Change von kleines-sama (MurdocX2-D) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Das Weib -er hatte es nicht nach seinem Namen gefragt- hauchte ihm noch einen kurzen Kuss auf die Lippen, den er nur äußerst widerwillig über sich ergehen ließ, ehe es sich seine hässliche Handtasche schnappte und aus seinem Winnebago verschwand. Der Sex war schlecht gewesen. Murdoc warf einen mürrischen Blick auf den zerkratzten Radiowecker in der Ecke und stellte erstaunt fest, dass es sich eigentlich nicht mehr lohnte, einzuschlafen. Wie hatte ein so schrecklich mieser Fick nur so lange dauern können? Er warf die graue Decke zur Seite, setzte beide Füße fest auf den Boden und stand auf. Er war vollkommen nackt und wollte ehrlich gesagt nicht genau wissen, was für absonderliche Flüssigkeiten da an seinem Körper klebten. Die Frau war wirklich ungewöhnlich schlecht gewesen. Wie fast jede, die er in letzter Zeit erwischte. Ausnahmsweise einmal benötigte Murdoc nur wenige Sekunden, um den Beschluss zu fassen, sich rasch unter die Dusche zu stellen. Das eiskalte Wasser half ihm, die grauenvolle Nacht zu vergessen und sich auf den bevorstehenden Tag zu konzentrieren. Er gab es nur ungern zu, aber Duschen war für ihn wie eine Beruhigungstablette. An ganz besonders schlimmen Tagen sogar wie eine Wiedergeburt. Murdoc gab ein leises Grummeln als Antwort auf das fröhliche "Guten Morgen", das 2-D ihm entgegen spie, sobald er die Küche betrat. Noodle war ebenfalls bereits anwesend, wie immer einen ihrer unzähligen Gameboys in der Hand. Nur Russel musste noch pennen, was auch kein Wunder war, schließlich hatte niemand für Frühstück gesorgt, und anders war der Drummer vor zwölf Uhr mittags nicht aus den Federn zu kriegen. Wieder einmal fiel Murdoc auf, was für ein unorganisierter Haufen sie doch waren und wieder einmal beschloss er, dieses Problem ein anderes Mal anzusprechen. Sein Magen knurrte. Wann hatte er das letzte Mal etwas gegessen? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. "Hast du Hunger?", fragte 2-D überflüssigerweise und warf einen besorgten Blick auf Murdocs Bauch. Der war, das war auch durch das weite T-Shirt nicht zu übersehen, in den letzten Wochen merklich geschrumpft. Es würde ihn nicht wundern, würde sein Arzt in nächster Zeit die Magersucht bei ihm feststellen, so dünn war er geworden. "Natürlich hab' ich Hunger, du Schwachkopf", fauchte Murdoc ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Das Beschimpfen von 2-D geschah fast schon automatisch. "Mein Magen knurrt nicht aus Spaß, Idiot!" 2-D senkte eingeschüchtert den Blick und fragte dann mit dünner Stimme, ob er ihm etwas aus dem Kühlschrank holen sollte. Murdoc blickte ihn überrascht und auch mit einer Spur Argwohn in den Augen an, selbst Noodle wagte für einen kurzen Augenblick von ihrem Hirnverblöder aufzuschauen. Seit wann mimte Face-Ache denn bitte schön das Hausmädchen? Zwar war es allgemein bekannt, dass 2-D der mit Abstand freundlichste und hilfsbereiteste von ihnen war, doch soweit ging für gewöhnlich nicht einmal er. Was soll's, dachte sich Murdoc. Sollte die Schwuchtel doch machen, was sie wollte. Außerdem kam ihm das ganz gelegen, da er nicht wirklich den Wunsch verspürte, sich unnötig zu bewegen. Er nannte 2-D die Nahrungsmittel, die er zu bekommen verlangte, während er nach der Zeitung griff, die auf dem Tisch lag. Vor ein paar Jahren noch hätte er es sich niemals vorstellen