Was Mut bewegt von Katherine_Pierce (Du bist nicht auf der Welt, um zu schweigen) ================================================================================ Kapitel 6: Nächtliche Unternehmung ---------------------------------- Kapitel Sechs: Nächtliche Unternehmung Ein paar Minuten starrte Luna die Worte auf dem schweren Papier nur fassungslos an. Das musste ein Witz sein! Gleich würde Malfoy um die Ecke geschossen kommen, um ihr zu sagen, dass sie dämlicher war, als das Zaubereiministerium erlaubte. Dass sie voll auf ihn reingefallen war. Aber alles blieb ruhig. Keine Spur von Malfoy oder sonst wem. Luna war völlig allein. Konnte er das ernst meinen? Durfte sie dem Eisprinzen von Slytherin so weit vertrauen? Andererseits war er in Hogsmeade sehr nett zu ihr gewesen, verglichen mit seinem früheren Benehmen. Irgendwie hatte er besorgt gewirkt. Und er schien weicher und mitleidsvoller geworden zu sein. Oder kam ihr das nur so vor? Auf jeden Fall aber, war Luna äußerst gespannt, ob er denn auch käme. Nur wenn sie selbst hinginge, würde sie erfahren, ob die Nachricht ernst gemeint war oder nicht. Also musste sie wohl oder übel über ihren Schatten springen und einem Slytherin vertrauen. Das fiel Luna nicht unbedingt leicht. Sie vertraute niemals leichtfertig. Ginny zum Beispiel hatte über ein halbes Jahr gebraucht, um Luna auch nur ein Geheimnis zu entlocken. Eigentlich hielt die Ravenclaw sich nicht für besonders mysteriös oder interessant, aber alle Welt vermutete immer, dass sie Leichen im Keller hatte. Nachdem Luna sich erstmal dazu durchgerungen hatte, sich mit Malfoy zu treffen, hieß es, abwarten. Irgendwie musste sie die Zeit bis Montag um Mitternacht herumkriegen. Einen Großteil des morgigen Tages würde sie mit Unterricht verbringen, aber dieser Sonntag wollte auch noch bewältigt werden. ‚Da fällt mir ein, dass ich noch meinen Aufsatz für Zauberkunst fertig schreiben muss.’ Luna war an diesem Sonntag nicht die Einzige, die noch Hausaufgaben nachzuholen hatte. Genau genommen war die Bibliothek sogar überfüllt, da ein Großteil der Schüler über Hogsmeade vergessen hatte, dass es auch noch solche Pflichten gab wie Schularbeiten. Es war daher nicht verwunderlich, dass in der sonst so ruhigen Bibliothek ein reges Treiben herrschte, was vor allem Madam Pince gar nicht passte. Sie konnte unmöglich all diese Schüler im Auge behalten, Bücher verleihen und Strafpredigten halten. Multitasking war ein Wort, das die Bibliothekarin nicht kannte. So war Madam Pince denn ein wenig überfordert. Sie konnte nicht verhindern, dass der Lärmpegel höher war als üblich und irgendwann gab sie es einfach auf. Luna hingegen fand das Ganze amüsant. Sie beobachtete gern die anderen Schüler und fragte sich, wo es bei ihnen wohl hapern mochte. Hatten sie Freunde? Liebten sie jemanden? Luna konnte einfach nicht anders, sie interessierte sich für ihre Mitmenschen und ihre Schicksale. Da sie so vertieft war in die Betrachtung der anderen Schüler, bemerkte sie nicht, dass Ginny auf sie zugetreten war. Die Löwin wollte ihr Versprechen Hermine gegenüber wahr machen und die gemeinsame Freundin vor Draco Malfoy warnen. Um Luna nicht zu erschrecken, räusperte Ginny sich extra laut. Daraufhin wandte die Ravenclaw sich um. Allerdings wurde ihr Blick düster, als sie das Weasley- Mädchen erkannte. „Hi, Luna. Kann ich mich zu dir setzen?“ „Klar. Du bist ein freier Mensch, du kannst tun, was immer dir beliebt.“, antwortete Luna verstimmt. Ginny bemerkte natürlich, dass etwas nicht zu stimmen schien. Sie nahm rasch Platz, Luna gegenüber und musterte die Freundin scharf. „Ich hab von Neville gehört, dass es nicht so gut gelaufen ist.