kanjo no uejini von Oceanwhirl ================================================================================ Kapitel 1: kanjo no uejini -------------------------- 感情の飢え死に Das Lachen der Kinder war die ganze Straße hinunter zu hören. Die Sonne schien und ließ den frischen, in der Nacht gefallenen Schnee leuchten und obwohl es schon Mittag war, fanden sich kaum Reifen- oder Fußspuren. Und so hätten die Schulkinder ihren Fußspuren vom Morgen zurück nach Hause folgen können, wären sie nicht zu beschäftigt damit gewesen, sich gegenseitig mit Schnee zu bewerfen. Sie alle lachten und riefen, rannten fröhlich durch das kalte Weiß und vergnügten sich. Alle bis auf einen. Nur ein einziger Junge lief schweigend und geradeaus blickend den Gehweg entlang, ohne sich darum zu kümmern, was um ihn herum geschah. Er war ohnehin schon viel zu spät dran. Es war schlecht durch den knöcheltiefen Schnee zu kommen und außerdem hatte ihr Klassenlehrer nach der letzten Stunde noch darauf bestanden, dass sie alle ihre Unterrichtsmaterialien ordentlich in den Spinden verstauten. Seine waren längst dort gewesen, aber dennoch hatte man ihn nicht früher gehen lassen, er hatte warten müssen, bis auch alle anderen fertig waren. Und jetzt war er schon fast zehn Minuten zu spät. "Hey, Streber!", hörte man von der anderen Straßenseite und schon fühlte er, wie ein Schneeball auf seinem Schulterblatt zerplatzte. Er klopfte sich fast beiläufig den Schnee von der Jacke und ging schweigend weiter, ignorierte weiterhin alles Gröhlen um ihn herum. Umso überraschter war er darum, als ihn plötzlich jemand am Arm packte und herumzerrte. Erschrocken blickte er in das Gesicht eines seiner Klassenkameraden. Er kannte seinen Namen, aber er hatte noch nie mit ihm gesprochen. Er hatte überhaupt noch sehr selten mit einem seiner Mitschüler gesprochen. "Warum lässt du dir das gefallen?", flaumte ihn sein Gegenüber an und ließ seinen Arm ruckartig los. "Warum sollte ich etwas dagegen unternehmen?", lautete die Antwort und er gab sich keine Mühe, laut genug zu sprechen, dass man ihn verstand. Es was ohnehin seltsam, dass ihn jemand ansprach. Das tat normalerweise selten jemand, außer, wenn er Hausaufgaben brauchte oder sein Bento. Aber selbst das hatte man ihm nach einigen Wochen auf dem Pausenhof nicht mehr abgenommen. Es gab Mütter, die sich in dieser Hinsicht mehr Mühe für ihre Kinder zu geben schienen, Kinder, bei denen es im Gegensatz zu ihm lohnenswert war, ihnen ihr Essen wegzunehmen. "Du kannst doch nicht einfach zulassen, dass die dich bewerfen!" Die Stimme des anderen wurde lauter. Offensichtlich war er empört über die Gleichgültigkeit des Schneeballopfers. "Du siehst doch, dass ich es kann..." Er wandte sich um, er hatte keine Zeit für solchen Unsinn. Hinter sich hörte er ein "Kein Wunder, dass alle dich unheimlich finden", aber es kümmerte ihn nicht. Natürlich fanden alle ihn unheimlich, beschimpften ihn als Gespenst, Psycho und Streber. Er redete kaum, er konzentrierte sich auf den Unterricht, hatte immer alle Hausaufgaben - und die waren immer richtig - und lachen hatte ihn noch nie jemand gesehen. Seine Lehrer hatten unzählige Gespräche mit ihm geführt, der Schulpsychologe hatte ihm das ein oder andere Mal auf den Zahn gefühlt und auch seine Eltern hatte man - sehr zum Ärgernis seiner Mutter - in die Schule geladen, ohne Ergebnis. Alles schien in Ordnung zu sein. Und dennoch war er anders als andere Kinder. Er war eben einfach ein bisschen unheimlich. Die Stimme hinter ihm war verstummt und er lauschte konzentriert auf seine Schritte, die den Schnee knacken ließen, blendete das Geschehen um sich herum aus. So lange, bis ihn wieder ein Schneeball traf, ein besonders großer, genau in den Nacken, wo er zerbröselte und in kleinen Klumpen in seinen Kragen fiel. Kaltes Wasser lief seinen Rücken hinab, durchnässte das Hemd seiner Schuluniform und die Jacke. Das würde Ärger von seiner Mutter geben... Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, als er sich umwandte, um zu sehen, wer da gerade geworfen hatte, aber dennoch schienen Funken aus ihnen zu sprühen. Er hätte heulen können vor Wut, aber er hatte schon lange gelernt, Tränen zu unterdrücken. Das Lachen auf der anderen Straßenseite verstummte schlagartig und alle starrte ihn bloß an. Niemand schien mit einer Reaktion gerechnet zu haben. "Los, zahlen wir's ihnen heim!!", rief Kotaro, bevor er sich bückte, etwas von dem Schnee aufhob, ihn zu einem lockeren Ball formte und ihm dem anderen in die Hand drückte, der mit einem Mal etwas überfordert war. Was sollte das jetzt, das war doch lächerlich. Kotaro bewaffnete sich selbst, wollte schon losstürmen, als er bemerkte, dass er der einzige mit so viel Angriffslust zu sein schien und