The House Jack Built von S_ACD (Supernatural / The Shining – Crossover) ================================================================================ Kapitel 2: Fahrstuhl -------------------- Danke an und fürs Kommentieren! =D === Er fuhr ruckartig in die Höhe. Finsternis umschloss ihn, Decke und Bettlaken waren angenehm warm. Sämtliche seiner Muskeln waren angespannt und seine Hand umschloss bereits den Griff des Messers, das unter seinem Kissen verborgen war, obwohl er im ersten Moment keine Ahnung hatte, warum er überhaupt aufgewacht war. Dann hörte er fernes Scheppern, begleitet von leisem, metallischem Summen. Wie ein Tier, das in der Ferne rumorte, dachte er, nur das in diesem Fall weder das eine noch das andere zutraf. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, was die Geräusche verursachte. Der Fahrstuhl. Der Fahrstuhl war in Bewegung. Was zum Teufel...? Im Bett neben ihm raschelte es leise. Er konnte die Umrisse von Sams Kopf und Oberkörper ausmachen, als sein kleiner Bruder sich auf die Ellenbogen stützte. „Dean...?“ Es klang schlaftrunken, aber nichtsdestotrotz alarmiert und bereits zum Einsatz. Ein Teil der Anspannung, mit der er bereits aufgewacht war, fiel von ihm ab. Sam war da, Sam war in Ordnung. Was auch immer hier sonst gerade vorging, mehr brauchte er fürs Erste nicht zu wissen. „Was-“, Sam starrte perplex nach oben an die Decke, durch die die dumpfen Geräusche der plötzlich zum Leben erwachten Maschine deutlich zu hören waren, „Was ist das denn?“ Dean erlaubte sich den Luxus, kurz mit der Hand über sein Gesicht zu fahren. Gott, war er müde. Sie hatten fast den ganzen Tag draußen verbracht, in der Hoffnung, irgendwas zu finden, eine Opferstätte, eine Höhle, irgendeinen Hinweis... aber Fehlanzeige. Im Endeffekt war es bloß verschwendete Zeit gewesen – es sei denn, man wertete die Tatsache, dass Sam schneller rennen konnte als er, als wertvolle Information. „Der Fahrstuhl“, sagte er dann und schwang die Beine aus dem Bett, „Los, komm schon. Das sehen wir uns an.“ Sam knipste die Nachtischlampe an und griff nach seinen Jeans. Er wirkte ernst und erschöpft, aber entschlossen. Dean schlüpfte bereits in seine Stiefel, verzichtete aber darauf, sie zuzubinden. Er angelte sich eine der beiden Taschen, die sie unter sein Bett gestopft hatten. Über ihren Köpfen summte der Fahrstuhl. Sam nahm die Schrotflinte an, ohne hinzusehen, weil er noch damit beschäftigt war, unter seinem Bett nach seinen Schuhen zu suchen. Dean langte hinüber, warf ihm den dunkelgrauen Sweater zu, der noch vom Nachmittag herumgelegen hatte und wieder fing Sam, ohne ihn überhaupt anzusehen. Das Apartment mochte gut geheizt sein, eine kleine, geschützte, Grotte, um sich zurückzuziehen, aber das restliche Hotel war vor allem nachts empfindlich kühl. Nach kurzem Überlegen steckte Dean auch das EMF-Meter und den noch halbvollen Flachmann ein. Weihwasser, kein Alkohol. Als sie auf den Flur hinaustraten, hatte er plötzlich das ungute Gefühl, den einzigen Ort zu verlassen, der ihnen nicht feindlich gesinnt war und er unterdrückte den Drang, Sam zu sagen, dass er besser hier bleiben sollte. „Dean?“, sein kleiner Bruder sah ihn fragend an, „Alles okay?“ Ihm wurde klar, dass er sehnsüchtig zurück zur Apartmenttür gestarrt hatte und er räusperte sich hastig. „Klar doch. Alles bestens“, er schenkte Sam ein aufmunterndes Grinsen, „Was meinst du, hm? ’Ne Party? Geister, die zu faul sind, um die Treppe zu benutzen?