können, die Zeitung regelmäßig zu lesen, aber seit ihm das Herumblättern in einer Zeitung einmal das Leben gerettet hatte, tat er es fast täglich. Noch dazu stieß man ab und an auf einen Artikel über ihre Band. Seit ihrer Tournee, die sie erst vor kurzem beendet hatten, war die Zahl ihrer Fans weiter gestiegen und die Presse stürzte sich auf alles von ihnen, was sie kriegen konnte. Ärgerlich waren nur diese nervigen Gerüchte, die oft kursierten und nicht selten sogar abgedruckt wurden. Er hatte bereits einige Male versucht, etwas dagegen zu unternehmen -fast immer in Form einen Auftrittes in der Öffentlichkeit-, musste dann jedoch leider feststellen, dass dies die Gerüchteküche erst recht noch ankurbelte; und darum ließ er es nun bleiben. In dieser Ausgabe befand sich ein Interview über "Murdoc Niccals und seine übermenschliche Fähigkeit in die Zukunft zu sehen", das er sich nicht erinnerte gegeben zu haben. Das war nicht ganz so schlimm, zumindest war es nichts Peinliches oder Privates. Und so sehr er sie auch hasste, diese Gerüchte -sie taten ihrer Berühmtheit nur gut. Die Gorillaz waren dank dieser beschissenen Lügen immer und überall in aller Munde! "Bitteschön!" 2-D stellte den Teller, auf dem sich sein Frühstück stapelte und dazu ein Getränk, das er nicht bestellt hatte, mit einem komischen Klack-Geräusch breit lächelnd vor ihm auf den Küchentisch ab. Murdoc vermied es, die Lücken in 2-Ds Zahnreihe all zu genau in Augenschein zu nehmen und widmete sich stattdessen lieber dem Essen. "Ich versuche mal Russ wach zu kriegen, ja?", meldete sich Noodle ab, als der Teller nicht einmal zu einem Viertel leer war. Mehr würde Murdoc nicht runterkriegen, das wussten sie alle. Mit einem Gefühl, als hätte er tonnenschwere Steine im Magen, schob er den Teller von sich weg. Jetzt waren er und 2-D allein im Raum. "Was glotzt du so?" "Oh, nichts. Sorry", nuschelte 2-D betreten und wandte sofort den Blick ab. Was war heute nur mit dem Kerl los? Da stimmte doch etwas nicht, da spürte er ganz genau! Murdoc machte sich eigentlich nicht sehr viel aus dem Wohlergehen seiner Bandmitglieder, solange diese nur weiterhin gute Musik produzierten, doch aus irgendeinem Grund kamen ihm die Worte dann doch über die Lippen: "Rück' schon raus mit der Sprache! Was hast du, Zahnlücke?" 2-D schaute ihm nicht ins Gesicht -Murdoc nahm an, dass er das "Was glotzt du so?" von eben zu ernst nahm- als er mit tonloser Stimme antwortet: "Nichts." Murdoc glaubte 2-D nicht, doch er bohrte nicht weiter nach. Er hatte das ungute Gefühl, dass es sich hier um eine dieser Angelegenheiten handelte, in die man sich lieber nicht einmischte, wenn man keinen Ärger haben wollte. Die Türe öffnete sich wieder, Noodle und direkt hinter ihr Russel betraten die Küche. "Na?", rief ihr Drummer ausgeschlafen und darum ungewohnt gut gelaunt in die Runde. "Wie geht's euch, Leute?" * "Also, hat jemand einen Vorschlag?", sprach Murdoc ohne viel Hoffnung auf Rückmeldungen in die Stille hinein, die sich über den Raum gelegt hatte. Die enge, weiß gekachelte Küche war eine Art Aufenthaltsraum für sie geworden. Wenn man nicht gerade probte oder einzeln in seinem Zimmer hockte, befand man sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hier. Das Besondere war heute jedoch, dass sie sich dazu entschlossen hatten, ein neues Lied zu kreieren und darum Ideen sammelten. Wie es schien, hatte niemand eine. Murdoc begann sich