Kill von Natsuki13 ================================================================================ Kapitel 5: Das Wiedersehen -------------------------- Das Wiedersehen Revi sass mit einem Bleistift im Mund vor ihrem Notizblock und sah sich die aufgeschriebenen Worte an. Die Infos, die sie dort hatte, waren zwar interessant, aber es gab auch andere interessante Sachen. Und diese würden mit Sicherheit auf die Titelseite schaffen. Sie hörte auf, an ihrem Bleistift herumzukauen, legte ihren Kopf auf den Tisch. Journalistin zu sein war alles andere als einfach, wie sich das die meisten vorstellten. Damit eine Story überhaupt in die Zeitung kam, musste man sie wie eine seltene Trüffel auf dem Silbertablett präsentieren können. Doch bis man diese Trüffel endlich hatte, verging meistens viel Zeit und es erforderte enorme Mühen und Arbeit. Dabei hatten die Termine meistens die Eigenschaft, sich schneller zu Ende zu neigen, als man es gerne hatte. °Sanosuke, du Mistkerl, wie hast du es bloss geschafft, den Nakamura-Artikel so gut dem Redaktor unterzujubeln?° Sie trommelte mit dem Bleistift auf das Holz ihres Pultes. °Ich habe schon vorher gedacht, dass du eine falsche Schlange bist, aber dass du solch eine bist, habe ich nicht einmal im Traum vermutet.° Ihr Gesichtsausdruck wurde grimmig, als sie an Sonntag dachte… Am Sonntagabend streckte sich die junge Frau ausgiebig. °Endlich ist der Artikel fertig.° Zufrieden sammelte Revi ihre Papiere zusammen in ein Mäppchen und wollte diese zum Redaktor bringen, als plötzlich ein Schatten auf ihr Gesicht fiel. Beim Hinaufsehen bemerkte sie ihren Mitarbeiter, Sanosuke Matomi. "Hallo, Revi. – Oh, wie ich sehe, hast du den Nakamura-Artikel bekommen. Glückwunsch.", meinte er, als er die Bezeichnung auf dem Mäppchen sah. "Äh, ja, danke, Sanosuke.", erwiderte sie etwas unbeholfen. Wenn der Typ in der Nähe war, konnte dies nur Schlechtes bedeuten. Währenddessen fuhr der Journalist weiter fort: "Ich war gerade bei Ayumi und dachte, ich schaue mal bei dir vorbei. Du bist so selten da, ich sehe dich ja kaum." "Danke für die Fürsorge.", lautete Revis gespielt liebe Antwort. Doch da fiel ihr Blick auf die ganzen Papiere in seinen Armen. "Gehst du zum Redaktor?" "Ja, ich habe ein paar Artikel, die man für die Ausgabe morgen brauchen könnte. Soll ich deinen auch mitnehmen? Ich gehe ja sowieso zum Chef, da kann ich ihm auch deine Unterlagen geben. Dann musst du nicht auch noch dorthin laufen." Dass der mal etwas Nettes vorschlug, war für Revi neu. Immer noch sprachlos streckte sie ihm fast automatisch das Klarsichtmäppchen in die Hand. "OK.", war alles, was sie herausbringen konnte. Der etwas ältere Mann verschwand aus dem Raum und die junge Frau sah ihm noch lange hinterher. Sie konnte schlicht und einfach nicht das Gefühl loswerden, dass etwas nicht stimmte. Mit offenem Mund starrte sie am Montagmorgen die aktuelle Ausgabe der "Tokyo News" an. Sie konnte es nicht fassen, was sie da sah. Auf der Titelseite war das Bild zu sehen, welches SIE ihrem bekannten Fotografen in Auftrag gegeben hatte. Auf der zweiten Seite befanden sich mehrere Artikel und der längste und damit auch einer, der am meisten Aufmerksamkeit auf sich erregte, trug den Titel, den sie ausgedacht hatte. Im Grunde genommen war das ihr Artikel… nur war er nicht mit ihrem Namen unterschrieben. Statt dem Wort "Miko", den sie sich als Pseudonym ausgewählt hatte, standen dort Initialen M.S., Matomi Sanosuke. Am liebsten hätte sie die Zeitung in Stücke gerissen. Das konnte doch nicht wahr sein! Darum war er am Tag zuvor so nett gewesen. Am Sonntag hatte sie den Stadtbummel mit Eri aushalten müssen und nun, am Tag danach, durfte sie bewundern, wie kinderleicht sie auszutricksen war. Mit