Beamten erfahren würde.

Die Journalistin war derweilen fertig mit ihren Vorbereitungen. Sie nahm ihren Blazer, schulterte die Tasche und begab sich zur Tür. Unterwegs drehte sie sich ein letztes Mal um.

"Hast du noch Fragen?"

"Ja. Kann ich deinen Computer benutzen?"

"Nur zu. Einfach bitte nicht in meinen privaten Dateien herumschnüffeln."

"Würde mir nie in den Sinn kommen." Er hob abwehrend die Hände. "Schönen Tag noch."

"Dir auch.", war das letzte, was sie zu ihm noch sagte, ehe sich die Tür hinter ihr schloss.

Zero sefzte.

"Und weg ist sie…"
 

Den neusten Auftrag habe ich von Qingfu erhalten und darüber freue ich mich wahnsinnig. Wenn Qingfu etwas organisiert, muss ich mich praktisch um nichts kümmern. Ich muss nur meinen Job erledigen, das ist alles. Es tut gut, sich mal nur um die eigentliche Aufgabe kümmern zu müssen und nicht noch zusätzlich an die Folgen zu denken. Eine gute Abwechslung zu Mr. N's schlampiger Arbeit.

Ich überfliege noch mal das Blatt – meinen Auftrag. Danach werde ich es verbrennen. Schliesslich dürfen keine Beweise zurückbleiben, die auf den Auftraggeber hindeuten.

Dieses Mal heisst die Zielperson Kiyotaka Katsuta, neunundfünfzig Jahre alt. Er ist der Chef einer grossen Firma, der Sonitron. Sein Kapital investiert er in viele Projekte, die Stadt Tokio selbst gehört zu seinen Schuldnern. Allerdings ist dies nur die eine Seite der Medaille.

Die Watakanagis, die Joshis, die Yatsugis und die Minoshis – diese vier Jakusa-Banden, die mehr als die Hälfte der Stadt in ihrem Würgegriff halten und über Kontakte im ganzen Land verfügen, verbindet eine kleine Tatsache: Sie alle stehen zu Kiyotaka's Diensten. Macht jemand Probleme, wird dieser sofort eliminiert. Falls die Polizei jemanden in die Finger bekommt, so handelt es sich dabei immer nur um kleinere Fische. Noch nie hat es irgendjemand geschafft zu beweisen, dass hinter all den Morden der liebe Katsuta-san gesteckt hat..

Die Polizei verzweifelt schon fast, kann aber nichts gegen die Machenschaften des Industriellen machen. Die Medien haben sich eine Geschichte nach der anderen ausgedacht, bis ein Journalist tot aufgefunden wurde. Er ist dem Big Boss zu nahe getreten. Ähnliches ist einer Zeitungsagentur passiert, die nach einem etwas bitteren Artikel augenblicklich Konkurs gegangen ist.

Heute wird Kiyotaka an einer Pressekonferenz teilnehmen. Hauptthema: Yukio Nakamura. Ausgerechtet ich werde dem Umzug meinen Beitrag leisten, indem ich als Journalistin verkleidet dorthin kommen und den Jakusa-Führer ins Jenseits schicken werde. Dabei bin ich es doch, die Yukio auf dem Gewissen hat.

Ich prüfe noch mal mein Aussehen im Spiegel und finde es recht akzeptabel. Verabschiedete mich noch schnell von meinem Mitbewohner. Vor der Tür bleibe ich noch kurz stehen, um ein kleines Fläschchen aus dem Sack meines Mantels zu nehmen und dieses in meiner Tasche zu verstauen. Nun kann ich gehen. Meine Identität ist gesichert.

Unterwegs mach ich noch kurz Stopp und bereite die Mordwaffe vor. Es muss so unauffällig sein, wie nur möglich. Schliesslich werden sich dort mehr Securities herumtreiben als bei dem Finale der Fussballweltmeisterschaft. Ein kleiner Giftpfeil ist da die bessere Wahl, statt eine Pistole.

