Wie vergewaltige ich einen Mann? von _x_sesso_x_ ================================================================================ Prolog: -------- Tova Randers arbeitet in der Ausleihe der Stadtbücherrei. Sie ist schon fast drei Jahre dort, ihre Gehaltszulage ist also in diesem Herbst fällig. Sie ist eine alleinstehende Mutter von zwei Kindern. Ihrer Ansicht nach hat sie Anspruch auf eine doppelte Gehaltzulage, weil sie zuvor schon sieben Jahre lang als Lehrerin an einer staatlichen Oberschule gearbeitet hat. Allerdings hat sie nur aushilfsweiseje nach Bedarf unterrichtet, da ihr die erforderlichen Qualifikationen fehlten. Und nun ist ihr Antrag abgelehnt worden, weil ihre Wochenstunden nicht ausreichen. Darüber ist Tova erbittert, denn es ist nicht leicht für sie, sich selbst und ihre beiden Söhne durchzubringen. Jon, ihr ehemaliger Mann, ist wieder verheiratet und zahlt Unterhalt von 308€ pro Kind und Monat; 150€ plus Indexzulagen in den sieben Jahren, seit die Scheidung rechtskräftig wurde. Die Jungen, Mick und Jockum, sind 14 und 16 Jahre alt. Tova versucht, ihr Gehalt als Bibliotheks- Assistentin durch nächtliche Übersetzungsarbeit aufzubessern. Leider braucht sie ziemlich viel Zeit dazu, und ihr Schlafbedürfnis ist groß. Mit ihrer Arbeit in der Bibliothek ist sie einigermaßen zufrieden. Sie träumt davon, es eines tages zur Diplom-Bibliothekarin zu bringen. Die Kolleginnen mag sie recht gern. Sie sind nur manchmal zu lahm. In der Ausleihe gibt es kaum eine, die gern liest. Es kommt selten vor, dass Tova sich außerhalb der Arbeitszeit mit ihnen trifft. Einmal in der Woche geht sie zum Jazzballett. Es ist ein Kurs, den die Kommune veranstaltet, und er kostet sie nur 3€ pro Jahr. Für diese Summe hofft sie, ihr Gewicht unter Kontrolle zu halten. Der Hintern und die Schenkel machen ihr Kummer. Außerdem denkt sie sich, ein bisschen Training könne nichts schaden, falls sie je wieder auf einer Tanzfläche landen sollte. Oder mit einem Mann im Bett. Tova glaubt immer noch daran, dass sie wieder einen Mann finden wird, mit dem sie gut auskommen kann, auf der Tanzfläche und im Bett. Sie glaubt es oder hofft es zumindesr, obwohl sie schon mehrere Enttäuschungen erlebt hat. Mit Jon Randers. Mit einem Mann,den sie sogar in Gedanken nur B. nennt. Und erst kürzlich mit einem, der Kari heißt. Tova glaubt an die Freiheit. Sie glaubt, dass Menschen fähig sein müssen, miteinander zu leben, ohne einander zu verletzten. Seite an Seite leben, nennt sie das. Wenn sie diesen Ausdruck gebraucht, muss sie häufig genauer erklären, was sie damit meint. Dann wird sie manchmal etwas weitschweifig. Im Grunde geht es ihr darum, dass man keine Lügen nötig haben soll und dass die Wahrheit nicht unbedingt zur Gewalt führen muss. Am 16. Juli wird Tova Randers vierzig Jahre alt. Kapitel 1: ----------- Tova Randers geht am Donnerstag dem 17.Julio, um halb fünf Uhr früh nicht zur Polizei. Sie schleppt sich nach Hause, die Treppe hinauf, damit sie nicht mit der Tür des Aufzugs klappert, und macht ihre Wohnungstür leise hinter sich zu. Dann steigt sie sofort aus den Kleidern, lässt sie in einem Haufen neben der Tür liegen. Sie spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht und lässt