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Longing for your Embrace

AoixUruha
von

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In your arms

Uruha warf einen Blick auf die silberne Uhr, die sein linkes Handgelenk zierte; es war kurz nach halb elf, als er die nächtliche Straße verließ und die Karaokebar betrat. Eine unglaubliche Geräuschkulisse schlug ihm entgegen und er reckte sich leicht, um einen Überblick zu gewinnen. An einem Tisch auf der anderen Seite des Clubs, hinter der Tanzfläche, entdeckte er seine Band und bahnte sich elegant einen Weg zu ihnen.

„Wir hatten halb zehn gesagt!“, war Rukis Begrüßung an ihn und Uruha lächelte, als er sich zu dem kleineren herunterbeugte und ihn kurz umarmte.

„Ich weiß“, sagte er nur und wusste genau, dass Ruki davon nur noch gereizter wurde. Der Kleine hasste es, wenn man zu spät kam, doch Uruha kümmerte sich nicht darum und widmete seine Aufmerksamkeit dem Rest des Tisches. Alle anderen schienen pünktlich gewesen zu sein. Reita auf jeden Fall, denn der sah schon jetzt ziemlich angeduselt aus, aber wer Reita kannte, wusste, dass da noch mehr reinpasste. Kai saß neben Reita und winkte ihm grinsend zu, während er mit der anderen Hand unauffällig Reitas noch volles Schnapsglas unter der Bank verschwinden ließ.

„Und habt ihr schon ein Lied geschmettert?“, fragte Uruha in die Runde, während er sich auf einen Stuhl fallen ließ, von dem aus er gut die tanzende Menge und die Bühne beobachten konnte.

Ruki gab ein mürrisches Geräusch von sich und lehnte sich zurück. „Oh nein, dazu sind sich die feinen Herren ja zu gut, die haben ganz andere Unterhaltungsmöglichkeiten …“

Uruha zog seine Augenbrauen hoch, aber Ruki schien zu dem Thema nicht mehr zu sagen zu haben, also sah er Kai an.

„Trinkspiel“, erklärte der und plötzlich wusste Uruha, dass Ruki hauptsächlich deswegen schlechte Laune hatte und nicht wegen seines Zuspätkommens. Der Brünette lehnte sich vor uns durchsuchte abermals den Raum mit seinem Blick.

„Und wo ist dann Aoi?“, fragte er, denn außer Aoi machte keiner Trinkspiele mit Reita.

Die Antwort folgte sofort in Form behandschuhter Arme, die sich von hinten um seinen Hals schlossen. Aois Kopf schob sich neben seinen und als der andere zu sprechen begann, konnte er eindeutig Alkohol riechen; er tippte auf Tequila.

„Heeey Uruha …“, lallte der Ältere und zog seine Arme enger um seinen Hals, was dem Brünetten langsam aber sicher die Luft abschnürte. „Endlich bist du da … los geht’s Partytime!“ Beim letzten Wort ließ er vom anderen ab und tänzelte unkoordiniert um den Tisch herum. Egal wie man es betrachtete, mit Aoi würde heute sicher keine große Party mehr steigen.

„Na kommt schon, ich will tanzen!“, rief Aoi aus und kippte nach vorne, sodass er sich mit den Händen auf der Tischplatte abfangen musste. Der Tisch erbebte und Uruha grinste, als Ruki neben ihm genervt schnaubte und sich erhob.

„Ich hol mir noch ein Bier“, sagte er und griff nach seiner leeren Flasche.

„Mir auch eins!“, nuschelte Reita, aber Ruki deutete sich nur vielsagend mit dem Finger an die Stirn, ehe er in Richtung Theke verschwand.

„Nur noch eins …“, flehte Reita leise Kai an, während Aoi angestrengt versuchte Uruha genau zu fixieren, was ihm anscheinend nicht wirklich gelang. Ein besoffener Aoi war immer wieder ein niedlicher Anblick, fand Uruha, aber er hatte auch nicht wirklich Lust den ganzen Abend lang Babysitter zu spielen.

Der Brünette seufzte und erhob sich. „Was hältst du davon: Du setzt dich jetzt erst mal hier hin, ich hol dir ein schönes Glas Wasser und wenn du das aufgetrunken hast, dann gehen wir singen, ja?“ Uruha hatte den Schwarzhaarigen am Oberarm gepackt und drückte ihn nun mit sanfter Gewalt auf den nächstbesten Stuhl.

Aoi gab ein unbestimmtes Knurren von sich. „Wasser ist scheiße …“, lallte er widerwillig, streckte sich und ließ seinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Zwar war sich Uruha nicht sicher, ob der andere schlief oder einfach ins Koma gefallen war, aber es war sicher besser ihn einfach erst einmal da liegen zu lassen.

Er warf noch einen kurzen Blick zu Kai, der damit beschäftigt war, seinen Cocktail aus Reitas Fängen zu befreien, entschloss sich dann dazu, dass dabei seine Hilfe nicht wirklich gefragt war und verkrümelte sich still und leise auf die Tanzfläche.

Wie gut, dass er heute so viel Zeit ins Styling gesteckt hatte, denn ihm war bewusst, dass alle Frauen ihn anstarrten; und die Hälfte der Männer, was ihm persönlich besser gefiel. Da würde sich doch sicher ein süßer für eine Nacht finden lassen. Er ließ seinen Blick durch die Menge schweifen und bald hatte er einen jungen Mann angepeilt, der seinen Blick einfach nicht von seinen Oberschenkeln lösen konnte. Aber seine Beine sahen ja auch verboten gut aus in dieser lila Latex-Strapsen-Hose.

Nur fünf Minuten später war er die Blicke fast aller Frauen los, da er nun eng mit dem jungen, doch recht hübschen, Mann tanzte, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte; er wusste nur noch, dass er Student war. Aber wen störte das schon? Er plante ja keine Beziehung, dafür entsprach der Kerl zu wenig seinem Typ und tanzen konnte er auch nicht.

Uruha beugte sich grade vor, um dem Studenten etwas ins Ohr zu flüstern und das Tanzen so vielleicht zu verkürzen, als sich ein Arm um seine Taille legte, der eindeutig nicht zu seinem Tanzpartner gehörte. Überrascht sah er auf und erkannte Aoi, der sich anscheinend wieder erholt hatte. Sein Blick glitt abschätzig über den anderen Kerl, während sein Arm immer noch wie selbstverständlich um Uruhas Körpermitte ruhte.

„Wolltest du mir nicht was zu trinken holen?“, fragte er laut genug, dass es auch der Student hören konnte.

Dem schien das ganze mehr oder weniger Unbehagen zu bereiten, denn seine Augen huschten immer wieder zwischen Aois Gesicht und seiner Hand an Uruhas Seite hin und her. Uruha warf dem Schwarzhaarigen einen warnenden Blick zu. Wusste er nicht, dass er grade dabei war Uruha eine abwechslungsreiche Nacht zu verderben? Dumme Hete. Er schüttelte Aois Hand ab und lächelte den Studenten so überzeugend wie möglich an.

„Hol dir doch selber was!“, zischte er dann in Aois Richtung und versuchte ihm zu bedeuten, dass er gehen sollte.

Doch den schien das wenig zu stören. „Außerdem hast du mir ein Lied versprochen“, ergänzte er und grinste dämlich, als Uruha ihn böse anfunkelte. Der Brünette war kurz davor dem anderen in die Seite zu boxen, als sich der stumme Student plötzlich zu Wort meldete.

„Äh, ich denke, ich … ich bin noch verabredet, genau, also …“, stammelte er und verschwand in der Menge.

Uruha gab ein wütendes Geräusch von sich und machte auf dem Absatz kehrt. Die Hände vor der Brust verschränkt stampfte er durch die Menge wie eine wütende Furie und mehrere Pärchen sprangen panisch an die Seite, als er sich ihnen näherte. Ja, wenn er sauer war, sollte man ihm besser nicht zu nahe kommen.

„Singen wir jetzt?“, fragte eine Stimme hinter ihm und Uruha war sich sicher, dass er jetzt vor Wut aus den Ohren qualmte.

„Nein!“, keifte er und drehte sich zu Aoi um, der ihn ansah wie die Unschuld selbst. „Du schläfst vielleicht ganz gern allein, Mr. Ich-Brauche-Keine-Freundin, aber ich nicht!“

Aoi zog die Augenbrauen hoch und legte seinen Kopf schief. „Den hättest du doch eh nicht mit nachhause genommen“, entgegnete er dann und Uruha ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug demonstrativ die Beine übereinander. Er war perfekt darin, die wütende Diva zu spielen und alle gingen ihm dann aus dem Weg, oder krochen vor ihm im Staub. Alle außer Aoi. Der zeigte sich einfach immer total unbeeindruckt, als wüsste er genau, dass Uruha nur übertrieb – was er ja auch tat, es aber nicht zugab.

„Und warum bitte nicht?“, fragte er spöttisch.

Aoi zuckte mit den Schultern und setzte sich verkehrt herum auf den Stuhl neben ihm. „Weiß nicht. Der war einfach nicht gut genug für dich …“, entgegnete er dann lässig und nahm einen Schluck aus Kais Cocktail.

Über diese Aussage war Uruha so überrascht, dass er sogar vergaß weiter sauer zu sein. Seine verschränkten Arme sanken ihm von selbst in den Schoß und er sah den Schwarzhaarigen überrascht an. War das grade so was wie ein Kompliment gewesen? Oder machte sich der andere nur darüber lustig, wie wählerisch Uruha immer war?

„Ich hol mir jetzt noch was zu trinken, will noch jemand was?“ Aoi hatte sich erhoben und sah nun fragend in die Runde. Alle – bis auf Reita – schüttelten den Kopf und so verschwand der Schwarzhaarige in der Menge und tauchte mit einer Flasche Wodka wieder auf.

„Oh nein“, seufzte Ruki und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Aoi füllte zwei Gläser und stellte eins grinsend vor Uruha ab. „Erst trinken, dann singen!“

Drei Stunden später hatten sie neun Lieder gesungen und ca. das doppelte an Wodkagläsern geleert, wobei bei Uruha diese ab dem sechsten in der Topfpflanze neben seinem Stuhl verschwunden waren, die von Aoi jedoch nicht.

„Warum muss ich dich eigentlich immer nachhause bringen?“, beschwerte sich Uruha laut, als er umständlich mit einem Bein die Tür des Taxis zuknallte und dabei angestrengt versuchte Aoi auf den Füßen zu halten.

Der Schwarzhaarige gab ein leises Grunzen von sich und vergrub seine Nase tief in Uruhas hochwertiger Seidenbluse. „Bist eben mein bester Freund … mein aaaller bester“, lallte er und befeuchtete dabei den Stoff, was Uruha ein entnervtes Seufzen entlockte.

„Jaja“ Das waren ja ganz neue Töne. Zumindest, wenn es ums Nachhausebringen ging, dann war er wieder der Beste. Klar, Ruki musste Reita nachhause schaffen und meistens benötigte der abgebrochene Zwerg dazu auch noch Kais Hilfe, weil das sonst eh nichts wurde. Also blieb Aoi an ihm hängen. Warum mussten sich die beiden auch immer am meisten zukippen? Aber viel schlimmer war ja eigentlich, dass Aoi einfach nichts vertrug, aber das durfte man ihm natürlich nicht sagen.

Uruha lehnte Aoi neben seiner Haustür an die Wand und begann damit, die Taschen des Älteren nach dem Wohnungsschlüssel abzutasten. Keine leichte Aufgabe, da Aoi sich als ziemlich kitzlig herausstellte und dazu dann noch alle zwei Minuten eindöste. Endlich wurde Uruha fündig, öffnete die Tür und bugsierte Aoi durch die dunkle Wohnung.

Zum Glück tat er das fast jedes Wochenende und somit eckten sie auf dem Weg durch den Flur nicht all zu häufig irgendwo an. Als sie das Sofa erreichten legte der Brünette den anderen einfach darauf ab und machte erst mal Licht an, ehe er sich seufzend in einen Sessel gegenüber fallen ließ und das Häufchen Elend vor sich betrachtete.

Aoi hatte sich zusammengerollt und gab schon wieder schnarchende Geräusche von sich. Also ehrlich, wenn Aoi besoffen war, ging doch wirklich alle Männlichkeit flöten, was für eine Schande. Aber irgendwie auch niedlich, wie er mit dem Sofakissen kuschelte. Uruha seufzte und beschloss, dass es genug der Gefühlsduselei war. Er schnappte sich den Arm des anderen, legte ihn um seinen Nacken und schleifte den schwarzhaarigen in dessen Schlafzimmer. Mit einer Hand versuchte er nun den Lichtschalter zu ertasten, was sich jedoch als sehr schwierig herausstellte, da Aoi immer wieder wegzuknicken drohte. Also legte er auch noch den zweiten Arm in seinen Nacken und fand schließlich doch noch den Lichtschalter.

Das Licht ging flackernd an und gab die Sicht auf Aois dunkle und ziemlich glasige Augen frei, die ihn aus großer Nähe anstarrten. Uruha seufzte, schob den anderen rückwärts bis an die Kante des Bettes und ließ ihn dann einfach los, sodass er lautstark in die Laken fiel. Der Brünette streckte sich und hörte fast, wie sich die Muskeln in seinem Rücken dankend entspannten. Dann wandte er sich wieder seinem Schützling zu, der mit geschlossenen Augen vor ihm lag und sich keinen Zentimeter bewegt hatte.

„Na komm, du Riesenbaby“, murmelte er, als er Aoi leicht anhob, um ihn aus seinem T-Shirt zu bekommen. Das war noch einer der teilweise angenehmen Momente, obwohl der Anblick die Umstände des Entkleidens nicht wirklich entlohnte. Denn Aoi hing ihm wie ein nasser Sack in den Armen und Uruha kannte eindeutig Männer die da entgegenkommender waren. Wäre der Student sicher auch gewesen, aber dank dieses Besoffenen hier vor sich war er zwar in der Wohnung eines anderen Mannes, aber nicht in Erwartung einer heißen Nacht, ganz im Gegenteil.

Endlich lag das T-Shirt neben dem Schwarzhaarigen auf dem Bett und der hatte, oh Wunder, doch tatsächlich auch einmal die Augen aufgemacht.

Uruha musterte ihn kopfschüttelnd, während er überlegte, ob er sich das Hoseausziehen wirklich auch noch antun sollte.

„Uruha?“ Sein Name klang gelallt doch wirklich sehr seltsam, aber der Brünette brummte trotzdem als Zeichen dafür, dass er den anderen verstanden hatte. Der Schwarzhaarige setzte sich auf und stützte seinen hängenden Kopf in einer Hand ab. Das sah aber gar nicht gut aus. Wenn du kotzt, bitte nicht auf meine Klamotten, du weißt ja nicht wie teuer die waren, dachte Uruha verzweifelt, ging aber doch einen Schritt näher und zuckte überrascht zusammen, als der andere plötzlich aufsah und ihn mit zusammengekniffenen Augen anstarrte.

„Nimmst du mich in den Arm?“

Uruha konnte nicht anders als total perplex zurückzustarren. Hatte er sich da grade verhört?

„… ich mag’s, wenn du mich in den Arm nimmst …“, murmelte Aoi geistesabwesend und der Brünette starrte einfach nur. „Das ist viel schöner als bei … Kai, … oder Ruki, … oder Reita … Rei ist ganz mies im Knuddeln, der ist immer so steif … aber sag ihm das nicht, sonst haut der mich …“ Aois Stimme wurde immer unverständlicher, aber Uruha konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Aoi benahm sich eindeutig wie ein kleines Kind.

„… ich mag’s … wenn du mich knuddelst …“, sagte Aoi wieder etwas lauter und Uruha schüttelte den Kopf. Er sah den anderen an, wie er da vor ihm saß, und beschloss, dass der sich am nächsten Tag sowieso an nichts mehr würde erinnern können.

Also griff er nach den nackten Oberarmen und zog ihn hoch, platzierte die Arme des anderen in seinem Nacken und legte seine Hände auf Aois Rücken. Dessen Kopf sank langsam auf Uruhas Schulter und er konnte nicht widerstehen und ließ seine Finger langsam über die nackte Haut des anderen gleiten. Das musste Aoi ihm gönnen, immerhin hatte er ihm seinen Sex verbaut. Eigentlich könnte er sich daran gewöhnen. Schade nur, dass Aoi nicht auf Männer stand, aber das konnte ja vielleicht noch werden. Zumindest war das hier eine gute Vorraussetzung, oder etwa nicht?

Aois Nase vergrub sich an seinem Hemdkragen und Uruha hörte, wie der andere tief einatmete. „… hm … lecker … du riechst nach Früchtetee …“

Der Brünette zog eine Augenbraue hoch, ersparte sich aber, den Betrunkenen darauf hinzuweisen, dass sein Parfum zwar einen frischen fruchtigen Duft, aber sicher nicht nach Früchtetee hatte. Aoi gab ein tonloses Seufzen von sich und der sanfte Luftzug kitzelte an Uruhas Hals, von wo aus sich ein angenehmer Schauer ausbreitete.

„Aoi?“, fragte Uruha plötzlich alarmiert, als die Arme des anderen in seinem Nacken immer schwerer wurden und begannen ihn nach unten zu ziehen. Der Schwarzhaarige grunzte nur wieder und Uruha stöhnte entnervt auf. Wie konnte der Typ einfach einschlafen? Murrend befreite er sich aus Aois Klammergriff und schubste ihn aufs Bett, wo er wie tot liegenblieb.

Der Brünette überlegte kurz, bevor er den anderen einfach unter die Decke verfrachtete und grummelnd das Zimmer verließ. Aoi hatte doch tatsächlich sein schönes Seidenhemd zerknittert, und das, obwohl er ihn nachhause gebracht hatte. Das würde er so schnell nicht wieder machen. „Oder ich besauf mich und er muss mich nach Hause bringen …“, murmelte Uruha vor sich hin, während er aus dem Raum ging und das Licht hinter sich löschte.

Aois Wohnzimmer war groß und gespickt mit einer Riesencouch, für die Uruha den Älteren wirklich beneidete. Was man darauf alles machen könnte. Er grinste dreckig, während er im Raum umherschlenderte und alles genau betrachtete. Alles war in Blautönen gehalten und so gemütlich eingerichtet, dass man sich irgendwie einfach wohlfühlen musste.

Uruha ließ sich auf die große dunkelblaue Couch fallen und kramte gähnend nach seinem Handy. Er musste ein Taxi rufen, dass ihn nachhause fuhr. Obwohl Aoi ihm ja mehr als einmal angeboten hatte, ruhig hier zu bleiben, wenn er sich schon die Mühe machte ihn die Treppen hochzubringen.

Uruha gähnte wieder und ging die Nummernliste in seinem Handy durch; einmal, zweimal. Hatte sich die Nummer des Taxiunternehmens innerhalb einer halben Stunde von selbst gelöscht? Er schnaubte und warf das Handy auf den kleinen Tisch der vor ihm stand.

Dann würde er wohl doch Aois Vorschlag einmal annehmen und da bleiben, denn er würde sicher nicht erst die Auskunft anrufen, dazu war er sich zu gut – und zu müde. Er gähnte abermals und entfaltete eine weiße Wolldecke, die neben ihm lag. Er lag schon fast, als er alarmiert noch einmal aufstand und seine Seidenbluse auszog. Noch mehr musste man sie dann ja auch nicht zerknittern. Zufrieden schnurrend rollte er sich auf dem Sofa ein und vergrub seine Nase tief in den weichen Kissen. Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase, doch er konnte ihn nicht mehr genau zuordnen, bevor er einschlief.

es gibt Tage an denen man gar nicht erst aufstehen sollte …

Die Sonne schien unerbittlich durch Aois Wohnzimmerfenster, aber das störte ihn nicht. Uruha war einer dieser Langschläfer; er konnte einfach immer schlafen und überall. Doch an diesem Morgen wurde er nach nur 5 Stunden ruckartig aus dem Schlaf gerissen.

Im ersten Moment wusste er gar nicht, was ihn geweckt hatte und es war ihm auch egal. Er drehte sich grade mit dem Gesicht zu Lehne und zog sich die Decke über den Kopf, als er etwas vernahm, dass ihn bis in die Tiefen seines, vom Alkohol geplagten, Gehirns erschütterte.

„Schläfst du etwa noch?“, schrie eine Frauenstimme durch die Wohnungstür und augenblicklich folgte ein markerschütterndes Klopfen. Uruha setzte sich auf und griff sich mit einer Hand an seine schmerzende Stirn. Wer zur Hölle war denn das? Wenn Aois Liebschaften so früh morgens an die Tür klopften, dann war er tatsächlich froh schwul zu sein.

„Hallo?“, quietschte die Frauenstimme wieder und Uruha zuckte fluchend zusammen. Frauen: das Kreuz der Männerwelt. Er erhob sich unsicher schwankend und mit halb geschlossenen Augen. Auf dem Weg zur Tür versuchte er noch kurz seine Haare nicht all zu schlimm aussehen zu lassen – immerhin hatte er einen Ruf zu verlieren – und öffnete dann mit mürrischem Gesichtsausdruck.

„Schande …“, nuschelte er, als er die Frau vor sich entdeckte. Gut, hässlich war sie nicht, aber bestimmt schon Mitte vierzig, wenn nicht noch älter, und das konnte auch ihre Gucci Sonnenbrille nicht verbergen, oder ihre Edelklamotten. Er hätte ja nie gedacht, dass Aoi auf versnobte ältere Frauen stand.

„Wer sind denn Sie?“, entrüstete sich die Dame, zog ihre Sonnenbrille von der Nase und musterte seinen nackten Oberkörper. Vielleicht hätte er sich noch eben sein Hemd anziehen sollen, jetzt war es auch zu spät dafür.

Uruha fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und gähnte. Verdammt, er war müde und wollte nur schlafen, konnte die Frau nicht einfach wieder abhauen. Aber im Vergraulen war er gut.

„Wir kaufen nichts an der Tür …“, sagte er gelangweilt und wollte grade die Tür wieder vor der Gucci-Frau schließen, als eine Hand an ihm vorbei griff und ihn davon abhielt.