sich umwandte. "Was ist, beweg dich, der Schneeball wird sich nicht von alleine werfen!", rief er, packte ihn dann an der Hand und zerrte ihn einfach grob mit sich zur anderen Straßenseite. Die Kinder dort begriffen erst jetzt, dass die beiden Jungen tatsächlich zurückschlagen würden und auch dem eigentlichen Opfer war schleierhaft, warum Kotaro sich überhaupt mit ihm abgab. Immerhin war er eigentlich zu beliebt, um sich mit dem Psycho abzugeben. Kotaro ließ seine Hand los, als sie die Straße zur Hälfte überquert hatten und schmetterte seinen Schneeball in die kleine Herde Unterschüler, bevor er wieder eine Kugel aus Schnee formte, sich dann umwandte. "Jetzt wirf schon!!", schrie er. Es folgte ein kurzes Nicken, dann flog der Schneeball, der sich allmählich in seinen Händen aufzulösen begann, ebenfalls in Richtung der anderen Kinder. Dass er in der Luft zum Großteil zerfiel, bedeutete wohl, dass er nicht fest genug gewesen war und so drückte er die beiden darauffolgenden Hände voll Schnee fester zusammen, bevor er all seine Kraft in den Wurf legte und demjenigen, der ihn vorhin im Nacken getroffen hatte, eine Portion Schnee im Haar bescherte. Kotaro nickte ihm anerkennend zu und so ermutigt begann er, als er einen neuen Schneeball geformt hatte, die Verfolgung aufzunehmen. Atsushi, der zweifelsfrei derjenige war, der ihn als Streber beschimpft hatte, war der nächste, dann wieder Susano, und noch einmal Susano, weil er sich nicht wehrte, sondern nur davonlief. "Hey, pass auf!!", rief Kotaro, doch der Schneeball von Atsushi traf ihn dennoch an der Hüfte. Das würde er zurückbekommen, doppelt und dreifach.... Es war eine Schlacht epischen Ausmaßes, und obwohl die anderen ihnen zahlenmäßig weit überlegen waren, ergriffen sie nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, sich zu wehren, die Flucht und rannten davon. Kotaro blieb keuchend neben ihm Stehen und auch ihm selbst rasselte die eiskalte Luft in den Lungen. "Du bist gut...", meinte Kotaro mit einem breiten Grinsen, und er erwiderte es. "Ich hab Hunger", nörgelte der Andere dann mit einem Lächeln und klopfte ihm auf die Schulter. "Wir sehen uns morgen in der Schule!" Mit einem Winken verschwand Kotaro um die nächste Ecke und er war wieder allein. Das Schlachtfeld hinter ihm erstrecke sich über einige Meter, aber er fühlte sich, als sei er Kilometer weit gerannt. Seine Finger taten weh von der Kälte. Er war froh wenn er zu Hause war. Es fühlte sich ein bisschen an, wie ein Faustschlag in den Magen, als er einen Blick auf seine Armbanduhr warf und feststellte, dass er mit mindestens einer halben Stunde Verspätung zu Hause ankommen würde. Dennoch rannte er los, so schnell er konnte, rannte weiter, als er auf einem Gullideckel ausrutschte und rannte weiter, als seine Brust zu schmerzen begann. Sein Hals tat weh, als er durch das Gartentor an der Vorderseite des kleinen Hauses rannte und die von Nadelbäumen versteckte Treppe hinaufhastete. Hektisch kramte er seinen Haustürschlüssel hervor, steckte ihn in das Schloss und versuchte, ihn zu drehen. Es ging nicht. Immer wieder versuchte er mit eiskalten, zitternden Fingern den Schlüssel zu drehen, aber allem Anschein nach steckte von innen ein Schlüssel. Sein Elan verflog und er zog den Schlüssel wieder ab, musterte ratlos die Holztür. Es war die Strafe dafür, dass er zu spät war. Resignierend ließ er sich auf die kalte Treppe fallen und begann, seine Hausaufgaben zu machen. Er konnte darauf verzichten, auch noch wegen seiner Hausarbeiten Ärger zu bekommen, um 19:00 hatte er Klavierunterricht, bis dorthin musste er fertig sein. Die Kälte kroch durch seine Kleidung und seine Finger zitterten so stark, dass er kaum schreiben konnte. Es war ein Wunder, dass die Tinte in seiner Feder nicht gefroren war. Und irgendwann begann er, in der Kälte und dem Dämmerlicht des hereinbrechenden Abends zu weinen. Es dauerte drei Stunden, bis sich der Schlüssel im Schloss drehte und er abgezogen wurde, sich schließlich die Tür öffnete. "Oh", tat seine Mutter überrascht. "Da bist du ja, ich hatte dich vor drei Stunden erwartet." Ihre Stimme klang spottend und sie zerrte ihn ins Haus, warf die Tür zu und drängte ihn in Richtung der Treppe, bevor sie schrie: "Sieh zu, dass du in dein Zimmer kommst, um 19:00 Uhr beginnt dein Unterricht. Du hast einen Monat Hausarrest. Und ich will keinen Ton von dir hören, verstanden?" Yuuki nickte wortlos und lief so schnell und leise es ging die Treppe hinauf. Was machte es schon für einen Unterschied, ob er Hausarrest hatte oder nicht. Er war ohnehin immer allein... Es macht nichts, wenn wir nicht aufwachen in einer Realität, in der die Morgensonne niemals aufgegangen ist... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)