langsam zu fragen, wie sie die vorherigen Songs überhaupt zustande gebracht hatten. Automatisch richtete Murdoc seinen Blick auf 2-D, was die anderen dazu veranlasste, es ihm gleichzutun. "Hey, Face-Ache!" "J-ja, Muds?" 2-Ds Stimme klang nervös und piepsig, es schien ihm nicht zu gefallen, plötzlich alle Aufmerksamkeit bei sich zu haben. "Du schreibst doch ständig an irgendwelchen unfertigen Songs rum und so, oder? Dir muss doch wohl was Ordentliches einfallen!" Es war ungerecht, auf diese Weise die gesamte Verantwortung auf 2-D und sein Hobby zu schieben, doch Murdoc hielt diese Stille nicht mehr aus. Eine derart unkreative und ideenlose Band hatte es auf diesem Planeten garantiert noch nicht gegeben! Zum Glück erklärte 2-D eilig, dass er zwei fast fertige Songtexte in seinem Zimmer liegen hätte. In einer bemerkenswerten Geschwindigkeit rasselte er eine sehr kurze Inhaltsangabe der beiden Songs herunter. Am Ende hatte Murdoc nur so viel mitbekommen, dass eines der Lieder irgendetwas mit einer von der Gesellschaft nicht geduldeten Liebe zu tun hatte und das andere von einem Geisteskranken, der unter schrecklichen Halluzinationen litt, handelte. Das klang in seinen Ohren nicht sonderlich viel versprechend, doch es war immer noch besser als gar nichts, also schickte er 2-D los, um die beiden Songtexte zu holen. Den einen Zettel zerknüllte er, kaum hatte er die ersten paar Zeilen gelesen, und war den Papierball hinter sich. Er verfehlte den Papierkorb um einige Zentimeter, aber niemand machte sich die Mühe, ihn aufzuheben. Der zweite Text war um einiges besser. Zwar wies er noch einige Schwachstellen auf -das konnte selbst Murdoc, der nicht viel vom Schreiben verstand, erkennen-, doch sah im Großen und Ganzen sehr brauchbar aus. Murdoc begann sich unwillkürlich zu fragen, wieso 2-D den Song nicht sofort vorgestellt hatte, sondern gewartet hatte, bis man ihn in den Hintern trat. 2-D wurde von ihm dazu abkommandiert, an der Verbesserung des Songtextes zu arbeiten, während er mit den anderen beiden derzeit überlegte, wie der Song instrumentalisch dargestellt werden sollte. Auf ein Gitarren- oder Basssolo hatte man sich bereits geeinigt, doch alles Restliche stand noch offen. Nun, da es etwas Konkretes zu tun gab, sprudelten die Ideen aus den Mündern nur so heraus. Die Stille hatte der Konzentration Platz gemacht, wie bei einer Schulklasse, die eine schwierige Mathe-Klausur schrieb. Murdoc fühlte sich besser. * "Die Zeitung liegt auf dem Tisch", waren 2-Ds erste Worte, als Murdoc die Küche betrat. Langsam ließ dieser sich auf seinen Stammplatz fallen und griff erst nach seiner Zeitung und dann nach der Tasse Kaffee, die 2-D ihm sogleich hinhielt. Wenige Augenblicke später folgte sein Frühstück. Es war wieder viel zu viel, doch Murdoc beschwerte sich nicht. Er hatte nur wenige Tage gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, dass 2-D seinen Spaß daran hatte, die Hausfrau zu spielen. Seine Meinung dazu hatte sich währenddessen nicht geändert: Für ihn konnte das nur von Vorteil sein. Nachdem Murdoc versorgt war, setzte sich 2-D auf den Platz neben ihn und kümmerte sich um sein eigenes Frühstück, das heute aus zwei blauen Pillen und einem Glas Wasser bestand. Wahrscheinlich litt er wieder unter seiner Migräne. Murdoc konnte es nicht verhindern, dass er ein wenig Mitleid mit dem Jungen bekam. Es musste aber auch wirklich beschissenen sein, ständig befürchten