“ Sam schnaubte, aber er sah erleichtert aus. Sie bogen um die Ecke, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Lift ankam. Die Maschine summte leise vor sich hin und die Kabinentür öffnete sich wie ein klaffendes Maul, bereit, jeden zu verschlingen, der es wagte, sich ihm zu nähern. Das helle Neonlicht war störend und passte nicht wirklich zu der dezent, stielvollen Dämmerbeleuchtung, die die Flure nach Sonneuntergang erhellte. Die Kabine war leer. Aus den Augenwinkeln nahm Dean war, dass Sam die Schrotflinte so fest umklammert hielt, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, obwohl er seinem konzentriert nach vorne gerichteten Blick vermutlich nicht einmal richtig mitbekam, was er da tat. Dean hatte sich bereits ein Stück weit vor ihn geschoben, instinktiv und ohne eine bewusste Entscheidung treffen zu müssen. „Tja“, sagte Sam trocken, „Wo auch immer diese... Party stattfindet, wir sind offensichtlich nicht eingeladen.“ „Awww, Sammy“, das falsche Grinsen fiel ihm immer leichter, wenn Sams Augen diesen schlecht versteckten, besorgten Ausdruck hatten, „Noch nie richtig gefeiert, was? Die Gäste, die uneingeladen auftauchen, sind doch jedes Mal erst das eigentliche Highlight!“ Er machte einen vorsichtigen Schritt auf den geöffneten Fahrstuhl zu und zog das EMF-Meter aus seiner hinteren Hosentasche, denn das hier war immerhin der erste handfeste Beweis dafür, dass hier im Overlook ein paar Dinge ganz und gar nicht so liefen, wie sie sollten. Doch er wurde enttäuscht. Kein einziges der roten Lämpchen glühte auf, selbst dann nicht, als er das Ding die gesamte Schiebetür entlang schwenkte. Ungläubig runzelte er die Stirn. Das war’s? Sam schien seine Gedanken gelesen zu haben. „Das war’s? Das soll doch wohl ein Witz sein.“ Dean trat nachdenklich einen Schritt zurück. „Vielleicht sind wir im falschen Stock? Ich meine, wenn ich ein Geist wäre, würde ich auch nicht unbedingt hier feiern wollen...“ Sam warf ihm einen seiner das-ist-nicht-komisch-Blicke zu. „Ha, ha, Dean... wirklich lustig.“ „Nur zu deiner Information“, sagte Dean gespielt entnervt, „Ich bin vor gerade mal zehn Minuten aufgestanden. Versuch du doch, da ’nen guten Witz zu machen.“ Sein kleiner Bruder schüttelte den Kopf. „Okay“, sagte er, „Und was jetzt? Ich meine, das Teil wird ja wohl kaum von selbst zum Leben erwacht sein.“ Dean vermied es, mit den Schultern zu zucken und sah sich stattdessen prüfend um. Die Bemerkung mochte vielleicht für ungeübte Ohren wie eine Feststellung klingen, aber in Wahrheit war es eine Frage. Eine, auf die er im Moment absolut keine Antwort hatte... aber das würde er Sam ganz sicher nicht auf die Nase binden, schon gar nicht, wenn sein kleiner Bruder dieses beunruhigte Gesicht aufgesetzt hatte. „Vielleicht ein Kurzschluss? Der Kasten ist immerhin verdammt alt... und welchen Scheiß auch immer sie uns erzählt haben, von wegen die Leitungen wurden erneuert, da kann immer was durchbrennen.“ Er erntete einen zweifelnden Blick. „Meinst du?“, Sam trat neben ihn und inspizierte die Kabine ausführlich, „Na ja, schon möglich, aber...“ „Was?“ „Bisschen großer Zufall, findest du nicht?“ Dean grinste schief. Das traf den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Und mal ehrlich, wie oft in ihrem Leben war es dann tatsächlich nur Zufall gewesen? Zufälle gab es nicht, nicht in ihrer Welt. Nicht, wenn es um so was ging. „Bisschen sehr groß“, bestätigte er, „Vielleicht Geister, die gelernt haben, ihre Spuren zu verwischen? ’Ne Pfadfindertruppe?