My heart leaps for you~ von _miku-kun_ ================================================================================ Kapitel 1: Das erste und letzte kapitel x3 ------------------------------------------ Der Regen peitschte auf ihn ein, während er durch die dunklen Gassen Tokios lief. Seine Kleider wogen bereits Zentner und bei jedem Schritt konnte er die sich eklig anfühlende Nässe in seinen Schuhen spüren, die sich dort, seit er durch eine große Pfütze gelaufen war, angesammelt hatte, die Frisur ruiniert. Doch das alles kümmerte ihn wenig. Er war zum Teil sogar dankbar, dass es regnete. Denn dann fielen seine salzigen Tränen nicht auf, die sich von seinen schönen Augen über die Wange hin ihren Weg bahnten und sich unterwegs mit den kleinen, perlenähnlichen Tropfen des Regens zu vermischen. Es waren Tränen der Verzweiflung und der Wut. Er rannte zielstrebig immer weiter geradeaus und dennoch wusste er nicht, wo er hinlief; seine Beine trugen ihn wie von selbst weg von ihm. Allmählich bekam er Seitenstechen, doch das störte ihn nicht im Geringsten. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Er fragte sich, wie dumm man eigentlich sein konnte. Wieso hatte er es ihm gesagt? Wieso nur? Sie waren ihr ganzes Leben über die besten Freunde gewesen und jetzt – jetzt hatte er es mit einem Mal zerstört. Leise schluchzte er auf und ihm wurde übel, als er daran dachte, dass nichts mehr so sein würde wie es noch vor zehn Minuten gewesen war. Und das alles nur, weil er sich selbst und seine Gefühle neuerdings nicht im Griff hatte. Die Gefühle, die er für seinen besten Freund hegte; dessen er sich vor einigen Wochen erst bewusst geworden war. Vom Schmerz völlig benebelt lief er weiter, den Blick auf den asphaltierten Boden gerichtet, den er durch den Schleier aus Tränen und Regen nur verschwommen wahrnahm. Und so merkte er auch nicht, wie der Bürgersteig auf einmal zu Ende war und er mitten auf die Fahrbahn einer gut befahrenen Straße lief. Als er das energische Hupen und das Quietschen der noch abbremsenden Reifen hörte, war es bereits zu spät. Er merkte nichts von dem Aufprall, hatte nur einen vor Augen, bevor ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde… „Das ist nicht fair“, flüsterte er leise. „Das ist einfach nicht fair…“ Sein Blick ruhte gedankenverloren auf dem blassen Gesicht seines Freundes; das gleichmäßig ertönende Piepen der unzähligen Maschinen, an die dieser mit ebenso vielen Schläuchen und Kabeln gebunden war, nahm er schon längst nicht mehr wahr. Seit Tagen saß er nun an seinem Bett, wartend darauf, dass er endlich zu sich kam. Doch den Ärzten zufolge konnte dies noch dauern. Sie erklärten, dass es an den vielen Kopfverletzungen läge, die er bei dem Aufprall mit dem Auto bekommen hatte. Nur Kanon wollte nicht mehr warten; er blinzelte ein paar Mal, um die aufkommenden Tränen zurückzudrängen. Sanft strich er ihm eine einzelne Haarsträhne aus dem Gesicht, das sich dorthin verirrt hatte; er fand, dass er aussah, als ob er friedlich am Schlafen wäre. Nur der weiße Verband um seine Stirn und die vielen Schläuche machten diesen Eindruck wieder zunichte. Er wollte endlich wissen, wie der Unfall passieren konnte. Von der Polizei hatte er erfahren, dass sein Freund laut Zeugenaussage einfach so auf die Straße gelaufen war. Kanon wollte ihn selbst fragen; er seufzte leise auf. Er blickte nicht von Miku auf, als eine Schwester zaghaft hereinkam, nur um sich die Angaben auf den vielen Monitoren zu notieren, ehe sie wieder ging. Er legte seine Arme auf den Bettansatz, ungefähr auf Mikus Brusthöhe, und seinen Kopf obendrauf; die Augen schloss er. Kanon wusste, dass er falsch reagiert hatte. Vor sich sah er sich zusammen