„Mutter! Hallo!“, sagte Aoi bemüht fröhlich und küsste die Frau, die noch immer einen säuerlichen Gesichtsausdruck hatte, kurz auf jede Wange. „Komm doch rein“

Aois Mutter? Das erklärte so einiges. Zwar verdeckte Aoi Uruha so gut es ging, aber die Frau ließ ihren Blick trotzdem nicht von dem Brünetten. Er hatte ja auch einen tollen ersten Eindruck gemacht, halb nackt und verkatert. Und wieso war Aoi komplett bekleidet und sah aus, als hätte er noch nie etwas von Alkohol gehört? Das war doch unfair.

Aoi geleitete seine Mutter zu der Sitzecke und bot ihr einen Sessel an, während er unauffällig Uruhas Hemd aufsammelte und ihm in die Hand drückte, woraufhin dieser es augenblicklich überzog.

Aoi saß schon auf dem Sofa, auf dem er eben noch so friedlich geschlafen hatte, und bedeutete ihm mit einem kurzen Blick sich neben ihn zu setzen. Am liebsten wäre Uruha gegangen, aber er konnte seinen Freund wohl jetzt nicht hängen lassen, also setzte er sich widerstrebend.

Die Augen der Gucci-Frau glitten noch einmal kurz über Uruha, ehe sie ihre goldene Handtasche neben sich ablegte und ihre Aufmerksamkeit auf ihren Sohn richtete.

„Du hast vergessen, dass ich heute vorbeikommen wollte, nicht wahr?“, fragte sie anklagend und bedachte Aoi mit einem derart strafenden Blick, dass Uruha sich glücklich schätzte, nicht in Aois Haut zu stecken.

„Nein, natürlich nicht, ich hatte nur nicht erwartet, dass du vormittags …“ Der Schwarzhaarige schaffte es nicht seinen Satz zu beenden, da seine Mutter schon wieder zu sprechen begann.

„Ich hätte gerne einen Tee“, sagte sie. Nach kurzem Zögern erhob sich Aoi und sah dabei aus, wie ein Haushund, den man geschlagen hatte. Es war sicher nicht leicht, unter so einer Mutter aufzuwachsen, dachte Uruha und war froh Aois Mutter bislang noch nie begegnet zu sein.

„Möchtest du vielleicht einen Kaffee?“, fragte Aoi ihn und Uruha sah, wie die Aufmerksamkeit der Gucci-Frau wieder auf ihn überging.

„Ja, bitte“, sagte er überhöflich und versuchte der Frau freundlich zuzulächeln, als Aoi in die Küche verschwand.

Aois Mutter lehnte sich etwas vor und platzierte ihre perfekt manikürten, roten Fingernägel knapp unterhalb ihres schwarzen Rocksaums, auf der dünnen Strumpfhose, die ihr Knie bedeckte. „Und Sie sind ein Freund meines Sohnes?“, fragte sie mit deutlicher Verachtung.

„Ähm, ja. Wir sind in einer Band“, antwortete Uruha und kam sich dabei etwas dämlich vor. Immerhin hatten sie ziemlich großen Erfolg und alle Verwandten von anderen Bandmitgliedern, die er bis jetzt getroffen hatte, kannten sogar ihre Namen, ohne, dass sie sich vorstellen mussten.

„Verstehe“, sagte Aois Mutter und klang dabei noch herablassender. Es schien nicht so, als würde sie sich sehr für den Beruf ihres Sohnes begeistern können.

„Uruha ist auch Gitarrist“, ergänzte Aoi, der mit einem Tablett in den Händen wieder zu ihnen trat. Uruha nahm dankbar die Tasse Kaffee und trank einen Schluck.

„Interessant“, kommentierte seine Mutter Aois Aussage und sah wieder zu Uruha, der sich viel lieber nur mit seinem Kaffee beschäftigt hätte. „Haben Sie eine Freundin?“

„Mutter!“, sagte Aoi laut und wirkte dabei mehr als peinlich berührt. Uruha sah verwundert zwischen dem Schwarzhaarigen und seiner Mutter hin und her.

„Denn sehen Sie mein Sohn scheint es nicht für nötig zu halten, eine Familie zu gründen. Und dabei hat seine Schwester erst vor kurzem geheiratet und gestern hat sie mir erzählt, dass sie schwanger ist. Kinder sind unsere Zukunft“, sagte sie bestimmt und nahm einen Schluck Tee.

Hätte Uruha nicht Aois Miene gesehen und sich zusammengerissen, hätte er laut loslachen können. Diese Frau war das Schlimmste, was er in seinem ganzen Leben erlebt hatte. Armer Aoi.

„Und, haben Sie?“, fragte ihn Aois Mutter und Uruha zog verwirrt eine Augenbraue hoch.

„Eine Freundin!“, ergänzte sie genervt und der Brünette grinste. Für einen Moment war er kurz davor die Wahrheit über sich zu sagen, aber dann entschloss er sich für die halbe Wahrheit.

„Nein, Ma’am“, sagte er und grinste breit.

Aois Mutter schnaufte. „Das liegt alles nur daran, dass ihr euch so seltsam kleidet. Wenn ihr euch wenigstens nicht auch noch schminken würdet“, sie seufzte theatralisch, „Ich meine sehen Sie sich doch mal an, oder meinen Sohn, sie sehen fast aus wie Frauen! So findet man auch keine Freundin!“

Uruha unterdrückte erneut ein Lachen und beobachtete, wie Aois Gesichtsausdruck immer panischer wurde. Aber peinliche Verwandte störten Uruha nicht, seine Schwestern waren auch seltsam, wenn auch nicht versnobt.

„Alle Frauen die eventuell Interesse hätten, werden ja verscheucht, weil sie denken ihr wäret“, sie machte eine Pause, als müsste sie sich auf das nächste Wort sehr konzentrieren, damit es über ihre Lippen kam, „… homosexuell“, flüsterte sie in ihren Tee. Uruhas Grinsen wurde immer breiter und fast freute er sich darauf, dass sie weitersprach. Die Ironie dieser Situation, der nur er und Aoi sich bewusst waren, war einfach zu lustig.

„Aber man kann darauf ja meistens gar nicht vom Aussehen schließen“, warf Uruha fröhlich ein und Aoi sah ihn entsetzt an.

„Oh, wie wahr. Erst letztens hat deine Cousine“, sie warf Aoi einen kurzen Blick zu, „eine Freundin - in bestimmtem Sinne - mit nachhause gebracht und das in unserer Familie …“ Sie seufzte wieder. „Ich meine, deine Tante hätte doch so gerne Enkel gehabt. Aber viel schlimmer ist ja, dass diese Homosexuellen keine Beziehungen führen, sondern sich jede Woche jemand neuen suchen. Einfach unakzeptabel dieses Leben. Ekelhaft, wenn man sich vorstellt diese Menschen ergreifen normale Berufe und unterrichten am Ende vielleicht unsere Kinder und …“

Uruha hatten schon den Mund offen, um zu diesen absurden Anschuldigungen seine Meinung zu sagen, als Aoi unerwartet das Wort ergriff.

„Mutter es reicht! Du kannst dir ein solches Urteil gar nicht erlauben, weil du nämlich keine Homosexuellen kennst! Viele meiner Freunde sind schwul und ich würde sie gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen!“ Erst hatte Uruha den anderen nur überrascht angestarrt, doch bei diesen Worten konnte er nicht anders, als Aois Mutter leicht tuntig zuzuwinken.

„Sie …?“, brachte diese nur zustande und starrte Uruha entsetzt an.

„Ach und falls es Sie interessiert, wir sind sehr wohl zu Beziehungen fähig“, sagte er freundlich grinsend und zwinkerte ihr heiter zu.

Es dauerte einen Moment, bis die Gucci-Frau wieder ihr nobles Äußeres in Stand gesetzt hatte und nun gleich einer Gottesanbeterin Uruha bösartig anstarrte.

„Warum sind Sie eigentlich so früh hier?“, fragte sie nun schnippisch und Uruha lächelte mild.

„Ich glaube nicht …“, setzte Uruha an, aber abermals ergriff Aoi das Wort. Eben noch hatte er wie ein verängstigter Junge gewirkt und jetzt machte er seine Mutter nieder; Uruha musste zugeben, dass er beeindruckt war.

„Er ist hier, weil er hier geschlafen hat!“, sagte Aoi bestimmt und seine Mutter starrte ihn mit offenem Mund an. Ihr Blick huschte zwischen ihm und Uruhas Grinsen hin und her und sie schluckte trocken.

„Und ich glaube, du solltest für heute erst einmal gehen“, ergänzte Aoi und brachte seine Mutter zur Tür, ohne dass diese noch etwas sagen konnte. So schnell die Gucci-Frau aufgetaucht war, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Aoi knallte die Tür etwas zu heftig zu und stiefelte dann wütend in einem Kreis um die Couch und blieb vorm Fenster stehen. Uruha konnte nicht wirklich sagen warum, aber Aoi war doch tatsächlich sauer und dabei war er nicht mal direkt betroffen. Er schon, aber ihm waren solche Sprüche inzwischen schon egal geworden.

Uruha beobachtete den anderen, wie er sich die schwarzen Haare energisch hinter die Ohren strich und anscheinend seiner Mutter dabei zusah, wie sie wegfuhr.

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„Ähm, du weißt schon, dass deine Mutter jetzt denkt, wir hätten was miteinander, oder?“, fragte er vorsichtig in die Stille und Aoi schnaubte laut.

„Soll sie doch!“, entgegnete Aoi nur. Uruha stand langsam auf und stellte sich neben den anderen, der immer noch aus dem Fenster starrte. Sein ganzes Gesicht war hart vor Zorn. Uruha mochte es nicht, wenn er so dreinblickte

„Ich konnte es nur nicht mehr ertragen, dass sie wieder diesen Mist erzählt hat … und dass du es dir anhören musstest. Tut mir leid.“

Plötzlich klang er fast traurig und Uruha hatte das dringende Bedürfnis den anderen in die Arme zu nehmen und dann fiel ihm wieder ein, dass Aoi noch in der Nacht gesagt hatte, er würde gerne von ihm umarmt. Also trat Uruha näher an den anderen heran und legte sanft seine Arme um ihn.

„Ist schon okay, mich stört das nicht mehr“, sagte er leise und zog Aoi noch etwas näher zu sich. Langsam entspannte sich der Körper des Kleineren und Uruha spürte, wie er sich leicht gegen ihn lehnte. Vorsichtig, als hätten sie sich noch nie umarmt, drehte sich Aoi zu ihm um und legte seine Hände auf Uruhas Rücken. Aoi war warm, so warm. Und Uruha zog ihn noch näher an sich. Der Schwarzhaarige gab ein zufriedenes Seufzen von sich, als sein Kopf auf die Schulter des anderen sackte und dort liegenblieb. Uruha schloss die Augen und vergrub seine Nase vorsichtig in Aois Haar. Ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus; er könnte ewig so stehen bleiben.

„Sie kapiert einfach nicht, dass es egal ist, welches Geschlecht die Person hat, die man liebt. Wenn man jemanden wirklich liebt ist das doch unwichtig, oder?“, flüsterte Aoi gegen seine Schulter und Uruha lächelte. „Klar“, sagte er nur, während seine Finger unbewusst begonnen mit Aois Haaren in seinem Nacken zu spielen. Der andere gab etwas wie ein leises Schnurren von sich und als seine Hände bis zu Uruhas Taille sanken, lief dem Brünetten ein angenehmer Schauer über den Rücken. Irgendwas regte sich in seiner Magengrube, ein sanftes Kribbeln. Er atmete Aois Geruch tief ein und hielt für einen Augenblick die Luft an. In der kurzen Stille war das Kribbeln noch intensiver und er fragte sich verwundert, ob sein Herz eben auch schon schneller geschlagen hatte. Das Kribbeln erfüllte ihn und machte ihn seltsam glücklich und sehnsüchtig …

Dann wurde ihm plötzlich etwas klar und er schlug alarmiert die Augen auf. Er kannte dieses Gefühl, auch wenn er es schon länger nicht mehr gefühlt hatte. Er war so ein verdammter Idiot! Aoi war einer seiner besten Freunde, vielleicht sein bester. Und er war grade dabei sich in seinen besten Freund zu verlieben. Und der war zu allem Überfluss auch noch hetero. Verdammt, das konnte ja nur ihm passieren.

Vorsichtig löste er sich vom anderen, ohne ihn direkt anzusehen und räusperte sich leise.

„Ich sollte wohl mal nachhause, mich duschen und so.“ Er lächelte Aoi vorsichtig an und als der das Lächeln erwiderte, war auch dieses verdammte Kribbeln wieder da. Also sah er schnell wieder woanders hin.

„Du kannst auch hier duschen, wenn du möchtest“, schlug der Schwarzhaarige vor und Uruha schüttelte schnell den Kopf.

Biete mir nicht an mich in deinem Haus auszuziehen, tu das nicht, dachte er nur verzweifelt. Am Liebsten würde er sich selbst in den Hintern treten. Warum kribbelte es plötzlich, wenn es das doch gar nicht sollte?

„Ne, ist schon okay“, sagte er lässig und ging auf die Wohnungstür zu. „Und falls du deine Mutter noch mal schocken willst, ruf mich an!“, ergänzte er grinsend und öffnete die Tür.

Aoi lachte leise und sah kurz zu Boden, wobei ihm seine schwarzen Haare in die Augen fielen und als er ihn nun ansah, sah das einfach unverschämt unwiderstehlich aus. Er hatte Aoi ja schon immer für attraktiv gehalten, aber grade im Moment, war er zu verwirrt, um damit umgehen zu können.

„Bye!“, sagte er schnell, drehte sich um und eilte das Treppenhaus herunter.

Na super. Ganz toll hast du das gemacht Uruha! Seine Gedanken überschlugen sich auf dem Weg nach unten und er entschied sich dafür, einfach zu Fuß nachhause zu gehen, oder wenigstens ein Stück.

Warum ausgerechnet Aoi? Warum jemand aus der Band? Warum jemand, den er schon so lange kannte? Vielleicht verschwanden die Gefühle ja auch einfach wieder. Wahrscheinlich hatte er sich das nur eingebildet, weil Aoi das gesagt hatte, von wegen, es wäre egal welches Geschlecht die Person hat die man liebt und so. Immerhin hatte er ihn gestern Abend noch halb nackt gesehen und da hatte nichts gekribbelt, dabei wäre das doch viel logischer gewesen.

Uruha zog seine Packung Zigaretten hervor und zündete sich eine davon an. Beruhigen konnte die ihn auch nicht wirklich, aber er konnte wieder klar denken. Er würde einfach so tun, als hätte sich nichts geändert. Das war gut. Denn an Aoi ranschmeißen war keine Option. Dafür waren sie zu lange befreundet und es würde nur alles kaputt machen.

Als er endlich seine Wohnung erreichte, hatte er sich das als festen Vorsatz genommen und er fühlte sich schon weniger verwirrt. Erschöpft schloss er seine Wohnungstür auf, schlurfte den Flur entlang ins Wohnzimmer und ließ sich auf seine Couch fallen.

An manchen Tagen sollte man einfach im Bett bleiben, und heute war eindeutig einer dieser Tage.

Er streckte sich gemächlich und stellte dabei fest, dass es eindeutig zu früh war, um wach zu sein. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er aus Blei und sein Rücken war schmerzhaft verkrampft, von Aois eindeutig nicht fürs Schlafen geeigneter Couch. Es gab jetzt nur zwei Optionen: entweder schlafen, oder einen schönen schwarzen Kaffee.

Nach kurzem Überlegen entschloss er sich für Option eins und kam mühsam auf die Beine.

Er hatte grade das Schlafzimmer betreten, als sein Telefon zu klingeln begann. Unschlüssig stand er da, den Blick auf sein Bett gerichtet und lauschte dem nervigen Klingeln. Nach einiger Zeit hörte es auf zu klingeln und der Anrufbeantworter ging ran.

„Ich glaub dir nicht, dass du nicht da bist!!!“, erklang eine Frauenstimme und Uruha stöhnte genervt auf. Plötzlich sah sein Bett noch verlockender aus und er machte einen schwankenden Schritt darauf zu.

„Geh raaaaaan looooos! Na komm schon! Zu lange schlafen ist ungesund!!! Steh auuuuf!!!“

Uruha warf einen bösen Blick in den Flur, seufzte noch einmal und ging schließlich doch zum Telefon. Alles in ihm sträubte sich dagegen den Hörer in die Hand zu nehmen.

„Hallo?“, grummelte er ins Telefon und hätte sich am liebsten selbst dafür getreten, dass er sich nicht einfach hingelegt hatte und so getan hatte, als würde er schlafen. Irgendwann hätte sie schon aufgegeben.

„Brüderchen!“, quietschte ihm seine Schwester ins Ohr, „Wie geht es dir so?“

„Schlecht!“, murrte Uruha und erntete dafür ein mitleidiges Geräusch.

„Och, hab ich dich etwa geweckt?“, fragte sie mit einer fast überzeugenden Unschuldigkeit in der Stimme und Uruha grummelte wieder.

„Nein, soweit bin ich gar nicht erst gekommen … was willst du, Midori?“

„Ich wollte nur sicherstellen, dass es bei Samstag bleibt!“, antwortete sie fröhlich.

„Tut es“, knurrte Uruha. Warum nur, war er nicht einfach ins Bett gegangen?

„Toll!“, sagte Midori begeistert. Im Hintergrund hörte Uruha Kindergeschrei, einen lauten Knall und dann schrie ihm seine Schwester ins Ohr, sodass er Angst hatte sein Trommelfell würde platzen. „Du hebst das sofort wieder auf, junger Mann. Aber SOFORT! Und lass deine Schwester in Ruhe!“

„Aber deine Blagen kommen nicht mit, oder?“, fragte Uruha, während er das Telefon ans andere Ohr hielt und darauf wartete, dass das taube Gefühl im andere nachließ.

„Seht ihr, so sehr hat euch euer Onkel lieb!“, sagte seine Schwester sarkastisch und Uruha schnaubte.

„Du weißt, das sind keine Kinder. Das sind Teufel!“, protestierte er und hörte, wie seine Schwester leise lachte.

„Hättest du mit ihnen gespielt, hätten sie auch nicht deinen Bademantel als Segel benutzt“, entgegnete sie lässig.

„Das war ein 500 Dollar Seidenkimono!!!“, beschwerte sich Uruha lauthals und erntete dafür und ein leises „Pff, und wenn schon“

Stille trat ein, in der Uruha über sein flauschiges Federbett nachdachte, bis ihn die Stimme seiner Schwester zurück in die Realität holte.

„Kommst du eigentlich allein?“

„Hä?“, machte Uruha nur verwirrt. Konnte die nicht endlich auflegen?

„Naja, falls du einen neuen Freund hast, wäre das die Gelegenheit ihn uns vorzustellen!“

Uruha seufzte „Hab aber keinen …“, murrte er und dachte wieder an Aoi, … na super!

Seine Schwester legte eine kurze Denkpause ein, ehe sie antwortete. „Bedeutet das, da ist einer der es werden könnte?“

Verdammt, wie war sie denn jetzt darauf gekommen? Wahrscheinlich hatte er doch zu frustriert geklungen.

„Ähm, ich weiß nicht … nein eigentlich nicht … ich muss jetzt auch auflegen, bis Samstag!“, murmelte Uruha geistesabwesend und hatte das Telefon schon fast vom Ohr genommen, als seine Schwester noch einen empörten Aufschrei von sich gab.

„Ey! Samstag will ich mehr wissen! So schnell wirst du mich nicht los!“

Uruha grummelte und legte auf. Blöde Schwestern. Blödes Kaffeetrinken, das hatte er beinahe schon wieder verdrängt. Und natürlich würde sein Liebesleben mal wieder Thema Nummer eins sein!

Und schon schwebte Aoi wieder in seinem Hinterkopf. Er grummelte erneut. Da half nur Kaffee, literweise, und am besten noch das schlechte morgendliche Fernsehprogramm, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.

I got all my sisters with me

Uruha kaute vergnügt auf seinem Bissen Kuchen, während er seinen Schwestern dabei zuhörte, wie sie sich genüsslich über Midoris neues Babysittermädchen lustig machten. Anscheinend hatte das Alte gekündigt, weil es sich nach einem Nachmittag mit den kleinen Blagen eine Kurzhaarfrisur hatte zulegen müssen. Kaugummi sollte man eben nie unterschätzen und es klebte einfach überall. Und das Neue hatte wohl eine Allergie gegen Topfpflanzen und jetzt standen die geliebten Geranien seiner Schwester alle im Hausflur.

Uruha grinste und betrachtete sein Stück Erdbeerkuchen. Was war er doch froh, dass er nie Kinder haben würde. Klar konnten Kinder auch niedlich sein; auf Werbeplakaten, oder solange sie weder sprechen noch laufen konnten, aber sonst eher nicht. Wenn man was haben wollte, was Dreck machte, dann doch lieber ein Hund, der gab wenigstens keine Widerworte – oder kaute Kaugummi.

„Wie geht es eigentlich deinem Amerikaner-Freund?“, fragte Uruha seine andere Schwester, als die beiden ihre Lästerparade beendet hatten.

Noriko sah ihn kurz unglücklich an, dann zuckte sie die Schultern. „Ich hab Schluss mit ihm gemacht!“

Uruha und seine andere Schwester sahen sich kurz verwirrt an. „Letzten Monat wolltest du ihn noch heiraten“, erinnerte ihre Schwester sie und Noriko zuckte wieder die Schultern.

„Wir haben uns einfach auseinandergelebt und in meinem Horoskop stand, ich solle mich Neuem zuwenden und nicht an alter Liebe festhalten, die mir keine Zukunft zeigt.“

Uruha kicherte. Seine Schwester hatte eindeutig ein Problem mit Horoskopen. Er persönlich hielt ja nicht so viel von den Teilen. Wieso auch? Als würde er das gleiche Schicksal haben, wie irgendein anderer, nur weil er zufällig am selben Tag geboren war. Lächerlich. „Ich konnte ihn eh nicht leiden“, sagte Uruha belustigt und steckte sich noch ein Stück Kuchen in den Mund.

„Du kanntest ihn nur von Fotos!“, meinte Noriko empört.

„Ja und er sah unsympathisch aus“, entgegnete Uruha glücklich. Wenigstens redeten sie nicht über ihn, solange war alles gut.

„Es tut mir wirklich leid!“, überging ihn Midori und tätschelte ihrer Schwester die Hand.

