Vertraue mir von Pijara ================================================================================ Kapitel 6: Yugi verschwindet ---------------------------- Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen und die Stimmung hatte sich wieder um Einiges gehoben. Yugi und der Pharao erwähnten ihren Streit mit keinem Wort mehr und Kiara war froh darüber. Der Pharao redete wieder mit ihr und auch sonst schien alles wieder so zu sein, wie es vor ihrem Streit war. Eines jedoch war auch nach wie vor nicht aus der Welt. Noch immer litt Kiara unter ihrer vorläufigen Erblindung und noch immer war kein Ende in Sicht. „Komm schon, Kiara, wie willst du dich duellieren, wenn du nichts sehen kannst?“, entgegnete Yami, während er Yugis Zwillingsschwester gegenüber Platz nahm. Kiara grinste verschmitzt. „Lass es uns doch erst einmal versuchen.“ „Na schön, aber erwarte nicht, dass ich dich schone, nur weil du nichts sehen kannst.“ „Oh, keine Sorge! Ich beiß mich schon durch! Und wer weiß, vielleicht erlebst ja auch du eine Überraschung.“ „Ehrlich gesagt bezweifle ich das.“ Kiara zuckte mit den Schultern und zog ihre erste Karte vom Stapel. „Na schön, dann spiele ich ... Gaia, Ritter der Finsternis im Angriffsmodus und eine Karte verdeckt.“ Yamis riss die Augen auf, als Gaia auf dem Spielfeld erschien und in Angriffspose ging. „Wie ...“ „Was ist? Überrascht?“ „Ich ... nein ... na ja ... eigentlich ... woher wusstest du, dass es Gaia ist? Du kannst wieder sehen, gib es doch zu!“ „Wenn ich die Augenbinde trage?“, kam die prompte Antwort. „Na ja ...“ „Was ist, hast du Angst, Pharao?“ „Ich ... nein, nur ...“ „Dann mach deinen Zug.“ „Na schön! Schwarzes Magiermädchen, kombiniert mit Buch der geheimen Künste! Vernichte ihren Gaia!“ „Nicht, wenn ich deinen Angriff abblocken kann.“ Kiara aktivierte ihre verdeckte Karte und Yami schnappte nach Luft. „Die Macht des Spiegels? Seit wann machst du so einen typischen Anfängerfehler uns spielst eine so mächtige Karte gleich am Anfang des Spiels?“ Kiara zuckte mit den Schultern. Yami seufzte. „Versteh schon, du willst mir nur beweisen, dass …“ Yami stutzte. Ein süßer Duft drang ihm in die Nase und sein Blick fiel unweigerlich auf Kiaras Karten. „Du elendes kleines Biest! Du hast genau denselben Trick angewandt wie Mai. Du hast deine Karten mit irgendwelchen verschiedenen Düften markiert!“, rief er und riss Kiara grinsend ihr Deck aus der Hand. Kiara lachte und wollte wegrennen, prallte jedoch gegen eine Wand und stolperte in Yamis Arme zurück, der ihre Taille umfasste und sie in die Luft hob. „Dich werde ich lehren, mich überlisten zu wollen.“ „Lass mich los.“ „Kommt nicht in Frage! Erst wenn du dich entschuldigst.“ „Pharao!“, rief Kiara lachend und krallte sich in seinem Ärmel fest. „Ich krieg keine Luft mehr.“ „Sag, dass es dir leid tut.“ „Ich ...“ Kiara prustete los und schlug wie wild um sich vor Lachen. „Hör endlich auf, das kitzelt.“ „Sag Es tut mir leid!“ „Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!“ Yami entließ sie aus seinem Griff, hielt sie jedoch noch immer an den Schultern fest. Kiara atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. „Und? Wo bleibt die richtige Entschuldigung?“, fragte Yami grinsend, doch einen Augenblick später bereute er diese Frage, denn Kiara griff sich an den Kopf und sackte einfach in sich zusammen. Im letzten Moment fing er sie auf und lehnte sie vorsichtig an sich. „Kiara? Kiara? Alles in Ordnung? Was ist los?