Change von kleines-sama (MurdocX2-D) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 "Wohin gehst du?" Murdoc wusste genau, dass es 2-D gewesen sein musste, der diese Frage gestellt hatte, denn niemanden sonst in der Band interessierte es, was Murdoc tat oder wohin er ging. "Ich fahre nur in die Stadt", antwortete Murdoc, obwohl er im gleichen Augenblick dachte, dass er ihm eigentlich keine Rechenschaft schuldig war. "Okay", erwiderte 2-D leise, und fügte dann etwas lauter an: "Ich hebe dir etwas vom Mittagessen auf!" Murdoc verdrehte die Augen. Bestimmt war 2-D schwul, eine andere Erklärung hatte er für das Hausfrauen-Verhalten, das dieser in letzter Zeit ständig an den Tag legte, nicht. Murdoc stieg in sein Auto und sofort wurde seine gute Laune noch besser. Er spürte das raue Leder des Lenkrades an seinen Handflächen und das Gaspedal unter seinem Fuß. Es gab doch wirklich nichts Schöneres auf der Welt, als mit ein paar hundert Kilometern pro Stunde und bei lauter Musik eine einsame Landstraße entlang zu fahren. Oder? Murdoc parkte seinen Wagen ungewöhnlich langsam aus, wobei er noch einen letzten Blick auf 2-D durch den Rückspiegel erhaschen konnte. Wie ein schmerzhafter Schlag in der Magengrube fühlte sich die Gewissheit an, dass 2-D sich tatsächlich viel zu sehr verändert hatte. Anstelle des idiotisch-gutmütigen Grinsens, das 2-D für gewöhnlich jedem zeigte, der es sehen mochte, konnte er dieses Mal nur einen seltsam bekümmerten Ausdruck auf dessen Gesicht ausmachen. Irgendetwas stimmte mit dem Jungen nicht, das merkte man doch sofort! Murdoc drückte das Gaspedal durch und verließ den Parkplatz mit einer Geschwindigkeit, die er selbst nach seinen Maßstäben als schnell bezeichnet hätte. "Na, wie wär's mit uns beiden?" Das Mädchen war bis auf die dicken Striche eines Kajal-Stiftes, die es um seine Augen gezogen hatte, nahezu umgeschminkt und hatte nur etwa schulterlange Haare, doch gerade diese beiden Eigenschaften machten den besonderen Reiz aus, fand Murdoc jedenfalls. Das konnte allerdings durchaus auch nur daran liegen, dass dieser, obwohl es noch nicht allzu spät war, bereits sein sechzehntes Bier in der rechten Hand hielt und in den ständig die Farbe wechselnden Lichtern eines Clubs so gut wie jedes Weib auf irgendeine verquerte Weise schön aussah. Murdoc nickte behäbig, nahm noch einen letzten, kräftigen Schluck des wohltuenden Alkohols und stellte dann die leere Bierflasche zurück auf den Tresen, damit er das junge Ding mit schlurfenden Schritten zu seinem Wagen führen konnte. Mit diesem würde er es jetzt zu seinem Winnebago fahren, es dort aufs heftigste durchvögeln, sich danach denken, dass der Sex wieder einmal schlecht gewesen war und sich von 2-D eine Kleinigkeit zu essen machen lassen. Kaum hatte er sich auf seinen Sitz niedergelassen -das Mädchen hatte den Beifahrersitz neben ihm in Beschlag genommen- begannen einige Finger mit kirschrot lackierten Nägeln den Reißverschluss seiner Jacke zu öffnen. Sex im Auto? Wieso eigentlich nicht, dachte Murdoc und ließ es zu, dass ihm das Mädchen auch noch das schwarze Shirt über den Kopf zog und es achtlos auf die hinteren Sitze warf. Es strich ihm mit den widerlich lackierten Fingernägeln in kleinen Kreisen über den Oberkörper und Murdoc fiel auf, dass die