knallrotem Gesicht ging sie zu ihrem Auto und fuhr in die Redaktion. Der würde noch sein blaues Wunder erleben, der Mistkerl, das schwor sie sich bei allen vorhandenen Heiligen. Nun war Dienstag und sie musste einen weiteren Artikel über den Nakamura-Fall schreiben. Die Infos hatte sie, sie musste diese nur schön präsentieren. Allerdings störte sie immer noch ihre Wut auf diesen Mistkerl von einem Mitarbeiter. Klar, sie hatte ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit ihrem Chef gehabt, der dann diesen miesen Sanosuke zu sich ins Büro holte, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass ihr Kapitel ihm, Matomi, zugeschrieben wurde. Und das machte sie rasend vor Wut! Missmutig liess sie ihr Bleistift fallen. "Hah, das bringt alles nichts." Sie stand auf. °Ich sollte mich lieber beruhigen. In diesem Zustand kann ich unmöglich irgendetwas Vernünftiges schreiben.° So ging Revi in die Küche und machte sich einen Kräutertee. Danach ging sie ins Wohnzimmer und machte es sich auf dem Sofa vor dem Fernseher bequem. °So, Revi, du wirst jetzt schön brav deinen Tee trinken und dich beruhigen. Falls es nicht klappt, nimmst du ein schönes, wohlduftendes Bad und liesst dabei ein Buch.° Sie sah sich einen Film mit Johny Depp an und hatte dann weitere dreissig Minuten in einem Schaumbad verbracht. Als sie sich anschliessend abtrocknete, konnte sie zu Recht behaupten, dass sie sich endlich beruhigen konnte. °So, und jetzt nichts wie an die Arbeit.°, dachte sie motivierter und stürzte sich auf den noch nicht fertigen Artikel, bewaffnet mit einem Bleistift und einem Radiergummi. °Oh ihr Götter, womit habe ich das verdient? Ist es weil ich mit Mitsuki Schluss gemacht habe? Ich dachte, ich hätte meine Strafe schon erhalten…° Er seufzte. Jetzt, da er Kyo gebeichtet hatte, dass er nicht mehr mit dessen Schwester zusammen war, wurde die Atmosphäre zwischen den beiden Kollegen etwas angespannter. Zumindest empfand Zero dies so. Sein Freund hingegen meinte, es sei nichts Schlimmes. Sie waren ja keine Kinder mehr. °Klar, ist alles in Ordnung.°, dachte er sarkastisch. °Und warum habe ich dann immer das Gefühl, als ob du mich jeden Moment am liebsten aufspiessen würdest?° Um sich von den unangenehmen Gedanken abzulenken, rief er sich die Ereignisse des Nachmittages sich in Erinnerung. Nach dem Mittagessen hatten er und Minako sich getrennt. Sie ging zurück in ihr Büro und er schlenderte zum Kabinett des Chefs der Abteilung für politische Verbrechen. Er hatte schon immer diese Abteilung gehasst. Besser gesagt, nicht die Abteilung selbst, weil die Jungs dort wirklich gut waren. Der Grund dafür war die Politik selbst. Er hasste Intrigen und diese Heuchler, welche die Sessel der Regierung zu Boden drücken, waren nichts weiter als feige Angsthasen und Huren. Für ihr Wohl würden sie ihre eigene Mutter dem Teufel verkaufen. Was die Prostituierten anging, so hatten die Frauen mehr Ehre im Leib, als die "Auserwählten der Nation". Die ersten verkauften wenigstens nur das, was auch wirklich ihnen gehörte - ihren Körper. Die anderen hingegen verkauften die ganze Nation, ohne sich wirklich bewusst zu sein, welche Folgen ihre Entscheidungen ziehen könnten. Zero hielt nicht viel davon und informierte sich eher kläglich über den Stand der Dinge in der Regierung. Zeitungen las er nur dann, wenn es nötig war oder er sich langweilte. Die Abendschau war ebenfalls alles andere als erfreulich. Statt zu erzählen, wie viele Bürger unter den einigen Entscheidungen der Regierung litten, trällerten alle Kanäle über neue Verordnungen oder einen weiteren Besuch vom Ausland. Klar, es gab auch gute Nachrichten, doch welches Schwein interessierte es, dass man irgendwo in Tibet einen schwulen Elefanten