„Ach, ich werde eben weiter nach dem perfekten Mann suchen müssen. Aber genug jetzt von mir, wie sieht’s denn bei dir so aus?“, fragte ihn Noriko und Uruha steckte sich schnell noch ein Stück Kuchen in den Mund, um nicht sofort antworten zu müssen, als sie ihn erwartungsvoll ansah. Verdammt, jetzt war er doch dran. Midori grinste selbstzufrieden und er hasste sie dafür.

„Naja, wisst ihr, ich bin eigentlich zu beschäftigt für einen Freund …“, sagte er abweisend und piekste energisch eine Erdbeere auf seine Gabel. Er wollte nicht über Aoi reden. Warum auch? Schließlich hatte er sich ja vorgenommen, dass da nichts war!

„Sicher?“, hakte Midori nach und Uruha verdrehte kurz die Augen, ehe er noch eine Erdbeere von seinem Kuchen zerrte und in seinen Mund verfrachtete.

„Ich muss es doch wissen oder?“, gab er mürrisch zurück und er wusste, dass seine Schwestern einen vielsagenden Blick tauschten. Mist, sie kannten ihn einfach zu gut.

„Und warum massakrierst du dann deinen Kuchen?“

Uruha seufzte genervt und legte seine Gabel weg. „Ich kann euch nichts erzählen, weil da nichts ist!“

„Und mit wem ist da nichts?“, bohrte Noriko weiter und Uruha wusste, dass er endgültig in die Falle gegangen war. Also half es nichts, er musste es ihnen wohl oder übel erzählen, sonst würden sie nie Ruhe geben.

Er seufzte genervt und sah die beiden möglichst gleichgültig an. „Ich kenne ihn schon zu lange. Wir sind Freunde. Und außerdem steht er nicht auf Männer. Kurz gesagt, das wird sowieso nichts! Können wir jetzt das Thema wechseln?“

Wieder wechselten die Frauen am Tisch Blicke, was Uruha vermuten ließ, dass sie nicht so sehr für einen Themenwechsel waren. Warum auch? Die beiden fanden sein Liebesleben schon immer viel interessanter, als ihr eigenes, oder ein Gespräch über Gartenpflege.

Er stöhnte, als sich Midori leicht vorlehnte und ihren Kopf in die Hände stützte, um ihn genau zu mustern.

„Seit wann gibst du denn so schnell auf?“, fragte sie ruhig, als würde sie mit einem ihrer Kinder reden.

„Seit heute“, murrte Uruha und stocherte wieder in seinem Kuchen.

„Hör mal, manchmal muss man den anderen eben aus der Reserve locken!“, sagte Noriko altklug und Uruha stöhnte auf. Konnten die beiden ihre dummen Ratschläge nicht mal für sich behalten?

„Er ist he-te-ro, okay?“, sagte Uruha überdeutlich, doch das beeindruckte anscheinend keinen.

„Na und? Du kannst doch jeden Mann haben, den du willst.“

„Aaarg!“ Langsam fühlte er sich eines Wutanfalls sehr nahe. Entweder, die beiden wollten ihn nicht verstehen, oder er drückte sich zu undeutlich aus.

„Ihn nicht, glaubt mir! Er steht nicht auf Männer und bestimmt nicht auf mich! Ich kenne ihn! Und ich will auch gar nicht versuchen ihn ins Bett zu kriegen, weil wir Freunde sind! Normale, gute Freunde! Ihr wisst doch wie schnell ich denke, ich hätte mich verliebt. In einer Woche hat sich das sicher schon wieder erledigt, also lasst mich doch einmal in Ruhe, verdammt!“

„Ist ja gut!“, sagte Midori und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Unterarm. Auch ohne sich umzusehen wusste er, dass ihn das halbe Lokal anstarrte, aber das war ihm egal.

Uruha atmete tief durch und widmete sich wieder seinem Kuchen. Er hoffte, dass das, was er eben gesagt hatte, auch der Wirklichkeit entsprach. Er kannte Aoi schon Jahre, er konnte einfach nicht in ihn verliebt sein. Bestimmt hatte er sich da in was reingesteigert. Eine Woche, dann war sicher alles vergessen und er konnte Aoi wieder besoffen nachhause schaffen, ohne sich dabei seltsam zu fühlen.

„Ist er süß?“, fragte Noriko unvermittelt und durchbrach so die entstandene Stille. Uruha seufzte.

„Ich meine, hat sein Gesicht diese niedlichen unschuldigen Züge?“

„Ja genau! Und ist sein Hintern schön knackig?“

Seine Schwestern lachten und Uruha schüttelte leicht den Kopf. Das war die Art der beiden, einem unangenehmen Schweigen aus dem Weg zu gehen. Sie wussten selbst, dass sie zu weit gegangen waren, das hieß das Thema Aoi war für heute abgehakt. Zum Glück!

„Mein Geschmack ist erlesen, das wisst ihr doch“, sagte er locker, um ihnen zu zeigen, dass er nicht wirklich sauer war und lächelte leicht. Die beiden gingen zu einem anderen Thema über und er steckte sich noch ein Stück Kuchen in den Mund, um sich augenblicklich daran zu verschlucken, als sein Blick auf die Eingangstür fiel.

„Alles okay?“ Midori klopfte ihm leicht auf den Rücken, bis er wieder normal atmete und sah ihn verwundert an. Doch Uruha bemerkte ihren besorgten Blick nicht, denn alles was er sah war Aoi.

Aoi kam zielsicher auf die Glastür des Bistros zu. Er trug eine Sonnenbrille und hatte sich einen Zopf gemacht, soweit das möglich war, aber es war eindeutig Aoi! Was zur Hölle machte er hier? Gab es vielleicht doch so etwas wie Schicksal? Wenn ja, dann hasste es ihn eindeutig!

Die Tür schwang auf, als der Schwarzhaarige eintrat und Uruha schnappte sich reflexartig eine Karte, klappte sie auf und hielt sie sich genau vors Gesicht. Sein Herz raste und die Buchstaben vor seinen Augen waren verschwommen, als er ins Nichts starrte. Das Bild von Aoi hatte sich in seinem Kopf eingebrannt. Was sollte er denn jetzt machen? Er fühlte sich wie in der Falle und erwischte sich sogar dabei, wie er sich Gedanken darüber machte, ob er wohl unbemerkt bis zur Toilette und da dann aus dem Fenster kam.

Erst als seine Schwester ihm mit der Hand vor den Augen rumfuchtelte, kam er wieder zu sich.

„Bist du okay?“, fragte sie besorgt und Uruha schluckte.

„Er ist hier“, flüsterte er panisch und traute sich nicht über den Rand seiner Karte zu gucken, um sich noch mal zu vergewissern. Er saß einfach wie versteinert da.

„WO?“, kam es gleichzeitig von seinen Schwestern und Uruha gab ein verzweifeltes „Schhh!“ von sich.

„Schwarze Haare, Sonnenbrille, Lederjacke …“, beschrieb er Aoi und Midori gab ein Geräusch von sich, das zeigte, dass sie ihn entdeckt hatte. „Du hast wirklich einen guten Geschmack“

„Danke!“, sagte Uruha säuerlich, „Was macht er?“

„Bestellt was“, informierte ihn Noriko, während seine andere Schwester sich langsam zu ihm hinter seine Karte beugte.

„Warum genau versteckst du dich vor ihm?“

„Ähhm …“, machte Uruha und kam sich plötzlich dämlich vor.

„Man verhält sich bescheuert, wenn man verknallt ist, aber wolltest du nicht so tun, als wärst du’s nicht?“

„Ich bin nicht verknallt in ihn!“, zischte Uruha, ließ die Karte aber nicht sinken.

„Klar. Also, ist es normal für dich, dass du dich hinter Karten versteckst und nicht ein Zeichen für “ich steh auf dich und trau mich nich’“?“

Uruha sah sie böse an, legte entschlossen die Karte zurück auf den Tisch und stand ruckartig auf.

Aoi stand am Tresen und trommelte mit seinen Fingern einen leisen Rhythmus auf dem Holz. Super, Uruha fühlte sich wie ein Teenager, als er mit klopfendem Herzen von hinten an ihn herantrat und nervös seinen Rücken anstarrte. Sei normal!

Langsam beugte er sich vor, bis er nah an Aois Ohr war. Er roch nach frischer Luft und einem Hauch Zigarettenqualm. Uruha schraubte seine Stimme einige Oktaven höher und räusperte sich. „Entschuldigung? Könnte ich vielleicht ein Autogramm von Ihnen haben?“

Aoi verspannte sich kurz, ehe er sich umdrehte und in Uruhas breites Grinsen blickte.

„Du!“, sagte er lachend und entspannte sich wieder, „ich dachte echt erst, du wärst ein Fan …“

„Du enttäuschst mich. Ich hab erwartet, dass du meine Stimme erkennst!“, entrüstete sich Uruha und verschränkte gespielt beleidigt die Arme.

Aoi lachte. „Entschuldige, ich kannte dich noch nicht vor deinem Stimmbruch!“

Uruha streckte ihm die Zunge raus und lachte.

„Kann man ja auch nicht mit rechnen, dich hier zu treffen … was machst du eigentlich hier?“, fragte Aoi und musterte ihn interessiert über den Rand seiner Sonnenbrille.

„Ich lasse mich von meinen nervigen Schwestern löchern! Und du?“, entgegnete Uruha lässig. Konnte sein Herz nicht endlich wieder normal schnell schlagen?

„Ich hole mir mein verfrühtes Abendessen“

„Kochfaul?“, riet Uruha.

Aoi lachte wieder „Wenn es das mal wäre. Glaub mir, du willst nicht, dass ich koche! Meine Freundinnen haben bislang alle behauptet ich wolle sie vergiften, wenn ich mal was für sie gekocht habe!“

Uruha grinste, während ihm das Wort „Freundinnen“ wie ein Stein im Magen lag und das leichte Kribbeln, das ihn vorher erfüllt hatte, in ein unangenehmes Ziehen verwandelte.

„Ähm Uruha, ich wollte mich noch mal für neulich entschuldigen“, sagte Aoi plötzlich eine Spur ernster. Uruha sah ihn nur verständnislos an.

„Na, wegen meiner Mutter! Ich hatte vergessen, dass sie kommt, sonst hätte ich mich nicht so zugekippt und dann hättest du ihr nicht begegnen müssen. Tut mir echt leid!“ Aoi hörte sich dabei so reumütig an, als hätte er ihm das Auto zu Schrott gefahren. Uruha schluckte nervös beim Gedanken an diesen Morgen und winkte dann ab.

„Ach nicht schlimm. Ich bin an so was gewöhnt, echt! Ich fand es sogar ganz unterhaltsam!“

Aoi lächelte, sah aber immer noch schuldbewusst aus.

„Außerdem hab ich auch peinliche Verwandte, zu Genüge!“, sagte Uruha und sah dabei zu seinen Schwestern. Er wusste, dass Aoi seinem Blick folgte und so sahen sie beide, wie die beiden Frauen ihnen begeistert zuwinkten.

Uruha seufzte. „Siehst du, was ich meine? Ich kenn das also.“

Aoi grinste nur. „Die scheinen ja echt interessiert daran zu sein, mit wem du so sprichst …“

„Ja“, sagte Uruha leidend.

„Stell sie mir vor!“, schlug Aoi vor, als er kurz die Hand hob, um die neugierigen Schwestern zu grüßen.

„Was?“, fragte Uruha verwirrt. Das konnte der andere unmöglich ernst meinen.

„Du hast meine Mutter kennenlernen müssen, sieh es als Gegenleistung …“

Uruha sah ihn unsicher an, doch Aoi lächelte nur.

„… dann löchern sie mal für 5 Minuten jemand anderen!“

Er überlegte noch einen Moment, doch im Grunde gab das den Ausschlag. Uruha warf den beiden Frauen noch einen kurzen Blick zu, dann Aoi und schließlich winkte er ihn hinter sich her zum Tisch seiner Schwestern. Jetzt bekamen die beiden wohl doch noch ihren Willen.

„Ähm, Noriko, Midori, das ist Aoi. Er spielt auch Gitarre …“

„Wissen wir doch!“, entrüstete sich die zuerst genannte und lächelte Aoi charmant an.

„Freut uns Sie mal kennenzulernen“, sagte die andere und streckte Aoi ihre Hand entgegen. „Uruha hat uns schon viel von Ihnen erzählt!“

Der Brünette warf seiner Schwester einen warnenden Blick zu, aber die lächelte nur unschuldig, als sie Aoi anbot sich zu setzen.

„Ach wirklich?“, sagte Aoi und lächelte, „Ich hoffe nur Gutes“

„Aber natürlich! Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, was man schlechtes über Sie sagen könnte“, säuselte Noriko und Uruha starrte sie böse an. Wenn sie es wagte ihn anzubaggern, dann würde er auf jeden Fall nicht tatenlos zusehen!

„Wissen Sie, unseren Bruder sehen wir oft genug, aber ich finde es immer so schade, dass wir fast keine Freunde von ihm kennen“, berichtete seine andere Schwester im Plauderton und Uruha verdrehte die Augen. Auch Aoi schien nicht zu wissen, was er dazu sagen sollte, also lächelte er nur.

„Aber diesen einen kennen wir!“, warf nun Noriko ein und fuchtelte mit den Händen, als wollte sie diesen jemand in die Luft malen.

„Ruki?“, half Uruha gelangweilt nach, aber seine Schwester schüttelte nur energisch den Kopf.

„Nein, den kennt nur Midori, aber den meinte ich nicht. Den mit diesem Band über der Nase …“

„Reita“, sagte Aoi und Noriko blinzelte ihm glücklich zu. „Ja genau!“

Uruha hatte das ungute Gefühl, dass er von diesem Nachmittag Kopfschmerzen bekommen würde und seufzte genervt. Wie Aoi die beiden nur so ruhig ertrug und das, obwohl sie ihn unverhohlen angafften, als wäre er ein Tier im Zoo. Und dabei sah er auch noch so unverschämt gut aus.

Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen und hielt sie locker zwischen zwei Fingern. Er saß etwas schief und lehnte sich mit einem Ellenbogen auf den Tisch, seine Beine waren lässig überschlagen und seine dunklen Augen strahlten eine unglaubliche Ruhe aus.

Uruha seufzte entzückt, begegnete Midoris Blick und versuchte schnell wieder möglichst normal zu wirken, obwohl er wusste, dass sie ihn längst durchschaut hatte.

Gut, vielleicht war er ja doch ein bisschen mehr verliebt als er zugab. Na und?!

„Wie groß sind Sie?“, fragte derweil die andere Aoi und hörte sich dabei ein bisschen an wie ein schnurrendes Kätzchen. Uruha kniff wütend die Augen zusammen. Das hatte sie sich bei ihm abgeguckt. Blöde Kuh.

„Ähm …“ Aoi wirkte verwirrt, war aber zu gut erzogen, (im Gegensatz zu seiner Schwester, dachte Uruha), um nicht zu antworten. „So 1, 71 circa …“, sagte er und sah sie erwartungsvoll an, als sie ein leises „Aaah“ von sich gab.

„Sie sehen viel größer aus, wenn Sie allein stehen …“, sagte sie entzückt und Uruha schüttelte den Kopf. Wozu war das denn jetzt wieder gut?

„Oh, ach so …“ Aoi nickte und warf Uruha einen fragenden Blick zu, den er nur mit einem Schulterzucken beantworten konnte.

Eine Kellnerin trat eilig an den Tisch, in den Händen eine weiße Plastiktüte, offensichtlich mit Aois bestelltem Essen. „Entschuldigen Sie, ihr Essen ist fertig.“

Aoi lächelte sie an. „Ja, ich komme sofort!“

Die Frau nickte und verschwand eilig in Richtung Tresen.

„Ähm, also, ich werde dann mal gehen.“ Aoi erhob sich von seinem Stuhl und deutete eine leichte Verbeugung in Richtung der Frauen an. Uruha schenkte er ein verschmitztes Grinsen, das seinen Magen einen seltsamen Hüpfer vollführen ließ. „Schönen Nachmittag wünsche ich noch … ähm, ach, Uruha? Ich hab mir letztens ein paar neue Filme gekauft. Was hältst du davon, wenn wir uns die morgen reinziehen? Ich besorg Essen und Bier.“

Uruha sah aus dem Augenwinkel, wie seine Schwestern sich schon wieder vielsagende Blicke zuwarfen.

„Ähm, klar, wieso nicht!“, stimmte er zu und lächelte den Schwarzhaarigen an.

„Super, dann komm einfach morgen Abend vorbei! Ciao!“ Aoi ging auf die Kellnerin zu und kaum war er außer Hörweite, brach auch schon das Getuschel los.

„Gott ist der süß!“, quietschte Noriko und sah ihren Bruder freudestrahlend an.

„Ja und so charmant!“, stimmte die andere Schwester zu und Uruha seufzte.

„Also unseren Segen hast du!“, ergänzte sie.

„Habt ihr mir eben nicht zugehört?“, entgegnete Uruha nüchtern, „Ich werde mich nicht an ihn ranmachen. Wir sind nur Freunde!“

„Das sagst du! Und was ist, wenn er sich an dich “ranmacht“?“, fragte Midori und Uruha zog die Augenbrauen hoch.

„Ja klar“, erwiderte er nur und nahm einen Schluck Wasser.

„Das mein ich ernst!“

Seine andere Schwester gab ein zustimmendes Geräusch von sich. „Ist dir nicht aufgefallen, wie er dich angesehen hat?“

„Doch, so als hätte ich total bescheuerte Schwestern!“

„Nein! So als wärst du ne Sahnetorte im Sonderangebot!“

„Toller Vergleich!“, meinte Uruha lachend, ohne sie anzusehen. Die beiden wussten doch gar nicht von was sie da redeten. Aoi konnte nicht auf ihn stehen, das war einfach unmöglich. Und er wollte sich auch auf keinen Fall falsche Hoffnungen machen. Sie waren Freunde. Ganz normale Freunde.

„Gut, dann glaub uns nicht. Wir wissen auch so, dass wir recht haben und du wirst es noch früh genug merken. Frauen haben so was im Gespür!“, sagte Midori überzeugt und nahm selbstzufrieden einen Schluck Kaffee.

„Klar, ihr habt den sechsten Sinn. Darum hat sie auch 3 Monate an diesen Idioten von Amerikaner vergeudet, genau!“, murmelte Uruha genervt.

„Außerdem ist er kleiner als du!“

Uruha sah Noriko stirnrunzelnd an. „Na und?“

„Na, das ist entgegen deiner Gewohnheiten und in deinem Horoskop stand …“

„Oh Gott, wieso hast du mich mit so einer Familie gestraft???“

Wanna try?

Uruha zog noch einmal sein Hemd glatt, ehe er auf den Klingelknopf drückte, der mit Aois Namen beschriftet war. Es dauerte nicht lange, bis ein leises Summen ertönte und er die Tür zum Treppenhaus aufdrückte.

Er nahm auf der kurzen Treppe, die in den ersten Stock führte, immer zwei Stufen auf einmal, bis er vor Aois Wohnungstür stand, die, wie er feststellte, nur angelehnt war. Uruha atmete tief ein, um das nervöse Kribbeln in seinem Magen zu beruhigen und klopfte dann leicht gegen die Tür, während er sie langsam öffnete. Es gab keinen Grund nervös zu sein, sie hatten doch schon tausende Filmabende zusammen verbracht!

„Aoi?“, rief er in den leeren Flur. Dann vernahm er scheppernde Geräusche aus der Küche.

„Hey! Bin gleich soweit! Die Filme liegen im Wohnzimmer auf dem Tisch!“, erklang Aois Stimme und Uruha grinste. „Okay“

Er warf seine Jacke im Vorbeigehen über den Kleiderständer im Flur und betrat das Wohnzimmer. Der Stapel DVDs auf dem Couchtisch zwischen Sofa und Fernseher war nicht zu übersehen. Uruha nahm sich die obersten drei Filme und überflog kurz die Inhaltsangaben, um dabei festzustellen, dass es wohl ein actionreicher Abend werden würde. Zumindest im Fernseher.

Er ließ sich schnell aufs Sofa fallen, als er Schritte im Flur hörte, und nahm eine möglichst lässige Sitzhaltung ein. Alles war normal, ganz normal! Uruha hoffte inständig, dass er auch so rüberkam.

Aoi kickte mit seinem Fuß die Tür hinter sich zu und Uruha zuckte zusammen. Das war jetzt sicher total normal rübergekommen, dachte er brummig. Er sah lächelnd auf, bereit alles zu überspielen, aber Aoi war sein Zucken anscheinend nicht aufgefallen. Kein Wunder, er trug ein Tablett mit mehreren Schüsseln in der einen und zwei Flaschen Bier in der anderen Hand und war vollauf damit beschäftigt nichts fallen zu lassen.

„Du hast doch nicht etwa gekocht?“, fragte Uruha neckisch, als Aoi die Sachen auf dem Tisch abstellte und der andere lachte.

„Quatsch, ich will dich doch nicht vergiften …“, erwiderte er und Uruha grinste.

Uruha beobachtete Aoi, wie er die Schüsseln vom Tablett nahm und auf dem Tisch verteilte. Und als er sich eine Strähne hinters Ohr strich, blieben Uruhas Augen an seinen Fingern hängen. Er wusste genau, wie auffällig er den anderen anstarrte, aber irgendwie war es ihm unmöglich, seinen Blick auf etwas anderes zu richten.

„Ich hab einfach von allem etwas bestellt, ich dachte irgendwas magst du sicher!“, meinte Aoi plötzlich, hielt in der Bewegung inne und sah ihn an. Uruha starrte immer noch und als sich ihre Blicke trafen, sah er schnell von Aoi zu den Schüsseln.

„Ähm … klar … sieht doch gut aus. Und so wählerisch bin ich ja auch gar nicht …“

Aoi sah ihn mit hochgezogenen Brauen an und Uruha musste lachen. „Naja, bin ich schon, aber das sieht echt ganz gut aus!“

„Gut“, sagte Aoi und ging um den Tisch herum, um sich neben ihn zu setzen, „Das freut mich.“

Stille trat ein, in der Aois Stimme in seinem Kopf nachhallte wie ein Echo und schließlich griff Uruha nach der obersten DVD.

„Also, fangen wir oben an?“, fragte er, während er schon aufstand und zum Fernseher ging.

