Des Engels Tagebuch von MoonshineTora (Rrazpharroth) ================================================================================ Kapitel 28: Sehnsucht nach Zuhause ---------------------------------- Gabriel und ich verlassen die Siedlung. Bis zur nächsten Stadt ist es ein halber Tag fahrt. Von Dort aus wollen wir nach Yeron zurück. Wieder fahren wir durch die Einöde. Hier und da mal ein dürrer Strauch. Sonst nichts weiter als Stein und Sand. Mit dem Blauen Himmel geht er einen scharfen Kontrast ein. Mein Blick schweift zu Gabriel. Sie sieht munterer aus. Ihre Augen wieder weit geöffnet um nichts zu übersehen. Mit beiden Armen stützt sie auf dem Lenkrad. Sie merkt meinen Blick und schaut mich an. „Was ist denn? Willst du mir etwas sagen?“ Sie ist sehr neugierig. „Nein. Ich bewundere nur die Schönheit.“ Ich wende mich wieder ab. „Ich dachte du findest nichts schön.“ Ein scherzhafter Unterton ziert ihre Stimme. „Ich bin ein Mensch, ich kann das.“ Ich versuche ebenso ironisch zu klingen. „Wie wahr.“ Sie seufzt rhythmisch. Wir fahren eine ganze Zeit lang. Endlos weit ist die Wüste. So scheint es. Wir beide schweigen. Ich bin müde. Das lange Sitzen ist sehr anstrengend. Es fällt mir schwer die Augen offen zu behalten. Mein Kopf wird immer schwerer. Dabei hätte ich noch genug kraft um ihn halten zu können. Vielleicht ist der menschliche Teil in mir müde. Ich schrecke von einem heftigen Ruck auf. Ich bin eingeschlafen… Wir fahren immer noch. „Bist du müde, Ze… ich meine Rrazpharroth.“ „Ein wenig. Können wir vielleicht eine Rast einlegen?“ Wir schauen einander an. „Aber sicher. Ich bräuchte auch eine Pause.“ Sie hält auch sofort an. Ich steige aus dem Auto und entfalte meine Flügel. Die Sonnenstrahlen kribbeln auf der Haut. Das ist sehr angenehm. Ich strecke die Arme von mir und schließe die Augen. Auch Gabriel steigt aus dem Wagen. Sie trinkt einen ordentlichen Schluck Wasser. Sie streckt sich und läuft umher. Da merke ich ein Zupfen an meinem Gefieder. Gabriel spielt an einer Feder rum. „Lass das! Meine Schwingen sind kein Spielzeug!“ Ich lege sie an. „Aber ich wollte wissen wie sie sich anfühlen. Ich habe noch nie Engelsflügel angefasst. Sei doch nich so knauserisch.“ Sie schiebt die Unterlippe vor und zieht die Augenbrauen zusammen. „Nicht ziehen, nur streicheln.“ Sofort fängt sie wieder zu strahlen an. Achtsam fährt sie mit der flachen Hand über mein Gefieder. Sie bewundert es mit glänzenden Augen. „Das glänzt so schön, und so weich! Man spürt die Federn kaum. Ich will auch Flügel haben und fliegen können. Das muss so ein tolles Gefühl sein.“ Gabriel hört nicht auf zu streicheln. Ich überlege eine Weile. Gabriel streichelt derweil immer noch. Sie benimmt sich momentan trotz ihrer geistigen Reife so naiv. Aber genau das ist Gabriel. Sie darf sich niemals verändern. „Rrazpharroth, Ist alles okay mit dir?“ Mir fällt eben erst auf, dass sie sich mir zugewendet hat. Mit klarem Blick schaut sie mich an. „Mir geht es gut. Ich war nur in Gedanken versunken.“ „Träum nicht so viel, irgendwann verlierst du dich darin.“ Sie lacht mich munter an „Komm wir fahren weiter!