Kill von Natsuki13 ================================================================================ Kapitel 2: Die Begegnung ------------------------ Die Begegnung Sie streckte sich ausgiebig und gähnte von ganzem Herzen. Ja, die Mütze voll Schlaf hatte ihr wirklich gut getan. Bevor sie aus dem Bett stieg, warf sie noch schnell einen Blick auf ihren Wecker. Der kleine Zeiger zeigte, dass es zwölf Uhr mittags war… "SCHEISSE!" Wie von einer Tarantel gestochen, sprang sie auf. Sie hatte doch glatt verschlafen! Dabei hatten sie schon vor einer Woche abgemacht, zusammen shoppen zu gehen. °Erstens: Dusche. Zweitens: Kaffe. Drittens: Frühstück. Viertens: Anziehen. Fünftens: Haare machen. Sechstens: Schminken. Siebtens: Beten, dass Eri mich nicht killt!!!° Vierzig Minuten später stürmte die junge Frau aus der Wohnung. "Da bist du ja endlich!", rief Eri aus. "Ich dachte schon, ich muss mir alleine ein Hochzeitskleid aussuchen!" "Tut mir echt leid.", keuchte die Neuangekommene. Eri schüttelte den Kopf: "Mensch, Revi, man kann sich doch nicht immer verspäten. Ich frage mich echt, warum dein Chef dich immer noch nicht rausgeschmissen hat…" "Ich schaffe es immer, im letzten Moment zu erscheinen." "Erscheinen… Das ist genau das richtige Wort für dich.", murrte Eri noch, was aber nicht mehr böse gemeint war. "Gehen wir." Ohne auf Revis Antwort abzuwarten, ging die junge Frau schon los. Der anderen blieb nichts anderes übrig, als gehorsam zu folgen. "Sag mal, Eri…", fing Revi vorsichtig an. "Deine Hochzeit findet doch erst im Juni statt… Meinst du nicht, dass es etwas zu früh ist, sich ein Hochzeitskleid zu suchen?" Ihre Freundin schüttelte nur den Kopf. "Revi, man merkt es, dass du noch nie verheiratet warst… Ein Hochzeitskleid muss mit viel Geduld und Hingabe ausgesucht werden. Das braucht halt seine Zeit." "Ja, aber wir haben erst August!", rief Revi verzweifelt aus. "Du könntest auch im Dezember oder Januar mit der Suche anfangen. Fünf bis sechs Monate würden für die Suche doch locker ausreichen." Der Blick, der sie durchbohrte, war mit Abstand das Tödlichste, was sie je erlebt hatte. "Wir suchen mir ein Hochzeitskleid und zwar jetzt.", presste Eri zwischen zusammen gepressten Zähnen aus, packte ihre Freundin am Arm und zerrte diese mit. Der jungen Frau blieb nichts anderes übrig, als das brave Lahm zu spielen. Ihre Freundin war recht fanatisch, was ihre bevorstehende Hochzeit betraf… "Ich kann nicht mehr.", gab Zero von sich total erschöpft. Die ganzen Befragungen dieses Morgens hatten ihn echt geschafft. Es reichte schon, dass es sich dabei um von Panik ergriffene Frauen handelte. Aber nein, es musste sich dabei um von Panik ergriffene, Männer verachtende Lesben handeln! Nicht zu vergessen, dass sie alle unter Drogen standen und einen hohen Alkoholpegel aufwiesen. Er hatte nichts gegen sexuelle Minderheiten, aber… Seine Kollegin sah ihn mitleidig an. Sie hatte es etwas einfacher gehabt, da sie ja nun mal eine Frau war. "Das war sicher kein Zuckerschlecken." "Nein. Nicht, wenn du von jeder befragten Person tötende Blicke ernten musst. Obwohl man das gar nicht als Befragung bezeichnen kann. Die waren ja alle entweder high, oder stockbesoffen, oder eben beides." Er seufzte. "Auf die Informationen können wir uns nicht verlassen. " Egal, wer was gesagt hatte, es was keinen Deut wert, solange diese Worte unter dem Einfluss von Rauschmitteln ausgesprochen wurden, das wusste jeder Beamte. Es herrschte für einige Zeit Stille im Auto, in dem sie sassen, bis die Frau das Schweigen brach: "Darf ich rauchen?" "Nur zu. Mach nur das Fenster auf." "Sag mal, wie läuft es eigentlich mit Mitsuki?", fragte Zeros Kollegin nach, nachdem sie einen tiefen Zug genommen hatte. "Nicht so toll… Weißt du, Minako, irgendwie