mit Miku in seiner Wohnung. Dieser war zu ihm gekommen, da er mit ihm laut Telefongespräch über etwas Wichtiges reden wollte; und da er sich ziemlich ernst angehört hatte und weil er sein bester Freund war, war er seiner Bitte natürlich nachgekommen. Nur das, was Miku ihm dann verraten hatte, war ziemlich überraschend gewesen. Kanon hatte es einfach nicht glauben wollen und nun wusste er, dass es falsch gewesen war, ihn anzuschreien – nur, um ihm klar zu machen, dass er es schnell wieder vergessen sollte. Daraufhin war er von Miku wütend und enttäuscht beschuldigt worden, dass er doch sein bester Freund wäre und dass er geglaubt hatte, vernünftig mit ihm reden zu können. Dann war er gegangen, bevor er sich hatte entschuldigen können. Und das wollte Kanon so schnell wie möglich nachholen... Als er das Krankenzimmer betrat und die Tür leise hinter sich schloss, schien die Sonne durch das große Fenster herein, erwärmte den Raum mit ihren sommerlichen Strahlen und ließ ihn noch heller erscheinen. Sein Blick fiel wie jeden Morgen auf das Bett mit den schneeweißen Laken, nur um traurig festzustellen, dass eine fast ebenso weiße Gestalt auch heute noch nicht aufgewacht war. Er trat ans Bett heran und strich Miku leicht übers Haar; die mitgebrachte Blume tauschte er gegen die alte, in einer schmalen Vase stehend, auf dem Nachttisch aus. Besorgt betrachtete er Mikus bleiches Gesicht; er konnte an den kleinen Wölkchen, die sich am Rand der Sauerstoffmaske über seinem Mund bildeten, seinen Atem erkennen. Das beruhigte ihn ein wenig. Er seufzte leise auf, ging auf die andere Seite des Bettes und beugte sich über Kanon, der mit dem Kopf auf seinen Armen dicht an Mikus Seite offenbar am Schlafen war. „He, Kanon“, flüsterte Bou und stupste ihn an der Schulter an. Natürlich wusste er, dass er nicht gerade flüstern brauchte, doch er tat es intuitiv. Daraufhin protestierte dieser mit einem leisen Murren gegen den Störenfried, hob dann aber nach ein paar Sekunden ruckartig den Kopf und warf sofort einen Blick auf Miku, nur um die Anspannung, die seinen Körper plötzlich ergriffen hatte, als ihm wieder eingefallen war, wo er übernachtet hatte, enttäuscht wieder abzulegen. Bou legte eine Hand verstärkend auf seine Schulter. „Er wird es schaffen“, sagte er, um Kanon und auch sich selbst Hoffnung zu geben. „Die Ärzte sagen, er ist außer Lebensgefahr.“ Einen Moment lang war nur das gleichmäßige Piepen der Maschine zu hören, an die Miku angeschlossen war. Bou erinnerte sich, wie er vor etwa einer Woche in seiner Wohnung gesessen und sich große Vorwürfe gemacht hatte, dass er ihm nicht geantwortet hatte. Miku war zwar schnell weggerannt, nachdem er ebenso plötzlich am frühen Abend bei ihm aufgetaucht war, doch er hatte die Existenz des Handys völlig vergessen. Als er endlich versucht hatte, ihn zu erreichen, um noch einmal mit ihm zu reden, war keiner rangegangen. Dann, etwa fünf Minuten später hatte Bous Handy geklingelt, auf dem Display Mikus Namen. Der Notarzt war dran gewesen. Daraufhin war er sofort ins Krankenhaus gefahren, wo er sich zunächst über Mikus Zustand informiert hatte, der zu dem Zeitpunkt ziemlich kritisch gewesen war, bevor er Kanon angerufen hatte. Seit jenem Tag hatten sie sich beide abgewechselt, bei ihm zu bleiben. „Miku war vor seinem Unfall noch bei mir“, sagte Bou. Ihre Blicke trafen sich. Seufzend erhob sich Kanon von dem Stuhl, auf dem er die ganze Nacht gesessen hatte, und streckte sich. „Ich hole mir jetzt erst mal `nen Kaffee. Willst du auch einen?“ Bou überlegte kurz, nickte dann aber. „Danke.“ „Kein Ding.