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Bis zum Ende

von

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Prolog

Hallo! Mein Name ist Antonia Richter. Ich bin 16 Jahre alt und werde bald in die 10.Klasse des Lessing-Gymnasium gehen. Aus meiner alten Schule musste ich weg, weil mein Vater jetzt eine Stelle hier in Münster angenommen hat. Vorher haben wir in der Nähe von München gewohnt. In einem kleinen Dorf. Ich bin ein Landkind und jetzt wohne ich mitten in der Stadt. Auch nicht schlecht.

Heute ist der 1. Schultag! Ich betrete das Schulhaus. Überall sind Schüler und Lehrer. Ich gehe zu dem Plan mit den Nummern der Klassenzimmer und den Namen der Schüler in den Klassen. Ich such die Listen der 10. Klassen durch. Ich finde mich bei der 10d. Aha! Also los! Zimmer 308. Das muss im 3. Stock sein.

Ich gehe die Treppe bis zum 3.Stock hoch. Vor dem Klassenzimmer stehen schon ganz viele Leute. Ich werde von einem Mädchen begrüßt: „Hallo, bist du die Neue in der 10d?“ „Ja, ich bin die Antonia Richter!“ In diesem Moment kommt Herr Berner, unser Klassenlehrer, den Flur entlang. „Guten Morgen!“ Er schließt das Klassenzimmer auf und alle Schüler stürmen herein. „Antonia komm doch zu uns!“, das Mädchen von vorhin ruft mich zu sich. „Ich heiße übrigens Marie“

Im Laufe des Tages lerne ich sowohl die Schüler als auch die Lehrer kennen.

In meine Klasse gehen 25 Schüler, 19 Mädchen und 6 Jungen.
 

Ich dachte wirklich, dass ich in dieser Klasse sehr viel Spaß haben würde. Sie schienen sich untereinander alle gut zu verstehen. In meiner alten Klasse gab es immer einige kleine Gruppen. Hier scheint es nur eine Gruppe zu geben. Vor allem konnte ich mich ja von Anfang an gut mit den Mädchen unterhalten.

Einige Wochen war alles richtig super. Ich fühlte mich richtig wohl! Ich hatte keine spezielle Freundin, ich redete mit allen. Ich fand schon bald raus, dass sich die anderen aus der Klasse sich nach der Schule im Park noch trafen, aber ich musste ja immer sofort heim. Auch gingen sie oft am Wochenende zusammen weg. In Diskos und auf Partys. Ich war etwas unsicher in der Richtung! Ich denke schon, dass ich meine Eltern überreden könnte, aber sie würden erst mal schimpfen. Von meinem Bruder Sebastian kennen sie das ja nicht. Basti geht nicht gerne weg. Er sitzt lieber zuhause an seinem Computer. Ich denke sie würden mich auch abholen, aber nicht ohne zu motzen und ich hasse Streit, weil ich Angst habe angeschrieen zu werden.

So wurde ich nach und nach zu dem ruhigen Mädchen, von dem eigentlich viele nichts wissen. Und plötzlich von einem auf den anderen Tag wurden die Jungs komisch zu mir. Ich hatte nie viel mit ihnen zu tun und sie haben mich einfach in Ruhe gelassen. Aber jetzt fingen sie, wenn ich etwas Falsches gesagt habe, an sich über mich lustig zu machen. Ich dachte mir nichts dabei, da die Jungs gerne andere verarschen. Aber es wurde von Tag zu Tag mehr. Ich wehrte mich nicht dagegen. Das habe ich noch nie gemacht. Ich dachte, die würden bald damit aufhören, aber es wurde nur noch schlimmer. Es war nicht wirklich Mobbing, niemand tat mir äußerlich weh, die Mädchen waren immer noch freundlich zu mir. Aber die Jungs verletzten mich trotzdem. Sie lachten, wenn ich zur Tür hereinkam, sie nannten mich „Hoa“ oder die „Starke“, „stark“ war in unserer Klasse ein Verarschungswort. „Man bist du stark!“, war immer als Verarschung gedacht. Alle lachten darüber, aber für mich war es nicht mehr als die reine Beleidigung! Egal was ich tat, es war von Anfang an einfach nur stark. Mir tat es weh! Aber wie immer in meinem Leben schwieg ich.
 