es lange über die Handgelenke laufen, in denen es heiß pocht. Soe wagt weder zu duschen noch zu baden, um die Nachbarn nicht zu stören. Sie kühlt ihre Hände unter dem Wasserstrahl. Tränen laufen über ihr nasses Gesicht. Dann liegt sie ausgestreckt auf ihrem Bett und starrt vor sich hin. Fast drei Stunden lang liegt sie ganz still auf dem Rücken. Mit weit offenen Augen schaut sie an die weiße Decke. Sie hat das Gefühl, dass sie kein einziges Mal blinzelt, dass sie nur starrt und starrt. Ihr geht der Gedanke durch den Kopf, dass sie sich nie mehr wird verstecken können, nicht einmal hinter ihren Augenlidern. Zwei Minuten nach neun ruft sie beim Personalchef der Bibliothek an und meldet sich krank. Sie sagt, sie habe einen schweren Mirgräneanfall bekommen. Sie hat keine Migräne. Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Sie ruft auch jetzt die Polizei nicht an. Die Sache könnte publik werden, die Zeitungen könnten darüber schreiben, jemand könnte sie mit dem Vorfall in Verbindung bringen, selbst wenn kein Name genannt wird. Man könnte sie Identifizieren. Frau mittleren Alters vergewaltigt. Bibliothekerin an ihrem 40.Geburtstag zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Mutter von zwei Kindern an Bettpfosten gefesselt. Vermutlich war Alkohol mit im Spiel. Alkohol. Auch das noch. O Gott. O Gott. o Gott. Tova Randers, 40jährige städtische Angestellte, Mutter von zwei Kindern, läuft auf dem braunen Flickenteppich ihres Wohnzimmers im vierten Stock in der Hesperiagaten 30 immer im Kreis herum und weint hemmungslos. Alkohol ist mit im Spiel, als sie jetzt tatsächlich ihre Migräne bekommt. Wie eine riesige grüne Welle schlägt sie über Tova zusammen. Sie schafft es kaum noch bis zu Toilette, als die Welle auch schon aus ihr herausgeschleudert wird, bis ihr Innerstes nach draußen kehrt. Sie zittert vor Kälte und Übelkeit, weiße Sterne wirbeln ihr im Kopf herum,an den Schläfen pocht es rot. Sie stöhnt. Nach einer Weile legt sie sich ins Bett, mit einer Waschschüssel neben sich. Wie ein Stein am Strand. Wie ein kühler, blanker, feuchter Stein am Strand, und es es gibt keinen Druck mehr, keine Scham, keine Gedanken. Wie in Trance liegt sie da. Stunde für Stunde Als sie aufwacht, ist es Nachmittag. Es ist kühl, die Sonne spiegelt sich in den Fensterscheiben auf der anderen Seite des Hinterhofs. Sie fühlt sich matt, leer, kraftlos. Vorsichitg steht sie auf, bringt das Bett in Ordnung und geht zum Kühlschrank. Er ist fast leer.Sie trinkt Buttermilch, nimmt sich eine Scheibe Schwarzbrot, ohne Butter, kaut langsam, kostet den säuerlichen Geschmack. Sie fegt die Krümel auf dem Tisch zusammen, wirft sie in den Ausguß, schwenkt das Glas mit Wasser aus und stellt es in den Spülstein. Dann geht sie ins Wohnzimmer mit dem braunen Flickenteppich. Sie setzt sich in den Polstersessel, kauert sich zuammen, legt die Beine über eine Lehne, stützt den Kopf in die Hand. Mit der anderen Hand zwiebelt sie an einer Haarsträhne herum. Je sauberer und weicher ihre Haare sind, desto besser kann sie denken. Jetzt sind sie ganz sauber. Sie hat sie erst gestern gewaschen. So fällt ihr das Denken leichter. Während sie sich Haarsträhnen um die Finger wickelt, geht Tova Randers