zu müssen, dass höllische Kopfschmerzen und Schwindelanfälle einem in mehr als unpassenden Gelegenheiten überraschten. Murdoc blätterte in seiner Tageszeitung herum; bis jetzt hatte er glücklicherweise noch kein neues, dämliches Gerücht gefunden, aber das konnte sich sehr schnell ändern, wie er wusste. Und das tat es dann auch. Der Artikel nahm fast die halbe Seite ein, und auf dem großen Foto in der Mitte konnte er ohne weiteres sich selbst und 2-D identifizieren. Sie befanden sich beide in der Küche: 2-D reichte dem ausgehungerten Murdoc gerade mit einem schrecklich fürsorglichen Blick den Teller mit seinem Frühstück. Die fette Überschrift lautete: Murdoc und 2-D: Ein geheimes Liebespaar?. Murdoc entglitt die Zeitung, die auf dem gefliesten Küchenfußboden landete und -wie hätte es anders sein können?- prompt von 2-D aufgehoben wurde. Zuerst schien es, als als wollte er sie Murdoc zurückgeben, doch dann fiel sein Blick auf die aufgeschlagene Seite. Murdoc konnte genau erkennen, wie 2-Ds nachtschwarze Augen sich vor Schock weiteten und seine sowieso schon unnatürlich helle Haut noch bleicher wurde. "Gib' das her, Arschloch!", brüllte Murdoc, bis eben noch versteinert, und riss die Zeitung mit einem Ruck wieder an sich. Oh, diese scheißverdammten Hurensöhne von Zeitungsfritzen! Zerhackstückeln, verbrennen und drauf rotzen würde er! Wie konnten es diese beschissenen Arschgeigen es nur wagen…! "Murdoc…?" Murdoc in diesem absoluten Ausnahmezustand anzusprechen, war der größte und dümmste Fehler, den 2-D derzeit begehen konnte. Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte Murdoc bereits wutschnaubend ausgeholt und seine Faust in 2-Ds Magengrube gerammt. Mit grausamer Genugtuung beobachtete er, wie ihm dessen Inhalt wieder hochkam. Um ihn nicht anzuspucken, drehte 2-D sich schnell zur Seite und erbrach sich schließlich auf den Boden. Murdoc konnte genau die bleichen, unverdauten Pillen in dem eklig grün-braunen Erbrochenem erspähen. Sie grinsten ihn frech an, wie es einst zwei Schneidezähne an ihrer Stelle getan hatten. Murdoc zeigte in seinem Wutanfall keinen Anflug von Gnade. Er schubste 2-D, der sich gerade verzweifelt den Mund abwischte, auf den Boden und setzte sich auf dessen Oberschenkel, während er seinen Oberkörper und Kopf mit Schlägen bombardierte. "Das. Ist. Alles. Nur. Deine. Schuld. Blindschleiche!" knurrte Murdoc, während er erschöpft ein- und ausatmete. Er hatte mindestens eine Viertelstunde auf den wehrlosen 2-D eingeschlagen, und sein schrecklicher Zorn war noch immer nicht verraucht. Doch die Haut, die sich seinetwegen verfärbte, das Blut, das seinetwegen durch die Luft spritzte und der goldene Backenzahn, der auf dem gefliesten Küchenfußboden gelandet war -das alles verschaffte ihm Genugtuung. Sein Ruf war geschädigt, doch zumindest bezahlte der Kerl, der dafür verantwortlich war, auch ordentlich. "Wärst du nicht auf die Scheiß-Idee gekommen, hier die Hausfrau raushängen zu lassen, dann wäre das nie passiert! Du gottverdammte Schwuchtel! Ich sollte dir deine nicht vorhandenen Eier rausreißen, Hurensohn!" Murdoc beugte sich bedrohlich weit zu 2-D nach unten, sodass nur noch wenige Millimeter fehlten, dann hätten sich ihre Nasenspitzen berühren können. 