Nun war ich schon drei Monate in dieser Klasse. Ich war immer ruhig und ließ mich, ohne meine Gefühle zu zeigen, von den Jungs ärgern. Keiner wusste davon nicht meine Eltern, nicht meine Brüder, keiner! Keiner kannte meine Gefühle – Nur ein einziges Mädchen: Birgit. Ich hatte sie schon bald, nachdem ich in diese Schule gekommen bin, kennen gelernt. Wir sind uns öfter auf dem Schulflur begegnet. Vier Wochen nach Schulbeginn war dann ein sogenanntes „Sport- und Spielfest“. Am Anfang stand ich mit meinem Bruder Basti am Rand der Felder auf dem Sportplatz und wartete auf die Mädels aus meiner Klasse. Plötzlich kam die Birgit auf uns zu und meinte: „Du bist doch die Toni aus der d, oder?“ „Ja, wieso?“ „Nur so! Ich will ja wissen mit wem ich rede!“ Wir unterhielten uns eine Weile, mittlerweile war mein Bruder auch schon mit den Jungs aus seiner Klasse verschwunden.

Nach dem Sportfest wartete die Birgit auf mich am Tor und meinte: „Ich hab deinem Bruder versprochen, dich sicher zum Bus zu bringen!“ Wir lachten beide. In der Straßenbahn unterhielten wir uns wieder. Und ich weiß nicht, wie es kam, aber von diesem Augenblick an waren wir Freundinnen. Wir verbrachten alle Pausen zusammen und ab und zu übernachtete ich auch bei ihr oder sie bei mir. Nach ein paar Wochen verriet sie mir, dass sie sich in meinen Bruder verliebt hatte.

Es war mal wieder ein Morgen wie jeder andere. Ich stand auf und fuhr mit dem Bus zusammen mit meinen Brüdern Christoph und Basti und noch ein paar Mädels in Chrisis Alter, Susanne, Verena und Marina, zur Schule. Wir redeten wie jeden Morgen über irgendwelchen Scheiß. Chris hatte sich schon zu seinen Freunden aus seiner Klasse verzogen.

Als wir dann 20 Minuten später aus der Straßenbahn stiegen, verabschiedeten wir uns von der Sanne, weil sie als einzige in eine andere Schule geht und deswegen weiterfahren muss. Die beiden Kleinen, Vera uns Mia gingen jetzt auch in eine andere Richtung zu ihren Freunden. Basti und ich gingen auf die Birgit zu, die wie jeden Morgen an der Ampel auf uns wartete. Zu dritt gingen wir dann die letzten Meter zur Schule, wie meistens, gefolgt von Vera, Mia und ihren Freundinnen.

In der Schule angekommen verabschiedeten wir uns von Basti, der ins KZ (Kollegstufenzimmer) ging. Wir warteten noch bis zum 1.Gong und gingen dann hoch in den 2.Stock, wo ich mich von der Birgit verabschiedete und noch einen Stock weiter hinaufstieg. Und da fing für mich der Ernst des Lebens an.

Ich schielte erst mal um die Ecke, um zu sehen, ob die Jungs schon da waren. Scheiße, da standen Bernd, Andi und Mark. Ich versuchte mich möglichst unauffällig dazuzustellen, aber sie bemerkten mich sofort und schon ging es los: Andi drehte sich um und seine Augen leuchteten auf. Schon bemerkte mich auch der Bernd und die 1. dumme Bemerkung fiel: „Hoah, ist das stark!“ Und auch Mark hatte mich jetzt bemerkt: „Hier wird es ja immer stärker!“ Sie lachten alle drei und Andi grinste mir frech ins Gesicht. Ich sah weg und hörte wie Andi meinte: „Jetzt lasst sie doch mal in Ruhe!“ Der reinste Hohn! Schnell ging ich an ihnen vorbei zu den Mädels aus meiner Klasse. Da konnte ich mich einfach dazustellen, ich störte sie nicht.

Heute hatten wir zuerst Deutsch. Frau Streiter kam und ich konnte mich endlich auf meinem Stuhl verstecken. Der Unterricht begann und ich hatte meine Ruhe. Bis ich plötzlich aufgerufen wurde. Ich sollte vorlesen. Mein Untergang! Ich konnte sehr gut lesen, solang es nicht laut sein musste. Laut vorlesen war mir immer ein Greul! Ich hatte Angst mich zu blamieren und stotterte deswegen. Langsam las ich also vor und schon meinte der Michael: „Ich kann ja nicht lesen!“ und der Sven fügte hinzu: „Ist schon blöd, wenn man nicht lesen kann.“ Das war natürlich nicht sehr aufmunternd und ich stotterte noch mehr. Meine Hände begannen schon wieder zu zittern. Ich war den Tränen nahe. Zum Glück ließ Frau Streiter bald jemand anderen weiter lesen.

Und so ging es den ganzen Tag weiter. Ich unterhielt mich mit den Mädels und beachtete die Jungs nicht wirklich, aber sie natürlich mich! Andauernd fielen dumme Bemerkungen. Sie wurden von Woche zu Woche mehr. Ich zog mich innerlich und äußerlich immer mehr zurück und versuchte alles so gut wie ich konnte zu verdrängen, aber es half mir nichts!