die vierundzwanzig Stunden ihres vierzigsten Geburtstag noch einmal Schritt für Schritt durch. Kapitel 2: ----------- Dum dum dadadum dadadi dum dum nein, bloß nicht, das ist ja zum verrückt werden dum damdam dadadum dum dadadi dum dum dididam dum dadadi dum dum o je, o je, nur das nicht, nicht diesen stunpfsinnigen dröhnenden Rhythmus Tova hat dieses Stück schon immer verabscheut, klingt nach fetten, schwabbelnden Bierbäuchen, aufgedunsen und schweißtriefend. dum dadadum dum dum und auch noch dieser spezielle Duft, warum mußte er ausgerechnet genauso riechen wie der Mann, der ihr einmal so viel bedeutet hat! Was hatte sie überhaupt in diesem Lokal zu suchen, seit fünf Jahren hat sie da kein Fuß reingesetzt, sie ist überhaupt erst einmal da gewesen, und das ist lange her, sie hatte keine Ahnung, dass es dort nachmittag Tanz gibt. Wenn sie das gewusst hätte, nie im Leben wäre sie dann... Es war ihr Heißhunger, wie üblich. Sie hätte sich mit ein paar Scheiben Schinken begnügen können wie sonst, dazu eine Tomate und ein Joghurt. Ihr Hintern ist so schon dick genug. Bumbumbababumbabumbabumbabum, da dröhnt es schon wieder los. Wen geht das überhaupt was an, ob sie einen dicken Hintern hat oder sonstwo zu dick ist. Für wen fastet sie eigentlich? Ihre Arbeit macht sie jedenfalls nicht besser oder schlechter, ob sie nun dick oder dünn ist. Sie hätte an der Tür kehrtmachen können, als sie sah, dass im Café Maestro geschwoft wurde. Das hätte sie wirklich tun sollen. Aber sie hat es nicht getan. Hat sich wohl gedacht, das sei jetzt auch egal, wo sie schon die ganzen Treppen raufgelaufen war. Außerdem gab es hier Steaks vom Grill. Da konnte sie einfach nicht wiederstehen, um ehrlich zu sein. Ein saftiges Beefsteak. Das wollte sie sich selbst zum Geburtstag schenken. Ihr vierzigster Geburtstag. Wie scheußlich das klingt. Tova geht rasch darüber hinweg. Obwohl sie naürlich nicht zugeben würde, dass es für sie einen besonderen Beiklang hat. In deiner vollen Reife. Das hatte Vater gesagt, als er sie bei der Arbeit anrief, um ihr zu gratulieren. Sie hätte bestimmt überhaupt nicht daran gedacht, wenn er sie nicht angerufen hätte, wie er es immer tut, an allen Geburtstagen und Namenstagen. Tova hatte schon im voraus beschlossen, diesesn Tag zu vergessen. Deine volle Reife. Als dieser Kerl vor ihr steht und sich verbeugt, fallen ihr die Worte des Vaters ein. Ihr Vater ist schuld, dass alles so gekommen ist. Hätte sie nicht gerade in diesem Moment an seine blöden Worte denken müssen, dann hätte, sie höflich abgelehnt und gesagt, sie sei nur mal eben zhum Essen vorbeigekommen, und dann wäre sie schnell gegangen und hätte ihren Kaffee woanders getrunken. Aber ausgerechent in diesem Moment muss sie daran denken. Volle Reife. Überreif. Dumdadadum dum dum Sie kann sowieso nicht gut tanzen. Jon hatte nie Lust, tanzen zu gehen, und seit sie allein ist, hat sie es auch nicht getan. Sie hätte sagen können, dass sie nicht tanzen kann. Dass sie nicht tanzen will. Diese Worte. Siel klingen purpurrot, tief violett, wie Kirschen wenn sie am reifesten sind. An den Bettfosten hat er sie gefesselt. Hat sie von oben bis unten gemustert. HAt dabie über sie geredet und sie in einer art beschrieben, die