“ „Dean...“ Sam verdrehte die Augen, aber er grinste leicht. Manchmal hatte Dean den Verdacht, sein kleiner Bruder konnte gar nicht anders. Gut so. Es reichte, wenn sich einer von ihnen ohne jeden Grund ernsthafte Sorgen machte. „Sam, mal im Ernst...“, er betrat die Kabine, drehte sich um und hielt das stumme EMF-Meter hoch, „Nada, niente, nichts. Pfadfinder sind die einzige Erklärung, zumindest die einzige, die mir einfällt. Abgesehen von ein paar sehr abgedrehten Versionen von ‚Versteckte Kamera’, aber ab diesem Punkt wird’s dann wirklich verstör-“ Mit alarmierendem Knattern erwachten sämtliche EMF-Lämpchen rot flackernd zum Leben und Sam erschrockenes Gesicht war das letzte, das er sah, bevor sich- Ssssst. -die Fahrstuhltüren schlossen. „Dean!“ Das klang panisch. Er wollte etwas antworten, wollte auf den Knopf hämmern, der die Türen wieder öffnete, wollte wütend gegen das Metall treten– für nichts davon hatte er Gelegenheit. Denn der Fahrstuhl sauste abwärts. Nur zwei, drei Sekunden lang, dann bremste er ruckelnd ab, aber der Schwung reichte trotzdem aus, um ihn hart auf dem Kabinenboden aufschlagen zu lassen. Das wild blinkende EMF wurde ihm aus der Hand gerissen, landete mit einem krachenden Geräusch in der nächstbesten Ecke und erstarb. Über seinem Kopf quietschte etwas, durch den Fahrstuhl ging ein Ruck und er schlug reflexartig die Hände über dem Kopf zusammen. Noch ein leichtes Ruckeln, dann herrschte Stille. Hastig rappelte er sich auf. Das Neonlicht war immer noch an und in dem kleinen Raum klang sein hektisches Atmen ungewohnt laut. Das EMF-Meter war hinüber, das sah er auf den ersten Blick. Etwas schwankend kam er auf die Beine, streckte die Hand aus und drückte auf den Knopf, um die Fahrstuhltür zu öffnen. Nichts tat sich. Er drückte wieder. Und wieder. Alle Knöpfe leuchteten, ein Zeichen dafür, dass sie in Betrieb waren, aber nichts passierte. Erfolglos versuchte er den Knopf für den ersten Stock, dann alle anderen. Zweimal ging er sie von oben bis unten durch – keine Reaktion. Der Notfall-Knopf, der für ebendiese Fälle installiert worden war, schien ihm höhnisch entgegenzublinken. Scheiße. Was hatte er noch mal zu Sam gesagt? Nada, niente, nichts... gottverdammt noch mal. Er gab sich Mühe, sich nicht allzu genau umzusehen. Das war schwierig, weil die Kabine einen groben Durchmesser von drei mal drei Metern hatte, aber er zwang sich dazu. Enge, geschlossene Räume bereiteten ihm Schwierigkeiten. Nicht, dass er ernsthaft klaustrophobisch gewesen wäre. Solange er etwas zu tun hatte, eine Aufgabe, auf die er sich konzentrieren konnte, waren enge Räume auch überhaupt kein Thema... das Problem war nur, dass er es nicht ausstehen konnte, über längere Zeit hinweg darin eingeschlossen zu sein. ...er war nicht klaustrophobisch. Nie gewesen. Punkt. Trotzdem beschleunigte sich sein Atem automatisch, als frühere Erinnerungen an ähnliche Gelegenheiten auf ihn einstürmten und er drängte sie zurück in die hintersten Winkel seines Gehirns. Er würde jetzt ganz sicher nicht anfangen, durchzudrehen. Das hier war ein Lift. Sonst gar nichts. Sein Blick fiel auf die quadratische Fläche, die sich über seinem Kopf von der Kabinendecke abhob. „Emergency“ stand auf einer Plakette, die direkt neben einem Plastikgriff angebracht worden war. Die Notausstiegsluke, na bitte. Kein Grund, Panik zu schieben. Er streckte sich, dachte sekundenlang daran, dass sein kleiner