Ende November, Anfang Dezember fuhr die ganze Klasse auf Besinnungstage. Es wurde schon im Vorfeld beschlossen, wer welchen Alk mitnehmen sollte *g* (Ich vergaß zu erwähnen, dass bei uns die Besinnungstage in „Besäufnistage“ umgeändert wurden!)

In M. angekommen liefen wir den ganzen Weg vom Bahnhof zur Jugendherberge. Die Jungs verarschten mich, weil mein Koffer immer wackelte und ich ihn deswegen nicht ziehen konnte und tragen musste. Der Mark meinte: „Ist schon blöd, wenn der Koffer sich nicht ziehen lässt von so einer Starken!“ Die Jungs lachten, die Mädels taten so, als hätten sie nichts gehört und ich war schon wieder den Tränen nahe.

Dort angekommen, ging es dann erst richtig los! Die Zimmerverteilung! Bei welchen Mädels würde ich schlafen? Letztendlich zog ich zu Kirsten, Alina, Simone, Ute und Miriam. Ich war durch eine Trennwand von ihnen getrennt, die sich durch das ganze Zimmer zog und die 6 Betten auf der einen Seite von den 2 Betten auf der anderen Seite trennte. Dort würde ich wenigstens niemanden stören. Nachdem wir ausgepackt hatten, gab es dann Kaffee und Kuchen. Ich konnte gerade noch einen Platz bei Marie, Felicitas und den anderen Mädels ergattern.

Nach dem Essen hatten wir unsere 1.Gruppenstunde und am Abend soffen wir das 1.Mal in den 4 Tagen. Die Tage verliefen eigentlich ganz gut, ich war auch öfters im Zimmer der Jungs und wir unterhielten uns alle ganz gut. Aber dann passierte es:

Am Freitag stand ich kurz am Fenster und hab auf den Schnee gestarrt, als plötzlich der Michael hinter mir auftauchte. Ich bewegte mich nicht und wünschte mir, er würde abhauen, aber da begann er schon zu sprechen: „Na, schaust du gerne aus dem Fenster?“ Ich tat, als ob ich ihn nicht gehört hätte. Innerlich kamen mir schon die Tränen. „Ist ja auch blöd so allein zu sein.“ Ich drehte mich um, lief in unser Zimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Ich dachte, ich hätte ihn los, aber er kam mir hinterher. „Magst du Robbie Williams? Der ist saustark!“ Ich hatte in der 1.Gruppenstunde auf die Frage, wen ich gerne mal treffen würde „Robbie Williams“ geantwortet, weil mir so schnell nichts Besseres eingefallen ist. Deswegen verarscht mich der Michael jetzt. „Den will ich auch mal treffen! Magst du seine Musik?“ Genervt schaute ich ihn an und meinte: „Hau ab! Lass mich in Ruhe!“ „Ich wollte doch nur nett sein! Aber wenn du lieber stark allein bist!“ Er verließ das Zimmer und ich war wieder allein. Ich kauerte mich in die Ecke von meinem Bett, zog mein Kissen zu mir, nahm meine Brille ab und schluchzte hemmungslos los. Mir fiel alles wieder ein, was war, als ich klein war.

Ich war gerade 4 Jahre alt, als es anfing. Eines Tages kam mein Vater wütend nach Hause und erzählte uns, dass er seinen Job verloren hatte. Mum beruhigte ihn und meinte, dass er ja schnell wieder einen finden würde. Es ging tagelang so. Irgendwann kam er sturzbetrunken nach Hause. Er wurde immer aggressiver. Eines Tages kam ich vom Spielplatz nach Hause und meine Hose war vom Sand dreckig. Meine Mutter war in der Küche und mein Vater kam mir im Flur entgegen. Er schrie mich an, warum meine Kleidung so dreckig wäre und ob ich überhaupt nachdenken würde. Ich war 4 Jahre alt. Ich hab überhaupt nicht begriffen, um was es eigentlich ging. Ich fing zu weinen an und er holte aus und schlug zu. Das war das 1.Mal, dass mich irgendjemand schlug und von da an, bekam ich immer öfter Schläge. Am Ende sogar mehrmals am Tag. Meine Mutter griff bald nicht mehr ein, da er dann immer sie geschlagen hatte. Er war täglich besoffen. Eines Tages, ich war gerade 6, bekam das die Mutter von einer Freundin mit und erzählte alles dem Jugendamt. Ich kam für 2 Jahre ins Heim, wo das Recht des Stärkeren galt und ich weiter Schläge bezog von den Älteren. Ich wehrte mich nicht, da ich wusste, dass es dann noch schlimmer werden würde. Das hatte ich so gelernt und so wird es immer sein. Zum Glück wurde ich ja dann, mit 8 Jahren, von einer Familie adoptiert. Die Familie, bei der ich heute noch wohnte. Geschlagen wurde ich nie mehr, aber die Angst blieb. Wehren konnte ich mich nicht mehr. Das war vorbei. Dann kam ich in diese Klasse. Ich dachte über all das nach. Hier schlug mich zwar keiner, aber es war eigentlich noch viel schlimmer! Sie verletzten mich innerlich.