“ Wir setzen uns ins Auto zurück. Wind bläst uns durchs Haar. Ich sollte mich Glücklich fühlen. Was ich in gewisser Hinsicht auch bin. Aber meine Stimmung ist melancholisch. Bedrückend. Schwer. Ich genieße Gabriels Dasein in meiner Nähe. Es ist nur von solch kurzer Dauer. Gabriel genießt ihr Leben. Denn sie weiß selbst, dass ihr Leben nur kurz ist. Schon immer war sie dieser Einstellung. Aber es wurde ihr vor Augen gehalten als klar wurde, wer und was ich wirklich bin. Was ist ein Menschenleben im Gegensatz zur Ewigkeit? Kürzer als ein Wimpernschlag. Was werde ich wohl machen, wenn ihre Seele sich vom Köper gelöst hat? Werde ich in der Wüste auf das Ende der Ewigkeit warten? Ob ich Gabriel vergessen werde? Ich habe kaum noch Erinnerung an mein vorheriges Leben. Bilder die von Tag zu Tag mehr und mehr auswaschen. Bis sie eines Tages verschwunden sind. Der Gedanke daran macht mir wirklich Angst. Etwas rüttelt mich sanft. Gabriel steht in der Beifahrertür. Draußen ist es dunkel geworden. Ich habe schon wieder geschlafen. „Wir sind in Kitapas angekommen. Ich habe uns für diese Nacht ein Zimmer gebucht.“ Noch ganz benommen baue ich die Illusion auf. „Du bist in letzter Zeit sehr schläfrig. Bist du vielleicht krank, oder hat physische Beschwerden?“ Zusammen laufen wir ins Hotel. Ich überlege. Eigentlich fehlt mir nichts. Wir stehen in einem Fahrstuhl. „Vielleicht habe ich auch nur die Kondition verloren…“ Gabriel lacht. „Stimmt! Zehn Jahre in der Wüste herumsitzen macht träge.“ Eine etwas ältere Dame schaut uns entsetzt an. Sie starrt mich an. Als ob sie mich bleich beschimpfen wolle. Ich rücke Gabriel etwas näher und starre zurück. Gleichzeitig flüstere ich: „Warum hast du solch ein vornehmes Hotel gebucht? Die Menschen hier sind alle so ekelhaft arrogant.“ Das hat die Frau gehört und wendet sich getroffen ab. „Ich will in einem weichen Bett schlafen und nach all der Zeit in der Wüste will ich mal eine Nacht im Luxus schwelgen.“ In unserem Stockwerk angekommen verlasse ich schnell den Aufzug. Man muss ihr nicht in die Augen sehen um zu sehen, dass sie kein guter Mensch ist. „Warum hast du es so eilig, Rrazpharroth? Du weißt doch gar nicht wo unser Zimmer ist.“ Unser Zimmer liegt im einunddreißigsten Stock des Gebäudes. Wir betreten unser Zimmer. Eine Karte dient als Türöffner. Hinter mir lasse ich die Tür vorsichtig ins Schloss fallen. Das Zimmer ist groß. Viel freundlicher eingerichtet als das in der Siedlung. Und was mich sehr wichtig ist; eine große Fensterfront lässt viel Licht in den Raum. Gabriel seufzt erleichtert und streckt sich. Dann räumt sie in ihrer Tasche herum. „Ich gehe Baden. Ich muss mich mal richtig entspannen. Das Bad in der Gaststätte war der Horror!“ Sie lächelt mir beherzt zu und verschwindet hastig ins Badezimmer. Ich gehe zum Fenster. Wir haben einen Balkon. Ich öffne die Tür. Sofort bläst mir ein milder Wind entgegen. Von Hier aus hat man einen guten Blick auf die ganze Stadt. Sie ist auch relativ groß. Der Mond ist diese Nacht nicht zu sehen. Die Menschen wollen immer so hoch hinaus. Flugzeuge. Hochhäuser. Warum das alles? Können Menschen nicht einfach einsehen, dass sie auf den Boden gehören. Vielleicht, weil Menschen Träumer sind. Gabriel ist auch ein Träumer. Ob ich ihr unser Zuhause mal zeigen soll? Darf ich es denn überhaupt noch mein zu Hause nennen? Aber ich vermisse es… Seit elf Jahren habe ich es nicht mehr gesehen. Ich lehne mich an das Geländer und verliere mich in Gedanken. Erinnerungen. Die letzten Bilder, die mir noch geblieben sind; von damals. Gabriel legt ihre Hand auf meinen Rücken. Sie lehnt sich an mich und schnürt ihren Bademantel enger. „Es ist kalt. Willst du nicht reinkommen?