“ Kanon warf ihm ein warmes Lächeln zu, ehe er verschwand. Bou sah ihm nach. Er fragte sich, ob Kanon überhaupt wusste, wofür er sich gerade bedankt hatte. Er war froh gewesen, dass er ihm keine Fragen über Mikus Besuch gestellt hatte – schon allein, weil Kanon eigentlich jedes Recht hätte, ihn danach zu fragen. Schließlich war fast direkt danach dieser Unfall passiert. Bou sah in Kanon einen echten Freund. Und nicht nur deswegen. In den Tagen, in denen Mikus Zustand besonders kritisch gewesen war hatte er ihn immer wieder aufs Neue aufgemuntert und sie hatten sich gegenseitig Trost spenden können. Manchmal kam es Bou so vor, als wüsste Kanon von Mikus Geheimnis. Hinter sich hörte er ein leises Stöhnen. Überrascht drehte er sich um und schaute direkt in die halb geöffneten Augen Mikus, dessen Kopf nun ein wenig seitlich auf den weichen Kissen lag. „Miku!!“, quiekte Bou erleichtert auf und wäre ihm am Liebsten um den Hals gefallen, ließ es jedoch vorsichtshalber sein. Stattdessen drückte er einfach nur seine Hand und ließ diese auch so schnell nicht wieder los. Miku blinzelte ein paar Mal und die Konturen um ihn herum nahmen eine klare Form an. Er drehte seinen Kopf ein wenig, doch diese Bewegung – so klein sie auch gewesen war – schmerzte so stark, dass ihm davon übel wurde; er schloss kurz die Augen, bis es wieder besser war. Als er sie wieder öffnete, entdeckte Miku vor sich Bous niedliches Gesicht, der sich besorgt über ihn gebeugt hatte; er spürte die Wärme, die von seiner Hand ausging. Bei jedem Atemzug fühlte er die Sauerstoffmaske über seinem Mund, konnte das hohe Piepen einer der vielen Geräte neben ihm hören. Bou drehte die Lautstärke an dieser ein wenig runter, um Mikus Kopf zu schonen, da er gesehen hatte, wie sehr er unter Schmerzen leiden musste. Dann nahm er ihm vorsichtig die Atemmaske runter. „Wie geht es dir?“, fragte er sanft. Miku öffnete den Miku, um zu antworten, doch es dauerte ein wenig, bis er erschöpft sagte: „Es ging mir noch nie besser.“ Bou grinste. „Deinen schrecklichen Humor hast du offenbar schon wieder. Dann kann es ja nicht allzu schlimm sein.“ Miku lächelte matt. Er versuchte sich zu erinnern, was passiert war; doch es wollte nicht so recht gelingen; das letzte, an das er sich erinnern konnte, war der prasselnde Regen. „Was ist passiert?“, flüsterte er leise und sah Bou hilfesuchend an; er spürte den wieder aufkommenden Schmerz aus Verzweiflung, Wut und Verletztheit, den er an jenem Tag gespürt hatte. „Du hattest einen Autounfall“, erinnerte Bou ihn. „Mensch, was hast du dir nur dabei gedacht, einfach so auf die Straße zu rennen?“ „Weiß ich selbst nicht“, murmelte Miku als Antwort und wich seinem Blick aus. Er wollte weder Zorn und Enttäuschung noch Besorgnis in seinen Augen sehen, die sich allmählich mit Tränen der Verzweiflung selbst zu ertränken versuchten. Dabei mochte Miku es überhaupt nicht, wenn sich die kleinen, unschuldig wirkenden Seelenspiegel durch das salzige Wasser unklar wurden; er wollte, dass sie vor Freude strahlten. Schlagartig erinnerte er sich daran, was er ihm gesagt hatte und dass nichts mehr so sein würde wie früher. Er hatte ihre Freundschaft zerstört, er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Bou hatte seinen niedergeschlagenen Blick bemerkt. „Miku, ich…“ „Ich weiß“, wurde er dann allerdings unterbrochen. Der Blonde runzelte ein wenig die Stirn und sah ihn irritiert an. Woher konnte er bitte schön wissen, was er jetzt sagen wollte? „Ist doch wohl ganz eindeutig“, meinte Miku daraufhin mit erschöpfter Stimme. „Ich habe einen Fehler begangen, ich hätte es dir nicht sagen sollen. Daher nehme ich es dir auch nicht übel, wenn du mich jetzt verabscheust und - “ „Geht’s noch?!“, rief Bou und sprang erschrocken auf, Miku ansehend, als ob er ihn zum ersten Mal sehen würde. „Wieso sollte ich dich denn verabscheuen?