Irgendwann kamen dann Gabi, Feli, Anne, Michael und Mark hinter zu mir. Die Gabi fragte mich: „Hey, was hast du?“ „Lass mich in Ruhe!“ Sie gingen wieder, Ich hatte sie nicht mal richtig wahrgenommen.

Nach einer Weile saß dann die Marie bei mir. Sie fragte mich, was ich hätte. „Nichts!“ „Genau! Deswegen sitzt du hier und heulst! Was ist passiert?“ „Ach, die Jungs!“ „Was haben die Jungs gemacht?“ „Sie verarschen mich! Sie nehmen nichts ernst, was ich sage! Sie verarschen mich!“ „Hör doch nicht hin!“ „Das kann ich nicht!“ „Aber ich versteh das nicht! Du hast doch auch ein paar Jungs als Kumpels und du hattest doch, wie ich weiß auch schon einen Freund?“ „Das schon, aber ich hab die meisten meiner Freunde dort kennen gelernt, wo mir niemand was tun kann. In der Schule geht das nicht! Hier ging es mir vom Anfang an so schlecht. Ich weiß doch auch nicht wie das kommt! Es ist einfach so! Ich kann daran nichts ändern!“ „Aber hast du denn gar keine Ahnung, warum die Jungs so sind?“ „Ich hab halt Angst vor Jungs!“ „Aber wieso?“ „Darüber kann und will ich nicht reden!“ „Ok, ich muss jetzt auch schlafen gehen sonst komm ich morgen nicht raus! Geht’s dir jetzt besser?“ „Es geht schon!“

Keine Minute später kam Miriam „Was ist denn los?“ „Nichts“ „Weswegen heulst du dann?“ „Die Jungs haben mich geärgert“ „Wer genau? Und womit?“ Ich erzählte ihr von dem Ereignis am Fenster. Nach einer Weile ging sie und die Silke kam. „Ich hab gehört, die Jungs haben dich geärgert?“ „Ja!“ „Ich hab heute auch schon wegen dem Sven geheult.“ Das war ja sehr tröstlich! Und schon jammerte sie mir vor, wie blöd die Jungs doch waren und wie gemein. Na toll, mir ging es eh schon schlecht genug.

Und plötzlich kam die Miriam wieder zurück. Silke: „Geht mal weg!“ „Nein! Der Michael will sich bei der Toni entschuldigen!“ Na klar! „Es tut mir leid! Entschuldigung!“ „Schon gut!“ Ja klar, alles ist wieder gut und ich hab ihn auch ganz doll lieb. Das war ja klar, dass die Miriam ihn dazu gebracht hatte. Irgendwann waren sie dann alle weg. Ich zog mich um und legte mich schlafen. Mir ging es total schlecht. Ich dachte an meine frühe Kindheit und wünschte, die Birgit wäre bei mir. Am liebsten wäre ich abgehauen. Erst sehr spät, nach den anderen Mädels aus meinem Zimmer, schlief ich ein.

Am nächsten Morgen war ich total übermüdet, aber es ging allen nicht so gut. Über Umwege erfuhr ich dann irgendwann, dass die Mädels versucht hatten mit den Jungs zu reden. Sie waren auch total freundlich und am Abend saßen wir alle zusammen und soffen uns alle zu. Es war doch noch sehr lustig und ich hoffte, dass es immer so anhalten würde.

Aber, als wir zurückkamen, ging es nur ca. einen Monat so gut. Dann ging es langsam wieder los. Das einzige komische war, dass der Andi immer ruhiger wurde. Er sah mich oft so komisch an und wenn er bemerkte, dass ich ihn ansah, schaute er ganz schnell weg und tat so, als wäre nichts! Aber ich sah, dass er mich weiterhin aus den Augenwinkeln beobachtete. Ich saß oft alleine zuhause. Wenn es mir am Morgen schlecht in der Schule erging, schrieb ich am Nachmittag darüber ein Gedicht, wie:

Allein

Allein zu Hause,

Allein unter vielen,

Allein in der Schule,

Allein auf der Welt,

Allein im Herzen!