„Klar!“
 

Der erste Film war grade vorbei und Uruha hatte eigentlich keine Ahnung, wovon er gehandelt hatte. Die ersten 10 Minuten hatte er sich noch auf die Mattscheibe konzentrieren können, aber dann hatte Aoi sich auf den Teppich vor den Couchtisch gesetzt, um besser essen zu können und ihm somit die Möglichkeit gegeben, ihn unbemerkt beobachten zu können.

Wie sollte er da auch widerstehen? Immerhin hatte er die Auswahl zwischen einem alternden Hauptdarsteller und seiner blonden Partnerin, oder Aoi. Die Entscheidung hatten seine Augen binnen weniger Minuten ohne ihn getroffen und sich zu 98% auf Aoi konzentriert. Die anderen 2% bestanden daraus, unauffällig wegzusehen und so zu tun, als würde er dem Film folgen, wenn Aoi ihn ansprach.

In den zwei Stunden, in denen er Aoi nun schon beobachtete, waren ihm Dinge am anderen aufgefallen, über die er vorher nie nachgedacht hatte.

Es hatte damit begonnen, dass ihm aufgefallen war, wie der Schwarzhaarige ab und zu gedankenverloren eine Strähne zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und sie leicht hin und her drehte. Eine absolut niedliche Angewohnheit, die er vorher noch nie beachtet hatte und dabei sah er den anderen fast täglich. Und grade in diesem Moment hing sein Blick an Aois nackten Oberarmen, die irgendwie genau die richtige Form hatten, nicht zu muskulös, aber auch nicht zu untrainiert...

„Uruha?“

Er zuckte zusammen, als Aoi ihn ansprach und sah von den Armen des anderen auf in sein Gesicht. Aois Blick war undurchschaubar und Uruha hoffte panisch, dass er nichts bemerkt hatte.

Dann fing Aoi an zu grinsen. „Träumst du etwa?“, fragte er und lachte.

Uruha lächelte leicht und entspannte sich wieder etwas. Wenn Aoi nur wüsste, wie richtig er damit lag.

„Welchen Film jetzt?“, fragte Aoi, so betont, dass Uruha klar wurde, dass der andere die Frage eben schon einmal gestellt haben musste.

„Ääähm …“ Uruha schnappte sich ein paar der Filme und tat so, als würde er sich noch einmal den Inhalt durchlesen, ehe er Aoi eine der Hüllen entgegenstreckte.

Aoi grinste, erhob sich und legte den neuen Film ein.

Verdammt, dachte Uruha. Sein Herz raste immer noch von dem Schock ertappt worden zu sein. Das durfte ihm nicht wieder passieren. Und außerdem, hatte er sich nicht vorgenommen, nicht auf Aoi zu stehen? Das würde er doch wohl grade noch schaffen! Konnte ja nicht so schwer sein. Aber die Vorraussetzung dafür war, sich zusammenreißen zu können. Also, beim nächsten Film würde er nur den Fernseher ansehen und nichts anderes!

Nach genau einer Stunde bereute er diesen Vorsatz. Er hatte anscheinend den schlechtesten und langweiligsten Film ausgesucht, den Aoi hatte. Obwohl er ja keine Vergleichswerte hatte. Wahrscheinlich war der andere Film genauso langweilig gewesen. Uruha seufzte.

Das einzig Gute war, dass er jetzt wusste, dass er einen eisernen Willen besaß. Bei diesem Film nicht der Versuchung zu erliegen, Aoi anzustarren, war äußerst schwierig, aber bislang hatte er durchgehalten. Ob er den Rest des Films noch überstehen würde, da war er sich jedoch nicht so sicher.

„Gott!“ stieß er nach kurzer Zeit genervt aus, weil er es einfach nicht länger ertragen konnte und Aoi sah ihn verwirrt an.

„Also, ich glaube die haben bei diesem Film zu viel Geld in schnelle Autos gesteckt und hatten dann keins mehr über, um der armen Frau mal was zum Anziehen zu kaufen! Das ist schon das mindestens zehnte Mal, dass die einen so kurzen Rock trägt, dass man ihn auch als Gürtel bezeichnen könnte!“, sagte Uruha energisch und fuchtelte dabei wild mit den Händen herum.

Aoi fing an zu lachen und verschluckte sich dabei an seinem Bier. „Sex sells, so ist das eben!“, sagte er unter Husten und Uruha schüttelte den Kopf.

„Ja toll! Meinetwegen könnten die Kerle sich auch gern luftiger kleiden, aber das verkauft sich wohl nicht so gut, was?!“

Aoi lachte noch immer und Uruha lächelte, als er ihn verstohlen dabei beobachtete. Er fand das Lachen des anderen irgendwie ansteckend. Wie kam es nur, dass Aoi ihm gleichzeitig so vertraut und doch so fremd vorkam? Als hätte er ihn vorher nur durch einen Schleier gesehen, der seine Sicht verfälscht, und jetzt sah er erst wirklich klar.

Und wieder fesselte ihn Aois Anblick mehr, als die Mattscheibe. Uruha wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis es ihm endlich wieder auffiel und er sich innerlich ohrfeigte. So viel zu “eiserner Willen“.

Nach kurzem Überlegen beschloss er, sich neben Aoi auf den Boden zu setzen. Die perfekte Strategie. Wenn er den anderen jetzt beobachten wollte, musste er den Kopf drehen und das würde Aoi sofort auffallen, also nichts mehr mit heimlich beobachten.

Uruha rutschte langsam vom Sofa auf den Teppich, streckte die Beine unterm Tisch lang aus und lehnte sich mit dem Rücken an die Couch. Aoi warf ihm einen flüchtigen Blick zu und Uruha streckte sich nach seinen Stäbchen und einem Schälchen mit gebratenem Gemüse, um seinen Platzwechsel irgendwie zu begründen. Eigentlich hatte er ja keinen Hunger mehr, aber so hatte er wenigstens etwas zu tun und musste nicht still sitzend auf den Fernseher starren, während er sich bohrend bewusst war, dass Aois Knie nur Zentimeter von seinem Oberschenkel entfernt war.

Er steckte sich grade ein Stück Karotte in den Mund, die irgendwie eine gummiartige Konsistenz hatte, als Aoi sich räusperte, seine Sitzposition verlagerte und ihn so unabsichtlich an die Schulter stieß. Uruha zuckte unwillkürlich zusammen und auch Aoi schreckte zurück, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen.

„Oh, ´tschuldige!“, sagte er hastig. Uruhas Haut kribbelte und die Karotte in seinem Mund bekam einen pappigen Beigeschmack, als er vergaß weiter darauf herum zu kauen. Schnell gab er ein unbestimmtes Geräusch von sich und schluckte das elende Gemüse runter. Uruha starrte auf den Bildschirm, auf dem grade ein Gebäude in Schutt und Asche zerfiel. Eine kleine Berührung und er verlor völlig die Fassung. So war er doch sonst nicht. So schreckhaft, so gefühlsduselig. Ihn durchlief ein Schauer, als er an die Berührung dachte und er schüttelte unwillkürlich den Kopf. Konnte mal irgendjemand dieses Kribbeln abstellen, sonst würde er noch irgendwann seine Selbstbeherrschung verlieren.

„Sag mal …“, setzte Aoi an und seine Stimme klang völlig normal. Uruha wusste nicht wirklich warum, aber das enttäuschte ihn.

„Mhm?“, machte er. Einen Moment war er versucht sich erneut etwas von dem Gemüse in den Mund zu stecken, nur um etwas zu tun zu haben, aber der Gedanke an die pappige Karotte hielt ihn davon ab und er stellte das Schälchen zurück auf den Tisch.

„… wann hast du eigentlich bemerkt, dass du auf Männer stehst?“, fragte Aoi in dem gleichen lässigen Tonfall, als würde er übers Wetter reden. Uruhas Kopf drehte sich wie von selbst ruckartig in Richtung des anderen und er konnte nicht anders, als ihn verdutzt anzustarren. In ihm war plötzlich ein Sturm losgebrochen, der seinen Magen zu einem undefinierbaren Klumpen in seinem Bauch machte und er versuchte das unbestimmte Gefühl der Hoffnung zu unterdrücken, das davon ausging. Und Aoi saß da, als wäre nichts. Als hätte er keine Frage gestellt, die Uruhas Weltbild aus den Angeln hob und ihn in totale Verwirrung stürzte! Ja, Aoi war nicht einmal rot geworden! Er sah ihn nur erwartungsvoll an, als wäre seine Frage ein total normales Gesprächsthema.

„Ähm …“, gab Uruha von sich und räusperte sich, als er merkte, dass seine Stimme einen heiseren Beiklang hatte, „… so Anfang der Oberschule, glaub ich … wieso … fragst du?“

Sein Herz hämmerte, als er Aoi ansah. Er durfte sich darauf nichts einbilden! Nur weil Aoi ihn das gefragt hatte bedeutete das nicht, dass auch er jetzt anfing auf Männer zu stehen. Das war albern. Wahrscheinlich war es ein allgemeines Interesse, einfach, weil sie befreundet waren.

Aoi zuckte die Schultern und lächelte kurz. „Och, ich weiß nicht“, sagte er und warf dem Film einen kurzen Blick zu. „Ich hab mich einfach gefragt, wie du das gemerkt hast … und dann auch noch so früh. Ich meine … ich bin auf ne ziemlich teure Jungenschule gegangen. Ich war sechs Tage die Woche nur von Jungen umgeben und hatte kaum Kontakt zu Mädchen, aber ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich für einen Jungen was anderes als Freundschaft empfinden kann …“ Er machte eine Pause, um einen Schluck Bier zu trinken und alles, was Uruha hörte, war das Rasen seines Herzens. Der Film war nur ein unbestimmtes Rauschen im Hintergrund.

„… wird das nicht immer gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist schwul zu werden, wenn man auf eine Jungenschule geht? … Ich weiß echt nicht, wie du das gemerkt hast …“

Aois Gesicht war so ernst, dass es fast nicht zu ertragen war. Sie hatten noch nie ein ernstes Gespräch über Uruhas sexuelle Orientierung geführt, noch nie! Scherze, Neckereien, klar! Aber doch keine Unterhaltung! Oder wollte Aoi ihn nur verarschen? War das wieder so ein dummer Scherz?

Uruha lachte leise, ehe er auf Aois Kommentar antwortete. „Das mit den Jungenschulen ist doch nur so ein Klischee …“, sagte er leichthin und winkte mit der Hand ab.

Aoi grinste und zuckte mit den Schultern. „Ja, vielleicht …“

Eine drückende Stille trat ein, die Uruha fast nicht ertragen konnte. Er gab es nicht gerne zu, aber er war verwirrt. Total verwirrt, verunsichert und noch nervöser als vorher.

„Aoi?“ Er musste es einfach wissen. Was steckte nur hinter dieser Frage!

„Ja?“

Uruha hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, aber er zwang sich trotzdem dazu weiter zu sprechen. „Wieso fragst du mich das? Das hat dich doch sonst nicht interessiert. Ich meine … gibt es einen besonderen Grund dafür?“

Fast traute er sich nicht Aoi anzusehen. Er wollte nicht sehen, dass der andere ihn auslachte. Aber als der Schwarzhaarige Blickkontakt aufnahm, war da kein Hohn. Sein Gesicht war völlig ernst und seine dunklen Augen bohrten sich in Uruhas, sodass er die Luft anhielt.

Aois Antwort war nur ein dunkles Flüstern, das Uruhas Nackenhaare dazu brachte sich aufzustellen. „Vielleicht …“

Uruha schluckte. Wenn er nicht sofort wegsah würde er in Aois Augen ertrinken. Es kostete ihn einiges an Überwindung, den Blick auf den Fernseher zu richten. Er starrte auf die Mattscheibe, ohne etwas zu sehen und versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Weißt du, die Phase in der man sich fragt, wie es ist einen anderen Jungen zu küssen, kommt eigentlich etwas früher“, sagte Uruha feixend und lächelte verschmitzt, obwohl ihm so gar nicht danach zu Mute war.

„Ich war immer schon etwas langsam“, entgegnete Aoi und brachte damit Uruhas Herzschlag wieder auf Hochtouren. Hatte er das grade wirklich gesagt? Uruha konnte nicht anders, als Aoi wieder anzusehen. Der gleiche Gesichtsausdruck. Kein Grinsen, kein Lacher.

Uruha fühlte sich, als würde er in Flammen stehen. Morgen würde er es bereuen, aber grade in diesem Moment, hatte er einfach nicht mehr die Möglichkeit rational zu denken.

„Willst du’s ausprobieren?“, fragte er mit belegter Stimme und sah Aoi dabei direkt in die Augen. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Alles um ihn herum verschwamm und das einzige, was er noch sah, waren Aois Augen. Uruhas Herz raste und er versuchte sich von den Augen zu lösen, um Aois Reaktion einschätzen zu können. Doch der andere regte sich nicht, er war wie versteinert. Langsam wurde es Uruha klar, das war es. Er hatte es übertrieben. Aoi war geschockt. Verständlich. Wie hatte er auch nur hoffen können, dass es anders wäre.

Uruha lachte möglichst überzeugend, während in ihm drin etwas in tausend kleine Scherben zerbrach, die ihn stechend davon abhielten zu atmen.

„War doch nur ein Scherz!“, sagte er lachend und boxte Aoi gegen die Schulter, der sich noch immer nicht rührte, „Keine Angst, ich fall nicht über dich her!“ Das Lachen war so falsch und es tat so weh! „Du hättest dein Gesicht sehen müssen!“

Uruha fühlte sich leblos. Wo vorher sein Magen gewesen war, war jetzt nur eine schmerzliche Leere. Ein schwarzes Loch, das ihn langsam einsaugte und nur seine Hülle übrig ließ.

Verdammt, es war scheiße verliebt zu sein! Und das hatte er gleich gewusst! Es hatte keinen Sinn sich zu verlieben, wenn man wusste, dass nur Schmerz daraus entstand. Und sich in seinen besten Freund zu verlieben war sozusagen die absolute Katastrophe! Plötzlich wusste er wieder, warum er seit Jahren nur Affären und keine Beziehungen gehabt hatte.

Aoi bewegte sich, was Uruha wieder in die Wirklichkeit zurück brachte. Der Schwarzhaarige schien sich noch immer nicht richtig gefangen zu haben. Ein zaghaftes Lächeln stand auf seinen Lippen und er sah starr auf den Bildschirm, der immer noch vor sich hin flackerte.

So schnell konnte man alles kaputt machen, dachte Uruha. Zum Glück hatte er ihn nicht geküsst, sonst wäre wohl wirklich nichts mehr zu retten gewesen.

Uruha atmete tief ein und sah ebenfalls in Richtung Fernsehgerät. Wenn Aoi ihm nach diesem Abend nicht die Freundschaft kündigte, schwor er sich, würde er dem anderen nie wieder solche verdammt dummen Angebote machen!

Real or fake?

Als die Tür hinter ihm zugezogen wurde, erstarben die Rufe der Fans, die sich schon Stunden vor Beginn des Konzerts vor der Halle eingefunden hatten. Genauer gesagt, vorm Hintereingang, durch den Uruha eigentlich unbemerkt in die Halle hatte kommen wollen, um Autogrammen und Fotos zu entkommen.

Jetzt, gefühlte neunzig Autogramme später, fühlte er sich leicht benommen. Die Blitze der Kameras sorgten dafür, dass er sich regelmäßig fühlte, als würde er erblinden und grade heute hatte er keine Sonnenbrille auf.

Die Bodyguards, falls man die so nennen konnte, scheuchten ihn den Gang runter, ehe sie die Tür wieder öffneten und sich in die Menge stürzten, um darauf zu achten, dass alle hinter den Absperrungen blieben.

Uruha trottete den noch leeren Gang entlang Richtung Umkleide. So richtig motiviert war er noch nicht, aber das würde bestimmt noch kommen, sobald die anderen da waren. Keiner konnte sich der Atmosphäre entziehen, wenn ein Konzert bevorstand.

Er betrat den Raum, an dessen Tür ein Zettel mit der Aufschrift „The GazettE“ klebte. Die Backstagecrew war schon da, aber noch keiner aus der Band. Er grüßte einige Stylisten, die noch eifrig damit beschäftigt waren ihr Equipment auf den Tischen auszubreiten.

Nachdem er einige Minuten die fleißig herumwuselnden Menschen beobachtet hatte, schnappte er sich seine Gitarre und setzte sich damit auf eins der Sofas, die an der einen Seite des Raumes standen. Solange er noch nichts anderes zu tun hatte, konnte er sich ja schon einmal warmspielen. Langsam glitten seine Finger über die Seiten, während er irgendeine Melodie vor sich hin spielte, mit deren leisen Tönen seine Gedanken langsam abdrifteten.

Es war jetzt eine Woche seit jenem Abend vergangen und Aoi hatte ihm nicht die Freundschaft gekündigt, oder gar den Vorfall in irgendeiner Art noch einmal erwähnt. Es war so, als wäre nichts gewesen, und auch wenn Uruha es nicht gerne zugab, genau das störte ihn irgendwie.

Eigentlich sollte er ja froh darüber sein, dass Aoi ihn nicht ernst genommen hatte. Wie unangenehm es sonst geworden wäre, konnte er sich nur zu gut ausmalen. Aber diese Sache war nun einmal etwas, bei dem er sich mit sich selbst nicht einig war.

Jeden Tag, wenn er Aoi sah, wünschte er sich, mit ihm zusammen zu sein, auf eine Art, die wenig mit Freundschaft zu tun hatte. Aber sein Verstand hatte sich den Vorsatz gemacht, nicht dumm zu sein und eine gute Freundschaft nicht gegen irgendetwas zu tauschen, von dem nicht sicher war, was es war.

Warum sollte Aoi ihn ernst nehmen? Seit sie sich kannten hatte Uruha nie eine ernste Beziehung gehabt. So was war zu kompliziert und dann noch mit Aoi wäre doch wirklich … dumm. Er seufzte.

Und trotzdem, obwohl er wusste, was für ihn am Besten war, störte es ihn, dass Aoi so normal war. Dass er nur sein Freund war und nicht sein Freund.

„Hey, alles klar?“ Jemand schüttelte ihn leicht und Uruha blickte auf. Kai grinste ihn breit an und Uruha versuchte möglichst überzeugend zurück zu lächeln. Aber Kai schüttelte nur leicht den Kopf und zog eine Grimasse. „Du siehst irgendwie nicht motiviert aus und – das – ist – nicht –gut!“, sagte der Bandleader eindringlich und schlug ihn bei den letzten vier Worten jedes Mal leicht gegen die Schulter.

„Ey!“, machte der Brünette, schnappte sich den anderen und verstrubbelte ungnädig sein kurzes Haar, ohne dessen halbherzige Beschwerden zu beachten.

Er hörte, wie jemand hinter ihm lachte und ließ Kai los. „Das grenzt ja an Meuterei“, sagte Aoi belustigt, als er in Uruhas Blickfeld trat. Uruha lächelte.

Normal, alles war total normal. Total ätzend normal.
 

Als sie die Bühne betraten lag noch alles im Dunklen, aber er hörte die Masse der Menschen, die sich aufgeregt vor der Bühne drängten. Endlich floss Adrenalin durch Uruhas Körper und auch ihn erfasste diese erwartungsvolle Unruhe, die in der Luft lag. Ein paar mal zuckte das Licht, die Fans begannen zu schreien und Kai schlug den Takt für das erste Lied an. …

Uruha verlor sein Zeitgefühl, er wusste nicht mehr, wie lange er schon auf der Bühne stand, bis ihm bewusst wurde, dass sich das Lied, was sie als letztes festgelegt hatten, grade dem Ende zuneigte.

Er sah zu Aoi hinüber, der auf der anderen Seite der Bühne stand. Er hatte seinen Kopf zurück gelegt und die Augen geschlossen. Rotes Licht glitzerte auf seiner Stirn. Der Bruchteil einer Sekunde war vergangen und dann plötzlich sah Aoi ihn an. Er lächelte und ging einige Schritte in seine Richtung. Uruha versuchte nicht das Spielen zu vergessen, während er Aoi beobachtete, der ihm langsam immer näher kam, wie eine Raubkatze auf Beutefang. Kurz hielt er bei Ruki an, doch dann sah er wieder zu Uruha.

Wenige Schritte lagen noch zwischen ihnen, als Aoi stehen blieb. Uruha spielte den letzten Akkord und mit ihm gingen die Scheinwerfer aus. Nur noch durch das Publikum liefen einige Lichtkegel, aber sie selbst lagen im absoluten Dunkel.

Die Geräusche der Menge schwollen an und Uruha sah nur undeutlich, wie Aoi seine Gitarre am Gurt auf den Rücken drehte. Im nächsten Moment stand er vor ihm und verdeckte die Sicht auf das Publikum. Sein Blick war unergründlich, aber er hätte schwören können, dass Aoi lächelte, als er sich langsam nach vorne beugte. Alles ging so schnell, dass Uruha nicht einmal wusste, wie ihm geschah.

Plötzlich lagen Aois Lippen auf seinen. Er spürte deutlich das Lippenpiercing des anderen. Aois Augen waren geschlossen, während er nichts machen konnte. Gar nichts. Wie vom Blitz getroffen stand Uruha da, während eine Zunge über seine Lippen glitt. Nur Sekunden, und alles war vorbei.

Als das Licht wieder anging stand Aoi am anderen Ende der Bühne, sein Blick war in die Menge gerichtet, als hätte er schon die ganze Zeit dort gestanden.

Hatte er sich das grade nur eingebildet? Er hatte Aoi doch deutlich vor sich stehen sehen. Er hätte die Schweißtropfen auf seiner Stirn zählen können. Den Stoff seines Oberteils hatte er an seiner Hand gespürt. Seine Lippen auf seinen gefühlt …

Aber wie konnte das auch wahr sein? So langsam drehte er wohl wirklich durch! Er sah zu Aoi, der jetzt in einem neuen Takt klatschte. Sie stimmten die Zugabe an, während er noch total benommen war.

Sein Herz raste doppelt so schnell wie vorher, als wollte es nachholen, dass es eben einfach still geblieben war. Und er fühlte sich seltsam unwirklich.

Hatte Aoi ihn geküsst? Hatte er das wirklich getan? Und wenn ja, warum?
 