Berührungen ihn nicht anturnten, wie sie es früher immer getan hatten. Ob das am Alkohol lag? Murdoc beschloss kurzerhand selbst die Initiative zu ergreifen. Ohne auf den überraschten, doch keinesfalls ablehnenden Blick des Mädchens Rücksicht zu nehmen, knöpfte er ihm geschwind die enge Seidenbluse auf und warf sie hinter sich auf die freien Sitze, wie sie es auch mit seinem Oberteil getan hatte. Murdocs Hände begannen zu zittern, als er sich an dem Busenhalter zu schaffen machte. Das verunsicherte ihn. Für gewöhnlich ging er beim Ausziehen eines Weibes zielstrebig und selbstsicher vor, selbst wenn er sich hundertprozentig sicher war, dass der Geschlechtsverkehr mehr als unbefriedigend verlaufen würde. Aber vielleicht war das Zittern ja auch nur Zeichen seiner Erregung? Endlich -er hatte deutlich länger gebraucht als üblich- hatte er es geschafft und dieses beschissene Teil segelte auf den Boden. Das Mädchen hatte kleine Titten. "Findest du mich geil?", säuselte es nichtsdestoweniger und strich sich langsam über den nicht vorhandenen Busen, wohl in der Annahme, dass Murdoc dies in irgendeiner Form erregend fände. Er antwortete auch nicht, sondern begann übergangslos an der engen Jeans herumzufummeln, die es trug. Das Mädchen kicherte furchtbar weibisch auf, als er sie ihm nach einiger Mühe über die Füße gezogen hatte. Satan, sogar die Fußnägel hatte es sich lackiert! Nun fehlte nur noch der Slip. Wieder das peinliche Zittern, als Murdoc bedächtig danach griff. Er konnte dieses kleine weiße Stückchen Stoff zwischen den Fingern fühlen und dem Drang, es sofort wieder loszulassen, kaum widerstehen. Worauf wartete er bloß? Er musste doch nur einmal kurz ziehen, und dann war dieses Weib hier nackt. Dann konnte er hemmungslos zustechen. Murdoc hielt es nicht mehr länger aus und ließ den Slip los. Wieso zur Hölle tat er das? Das Mädchen schien sich dieselbe Frage zu stellen, denn nun wurde er mit einem Blick aus verwirrten, beleidigten Augen bestraft. Murdoc konnte das verstehen. Er hatte hier die ultimative Chance, und nahm sie einfach nicht wahr. Das musste für das Weib wie ein Schlag mitten ins Gesicht sein. "Was hast du?" Anstatt zu antworten blickte Murdoc an sich hinunter. Er trug noch immer seine Hose. Und diese Hose war absolut glatt. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte keine verräterische Beule ausmachen. Das Mädchen missverstand seinen Blick. "Achso!", rief es schrill aus und auf der Stelle bewegten sich die roten Fingernägel auf seinen Schritt zu. Murdoc packte sie, ehe sie ihn erwischen konnten. "Autsch! Hey, Alter, was ist 'n los mit dir?" "Hast du ein Handy dabei? Oder eine Armbanduhr?" Die Antwort auf diese Frage bestand aus einem inzwischen nicht mehr beleidigten, sondern wütenden Ausdruck in den Augen des Weibes und den beinahe geschrieenen Worten: "Sag mal, hast du 'se noch alle? Du bist doch echt ein Arschloch!" Murdoc bemerkte, wie es sicherheitshalber einen raschen Blick auf die Jeans zu seinen Füßen warf. Er konnte eine rechteckige Hervorhebung an der linken Tasche erkennen. Dort befand sich also das Handy. Noch ehe das Mädchen eingreifen konnte, hatte es Murdoc bereits blitzschnell der Hosentasche entnommen. Zwölf Uhr zweiundzwanzig. "Alter, gib' mir mein Handy zurück! Sonst schreie