Kann man immer allein sein?

Kann man ohne andere leben?

Kann man ohne Hilfe leben?

Kann man überhaupt leben?

Im Herzen allein?

Man kann es nicht,

Es geht nicht,

Man braucht jemanden, der einen auffängt,

Das hilft weiter,

Dann bist du nicht mehr allein!

Oder DOCH?

Ich blieb immer allein mit meinem Kummer. Niemand erfuhr auch nur ein Wort über meine Gefühle, nicht einmal meine beste Freundin, Birgit, wusste alles. Ich erzählte ihr nur, manches was die Jungs sagten und sie erfuhr auch nie, wie oft ich nachmittags heulend in meinem Zimmer saß. Das ging 3 Monate lang so. Es entstanden viele Gedicht: (Hier einige davon:)

Warum soll ich schreiben?

Ich schreibe, weil es mich befreit!

Ich bringe meine Gedanken zu Papier.

Ich überlege nicht lang und schreibe auf,

Was mir grad kommt in den Sinn.

Es ist nicht poetisch nur einfach so,

Gedanken einer gequälten Seele.

Einer Seele, auf der jeder herumtrampeln kann,

Auf die niemand Rücksicht nimmt,

Die jeder verletzt mit treffenden Worten,

Die hart auf mein Herz auftreffen.

Ich habe oft Angst, vorm Aufstehen,

vorm Gehen und verstricke mich so darin.

Ich versuche zu leben wie andere auch,

Ich lüge halt allen was vor.

Ich bin immer allein, allein in der Menge.

Nur ein Lichtblick hat meine Welt,

Nur eine Freundin hält zu mir.

Ich hab sie lieb, wie nichts sonst

Und lebe oft nur für sie.

Sie hebt mich hoch und bringt mich hinaus,

hinaus aus meinem einsamen Leben.

Sie bringt mich in die Welt der anderen auch

Und zeigt mir was es heißt zu leben...
 

Allein?

So ist das Leben!

Menschen haben Freunde,

Menschen sind allein.

Schlimmer!

Menschen werden gemobbt!

Dies Menschen haben Angst!

Angst vor dem Aufstehen,

Angst vor der Schule,

Angst vor der Arbeit,

Angst vor ihren Mitmenschen,

Angst vor dem Leben!

Sie denken, sie sind allein!

Sie denken, alles hassen sie!

Doch für jeden Menschen

Gibt es jemanden, der ihn versteht,

Der ihm helfen will.

Er ist nicht allein!

Ihm wird geholfen!

Doch kann man ihm helfen?

Ich schrieb in der Zeit viel, aber ich zeigte sie nur einem einzigen Menschen: Birgit! Sie hatte immer mehr Angst um mich und irgendwie hörten auch meine anderen Freunde davon, dass es mir nicht so gut ging. Sie bemühten sich alle sehr um mich! Mir wurde das alles zu viel!

Dann passierte eines Tages etwas, das mich innerlich komplett zerstörte! Neben unserem Haus war seit einigen Wochen eine Baustelle! Ein neues Haus sollte dort entstehen. Meine Mum schickte mich ab und zu hinüber um den Handwerkern heißen Kaffee zu bringen, da es ja nicht sonderlich warm draußen war. Ich ging gern hinüber, weil die Männer nette Leute waren und immer so lustige Geschichten erzählen konnten. Ich fühlte mich sehr wohl bei ihnen. An diesem Tag ging ich wieder hinüber und als sie mich kommen sahen, kamen sie schon alle zusammen und holten ihre Becher. Es waren ein paar neue dabei, die ich noch nicht kannte, aber sie lächelten mir alle fröhlich zu. „Wir haben schon viel von dir gehört! Du bist hier anscheinend sehr beliebt!“ „Ich bring ja auch Kaffee! Und jemanden, der etwas umsonst gibt, mag man ja wohl!“ „Wir würden dich auch mögen, wenn du uns keinen Kaffee bringen würdest!“ „Nur nicht schleimen!“ Wir lachten alle. Dann setzten sich die Jungs hin und ich schenkte ihnen Kaffee ein. Plötzlich viel einem ein: „Der Uwe arbeitet ja noch unten, der soll auch etwas Kaffee bekommen!“ Er wollte schon aufstehen, aber ich lief schon los. Warum sollte er gehen? Er arbeitete genug.