Diese Fragen geisterten auch noch durch seinen Kopf, als das Konzert schon lange vorbei war. Er saß auf einem Sofa im Umkleideraum und trank eine Flasche Wasser nach der anderen leer. Die anderen unterhielten sich lautstark. Kai trommelte noch immer mit seinen Sticks, während er Ruki und Reita dabei zuhörte, wie sie sich über eine kommende Tour ausließen.

Aoi saß neben ihnen und blätterte in einem Buch. Er hatte seit zwei Stunden nicht ein Mal aufgesehen. Uruha wusste es, denn solange starrte er ihn schon an und fragte sich, was wirklich passiert war und was in seinem Kopf vorging.

Ob es real gewesen war oder nicht, es war unfair gewesen! Es hatte seine guten Vorsätze zerbröseln lassen wie trockenes Laub und seine Gedanken durcheinandergebracht. Er betrachtete Aois Gesicht, jede Kontur, die sich zwischen Licht und Schatten abzeichnete, den deutlichen Schwung seiner vollen Lippen. Noch immer spürte er diese Lippen auf seinen brennen. Wären die anderen nicht, er würde alles tun, um sie noch einmal zu spüren.

Abrupt stand Uruha auf und schnappte sich seine Sachen. Die anderen sahen ihn verwirrt an und er nickte ihnen kurz zu. „Ich geh nachhause. Bin verdammt müde. Wir sehen uns. Nacht, Leute!“, sagte er eilig und verschwand auf den Korridor und ins Treppenhaus, das zum Parkplatz führte.

Er wusste nicht, wie es die nächsten Tage laufen würde, wenn er Aoi sah, aber jetzt musste er erst einmal weg von ihm. Möglichst schnell, damit er ihn nicht länger anstarren konnte. Damit er nicht länger über etwas nachdenken konnte, was ihn total verwirrte. Damit er nicht in Versuchung war etwas zu tun, was er nicht tun durfte.

„Hey, Uruha!“

Er blieb wie angewurzelt stehen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Langsam drehte er sich zu Aoi um, der hinter ihm auf der Treppe stand und lächelte.

„Nimmst du mich mit?“, fragte der Schwarzhaarige ganz so, als wäre nichts gewesen. Als hätte er ihn nicht geküsst, und die letzen zwei Stunden nicht ein Mal angesehen.

Uruha traute normalerweise seinem eigenen Verstand schon über den Weg, aber grade jetzt, nicht wirklich. Vielleicht hatte der andere ihn ja gar nicht geküsst…

„Ähm, klar!“

Zusammen verließen sie das Gebäude und gingen über den inzwischen fast leeren Parkplatz zu Uruhas Auto. Ihre Schritte schienen in Uruhas Gedanken laut widerzuhallen. Sein Kopf war leer und auch wieder nicht.

Uruha schwieg die ganze Fahrt über. Jetzt, da er Aoi so nah war, konnte er ihn nicht einmal ansehen, aber sein Herz gab keine Ruhe. Er war nervös, verdammt nervös. Seine Hände hätten gezittert, hätte er sich nicht so krampfhaft am Lenkrad festgehalten. Er kam sich so dämlich vor. Wie ein nervliches Wrack, während Aoi die Ruhe selbst zu sein schien.

„Ist die neu?“, fragte Aoi und hielt eine Cd hoch, die er grade aus der Seitenablage gezogen hatte.

Uruha nickte nur flüchtig. Was war hier eigentlich los? Das war doch nicht normal! Er fühlte sich wie in einem Albtraum, in dem man rannte und rannte und am Ende total die Orientierung verloren hatte.

Er bog in die Straße ein, in der Aoi wohnte und hielt vor seinem Haus. Eine Zeit herrschte Stille und Uruha starrte auf das Auto vor sich. Auf der Rückablage saß ein kleiner Stoffhund mit grüner Schleife und Knochen im Mund.

Er zuckte etwas zusammen, als Aoi die Tür öffnete und kühle Nachtluft hereinströmte. Uruha spürte, wie er ihn von der Seite ansah, aber er starrte einfach weiter geradeaus. „Also dann, gute Nacht. Wir sehen uns!“

Das Auto bebte leicht, als Aoi die Tür hinter sich zuwarf. Uruha sah ihm nach, wie er über den Bürgersteig ging und die Haustür aufschloss …

„Aoi! Warte!“

Noch bevor er sich versehen hatte, war er aus dem Auto gesprungen und lief auf die Tür zu, durch die der andere grade verschwand. Kurz bevor sie ins Schloss fiel, hielt Aoi sie auf. Er sah Uruha fragend an, als der an ihn vorbei ins leere Treppenhaus ging.

Ein leises Knacken, als die Tür sich schloss, und dann trat Stille ein. Uruha spürte sein Herz heftig gegen seinen Brustkorb hämmern, als er sich umdrehte und Aoi ansah.

„Warum hast du mich vorhin geküsst?“

Er musste es einfach wissen. Egal wie albern diese Frage auch war. Und wenn das alles nur eine total reale Fantasie gewesen war, würde er sich wenigstens dessen sicher sein können, sobald Aoi ihn auslachte.

Aber Aoi lachte nicht. Der Schwarzhaarige schien überrascht, aber nicht so, als wüsste er nicht wovon Uruha sprach. Also hatte er ihn geküsst! Aoi kaute auf seiner Unterlippe, ehe er kurz lächelte und dann die Arme vor der Brust verschränkte.

„Naja, du hast mir ja letztens keine Chance gegeben auf dein Angebot einzugehen, also …“, sagte er leichthin.

Uruha starrte ihn an. Also entweder träumte er immer noch, oder das hier war ein ganz anderer Aoi als er sich jemals hätte vorstellen können. Er schluckte, weil Aoi einen Blick aufgesetzt hatte, der ihm die Kehle zuschnürte. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er schwören können, dass … Aoi mit ihm flirtete!

„Also …“, sagte er atemlos, „… hast du’s selbst in die Hand genommen?“, beendete er Aois Satz und hob ungläubig die Augenbrauen.

„Sozusagen …“

Uruha war einen Schritt auf Aoi zugegangen, der langsam zurückwich, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. Er ging weiter auf ihn zu, bis er ganz nah vor ihm stand. Zu nah. Aber Uruha konnte sich nicht wegbewegen. Aois tiefbraune Augen hatten ihn gefangen. Es war unmöglich ihm zu entkommen.

„Du hättest mich ja einfach fragen können …“, meinte Uruha leise und Aoi lachte kurz und spöttisch. „Damit du mich dann auslachst …“, entgegnete er schwach und sah zu Boden, seine Arme noch immer verschränkt.

Uruha versuchte tief einzuatmen. Es war so unwirklich hier mit Aoi zu stehen. Er stützte sich mit einer Hand neben Aois Kopf an der Wand ab. Aoi verstand nicht, was er gemeint hatte. Aber er wollte, dass er ihn verstand.

„… ich … hätte dich auch für diese Aktion vorhin auslachen können … hab ich aber nicht …“

Aoi sah auf. Wieder trafen sich ihre Blicke und langsam ließ er seine Arme sinken.

Uruha wusste genau, was er jetzt tun wollte, aber er zwang sich dazu, nichts zu tun. Wenn Aoi es auch wollte … Er traute sich nicht diesen Gedanken zu Ende zu denken. Sein ganzer Freundschaft-nicht-gefährden-Vorsatz hatte sich in Luft aufgelöst, alles war anders, wenn …

Warum hast du mich geküsst?“

„Weil … ich glaube …“

„Du glaubst …?“ Langsam bewegte er seinen Kopf näher an Aois, bis er ihn atmen hören konnte. Sein Atem ging unregelmäßig.

Die Sekunden zerflossen schwerfällig wie Minuten, bis Aoi endlich reagierte.

„Ach verdammt, Uruha, küss mich doch einfach!“, sagte er leise und doch fordernd.

Uruha schluckte. „Das war aber keine Frage …“, flüsterte er schwach.

Er beugte sich langsam vor und als er vorsichtig seine Lippen auf Aois legte, fielen dessen Augen flatternd zu. Sein ganzer Körper kribbelte, als er seine Lippen über die des anderen gleiten ließ. Sie schmeckten salzig. Er spürte Aois Hand auf seiner Brust, die sich fest in sein Hemd grub und wusste, dass er noch weiter gehen konnte. Langsam schob er seine Zunge in den Mund des anderen. Aoi entkam ein leises Seufzen, das irgendwie erleichtert klang und er erwiderte den Kuss. Uruha wusste nicht genau, wie lange sie so dastanden und sich küssten. Er hätte auch sicher nicht aufgehört, hätte Aoi sich nicht irgendwann von ihm gelöst.

Der Ältere hatte den Kopf gesenkt und seine schwarzen Haare verdeckten die Sicht auf sein Gesicht. Uruha betrachtete ihn angespannt. Was, wenn er es jetzt doch bereute? Er hatte sich hiermit auf seine Gefühle eingelassen. Jetzt gab es kein zurück und kein normal mehr.

Aber Aoi sah nicht so aus, als würde er sich dafür schämen. Sein Blick war glasig und seine Wangen leicht gerötet, aber das schrieb Uruha eher etwas anderem zu, als Scham. Dann plötzlich sah Aoi ihn an und grinste verschmitzt, fuhr sich einmal mit der Hand übers Gesicht und seufzte.

Uruha hätte schwören können, dass er etwas nuschelte, das klang wie „wenn meine Mutter das wüsste“, aber sicher war er sich nicht.

„Alles klar?“, fragte er, einfach, weil er sich dabei so dämlich vorkam, rumzustehen, während Aoi die Tatsache verdaute mit einem Mann rumgeknutscht zu haben.

Aoi sah ihn mit einem unergründlichen Blick an und dann nickte er. „Ich … ich sollte jetzt wohl besser schlafen gehen …“, sagte er, tauchte unter Uruhas Arm durch und ging einige Schritte Richtung Treppe.

„Wir sehen uns … Nacht!“

Uruha stand einfach da und sah ihm hinterher, wie er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hochstieg und verschwand.

In ihm herrschte absolutes Gefühlschaos und er wusste einfach nicht, wie er sich jetzt fühlen sollte.

Er fühlte sich auf eine seltsame Art glücklich, weil er Aoi geküsst hatte und weil es sich so gut und so richtig angefühlt hatte. Er hatte sich überhaupt noch nie so gefühlt. Das war eindeutig der beste Kuss überhaupt gewesen. Wie konnte er sich nicht gut fühlen, wenn grade ein riesiges Feuerwerk in seinem Bauch abbrannte.

Aber Aoi war einfach so gegangen und das verwirrte ihn und irgendwie hatte er Angst. Was war, wenn Aoi das gar nicht ernst gemeint hatte? Vielleicht hatte er sich nur Uruha für dieses “Experiment“ ausgesucht, weil er ihn für jemanden hielt, der leicht zu haben war.

Dieser Gedanken ließ das Feuerwerk augenblicklich erlöschen. Plötzlich war ihm schlecht. Uruha fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, öffnete die Tür und trat nach draußen. Die Nacht war kühl und laut und er hatte das Gefühl, sie wollte sich über ihn lustig machen. Er sah zu den Fenstern, die zu Aois Wohnung gehörten und in denen grade Licht angemacht wurde.

Auch auf die Gefahr hin, dass er sich wiederholte: Verliebt sein war doch irgendwie scheiße.

Coffee to go

„Hallo, Band! Entschuldigt die Verspätung. Na, alle bereit loszulegen?!“

Uruha zog vielsagend die Brauen hoch, als Kai mit diesen Worten den Probenraum stürmte und wild mit seinen Sticks hantierte. Grillenzirpen im Hintergrund hätte den Effekt, den Kai mit seinem Auftritt bewirkte noch hervorgehoben. Reita hob seine Augen nicht einmal von seinem Bass und auch Ruki würdigte ihn keines Blickes.

„Aoi ist noch nicht da“, sagte der blonde Sänger, der auf dem Boden vor der Couch saß und in einer Musikzeitschrift blätterte, die schon reichlich mitgenommen aussah.

„Oh“, sagte Kai nur und ließ die Sticks sinken. „Dann warten wir eben!“

Uruha seufzte und fingerte in seiner Jackentasche nach einer Zigarette.

Warten auf Aoi. Das hatte Uruha die letzten Tage schon getan. Er hatte gehofft, dass der andere sich melden würde, aber das hatte er nicht getan. Kein Anruf, keine E-Mail, kein nichts.

Natürlich hätte er sich melden können, aber er hatte befürchtet, dass, wenn er anrufen würde, er nur etwas zu hören bekam, was er nicht hören wollte. Klar war das feige, aber immerhin begründet feige!

Mit jedem Tag, der seit dem Konzert vergangen war, war auch Uruhas Stimmung immer tiefer gesunken. Mit jedem Tag, den er Aoi nicht gesehen und nicht gesprochen hatte.

Er fühlte sich wie ein verstoßener Hund und er kam sich dumm vor, weil er trotzdem darauf hoffte Aoi zu sehen. Immer, wenn er aus dem Haus gegangen war, hatte er sich vorgestellt, wie er Aoi zufällig irgendwo über den Weg laufen würde. Immer, wenn sein Anrufbeantworter ihm eine Nachricht angezeigt hatte, hatte er gehofft, Aois Stimme zu hören. Und jedes Mal hatte er gewusst, dass das total bescheuert war.

Am liebsten hätte er sich in einem Erdloch verkrochen und alles vergessen, aber das ging nicht. Leider gab es Dinge, vor denen man nicht flüchten konnte. Und vor denen er eigentlich auch gar nicht flüchten wollte.

Grade weil er wusste, dass er Aoi heute sehen würde, fühlte er sich noch schlechter und gleichzeitig erfüllte ihn auch große Vorfreude. Es war ihm egal, ob Aoi ihn ignorieren würde, oder nicht. Ob er normal war, oder anders. Ihn zu sehen war das einzige, was er wollte und das war irgendwie erbärmlich. Er seufzte genervt. So total bescheuert war es ihm noch niemals zuvor ergangen.

Wieder ging die Tür auf, und da war er. Uruhas Herz stockte und das leichte Kribbeln in seinem Magen trat einen Siegeszug durch seinen ganzen Körper an.

Aoi blieb in der Tür stehen, als ihre Blicke sich trafen. Millisekunden wurden zu Minuten und dann sah er weg. „Morgen, Leute. Tut mir leid, dass ich zu spät bin“

„Ist doch egal! Lasst uns endlich anfangen!“, murrte Reita von seiner Couch und alle machten sich startklar.

Kai gab den Takt vor und Uruha versuchte sich zu konzentrieren. 1, 2, 3. Er spielte einen Akkord an und erntete einen bösen Blick von Ruki. Verdammt, das war nicht sein Einsatz gewesen. Er zuckte entschuldigend mit den Schultern und versuchte es erneut. Dieses Mal klappte es, zum Glück. Uruha warf Aoi einen Blick zu, der genau im gleichen Moment auch ihn ansah und sie hörten Ruki bösartig knurren. „Dein Einsatz!“, sagte er zu Aoi, der schnell wegsah. „Sorry“

Uruha sah auf den Boden. Wenigstens das Thema „normal“, konnte er abhaken. Aoi war sicher nicht normal. „Normal“ war „cool“, und das grade eben war eher verstört gewesen. Er wüsste zu gern, was in Aois Kopf vorging. Hasste er ihn jetzt vielleicht? Eigentlich dürfte das nicht sein, immerhin hatte er nur getan, was Aoi gewollte hatte.

Vielleicht war es auch der altbekannte Ekel vor sich selbst, der Aoi ergriffen hatte. Iih, ich hab einen Jungen geküsst und das auch noch freiwillig. Ich bin krank! Dem war Uruha schon früher begegnet und damals hatte es ihn nicht sonderlich gestört. Hatte er den Typen eben vergessen. Nur das war im Falle Aoi nicht so einfach. Aber eigentlich schätzte er Aoi auch gar nicht so ein. Sicher war er sich trotzdem nicht.

„Oke Leute, noch mal von vorne!“, sagte Kai munter. Doch auch beim nächsten Mal lief es nicht viel besser und auch das Mal danach nicht. Nach dem sechsten Versuch, der sie immer noch nicht über den ersten Refrain hinaus gebracht hatte, war die Geduld aller reichlich strapaziert.

„Was ist denn heute los mit euch? Seid ihr nicht ausgeschlafen?“, fragte Kai irgendwann und auch er klang nicht mehr so fröhlich, wie zum Beginn der Bandprobe.

„Ich glaube wir können jetzt alle einen Kaffee vertragen!“, entgegnete Ruki genervt und ließ sich auf einen Verstärker sinken.

„Ich hol welchen!“, sagte Aoi schnell. Er legte seine Gitarre ab und sah erwartungsvoll in die Runde. „Ähm, was wollt ihr?“

„Cappuccino“, seufzte Ruki.

Uruha musterte Aoi, der eifrig nickte, während Kai einen Latte Macchiato bestellte. Einen Moment fragte er sich, ob Aoi ihn wohl ansehen würde, doch als Reita verkündete, dass ihm egal sei, was er bekam, kam ihm eine andere Idee.

„Ich komm auch mit! Dann kann ich gucken, was die da so haben“, sagte er und legte ebenfalls seine Gitarre ab. Aoi sah ihn kurz an und dann schnell wieder weg.

Also schämte er sich jetzt doch. Na super. Aber selbst wenn das so war, er musste mit ihm darüber reden, sonst würde es ab jetzt immer so bei den Proben laufen und dann konnten sie ihre Musikkarriere gleich an den Nagel hängen.

Schweigend gingen sie den Gang entlang zu den Fahrstühlen. Zum Glück lief keine Fahrstuhlmusik, die konnte Uruha nicht ausstehen. So fröhlich, jazziges Gedudel hätte auch einfach nicht gepasst. Aber dann wäre die Stille vielleicht nicht so drückend gewesen.

Er betrachtete Aois Miene im Spiegel, der ihnen gegenüber angebracht war und versuchte daraus schlau zu werden.

„Und wie war dein Wochenende so?“, fragte er leichthin, um die Stille zu brechen.

„Ganz okay“, sagte Aoi, ohne aufzusehen. Uruha seufzte und starrte auch auf den Boden.

„Wir können Reita ja einen Milchkaffee mitbringen, oder einen Kakao!“, schlug er plötzlich lachend vor und endlich sah Aoi ihn an.

„Ich glaube dann ist sein Geduldsfaden aber mehr als überstrapaziert“, entgegnete Aoi und grinste dann, „Das machen wir“

Der Fahrstuhl kam im Erdgeschoss an, sie verließen das Gebäude und überquerten die Straße. Das kleine Café war voller Menschen in Büroklamotten, die sich alle etwas für ihre Frühstückspause holen wollten. Aoi drängelte sich zur Kasse durch und bestellte den Kaffee für die Band.

„Lass mich Reita doch wenigstens so einen pinken Donut kaufen!“, feixte Uruha, als der andere einen normalen Kaffee für den Bassisten bestellte, doch Aoi grinste nur.

Vielleicht war es ja doch einfacher als Uruha gedacht hatte, die Sache zu vergessen. Natürlich war es nicht leicht für ihn, aber wenn Aoi es so besser ging konnte er durchaus so tun, als wäre alles normal. Zumindest konnte er es versuchen.

Sie waren wieder beim Fahrstuhl angekommen und Aoi sah nicht mehr auf den Boden, als sich die Türen hinter ihnen schlossen. Schon das, fand Uruha, war ein Fortschritt.

„Ach, Mist!“

Uruha sah den anderen fragend an. Er hatte nicht bemerkt, dass Aoi das Tablett so schief gehalten hatte, dass etwas Kaffe aus einem der Becher über sein Sweatshirt gelaufen war.

„Das hab ich ja wieder toll gemacht“, murrte Aoi, während er das Tablett auf den Boden stellte und missmutig den Fleck auf seiner Brust begutachtete.

„Warte, ich hab ein Taschentuch …“

Uruha zückte eine Packung Papiertaschentücher, entfaltete eins und fing an den Kaffee von Aois Klamotten zu wischen. Er spürte, wie sich Aoi versteifte und ließ langsam seine Hand sinken. Darüber hatte er nicht nachgedacht. Natürlich war Körperkontakt tabu!

„Entschuldige“, sagte er leise, als er von Aois Brust aufsah. Ihre Blicke trafen sich und Uruha schluckte. Sein Magen kribbelte wie verrückt und sein Herz raste auf Hochtouren. Es war einfach unmöglich wegzusehen. Es war unmöglich ihm nicht näher zu kommen.

Uruha schloss die Augen, als sich ihre Lippen trafen. Er wusste nicht was falsch oder was richtig war, als er Aoi küsste, er wusste nur, dass er nicht anders konnte. Plötzlich spürte er, wie sich Aois Arme um seinen Nacken schlossen und er den Kuss vertiefte. Uruha keuchte leise, schlag seine Arme um den anderen und zog ihn näher an sich. Uruha spürte, wie er mit dem Rücken gegen die Wand des Fahrstuhls knallte, aber das kümmerte ihn nicht. Er nahm nichts wahr, außer Aois Körper, seine Lippen, die heißen Küsse, die von ihm ausgingen.

Keuchend löste Uruha den Kuss und sah Aoi durchdringend an. Noch immer hatte er seine Arme um dessen Hüfte liegen.

„Warum hast du nicht angerufen?“, fragte Uruha leise. Er spürte Aois warmen Atem gegen sein Gesicht schlagen und ein Schauer durchlief ihn. Schon wieder so eine unwirkliche Situation.

„Warum hast du nicht angerufen?“, entgegnete Aoi und Uruha lächelte.

„Ich wollte dich nicht einengen …“, sagte Uruha leise, „Ich wollte nicht, dass du das Gefühl hast, du hättest dich zu was verpflichtet oder so … obwohl es dir unangenehm ist … so im Nachhinein.“

Aoi schüttelte leicht den Kopf und löste sich von ihm. „Ich hatte auch … Angst …“, sagte er und lehnte sich neben ihm gegen die Wand des Fahrstuhls.

Uruha seufzte. Er konnte sich vorstellen, wovor Aoi Angst hatte. Wovor alle Hetero-Kerle Angst hatten. Mit einem Mann zusammen zu sein.