sie nier vergessen wird. Wie soll sie je wieder vergessen können wo soll sie alle spiegel verstecken, damit sie nicht mehr hören muss, was er über sie gesagt hat. Purpurrot. An solchen Kirschen wird sie noch oft denken müssen. Schwärzliche Kirschen. Voll schwerer Süße. Wenn man es schafft, sie zu pflücken, bevor sie fallen. Köstlich, diese vollreifen Früchte, wenn man gerade Apetit auf so etwas hat. Aber schon mit einem Stich von Fäulnis im gelben Fruchtfleisch, das zwischen den Fingern zerplatzt, als sei die Schale zu eng geworden. Und an ihrem Nachgeschmack merkt man, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sie nach Erde schmecken. Aber Tova denkt nicht an den Nachgeschmack. Eigentlich ist nichts dabei. Deshalb tanzt Tovamit einem Fremden, dessen Geruch sie mag. Dieser ganz spiezielle Duft muss Grund sein, dass sie mit ihm tanzt. Ein Duft, der sie an Kari erinnert. In diesem Moment wagt sie es sogar, an Kari zu denken. Deshalb trinkt sie einen Cognac zum Kaffee, bestellt noch einen Kaffee und tanzt mit diesem Typen, nein, schnuppert an ihm, der seinen wahren Geruch unter Karis Rasierwasser versteckt hat. Aber dann ist er doch noch hervorgekommen, sein Geruch baaaah falsch, ekelhaft, unerträglich er zwingt ihr seine Gerüche auf, sie schreit, aber niemand kann sie hören, weil sein Tonband endlos dieselbe stampfende, dröhnende Musik herunterdudelt. dum dadadum dum dum sie hätte sich doch mit dem Steak begnügen können, warum musste sie auch noch den Cognac und den Kaffee bestellen, und was hatte sie überhaupt mit diesem Kerl zu tun es gibt nichts zu fürchten nachmittags um fünf, in der Mitte der Woche, in der Mitte des Sommers. Als sie aufbrechen, hat sie nicht vor, noch mit ihm zu gehen, obwohl er ihr, wie er sagt, gern noch ein paar Platten vorspielen möchte, vielen Dank, die Platten kennt sie, die interessieren sie nicht, sie hat ihre eigenen Platten in ihrer leeren, stillen Wohnung still und leer, und niemand, der auf sie wartet, beide Jungen sind bei Jon ein Gläschen kann sie noch mit ihm trinken, er protzt zwar fürchterlich mit seiner Firma, seinem Auto und seiner fabelhaften Familie, aber gut, sie nimmt die Milchzähne seiner Söhne und seiner steilen Karriere in Kauf, wenn nur der Likör gut ist, den er ihr anbietet und das ist er wirklich, süß stark wenn sie die Augen schließt, dreht sich die ganze Welt um sie, und sie riecht Karis Duft. Sie setzt sich hastig auf. Jetzt möchte sie nach Hause gehen. Tschüss und danke schön. Sie steht auf, da wirft er sich auf sie, drückt sie aufs Sofa, das könnte dir so passen, du kleines Biest, jetzt auch noch frech werden, da hab ich auch noch ein Wörtchen mitzureden sie hält es immer noch für ein Spiel es erregt sie sogar ein bisschen der Rock rutscht hoch, aber das möchte sie nicht, und als sie sich aufsetzt und ihn wieder herunterzieht, dreht er ihr einen Arm nach hinten, jetzt schreit sie, und da schlägt er sie noch nie hat jemand sie geschlagen sie ist ausser vor Zorn. " Was bildest du dir überhaupt ein, du Scheißkerl", schreit sie," hälst du dich etwa für so toll, dass du glaubst, ich wäre mitgegangen, um mit dir zu schlafen. Dass ich nicht lache, heutzutage entscheiden die Frauen selbst, ob und