Ich greife in meine Tasche und fische das Fläschchen heraus, welches ich zu Hause im Gang aus dem Mantel rausgenommen habe. Da drin befindet sich ein hoch wirksames Gift. Dieses Ding ist so stark, dass ein einziger Tropfen reichen würde, um einen Elefanten innerhalb von fünf Minuten umzubringen, von einem Menschen ganz zu schweigen. Im kristallisierten Zustand wäre ein Sandkörnchen mehr als nur ausreichend. Ich habe dieses Gift in Pulver erhalten. Eine falsche Bewegung und ich selbst werde ihm zu Opfer fallen. Ich bin vorsichtig genug und ziehe zuerst eine weisse Maske an, ehe ich mich dem Fläschchen zuwende und somit mein Arbeitswerkzeug präpariere.

Sobald ich fertig bin, öffne ich noch kurz das Fenster. Nur um sicher zu gehen, dass sich in meinem Wagen keine Giftteilchen befinden. Immerhin habe ich in der nächsten Zeit nicht vor zu sterben und ein Kamikaze-Auftrag ist es auch nicht.

Es vergeht noch eine halbe Stunde, dann fahre ich weiter. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Der Showdown kann beginnen…
 

Im Konferenzsaal, wo der ganze Anlass stattfinden sollte, war viel los. Die Journalisten besprachen noch die letzten Details mit ihren Fotografen, die TV-Korrespondenten checkten mit ihrem Team das Equipment und ihr eigenes Aussehen. Nebenbei schafften sie es noch, sich gegenseitig fasz die Köpfe einzuschlagen. Schliesslich wollte jeder den besten Platz ergattern beziehungsweise seine Kamera im besten Winkel auf die Bühne richten.

Eine Stunde später gab es ein paar kleine Snacks und eine Kleinigkeit zu Trinken für die Medienvertreter. Es war ja aller Welt bekannt, dass ein hungriger Journalist ein böser Journalist war.

Die Korrespondenten waren nun satt und zufrieden. Auch die beiden Hauptgäste waren eingetroffen. Die Konferenz konnte beginnen.

"Meine Damen und Herren. Der Justizminister, Taketo Hanagawa.", verkündete der Sprecher und trat zur Seite. An seiner Stelle kam nun mit trägen Bewegungen ein kleiner, rundlicher, ungefähr sechzig Jahre alter Mann auf die Bühne. Seine Glatze glänzte im Schein der Lampen und reflektierte selbst die Blitze der Fotokameras.

Einige Zeit lang schilderte er den Stand der Dinge, was die Ermittler herausgefunden hatten. Informationen, die man auch der Öffentlichkeit zugänglich machen dürfte.

Revi schrieb sich alle Details genau auf. Bei diesem Artikel wollte sie sich besonders viel Mühe geben. Allerdings wurde sie von der Frage eines anderen Journalisten abgelenkt – nicht wirklich grundlos.

"Hanagawa-sama, den Gerüchten zufolge soll ein Ermittler verschwunden sein. Wie weit stimmt diese Information?"

Die junge Frau wurde sofort ganz Ohr. Ihr gesamter Körper hatte sich unmerklich angespannt. Woher kam diese Information? Wer hatte geplaudert?

"Bedauerlicherweise stimmt dies.", antwortete der Justizminister. "Wir sind gerade auf der Suche nach diesem Ermittler."

"Man sagt auch, es sei Geld im Spiel gewesen.", rief ein anderer Medienvertreter aus.

"Auch dies entspricht der Wahrheit. Der besagte Polizeimitarbeiter wird der Korruption beschuldigt."

Ein Raunen erfüllte den gesamten Konferenzraum. Revi war gerade am Überlegen, wie sie sich am besten verhalten sollte, als sie folgendes in ihrer Nähe hörte:

"Beruhige dich, Kyo, das wird dir nur Ärger bringen."