2-Ds Gesicht zuckte und zitterte jämmerlich vor Angst, als er Murdocs herben Atem darauf fühlen konnte. "Ich warne dich, Schwuchtel", flüsterte Murdoc leise, "wenn so etwas noch einmal geschieht, dann bist du tot. Und das meine ich ernst!" Klack. * "Habt ihr's nun mal langsam?" Russel, der als einziger von ihnen sein Instrument, das Schlagzeug, nicht jedes Mal neu einzustellen brauchte, legte ständig eine unglaubliche Ungeduld an den Tag, wenn die anderen Drei damit beschäftigt waren. "Jaja…" "Jaja heißt Leck mich am Arsch!", grinste er und nahm seine beiden Drummsticks in die massigen Hände. "Genau das hatte ich auch gemeint." "Hey, du…!" "Lasst den Mist jetzt!", funkte Noodle genervt dazwischen, die sich auf den Weg zu ihrem angestammten Platz im riesigen Proberaum machte. "Ihr benehmt euch ja wie die Kleinkinder!" "Okay. Auf drei, alle kapiert?" Russel, Noodle und schlussendlich auch 2-D nickten, alle Drei wirkten hochkonzentriert und warteten nur noch voller Anspannung auf das Zeichen. "Drei!" Das Intro, das sie tausende Male abgeändert und verbessert hatten, funktionierte reibungslos und klang so verdammt gut, dass Murdoc ein gewinnendes Grinsen kaum mehr unterdrücken konnte. Dann begann 2-D zu singen. Und wie er sang! Immer, wenn 2-D etwas extrem Idiotisches angestellt hatte und Murdoc tatsächlich nur noch eine Haaresbreite davon entfernt war, ihn umzubringen, besann er sich auf dieses atemberaubende Talent, das ihnen dadurch verloren ginge. Und das war zumeist auch der einzige Grund, der Murdoc davon abhielt. Auf rosa T-Shirts, Katzenbabys und sulzige Kommentare konnte er ohne Probleme verzichten… Mit einem Mal wurde es ganz still im Proberaum und Murdoc schaute sich erstaunt und wütend nach dem Urheber dafür um. Bestimmt hatte diese Ratte 2-D wieder etwas angestellt! "Muds…", stöhnte Noodle genervt auf. "Du hast deinen Einsatz verpasst!" Er hatte was!? War er tatsächlich so in Gedanken versunken gewesen? Das würde ihm auf keinen Fall ein zweites Mal passieren! Noch eine Blamage heute konnte er sich beim besten Willen nicht mehr leisten. Er dankte Satan nur dafür, dass weder Russel noch Noodle großartige Zeitungsleser waren… "Alter, was ist nur los mit dir?" Russel hatte gesprochen und musterte Murdoc mit einem äußerst unangenehmen Blick aus seinen milchig weißen Augen. Seine geliebten Drummsticks lagen nun achtlos auf einer der vielen Trommeln, die gemeinsam sein Schlagzeug bildeten. "Du benimmst dich in letzter Zeit so komisch!" Er benahm sich komisch? Was war denn das bitteschön für ein Blödsinn? Er verhielt sich genauso, wie er es immer getan hatte: Rüpelhaft, egoistisch, leicht reizbar und unhöflich. Und so blieb das gefälligst auch! "Er hat recht!", schaltete sich nun auch wieder Noodle ein, und Murdoc würde sie am liebsten für die Tatsache erwürgen, dass sie ein kleines Kind war und es wagte, ihm Vorwürfe zu machen. Doch Noodle sprach, ohne Rücksicht auf den Todesblick, den er ihr zuwarf, weiter: "Du isst so gut wie gar nichts, du sprichst kaum noch mit uns und holst dir für so gut wie jede Nacht eine Schnecke in deinen Winnebago, nur um hier morgens schlecht gelaunt anzutanzen. Was ist nur los mit dir? Wir machen uns Sorgen, weißt du das eigentlich?" Na und, war das sein Problem? Er konnte doch machen, was er wollte! Da hatten sich diese Idioten überhaupt nicht einzumischen! Murdoc wusste, dass er an dieser Stelle eigentlich wütend losbrüllen und um sich schlagen müsste, doch irgendwie fehlte ihm die Kraft dazu. Der Zorn war nicht da. Er fühlte sich einfach nur leer, verzweifelt und schrecklich müde. "Siehst du?", murmelte Noodle leise und traurig als Erwiderung auf die Antwort von Murdoc, die sie nicht bekommen hatte. "Ach, lasst mich doch in Ruhe, ihr Idioten", murmelte Murdoc leise und war in Begriff, den Raum zu verlassen, um in seinen Winnebago zu verschwinden und die Türe hinter sich abzuschließen, als er am Arm festgehalten wurde. 