Bruder, dieser freakige Riese, sicher keinerlei Schwierigkeiten damit gehabt hätte, den Griff zu erreichen und war im nächsten Moment sauer auf sich selbst. So sehr er es auch hasste, eingeschlossen zu sein – es war immer noch dreimal besser, er saß hier drin fest, als Sam. Nach ein paar Augenblicken bekam er den Griff zu fassen, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte. Unter seinen Füßen knirschte etwas leise, das vorher Bestandteil des EMF-Meters gewesen sein musste und kurz schweiften seine Gedanken zu der Frage ab, wie viel davon wohl noch zu retten war. Dann gab die Luke nach. Er stemmte sich dagegen, so fest er konnte. Der Widerstand war unerwartet groß und fast hatte er das Gefühl, von der anderen Seite würde jemand dagegenhalten... Das war lächerlich. Ein paar Zentimeter Freiraum, dann noch ein paar und schließlich war Platz genug für seine zweite Hand. Er klammerte sich mit der Linken fest, die Füße einen Fingerbreit über dem Boden, und drückte mit der Rechten. Noch ein Stück –komm schon, komm schon...- und noch ein eins. Das Bild war auf einmal da. Sam, der oben auf der Kabine kniete, der lange Fahrstuhlschacht über ihm verschluckt von Dunkelheit, und versuchte, von der Seite aus, von der Dean ihn nicht sehen konnte, die Luke zuzuhalten. Ihn dort drin zu halten. Ihn nicht mehr rauszulassen, nie wieder und er würde hier drin bleiben, in diesem gottverdammten Fahrstuhl und die Wände würden näher rücken, immer näher- Er blinzelte desorientiert gegen den Schwindel an, der ihn plötzlich überfiel. -denn Sam wollte, dass er hier drin blieb, Sam wollte ihn nicht mehr sehen, Sam hatte genug von ihm- Seine linke Hand glitt ab, rutschte aus dem schmalen Spalt, den er geschaffen hatte, langsam und Stück für Stück. -die Wände, langsam und Stück für Stück, immer näher und näher... langsam, denn sie hatten Zeit- Er schluckte, hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen und schluckte wieder, aus Angst, irgendetwas könnte seine Luftröhre blockieren. Das Bild, das er vor Augen hatte, war so deutlich, als stünde er direkt daneben, eine Art stummer Beobachter, der- -und Sam hielt die Luke zu, das war die einzige Erklärung, warum auch sonst sollte sie sich nicht öffnen lassen... und er selbst stand nur daneben, warum unternahm er nichts?- Er verlor den Halt, landete unsanft wieder auf dem Kabinenboden. Sein linker Arm schmerzte und er blinzelte hektisch. Das Bild war verschwunden, aufgelöst, nur Schall und Rauch und nichts war zurückgeblieben. Was zum Teufel war das eben gewesen? Sein Atem beschleunigte sich wieder, aber er erkannte das beengende Gefühl, dass ihm mit einem Mal den Brustkorb zuschnürte als das, was es war – Platzangst. Er war dabei, durchzudrehen. Die Wände... Die Wände, die Wände. Sam hielt die Luke nicht zu. Sam war nicht dort oben und selbst wenn, so etwas würde er niemals tun, nicht einmal zum Spaß – und bei Gott, die Situation war ernst genug – weil er wusste, dass Dean... Vielleicht ist genau das der Punkt?, flüstere eine kleine, gemeine Stimme in seinem Hinterkopf, Vielleicht findet er es lustig, wenn zur Abwechslung einmal du es bist, der Angst hat- Schwachsinn. Er fuhr sich durch die Haare. Schwachsinn, Schwachsinn, Schwachsinn! Die Wände. Kein Platz. Sam war nicht dort oben. Sam würde nicht- „Dean?!