“, begann der Rotschopf, wurde aber sogleich von Luna unterbrochen: „Nicht so gut gelaufen? Es war ein Debakel, ein einziges Desaster!“ „Schon gut, schon gut!“ Ginny hob abwehrend die Hände. Sie musste sich wohl oder übel ihr Versagen in Sachen Kuppeln eingestehen. „Nichts ist gut! Neville ist sauer auf mich, was ich ihm nicht verdenken kann und dann ist Malfoy auch noch nett zu mir! Das ist alles nur deine Schuld, Ginny!“ Anklagend sah Luna die Löwin an, die Hände auf den Tisch gestützt. Unwillkürlich hatte die Blonde sich erhoben. Ginny seufzte. „Ich geb zu, ich hab echt Mist gebaut. Sorry, Luna. Ich wollte nicht, dass die Dinge so eskalieren. Aber ich hab wirklich geglaubt, dass du Neville nur etwas besser kennen lernen musst, um dir klar zu werden, dass du ihn magst. Offensichtlich lag ich da falsch und hab euch beide unglücklich gemacht. Auch das war nicht beabsichtigt.“ Die reuigen Worte Ginnys besänftigten Luna ein wenig. Dennoch war sie nicht geneigt, ihrer Freundin so rasch zu verzeihen. Aber die Ravenclaw ahnte ja auch noch gar nicht, weshalb Ginny sich eigentlich herbemüht hatte. Jedenfalls war Rons Schwester überaus erleichtert, dass Luna sie nicht gleich in der Luft zerriss. Jetzt konnte sie das heikle Thema Draco Malfoy anschneiden. „Ähm...Luna?“, hob Ginny zu Sprechen an. „Ja?“ „Stimmt es, dass Draco Malfoy dich und Neville beim Knutschen erwischt hat?“ Genervt seufzte Luna. „Nein, er hat mich praktisch vor Nevilles Kussattacke gerettet. Nichts gegen Neville, aber das ging dann doch eindeutig zu weit!“ „Du hast dann also den Rest des Tages mit Malfoy verbracht?“, bohrte Ginny. Dazu nickte Luna nur. Weshalb es verleugnen? Irgendwann würden sie es sowieso alle erfahren. In Hogwarts etwas geheim zu halten war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Man konnte sich nie sicher sein, ob nicht doch jemand spionierte. „Oha. Luna, darf ich dich etwas sehr Ernstes und Privates fragen?“ „Nur zu.“ „Stehst du auf Malfoy?“ Sie hatte ja mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Ihr entgleisten die Gesichtszüge. Wie konnte Ginny wagen, sie so etwas zu fragen? War denn die Antwort nicht eindeutig? Ja, war sie es denn überhaupt? Luna stutzte. Noch zu Beginn des Schuljahres hätte sie wie aus der Pistole geschossen ‚Nein’ geantwortet. Und es wäre die Wahrheit gewesen. Aber jetzt? Sie wusste es beim besten Willen nicht. Allerdings war Luna klar, dass Ginny eine Antwort erwartete. Nur, was sollte sie sagen? Es war allgemein bekannt, dass Loony Lovegood immer frei heraus sagte, was sie dachte und fühlte. Ihre Freunde hielten große Stücke auf ihre Ehrlichkeit. War es Lüge, wenn sie Ginnys Frage geschickt auswich? „Luna?“ Fragend sah Ginny die Freundin an. Luna war ganz bleich geworden, dann wieder leuchtend rot. Was ging nur in ihr vor? Manchmal verstand sie ihre Freundin kein bisschen. „Luna?“, wiederholte die Löwin ihre Frage. Abrupt sah die Angesprochene auf. „Ich weiß es nicht!“, rief sie verzweifelt aus, schnappte sich ihre Tasche und floh. Floh vor Ginny und ihren fragenden, wissbegierigen Augen. Vor der ganzen Welt. Vor sich selbst und dem Gefühlswirrwarr, der in ihr tobte. Der sie zu ertränken drohte. Tränen schossen ihr in die hellen, klugen Augen. Doch es kümmerte Luna nicht. Verdattert sah Ginny ihrer Freundin nach. ‚Was war das denn eben?’ Sie verstand die Welt nicht mehr. Ginny war sich ganz sicher, dass Luna ihre Frage noch vor kurzem mit einem einfachen und ehrlichen Nein beantwortet hätte. Also gab es nur eine Möglichkeit: sie hatte von Anfang an Recht gehabt mit ihrer Vermutung, dass Luna sich in den Eisprinzen von Slytherin verliebt hatte und nun zutiefst unglücklich war. Um sich nicht bloßzustellen und Ginny nicht zu belügen, hatte sie dann ihr ‚Ich weiß es nicht’ ausgesprochen. Und war abgehauen. Das verstärkte nur den Verdacht, dass Ginny voll ins Schwarze getroffen hatte. „Mist...Luna...Warum musste es er sein?