2-Ds Finger waren dünn und kalt, doch er schlug sie nicht weg. "Hey", begann er mit einer sorgenvollen Stimme, die überhaupt nicht zu ihm passte, "wenn etwas ist, kannst du immer mit uns reden." Murdoc riss sich augenblicklich los und spürte, dass die Wut zurückgekehrt war. Wie heiße Lava pulsierte sie in seinen Venen. Wofür hielten sich diese Affen? Er konnte noch genau spüren, wo 2-D ihn berührt hatte. "Mir geht es saugut, nur damit ihr's wisst! Ich brauche weder euch noch eure beschissene Fürsorge, ist das klar?!" Und mit diesen Worten stapfte er aus dem Proberaum. * Eigentlich hatte er tatsächlich vorgehabt, sich in seinen Winnebago für eine Weile hinzulegen, doch nun entschied er sich um. Stattdessen machte er sich auf den Weg in die Küche. Dem fast leeren Kühlschrank konnte er glücklicherweise noch ein eisgekühltes Sixpack Bier entlocken, was Murdoc ein wenig beruhigte. Mit einer geübten Bewegung schälte er eine der Flaschen aus der blöden Verpackung, öffnete sie und setzte sie sich, so schnell es ihm möglich war, an die Lippen. Der Alkohol dämpfte das, was von seiner Wut noch übrig war. Einige Zeit stand er nur da und genoss das Bier, ehe er sich die Zeitung schnappte, die noch auf dem Tisch lag. Ausnahmsweise einmal hatte er sie sich für den Nachmittag aufheben wollen. Er nahm sie in seine freie Hand und machte sich so beladen schnellsten auf zu seinem wunderbaren Winnebago. Schließlich konnte er kaum damit rechnen, dass die drei Vollidioten sich so leicht abschreiben ließen. Einen kurzen Augenblick lang zögerte Murdoc und warf einen raschen Blick zur Küchentüre. Es war schon sehr ungewöhnlich, dass sie ihm nicht gefolgt waren und weiter mit ihren verrückten Theorien auf ihn eingeredet hatten. Ob sie die Probe seinetwegen wohl abgebrochen hatten, oder spielten sie unbekümmert von dem Szenario eben weiter? Murdoc schüttelte den Kopf und kam zu dem Schluss, dass das sowieso keine Rolle spielte. Wie kam er nur auf solche Gedanken? Er legte das Bier und die Zeitung eilig auf sein Bett, das so breit war, dass ohne Probleme vier Personen darauf liegen konnten, und kehrte dann gemächlich zur Türe des Winnebagos zurück, um diese zu schließen. Er wusste genau, dass keiner der Drei es wagen würde, sein Reich zu betreten. So weit er sich erinnern konnte, waren Russel oder Noodle noch niemals hier drin gewesen, und 2-D nur ganz zu Beginn, als die Sache mit der Band noch in den Kinderschuhen steckte, kaum mehr als eine waghalsige Idee war. Oder vielleicht noch ein- oder zweimal mehr. Denn 2-D hatte, so ungern er es auch zugab, irgendwie auch ein Recht auf den Winnebago. Nicht rechtlich gesehen, denn rechtlich gesehen gehörte der Kasten ja nicht einmal ihm selbst. Aber 2-D hatte für einige Zeit in diesem Winnebago gewohnt, genauso wie er, und darum gehörte dieser auch zu einem äußerst geringen Anteil auch dem Idioten. Jedenfalls sah Murdoc das so. Ob 2-D derselben Meinung war oder nicht, das wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht sonderlich, wenn er ehrlich war. Schließlich hatte er sie nie die Mühe gemacht, es dem Schwachkopf