wann sie mit einem Mann schlafen wollen, und glaubt nur ja nich, dass eine Frau Lust darauf hat, wenn du sie zu zwingen versuchst!" Aber er lacht ihr einfach ins Gesicht schert sich einen Dreck darum, was sie sagt als sie ihn beißt, schlägt er sie noch einmal, als sie ihn kratzt, verdreht er ihr den Arm noch stärker als zuvor, bis sie jammernd zu Boden fällt sie tritt nach ihm, aber es ist aussichtslos und plötzlich kriegt sie Angst. Sie kennt ja die Geschichte von dem Verrückten in Vanda. Der Kopf des Opfers mit einem stumpfen Gegenstand zertrümmert. Die Leiche irgendwo im Gebüsch versteckt. Da gibt sie auf. Versucht, sich wegzudenken. Versucht zu vergessen, wo sie ist. Und was er ihr antut. Aber was er sagt, ist schwer zu vergessen. Dieser widerwärtigen, gehört oder höchstens mal in allergrößter Heimlichkeit gedacht hat. Und dann behauptet er, Frauen wollen vergewaltigt werden. mit Stiernacken und behaarter Brust und einem Schwanz wie ein Steinpilz, der an der Wurzel am dicksten ist. Aber kurz, denkt Tova triumphierend. Der kürzeste Pimmel, den ih je gesehen habe. Der macht keiner Frau Freude. Es ist eine Lüge, dass es keine Rolle spielt, wie lang oder wie dick er ist. Er soll nicht so kurz sein, er soll unten nicht am dicksten sein, und seine lächerlich dünne Spitze soll nicht auf diese Art gekrümmt sein. Das wiederholt sie immer wieder in ihrem Kopf. Sie sagt es im Takt seiner widerlichen, primitiven Musik, die sich über sie ergießt, dingelingelingdingding kümmerlicherkurzerpimmelkurzerpimmel aber irgendwie spürt es das, er schleift sie ins Schlafzimmer, wirft sie aufs Bett, bindet sie an den Bettfosten fest und hat dabei einen so gefährlichen Ausdruck im Blick, dass sie nicht nach ihm zu treten wagt, obwohl sie schon dazu ausgeholt hat und verhöhnt sie. " So, du gehörst also zu diesen Emanzen, die sich alles selber aussuchen, bitte schön, such dir´s nur aus, wie möchtest du es haben, von hinten oder von vorn oder beides zugleich, was hast du denn im Maestro zu suchen gehabt, wenn du nicht ganz geil darauf warst, wolltest dir wohl nur die Briefmarkensammlung oder das Fotoalbum ansehen, wie, beim Tanzen kannst du dich ja prima ranschmeißen und einem schöne Augen machen und einem das Knie zwischen die Beine schieben und die Haare um den Kopf fliegen lassen, und die Schweißtropfen und deiner Oberlippe, die bedeuten, dass es auch noch woanders getropft hst..." " Hör auf du Schwein!" "Nana, das wirst du doch nicht abstreiten wollen, du bist schließlich keine ahnungslose Jungfrau mehr, du hast gedacht, du kriegst alles nach deinem Willen, oder, erst so tun, als wenn du aufs Ganze gehst, und dann die Beine zusammenkneifen und tschüss, vielen Dank, na willst du denn nicht die Polizei rufen, willst du ihnen nicht sagen, dass dieser schlimme Kerl dich vergewaltigt hat, als du mit ihm Likör getrunken hast, und obwohl du deine Unterhöschen anbehalten wolltest, ist er mit seinen Fingern und seinem großen bösen..." dingelingedingding Tova konnte immer noch nicht glauben, dass es wahr ist, dass sie das wirklich ist, sie denkt, dass sie irgendwo anders ist, dass es diesen ekelhaften Typen gar nicht gibt, dass das alles nur ein komischer Traum ist dieser verdammte