“ „Wer?“ Erschrocken drehte Ginny sich um. Da stand aber nur Dean hinter ihr und musterte sie neugierig. Die Löwin lächelte. „Ach, nichts Wichtiges. Du weißt schon, Mädchenkram.“ Dean grinste, dann zog er Ginny von ihrem Stuhl. „Komm, gehen wir woanders hin.“ Die Rothaarige nickte, hakte sich bei Dean ein und verschwand mit ihm an einen privateren Ort. Kurz darauf hatte Ginny die Sache mit Luna erfolgreich verdrängt und gab sich ganz den Zärtlichkeiten ihres Freundes hin. Warum konnte es nicht immer so sein wie jetzt? Der Sonntag verging für Luna quälend langsam. Nachdem sie die Bibliothek so fluchtartig verlassen hatte, war sie in den Erker im zweiten Stock geflohen. Dort schrieb sie ihren Zauberkunst- Aufsatz zuende, blieb dort aber den Rest des Tages, aus Angst entweder Ginny, Neville oder gar Malfoy über den Weg zu laufen. Das hätte sie nicht ertragen. Man sah es ihr nicht an, aber sie war sehr sensibel. Meistens hatte sie keinen Kummer, da sie inzwischen an die abfälligen Bemerkungen der anderen Schüler gewöhnt war. Nun ja, sie war halt anders. Na und? Luna seufzte. Warum war das Leben nur so kompliziert? Zum Abendessen aber musste Luna notgedrungen wieder in das übliche Schultreiben eintauchen, so sehr es ihr auch zuwider sein mochte. Sie hielt den Blick gesenkt und versuchte möglichst unauffällig zu sein. Als sie am Tisch der Slytherins vorbeikam, legte sie einen Zahn zu, um rasch ihren Platz zu erreichen. In ihr arbeitete es fieberhaft. Sie war sich noch immer nicht im Klaren darüber, warum sie nicht wusste, ob sie in Draco Malfoy verliebt war. Ein Seufzer entfuhr ihr. „Immer ich...“, murmelte sie leise und stieß prompt mit jemandem zusammen, weil sie nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte. Mit einem hastig gemurmelten ‚Verzeihung’ schob sie sich an Malfoy vorbei. Denn er war es, mit dem sie kollidiert war. Selbiger starrte ihr irritiert nach. Irgendetwas konnte doch mit Luna nicht in Ordnung sein. Er hatte sie am Morgen genauestens beobachtet, war ihr sogar zu diesem Erker gefolgt, nur, damit er ihre Reaktion auf sein Schreiben sehen konnte. Offensichtlich hatte es sie aus der Bahn geworfen. Und Draco kam nicht umhin, sich zu fragen, wieso. Zum Glück zog der Montag sich nicht lang. Kaum dass Luna eingeschlafen war, musste sie auch schon wieder aufstehen, um sich für die Schule fertig zu machen. Zumindest kam ihr das so vor. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie mal wieder spät dran war. „Auch das noch!“, fluchte sie, als sie einen losen Saum an ihrem Rock bemerkte. Aber damit konnte sie sich jetzt nicht rumschlagen, wenn sie nicht Professor Slughorn verärgern wollte, bei dem sie Zaubertränke hatte in den ersten beiden Stunden. Schon hetzte sie davon, sich unterwegs die Krawatte bindend, stürmte in die Große Halle, schnappte sich eine Scheibe Toast und rannte alarmmäßig weiter in Richtung Kerker. Zu ihrem maßlosen Entsetzen musste Luna zweierlei feststellen. Erstens war sie verdammt spät dran und zweitens hatte sie sich in ihrem Stundenplan vertan. Diesen Fehler bemerkte sie allerdings erst, als sie schon in Slughorns Unterricht geplatzt war und sich prompt Draco Malfoy gegenüber sah. Luna spürte ihre Wangen heiß werden. „Nanu, Miss Lovegood, was tun Sie denn hier?“, fragte Slughorn erstaunt. Luna schluckte, dann antwortete sie zerknirscht: „Verzeihung, Sir, ich habe mich bloß in meinem Stundenplan vertan. Ich wollte wirklich nicht stören!