Ich fand den Gesuchten im Keller, ein Loch in der Mauer stopfend. „Ist sie eingefallen?“ „Ne, der Holger ist gestern mit dem einer Maschine daran hängen geblieben, aber ich hab es gleich!“ „Kannst hoch kommen, ich hab euch Kaffee gebracht!“ „Das trifft sich gut! Ich könnt jetzt einen vertragen!“ Er drehte sich um und ich starrte ihn nur noch an. Auch er hatte mich erkannt und stotterte: „An...An.... Antonia!“ Ich starrte ihn nur weiterhin an. Der Mann war mein Vater! „Antonia, Toni, Kleines!“ Er ging auf mich zu und streckte seine Hand nach mir aus. Ich ging ein paar Schritte zurück. Ich hatte große Angst! Gleich würde er mich wieder schlagen. „Fass mich nicht an!“ „Vergiss doch das, was damals war! Ich werde dich nie wieder schlagen bestimmt! Ich versprech es dir!“ Das hatte er mir schon so oft versprochen, damals, aber er hatte es nie gehalten. Ich wich weiter zurück. „Toni, bitte! Ich liebe dich! Ich hab dich immer geliebt! Und deine Mum auch! Wir wohnen wieder zusammen, sie gibt mir noch eine Chance! Du kannst wieder zu uns ziehen! Wir werden wieder eine Familie sein, wie früher! Ich hab jetzt wieder einen Job! Es wird alles wieder gut!“ Ich hörte ihn nicht mehr, ich drehte mich einfach nur um und rannte nach Hause in mein Zimmer. Nur ein einziger Gedanke ging mir durch den Kopf: „NIEMALS!“ Ich wollte nicht zu meinem Vater zeihen. Ich hatte solche Angst! Ich wollte nie wieder Schmerzen haben, nie wieder sollte mich jemand verletzen, NIE WIEDER!“ Ich fasste einen Entschluss.

Ich setzte mich hin und begann zu schreiben:

An alle Menschen, die mich gekannt haben!

Es tut mir so leid! Das ist der Satz, den ich heute zu euch sage, auf den ich aber von euch lange gewartet habe. Wenn ich ihn einmal gehört hätte nur einmal, dann wäre ich jetzt nicht weg. Dann wäre ich ein fröhliches Mädchen mit viel Mut, Humor und Lebensfreude, aber ihr habt mich ja innerlich zerstört! Keiner von euch wusste, wie sehr ich gelitten habe! Ich hatte jeden Morgen Angst vor der Schule. Ich wollte nicht hin, wollte mich nicht von den Jungs verarschen lassen. Doch musste ich es jedem Morgen aushalten. Ich hab mich nie gewehrt! Das hat mir mein Vater vor Jahren abgewöhnt! Ich bin mit Schlägen aufgewachsen und alles nur, weil mein Vater keinen Job hatte. Er hat mich zwei Jahre lang geschlagen. Mit 6 Jahren kam ich ins Heim, wo ich weiterhin geschlagen wurde und mir mein Essen und meine Spielsachen genommen wurden. Ich habe mich nie beschwert. Mit 8 Jahren wurde ich von Familie Richter adoptiert, danke dafür! Es brachen die schönsten Jahre meines Lebens an, bis ich dann vor ungefähr einem halben Jahr ins Lessing-Gymnasium kam.

Danke Jungs, dass ihr mich so verletzt habt! Ich weiß, dass ich STARK bin und dass der Brief STARK ist, wie alles andere was ich tue und alles was ich habe. Ihr könnt mich mal! Ich hab mich lange genug von euch tyrannisieren lassen. Das ist vorbei! Es ist alles vorbei!

Ich möchte jetzt noch einige Worte an die einzelnen richten:

Birgit!

Du bist die beste, liebste und tollste Freundin, die ich je hatte! Du hast mir immer geholfen, und ich hab dich angelogen und dir das wichtigste verschwiegen, mein Angst. Ich weiß, du wirst das alles nicht verstehen, aber trotzdem bitte ich dich, vergiss mich nicht! HDGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGDL Bussi *schmatz*

Alle Freunde und Freundinnen, die mir immer beigestanden haben!

Ihr habt mir in dieser schweren Zeit sehr geholfen. Ich danke euch dafür, dass ihr immer da wart, wenn ich jemanden gebraucht habe, auch wenn ihr nicht wusstet um was es eigentlich ging! Danke! IHEGGGDL

Sven, Mark, Arne, Andi, Bernd, Michael: Was ich von euch halte, brauche ich euch ja nicht zu sagen! Aber seid doch wenigstens froh, dass ihr nicht der einzige Grund für mein weggehen seid! Dann braucht ihr später kein schlechtes Gewissen zu haben!

Marie: Es gibt Menschen an denen geht man vorbei, ohne irgendeinen Eindruck bei ihnen zu hinterlassen, aber bei manchen hinterlässt man Spuren, die niemals verwehen! Danke, dass du einfach nur da warst!