Aoi sah ihn prüfend an. „Nicht was du denkst!“, sagte er und Uruha warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Ich hatte Angst, na ja, dass du nicht so empfindest, wie ich … und, dass ich mich blamiere, wenn ich bei dir aufkreuze und sage, ich hätte mich in dich verliebt …“

Uruha starrte den anderen an, der da so lässig stand und einfach solche Sachen sagte, die ihn total aus der Fassung brachten. Er hatte doch tatsächlich Gefühle für ihn. Das war so seltsam. Uruhas Herz raste, als er leise lachte vor Glück.

„Man, sind wir dumm …“, sagte er leise.

„Scheint so …“, stimmte ihm Aoi zu. In diesem Moment gab der Fahrstuhl ein leises Pling von sich und die Türen öffneten sich. Aoi hob das Tablett wieder auf und wollte grade den Flur betreten, als Uruha nach seinem Handgelenk griff.

„Ich hätte dich nicht geküsst, wenn ich nicht auch etwas für dich empfinden würde.“

Uruhas Herz raste, während er darauf wartete, was Aoi dazu zu sagen hatte. Der sah ihn einen kurzen Moment an, dann lächelte er und beugte sich vor.

„Gut“ flüsterte er, ehe er ihm noch einen kurzen Kuss gab und dann den Gang in Richtung Probenraum entlang ging.
 

Die restliche Probe lief relativ gut ab und Kai schien zufrieden, als er ihnen nach zwei Stunden einen schönen Tag wünschte. Uruha packte seine Sachen extra langsam zusammen, um Aoi dabei im Blick zu haben, der grade noch mit Ruki diskutierte.

Es war einfach unvorstellbar. Sollte er wirklich so ein Glück haben?

Uruha konnte einfach nicht mehr aufhören zu grinsen, als er seine Gitarre schulterte und langsam auf die Tür zuging.

„Ciao!“, sagte er laut und lächelte Aoi zu, der kurz die Brauen hochzog.

„Ähm, bis demnächst, Ruki!“, hörte er Aois Stimme, als er die Tür hinter sich schloss und nur Sekunden später stand Aoi vor ihm. Er sah überrascht aus, lächelte aber dann.

„Nimmst du mich mit?“, fragte er, obwohl er wusste, dass das gar nicht mehr nötig gewesen wäre.

Die Parkbucht vor Aois Haus war frei, als Uruha einparkte und das Radio ausstellte.

Aoi warf ihm einen kurzen Blick zu. „Also dann, bis Mo …“ Aoi hatte nach der Türklinke gegriffen, war aber in der Bewegung erstarrt, als Uruha sich zu ihm rüber beugte und ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zog. Er wollte ihn einfach nicht so schnell gehen lassen. Aois Hände glitten über seinen Rücken und ließen ihn angenehm erschaudern, während er mit seinen schwarzen Haaren spielte.

„Also eins muss ich sagen, …“, meinte Aoi, als sie sich voneinander getrennt hatten, „ich bin echt froh, dass das schon mal so gut klappt“

Uruha lachte. „Na was hast du denn gedacht?“, fragte er und dann, ohne auf Antwort zu warten, küsste ihn noch einmal. Einfach weil er es konnte und das zu wissen war ein verdammt gutes Gefühl. Verliebt sein war einfach super!

Irgendwann ließ er es zu, dass Aoi sich von ihm verabschiedete, aus seinem Auto ausstieg und in seiner Wohnung verschwand, bevor zu viele Passanten auf sie aufmerksam wurden.

Als Uruha den Heimweg antrat, fühlte er sich einfach nur gut. Nie hätte er gedacht, dass seine Schwestern mal recht haben würden, aber sie hatten recht gehabt.

Es war anders, als alles vorher und es war perfekt. Wenn er jetzt darüber nachdachte, dass er das, was er vorher mit Aoi gehabt hatte, dem hier hatte vorziehen wollen, kam ihm das einfach nur lächerlich vor.

Er summte fröhlich vor sich hin, als er seine Wohnung aufschloss und seine Sachen einfach im Flur fallen ließ. Auf dem Weg in die Küche fiel sein Blick auf den Anrufbeantworter, der fleißig blinkte. Uruha drückte auf „Play“ und machte sich dann auf den Weg seinen Kühlschrank zu durchwühlen.

„Hallo Brüderchen!“, erklang die Stimme seiner älteren Schwester, aber nicht einmal das konnte seine Laune verderben. „Ich hab eine riesige Bitte an dich! Ruf mich zurück! Küsschen!“

Ein lauter Piepton erklang und Uruha fragte sich, ob der Yoghurt, den er grad gefunden hatte, wohl noch gut war.

„Ähm, hey, ich bin’s …“ Uruha hielt in der Bewegung inne, als er Aois Stimme erkannte. Er stellte den Yoghurt zurück in den Kühlschrank und hielt die Luft an, um nichts zu verpassen.

„Ich weiß, das ist jetzt total albern und du darfst mich auch auslachen, aber... ich hab mal ne Frage... Sind wir jetzt zusammen?“

Es piepte wieder und Uruha konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mochte es peinlich sein, wie es wollte, Uruha fand es einfach nur unglaublich niedlich. Immer noch grinsend schnappte er sich sein Telefon und wählte Aois Nummer.

„Hallo?“

„Und ich hab eine Antwort“, sagte er gut gelaunt, „Ja!“

A different thing

„Warte, warte, warte!“, sagte Uruha hektisch und griff nach Aois Handgelenkt, bevor der die Wohnungstür erreicht hatte.

„Was?“, fragte der Schwarzhaarige verwirrt, drehte sich zum anderen um, und als er das Funkeln in dessen Augen sah, wurde sein Blick spöttisch.

„Das ist nicht dein Ernst?! Knutschen im Treppenhaus kann ich ja noch ansatzweise nachvollziehen, aber wir sind fast in deiner Wohnung! Kannst du die zwei Schritte nicht noch warten?“

Uruha lachte ein leises, irgendwie schmutziges, Lachen, als er noch einen Schritt auf Aoi zuging und ihm einen Kuss auf die Lippen hauchte. „Ich krieg eben nicht genug von dir“, flüsterte er und sah mit Genugtuung, wie sich eine Spur rot auf Aois Wangen zeigte. Es gefiel ihm zu gut, wenn Aoi so auf ihn reagierte.

Der Brünette grinste breit und sagte dann lässig: „Aber darum ging es mir gar nicht“, ging an Aoi vorbei und zog den anderen die letzten Schritte bis zu seiner Wohnungstür mit.

„Was du wieder von mir denkst!“, ergänzte er empört, als er die Tür aufschloss und Aoi zog vielsagend die Augenbrauen hoch.

„Bereit?“, fragte Uruha dann, wieder grinsend, drehte sich um und stellte sich mit dem Rücken zur Tür, um Aoi erwartungsvoll ansehen zu können.

Aois Blick war eher zweifelnd. „Wofür? Ich war schon tausendmal in deiner Wohnung!“, erinnerte er ihn und Uruha seufzte kurz, um dann einen gewichtigen Gesichtsausdruck aufzusetzen.

„Ja! Als ein Freund, aber nicht als mein Freund!“, meinte er und wieder legte Aoi zweifelnd seine Stirn in Falten.

„Das macht doch keinen Unterschied“, entgegnete er, „Warum machst du da nur so einen Aufstand von?“

Uruha riss entrüstet den Mund auf, um dann wieder sein schmutziges Grinsen aufzusetzen. Er griff nach Aois Jacke und zog ihn langsam näher zu sich. „Natürlich macht das einen Unterschied“, sagte er schnurrend und zog den anderen noch ein Stück näher, bis sich fast ihre Nasenspitzen berührten, „Bekannte Wohnung, in neuen Perspektiven …“

Aoi sah ihn noch immer verständnislos an und Uruha lachte vergnügt. „Na, weil du ab jetzt viel mehr Zeit im Liegen verbringen wirst …“

Sein leises Schnurren war in ein Flüstern übergegangen, und Aoi war schon wieder rot geworden, was Uruha zufrieden grinsen ließ. Uruha brachte den anderen gerne in Situationen, die ihm peinlich waren. Es war so niedlich, wenn er rot wurde.

„Außerdem …“, sagte er dann wieder lauter, dreht sich um und öffnete die Tür, „… gefällt mir der Gedanke, dass du jetzt nur noch mir gehörst.“

Aoi blieb einen Moment verwirrt in der Tür stehen, während Uruha schon zur Garderobe ging und seine Straßenschuhe gegen Hausschuhe eintauschte. Es dauerte einen Moment, ehe der Schwarzhaarige ebenfalls die Wohnung betrat und die Tür hinter sich zufallen ließ. Er kam langsam auf Uruha zu, lehnte sich neben ihm an die Wand und sah ihn jetzt ebenfalls grinsend an.

„Ach, ist das so?“, fragte er, während er seinen Freund dabei beobachtete, wie der auch für ihn Hausschuhe aus einer Schublade holte.

„Ja, so ist das!“, antwortete Uruha, als er ihm die Latschen hinstellte. Grade, als er sich umdrehen und ins Wohnzimmer gehen wollte, packte Aoi ihn an der Hüfte und zog ihn an sich.

„He!“, sagte Uruha lachend, aber der andere überging seinen Protest einfach.

„Gehörst du dann auch nur mir?“, fragte er schmunzelnd und Uruha ließ es zu, dass er ihn sanft küsste.

„Hmm …“, machte er dann, hauchte ihm noch einen Kuss auf die Lippen und befreite sich aus seinem Griff, „Das muss ich mir noch mal überlegen“, entgegnete er dann feixend und verschwand in sein Wohnzimmer.

„Hey!“, hörte er Aois Stimme aus dem Flur und fing an zu lachen, als er sich schwungvoll aufs Sofa fallen ließ und erwartungsvoll zur Tür sah.

Es dauerte nicht lange, bis Aoi sie öffnete. Er ging die wenigen Schritte bis zum Sofa und blieb dann unsicher davor stehen. Uruha versuchte es, aber er konnte einfach nicht aufhören zu grinsen. Aoi in seinem Wohnzimmer war kein seltener Anblick, aber trotzdem war es ganz anders als sonst. Grade weil Aoi sich nicht einfach neben ihn aufs Sofa fallen ließ, so wie sonst, sondern vor ihm stand und ihn mit Augen ansah die sagten: Sag mir, was ich jetzt machen soll.

„Worauf wartest du?“, fragte Uruha den anderen, um ihn dazu zu bringen sich zu bewegen.

Aoi zuckte kurz die Schultern, bewegte sich aber kein Stück. Uruha sah ihn mit hochgezogenen Brauen an, bislang war Aoi doch auch nicht grade schüchtern gewesen.

Geduld gehörte nicht unbedingt zu Uruhas Stärken, also streckte er seine Beine aus und schlang sie auf Kniehöhe um Aoi, der daraufhin nach vorne kippte und sich mit den Händen auf der Rückenlehne abfangen musste, um nicht auf ihn zu fallen. Der Brünette grinste ihn neckisch an, als er sich neben ihn auf das Sofa fallen ließ.

Aois rechter Arm lag hinter ihm auf der Sofalehne und er lehnte seinen Kopf daran an, während er etwas näher rutschte. Der Schwarzhaarige beobachtete ihn aufmerksam, während in seinen Augen eine Mischung aus Unsicherheit und Interesse glitzerte. Langsam ließ Uruha seine Lippen auf Aois Schlüsselbein sinken und bemerkte entzückt, wie den anderen bei dieser Berührung ein Schauer durchlief. Er arbeite sich stetig mit kleinen Küssen am Hals des anderen empor, während seine Hände leicht über Aois Oberkörper glitten.

„Ähm, du?“, begann Aoi plötzlich. Seine Stimme war heiser. Uruha löste sich von seinem Hals und sah ihn erwartungsvoll an, „Was genau meintest du vorhin mit “Zeit im Liegen verbringen“?“

Uruha biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen, weil Aois Gesichtsausdruck deutlich machte, dass er seine Frage ernst meinte. Er schluckte einen bissigen Scherz herunter, um Aoi nicht total zu verunsichern, und küsste ihn stattdessen. Erst nur ganz leicht, doch dann schnappte er sich seine Schultern und schubste ihn rücklings in die Kissen. Obwohl der “Überraschungsangriff“ ihn etwas verwirrt zu haben schien, hielt Aoi sich nicht zurück Uruhas stürmischen Kuss zu erwidern.

Uruhas Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, ehe er den Kuss löste. „Das meinte ich damit!“, sagte er. Aoi lächelte unsicher. Wie konnte er nur so unglaublich niedlich und gleichzeitig so unverschämt heiß aussehen?

Er beugte sich wieder runter, um den Schwarzhaarigen weiter zu küssen und verlagerte etwas sein Gewicht, um nicht komplett auf dem anderen zu liegen. Immerhin wollte er ja nicht, dass ihm beim Knutschen zu früh die Luft ausging.

Uruha spürte, wie sich Aois Hand langsam auf seinen Rücken legte und dann begann sich vorsichtig aufwärts zu tasten, als müsste er erst einmal testen, ob ihn da keine Überraschungen erwarteten. Die Hand blieb auf seinem Schulterblatt liegen und jagte ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken, während sie wieder hinunter glitt. Uruha konnte nicht anders, er lehnte sich auf einen Arm und fuhr mit der freien Hand langsam über Aois Oberkörper nach unten, bis er spürte, wie sich der Bund von Aois Hose unter seinen Fingerspitzen abzeichnete. Aoi bewegte sich etwas, was Uruha dazu brachte sofort inne zu halten. Er löste seine Lippen von denen des anderen und ließ sie über seinen Hals gleiten. Jedem anderen hätte er jetzt sofort die Klamotten vom Leib gerissen, aber er war sich nicht sicher, ob Aoi schon so weit war. Wahrscheinlich nicht, darum wollte er ihn lieber nicht überfordern. Es fiel Uruha zwar mehr als schwer, sich zurückzuhalten, aber das würde er schon schaffen. So lange, bis Aoi es auch wollte. Er hoffte nur, dass das nicht mehr all zu lange dauern würde!

Uruha löste sich von Aois Hals und betrachtete den anderen, der ihn gespannt ansah. Der Brünette musste bei diesem Anblick schon wieder grinsen und drückte seinem Freund einen sanften Kuss auf die Lippen.

„Du bist echt verdammt niedlich, weißt du das?“, flüsterte er dem anderen zu, der ihn daraufhin entsetzt anstarrte.

„Ich bin doch nicht … niedlich!“, entrüstete sich Aoi und Uruha schmunzelte.

„Doch, klar bist du das!“

Aoi kniff leicht die Augen zusammen, dann griff er mit einem Arm um Uruhas Hüfte und im nächsten Moment lag der Brünette mit dem Rücken auf dem Sofa und Aoi grinste ihn von oben an. Uruha fragte sich einen Moment, wie der andere das geschafft hatte, ohne dass sie beide auf dem Boden gelandet waren, doch lange Zeit darüber nachzudenken hatte er nicht, weil Aoi ihn schon wieder stürmisch küsste.

Uruha konnte nicht anders als etwas zu schmunzeln; Aoi legte sich richtig ins Zeug um ihn davon zu überzeugen, dass er nicht niedlich war. Aber das würde er eh nicht schaffen.

Er legte seine Hände auf Aois Rücken und ließ sie dann unter den Stoff und über die weiche Haut darunter gleiten. Daran könnte er sich wirklich gewöhnen. Langsam ließ er die Hände tiefer gleiten, bis er wieder an Aois Hosenbund ankam, doch diesmal stoppte er da nicht. Er fuhr weiter über den rauen Stoff und platzierte seine Hände genau auf Aois Hintern, was diesen anscheinend total aus dem Konzept brachte.

Aoi zuckte zusammen, löste sich von ihm und wurde rot. Uruha lachte zufrieden. „Siehst du, du bist doch niedlich!“

Der Schwarzhaarige grummelte leise und machte Anstalten aufzustehen, doch Uruha zog ihn wieder neben sich und schlang besitzergreifend die Arme um ihn. Sie langen eine Zeit nur schweigend da, während Aois Finger kleine Strähnen in Uruhas Haare drehten. Ob unbewusst, oder nicht, da war sich der Brünette nicht so sicher, aber das war auch egal. Es hatte sich noch nie so gut angefühlt mit jemandem auf einem Sofa zu liegen und ihn einfach nur so zu umarmen.

„Findest du das eigentlich ein bisschen seltsam, oder so?“, fragte Uruha plötzlich interessiert den anderen, der kurz aufhörte mit seinen Haaren zu spielen und ihn ansah. „Hmm, was?“

„Naja … hier mit mir zu liegen, oder mich zu küssen …“, sagte er grinsend und Aois Kopf sankt wieder auf seine Schulter. „… oder meine Frisur zu ruinieren!“, fügte er sarkastisch hinzu, als Aoi wieder begann seine Haare zwischen den Fingern zu drehen und er hörte, wie der Schwarzhaarige leise lachte.

„Eigentlich nicht. Wenn überhaupt nur ein ganz kleines bisschen …“, antwortete er nachdenklich, „…,ich lieg gerne hier mit dir und ruinier deine Frisur.“

„Gut!“, lachte Uruha. Ein wohliges Gefühl machte sich in seinem Bauch breit. Konnte man vor Glück platzen?

„Es ist ja auch nicht so … als hätte ich mir das vorher noch nie vorgestellt …“, meinte Aoi auf einmal.

„Wie jetzt?“, Uruha starrte das, was er vom anderen sehen konnte, überrascht an.

Er sah, dass Aoi ein verschmitztes Grinsen aufsetzte. „Naja, es hat schon eine Zeit gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, dass mir die Vorstellung gefällt … mit dir …“

Uruha spürte, wie das wohlige Gefühl, in seinem Bauch, zu einem intensiven Kribbeln wurde, das sich auch in tiefer gelegene Regionen ausbreitete und er schluckte. “Mit dir …“ was? Was genau hatte Aoi damit gemeint? Er versuchte sich zu ermahnen, dass das sicher nicht das war, an was er gedacht hatte, aber er fand sich nicht wirklich überzeugend.

„Und wie lange bin ich schon der Traum deiner schlaflosen Nächte?“, stichelte er mit klopfendem Herzen, doch Aoi grinste nur und rutschte etwas höher, um ihn zu küssen.

„Och wer weiß …“, sagte er leise und Uruha biss sich auf die Unterlippe.

Plötzlich spürte er Aois Bein, dass zwischen seinen lag, nur all zu deutlich. Oh, oh!

„Ich hab eine Idee!“, sagte er eilig und schob Aoi sanft von sich runter, um aufstehen zu können. „Wie wär’s, wenn wir ausgehen?“

Aoi zog eine Augenbraue hoch und sah ihn zweifelnd an. „Hab ich denn eine Wahl?“

Uruha überlegte kurz und grinste dann. „Eigentlich nicht!“

„Das habe ich befürchtet …“

Der Brünette lachte, packte seinen Freund am Handgelenk und zog ihn auf die Beine. „Ich zeig dir einen meiner Lieblingsclubs!“, verkündete er strahlend und Aoi stöhnte wenig begeistert.

„Ist es, was ich denke, das es ist?“, fragte er, was Uruha nur mit einem Grinsen beantwortete.

Er sah an sich herunter, verzog den Mund und zog Aoi dann in Richtung Schlafzimmer. „Aber vorher muss ich mir noch was anderes anziehen und mich etwas chic machen. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren!“

Aoi blieb Augenblicklich wie angewurzelt stehen und Uruha sah ihn verwirrt an.

„Umziehen?“, war das einzige, was der Schwarzhaarige hervorbrachte.

„Ja umziehen! Ich kann da nicht in T-Shirt und abgetragener Jeans aufkreuzen, das geht …“, begann Uruha, doch dann ging ihm plötzlich ein Licht auf und er fing wieder an zu grinsen.

„Du hast mich doch schon oft in Unterwäsche gesehen“, sagte er schnurrend, während er einen Schritt auf Aoi zutrat, der schon wieder dabei war rot zu werden.

Aoi sah ihn fast panisch an und kaute nervös auf seinem Lippenpiercing. „Aber da … waren wir noch nicht … ich meine … da fand ich dich noch nicht …“

Uruha lachte leise, als der andere nervös schluckte und undeutlich zwischen ihnen hin und herzeigte. Vielleicht würde er ja wirklich nicht mehr lange warten müssen. Sobald Aoi seine Hemmungen verloren hatte … und dass er sie verlor, dafür würde er schon sorgen. Und am besten fing er gleich damit an.

Er ließ eine Hand über Aois Oberkörper gleiten und küsste ihn verführerisch.

„Das macht doch keinen Unterschied … hast du selbst gesagt“, flüsterte er dem anderen ins Ohr, der ihm daraufhin einen bösen Blick zuwarf.

„Gut, vielleicht macht es doch einen Unterschied …“, räumte Aoi murrend ein, was Uruha nur wieder zum Lachen brachte.

Aber das bedeutete bestimmt nicht, dass er ihn jetzt vom Haken ließ. Jetzt erst recht.

„Das werden wir gleich sehen!“, sagte er heiter, griff Aois Handgelenk noch fester und zog ihn in sein Schlafzimmer.

Ain’t no other man but you

Aois Herz schlug so laut gegen seinen Brustkorb, dass er sich sicher war, dass Uruha es hören musste, als er hinter ihm das Schlafzimmer betrat. Der Brünette machte das Licht an, das ein kleines weißes Sofa mit passenden Sesseln, drei riesige Kleiderschränke und ein großes Bett erleuchtete. Aois Blick blieb am Bett hängen und er schluckte. Er war noch nie in Uruhas Schlafzimmer gewesen, soweit er sich erinnern konnte.

Er spürte, wie Uruhas Hände gegen seinen Rücken drückten und er bewegte sich langsam vorwärts, bis er vor besagtem Bett stand und wie gebannt die blaue Satinbettwäsche anstarrte.

„Setz dich, die Show geht gleich los!“, hörte er Uruhas Stimme und sah den anderen an, der schon vor den Kleiderschränken stand und die Türen aufriss, hinter denen Massen an Hemden, Hosen und was das Herz sonst noch so begehrte, zum Vorschein kamen.

Show? Na super, er war ja nicht auch so schon total nervös. Er wusste nicht wirklich woran es lag, dass Uruha ihn so nervös machte. Nur weil er ein Mann war und keine Frau? Weil es ihn verwirrte, wie sein Körper auf Uruha reagierte? Oder, weil diese ganze Situation irgendwie neu für ihn war?