“ Er zuckte so heftig zusammen, als hätte ihm jemand einen Stromschlag verpasst und sein Herz machte einen ungesunden Satz. Von weiter weg ertönte der Widerhall von Schritten, dann gab es ein dumpfes Geräusch und die Kabine sackte um ein paar Millimeter ab. Im Spalt der Luke tauchte Sams Gesicht auf. „Dean! Alles in Ordnung?“ Dean kämpfte eine irrationale Welle an Abscheu nieder. Sam war also doch dort oben gewesen... Gerade gekommen, verbesserte er sich, gerade gekommen. Und er machte sich Sorgen. Natürlich machte er sich Sorgen. Immerhin war Dean gerade mit einem Fahrstuhl ein paar Stockwerke weit nach unten gerasselt. Sam wollte wissen, wie es ihm ging. Kein Grund, paranoid zu werden. Die Panik, entschied er, allein die Panik war schuld. „Ja“, sagte er. Seine Stimme klang hohl. Er räusperte sich. „Ja“, wiederholte er, „Mir geht’s gut, nichts passiert.“ „Was zum... Dean, was zum Henker war das grade?“ Woher soll ich das wissen? „Keine Ahnung... aber hast du gesehen, wie das EMF plötzlich abgegangen ist? Kurzschluss war das keiner, es sei denn, hier läuft ein ziemlich durchsichtiger Elektriker rum.“ „Ha, ha“, machte Sam erneut, aber er klang bei weitem angespannter als vorher. Dann ging er, soweit Dean das von seiner Warte aus erkennen konnte, in die Knie und hantierte mit der Luke, „Warte, ich mach das schon.“ Der ganze Fahrstuhl knirschte und ächzte, als Sam von außen daran rüttelte. Schließlich tauchte sein Gesicht wieder auf. „Dean? Irgendwas stimmt da nicht...“ „Was?“ Die unerklärliche Furcht in Deans Magengegend, dass Sam vorhaben könnte, ihn hier drin verrotten zu lassen, machte Platz für eine ganze Welle weitaus rationalere Ängste. Was, wenn die Bremsen plötzlich nachgaben? Was, wenn die Halterungsseile – obwohl das statisch gesehen eigentlich unmöglich war – plötzlich abrissen? Was, wenn der Fahrstuhl sich plötzlich dazu entschließen sollte, hinauf zu fahren und Sam ein paar Stockwerke weiter oben zerquetschte? Irgendetwas Übernatürliches ging hier vor und wenn er Zeit seines Lebens etwas gelernt hatte, dann dass dabei nichts unmöglich war. „Das verdammte Ding...“, Sam war, soweit Dean das sehen konnte, wieder auf den Beinen und zog an der Luke, „...bewegt sich kein Stück! Es klemmt oder so ähnlich...“ „Sam“, er konnte nichts gegen leicht panischen Tonfall seiner Stimme unternehmen, „Sam, hol mich hier raus!“ Sam knirschte mit den Zähnen. „Was glaubst du denn, was ich mache?“, es klang, als zerrte er jetzt mit aller Kraft, „Das. Blöde. Ding. Will. Einfach. Nicht- na, komm schon, verdammt!“ Wie konnte das sein? Das war doch nur Plastik... Kein Platz. Die Wände. Dean schüttelte den Kopf. Nein, keine Wände. Die blieben, wo sie waren. Was auch sonst? „Dean...“, Sams besorgtes Gesicht war wieder aufgetaucht, „Ich hab ’ne Idee, aber dafür muss ich kurz weg. Bin gleich wieder da, dauert nicht mal ’ne Minute. Okay?“ Dean starrte zu Boden. Nicht die Wände ansehen, nicht die Wände ansehen. Der Notfall-Knopf leuchtete am Rand seines Blickfelds immer noch spöttisch vor sich hin. Sam wollte gehen. Sein Mund war mit einem Schlag wie ausgetrocknet. „Klar.“ Er sagte es ohne aufzusehen. „Dean?“, Sams Stimme hörte sich genauso an, wie Dean sich insgeheim fühlte und fast klang es, als fragte sein kleiner Bruder um Erlaubnis, „Eine Minute, okay? Mehr nicht. Ich bekomme dich da raus.“ Dean holte tief Luft, sah nach oben und grinste zuversichtlich. Sein Magen war eine kompakte, kleine Kugel aus Angst, aber Sam hörte sich beinahe panisch an und das hatte Priorität. Sams Panik kam immer zuerst. „Eine Minute“, sagte er, „Kein Problem. Das reinste Kinderspiel.