Mama und Papa Richter, Basti und Chrisi: Dass ihr mich damals adoptiert habt, war sozusagen meine Rettung! Ich hatte bei euch ein sehr viel Spaß! Vor allem mit den Jungs! Ihr wart die 1.Jungs, die nett zu mir waren! Ich hab euch alle so lieb und es tut mir so leid, dass ich euch verlassen muss! Aber es gibt zu viele Menschen, denen ich nie wieder begegnen möchte! Ich werd euch vermissen!

Mein Vater!

Ich möchte dich eigentlich nicht so nennen, aber es ist nun mal so, dass du an meiner Existenz beteiligt bist! Da kann ich nichts ändern! Ich danke dir dafür, dass ich das geworden bin, was ich bin! Du bist daran schuld! Du hast mir gezeigt, was Angst haben bedeutet! Ich hasse dich und wirst mich niemals kriegen!
 

Diesen Brief faltete ich zusammen und steckte ihn in einen Umschlag zusammen mit meinem letzten Gedicht:
 

Stirb langsam!

Wenn dich jemand ärgert, wehr dich!

Wenn dich jemand auslacht, wehr dich!

Wenn dich jemand mobbt, wehr dich!

Wenn du kannst!

Wenn du zu schwach bist,

Wenn du das Wehren verlernt hast,

Wenn du allein bist,

Wenn du Angst hast,

Dann wird es dich töten,

Dann wirst du dich töten,

Dann bist du zu schwach,

Dann verlangsamt sich die Welt,

Dann töten sie dich,

Innerlich und äußerlich,

Und du bist allein!

Du stirbst!

Langsam!
 

Den Umschlag legte ich auf mein Bett und verließ dann mein Zimmer. Ich ging ins Bad und holte mir ganz viele Tabletten und eine Rasierklinge. Dann holte ich noch eine Flasche Wasser und ein Glas und ging dann zu meiner Mum ins Wohnzimmer.

„Mum, ich geh noch ein bisschen raus, die Birgit kommt auch!“

„Ja, geh nur!“

Aus einem Impuls heraus fiel ich ihr um den Hals und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Hab ich irgendwas versäumt?“

„Nein, du bist einfach die beste Mutter der Welt!“

Sie schaute mir zwar etwas verwirrt nach, aber sie lächelte. Wenn sie wüsste, dass wir uns das letzte Mal sahen, sie hätte nicht gelächelt!

Ich ging in den Wald, da gab es eine kleine Bank, von der man, wenn man sich darauf setzte, über die ganze Stadt schauen konnte. Der Wald lag nämlich auf einem Hügel und war wohl der einzige Ort, wo kein einziges Haus stand. Es war ja auch am Stadtrand. Ich kam oft hierher, da ich hier das Gefühl hatte frei zu sein und über allem zu stehen. Ich setzte mich und sah über die Stadt. Dann nahm ich die Flasche Wasser, das Glas und die Tabletten. Ich füllte das Glas mit Wasser und schmiss dann einfach die Tabletten hinein. Es lief über und meine Kleider wurden nass, aber das war mir egal. Ich betrachtete die Bläschen, die sich bildeten. Ich sah ein letztes Mal über die Stadt, schloss dann meine Augen und trank das Glas leer. Ich wurde müde und plötzlich war alles schwarz.

Epilog

Am Abend wurde Toni dann vermisst, als ihr Vater um 22 Uhr nach hause kam und sie immer noch nicht zurück war. Frau Richter rief bei Birgit an und fragte sie, was sie noch machen würden und wann Toni zurückkäme, doch Birgit hatte keine Ahnung von was Frau Richter sprach. Birgit war nämlich den ganzen Tag mit ihrer Klasse in Dortmund auf einer Ausstellung gewesen und gerade erst zurückgekommen.

Frau Richter bekam Angst. Sie und ihr Mann saßen die ganze Nacht wach da und warteten, nach einer Weile kamen noch Basti und Chris dazu. Sie warteten und warteten, doch Toni kam nicht zurück. Um 6 Uhr ging Tonis Vater dann nach oben in Tonis Zimmer und fand den Brief. Sofort riefen sie die Polizei und die leitete alles in die Wege. Alle Bahnhöfe wurden abgesucht. Doch natürlich hatte man Toni dort nicht gesehen. Alle Freunde von Toni und alle Mitschüler wurden angerufen, ohne Erfolg. An diesem Punkt merkten sie erst, wie wenig sie eigentlich von Toni wussten, eigentlich nichts.

In der Klasse wurde der Brief vorgelesen und alle wurden sehr verlegen. Plötzlich merkten sie, wie sehr Toni gelitten haben musste. In einer Ecke saß Andi und hatte, von den anderen unbemerkt, eine Träne in den Augen.