“ Kiara öffnete die Augen, hielt sich jedoch immer noch den Kopf. „Ich weiß nicht. Mir ist irgendwie so ... so schwammig. Ich glaub, ich muss mich erst einmal hinlegen.“ Yami nickte, ergriff ihren Arm und half ihr zu ihrem Bett, wo sie sich in die Kissen sinken ließ. Yami verließ indes das Zimmer, schnappte sich aus dem Badezimmer einen kalten Waschlappen und drapierte ihn vorsichtig auf Kiaras Stirn. Eine Weile blieb Kiara reglos liegen, atmete ruhig ein und aus und hielt Yamis Hand fest umklammert. „Und?“, fragte er schließlich und nahm den Waschlappen wieder von ihrer Stirn. „Es geht schon wieder.“ „Was war denn los?“ Kiara schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, aber … so langsam geht es mir auf die Nerven. Das ist jetzt schon das dritte Mal an diesem Tag.“ „Wie bitte?“ Yami sprang auf und funkelte sie an. „Und du hast es nicht für nötig erachtet, mir das mal zu sagen?“ „Na ja, ich …“ „Kiara, das ist kein Scherz. Irgendwas passiert mit dir und ich finde, das solltest du nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wie oft hattest du diese Anfälle jetzt schon?“ Kiara zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an. Heute oder in den letzten Tagen?“ Yami wurde blass. „Ich ziehe die Frage zurück, seit wann hast du diese Anfälle?“ „Seit … seit dem Zusammenbruch auf der Straße.“ Der Pharao verschränkte die Arme vor der Brust. „Mir gefällt das ganz und gar nicht“ „Glaubst du, mir gefällt es?“, fauchte sie zurück und sprang auf. „Ich kann nichts sehen, ich hab ständig Migräneattacken, ich falle andauernd in Ohnmacht und …“ In ihrem Eifer stolperte Kiara durch das Zimmer, bis sie auf einer auf dem Boden liegenden Karte ausrutschte und dem Pharao in die Arme fiel. „…und von den Leuten in der Schule muss ich mir auch blöde Sprüche anhören. Tut mir leid, wenn ich bei all dem Kummer vergessen habe, dir mein Leid detailgetreu zu schildern, aber ich dachte, dir ist sowieso schon klar, was ich gerade durchmache!“ Atem stellte Kiara wieder auf die Beine, hielt sie jedoch an den Schultern fest. „Jetzt flipp nicht gleich aus, das bekommt dir nicht gut.“ Einen Augenblick lang sah er sie forschend an, packte dann ihre Hand und steuerte den Ausgang des Zimmers an. Kiara stolperte unbeholfen hinterher. „Wo willst du hin?“ „Wir fahren ins Krankenhaus.“ „Was? Kommt gar …“, verzweifelt versuchte sie sich loszureißen, prallte in ihrem Eifer jedoch gegen die Wand und taumelte benommen zurück. Yami schmunzelte leicht. „Hat es weh getan?“ „Überhaupt nicht!“, fauchte sie und rieb sich die Stirn. Mit der anderen Hand tastete sie sich langsam vorwärts auf der Suche nach einem Stuhl. Yami rollte seufzend mit den Augen und griff nach ihrem Arm. „Wir gehen ins Krankenhaus und keine Widerrede.“ „Aber …“ „Bist du vielleicht endlich mal still?“ „Aber …“ „Du, deine Augen sind bald nicht die einzigen Dinge, die verbunden sind!“, knurrte er zurück und augenblicklich schwieg sie. Yamika erschien neben ihm. „Hör auf damit! Wenn sie nicht will, solltest du sie auch nicht dazu zwingen.“ Der Pharao funkelte sie wütend an. „Falls dir das nicht klar sein sollte, aber mit Kiara stimmt etwas nicht und ich habe nicht vor, es bei diesen Problemen zu belassen, nur weil sie vielleicht Angst vor Krankenhäusern hat.“ „Und falls es dir noch nicht aufgefallen ist, scheint Kiaras Problem nicht gerade irgendwelche physischen Ursachen zu haben. Du hast vollkommen Recht, wenn du der Meinung bist, dass mit ihr irgendetwas passiert, aber dieses Etwas kann ganz sicher nicht durch irgendwelche Ärzte geklärt werden.