Geburtstag diese tiefschwarzen Kirschen, es wäre niemals passiert, wenn sie dreißig wäre, nicht mal angesehen hätte sie diesen wiederlichen Kerl, der nicht das geringste Kari zu tun hat und auch sonst mit keinem Mann, an den sie je gedacht hat o Gott, nur nicht daran denken, sonst muss sie weinen was brabbelter da schon wieder für Unflätigkeiten vor sich hin, begießt sie mit seinem glitschigen Likör und leckt ihn wieder ab, schade, dass es nicht jemand anderes ist, zuckt es ihr durch den Kopf, dann schüttelt sie sich, er begießt sich selbst mit Likör und will, dass sie ihn ableckt, sie spuckt ihn an, und erschlägt sie wieder, dann gießt er sich den Likör direkt in den Mund, und das gibt ihr ein Fünkchen Hoffnung, sie kippt selbst immer mehr Likör in ihn hinein, lässt ein kleines Rinnsal zwischen ihre Beine laufen, und er schlürft es auf, müde schmatzend, wann dämmert er endlich ein? Sanft streicht sie über seinen Nacken, massiert seinen Hinterkopf mit den Fingerspitzen, folgt dem Nerv, der zum Schulterblatt hinunterführt, sie weiß genau, wo er liegt, der Migränenerv, und noch mal zum Nacken hinauf, sie zwingt ihre Hände, noch behutsamer zu sein, ruhig, ganz ruhig, nur noch winzige, federleichte Bewegungen, dann bewegt sie sich selbst ein wenig, hält inne, hebt eine Hand, hält wieder inne, hebt die andere, hält den Atem an. Wartet. Sachte, sachte. Läßt sich aus aus dem Bett gleiten. Schnell ins Nebenzimmer, die Kleider auf dem Sofa, die Handtasche irgendwo darunter, sie rafft alles zusammen und läuft nackt ins Treppenhaus, lässt die Tür lautlos, fast lautlos ins Schloß schnappen. Immer, angespannt nach oben lauschend, die Knie weich wie Pudding. Sie zittert so stark, dass sie es kaum schafft, die Bluse zuzuknöpfen und den Reißverschluss am Rock hochzuziehen. DIe Strümpfe steckt sie in die Tasche, mit den Schuhen in der Hand macht sie die Haustür hinter sich zu. Schlüpft in die Schuhe und rennt los. Sie rennt um die Ecke, dann um noch eine kommt auf die Fredriksgatan, ihre Schritte hallen hinter ihr her, während sie vorwärst stolpert. Kurz vor dem Café Maestro, nein, nie wieder, sieht sie ein Taxi kommen, es stoppt auf ihr Zeichen hin, und sie lässt sich auf den Rücksitz sinken. Ihre Stimme klingt dumpf und undeutlich, als sie ihre Adresse sagt. Sie hält die Tränen zurück. Hält den Atem an, ballt die Fäuste, beißt die Zähne zusammen, dass es nur so knirscht. Bis sie endlich zu Hause ist. Dingelingeling Es ist halb fünf Uhr früh, und Tova Randers ist vierzig Jahre alt geworden. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Tief betroffen, als sei nichts geschehen. Tova weiß nicht, woher diese worte kommen, aber sie zwingen sich ihr immer wieder auf, wie sie da im Sessel sitzt. Es hilft nichts, die Stellung zu ändern und die Haarsträhne mit der linken Hand zu zwirbeln statt mit der rechten. Selbst als sie aufsteht und umhergeht, kann sie die Worte nicht loswerden. Tief betroffen. Als sei nichts geschehen. Allmählich glaubte sie, dass diese Worte tatsächlich etwas aussagen. Vielleicht sind sie nicht nur ganz unbegreiflich und ein bisschen pathetisch und geraubt, wie all diese sonderbaren wortkominationen und Rhythmen, die in ihrem Kopf hängen bleiben, wenn sie