Erst drei Tage nach Tonis verschwinden wurde ihre Leiche gefunden. Die Bank war ein einsamer Platz, es kam kaum ein Mensch vorbei. Ein Wanderer entdeckte Toni und benachrichtige die Polizei.

Tonis Tod war für alle ein Schock. Sie hatte geglaubt, dass Toni irgendwohin abgehauen wäre und sie bald gefunden wäre. Alle waren fassungslos. Sie hatten sich schon überlegt, was sie als Entschuldigung zu ihr sagen könnten, wenn sie wieder da wäre. Aber das wäre zu einfach gewesen! Toni war tot.

Zur Beerdigung kamen alle, alle Freunde, alle Verwandten, sogar Tonis wirkliche Mutter. Sie weinte mit Frau Richter um die Wette. Das hatte sie nicht gewollt. Hätte sie sich damals doch einfach gewehrt, Toni hätte ein anderes Leben gehabt. Und sie würde noch leben.
 

Der Friedhof war verlassen. Tonis Grab war zu, alle waren gegangen. Viele mit Tränen in den Augen. Die Jungs waren besonders betroffen. Sie hatten niemals darüber nachgedacht! Das Grab lag wieder verwaist da.

Plötzlich kam ein junger Mann auf das Grab zu. Er hatte einen Strauß Rosen im Arm. Er blieb vor dem Grab stehen und fiel dann auf die Knie. Er schluchzte hemmungslos. „Ich hätte das niemals zulassen dürfen, dass sie dich ärgern. Aber ich bin nun mal nicht so cool wie ich tue! Ich bin doch grundsätzlich nichts anderes als ein Angsthase. Ich bin nicht schlau und kann alles, ich versuche doch nur irgendwie zu leben! Ich hab doch dasselbe gemacht wie du. Wenn ich nicht so tun würde als wäre ich cool, wäre ich genauso dran wie du! Ich hab darüber nie nachgedacht. Ich hab sogar gedacht, wie ich dir meine Liebe gestehen soll, ohne dass jemand etwas mitbekommt, damit ich nicht am Ende der Depp bin und mich alle ärgern. Ich hab dich wirklich geliebt, aber zuviel Angst es zuzugeben. Vielleicht hast du bemerkt, dass ich dich nicht geärgert habe. Aber ich hab auch nichts dagegen getan. Ich will mich nicht reinwaschen! Ich hab zuviel Mist gebaut. Vielleicht hätte ich das alles verhindern können, wenn ich einmal in meinem Leben meine wirklichen Gefühle gezeigt hätte. Ein einziges Mal! Ich hab es nicht getan. Es waren nur drei Worte! Worte die in meinem Herzen schon lange stehen. Toni, ich liebe dich! Ich werde dich niemals vergessen! Es ist meine Schuld! Ich weiß, dass wenn ich dir das vor zwei Wochen gesagt hätte, hättest du mir nicht geglaubt! Wir haben dich getötet!“ Er liegt fast schon auf Tonis Grab. Immer mehr Tränen fließen seine Wangen hinunter.
 

Marie kam noch mal zum Grab, sie wollte noch mal alleine Abschied nehmen. Sie hatte Toni gemocht, aber erst jetzt bemerkt, dass sie Toni trotzdem nicht gekannt hat. Sie sah schon von Weitem die Person an Tonis Grab hocken und rannte los.

„Andi! Mein Gott, was ist denn los?“

„Marie! Ich bin Schuld!“

„Warum sollst du Schuld sein? Wir haben alle Schuld daran!“

„Aber ich liebe sie doch! Ich hätte ihr das sagen sollen! Ganz am Anfang! Ich hätte sie beschützen können! Ich bin Schuld!“

„Bist du nicht! Wir haben alle nicht nachgedacht!“

Sie zog Andi hoch und nahm ihn in den Arm.
 

Von dem Tag an engagierte die Klasse sich für Mobbingopfer und sie reisten auch in viele Städte und erzählten vor verschiedenen Klassen Tonis Geschichte. Andi hatte von seiner Liebe zu Toni erzählt und war jetzt zusammen mit Marie Klassensprecher. Die beiden holten die Klasse immer auf den Boden zurück, wenn sie in Gefahr kam wieder abzuheben.

Tonis wirklicher Vater saß 4 Jahre im Gefängnis, da er seine Frau, die nach Tonis Tod ausgezogen war, bedroht, geschlagen und verfolgt hatte. Tonis Mum wohnte jetzt als Haushaltshilfe bei der Familie Richter und hatte sich in Herrn Richters Bruder verliebt. Die beiden wollten heiraten.

So fand alles noch ein gutes Ende. Ohne Toni! Sie hat allen gezeigt, was passieren kann.



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