“ Yami wollte gerade etwas erwidern, als Kiara plötzlich zu zucken begann und auf die Knie fiel. Keuchend presste sie ihre Hände gegen die Schläfen… Flash! Ein Lagerhaus, keinen Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Eine Gestalt auf der Straße, die sie zu sich winkte. Sie war in ein bodenlanges weißes Gewand gekleidet, das Kiara unweigerlich an Ägypten erinnerte. Kiara stockte der Atem. Es war dasselbe Gesicht. Dasselbe Gesicht, das ihr vor Wochen in ihrer ersten … Vision erschienen war. „Kiara!!!“ Eine schallende Ohrfeige holte sie in die Realität zurück. Für ein paar Sekunden rieb sie sich unsicher die rechte Wange, bis sie wütend auf die Beine sprang. „Was soll das? Weißt du, wie weh das tat?“, fauchte sie und riss sich dabei die Augenbinde herunter. „Und davon hab ich auch so langsam die Schnauze voll.“, knurrte sie und pfefferte die Binde zu Boden. Mit vorgestreckten Armen tastete sie sich durch das Zimmer, auf der Suche nach ihrem Bett, auf das sie sich niederlassen wollte. Der Pharao runzelte die Stirn. „Kiara.“ „Sei still!“ Unsicher starrte er auf seine rechte Hand, die Kiara vor ein paar Sekunden eine ordentliche Ohrfeige verpasst hatte. Wütend ballte er sie zur Faust und verließ das Zimmer. Kiara vernahm das Zuschlagen der Tür und wirbelte herum. Angestrengt lauschte sie, doch nichts wahr zu vernehmen. „Pharao?“ Keine Antwort. Vorsichtig machte sie einen Schritt nach vorn, stieß aber gegen kein Hindernis. Nach und nach beschleunigte sie ihre Schritte, bis sie gegen die Zimmerwand lief. „Pharao!“, rief sie, während sie sich langsam die Wand entlang tastete, die Tür jedoch nicht finden konnte. Obwohl sie wusste, dass sie sich nur in ihrem Zimmer befand, geriet sie in Panik, als ihr klar wurde, dass sie ohne Hilfe nicht einmal das Haus würde verlassen können. Vor Panik rannen ihr bereits die Tränen die Wangen hinab. Wo war nur diese verdammte Tür? Und dann krachte sie gegen irgendein Möbelstück, fiel darüber hinweg. Irgendwo in der Ferne registrierte sie noch das Splittern von Glas, bevor sie in die Scherben stürzte und dann nur noch einen furchtbaren Schmerz verspürte. Sie konnte fühlen, wie etwas Warmes ihre Arme entlang floss und erstarrte, als ihr klar wurde, dass das ihr eigenes Blut war. Die Tür wurde aufgerissen und der Pharao stürzte herein. Selbst Yugis Geist, der neben ihm schien, verlor sämtliche Farbe, als sie Kiara am Boden liegen sahen. Sie war über die Kommode gestürzt und hatte gleichzeitig die Glaslampe umgerissen, die völlig zertrümmert neben Kiara lag, die in ihren Scherben gelandet war. Einzelne Splitter hatten ihr die Arme aufgerissen. Der Pharao sog scharf die Luft ein, stürzte auf das Mädchen zu und brachte sie vorsichtig auf Abstand von den Scherben. Ihr Großvater kam die Treppe hinauf gerannt und blickte ebenfalls völlig schockiert auf seine Enkelin, die mit tränenüberströmten Gesicht in Yamis Armen kauerte und leise vor sich hin wimmerte. „Mein Gott, was ist passiert?“ Yami biss sich auf die Unterlippe. „Ich … ich hab nicht auf sie aufgepasst.“ Großvater Muto blickte Yami besorgt an. Ihm war Yamis verbitterter Unterton nicht entgangen. Offenbar gab er sich die Schuld an dem Vorfall. „Ich hole Verbandszeug. Bin gleich wieder da.“ Eine halbe Stunde später hatte sich Kiara wieder ein wenig beruhigt und kauerte nun wie ein Häufchen Elend auf der Couch, während Yami neben ihr hockte, den Kopf in die Hände gestützt. „Es tut mir Leid, Kiara! Wirklich. Ich hätte dich nicht einfach allein lassen sollen.