“ Und damit gab Luna Fersengeld, wobei sie in ihrer Tasche herumkramte, um nachzusehen, was sie denn nun eigentlich hätte. Arithmantik bei Professor Vektor. Da konnte sie sich ja schon mal gleich ihr Grab schaufeln gehen. Draco, dem die Nacht auch ziemlich kurz vorgekommen war, wäre beinahe aus den Puschen gekippt, als er Luna vor sich abbremsen sah. Offensichtlich war sie durch den Wind, wie ihre Entschuldigung an Professor Slughorn bewies. Was Draco aber den Rest der Zaubertrankstunde über beschäftigte, war ihr Erröten. Kaum, dass sie ihn gesehen hatte, war sie leuchtend rot angelaufen. Verbissen grübelte der Slytherin über eine Lösung nach, bis ihm einfiel, dass er sie ja heute Nacht treffen würde. Er grinste. Das war die perfekte Gelegenheit, um sie danach zu fragen. „Mr Malfoy, was grinsen Sie denn so?“, riss Professor Slughorn den Slytherin aus seinen Gedanken. „Wie bitte?“ Draco war völlig aus dem Konzept. Verwirrt sah er seinen Lehrer an. „Sie grinsen ja wie ein Honigkuchenpferd.“ „Wie bitte?“, wiederholte Draco schwach. „Konzentrieren Sie sich gefälligst auf den Stärkungstrank!“ Slughorn warf Draco einen scharfen Blick zu. Dieser nickte bedröppelt. „Ja, Sir, entschuldigen Sie, Sir.“ So zerknirscht und unterwürfig hatte man Draco Malfoy noch nie gesehen. Nicht wenige seiner Mitschüler wunderten sich über sein Verhalten. Mitternacht. Die Stunde der Wahrheit. Jetzt würde sich zeigen, ob Hoffnungen geschürt oder zerstört würden. Es war nicht leicht gewesen, sich mitten in der Nacht aus dem Schlafsaal zu schleichen und vor den Raum der Wünsche zu gelangen, ohne von Filch, Mrs Norris oder Peeves erwischt zu werden. Aber jetzt hatte sie es geschafft. Alles war gut gegangen, fehlte nur noch Malfoy. Irgendwo verklangen die letzten Schläge einer Uhr. „Danke, dass du gekommen bist.“ Mit diesen Worten trat Draco Malfoy hinter einer Säule hervor, deren Schatten ihn verborgen hatte. Luna hatte damit nicht gerechnet und fuhr zusammen. Seit wann war sie nur so schreckhaft? Oder lag es an Malfoy? Der Slytherin kam näher. Auf seinen Zügen lag ein leichtes Lächeln. Er gab es ja nur ungern zu, aber er war heilfroh, dass Luna hergekommen war. „Du wolltest mich treffen?“, fragte das Mädchen ganz ungeniert. „Ja.“, antwortete er schlicht. Immerhin hatte er ihr diese Nachricht geschickt, da konnte er schlecht leugnen, sie sehen zu wollen. Luna sagte nichts darauf, sondern wartete, was nun passieren würde. In seiner Nachricht hatte er geschrieben, dass er ihr etwas geben wollte. Was das wohl sein mochte? Draco kam noch näher, so dass er nun unmittelbar vor Luna stand. Seltsamerweise schlug ihm das Herz bis zum Hals. Noch nie war er so nervös gewesen. Mondlicht fiel durch ein großes Fenster herein und beschien die Szenerie. Lunas Haare schimmerten in dem silbrigen Licht, ja, wirkten fast selbst wie flüssiges Silber. Er hatte gar nicht gewusst, dass Luna Lovegood so hübsch aussehen konnte. Und das machte sein Vorhaben nur noch schwerer. „Draco?“, fragte sie leise, klang fast schon erwartungsvoll. Sein Lächeln wurde breiter. Ja, warum sollte er sich denn nicht trauen? Dafür brauchte man keinen Löwenmut. Luna wunderte sich, dass er schwieg. Nun ja, entschuldigt hatte er sich in dem Brief ja schon. Aber was bei Merlins Bart, wollte er ihr geben? Das sollte Luna im nächsten Moment erfahren. Eben noch war er einen Kopf größer gewesen, jetzt hatte er sich zu ihr heruntergebeugt und küsste sie! Vor Staunen standen Lunas Augen weit offen. Das konnte doch nicht wahr sein! Ganz unmöglich! Aber es war wahr. Und nach einem Moment des Zögerns ergab sie sich seinem Kuss, schloss ihre Augen und spürte, wie seine Arme sie sanft umfingen. Es war einfach nur himmlisch... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)