Er schluckte. Wahrscheinlich war es eher das.

Langsam ließ er sich auf das Fußende des Bettes sinken, damit er es nicht länger anstarren konnte, als würde es ihn gleich auffressen. Der Stoff war kühl und glatt unter seinen Handflächen, es war sicher angenehm darin zu schlafen…

Aoi musste bei diesem Gedanken fast lächeln. Dass er so etwas überhaupt dachte, und dass es ihn nicht störte, dass er das dachte, war irgendwie seltsam.

„Rot, blau oder schwarz?“

Aoi sah auf und musterte die Hemden, die Uruha hochhielt. Sie waren allesamt aus dem gleichen Stoff, wie die Bettwäsche und schimmerten leicht im Licht. Sicher fühlten sie sich genau so gut an, wie der Stoff unter seinen Fingern.

„Äh, rot“, sagte er und deutete auf das dunkelrote Hemd in der Mitte. Uruha grinste und warf das ausgewählte Hemd über den nächsten Sessel.

„Jetzt noch eine Hose … schwarz …“, murmelte der Brünette vor sich hin, während er die Nase wieder tief in den Kleiderschrank steckte.

Aoi betrachtete den anderen verstohlen. Ab und zu zeichneten sich seine Schulterblätter unter dem weißen Stoff seines T-Shirts ab und wenn er sich streckte, um etwas aus dem obersten Fach zu holen, rutschte das Hemd so weit hoch, dass etwas Haut zu sehen war.

Uruha warf eine schwarze Hose und einen passenden Gürtel auf den Sessel und schloss den Schrank wieder. Ein schmutziges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und Aoi spürte, wie sein Herz, in Erwartung dessen, was da kommen würde, wieder zu rasen begann.

Uruhas Hände legten sich auf den Saum seines Shirts und dann begann er langsam es Zentimeter für Zentimeter hochzuziehen. Als sein Bauch vollständig zu sehen war, zog er es mit einem Ruck über den Kopf und ließ es neben sich auf den Boden fallen. Aoi schluckte, während sein Blick an Uruhas Oberkörper klebte. Es war ihm peinlich, wie er den anderen anstarrte, aber wegsehen konnte und wollte er auch nicht.

„Willst du auch mal?“, fragte Uruha mit diesem leisen Schnurren in der Stimme, das Aoi jedes Mal einen Schauer über den Rücken trieb. Er riss die Augen auf, als Uruha auf seinen Gürtel deutete und er starrte den anderen unsicher an, der nur verschmitzt grinste.

Er saß einfach nur da und sah den anderen an, er konnte einfach nicht darauf reagieren. Sein Gehirn hatte wohl das Arbeiten eingestellt.

Uruha zuckte nur die Schulter, als er keine Antwort bekam, und griff selbst nach der Schnalle seines Gürtels. „Dann nicht!“, meinte er leise.

Seine Finger zogen den Gürtel aus der Schnalle, öffneten den Knopf und den Reißverschluss seiner Hose, die Sekunden später neben dem T-Shirt auf dem Boden lag.

Ja, er hatte Uruha schon “nur in Unterwäsche“ gesehen, aber da hatte er sich nicht so gefühlt wie jetzt, ganz und gar nicht!

Der Brünette griff nach dem roten Hemd und zog es über, was Aoi, wie er feststellen musste, irgendwie bedauerlich fand. Langsam schloss sich ein Knopf nach dem anderen und verdeckte den Anblick von Uruhas schlankem Oberkörper.

„Eigentlich …“, meinte Uruha plötzlich und sah ihn an, „musst du dir auch noch was chices anziehen …“

„Nein, das muss wirklich nicht sein …“, meinte Aoi und sah ihn zweifelnd an, doch Uruha störte sich nicht daran. Er zog ein schwarzes Oberteil aus dem Schrank, setzte ein schmutziges Lächeln auf und schlich langsam auf ihn zu, wie eine Katze auf Beutefang. Das Oberteil glitt neben ihm aufs Bett, doch das bemerkte Aoi gar nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, dass Uruha sich breitbeinig auf seinen Schoß gesetzt hatte und nun anfing an seinem Ohr zu knabbern.

Mehr als deutlich spürte er, wie sich ein bestimmtes Kribbeln in seinem Unterleib breitmachte und er konnte ein schwaches Seufzen nicht unterdrücken, als Uruhas Zunge über seinen Hals glitt. Er spürte nur undeutlich, dass die Finger des anderen unter seinen Pullover glitten und ihn langsam hochschoben. Uruhas Lippen verschwanden von seinem Hals und er sah noch, wie er grinste, als er ihm den Pullover über den Kopf zog. Kaum lag auch dieser auf dem Boden, lagen Uruhas verführerische Lippen schon wieder auf seinem Mund und seine Hände zeichneten sanft Muster auf seinem, jetzt nackten, Rücken.

Aois Atmung ging schwer, während er total mit dem Gefühl in seinem Unterleib beschäftigt war, das immer intensiver wurde. Er schloss kurz die Augen, als Uruha den Kuss löste, um ihm das neue Oberteil über den Kopf zu ziehen.

„Siehst du, war doch gar nicht so schlimm, oder?“, fragte Uruha grinsend und Aoi schüttelte leicht benommen den Kopf. So angezogen zu werden, war sicher alles andere als schlimm.

Der Brünette küsste ihn erneut und plötzlich wurde ihm wieder klar, worauf sie hier grade saßen und in wessen Haus sie waren und … was dieser jemand sicher immer vorrätig im Nachttischschränkchen hatte.

„Uruha?“

„Hmm?“, machte der andere, während er schon wieder an Aois Ohrläppchen knabberte.

„Wollten wir nicht weg?“

„Hmm …“

„Solltest du … dir dann nicht … vielleicht eine Hose anziehen?“, Er wusste, dass seine Stimme heiser klang, aber Uruha hatte sicher sowieso schon gemerkt, was sich bei ihm so alles regte.

Uruha ließ von seinem Ohr ab und grinste ihn neckisch an. „Mache ich dich nervös?“

„Das weißt du doch“, sagte Aoi schlicht und sah dem anderen dabei unentwegt in die Augen.

Der Brünette musterte ihn noch einen Moment, dann nickte er, stand auf und ging zu dem Sessel mit seiner Hose.

Eine gefühlte Stunde, nachdem Uruha erst sich und dann Aoi, wider Willen, gestylt hatte, saßen sie in Uruhas Auto und fuhren in die Innenstadt in eine Gegend, in der Aoi bislang noch nicht gewesen war. Aus einem bestimmten Grund.

„Ich wusste es!“, sagte er niedergeschlagen, als sie vor einem Club mit leuchtendem Neonschild parkten.

Uruha lächelte unschuldig und küsste ihn kurz. „Das wird lustig, glaub mir!“

Davon war Aoi nicht so überzeugt, was man ihm auch deutlich ansehen konnte. Sein Freund lehnte sich zu ihm rüber, bis er ihm ins Ohr flüstern konnte. „Und hier kann ich dir wenigstens beim Tanzen an deinen hübschen Hintern packen, ohne dass einer blöd guckt …“

Aois Herz fing an zu rasen und er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg.

Uruha stieg aus und er folgte ihm, über den Bürgersteig in den Club, auch, wenn er immer noch wenig begeistert davon war.

Die Musik war laut, die Luft schlecht und er fragte sich, warum er die Sache in Uruhas Schlafzimmer abgebrochen hatte, um dann hier zu landen.

Aoi sah sich um, bis sein Blick auf ein knutschendes Männerpaar fiel und er schnell wieder wegsah. Das war seltsam. Mit Uruha konnte er sich das vorstellen, aber mit keinem anderen Mann. Woran das wohl lag? Und, ob sich das wohl noch änderte? Er wollte nicht, dass sich das änderte, aber er hatte sich ja auch nicht in Uruha verlieben wollen …

Er spürte, wie sich Uruhas Finger mit seinen verhakten und er sah ihn an. „Erst tanzen, oder erst was trinken?“, fragte ihn der Brünette und Aoi überlegte kurz.

„Trinken!“, antwortete er und Uruha lachte.

„Aber nicht, dass ich dich nachher nach Hause tragen muss!“, meinte er warnend und küsste ihn kurz, ehe er ihn durch die Menge zur Bar zog.

Ein blonder Typ mit etwas viel Make-up, wie Aoi fand, stand dahinter und füllte grade einen Cocktail in ein schmales Glas und garnierte es mit einer Orangenscheibe.

„Hey!“, rief Uruha dem Typen hinter der Bar zu. Der Blonde drehte sich um und als er Uruha sah fing er breit an zu grinsen.

„Schätzchen!“, quietschte er verzückt und Aoi hielt sich unweigerlich mit der freien Hand das rechte Ohr zu.

„Du warst aber lange nicht mehr hier!“

Uruha zuckte mit den Schultern und bestellte zwei Bier. Der Blonde verschwand kurz und Aoi sah seinen Freund mit hochgezogenen Brauen an. „Also eins sag ich dir, ich werde nie zur irgendjemandem “Schätzchen“ sagen!“, sagte er bestimmt, woraufhin Uruha anfing zu lachen.

„Na, Gott sei Dank!“, entgegnete der Brünette und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Das Bier!“, sagte das blonde etwas, als es zwei Flaschen auf den Tresen stellte.

Uruha gab Aoi eine der Flaschen und sie wollten sich grade wegdrehen, als der Blonde sich geschäftig nach vorne lehnte und Uruha vielsagend ansah.

„Und wer ist dein neuer Lover?“, fragte er.

Aois Magen verkrampfte sich. Lover? Klar, so sah es wohl für alle aus. Die anderen vor ihm waren ja auch nur Lover gewesen. Sein Kiefer spannte sich an und er versuchte seine Wut mit einem Schluck Bier herunterzuschlucken, was nicht wirklich glückte.

Uruha warf ihm einen kurzen Blick zu und er spürte, wie der andere leicht seine Hand drückte.

„Er ist nicht mein “Lover“, sondern mein fester Freund! Komm, Aoi, wir gehen tanzen“, antwortete Uruha schnippisch und drehte sich einfach um.

Wenigstens das gab ihm etwas Genugtuung, wie sie den Typen da stehen ließen, mit diesem dummen Gesichtsausdruck.

Am Rand der Tanzfläche blieb Uruha stehen und zog Aoi an sich. Seine vollen Lippen legten sich zärtlich auf seine und langsam entspannte sich Aoi wieder.

Der Brünette lächelte, als er ihn wieder losließ und Aoi nahm noch einen Schluck Bier.

„Tanzt du mit mir?“, fragte Uruha ihn und legte dabei den Kopf leicht zur Seite.

Augenblicklich vergaß Aoi seinen Ärger über den blonden Kerl und sein Herz fing wieder an zu rasen. Tanzen? Mit Uruha?

„Äh … und was ist mit den Flaschen?“, fragte er und Uruha zuckte mit den Schultern.

„Vergiss die Flaschen!“

Er nahm ihm seine Flasche ab, stellte sie auf einen nahen Tisch und zog ihn hinter sich auf die Tanzfläche.

Als Uruha eine Stelle fand, die er für angemessen hielt, blieb er stehen und drehte sich zu ihm um. Die Musik dröhnte in Aois Kopf und in seiner Magengrube, aber nichts war lauter als sein Herzschlag.

Er wusste nicht, was er machen sollte. Wie tanzte man mit einem anderen Mann? Er warf den anderen Leuten flüchtige Blicke zu, doch bevor er zu einer Antwort fand, griff Uruha auch schon nach seinen Armen und legte sie sich um die Hüfte. Seine eigenen Arme legte sich locker um Aois Nacken und sein Gesicht war so nah an seinem eigenen, dass er Uruhas warmen Atem an seiner Wange spüren konnte.

„Nicht denken …“, flüsterte Uruha ihm zu, als er begann sich leicht zu bewegen, „einfach nur tanzen …“

Sie waren sicher nicht im Takt, aber das war auch total unwichtig. Langsam gewöhnte sich Aoi an die Situation. Er genoss Uruhas Nähe und wie sich ihre Körper langsam immer näher kamen. Aoi ließ seine Hände leicht über Uruhas Rücken gleiten und stellte verwundert fest, dass der Stoff gar nicht kühl war. Er war warm und seidig und er konnte dadurch jede Bewegung spüren, die der andere machte.

Inzwischen lagen Uruhas Lippen wieder sanft an seinem Ohr und als der andere langsam seinen Unterkörper gegen seinen presste, durchzuckte Aoi ein unwiderstehliches Gefühl. Er schloss die Augen und vergaß alles um sie herum. Es gab nur noch ihn und Uruha und sonst gar nichts.

Die Musik und ihr Tanz schien nicht enden zu wollen, doch irgendwann löste sich Uruha sanft von ihm, strich sich eine Strähne aus der Stirn und lächelte ihn mit geröteten Wangen an.

„Kurze Pause?“, fragte er ihn so laut, dass er ihn über die Musik hinweg verstehen konnte. Aoi nickte und sie gingen von der Tanzfläche zu einem nahen Stehtisch. Das Tanzen in den hellen Scheinwerfern hatte ihm fast unerträglich warm werden lassen und er fächelte sich kurz mit der Hand Luft zu, ehe er Uruha einen kurzen Blick zuwarf, der ihm langsam näherkam.

Schon wieder schlossen sich Uruhas Arme um seinen Nacken, als er ihn leidenschaftlich küsste und Aoi wurde nur noch wärmer.

„Du kannst gut tanzen …“, flüsterte ihm der Brünette ins Ohr, was Aoi nicht wirklich glauben konnte. Uruha tanzte gut, verdammt gut, aber er doch nicht.

Aoi wischte sich über die Stirn und dachte sehnsüchtig an seine Flasche Bier, die sonst wo hin verschwunden war. „Jetzt könnte ich aber doch was zu trinken vertragen …“, meinte er laut und sah seinen Freund an.

Uruha lächelte, und küsste ihn kurz. „Ich hol uns was.“

Er verschwand in der Menge und Aoi sah ihn erst wieder, als er an der Bar wieder auftauchte und bei dem Blonden seine Bestellung aufgab. Uruha stand kaum eine Minute da, als schon irgendein Typ ankam, sich neben ihn auf einen Barhocker setzte und anfing auf ihn einzureden.

Aoi kniff die Augen zusammen. Das gefiel ihm gar nicht! Er wusste nicht wieso er auf Uruha zulief, Uruha konnte sich sicher auch selbst helfen, aber er konnte nicht einfach nichts machen. Er sah, wie der Typ nach Uruhas Kinn greifen wollte und wie der Brünette seine Hand wegschlug. Aoi beschleunigte eilig seine Schritte.

„Zier dich doch nicht so …“, sagte der Typ, streckte seine Hand aus und wollte sie auf Uruhas Oberschenkel legen, doch Aoi packte sein Handgelenk und stoppte ihn wenige Zentimeter vorher.

„Lass deine dreckigen Finger von ihm!“, knurrte er und Uruha sah ihn genau so überrascht an, wie der Typ. „Ich kann es nicht leiden, wenn jemand meinen Freund anpackt!“, Aoi warf dem Kerl noch einen vernichtenden Blick zu, ehe er seine Hand losließ und der Typ still und leise in der Menge verschwand.

Uruha zog eine Augenbraue hoch und grinste ihn dann an. „Bist du jetzt mein Ritter in strahlender Rüstung?“, fragte er amüsiert.

Aber Aoi lachte nicht. Ihm war einfach nicht danach zumute. Stattdessen griff er nach Uruhas Hand und zog ihn auf eine Tür am anderen Ende des Raums zu.

„Aoi?“

Er blieb nicht stehen, egal wie oft Uruha auch seinen Namen sagte. Aoi drückte die Tür zu den Toiletten auf, durchquerte den leeren Raum, öffnete eine Kabine und schob Uruha hinein.

„Aoi, was …?“

Aoi küsste ihn, ehe er weitersprechen konnte. Langsam drängte er ihn gegen die Wand der Kabine, ohne den Kuss zu brechen. Seine Zunge glitt in Uruhas Mund und seine Hände strichen ziellos über den Körper des anderen. Uruha stöhnte leicht in den Kuss, während sich seine Hände in Aois Haare gruben und der Schwarzhaarige spürte wieder dieses unbändige Kribbeln im Unterleib. Seine Lippen lösten sich von Uruhas und glitten über seinen Hals, bis er schließlich drängend an der weichen Haut saugte. Schnell zog ihn Uruha zurück in den leidenschaftlichen Kuss und Aoi vergaß alles um sich herum. Sein ganzer Körper kribbelte vor Erregung. Er ließ eine Hand über Uruhas Oberschenkel gleiten und dann langsam zwischen seine Beine.

Uruha keuchte und drückte ihn weg.

„Okay …“, sagte er atemlos und sah Aoi überraschend klar an. Sein Blick war prüfend. „Was ist los?“

Aoi atmete schwer. Er war eifersüchtig, das war los. Er wollte nicht, dass irgendjemand Uruha berührte außer ihm. Aber er musste sich auch eingestehen, dass das nicht alles war. Alle wollten sie Uruha, was war, wenn er ihm nicht so viel zu bieten hatte, wie die anderen. Was war, wenn er nicht an die, die vor ihm gewesen waren, heranreichte?

„Das willst du doch, oder?“, sagte Aoi laut und Uruha zog die Brauen hoch.

„Was?“

„Wenn ich nicht zur Bar gegangen wäre, wärst du dann mit diesem Typen abgezogen?“, fragte er dann bissig und Uruha sah ihn verständnislos an.

„Du glaubst doch nicht echt, dass ich fremdgehe!“, Uruha verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn wütend an.

Aoi fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schüttelte dann den Kopf. „Nein … es ist nur … du hattest nie ernste Beziehungen, oder? Wenn du mit einem was hattest dann nur wegen …“ Aoi ließ den Satz unvollendet. Er wollte nicht aussprechen, was er wusste. Dass Uruhas bisherige “Beziehungen“ nur Bettgeschichten gewesen waren. Dass er wusste, dass Uruha auch mit ihm schlafen wollte. Aber er wusste einfach nicht, wann er dazu bereit war und wenn er es war, war er sicher nicht das, was Uruha sonst gewöhnt war.

Uruha seufzte, ging auf ihn zu und legte die Arme um ihn. „Du darfst nicht denken, dass du mir nicht reichen würdest. Ich hatte bislang keine Beziehungen, weil nie der Richtige dabei war. Du bist der Richtige …“, er löste die Umarmung und küsste ihn sanft, „also mach dir keinen Kopf, du Depp! Ich liebe dich, was brauch ich da irgendeinen anderen?“

Uruha küsste ihn erneut und langsam entspannte sich Aoi wieder, trotzdem blieb etwas von diesem unguten Gefühl.

Aoi atmete tief durch und sah Uruha durchdringend an. „Ich weiß nicht, wann ich mit dir schlafen kann …“, sagte er leise und er wusste, dass er schon wieder rot wurde.

„Du denkst echt, dass ich total sexbesessen bin, oder?“, fragte Uruha empört und Aoi lächelte schwach.

„Darüber zerbrich dir bloß nicht den Kopf … irgendwann wollen wir es beide und dann geht es ganz von selbst …“, verkündete Uruha überschwänglich und jetzt war Aoi sich ganz sicher, dass er knallrot im Gesicht war.

Uruha wusste ja nicht, dass das mit dem “wollen“ nicht das Problem war. Wollen wollte er schon, aber er hatte keine Erfahrung. Er würde Uruha sicher enttäuschen und dagegen konnte er nichts tun …

Uruha öffnete die Kabinentür und griff dann nach seiner Hand. „Trotzdem kannst du so was gern öfter tun!“, sagte er zwinkernd, als er ihn hinter sich herzog.

a Day with Coming-Out and Ice-cream

Die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel, und obwohl Aoi nur ein T-Shirt trug, war ihm fast unerträglich warm. Er überlegte sogar kurz, ob er sich auch noch seines Shirts entledigen sollte, aber da das schattenspendende PSC-Gebäude schon in Sichtweite war, verkniff er sich das.

„Hey, Aoi!“

Als er seinen Namen hörte, drehte er sich um und entdeckte Ruki, der gradewegs auf ihn zu kam.

„Ist das eine Hitze…“ murrte der Kleinere, als er neben ihm stehen blieb und sich mit der Hand Luft zufächerte.

Aoi gab ein zustimmendes Brummen von sich. „Vielleicht gibt uns Kai ja hitzefrei“ scherzte er, während sie zusammen die letzten Schritte zum Eingang gingen.

Aoi spürte den kühlen Luftzug der Klimaanlage, als er die große Eingangstür aufdrückte und atmete erleichtert auf. Warum hatte er nur zuhause nicht auch so ein Ding? Zwar hatte er extra nicht die Fenster geöffnet, als er morgens aufgestanden war, trotzdem war es viel zu warm in seinem Wohnzimmer. Wenn Uruha nach der Bandprobe mit zu ihm kommen wollte, würde der Brünette das sicher nur als Ausrede benutzen, um sich auszuziehen. Aoi versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, während er darüber nachdachte, ob er das jetzt gut oder schlecht fand.

Der Fahrstuhl öffnete lautlos seine Türen und Ruki und Aoi stiegen ein. Der blonde Sänger drückte auf den Knopf für ihr Stockwerk, ehe er sich gegen die Wand des Fahrstuhls lehnte und Aoi anlächelte.

„Und, was hast du so am Wochenende gemacht?“ fragte der Kleinere interessiert und Aoi musste sich schon wieder ein Grinsen verkneifen.

„Ich war bei Uruha …“, sagte er knapp und versuchte die recht lebhaften Erinnerungen zu vertreiben, die in ihm hochkamen.

„Ach so, und was habt ihr gemacht?“

Diese Frage ließ Aoi einen Moment stutzen und plötzlich fiel ihm etwas siedendheiß ein. Die anderen wussten nicht, dass sie zusammen waren! Sie ahnten wahrscheinlich noch nicht einmal etwas davon!

Das hatte er völlig vergessen! Oder besser gesagt, er hatte gar nicht darüber nachgedacht!

Plötzlich verkrampfte sich sein Magen unangenehm. Er hatte nicht einmal mit Uruha darüber geredet, wann und wie sie es den anderen sagen wollten. Natürlich würden sie es ihnen sagen, auch wenn er, beim Gedanken an die Reaktionen, schon jetzt rot werden könnte.