Interessiert sah die junge Frau zur Seite und erblickte eine Gruppe aus drei Personen, zwei Männern und einer Frau.

Der erste Mann musste wohl dieser Kyo sein, denn er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und zitterte am ganzen Körper. Sein Gesichtsausdruck zeigte solche Wut, dass man meinen konnte, er würde in jedem Moment auf den Minister springen und ihm mindestens einen Schlag ins Gesicht geben.

Die Frau neben Kyo versuchte diesen gerade zu beruhigen. Revi fand sie noch recht hübsch, aber auch sehr selbstbewusst. Die Frau berührte gerade die Faust von diesem Kyo, währen der sprach:

"Ich weiss, dass ich mich beherrschen soll, aber der Typ redet solchen Schwachsinn vor sich hin, dass mir gleich schlecht wird. Er zieht Zeros Namen in den Dreck!"

"Er hat Zeros Namen gar nicht erwähnt.", versuchte die junge Frau ihrem Begleiter zu widersprechen. Erfolglos.

"Minako, für wie blöd hältst du all diese Leute hier? Das sind Journalisten, falls dir dies nicht in denn Sinn gekommen ist. Was meinst du, wie lange es dauern würde, bis sie herausgefunden haben, dass es sich hier um Zero handelt? Ich sag dir, wie lange. Nicht einmal einen Tag würde dies dauern. In Morgenausgabe werden wir schon den Artikel über den korrupten Polizisten lesen können."

Er hob etwas die Arme, die Hände immer noch zu den Fäusten geballt.

"Und dieser Arsch hat nichts Besseres zu tun, als mit ruhiger Stimme diesen ganzen Mist zu bestätigen. Zero und korrupt." Der Mann tat so, als würde er spucken. "Dass ich nicht lache. Der Fettsack soll doch zu mir kommen und es mir noch mal direkt ins Gesicht sagen."

"Jetzt reicht es aber, Kyo."

Der andere anwesende Mann hatte eingegriffen. Er war von breiter Statur, sichtlich durchtrainiert und hatte stechend blaue Augen, die für einen Japaner äusserst ungewöhnlich waren. Diese Augen wurden von dem schwarzen, zu einem Zopf zusammen geflochtenen Haar noch mehr betont.

Dieser Mann hielt Kyos Handgelenk fest in seiner Hand, während die junge Frau – Minako – nur überrascht hin und her guckte.

"Glaub mir, ich kann mir gut vorstellen, wie du dich über diesen Mist aufregst. Wäre es nach mir, würde ich mit dir zusammen gehen und dem Kartoffelsack mal ordentlich die Fresse polieren. Aber das dürfen wir nicht. Wir dürfen so etwas nicht machen. Allein schon wegen den ganzen Journalisten hier. Das wäre ein Zuckerschlecken für sie, würde ein Ermittler eine Schlägerei mit dem Justizminister höchstpersönlich anfangen."

Er drückte die Hand des Ermittlers langsam, aber bestimmt runter.

"Denk an Zero. Meinst du, du wirst ihm helfen, in dem du den Minister zu Brei zusammenschlägst?"

Kyo atmete durch.

"Du hast Recht. Ich versuche mich zu beherrschen."

"Danke."

Danach war es bei den dreien wieder ruhig.

Revi musste dabei ein Schmunzeln unterdrücken. Das waren also diese Kyo, Minako und Zack. Zero würde sich sicher darüber freuen, dass seine Freunde und Mitarbeiter sich so um ihn sorgen. Aber nun wand sie sich wieder dem Sprecher zu. Sie hatte genug Zeit vertrödelt.
 

Ich habe das Gefühl, mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Alles. Alles, nur nicht DER Typ. Ich zeige meine Emotionen nicht, während in meinem Inneren alles brodelte. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit DEM!