ich!" Murdoc warf dem Mädchen das kleine Mobiltelefon zu und musste einige Augenblicke ausharren, die es damit verbrachte, ihr Handy, das es nicht hatte fangen können, vom Boden aufzuheben. Kaum hielt es das heiß geliebte Gerät wieder sicher in den Händen, beugte Murdoc sich zu ihm hin und öffnete mit einer schnellen Bewegung die Türe auf Seiten des Beifahrers, die sogleich weit aufschwang. Eisig kalte Nachtluft fand ihren Weg ins Innere des Wagens. Murdoc gab dem Mädchen einen festen Schubs, sodass es mit dem Hintern voraus auf den harten Asphalt knallte. Es war anscheinend nicht in der Fassung irgendetwas dagegen zu unternehmen oder sich zumindest zu wehren, denn die einzige Reaktion, die er bei dem Mädchen ausmachen konnte, war ein überaus verständnisloser Gesichtsausdruck. Noch immer hatte er kein Schimpfwort oder schrilles Gekreische vernommen, als er dem Mädchen auch noch seine restliche Kleidung, die er eilig zusammengesucht hatte, zuwarf. Erst als Murdoc in Begriff war, die Türe, durch die es hinausgeworfen worden war, zu schließen, fand das Mädchen seine schrecklich hohe Stimme wieder: "Du mieser Hurensohn! Wie kannst du's wagen!" Murdoc interessierte sich nicht für das riesige Vokabular an Schimpfwörtern, das ihm das Weib entgegenschleuderte, sondern knallte die Autotüre entschlossen zu. Das Innere des Autos kam ihm ohne das nervige Mädchen ungewöhnlich ruhig und friedlich vor. Das Gekreische des Frauenzimmers, das inzwischen einem verzweifelten Quietschen gleichen musste, konnte er nur noch äußerst schwach und fetzenhaft wahrnehmen. "… gottverdammt … Arsch … wird büßen … bestimmt schwul…" Murdoc trat auf das Gaspedal ein, als wäre es allein seine Schuld, dass seine gegenwärtige Lage so unglaublich beschissenen war. Der Parkplatz war dunkel und verlassen, als Murdoc eine knappe Dreiviertelstunde später dort mit seinem Auto eintraf. Er war konsequent Tempo zweihundert gefahren, hatte Musik gehört, die seine Trommelfelle beinahe zum Platzen gebracht hätte und sich dabei einen Dreck um die beiden Streifen geschert, die ihn einige Zeit lang verfolgt hatten. Unbewusst machte Murdoc einen winzigen Schritt auf die metallene Türe zu, die 2-Ds Zimmer vom Parkplatz trennte, besann sich jedoch rechtzeitig. Was sollte er denn bitteschön um ein Uhr morgens von 2-D wollen? Murdoc schüttelte kaum merklich den Kopf und dachte an die Worte, die 2-D ihm noch zugerufen hatte, ehe er losgefahren war. Haha. Er hatte doch wohl nicht ernsthaft vor, mitten in der Nacht sein verpasstes Mittagessen nachzuholen? Murdoc zog mit einem lauten, ekligen Geräusch die Nase hoch und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zu seinem Winnebago, der nur wenige Meter entfernt stand. * "Das ist sie." Russel warf ihm eine CD-Hülle zu, die Murdoc, der es sich auf einem der Stühle in der Küche gemütlich gemacht hatte, mit Leichtigkeit auffing und einer strengen Musterung unterzog. Das Cover war sehr dunkel gehalten, sodass das blutrote GoRiLLaZ-Symbol scharf ins Auge stach. Genau darunter befand sich in weißgrauer Schrift, die fast genauso auffällig war, der Titel ihres neuen Songs. Change. Veränderung. Ihre neue Single war erschienen. Und irgendwie war es zur Tradition geworden, dass Russel sich -wie zahllose Fans auch- in den nächsten