gefunden hatte? Er seufzte. Statt sich über die Lage zu beschweren, sollte er sich lieber darauf konzentrieren, den Fall so schnell wie möglich zu lösen. Oder es irgendwie schaffen, seine Einstellung zum Ganzen zu ändern. Das würde schon irgendwie klappen. Es war schon sieben Uhr abends und fast alle Läden waren schon zu. Das wäre nicht so schlimm, wenn da nicht ein kleines Problem wäre – Zeros Kühlschrank sah aus, als hätte man den in einem Hungeranfall ausgeräumt. Kurz, er musste dringend einkaufen gehen, sonst würde er auf das Abendessen verzichten müssen. So machte er sich auf die Suche nach einem Laden, der vierundzwanzig Stunden lang offen hatte. Einige Zeit später wurde er endlich fündig. Schnell waren ein paar Fertiggerichte und einige Getränke – darunter auch Bier – in den Einkaufskorb geschmissen worden und anschliessend an der Kasse bezahlt. Dann ging er zufrieden zu seiner Toyota. An dem Abend würde er sich ein kleines Bier gönnen, das würde sicher nicht schaden. Er schmiss die Einkaufstüte auf den Beifahrersitz und wollte schon den Wagen umgehen, um zum Fahrersitz zu gelangen, als er plötzlich stehen blieb. Er meinte, er sähe nicht mehr richtig. °Das ist sie.°, schoss ihm durch den Kopf. In die Richtung seines Autos lief die feine Gestallt einer Frau. Ihre schwarzen Haare spiegelten das Licht der untergehenden Sonne wieder, der Wind wirbelte leicht die Haarpracht. In einer Hand trug sie eine schwere Einkaufstüte, auf der anderen Schulter befand sich eine kleine, schwarze Handtasche. Zero musste grinsen. Mit einer leichten Bewegung machte er die Autotür zu und ging der jungen Frau entgegen. Diese sah ihn zuerst überrascht an, dann aber verzierte ein Lächeln ihr Gesicht, in ihren Augen entfachte wieder das schon bekannte Feuer. "So sieht man sich wieder.", meinte sie amüsiert. "Sieht so aus.", erwiderte er. Dann sah er zu ihrer Einkaufstüte. "Darf ich Ihnen helfen?" "Ich wohne in der Nähe, das wird schon noch gehen.", versuchte sie sein Angebot auszuschlagen, obwohl die Tasche nun wirklich schwer war… "Ich bestehe aber darauf." Seine tiefen und unergründlichen Augen bohrten sich in die ihren. "Sonst bin ich kein Mann, wenn ich einer Frau nicht helfe." Die junge Frau seufzte leicht, doch ihre Lippen zierte ein Lächeln. "Sie sind wirklich hartnäckig." "Nein. Nur hilfsbereit." Mit diesen Worten nahm er ihr die Einkaufstasche aus der Hand. Zufrieden bemerkte er dabei, wie die Schwarzhaarige sich entspannte. War auch verständlich, denn die Tasche war wirklich alles andere als leicht. "Die ist aber recht schwer. Erwarten Sie Gäste?", erkundigte er sich, jeder Zeit bereit zu hören, es ginge ihn gar nichts an. Zu seiner Überraschung aber erhielt er eine bessere Antwort. "Nein, ich habe einfach nicht genügend Zeit, um einkaufen zu gehen. Daher kaufe ich lieber sofort viel, damit es für längere Zeit reicht." "Verstehe. Ich schätze, ich sollte damit auch anfangen. Sonst würde ich irgendwann mal verhungern." Er lächelte sie an. Dieses Lächeln wurde erwidert. "Das wäre aber ganz schlecht, wenn Sie verhungern würden. Dann gäbe es einen hilfsbereiten Menschen weniger auf der Welt und dies wäre dann jammerschade, meinen Sie nicht?" Sie alberten noch ein Bisschen, bis sie zum Wohnblock kamen, in dem die junge Frau wohnte. "So, da sind wir. Bis zum Lift und von dort aus zur Wohnung werde ich es sicher auch selber schaffen." Sie nahm wieder die Einkaufstasche in die Hand und stellte diese auf den Boden. "Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe." Sie verbeugte sich leicht. Dann packte die junge Frau die Tasche, lächelte Zero nochmals zu und ging schliesslich in den Wohnblock rein. Der junge Mann wartete noch einige Momente lang, bevor er wieder zum Auto ging. Er wusste selber nicht, warum er wie ein Volltrottel vor der Tür gestanden war, aber an der Tatsache war nichts mehr zu ändern. Wieder beim Wagen angekommen, setzte er sich endlich hinters Steuerrad und liess den Motor an. Ehe er losfuhr, warf er noch einen Blick auf seine Einkaufstüte. °Ich sollte wohl wirklich mehr einkaufen.