Migräne hat. Oder kurz bevor sie Migräne bekommt oder wenn sie gerade einen Anfall hinter sich hat. Vielleicht sagen diese Worte doch etwas über sie aus, jetzt, in diesem Moment. Tief betroffen. Wovon? Na, jedenfalls nicht von diesem Kerl. Mit dem hat sie nicht wirklich was zu tun gehabt, sie weiß kaum etwas von ihm , will auch nichts wissen. Von ihm und seiner Überheblichkeit, seiner Schrecklichkeit, seiner Schreck! Das ist es, sie ist starr vor Schreck, nicht tief betroffen, sondern wie gelähmt vor Schreck. Paralysiert von tausend Ängsten, von alten, uralten und neueren Ängsten, und von dieser brandneuen. Diese ganz frische Angst ist die einfachste, sie hat sich noch nicht einnisten können, hat sich nocht nicht überspielen und beschönigen lassen, und deshalb fängt Tova mit ihr an. Tova Randers sitzt in ihrem Polstersessel, zitternd und bebend vor Angst, dass jemand etwas von ihrer Demütigung erfahren könnte. Die Schande, gegen ihren Willen gezwungen zu werden. Die Schande, die Schwächere zu sein, die missbrauchte wird, die hasst und verachtet und sich trotzdem fügt. Das darf niemand erfahren. Das darf niemand je erfahren. Deshalb geht sie nicht zur Polizei. Sie bleibt sitzen und stochert in den letzten vierundzwanzig Stunden herum, als könnte sie alles ungeschehen machen, wenn sie nur lange genug stochert. Als könnte sie sich schließlich davonschleichen, es aussperren, es herausseitern lassen , es auskotzen, es wegschlafen. Sie wird schon eine Möglichkeit finden, es unschädlich zu machen. Es ausszustreichen und darüber hinwegzugehen. Als sei nichts passiert. Wenn sie bloss niemand gesehen hat. Wenn es bloß nicht irgendwie rauskommt und jemand davon erfährt, so dass sie dann doch die ganze Geschichte erzählen muss. Doch noch zur Polizei gehen muss, falls jemand Anzeige erstattet, der alles mitbekommen hat und sie als Frau aus dem Café Maestro erkennt. Der Taxifahrer, der sie nach Hause brachte, muss ihr angesehen haben, was ihr zugestoßen ist, und Nachbarn können es gehört haben. Lächerlich würde man sie jungen Polizisten im Revier, die jeder Einzelheit zu Protokoll nehmen wollen. Vielleicht schauen sie angestrengt auf ihre Papiere hinunter, während sie mit einem oder zwei Finger tippen, schauen hinunter, damit sie keine Blicke wechseln, wenn sie ihre Aussage macht. Oder sie sehen sie an und werfen ihr Blicke zu. Und wenn sie zu mehreren sind? Dann würde sie vielleicht ihren offenen Hohn zu spühren kriegen. Ein Strick? Aha. Ein weißer Strick also, und das linke Bein an der linken Bettpfosten gefesselt. Und was haben Sie gemacht, während der Kassette in einem Rekorder umdrehte, dieser Sittlichkeitsverbrecher? Likör haben sie getrunken, soso. Geschieden? Alter? Neununddreißig....ich meine vierzig. Vierzig also. Und geschieden.Aha. Tova , hasst die Polizei, mit denen sie in ihrer Vorstellung kämpft. Legt ihnen Worte in den Mund, die sie irgendwo aufgeschnappt hat, die schlimmsten, die ihr je zu Ohr gekommen sind. Geschiedene Frauenzimmer, da weiss man doch gleich Bescheid. Die sollten lieber dankbar sein. Zu lange keinen Mann gehabt. Sieht Gespenster. Es heißt, dass alle so werden. Klimakterisch. Oder sie kriegt gerade ihre Periode. Tova ballt die Fäuste vor