“ Miku war nicht minder irritiert, als er sagte: „Nachdem ich es dir gesagt habe, hast du mich so ausdruckslos angesehen; deshalb dachte ich, du willst jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben, weil ich - “ „Miku!“ Bou stampfte verzweifelt mit dem Fuß auf und sah seinen Freund weinerlich an. „Wie kannst du nur so was denken? Natürlich will ich noch was mit dir zu tun haben! Ich war nur überrascht, dass ausgerechnet du so etwas zu mir sagst. Was kann ich denn bitte dafür, wenn du wegläufst, ohne auf meine Antwort zu warten? Das doch so was von dumm! Du…du…“ „Bou! Nicht weinen!“, rief Miku dazwischen, als er die plötzlichen Sturzbäche sah, die aus Bou herauskamen. Stöhnend schloss er die Augen, als sein Kopf mit einer Woge aus Schmerz revoltierte, ihm war schlecht. „Tut mir Leid!“, sagte Bou schniefend, der gesehen hatte, wie schlecht es ihm nun ging, und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „Ich mache mir nur solche Sorgen um dich…“ Miku öffnete wieder die Augen und sah ihn niedergeschlagen an. „Das brauchst du nicht, Bou.“ „Wenn ein Mensch, der einem am Herzen liegt, eine Woche lang bewusstlos ist, geht das nicht anders!“ Das erschreckte Miku. Ihm kam es vor, als hätte sich der Unfall vor gerade mal fünf Minuten ereignet. Und Bou wollte ihm jetzt damit sagen, dass es eine ganze Woche her war? Da Mikus Konzentration noch nicht ganz auf der Höhe war, fiel ihm gar nicht auf, dass das blonde Etwas neben ihm mit diesem Satz eigentlich auf was ganz anderes hinaus wollte. Dieser schüttelte unverständlich den Kopf und sah seinen Freund mitleidig an. „Manchmal verstehe ich dich einfach nicht“, sagte er. „Aber da ich heute so großzügig bin, schiebe ich das jetzt mal auf deine schreckliche Gesundheit.“ Er musste lächeln; Miku hatte nämlich ein so verpeiltes Gesicht aufgesetzt, dass es trotz seiner Blässe und dem weißen Verband um den Kopf ungemein süß war. Seufzend holte er tief Luft. „Sag es mir noch mal.“ „Bitte?“ Miku vergaß vor lauter Verwirrtheit beinahe zu atmen. „Das, was du zu mir gesagt hast, als du plötzlich bei mir warst“, half Bou ihm auf die Sprünge und schob auch dies gedanklich auf die Kopfverletzungen. „Ach das…“ „…“ „…“ „Miku.“ „Bou?“ „Jetzt sag es doch endlich!“ „Was denn?“ „Sag mal, bist du so hohl oder tust du nur so?!“ „Nee…glaub nicht.“ „Manchmal verstehe ich dich echt nicht!“ „Hmm…“ „Du kapierst gar nichts!“ „Wieso? Ich - “ „Miku.“ „Bou?“ „Halt einfach die Klappe, ja?“ „Okay, aber ich - “ Bou legte ihm den Zeigefinger auf die schmalen Lippen, damit er endlich einmal still war und nicht andauernd irgendwelchen Mist von sich gab. Er seufzte. „Du bist echt das Komplizierteste, was mir je begegnet ist“, sagte er, lächelte dann. „Ich liebe dich doch auch, du Baka! Und jetzt präge es dir bitte für immer in deinen kaputten Kopf ein, ja? Obwohl…“ Er grinste ihn frech an. „Ich glaube, ich muss dich des Öfteren noch mal daran erinnern. Sonst vergisst du es noch!“ Miku sah ihn irritiert, aber dennoch glücklich an. „Wieso sollte ich es denn vergessen?“ „Na ja…“ Bou lachte. „Ich kenne dich halt.“ „Wie nett du heute mal wieder bist“, murmelte Miku beleidigt und sah ihn mit seinen großen Augen schmollend an. „Hey!“, rief Bou erbost. „Ich sehe genau, dass du nicht beleidigt bist!“ „’n Versuch war’s wert.“ Miku grinste. Bou beugte sich über sein Gesicht und küsste ihn… Wären die beiden nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, hätten sie eine schwarzhaarige Gestalt, in der Tür mit zwei heißen Kaffee-Bechern in der Hand stehend, gesehen, die zufrieden lächelte und gerade beschloss, sich bei Miku später zu entschuldigen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)