°, dachte er noch. Dann fuhr er nach Hause. Als Minako ihre Wohnung betrat, musste sie erst mal seufzen. Der Tag war alles andere als toll gewesen. Zuerst war da Zack, der aus dem heiteren Himmel auf ihren armen Kopf – oder besser gesagt Hintern – gefallen war. Dann wurde Zero in die andere Abteilung versetzt, weil die zu wenig Arbeitskräfte hatten - als ob sie selbst zu viel von denselben hatten. Und zu guter Letzt musste sie fünf Besuche verschiedenen Frauen abstatten… mit Zack im Schlepptau. Dessen Auto war nämlich in der Garage, weil der Nichtsnutz es geschafft hatte, das arme Fahrzeug zu Schrott zu fahren. Während die junge Frau sich ein Abendessen zusammenbastelte, da sie zu müde war, irgendetwas Richtiges zu kochen, liess sie die Geschehnisse revu passieren… Kaum waren sie bei der ersten Frau angekommen (zum Glück war diese zu Hause gewesen), schon fing Zack mit der Schleimerei an. Frau Yatsume – verheiratet – war eh schon nicht so begeistert über den Besuch von der Polizei gewesen, aber nach Zacks Verhalten und seinem Macho-Gehabe hatte sie die beiden auf eine höffliche Weise rausgeschmissen. Nach einer halbstündigen Standpauke von Minako, waren die beiden weiter zur nächsten Frau gefahren. Dort hatte sich die Geschichte wiederholt… mit dem kleinen Unterschied, dass nun Minako das Opfer war. Während des Gesprächs konnte sich die junge Frau noch zusammenreissen, aber kaum waren sie draussen, bekam der Ermittler alles zu spüren, was sich in seiner Kollegin angestaut hatte. Die restlichen drei Besuche verliefen friedlich. Anscheinend hatte Zack seine Lektion endlich gelernt. Leider hatte dies nicht viel gebracht, denn die Ermittlungen blieben erfolglos. Von den fünf Frauen waren gerade mal zwei dem Kampfsport treu geblieben. Eine trainierte nur, um fit zu bleiben, und die restlichen beiden haben sich voll und ganz der Familie gewidmet. Alle fünf hatten während deren Kariere mindestens ein Mal von der tödlichen Technik des Wirbelsäulenbruches gehört, dennoch beteuerten alle, diese nicht zu beherschen. Die Technik war geheim und sehr kompliziert. Da sie auch tödlich war, wurde noch seit geraumer Zeit ein Verbot an alle Kampfschulen ausgesetzt, diese Kampfart zu praktizieren. Vielleicht gab es auch Unterlagen dazu, doch es glich eher einer Legende als der Realität. Während der Heimfahrt sagte niemand auch nur ein Wort. Erst als Minako ihren Mitarbeiter bei seinem Wohnblock absetzte, fragte er sie, ob sie mit ihm was trinken wollte. Doch die Frau lehnte ab. Sie war einfach zu müde, um irgendetwas zu machen, ausser nach Hause zu fahren und sich auf ihr Sofa zu stürzen. Dies sagte sie auch zu Zack, worauf er verständnisvoll nickte. Sie hatte Recht, es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Gut, hatte sie noch eine spitze Bemerkung bezüglich des Verhaltens ihres Mitarbeiters unterdrücken können. Nun, da sie endlich zu Hause war, konnte sie sich auf dem Sofa bequem machen und sich bei einem Film in Gesellschaft einer Tasse heissen Tee entspannen. Als der Film fertig war, warf Minako noch schnell einen Blick auf die Uhr. Der kleine Zeiger hatte die Marke neun schon überschritten. Also stand sie etwas schwerfällig auf, schlenderte in die Küche, wo sie die Tasse abwusch und begab sich anschliessend ins Bad. Sie konnte sagen, was sie wollte, aber der Tag hatte sie wirklich geschafft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)