“ Sam schenkte ihm ein schmales Lächeln, das in ihm den Verdacht aufkeimen ließ, dass seine Fassade bei weitem leichter zu durchschauen war, als ihm lieb sein konnte. „Summ’ irgendwas, ja?“ „Wa- häh?“ „Summ’ irgendwas, bis ich wieder da bin. Metallica oder so.“ Dann war Sam verschwunden. Und Dean hätte beinahe laut aufgelacht. So wenig er es auch zugegeben hätte, es tat gut, dass es jemanden gab, der ihn dermaßen gut kannte. Das warme, vertraute Gefühl und die Sicherheit, dass alles gut werden würde, hielten jedoch nicht lange an. Versuchweise summte er ein paar Takte, aber bei jedem Ton, der seine Lippen verließ, kam es ihm so vor, als würde der winzige Raum noch enger werden. So, als wären die Kabinenwände und das Lied mit unsichtbaren Schnüren verknüpft worden und jeder Laut, den er von sich gab, zog sie näher heran. Er begann, auf und ab zu gehen. Zwei Schritte nach vorn, zwei nach links, zwei zurück. Einfach aufs Atmen konzentrieren. Fast kam er sich vor wie die groteske Parodie einer schwangeren Frau, als er tief Luft holte und sie langsam wieder ausstieß, aber hey- was auch immer half, das half, richtig? Sammy würde kommen. Er war sicher schon unterwegs. Kein Grund, durchzudreh- -Sam, der die Hotellobby Richtung Eingangstür durchquerte, um das Overlook für immer hinter sich zu lassen- Nein. Nein, nein, nein, nein. Schwachsinn. Alles nur- -„Bye, bye, Dean...“, die Tür fiel ins Schloss, in der Lobby ging mit einem Schlag das Licht aus- Wie nebenbei nahm er war, dass er inzwischen keuchte. Er musste summen, das hatte Sam gesagt, irgendwas, selbst wenn es nicht Metallica war. Er musste- -er saß alleine im Dunkeln und dann, wenn er nichts mehr sehen konnte, wenn es keine Beweise mehr dafür gab, kamen die Wände näher, immer näher und nahmen ihm die Luft... er konnte nicht atmen- -Sammy hatte gesagt, er sollte summen, also versuchte er es. Es gelang nicht. Die Töne waren zittrig und kaum hörbar und er konnte sich an keine Melodie erinnern... aber er musste! Unsinn, sagte er sich, Sam würde ihn nicht im Stich lassen, nur weil er hier nicht summte- -Was, wenn doch?- -kompletter Blödsinn, das war einfach schwachsinnig. Kein Platz zum Atmen. Sammy war schon auf dem Weg- -jahh, auf dem Weg nach Sidewinder, auf dem Weg nach draußen, auf dem Weg zu seinem neuen, Dean-freien Leben- NeinneinneinneinNEIN! Laute Schritte, dann erzitterte die gesamte Kabine wieder, weil jemand – Sam – zu hastig darauf gelandet war. „Dean?“ „Ja“, krächzte er und erschrak selber darüber, wie verzweifelt seine Stimme klang. Mehr brachte er nicht heraus. Sams Finger erschienen in dem schmalen Spalt, dann tauchte sein Kopf auf, den er weit zur Seite geneigt hatte, um durchspähen zu können. „Dean?!“ Die unausgesprochene Frage „Mann, du klingst furchtbar. Geht’s dir gut?“ schwang in seinem Tonfall mit. „Ja...“, sagte Dean erneut und gab sich Mühe, dabei entschlossen zu klingen, „Bin noch da, wie du siehst.“ Sam schnaubte humorlos. „Okay“, sagte er dann, „Holen wir dich mal da raus. Pass auf, kannst du ein Stück zur Seite gehen?“ „Warum?“ Sam hielt etwas vor den Spalt, bei dem Dean nicht genau erkennen konnte, worum es sich handelte. Die Werkbank des Hausmeisters kam ihm in den Sinn. „Brecheisen?“, fragte er. „Hab ich mir auch überlegt, aber nein. Hier drin im Schacht ist es zu eng, außerdem kann man bei der blöden Luke nicht ordentlich ansetzen. Ich hab den Vorschlagshammer mitgebracht... also wie gesagt, mach lieber Platz.