zu sagen. Denn dann würde 2-D ganz sicher ohne Unterbrechung hier rumhängen. Wie früher. Murdoc bemerkte ein paar weiße Flecken auf dem Laken, die von der letzten Nacht stammen mussten. Auch dieser Sex -Lisa hatte das Weib geheißen, meinte er sich zu entsinnen- war miserabel gewesen. Es hatte Ewigkeiten gedauert, bis er zum Orgasmus gekommen war, und das war, für Murdoc jedenfalls, ein eindeutiges Zeichen. Guter Sex hatte einfach und schnell zu sein. Kein Vorspiel, kein Nachspiel, einfach nur einen hübschen Fick. Murdoc verdeckte die Flecken durch seine graue Bettdecke; er sah keinen Sinn darin, das riesige Bett zu säubern. Spätestens morgen würden neue Flecken hinzukommen, und dann noch mehr. Und immer wieder würde er sich denken, dass der Sex schlecht war. Und immer wieder würde er sich eine Ausrede einfallen lassen. Das Weib hatte so kleine Titten gehabt, dass er nicht geil geworden war. Oder er war so gut im Bett, dass neben ihm alle anderen schrecklich schlecht waren. Den Weibern und Mädchen, die er sich angelte, gefiel es jedenfalls. So gut wie jede ließ ihm die Handynummer da. Er zerknüllte sie und warf sie in den Mülleimer, sobald die Person außer Sichtweite war. Murdoc seufzte und setzte sich an das Kopfende des Bettes, die Zeitung auf den Knien. Hoffentlich waren heute eine Menge Leute auf schmerzhafte Art ums Leben gekommen. Hoffentlich. Er war gerade einmal bei seinem vierten Bier, als sein Körper -wie bereits einmal in seinem Leben- zu Stein wurde. Das war nicht wahr. Das konnte nicht wahr sein! Murdoc spuckte das Bier, das er in seiner Mundhöhle festgehalten hatte, laut prustend aus. Dafür würde jemand büßen müssen und er wusste auch schon ganz genau wer! "Du arschgefickte Arschgeige! Mach gefälligst diese beschissene Tür auf, sonst trete ich sie ein!" Zur Bekräftigung der Worte, die Murdoc laut kreischend von sich gegeben hatte, schlug er ein weiteres Mal mit der Faust gegen die stabile Metalltüre, die 2-Ds Leben vor ihm rettete. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob dieser sich überhaupt wieder in seinem Zimmer befand; noch immer bestand die Option, dass er und die restliche Band im Proberaum weiter an dem Song arbeiteten. Doch er hatte keine zwei Sekunden gewartet, da konnte er genau hören, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde und sofort schwang die Türe mit einem lauten, unangenehmen Quietschen auf. Vor ihm stand 2-D. Nass. Und nackt, bis auf ein kleines, zartrosa Handtuch, das er sich anscheinend sehr eilig um die Hüften gewickelt hatte. Es löste sich bereits wieder, weswegen 2-D verzweifelt versuchte, es mit einer Hand festzuhalten. Seine sonst immer in alle Richtungen abstehenden, knallig blauen Haare hingen wie ein nasser Vorhang schlapp herunter. Sie hatten sich durch das Wasser dunkel verfärbt und wirkten nun beinahe schwarz. Murdoc beobachtete mit zurückgehaltener Faszination einen Wassertropfen, der sich aus 2-Ds Haar löste und dessen mit grünen und blauen Stellen nur so übersäten Oberkörper weiter hinabrutschte. Murdocs Wut war mit einem Mal verraucht. "Willst du… Willst du nicht reinkommen, Muds?" 2-D, sichtlich verunsichert durch Murdocs Schweigen, wo er doch eben noch so laut und aggressiv gewesen war, schaute schüchtern und demütig zu Boden. Murdoc nickte nur abwesend und trat ein. Er war nur sehr selten jemals in 2-Ds Zimmer gewesen; es war für ihn eine Tabu-Zone, wie es für 2-D sein Winnebago