“ „In Ordnung.“ Mir ist zwar nicht kalt. Aber ich habe lange genug draußen gestanden. Gabriel zieht mich ins Apartment zurück. Sie schließt die Balkontür und läuft zum Bett. Sie zieht den Mantel aus und legt ihn über einen Stuhl. In Hemd und kurzer Hose legt sie sich unter die Decke und schaut mich erwartungsvoll an. Sie klopft den Platz neben ihr. Aber ich schüttle mit dem Kopf. „Warum nicht?“ Sie ist enttäuscht. „Ich werde diese Nacht sicher wach bleiben. Wir müssen auf der Hut sein.“ Sie legt ihre Hand auf den Schoß. „Hast ja recht…“ Mit dem Rücken lehnt sie am Kissen und starrt sich auf die Finger. Sie Spielt mit ihrem Ehering. „Gabriel.“ Sie hebt ihren Kopf. „Möchtest du mein zu Hause kennen lernen?“ Ihre Augen werden groß und fangen zu leuchten an. „Du meinst das Schloss?“ „Ja.“ „Unbedingt! Ich habe bisher nur Zeichnungen gesehen.“ „Ich würde es dir gern zeigen.“ Eigentlich ist der Grund mein zu Hause zu besuchen ein ganz anderer; egoistisch; ich habe Sehnsucht, Heimweh. Aber Gabriel profitiert ja auch davon. „Darauf freue ich mich schon. Also kaufe ich Flugtickets nach Korai!“ Ich stehe an der Balkontür und schaue aus dem Fenster. Gabriel legt sich auf die Seite und macht das Licht aus: „Gute Nacht, Zer… äh, Rrazpharroth“ „Schlaf gut, Gabriel.“ Ich drehe mich zu ihr. Schaue ihr beim schlafen zu. Ich habe Angst sie zu verlieren. Mit jedem weiteren Tag steigt die Angst einmal nicht richtig aufzupassen… Ein Wimpernschlag kann schon tödlich sein. Sie ist sehr schnell eingeschlafen. Sie sieht friedlich aus wenn sie schläft. Sogar dann lächelt sie sanft. Es ist Morgen geworden. Langsam schleppt sich die Sonne den Horizont hinauf. Noch liegt die Stadt im Schatten. Nur das Hotel und vereinzelte Hochhäuser werden vom Gold der Sonne berührt. Gabriel schläft noch tief und fest. So wie der Großteil der Stadt. Ich bin die ganze Nacht wach geblieben. Wie wenige andere in dieser Stadt. Langsam wird es immer heller, da klingelt der Wecker. Gabriel tastet im Halbschlaf danach. Schiebt ihn versehentlich vom Nachttisch. Erschöpft lässt sie den Arm darauf liegen und stöhnt leise. Regungslos bleibt sie liegen. Der Wecker klingelt unaufhörlich weiter. Ich stehe auf und hebe den Wecker auf. Schalte ihn aus und stelle ihn auf den Nachttisch zurück. Gabriel dreht den Kopf zu mir und schaut mich mit einem Auge an: „Danke, Zero…“ Ich höre den Namen zwar nicht gern, aber sie ist im Halbschlaf. Das ist zu entschuldigen. „Guten Morgen, Gabriel. Zeit zum Aufstehen.“ Ich lächele sie an. Denn ich weiß, dass es sehr motivierend ist morgens in ein fröhliches Gesicht zu sehen. Scheinbar zufrieden räkelt Gabriel sich im Bett und murmelt: „Guten Morgen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)