sind wir uns ganz fremd geworden.", meinte der junge Mann. Minako stutzte: "Fremd? Aber ihr seid doch schon seit fünf Jahren zusammen. Wie könnt ihr euch dann fremd sein?" Er fuhr mit der Hand über seine schwarzen, kurzen Haare. "Ich weiss es auch nicht. Ich meine, natürlich machen wir Vieles zusammen und so, aber… Als ich heute Morgen gehen musste, war sie weder wütend, noch empört, noch sonst irgendwas. Klar, so etwas wünscht sich jeder Beamter, aber, wie man es so schön sagt, übertreiben kann man immer. Sie hat lediglich nachgefragt, ob ich gehen müsse. Sachlich, ohne jegliche Emotionen." Er sah seine Gesprächspartnerin direkt an. "Kalt. Es ist kalt neben ihr. SIE ist kalt… und ich friere in ihrer Nähe." Minako lauschte aufmerksam zu. Es war nicht das erste Mal, dass Zero ihr sein Herz ausschüttete. Im Grunde genommen wusste sie mit Abstand über alles, was sein Liebesleben betraf, bescheid. Sie nahm einen weiteren Zog: "Kyo wird aber alles andere als begeistert sein, wenn er dies erfährt. Du weißt ja, wie sehr er an Mitsuki hängt. Schliesslich ist sie seine kleine Schwester." "Hm… Vielleicht wird er nicht so heftig reagieren, wenn ich es ihm erkläre? Ich meine, wir sind beide erwachsene Männer und es ist nichts Weltbewegendes, wenn zwei Leute miteinander Schluss macht." "Versuchen kannst du es auf jeden Fall.", meinte Minako nach einigen Überlegungen. Wieder kehrte die Stille in das Fahrzeug, doch dieses Mal war es der junge Mann, der seine Stimme erhob: "Willst du einen Kaffee?" "Au ja, und noch etwas zu essen, falls möglich. Ich verhungere demnächst." So stieg er aus dem Wagen aus und ging zur nächst besten Imbissbude. Doch kaum sah er das Essen dort, wurde es ihm übel. Das Zeug sah aus, als hätte man es zwei Wochen lang an der Hitze liegen gelassen. Daher entschied er sich weiter zu gehen. °Gott, ist das nervig. Wie kann man wegen einem Schleier ein solches Theater veranstalten?° Revi schüttelte den Kopf. Ihre Freundin konnte äusserst euphorisch und fanatisch sein. Nun stritt diese sich mit der Verkäuferin über die Länge des Schleiers. Eri hatte irgendwo gelesen, dass der Schleier genau fünfundsiebzig Zentimeter lang sein musste, wenn das Paar über lange Zeit glücklich verheiratet bleiben wollte. Wo die Frau DEN Mist her hatte, wusste Revi nicht und wollte dies, ehrlich gesagt, auch nicht erfahren. Das Einzige, was sie sich in dem Moment wünschte, war schleunigst aus dem Laden zu verschwinden. Sie rief nur noch: "Ich hol' mir einen Kaffee!" Und schon war sie weg. Nun suchte sie nach einem geeigneten Ort, um ihren Kaffee ungestört geniessen zu können. Dabei bemerkte sie nicht den Jugendlichen, der genau auf sie zusteuerte. Natürlich kam es zu einem Zusammenstoss, wobei sie den Kaffee nur durch ein Wunder nicht verschüttete. "Pass doch auf, du dumme Kuh.", murrte der Jugendlicher und verschwand in der Menge. Revi blieb der Mund offen stehen. Solch eine Frechheit hatte sie nun wirklich nicht erwartet. "Idiot.", zischte sie durch die Zähne und drehte sich um… und dieses Mal war ihr Kaffee nicht mehr zu retten gewesen… °Also, habe ich nun alles?° Er zählte in Gedanken noch mal auf, was er alles besorgen musste. Nach drei weiteren unsympathischen Imbissbuden hatte er endlich eine gefunden, in der er geniessbaren Kaffee und vernünftiges Essen kaufen konnte. Nun war er auf dem Rückweg zum Auto und zählte alles durch, was er gekauft hatte. °Hm, ich glaube, ich habe nichts vergessen.°, resümierte er zufrieden. Noch zufriedener war die Tatsache, dass das Auto gerade mal zwanzig Meter von ihm entfernt stand. °Endlich mal etwas Positives an diesem verschissenen Tag.