Malefica von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Sie hörte die Rufe hinter sich, drehte sich aber nicht um. Panische Angst lähmte sie, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Die Frau wollte nicht daran denken, was geschehen würde, wenn sie doch eingeholt würde. Natürlich wusste sie, was mit ihr passiert – es gab keinen, der nicht wusste, was mit einem geschah, der der Ketzerei und der Hexerei beschuldigt wurde. Sie hatte lediglich Angst um ihr Kindchen, das sie in Leinen gewickelt und sein Gesicht verdeckt hatte bei sich trug. Es war auf jeden Fall ein großes Risiko, es mitzunehmen, aber sie konnte es auch nicht sich alleine in ihrer Hütte überlassen. Die Dorfbewohner würden es finden und... Sie schüttelte den Gedanken weg. Ihr kleines Mädchen war doch erst ein paar Monde alt. Rasch irrte die Frau weiter durch die vom Regen der letzten Tage schlammigen Pfade und sah sich hin und wieder kurz um. Die Stimmen der Männer waren zwischen den vielen Bäumen kaum noch hörbar – sie schienen ihre Spur verloren zu haben. Dennoch war sie nicht beruhigt. Sie könnte nicht ewig vor ihrem Schicksal davonlaufen. Da würde auch kein Wunder helfen. Man würde sie hängen, wenn nicht sogar verbrennen, damit ja nichts von der Hexe übrig bliebe. Sie würde keiner Folter unterzogen werden, weil ihre Schuld eindeutig war. Für die Dorfbewohner. Wahrscheinlich hatten alle vergessen, wie oft sie ihnen schon geholfen hatte. Jedes Mal waren sie zu ihrer Hütte gekommen, baten um ein paar Kräuter und Tränke gegen ihre Kopfschmerzen, Blähungen oder auch anderes. Auch waren sie einfach nur auf einen Tee vorbeigeschaut und haben über Dies und Das geplaudert. Die Frau war beliebt gewesen, man hat sie gemocht und wenn irgendwo Hilfe gebraucht wurde, war sie da. Aber seit der Sohn des Müllers etwas aus ihrer Hütte genommen, während sie in die Wälder gegangen war, wurde sie gehasst. Sogar diejenigen, die einst behaupteten, ihre Freunde zu sein, wandten sich gegen sie. Er hatte es nämlich verwendet und natürlich ging etwas schief, weil er nicht das Wissen besaß, um es zu verwenden. Ihr Kindchen gab ein leises Wimmern von sich. Die ganze Zeit über war es still, als wüsste es, dass sie ihre Mutter und sich sonst verraten würde, wenn es schrie. „Schsch...“, machte die Frau. Sie hielt für einen Moment an, strich die Leinen dem Kindchen aus dem Gesicht und wischte sanft seine Tränen fort. Es schien den Weg vom Dorf in diesem dunklen Wald nur geweint zu haben. „Ich hätte es wissen müssen“, flüsterte die Mutter. Sie drückte ihr Kind fest an sich und vergrub ihr Gesicht in den Tüchern. „Verflucht! Ich hätte besser aufpassen sollen!“, schluchzte sie hemmungslos. Sie war eine starke Frau. Keine einzige Träne hat sie vergossen, als sie verspottet und erniedrigt wurde. Allem hatte sie mit Stolz standgehalten. Nicht einmal im Ton vergriffen hatte sie sich. Sie war weiterhin höflich und freundlich geblieben. Keinesfalls wollte sie den Leuten den Triumph lassen, sie hätten sie auf irgendeine Weise demütigen können. Ihre einzig verwundbare Stelle war ihr Kind. Und das wollte sie auf jeden Fall nicht im Dorf lassen – könnte sie auch nicht. Sie würde schon einen Ort finden, wo sie es verstecken konnte, dachte sie sich. Eine Weile verging, die Frau stand immer noch da. In der Ferne hörte man einen Raben schreien. Durch das Blätterdach kamen vereinzelte Tropfen. Die Frau hob langsam den Blick und sah sich um. Sie hatte nicht aufgepasst wo