Gut, dass er mein Gesicht nicht kennt, sonst hätte er sicher Panik geschlagen. Und anschliessend hätte der feige Arsch mich sicher zu einem "angenehmen" Gespräch eingeladen. Hätte sich sicher wieder über meine "schlampige" Arbeit betreffend Nakamuras Fall beschwert. Mann, wie ich diesen Typ hasse!

°Ganz ruhig, Mädchen.°, ermahne ich mich selbst. °Du bist hier um einen Auftrag zu erfüllen, und nicht um dich über deine alten Kunden aufzuregen. Don't worry, be happy, babe.°

Der Minister hat nun die Bühne verlassen und ich sehe meinen Mann, der die Treppe raufgeht und sich dem Podest nähert. Sobald er stehen bleibt, werde ich meine Chance nutzen.

Unauffällig ziehe ich an meinem Minenbleistift und drehe diesen. Der Bleistift verschwindet im Plastikzylinder, während an seiner Stelle ein kleiner Pfeil hervor kommt. Ich habe dort genug Giftpulver angebracht, um ein Pferd auf der Stelle töten zu können. Diesbezüglich kann nichts schief gehen. Jetzt nur noch das Ziel ins Visier nehmen und abdrücken. Dann ist alles vorbei.

Mit der Spitze des Minenbleistifts ziele ich auf den Hals meines Zielobjektes, Kiyotaka Katsuta. Hoffentlich wird kein waghalsiger Fotograf vor meinem Gesicht auftauchen und so den tödlichen Pfeil statt des geplanten Opfers entgegen nehmen.

Ich habe Glück.

Nachdem ich mich unauffällig umgesehen habe, erkenne ich meine Chance. Wollen wir doch die liebe Fortuna nicht zu sehr ausnutzen. Also drücke ich auf den Radiergummi, der in jedem Minenbleistift vorhanden ist…
 

Niemand wusste, was passiert war. Das einzige, was die Konferenzteilnehmer sehen konnten, war das kaum merkliche Zusammenzucken des Unternehmers. Er griff nach seinem Hals, als hätte ihn etwas gestochen. Dann kippte er um.

"Katsuta-sama!", schrie jemand und spätestens in diesem Moment begriffen alle, dass etwas schief gelaufen war.

Der Geschäftsmann lag auf dem Boden, seine Hände umklammerten seinen Hals. Die weit aufgerissenen Augen starrten ins Leere, der Mund war geöffnet, als hätte er Atemprobleme und würde demnächst durch seinen eigenen stummen Schrei ersticken. Die Bodyguards versammelten sich zusammen mit einigen Polizisten um den liegenden Mann, aber selbst Revi von ihrem Platz in der zweiten Reihe aus konnte sehen, dass es hoffnungslos war. Ein paar Sekunden später zuckte Katsuta nicht einmal mehr. Er war tot.

"Bitte bewahren Sie Ruhe!", schrie eine Männerstimme quer durch den Raum. Die junge Frau erkannte darunter den hitzköpfigen Ermittler von eben, Kyo. Eine von den Personen, die Zero bezüglich seiner Ermittlungen erwähnt hatte.

An einem anderen Ausgang stand der Blauäugige, Zack. Auch er versuchte die panikierende Meute zu beruhigen. Eigentlich war dies recht verwunderlich, mussten doch die meisten Journalisten und Fotografen in ihrer Kariere mindestens ein Mal eine Leiche gesehen haben. Was für eine Schande.

Es dauerte eine Weile, bis die Polizei den Tatort sichern konnte. Alle Anwesenden konnten sie unmöglich sofort befragen, daher mussten sie wohl oder übel ungefähr die Hälfte der Befragungen auf den nächsten Tag verschieben. Das galt auch für Revi Inagawa. Sie hatte da nichts dagegen. Schliesslich konnte sie so ihren Artikel "frisch gebacken" ihrem Redakteur auf dem Silbertablett servieren. Das würde für eine hübsche Monatsprämie sorgen, dessen war sie sich sicher.