war. Erstaunt stellte er fest, dass es sich seit seinem letzten Besuch sehr verändert hatte. Die vielen Poster von Tierbabys, die früher die Wand verzierten, waren verschwunden, 2-Ds Bett war anstelle des früheren Pink mit Schwarz bezogen und der Schrank bedeckt mit unleserlichen Kritzeleien. Tatsächlich schien der einzige freundliche Gebrauchsgegenstand hier in diesem Raum 2-Ds rosa Handtuch zu sein. "Ich …ähm… habe ein wenig umgeräumt…", versuchte 2-D eine dürftige Erklärung abzugeben, als er Murdocs misstrauischen Blick auf sich spürte. Und die warfen ihm vor, er hätte sich verändert? Murdoc blieb keine andere Wahl als sich auf 2-Ds Bett, die einzige Sitzgelegenheit im Zimmer, niederzulassen. Währenddessen suchte sich 2-D einige neue Kleidungsstücke aus dem verunstalteten Schrank und verschwand anschließend für wenige Sekunden im angrenzenden Badezimmer, um es dann vollständig angekleidet, doch noch immer mit klatschnassem Haar, wieder zu verlassen. Er setzte sich, einen größeren Abstand als nötig haltend, neben Murdoc auf das Bett und betrachtete diesen mit einer ungleichen Mischung aus Neugierde, Erwartung und … Angst? "Also…", ergriff 2-D schließlich das Wort, als Murdoc weiterhin schwieg, "wieso bist du hier?" Murdoc ließ sich ein wenig Zeit. Er wog ab, ob es ratsam war, die Wahrheit zu erzählen, oder ob er 2-D lieber eine Ausrede auftischen sollte. Er entschied sich schlussendlich für letzteres und brauchte nur wenige Augenblicke, um sich eine plausible Lüge auszudenken. 2-D war sowieso der leichtgläubigste Mensch, den er kannte. Der Junge fraß ihm fast schon aus der Hand! Mit einem seltsamen Gefühl der Genugtuung dachte er an all die Ausreden, Lügen und Halbwahrheiten zurück, die ihm 2-D allesamt, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, geglaubt hatte. "Weißt du, ich dachte daran, vielleicht ein öffentliches Interview zu geben." "Wow!", war das erste, was 2-D von sich gab. Dann begann er zu fragen, wann und wo er das Interview geben würde, und wovon es überhaupt handelte, und, und, und. Das war das einzig nervige, wenn man ihn anlog: Man musste seine Fragen beantworten. Doch diese Unbequemlichkeit relativierte sich sofort wieder, wenn man bedachte, dass man auch hierbei einfach lügen konnte. Murdoc antwortet auf alle Fragen sehr ausweichend, wohl wissend, dass es dieses Interview niemals geben würde. Sollte 2-D jemals danach fragen, was bei dessen Gedächtnis mehr als unwahrscheinlich war, dann würde er ihm einfach irgendeinen Zeitungsartikel unter die Nase halten, den sich irgendwelche Presseleute zusammengebastelt hatten, weil ihre Zeitung sonst kein Schwein kaufte. So einfach war das! "Ich muss jetzt gehen", sagte Murdoc nach einer Weile. Sie hatten sich lange unterhalten. Länger, als es nötig gewesen wäre. Das geschah sehr selten. Für gewöhnlich liefen ihre Gespräche so ab, dass 2-D entweder von Murdoc beschimpft oder wegen irgendwelchen Sachen, die mit ihrer Musik zu tun hatten, zu Rate gezogen wurde. Schade eigentlich. "Okay", erwiderte 2-D leise. "Auf Wiedersehen dann, Muds." "Ja, auf Wiedersehen", wiederholte Murdoc den Abschiedsgruß noch leiser, sodass er fast geflüstert klang, und verließ 2-Ds Zimmer. So, ich hoffe sehr, dass dir das erste Kapitel gefallen hat! Über einen Kommentar von dir würde ich mich selbstverständlich sehr freuen! =) bye sb Hosted by Animexx e.V. 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