sie hin lief. Jetzt fand sie sich auf einer Lichtung wieder. Dunkle Tannen und Laubbäume umrahmten die kleine wild bewachsene Stelle. Durch einige Lücken in den Baumkronen konnte sie den Himmel sehen. Der Morgen dämmerte bereits und die Wolken lösten sich immer noch nicht auf. Plötzlich knackte es im Geäst. Erschrocken fuhr die Frau herum, konnte jedoch nichts in dieser Finsternis erkennen. Jetzt bewegte sich aber ein kleiner runder Schatten einige Meter rechts von ihr. Sie wagte nicht, zu fragen, wer dort war. Vielleicht wurde sie noch nicht entdeckt, also war es besser leise zu bleiben. Der Schatten bückte sich, schien etwas aufzuheben und schlich weiter durchs Unterholz. Sein Gang war etwas schwerfällig, bemerkte die Frau. Es konnte eine Alte aus dem Dorf sein. Was sollte sie jetzt tun? Würde sie versuchen zu verschwinden, würde die Alte sie sicherlich entdecken. Und wenn sie stehen bliebe, könnte sie auf sie stoßen. Als die Mutter immer verzweifelter wurde, hörte sie plötzlich eine krächzende Stimme aus der Richtung des Schattens und schmatzende Schritte im matschigen Laub. „Ich weiß, dass du dort stehst. Aber ich bin keine aus deinem Dorf, so bewahre Ruhe.“ Gewiss, die Stimme war ihr neu. Trotzdem gab sie keinen Mucks von sich und atmete tief ein und wieder aus. Jedenfalls versuchte sie es, doch ihr Atem ging zittrig und schwer. Eine Hand legte sich auf ihren rechten Unterarm. Die Frau schrak zusammen und wäre beinahe zurückgesprungen, aber sie fuhr nur ihren Kopf herum und starrte in das faltige Gesicht einer in die Jahre gekommen Frau. „Wovor fürchtest du dich so, Kind? Es ist niemand hier, vor dem du Angst haben solltest.“ „D-Doch... Sie sind hinter mir her – und meinem Mädchen“, stotterte die Mutter zurück. Trotz der Dunkelheit konnte sie die hellen Augen der Alten erkennen. Sie blickten sie weich an und sofort fühlte sie sich ruhiger und nicht mehr ganz so angespannt. „Ich hörte von dir. Deine heilkundigen Künste werden in meinem Dorf hochgelobt.“, sprach die Alte in einem gleichmäßigen Tonfall. „Du hast einigen schon oft geholfen. Sie sind dir immer noch außerordentlich dankbar, Katharina.“ „Ja... Ich erinnere mich. Aber wer bist du?“ „Anna Heinemann.“, sagte die alte Frau. „Doch sag, warum bist du so in Hast? Was ist geschehen?“ Katharina blickte zu Boden und eine Träne kullerte ihr die Wange hinunter. Sanft drückte Anna den Arm der Frau. „Bei euch also auch...“ Seit Monaten kamen die Inquisitoren in die Dörfer und nahmen Männer und Frauen mit sich. Meist traf es aber Frauen, die oft von ihren Nachbarn verraten wurden, weil sie zu dem Zeitpunkt vielleicht in Konflikt waren. Und Männer, wenn sie zu engen Kontakt mit den Angeklagten hatten. Kindern wurden die Mütter entrissen und niemand wollte sie zu sich nehmen, weil es womöglich auch Hexen und Hexer waren. Man erzählte sich überall, sie würden gefoltert. Niemand konnte mehr sicher sein, ob er nicht auch irgendwann dran sein würde. Es herrschte eine riesige Aufruhe in vielen Städten und Dörfern. Alle wünschten sich, dass es doch bald zu Ende sein möge. Doch es ging weiter und weiter. Eine Welle der Ausrottung von Frauen, die den Leuten nicht passten. Angst und Schrecken wurde verbreitet, Schreie der Gefolterten drangen aus Fenstern von Burgen und Häusern. Es war grauen-erregend. Nun waren die Inquisitoren in Idstein und Umgebung. Katharina war die einzige aus dem Dorf Hohenstein, die verfolgt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)