Laden drängte, um besagten Tonträger ebenfalls zu erwerben. Dass er für diesen kleinen Einkauf oftmals Stunden benötigte, war nicht weiter verwunderlich, schließlich brannten hunderte Fans darauf, einen Blick auf den weltberühmten Drummer werfen zu können oder vielleicht sogar ein Autogramm zubekommen. Doch das war es wert, fand Murdoc. Eine einzige CD für vier Bandmitglieder. "Hey, Noodle, schieb mal die CD hier in den Player!", rief Murdoc der kleinen Gitarristin zu, die sich in unmittelbarer Nähe des Gerätes befand, und warf sie in ihre Richtung. Wie eine kleine Frisbee-Scheibe segelte die CD durch die Luft, ehe Noodle sie mit einem akrobatischen Sprung abfing und wie ihr geheißen in den CD-Player einlegte. Der Song raubte ihm den Atem. 2-Ds Stimme klang traumhaft. Mit einer Begeisterung, die Murdoc von den anderen Liedern nicht kannte, sang er von den beiden Liebenden, die nicht zusammen sein durften, und seine Stimme klang wie ein großartiges Sommergewitter. Der Song war -was nicht unbedingt etwas war, womit ihre Band Werbung machte- romantisch, jedoch auf keinen Fall kitschig. Denn Murdoc hasste Kitsch und bevor seine Band einen kitschigen Song aufnahm, würde man ihn erhängt in seinem Winnebago auffinden! Eine Tatsache, die Murdoc ein wenig überraschte, allerdings auch erfreute, war, dass 2-Ds Sommergewitter-Stimme an manchen Stellen sogar vor unbändiger Wut zu kochen schien. Solange noch immer ein klein wenig Ironie und Empörung in ihrem Song zu finden war, würde kein einziger Kritiker auf die dämliche Idee kommen, ihn als verweichlicht abzustempeln! Das Lied war zu Ende. Eine ungewohnte Stille legte sich über den Raum, und für eine kurze Zeit wagte es niemand, ein Wort zu sprechen. Erst nach einigen Sekunden durchbrach 2-Ds Stimme, der Murdoc auch jetzt noch das Sommergewitter anhören konnte, das Schweigen: "Also… Ich finde den Song in Ordnung." In Ordnung? In Ordnung? War der Kerl jetzt völlig verrückt geworden?! "Der Song ist total geil!", wurde er durch Murdoc korrigiert, der breit grinsend und mehr als zufrieden an all die Fans dachte, die in diesem Augenblick fasziniert 2-Ds Sommergewitter-Stimme, dem Talent, dass er entdeckt hatte, lauschen durften. "Muds hat recht", schaltete sich nun auch Noodle ein, die nicht weniger begeistert und von sich überzeugt klang als Murdoc. "Der Song ist ein voller Erfolg! Von dem Geld, das wird dadurch verdienen, könnten wir uns locker 'nen Privatjet und dazu noch 'ne riesige Villa leisten." "Was willst du mit einer Villa? Wir haben doch die Kong-Studios." "Russel-chan, das war doch bloß ein Beispiel!" "Einen persönlichen Koch fände ich viel besser!" "Machst du dich etwa über mich lustig?" "Wie kommst du nur darauf?" Murdoc beteiligte sich nicht an dem halbherzigen Streit zwischen Noodle und Russel, sondern schaute unauffällig zu 2-D hinüber. Und für eine Sekunde, nein, den Bruchteil einer Sekunde, schien 2-D den Blick zu erwidern. Er lächelte. * Ausnahmsweise einmal hatte sich Murdoc dazu entschlossen, sich in dem für seinen Geschmack viel zu riesigem und prunkvoll eingerichtetem Wohnzimmer der Kong Studios auf der ausziehbaren Couch niederzulassen. Neben sich hatte er drei oder vier Flaschen Bier stehen und für einen sehr kurzen Augenblick fragte er sich, ob er sich