Wie jeder andere wurde sie gründlich durchsucht, ehe sie den Raum verlassen durfte. Das war nicht schlimm, schliesslich hatte sie nichts bei sich, um das sie sich Sorgen machen musste. Kaum war die Journalistin aus dem Konferenzsaal, packte sie einen Fotografen und kaufte ihm alle seine Fotos von der Pressekonferenz ab. Erst dann ging sie schnellen Schrittes nach Hause. Der Artikel schrieb sich nämlich nicht von selbst.
 

Zu Hause angekommen musste sie sich erstmal umziehen. Sie hasste es, im Haus nicht in ihren Trainerhosen und dem Tanktop herumzulaufen. Währenddessen erinnerte sie sich an das Telefonat, welches sie auf dem Heimweg geführt hatte.

………

"Moshimoshi?"

"Hallo, Liebes."

"Qingfu! Guten Tag."

"Hast du den Auftrag erledigt?"

"Sie werden darüber morgen in der Zeitung lesen können."

"Verdächtigt dich die Polizei?"

"Nein. Nicht einmal die Polizei würde ein Minenbleistift für eine Waffe halten."

"Grossartig. Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen, meine Kleine. Deine Bezahlung wird spätestens morgen auf dein Konto überwiesen sein."

"Vielen Dank. Es ist mir eine Ehe, Ihnen behilflich sein zu dürfen."

"Aber, aber, lassen wir doch diese Floskeln. Wir werden noch von einander hören."

"Bestimmt. Haben Sie noch einen schönen Tag."

"Du auch, Liebes."

………

Unwillkürlich lächelte sie. Man konnte sagen, was man wollte, sie arbeitete einfach nur viel zu gerne mit Qingfu.
 

Zero trank gerade eine Tasse Kaffee, als eine aufgeregte Revi in die Wohnung stürzte.

"Ich brauche den Computer.", rief sie aus, während sie in ihrem Zimmer verschwand.

Der Beamte konnte nur blöd blinzeln.

"Ähm, er ist frei."

"Eingeschaltet?"

"Ja.", antwortete er brav, immer noch doof vor sich hinstarrend.

"Gut."

Die Tür wurde aufgerissen und die Wohnungsbesitzerin schnellte wie ein Tornado durch das Wohnzimmer zum Rechner. Die Tatsache, dass sie während dieser Aktion ihre Tasche und Schuhe quer durch den ganzen Raum hatte fliegen lassen, hatte sie anscheinend gänzlich kalt gelassen, denn nun tippte sie wie eine Besessene auf dem Computer.

Vorsichtig schlich er sich an sie ran.

"Ähm… Darf ich fragen, was mit dir los ist? Du siehst aus, als wäre etwas furchtbar Wichtiges passiert und du könntest es kaum erwarten, deine Eindrücke mit der besten Freundin zu teilen."

"Oh, glaub mir, es ist etwas Besseres und Schlimmeres zugleich, als ein Erlebnis aus meinem Privatleben.", lautete ihre Antwort, während die junge Frau weiterhin im Schnellzugtempo den Text eintippte.

Zero hoch eine Augenbraue hoch.

"Aha. Und darf ich wissen, um was es sich dabei handelt?"

"Darfst du.", gab die Journalistin von sich hören. "Kiyotaka Katsuta ist tot."

Er musste sich an der Tasse festklammern, damit diese nicht aus seinen Fingern rausflog.

"Nani?!!!"

"Er wurde während der Pressekonferenz umgebracht.", fuhr sie fort. Ihre Finger flogen flink über die Tastatur, die weisse Word-Seite erfüllte sich mit mehr Worten. "Und wenn ich jetzt diesen Artikel fertig schreibe, werde ich dafür eine hübsche Summe kassieren. Das klingt zwar unmenschlich, aber jeder verdient auf seine Art, meinst du nicht?"

Darauf konnte Zero nichts sagen. Dafür musste er zuerst die ganze Info verarbeiten.
 