° Doch da hatte Zero sich zu früh gefreut. Er schaffte es gerade noch eine Frauengestalt vor ihm zu sehen und schon wurde er mit etwas Heissem übergossen. "Oh mein Gott, bitte entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht gesehen.", ertönte eine hektische Stimme, die definitiv weiblich war. Er sah nach unten und bemerkte einen schwarzen Haarschopf. Das Gesicht, welches die Haare umrahmten, war eigentlich sehr schön. So weit er dies von seiner Perspektive aus beurteilen konnte, hatte die Frau vor ihm ein ovales Gesicht mit relativ hohen Wangenknochen und etwas hoher Stirn. Die Nase war nicht perfekt gerade, eher etwas bucklig, doch dies störte das Bild nicht in kleinster Weise. Im Gegenteil, es brachte das gewisse Etwas in die Gesichtszüge der Frau vor ihm. Die Augen wurden von etwas breiteren Augenbrauen betont. Er konnte die Augenfarbe nicht erkennen, da die Frau nach unten zu ihrer Tasche sah, aus der sie versuchte, Taschentücher herauszufischen. Die vollen Lippen murmelten Entschuldigungen. Im Grossen und Ganzen schätzte er sie auf etwa einundzwanzig bis vierundzwanzig Jahre. "Das tut mir schrecklich leid.", meinte sie erneut und reichte ihm eine Packung Papiertaschentücher, die sie endlich finden konnte. Die Papiertüte mit dem Essen und den Getränken in einer Hand haltend, nahm er mit der anderen das Angebotene… und hatte das Gefühl, von Innen zu verbrennen. Dunkle, braune Augen waren nun auf ihn gerichtet, in denen ein Feuer loderte, den er noch nie zuvor erlebt hatte. Die Berührung der zarten Haut der schmalen, gepflegten Finger hinterliess ein angenehmes Prickeln auf seiner Hand. Für einen Moment lang fehlte ihm die Sprache, doch er kam schon bald wieder zu sich. "Ist halb so schlimm. Auf Schwarz sieht man Kaffeeflecken nicht." Er wies auf sein T-Shirt und seine Hose, die beide schwarz waren. Die Frau lächelte ihn an, wobei ihre Augen zu lodern schienen… "Da bist du ja! Wie konntest du nur einfach so abhauen?!" °Eri, wieso tauchst du immer dann auf, wenn dies gar nicht nötig ist?° Um ein Haar hätte Revi geseufzt. Eri kam angestürmt, packte ihre Freundin am Arm und bugsierte diese zum nächsten Laden. Revi schaffte nur noch, einen kurzen Blick nach hinten zu werfen und ein "Man sieht sich, Fremder." mit den Lippen zu formen. Dann verschwand er auf ihrem Blickfeld. Zero stand da, wie vom Donner gerührt. Der letzte Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, liess es ihm heiss und kalt den Rücken runter laufen. Das Feuer der Augen der Unbekannten durchbohrte ihn und liess es ihm kochendheiss werden. °Wer war das?°, fragte er sich immer wieder. Doch auf eine Antwort konnte er noch lange warten… "Was War Denn Das?", fragte Minako, wobei sie jedes Wort separat betonte. Zero war endlich beim Auto angelangt und verteilte das Essen und die Getränke. Anscheinend hatte die junge Frau die ganze Szene vom Wagen aus gesehen. Er zuckte mit den Schultern. Er selbst wusste auch nicht, was das gerade eben gewesen war, doch schon allein der Gedanke daran liess es ihm wieder heiss werden. Prüfend musterte Minako ihren Kollegen und Freund: "Hm… Ich glaube, du hast dich in die verguckt." "Hör auf mit dem Scheiss und iss endlich, sonst wird mein Geld noch kalt." Mit diesen Worten biss er in den saftigen Burger und spülte diesen mit einem Schluck Kaffee runter. "Wer war denn das?", fragte Eri mit einem viel sagenden Seitenblick. "Wer denn?", lautete Revis Gegenfrage. "Komm schon, spiel nicht die Dumme. Du weißt genau, wen ich meine. Den Typen, in dessen Armen du fast gelegen bist." Die junge Frau rutschte noch näher zu ihrer Freundin. "Also, wer ist er? Kennst du ihn?" "Eri, hör auf mit dem Scheiss, ich kenn ihn gar nicht. Ich habe ihn aus Versehen mit meinem Kaffee übergossen, weil ich ihn nicht bemerkt habe. Das ist alles." "Wie heisst er? Hast du seine Telefonnummer?", hackte Eri weiter nach, was