wegen seiner ständigen Trinkerei Sorgen machen sollte. Doch Murdoc schob diesen Gedanken, kaum war er gedacht, ganz schnell wieder von sich, wie er es immer mit Gedanken tat, mit denen er sich nicht beschäftigen wollte und die er irgendwo vielleicht auch fürchtete (seit einiger Zeit tauchten ungewöhnlich viele solcher Gedanken auf) und beruhigte sich, indem er sich leise selbst zuflüsterte, dass man sich bei einem solch freudigen Ereignis ruhig das ein oder andere alkoholische Getränk gönnen durfte. Schließlich hatte seine Band ein neues Lied produziert, das innerhalb von wenigen Tagen auf die Spitze der Chartliste geklettert war und eine ganze Reihe Ladeninhaber in England und auch anderen Staaten äußerst glücklich gemacht hatte. Murdoc sah sich in seiner Annahme bestätigt, als er endlich nach der Fernbedienung griff, um dafür zu sorgen, dass der dazugehörige gewaltige Flachbildschirm seiner Aufgabe tat. Er brauchte nur sehr kurz einmal durch die Programme zappen, da sah er den Videoclip von Change schon auf irgendeinem halbwegs populären Musiksender laufen. Das Video gefiel Murdoc fast genauso gut wie das Lied an sich, was eine außerordentliche Überraschung war. Er liebte es, neue Lieder aufzunehmen und gut besuchte Live-Konzerte zu geben, doch für Musikvideos hatte sich Murdoc nie sonderlich interessiert; er war auch nicht für sie verantwortlich. Doch aus irgendeinem Grund, den er nicht verstand, war er nicht in der Lage, den Blick vom singenden 2-D abzuwenden. Er erwischte sich sogar bei dem Versuch zu zählen, wie viele Zähne 2-D noch besaß, nachdem er ihm eine nicht zu verachtende Anzahl selbst ausgeschlagen hatte, und sich auch sonst jedes einzelne Detail, das er zu sehen bekam, merkte. Einen Moment mal! Halt! Hatte er das gerade tatsächlich gesehen? Murdoc drückte eilig und aufgeregt mehrere Knöpfe auf der Fernbedienung zugleich, bis sich diese schließlich erbarmte und einige Sekunden zurückspulte. Er hatte sich definitiv nicht geirrt. Er war extrem schmal und kaum zu erkennen, wenn man nicht ganz genau hinschaute, wie Murdoc es getan hatte, doch nichtsdestoweniger existierte er: Dieser Kratzer, der sich wie eine fein geschwungen Linie 2-Ds linken Unterarm entlang zog. Grenzenlose Wut kam urplötzlich in Murdoc hoch, je länger er diese hauchdünne Linie betrachtete, die fast von dem langärmligen Shirt, das 2-D trug, verdeckt wurde. Ihm, Murdoc, wurde also vorgeworfen, er hätte sich verändert, aber dass ihr Sänger sein Zimmer entsetzlich umgestaltete, sich immer mehr zurückzog und nun sogar damit begann, sich …. sich…. wehzutun, das schien Noodle und Russel überhaupt nicht aufzufallen. Und Murdoc hasste sie dafür! Die Flasche Bier, die Murdoc fest umkrallt hielt, zerbrach. Die kalte Flüssigkeit, die ihm über die Hand und den Unterarm rann und sich zu vielgliedrigen Netzen zusammenfügte und der stechende Schmerz, den die Glasscherben, die er noch immer in seiner geschlossenen Faust zerdrückte, verursachten, ließen Murdoc erst wirklich begreifen, was 2-D -vielleicht sogar in dieser Sekunde- mit sich anstellte. Keine Minute später stand er -wieder einmal- vor der Metalltüre, die 2-Ds Zimmer vom Parkplatz trennte, und hämmerte wutschnaubend auf sie ein, ohne den Schmerz, der sich darum pochend durch seinen ganze Arm