Inspektor Inuyo sass gerade in seinem Büro und gab sich Mühe, beim Fall Nakamura irgendwelche neue Hypothesen zu finden, als sein Telefon aufdringlich schrie.

Der Dreissigjährige sah genervt zum Apparat.

"Siehst du denn nicht, dass ich gerade beschäftigt bin?"

Anscheinend sah das Gerät dies nicht, denn es trällerte weiter, ohne sich grossartig mit den Worten des Mannes zu beschäftigen.

Takuro seufzte. Wehe war es nichts Wichtiges…

"Inuyo.", sagte er genervt, als er den Hörer abnahm.

Einige Zeit lang herrschte Stille im Raum.

"WAAAAAAAS?!!!"



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Von:  Hotepneith
2009-10-27T17:57:56+00:00 27.10.2009 18:57
Da werde einige Beamte hin- und hergeschoben...Zufall oder gehört das schon zu den Maßnahmen, die die gegenseite angekündigt hat?
Jedenfalls wird so Unruhe in einem Team erzeugt. Und das kann eigentich nur schlecht für die Ermittlungen sein, zumal die neue männliche Verstärkung offenkundig auch andere Interessen hat, als Mörder zu jagen.Das kann buchstäblich noch heiter werden.

bye

hotep
Von:  Hotepneith
2009-10-15T11:43:12+00:00 15.10.2009 13:43
Er hätte wohl Prophet werden sollen...Wobei es nciht weiter verwunderlich ist. Politische Morde bringen meist eine Menge Ärger auch für die ermittlnden Beamten, stehen ihnen doch die Kollegen des oder der Ermordeten auf der Matte, ebenso wie die Presse Druck macht. Wenn dann auch noch private Probele dazukommen, könnte es echt Ärger geben...

Viel Spaß, Zero.

bye

hotep
Von:  Moon_Wolf
2009-10-01T16:13:20+00:00 01.10.2009 18:13
mir gehn die commis aus so toll war es XD

aber bekommst in sternchen von mir^^
Von:  Moon_Wolf
2009-10-01T16:11:12+00:00 01.10.2009 18:11
ich find die story sehr interessant^^

mach weiter so XD

Von:  Hotepneith
2009-09-16T09:13:56+00:00 16.09.2009 11:13
Preisfrage: Zero heisst ja Null..Hast du deiner männlichen Hauptperson diesen Namen mit Absicht gegeben?
Die anderen scheinen alle japanischen Ursprungs zu sein, wobei ich mir bei Revi nicht sicher bin.

Auf jeden Fall ist das ein spannender Krimi, in dem die privaten Sachen der Ermittler ebenso wenig fehlen, wie etwas geheimnisvolle Nebenfiguren wie Eri (redet sie nur soviel aus Leidenschaft für die Hochzeit in Monaten oder will sie etwas ganz anderes erreichen?)

bye

hotep
Von:  Hotepneith
2009-09-16T09:09:53+00:00 16.09.2009 11:09
Interessante Alternative:) Damit hast du mich jetzt wirklich überrascht.

Ich bin neugierig, wie lange ich brauchen werde, um mich an die Namen zu gewöhnen...


bye

hotep
Von:  Hime-chan
2009-09-07T15:20:33+00:00 07.09.2009 17:20
Sehr schön, ich mag kein Shojo-ai xD aber für dich...
*lach*
Eine interessante Story, auch wenn du die armen Animecharaktere einfach aus dem Kontext reisst, wieso nimmst du nicht eigene Charaktere? Ich bin sicher, dass du für eine solche Geschichte keine Kopierten Personen brauchst, im Gegenteil, ich finde sogar, wenn du das weiterhin so umsetzt, dass diese Geschichte eigene Figuren verdient hat^^

Also, ein Lob von Hime-sama, die Kritik an Satzbau usw. in einer ENS und ein Küsschen um dir die eisige Kälte der Bergluft einen Moment zu vertreiben xD


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