Denn eins war klar, keiner würde Uruha anstarren. Dass er schwul war, war ja bekannt, aber Aoi nicht. Alle würden ihn anstarren und sich fragen, seit wann er schwul war. Dabei war er ja nicht mal wirklich schwul. Er stand nicht auf Männer, nur auf Uruha. Das war etwas anderes, wenn überhaupt war er bi …

„Aoi?“

Er zuckte zusammen, als Ruki ihn plötzlich wieder ansprach. Der Blonde musterte ihn fast etwas besorgt. „Alles klar?“

„Was? Ja, klar. Ich war nur grad mit den Gedanken woanders …“ Aber so was von …

Der Fahrstuhl gab ein dezentes “Pling“ von sich, als sie anhielten und die Türen sich wieder öffneten.

Vielleicht war Uruha ja noch nicht da, dann könnte er ihn vor der Tür abfangen und sie könnten das kurz besprechen. Das war die rettende Idee.

Er wollte es ihnen sagen, wirklich, nur vielleicht nicht unbedingt heute.

Ruki öffnete die Tür zum Probenraum und Aois Hoffnung fiel in sich zusammen. Da stand er. Groß, gutaussehend und zündete sich grade eine Zigarette an. Aoi schluckte. Wie konnte ihm irgendjemand übel nehmen, dass er in diesen Mann verliebt war?

„Mach den Glimmstängel aus, Ruha! Und welches Genie hat die Fenster aufgemacht?“ motzte Ruki genervt, als er seine Sachen in eine Ecke fallen ließ und sich dann einen Platz auf der Couch, neben Reita, erkämpfte. Der Bassist trat nur ungern einen Teil seines Sofas an jemand anderen ab.

Uruha setzte ein breites Grinsen auf und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus. „Man hast du heute schlechte Laune …“, sagte er gutgelaunt und Ruki warf ihm einen bösen Blick zu.

Jeder wusste, dass Ruki Zigarettenqualm im Probenraum nicht leiden konnte und darauf immer allergisch reagierte, auch Uruha, darum hatte er sicher auch das Fenster aufgemacht, aber grade deswegen war es im Probenraum viel wärmer, als im restlichen Gebäude. Während Uruha und Ruki sich immer noch ein erbittertes Blickduell lieferten, sprintete Kai durch den Raum und schloss das Fenster.

„So“, sagte er gedehnt und sah besorgt zu Ruki, der immer noch mies drauf war, „Wollen wir dann anfangen?“

Aoi griff nach seiner Gitarre. Er war immer noch nervös. Zwar war durch den Streit die Begrüßung ausgefallen - zum Glück, denn er wusste wirklich nicht, wie er Uruha hätte begrüßen sollen - aber trotzdem war da immer noch das Problem, dass er und Uruha nie abgesprochen hatten, wie sie es den anderen sagen wollten.

Nach circa einer Stunde Probe hatte Aoi das Problem schon fast wieder vergessen, denn bis dahin hatte Uruha sich vorbildlich von ihm ferngehalten und alles lief wie immer.

„Okay, Pause … ich muss was trinken …“, sagte Ruki endlich. Die Sonne schien genau in ihre Fenster und so war es trotz geschlossener Fenster und Klimaanlage kochendheiß im Raum geworden.

Aoi wischte sich über die Stirn, legte seine Gitarre ab und holte eine Flasche Wasser aus seiner Tasche. Er trank etwas und als er sich, mit der Flasche am Mund, umdrehte, vergaß er zu schlucken und begann heftig zu husten. Der Grund dafür war, dass am anderen Ende des Raums Uruha grade damit beschäftigt war, sich sein rotes T-Shirt über den Kopf zu ziehen und nun überrascht zu Aoi herübersah. Ein verschmitztes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Brünetten aus und Aoi drehte sich augenblicklich wieder um. Hitze stieg ihm in die Wangen und er hoffte nur, dass die anderen nicht bemerkten, wie auffällig er sich benahm. Sonst war ja gleich klar, was los war.

Verdammt, warum hatten sie nur nie darüber gesprochen?

Aber Uruha schien sowieso seine eigene Art zu haben, aller Welt zu zeigen, dass sie zusammen waren, denn plötzlich schlossen sich nackte Arme von hinten um seinen Oberkörper und warme Lippen hauchten ihm sanfte Küsse auf den Hals.

„Na, mach ich dich heiß?“, fragte Uruhas Stimme so leise, dass nur er es hören konnte und er wurde schlagartig rot.

Nicht weil Uruha so etwas gesagt hatte, sondern, weil es plötzlich totenstill im Raum war und weil er wusste was das bedeutete. Alle starrten sie an. Nein, alle starrten ihn an.

Man hätte eine Nadel fallen hören können, doch leider fiel keine, denn dann wäre wenigstens irgendetwas zu hören gewesen. Aoi stand einfach nur wie angewurzelt da und hörte, wie sein Herz der Stille lautstark den Takt vorgab, während sich Uruhas Arme langsam wieder von ihm lösten. Er wollte sich nicht zu den anderen umdrehen …

„Is’ was?“, fragte Uruhas Stimme lässig, aber er bekam keine Antwort.

Alle schwiegen, ganz so, als wäre grade jemand gestorben! Was sollte das denn?

Aoi biss sich auf die Unterlippe, es machte ihn langsam wütend, dass die anderen nichts sagten! Was war so schlimm daran? Dann waren sie eben zusammen! Die sollten sich nicht so anstellen!

Er steckte seine Flasche zurück in seine Tasche, als wäre nichts gewesen, drehte sich um und griff nach Uruhas Hand um seine Finger mit denen des anderen zu verhaken.

Als er die anderen endlich ansah, musste er fast laut loslachen. Besonders Reita sah irgendwie so aus, als hätte er einen Geist gesehen.

Nur Ruki wirkte nicht überrascht. Er lehnte lässig am Fensterbrett, seine Augen wanderten zwar kurz zu ihren verschränkten Händen, doch dann sah er sie wieder schweigend an.

„Ähm“ Kai hatte sich anscheinend gefangen und sein Lächeln wieder gefunden. „Ja, das ist doch schön …“, sagte er leicht verwirrt und Uruha lachte leise. „Seit wann …?“, setzte Kai an und wedelte dann undeutlich mit einer Hand zwischen ihnen hin und her.

„Ungefähr seit dem letzten Konzert“, antwortete Uruha.

„Ja das hoffe ich auch für euch, weil ich nämlich jetzt schon beleidigt bin, dass ihr uns so was nicht eher erzählt!“, meldete sich Ruki plötzlich zu Wort und Aoi starrte ihn überrascht an. Hatte der Kleine das grade wirklich gesagt? Ruki grinste, als er Aois Blick begegnete.

„Wollt ihr da wie auf dem Präsentierteller stehen bleiben, während wir euch ausquetschen, oder euch lieber hinsetzen?“
 

Ruki hatte das mit dem Ausquetschen wohl nicht ernst gemeint, denn zum Glück fragte er sie nicht weiter aus. Aoi hatte schon damit gerechnet, dass er sich vor Scham in einer Ecke verkriechen musste, wenn Uruha und Ruki erst einmal anfingen sich über ihre Beziehung auszulassen, aber das war ausgeblieben.

Ihre Freunde wussten es und schienen kein Problem damit zu haben. Jetzt war er wirklich offiziell mit Uruha zusammen und das war der Grund, warum er nicht mehr aufhören konnte zu grinsen.

Nur Reitas Taktgefühl hatte wie immer zu wünschen übrig gelassen, aber nicht einmal das hatte Aoi gestört.

„Ich versteh das nicht … wie könnt ihr zusammen sein, ich dachte ihr wärt Freunde?“

Diese Frage brachte sie doch tatsächlich alle einstimmig zum Lachen und Reita sah beleidigt in die Runde. „Was?“, fragte er genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Man Rei, manchmal frag ich mich echt, ob du wohl schon jemals verliebt gewesen bist …“, meinte Uruha lachend und der Bassist biss wütend die Zähne aufeinander. Wieder lachten alle, nur Ruki sah Reita irgendwie mitleidig an.

„Wusstest du denn nicht, dass Freundschaft die perfekte Vorraussetzung ist, um sich zu verlieben? Das hat mit “sich gut kennen“ und “Vertrauen“ zu tun …“, sagte er ernst.
 

Vertrauen. Das war nicht das Problem. Zu Uruha hatte er Vertrauen, nur in sich selbst nicht. Irgendwann hatten die anderen sie gehen lassen und natürlich war Uruha mit zu ihm gekommen, in die Wohnung, die man auch als Sauna hätte bezeichnen können.

„Hast du … Eis?“, nuschelte Uruha, ohne seine Lippen von Aois zu lösen, der nur ein dumpfes Brummen zustande brachte.

Sie hatten sich in den kühlsten Raum zurückgezogen, den diese Wohnung zu bieten hatte und das war tragischer Weise das Schlafzimmer. Die Jalousien waren geschlossen und so lagen sie in fast gänzlicher Dunkelheit auf Aois Bett.

Plötzlich verschwanden Uruhas Lippen von seinen und Aoi spürte, wie sich sein Freund vom Bett erhob.

„Was hast du vor?“, fragte er verwirrt.

Uruha hatte trotz Lichtmangels die Tür erreicht, die sich jetzt knarrend öffnete und durch das einfallende Licht, den Blick auf seinen spärlich bekleideten Körper ermöglichte. „Na, ich hol mir Eis!“, verkündete er munter und grinste.

Natürlich hatte sich Uruha, kaum dass sie die Wohnung betreten hatten, soweit entkleidet, wie Aoi es zugelassen hatte. Und das hatte den Schwarzhaarigen wieder zu dem Problem gebracht, das sein Freund noch nicht ganz zu verstehen schien. Allerdings wollte Aoi auch gar nicht wirklich, dass Uruha wusste, wie unsicher er in Bezug auf dieses eine Thema war.

Es war nun mal so, dass er noch nie etwas mit einem Mann gehabt hatte. Und da er sich noch gut erinnern konnte, wie es gewesen war das erste Mal, ohne Ahnung, mit einem Mädchen zu schlafen, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie gut er auch bei diesem ersten Mal versagen würde.

Das einzige, was ihn bislang vorm Äußersten gerettet hatte, war, dass Uruha dachte, er wäre noch nicht so weit. War er ja auch nicht. Nur eben anders, als Uruha dachte.

Die Tür ging wieder auf. Aoi sah, wie Uruha hineinschlüpfte, die Tür wieder schloss und Sekunden später spürte er, wie sich der Körper des anderen wieder neben ihn legte.

„Du hast nur dieses komische Kindereis!“, beschwerte sich der Brünette und Aoi hörte, wie er raschelnd die Plastiktüte öffnete, in der sich das Wassereis befand. Er grinste und setzte sich auf, obwohl er seinen Freund sowieso nicht wirklich ansehen konnte, weil er ihn kaum sah.

„Oh, entschuldige vielmals …“, sagte er lachend.

Uruha grummelte leise, die Matratze gab ein leises Ächzen von sich und dann ging Aois Nachttischlampe an. Der Schwarzhaarige hielt sich reflexartig die Hand vor die Augen, um sie vor dem Licht abzuschirmen.

„Oh, hab ich dich geblendet? Entschuldige vielmals …“, hörte er Uruhas Stimme belustigt sagen, ließ die Hand sinken und stürzte sich auf seinen Freund, um ihn zur Strafe durchzukitzeln.

„Nicht! Nicht! Das Eis!“, lachte Uruha und Aoi ließ von ihm ab.

Der Brünette hielt die Tüte, noch immer grinsend, schräg vor die Lampe, damit er den Inhalt betrachten konnte.

„Aber etwas Gutes hat dieses Eis ja …“, sagte er geschäftig, zog ein grellgrünes Eis aus der Packung und öffnete die durchsichtige Plastikhülle, die darum war, „… die Form eignet sich wunderbar zu Übungszwecken …“

Aoi ahnte Schlimmes, als er erst das längliche Eis in Uruhas Hand betrachtete und dann Uruhas breites Grinsen. Sein Herz setzte für ein paar Schläge aus und fing dann an schmerzhaft zu hämmern. Er begann langsam den Kopf zu schütteln und spürte wie er rot wurde. „Uruha … nicht …“

Aber das kam zu spät. Der Brünette führte das Eis bereits zu seinem Mund und ließ es langsam hineingleiten, um dann genüsslich daran zu saugen.

Aoi war schrecklich warm und sein Herz war nicht das einzige, was verrückt spielte, während seine Augen an Uruhas Mund hingen.

„Und jetzt du“, sagte Uruha leise, als das Eis wieder aus seinem Mund geglitten war und hielt es Aoi auffordernd hin. Aoi starrte das Eis an, als stände er dem Tod gegenüber und genau so fühlte er sich auch.

Langsam schüttelte er den Kopf und Uruha zog eine Schnute. „Na komm schon Aoi, irgendwann musst du dich ja mal an die Vorstellung gewöhnen …“

Das Eis hing verdächtig nah vor seinem Gesicht und plötzlich ergriff ihn Panik. Er sprang ruckartig vom Bett und Uruha sah ihn verwirrt an.

„Ich … ich finde das nicht lustig, Uruha!“, sagte er und war selbst überrascht, wie wütend seine Stimme klang. Dabei war er doch gar nicht wütend, nur feige. Er hatte einfach Angst, dass Uruha an diesen Abend noch mehr Hoffnungen geknüpft hatte, die nur entfernt mit diesem Eis zu tun hatten und davor wollte er am Liebsten weglaufen. Er konnte Uruha nicht sagen was wirklich das Problem war, er konnte es einfach nicht. Wenn er das tun würde, würde er sich so unbeholfen vorkommen und viel schlimmer war, wenn Uruha das auch noch von ihm dachte. „Bitte, ich kann das heute nicht …“

Uruha zog eine Augenbraue hoch und ließ das Eis zurück in die Packung gleiten. Dann stand er auf, streckte eine Hand nach Aoi aus und zog ihn in seinen Arm. „Ist schon okay. Es war ja nur ein Eis, keine Panik.“, sagte er sanft und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund.

Das sagte sich so leicht. Aoi wusste, dass er immer noch rot im Gesicht war. Und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er es einfach hätte machen sollen. Peinlicher, als schreiend vor einem quietsch grünen Eis zu flüchten, wäre es sicher auch nicht geworden.

Und es war ja nicht so, als wollte er es nicht. Warum war das nur so kompliziert? Wenn er doch nur wüsste, was er tun sollte …

Peinlich berührt sah er zu Boden. Er spürte, wie Uruhas Hände noch sanft über seine Oberarme glitten und sich dann ganz von ihm lösten. Aoi sah auf und erkannte im Halbdunkel, dass Uruha dabei war, seine Kleidung wieder einzusammeln.

„Was tust du da?“, fragte er schwach und Uruha sah ihn an.

„Ich zieh mich wieder an …“

„Warum?“

Uruha lächelte ein schiefes Lächeln und hob dann seine Hose vom Boden auf. „Na, weil die Leute schon komisch gucken, wenn man nur in Unterwäsche durch die Stadt läuft, auch wenn es Hochsommer ist …“, sagte er amüsiert.

„Das meinte ich nicht … wieso gehst du?“, fragte Aoi entrüstet und Uruha sah ihn überrascht an.

„Ich dachte du würdest mich für heute lieber los sein … wegen, na ja, der Eisaktion …“, entgegnete er und hörte sich dabei so an, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Wieso war er nur so verständnisvoll, wenn Aoi sich verhielt wie der letzte Idiot?

„Bitte geh nicht! Ich hab doch nur überreagiert, ich will, dass du bleibst, bitte …“

Plötzlich grinste Uruha wieder und setzte sich auf die Bettkante. Aoi gab sich selber einen Schubs, um sich aus seiner Starre zu lösen und ging auf hin zu, bis er nah vor ihm stand.

„Du willst, dass ich bleibe?“, fragte der Brünette mit einem verführerischen Lächeln und Aoi lächelte zurück, ehe er sich zu ihm hinunterbeugte und ihn küsste.

„Ja … über Nacht“, hauchte er und Uruha sah schon wieder überrascht aus, doch dann lächelte er.

„Gut!“, sagte er grinsend und bedeutete Aoi mit einem Fingerzeig ihn weiter zu küssen, was der auch gerne tat.

„Aber, nur ohne Eis!“, warf Aoi plötzlich ein und Uruha gluckste belustigt, ehe er seine Lippen wieder für sich beanspruchte.

„Na gut, für den Anfang kein Eis …“, nuschelte er in den Kuss und zog Aoi aufs Bett, ehe dieser sich wehren konnte.

Just Do It

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Kommentare zu dieser Fanfic (51)
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Von:  Michou
2010-01-27T12:52:09+00:00 27.01.2010 13:52
Haawww das war schön <3 Das Aoi am nächsten morgen dann auch wieder Uru umarmt <//333 *total verknallt*
Perfecte fic */////////////*v Hoffentlich gibst noch ein wiedersehen mit Aoi's gucci-mama |DDDD
Von:  Sefie_chan
2009-11-15T17:27:00+00:00 15.11.2009 18:27
die szene mit der Zahnbürste war so genial. beides kleine zicken XD sweet.
hat spaß gemacht dass kappi zu lesen.
ich hab mich auch gewundert, dass Aoi oben sein wollte, aber iwie hätte das andere noch weniger gepasst, wenn man sich die ersten kappis ansieht, wo aoi als cooler seme beschrieben wird.
weiter so!^^
Von: abgemeldet
2009-11-09T15:30:11+00:00 09.11.2009 16:30
Hey ^^ Ich hab gestern deine Geschichte gelesen und sie in meine Favos gepackt und bis zum 9 Kappi durchgelesen *stolz ist* xD
Ich muss sagen mir gefällt die Geschichte echt sehr gut und Aoi ist dermaßen niedlich *lach*
Einer meiner Lieblingsszenen war das in der Bar wo Aoi den Typen angestresst hat, weil er eifersüchtig war xD
Einer meiner anderen Lieblingsszenen war im Restaurant mit Uruhas Schwestern, wo U-chan sich hinter der Karte versteckt hat xD
Die beiden sind einfach Zucker ^^
Ich finde die Story echt schön, man sieht das du dir echt viel Mühe gegeben hast.
Wenn ich etwas mehr Zeit finde, lese ich wieder.
Bis dahin ^^
Ganz liebe Grüße
Yami
Von:  Samrachi
2009-11-08T19:00:39+00:00 08.11.2009 20:00
hey^^
also uruha: einfachste methode aoi zu etwas zu bringen: überrumpel ihn im schlaf wenn er nicht ganz zurechnungsfähig ist und somit weniger nachdenken kann xD

hat mich aber schon verwundert dass aoi die seme-rolle übernommen hat O.ô
war aber gut geschrieben, und ich fand das ende echt toll :)
jaaa aoi sollte der einzige bleiben, der eine zahnbürste bei uruha stehen hat ;)

freu mich drauf wenns weitergeht
lg Nana
Von:  Michou
2009-10-03T20:47:26+00:00 03.10.2009 22:47
(chap 8 --->)Wooooooaahh....ich kann Aoi die hände schüttlen, ich war genauso benommen und fasziniert wie er von Uru's show...die war echt heiss! Ich finds süss wie er ist und tut <3 Thanks das du das aus seiner sicht geschrieben hast ^////////////^

*////////////////////// * Eifersüchtige gitaristen, ich liebe sie!!! Und ich mag wie Uruha reagiert ^U^ Nicht alzu dramatisch ùu

Naahhwww Aoi!! ich kann ihn sehr gut verstehen ùu Aber mit Uru wird das schon |DD


Ahhww das (bis jetzt) letzte chap war süss!! Ich freu mich schon auf das nächste ^U^ Anou, kannst du mir ins gb oder per ens sagen wenns weiter geht * A*???
Von:  Michou
2009-10-03T18:22:00+00:00 03.10.2009 20:22
Ahhwww, Uruha ist sooo glücklich! Und Aoi scheint ein wenig überumpelt von allem XDIch finds ja süss wie er erst versucht sein bein zwischen Uru's zu kriegen und dann wieder so putzig ist.

Bester teil war immer noch der hier: Uruha lachte leise, als der andere nervös schluckte und undeutlich zwischen ihnen hin und herzeigte. Den satz hab ich mir ein paar mal durchgelesen, der ist einfach himmlisch!!!

Von:  Michou
2009-10-03T17:52:37+00:00 03.10.2009 19:52
*nur rumquik und das mit der konstruktive kritik gekonnt überseh*
EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEKKKKKKKKKKKK
TOLL TOLL TOLL TOLL TOLL!!!!
Fahrstühle sind LIEBE!!!! *anschmacht*
Ahw, das war SO süss~!! Und ich fands gut wie du Kai's zwei seiten gezeigt hast XDDDD~~ Das mit den zirpen war urkomisch XD
(und dieser kommi folgt nur so schnell den anderem, weil mein i-net kurz streikte und ich den anderen kommi gespeichert hatte in word |DD)
Von:  Michou
2009-10-03T17:50:23+00:00 03.10.2009 19:50
*////////////// * Der erste kuss von Aoi aus war total schön und wonnig... Den zweiten kuss hab ich mir ein paar mal durchgelesen >///< Ich kann mir vorstellen das in Aoi jetzt auch so ein gefühlschaos herscht und das er nicht so recht weiss was er machen soll oder will.
Von:  Michou
2009-10-03T17:28:25+00:00 03.10.2009 19:28
Eeeekk, mein herz blieb fast stehen *O* ich hatte wirklich gedacht die küssen sich jetzt >///< Und Aoi ist so OBVIOUS das es schon weh tut...Armes Uru >///<o
Von:  Michou
2009-10-03T16:57:07+00:00 03.10.2009 18:57
Nahww, ich kann mir einen betrunkenen Reita zwischen Ruki und Kai richtig gut vorstellen XD und Aoi ist mit seiner kleinen eifersuchtsattacke gegen den studenten einfach nur sÚss!!!

Ich finds geil wie Uruha derr gucci-mom zugewunken hat XDDD Und es war total süss wo sie sich zum zweiten mal umarmt haben <3 Gut geschrieben wie sich Uruha verliebt >///<v

Ich liebe Ruha's schwestern */////A//// * Die sind einfach nur grossartig~~

Ich bin mal weiter lesen ^U^


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