zog, Beachtung zu schenken. Es vergingen Jahre, ehe er leise, langsame Schritte vernahm, das Türschloss klickte und eben diese wie in Zeitlupe aufschwang. Und für einen ganz kleinen Moment wurde Murdocs Wut von der Enttäuschung verdrängt, weil 2-D nicht wie bei ihrem vorherigen Treffen nur mit einem extrem kurzen rosa Handtuch bekleidet vor ihm stand, sondern eine lange Hose und für die Jahreszeit unpassend dicken Pullover trug. Doch ehe Murdoc einen weiteren Gedanken fassen konnte, war die Wut auch bereits wieder zurückgekehrt und erinnerte ihn an den Grund, warum 2-D diesen Pullover anhatte. "Ähm..." 2-D wirkte schrecklich klein und hilflos, wie er dastand mit zittrigen Beinen und Murdoc mit einem Blick, der ebenso Angst wie Freude ausdrücken konnte, fixierte. Ungebeten setzte Murdoc in einer gebieterischen und Würde ausstrahlenden Bewegung den entscheidenden Schritt über die Schwelle, zog die Türe mit einem unnötig lauten Geräusch hinter sich zu und wusste danach nicht mehr, was er weiter tun sollte. Er befand sich hier in einem Raum, allein mit 2-D, den er wegen seiner neuen Neigung zum Ritzen … zur Rede stellen wollte. Okay. Und wie genau machte man so etwas? Mit einem Mal wurde Murdoc klar, dass er noch nie in seinem ganzen Leben versucht hatte, jemanden wieder auf die richtige Bahn zu lenken. Eigentlich interessierte es ihn recht wenig, was die Menschen in seinem Umfeld mit sich anstellten, sofern er selbst nicht betroffen war. Aus irgendeinem Grund war es bei 2-D anders. Noch immer wurde er von diesem angestarrt, als sei er der einzige Mensch, den es auf dieser Welt gab, und Murdoc begann sich mit jeder Sekunde unwohler zu fühlen. Oh Mann, in was war er hier nur hineingeraten? Scheiße. "Also… Ich…" Murdoc stockte und schluckte einmal heftig. "Ich… wollte mal… mit dir reden. Wegen ... wegen so 'ner Sache." Super gemacht, Murdoc. Häng' dir doch gleich ein Schild mit der Aufschrift Idiot um den Hals. "Du willst mir etwas sagen?" 2-D war hellhörig geworden und Murdoc hätte nur zu gerne gewusst, was in dem Jungen vorging, der ihn nun mit unverhohlener Neugierde im Gesicht anstarrte. Was er wohl erwartete? Murdoc dachte an den Kratzer an 2-Ds Arm, verscheute eilig das komische Gefühl der Unsicherheit, das ihn übermannt hatte, und sprach so selbstbewusst und schnell, wie er nur konnte: "Im Musikvideo von Change kann man sehen, dass du einen Kratzer am Arm hast. Ich will nicht, dass du dich ritzt, 2-D. Kapiert?!" 2-Ds Gesichtsausdruck war mit jedem Wort transparenter geworden, und seine Stimme klang sonderbar dünn, aber noch immer hoffnungsvoll, als er sagte: "Das heißt… du hast dir Sorgen um mich gemacht?" Ja, ganz genau das heißt es, dachte Murdoc und erschrak im selben Augenblick wegen dieses Gedankens. Seit wann zur Hölle kümmerte er sich denn bitte um… um diesen Deppen? Doch nicht etwa, weil er 2-D mochte oder er ihm wichtig war. Nein, mit Sicherheit nicht, es hatte einen völlig anderen Grund. Ganz sicher! "Natürlich nicht!", fauchte Murdoc darum und klang sehr viel schärfer, als beabsichtigt, "ich will nur nicht, dass die Leute denken, der Sänger meiner Band sei nicht nur eklig schwul, sondern auch noch ein widerlicher kleiner Emo, der sich ritzt! Du bist mir doch völlig egal, Face-Ache!" Nach diesem Wortschwall