Wut. Nein zum Teufel. Sie denkt nicht daran, sich damit abzufinden. Sie denkt nicht daran, es auszustreichen und einfach weiterzumachen, als sei nichts passiert. Lieber lässt sie sich verhöhnen. Lieber nimmt sie es in Kauf, dass sie ihr nicht glauben, wenn sie sagt , sie sei nur aus Apettit aus ein Steak mitten in der Woche am hellichten Nachmittag in ein Tanzcafé gegangen, sie sei nur wegen dem schönen Wetter die Frederiksgatan hinuntergegangen statt hinauf, es sei das Fruchtfleisch der schwarzen Kirsche gewesen, das sie dazu brachte, ihm in seine Wohnung zu folgen, sie habe sich seinen Likör nur deshalb getrunken, weil ihre Jungen bei Jon waren und nicht zu Hause ängstlich auf sie warteten, sie habe sich nur wegen dieses ganzspezielle Rasierwasserduftes auf sein Sofa gesetzt, und sie habe an ihrem Rock gezupft , weil einer, der genauso duftete, sie verlassen hatte natürlich werden sie ihr nicht glauben aber sie hat es wirklich nicht so gemeint sie hat nicht im Traum daran gedacht und im übrigen hat jeder Mensch das Recht, nein zu sagen, wenn er seine Meinung ändert. Jetzt wird Tova plötzlich sehr aktiv. Zuerst steht sie vom Sessel auf, aber nicht, um weinend auf und ab zu gehen, sondern um sich eine Tasse Tee zu machen. Das wird ihr jetzt guttun. Sie vergisst zwar das Wasser und läßt den Kessel fast verkochen, während sie nur wenige Meter weiter weg am Fenster steht, die Ellbogen aufs Fensterbrett gestützt, und in den dunklen Hinterhof starrt. Aber sie nimmt gar nicht wahr, was ihre Augen sehen, sie sieht nicht, welche Fenster dunkel sind und hinter welchen Licht brennt, welche von den Nachbarn im Urlaub und welche zu Hause sind. Sie muss den Wasserkessel nachfüllen, um sich ihren starken Tee aufzugießen. Während er abkühlt spinnt sie den Gedanken weiter, der sie aus dem Stuhl hochgejagt hat. Sie braucht lange, um sie große Tasse Tee auszutrinken. Aber sie hat keine Eile. Sie hat noch die ganze Nacht vor sich, und den nächsten Tag und diesen Monat und das ganze Jahr. Die Zeit spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sie weiß, was sie tun soll. Sie glaubt, es zu wissen, als die Tasse leer ist Sie wird nicht zur Polizei gehen. Das hat keinen Zweck Sie würde ihr sowieso nicht glauben. An ihrer Stelle würde sie das selbst nicht tun. Niemand würde ihr glauben. Aber das ist noch lange kein Grund, darüber hinwegzugehen, als sei nichts passiert, sich in Selbstverachtung, Migräne und Leiden zu wälzen und nach aussen hin gute Miene zu machen, während sie innerlich voller Hass ist. Wie ist sie es bisher getan hat. Was würde Jon tun? Was würde B. Tun? Was hätte Kari getan? Kurz und gut, was würde ein Mann tun, der gekränkte und gedemütigt worden ist? Er würde die Sache selbst in die Hand nehmen. Würde sich rächen. Würde kämpfen. Vielleicht unterliegen, vielleicht dabei draufgehen, vielleicht nicht nur den Feind , sondern auch unschuldige Bürge und sich selbst vernichten.. Aber kämpfen würde er! Tova Randers erklärt einem Mann, der in der Stenhuggeraregatan 5b im vieren Stock auf der rechte Seite wohnt, den Krieg. Morgen wird sie heruasfinden wie er heißt. Und dann wird sie sich eine Stategie ausdenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)