“ Gegen seinen Willen musste Dean grinsen. Vielleicht sah er dabei etwas hysterisch aus, aber im Augenblick war ihm das egal. Es konnte ihn ohnehin niemand sehen. Er wich zurück zur Wand, so weit er konnte und hob die Hände sicherheitshalber ein Stück vors Gesicht. „Gut“, informierte er Sam, „Bin startklar.“ Sam stand auf, im Spalt waren nur noch seine Schuhe zu sehen. Dann donnerte auch schon der erste Schlag auf die Plastikluke nieder. Dean wusste nicht, was er erwartet hatte – eigentlich hätte das Material den physikalischen Grundgesetzen zufolge sofort nachgeben müssen, aber wenn es sich aus keinem nachvollziehbaren Grund schon nicht einmal ordentlich öffnen ließ... Quer über das Wort „Emergency“ verlief ein gezackter Sprung, das war alles. Sams gedämpftes Fluchen drang an sein Ohr, bevor sein kleiner Bruder den Hammer wieder herabsausen ließ. Es brauchte insgesamt vier Schläge, bevor die Luke mit einem gequälten Geräusch endgültig nachgab und zerbrochenes Plastik auf Dean hinunterregnen ließ. Er hatte seine Hand auf dem Rand der freigewordenen Öffnung, noch bevor er überhaupt mitbekommen hatte, was er da tat. Irgendetwas schnitt ihm in die Handfläche, doch er ignorierte den brennenden Schmerz und dann war da Sam, der ihn an den Oberarmen packte und ihm dabei half, sich hochzuziehen. Kühle Luft schlug ihm entgegen und im ersten Moment war er verblüfft darüber, wie kalt es im Aufzugsschacht eigentlich war. Die nächste Überraschung war, dass der Fahrstuhl keinen halben Meter unterhalb der Einstiegsstelle im Erdgeschoß zum Stehen gekommen war. Ungläubig starrte er auf das milde Licht, das ihm vom Flur aus entgegenleuchtete. „Dean?“, Sams Hände waren auf seinen Schultern und sein Gesicht bestand förmlich nur aus großen, besorgten Dackelaugen, „Dean, alles in Ordnung?“ Mit einem Mal war ihm die ganze Sache furchtbar peinlich. „Ja“, sagte er brüsk und entwand sich Sams Griff, „Mir geht’s gut. Hab n’bisschen überreagiert, das ist alles. Tut mir leid.“ „Das...“, Sam klang perplex, „Schon okay, du... schon okay.“ Er richtete sich auf und schien sekundenlang zu überlegen, ob er Dean dabei helfen sollte, ließ es dann aber Gott sei Dank bleiben. „Was ist mit dem EMF?“ „Sieht schlecht aus“, Dean deutete nach unten, „Hat die Landung nicht besonders gut überstanden.“ Sam nickte langsam. „Okay“, sagte er wieder und klopfte Dean sacht auf die Schuler, „Lass uns abhauen, bevor das Teil ganz abstürzt.“ Und auch, wenn die Hand eine Spur zu lange liegenblieb, diesmal hatte Dean gegen den Körperkontakt absolut nichts einzuwenden. Er bückte sich, um den Vorschlaghammer hochzuheben und wie durch Zufall fiel sein Blick noch einmal in die Fahrstuhlkabine. Verwirrt runzelte er die Stirn. Das kann doch nicht... „Dean. Was?“ Sam stand bereits einen halben Meter weiter oben im Flur und sah immer noch so aus, als erwartete er, dass gleich irgendetwas passieren würde. Dean schüttelte den Kopf. Für diese Nacht war es genug. „Nichts.“ Er stieg vom Fahrstuhldach hinauf auf festen Boden und warf keinen Blick zurück. „Los, Sammy, komm. Wir verschwinden.“ Und doch konnte er nicht anders, als sich den ganzen Weg zurück zum Apartment zu fragen, ob die verblichenen Luftschlangen und das Konfetti, die jetzt zwischen den ganzen Bruchstücken des EMF-Meters gelegen hatten, von Anfang an da gewesen waren oder nicht. Er konnte es nicht mehr sagen. Er konnte es beim besten Willen nicht mehr sagen. === Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)