musste Murdoc erst einmal tief Luft hohlen. So hatte er das eigentlich nicht ausdrücken wollen. Und so gemeint war es eigentlich auch nicht. Vorsichtig schaute er auf und stellte geschockt fest, dass 2-D kurz davor war, zu heulen. Jedenfalls glänzten seine Augen verdächtig und noch dazu biss er sich mit den Eckzähnen -die Schneidezähne hatte er ihm höchstpersönlich ausgeschlagen, erinnerte sich Murdoc plötzlich schmerzlich- auf die Unterlippe, sodass Murdoc fürchtete, sie würde gleich anfangen zu bluten. Einige Sekunden verharrten sie beide stumm und reglos, starrten einander einfach nur an, bis Murdoc diesen Anblick nicht mehr ertragen konnte. Er hatte es niemals ausstehen können, wenn Menschen weinten. Schmerzensschreie oder wüste Beschimpfungen waren okay, aber durchs Weinen machte man sich absolut wehrlos und kennzeichnete sich selbst als eine schwache, verletzte Person. Und dann kam sich Murdoc immer, so sehr er es auch verabscheute, furchtbar schlecht vor. Darum wollte er hier unbedingt raus, ehe 2-D tatsächlich hier vor seinen Augen beginnen würde zu flennen. Also ertastete er vorsichtig die Türklinke hinter sich -er hatte sich während des gesamten Gesprächs, während des kleinen Weltuntergangs nicht weiter als einen Schritt vom Ausgang entfernt- und drückte sie, sobald er sie sicher in der Hand fühlte, mit aller Kraft hinunter. Bloß weg hier! Um Gottes Willen, weg hier! Den Weg zurück zum Winnebago konnte man fast schon als Flucht bezeichnen, so schnell lief Murdoc. Erschöpft ließ er sich an der Wohnwagentür hinabgleiten, kaum war sie hinter ihm zugefallen. Sein Herz pochte, sein Atem ging schwer, seine Lungen brannten, obwohl sein Winnebago im Grunde nur wenige Meter von 2-Ds Zimmer entfernt war. Ob der jetzt ernsthaft heulte? Bestimmt. Murdoc fragte sich unweigerlich, wieso er überhaupt zu 2-D marschiert war. Sorgen um ihn gemacht hatte er sich ganz sicher nicht! Zumindest nicht wegen einer kleinen, hauchzarten Linie, die er sich unter Umständen vielleicht sogar bloß eingebildet hatte. Sollte 2-D einen richtig üblen Unfall gehabt haben, oder in einer Schlägerei verwickelt gewesen sein, oder von einem Häuserdach gesprungen sein, dann würde er sich eventuell ein ganz klein wenig sorgen. Vielleicht. Aber nicht wegen eines so blöden kleinen Kratzers! Jetzt, wo Murdoc darüber nachdachte, war er sich nicht einmal sicher, ob er ihn überhaupt wirklich gesehen hatte. Es war genau so, wie er es 2-D, gesagt hatte: Das einzige, was für ihn von Bedeutung war, war seine Band. Und der damit verbundene Ruhm natürlich! Dennoch fand Murdoc den Gedanken, dass 2-D nur wenige Schritte von ihm entfernt heulte und mit seinem Körper sonst was anstellte, unerträglich. Murdoc schüttelte den Kopf, um den Gedanken aus ihm zu vertreiben. Wie er es immer mit störenden Gedanken tat. Ja, ich weiß: Das Kapitel ist extrem schlecht geworden... Ich entschuldige mich bei all meinen Lesern! Über Kritik und Verbesserungsvorschläge freue ich mich natürlich trotzdem sehr! Und ich denke, an dieser Stelle ist ein großes Dankeschön an meine Kommi-Schreiber, die mir bereits einen lieben Kommentar zum ersten Kapitel hinterlassen haben, angebracht. Vielen herzlichen Dank, ihr seid wirklich die besten! bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)