“ „Ich lebe ja noch.“ Yami blickte sie nachsichtig an. „Es hätte auch anders ausgehen können.“ „Natürlich hätte es das.“, seufzte Kiara, kroch vorsichtig bis zum Rand der Couch und tastete mit der linken Hand nach seiner. Ohne zu zögern ergriff er sie. Dann – ohne Vorwarnung – verpasste sie ihm einen ordentlichen Schlag gegen die Schulter, der ihn ohne Bremsung in die Kissen fallen ließ. „Und jetzt hör endlich auf, immer so schwarz zu malen.“, fauchte sie, obwohl die Belustigung in ihrer Stimme ohne Probleme herauszuhören war. Ächzend setzte er sich wieder auf und blickte sie beleidigt an. „Das tat weh!“ Kiara kicherte und lehnte sich an ihn. „Sollte es auch.“ „Was war vorhin eigentlich los?“ „Ich bin über die Kommode geflogen.“ Yami rollte mit den Augen. „Das meinte ich nicht.“ „Oh, dann meinst du den Grund für deine Ohrfeige?“ Augenblicklich wurde der Pharao rot. Neben ihm erschien Yugi, der ihn böse ansah. „Was nebenbei bemerkt, völlig unnötig war.“, knurrte er. „Du hattest einen Anfall, Kiara! Was hätte ich denn machen sollen?“ „Einen Anfall?“ „Du hast um dich geschlagen, gezuckt, als würdest du unter Strom stehen … ich wusste nicht mehr, was ich noch tun sollte. Du hast ja auf gar nichts mehr reagiert.“ Kiara ließ den Kopf hängen. „Wirklich? War es so schlimm?“ Yami warf Yugi einen hilflosen Blick zu, der den Wink verstand und seinen Platz übernahm. Nach kurzem Zögern rückte er ganz nah an seine Schwester heran, legte den Arm um ihre Schulter und lehnte seine Stirn gegen ihre Schläfe. „Vielleicht sollten wir wirklich ins Krankenhaus fahren. Nur zur Sicherheit.“ „Aber …“ „Kiara, ich mach mir langsam wirklich Sorgen um dich. Du hast plötzlich Anfälle, fällst in Ohnmacht, hast … epileptische Anfälle … Ich meine, es ist natürlich möglich, dass das alles irgendwie seinen Ursprung in etwas … Bösem hat, aber bitte … lass uns wenigstens erst einmal die Gewissheit verschaffen, dass es keinen physischen Grund für dieses ganze Dilemma gibt.“ Kiara schluckte. „Na ja … ein Problem kann man nur dann bekämpfen, wenn man den Ursprung weiß, hab ich Recht?“ „Soll heißen?“ Kiara seufzte. „Wir gehen ins Krankenhaus.“ Ohne ein weiteres Wort sprang Yugi auf und stürmte in den Korridor. Kiara umschlang ihren Oberkörper mit den Armen und unterdrückte das aufkommende Zittern. Sollte sie ihm etwas von der Vision erzählen? Zehn Minuten später waren sie auf dem Weg zum Krankenhaus. Yugi hielt Kiaras Hand fest umklammert und führte sie die Straße entlang. „Ist es noch weit?“, fragte sie schließlich. „Wir sind gerade beim Lagerhaus, nur noch um die Ecke, dann …“ Kiara stoppte abrupt. „Lagerhaus?“, fragte sie schockiert. Yugi runzelte die Stirn. „Ja! Warum?“ Kiara fing an zu zittern. War es möglich, dass es dasselbe Lagerhaus war, das ihr in ihrer Vision erschienen war? Sie wollte gerade etwas sagen, als sie Yugi nach Luft schnappen hörte. „Was ist los?“, fragte sie panisch. „Was ist das?“ „Was ist was?“ Doch Yugi antwortete nicht. Verzweifelt zerrte sie an seiner Jacke. „Was ist los?“ Und dann – ohne Vorwarnung – schleuderte Yugi sie zur Seite. Kiara konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, suchte hastig nach Halt, der ihr jedoch verwehrt blieb. Ungebremst krachte sie – mit dem Kopf voraus – zu Boden, hatte das Gefühl, die Vögeln singen zu hören, während sie weit in der Ferne die Stimmen von Yugi und Yami vernahm, bevor sie in den Tiefen der Bewusstlosigkeit versank… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)