bei ihrer Freundin nur ein genervtes Seufzen hervor rief. "Nein, habe ich nicht und ich habe auch nicht vor, diese zu bekommen. Und seinen Namen kenne ich auch nicht, also hör jetzt endlich damit auf. Das nervt." "Oh.", machte die zukünftige Braut etwas geknickt. Anscheinend war dies doch keine romantische Geschichte über die Liebe auf den ersten Blick. Das war schade, denn Eri liebte solche Geschichten über alles und glaubte an die Liebe bis in alle Ewigkeit. Dummerweise hatte ihre Freundin Revi ihre eigene Theorie. Nämlich, dass man einen Menschen erst kennen musste, bevor man sich verliebte. °Sie hat wirklich keinen Spürsinn für Romantik.°, tadelte Eri in Gedanken über die junge Frau neben ihr. Revi hingegen hatte ihre eigenen Gedanken betreffend dem Vorfall. Sie gab ehrlich zu, dass der Mann ganz nach ihrem Geschmack war. Gross, durchtrainiert, mit schwarzem, etwas längerem Haar, welches nicht ganz seine Ohren verdeckte. Doch seine Augen waren das faszinierendste an ihm. So tief und unergründlich… und die junge Frau liebte alles, was unbekannt war. °Wer er wohl war?…° Aber dann nahm sie sich zusammen. °Nein, so was darf ich nicht denken. Selbst, wenn ich wüsste, wer er war, dürfte ich nichts mit ihm anfangen. Nicht, wenn man eine wie ich ist.° Mit diesem Satz waren ihre Überlegungen beendet. "Sag mal, Eri, hast du dir den Schleier gekauft?", fragte Revi, um die gefährliche Atmosphäre zu beseitigen. Kaum hatte Revis Freundin die Frage gehört, schon war sie wieder auf hundertachtzig. "Nein, habe ich nicht. Du wirst es gar nicht glauben…" Und schon war Eri nicht zu stoppen. Revi war dies nur Recht. Sie musste nur ab und zu nicken oder sonst irgendwelche kurze Kommentare abgeben, damit ihre Freundin weiter quasselte. Denn die junge Frau selbst hatte vollkommen andere Sachen im Kopf. "Was wirst du heute so machen?" Minakos Frage ertönte vollkommen unerwartet, denn seit ungefähr einer Viertelstunde im Auto Stille geherrscht hatte. "Beruflich oder allgemein?", versuchte Zero seine kommende Antwort etwas einzuschränken. "Beides." °OK, hat nicht geklappt.° "Öhm… Ich werde Yukio noch einen Besuch bei ihr zu Hause abstatten. Vielleicht haben die Jungs von der Spurensicherung da etwas gefunden. Und dann… ja, keine Ahnung. Wahrscheinlich werde ich zu Mitsuki gehen. Dann kann ich in aller Ruhe mit ihr über unsere Beziehung reden." Seine Kollegin sah ihn etwas skeptisch an. "Bist du sicher, dass du es heute machen willst? Ich meine, du hast schon genug Aufruhr für heute gehabt. Meinst du, du könntest noch mehr vertragen?" "Mitsuki ist kein kleines Mädchen mehr. Ich werde gewiss mit ihr normal reden können, ohne dass mir das gesamte Geschirr auf den Kopf fliegt. Zumal denke ich, dass es sie genau so beschäftig wie mich. Aber natürlich werde ich erst mal herausfinden, was sie von unserer Beziehung hält. Wenn unsere Meinungen übereinstimmen, dann wird es kein Problem mehr geben." "Doch, ein Problem wäre da noch. Kyo.", gab Minako von sich zu hören, während sie eine weitere Zigarette anzündete. "Du weißt ja, wie sehr er um das Wohl seiner Schwester besorgt ist. Käme jemand auf den Gedanken, Mitsuki auch nur ein Haar zu krümmen, könnte der seine Einzelteile in der gesamten Stadt zusammensuchen." "Lass das, Minako. Du machst ja glatt ein Monster aus ihm.", tadelte Zero seine Arbeitskollegin. "So schlimm wird es jawohl nicht sein. Du vergisst, dass Kyo ein erwachsener Mann ist. Es wird wohl möglich sein, mit ihm ein ernsthaftes Gespräch unter Männer führen zu können." "Hoffen wir, dass alles gut klappt.", resümierte Minako und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. Der Rest des Weges zum Hauptquartier verlief ohne weitere Gespräche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)