Leben von _Bella_ (~Sweetest Couple ♥ KaiXHilary~ Wettbewerb (Für den WB mit 2 Kapiteln abgeschlossen. Danach gehts weiter)) ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ So, erstmal Hallo und vielen Dank das ihr euch zu meiner FF verirrt habt und das hier lest. Hier möchte ich euch vorab ein par Informationen mitgeben, so wie ich sie bei meinen Nachforschungen im Internet gefunden habe. Zunächst möchte ich noch sagen, dass ich selbst noch nie richtige Drogen genommen habe und es auch nicht vorhabe. Ich hab mit 12 Jahren mal an einer Zigarette gezogen und fands ziemlich widerlich. Natürlich trinke ich mit meinen nun fast 20 Jahren auch gerne zusammen mit Freunden etwas. Das allerdings weder regelmäßig noch in extrem großen Mengen. Da ich also selbst noch nie Kontakt zu Substanzen wie Kokain, Heroin, Speed usw. hatte (zum Gück), kann es durchaus sein, dass die FF Fehler haben kann. Ich hab einiges in Büchern udn im Internet gelesen, damit es realistisch wird, doch schwierig war es trotzdem. Im ersten Kapitel das dieser Erklärung anhängt, wird das Fixbesteck mit den nötigen Utensilien aufgeführt, die für den Konsum von Heroin notwenidig sind. Dazu möchte ich euch eine kurze Erklärung geben: Heroin kann in verschiedenen Formen aufgenommen werden. Und zwar durch: -Inhalation -"Sniefen" -Rauchen -Mischkonsum -Intravenös Intravenöser Konsum ist die häufigste Art des Konsums. Dazu wird das Heroin mit Ascorbinsäure und Wasser gemischt (meist auf einem Löffel) und mit einem Feuerzeug oder einer Kerze das man darunter hält, aufgekocht. Den Arm schnürt man sich meist mit einem dünnen Gummiband oder Schlauch ab und injisziert sich die flüssige Mischung dann entweder direkt in die Vene oder unter die Haut. Die Ascorbinsäure wird benötigt, da Heroin meist nicht wasserlöslich ist und man deswegen einen Hilfsstoff braucht. Ascorbinsäure kann man in kleinen Mengen Rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Ascorbinsäure ist oft in Vitamin C Präparaten enthalten. So, dies ist also eine kurze Erklärung gewesen, um eventuelle Fragen zum Konsum zu beantworten, da ich das in der FF selbst nicht so ausführlich tun werde. Wär es genauer wissen und sich informieren will kann sich den Artikel auf Wikipeida durchlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Heroin Zum Schluss möchte ich auch alle die das lesen, um eines bitten: Tut euch soetwas bitte niemals an! Drogen, egal in welcher Form, helfen euch nicht, Probleme in den Griff zu bekommen. Sie erschaffen ein trügerisches Glücksgefühl und helfen für ein paar Stunden. Und dann steht ihr wieder am Anfang! Sie machen euren Körper und euer Leben kaputt und es hat nichts mit "Cool sein" oder so etwas zu tun. Drogen nehmen ist NICHT cool. Es ist dumm, gefährlich und in vielen Fällen tödlich! "Nein!" zu sagen ist cool! ----------------------------- Kapitel 1 Stickig und unerbittlich wehte mir der schwüle Sommersturm ins Gesicht und das Gewitter tobte über mir, während ich die verlassene Straße in Richtung Stadtrand entlang ging. Das schon lange stillgelegte Industriegebiet war nur noch Standort einiger Ruine, die vor Ewigkeiten einmal die ersten Bürogebäude gewesen waren und boten nun nur noch Unterschlupf für Obdachlose und Junkies. Der Gedanke dass ich genau deswegen schonwieder auf dem Weg dorthin war, bereitete mir Magenschmerzen und ich hatte keine Ahnung wie ich reagieren sollte, wenn ich ihn wirklich endlich fand. Die dünne Sommerjacke zog ich fester um mich und ich beschleunigte meine Schritte, als die ersten dicken Wassertropfen auf den Boden klatschten. Meine Freunde hatten versucht mich von meinem Vorhaben abzuhalten, hatten versucht mir auszureden nach ihm zu suchen und glaubten dass ich mich auf dem Weg nach Hause befand. Doch wie könnte ich aufhören nach ihm zu suchen? Wie könnte ich einen meiner Freunde aufgeben? Nur weil er auf die schiefe Bahn geraten war? Weil er nicht mehr wusste was richtig und falsch war? Weil er irgendwo in der Gosse lebte und sich seine Drogensucht durch Diebstahl und ähnliches finanzierte? Weil er ein Junkie war? Nein, deswegen würde ich ihn nicht aufgeben. Es war schon fast ein Jahr her, dass er das Team verlassen hatte. Bleich und ausgemerzt hatte er seine Sachen gepackt und war verschwunden. Das er zu der Zeit schon Drogen nahm und deswegen Turniere und Training verpasste, aggressiv war und uns im Stich ließ, wussten wir damals nicht. Erst als die Zeitung ein Bild von ihm veröffentlichte, wie er Drogen kaufte und man ihn mit einem Fixbesteck sah, wurde uns klar, was er sich selbst antat. Die Jungs hatten am Anfang versucht ihn zu finden, hatten ihm helfen wollen, so wie ich es nun auch versuchte. Doch sie hatten bald aufgegeben. Denn jemanden in einer Millionenstadt zu finden, der nicht gefunden werden wollte, war schier unmöglich. Und so hatten sie sich irgendwann damit abgefunden das einer in unserer Mitte fehlte. Nur ich konnte es nicht. Egal was ich tat, meine Gedanken waren bei ihm. Es kam oft vor, das ich den Tisch deckte, wenn wir alle im Dojo aßen und ich legte ein Gedeck zu viel auf. Niemand nahm es mir übel und niemand räumte das Gedeck weg, bis das Essen vorbei war. Auch Hotelzimmer, Flugsitze, Zugtickets – immer reservierte ich eines zu viel. Ich blieb stehen und blickte auf, als eines der letzten Betongerippe vor mir aus dem Boden herausragte, welches ich in den letzten beiden Wochen noch nicht durchsucht hatte. Was ich in den anderen Gebäuden gesehen hatte, war nicht erschreckend gewesen. Menschen in nichts weiter als Lumpen und Dreck gehüllt, der beißende Geruch nach Urin und Erbrochenem der die Luft in den Lungen brennen ließ und das Flüstern und Betteln nach Geld und Drogen, das sich wie ein Mückenschwarm erhoben hatte, wenn ich eine Ruine betreten hatte. Auch war es einige Male vorgekommen dass sich Leute auf mich gestürzt hatten, versucht hatten mir Tasche und andere Wertgegenstände zu stehlen. Noch ein Grund warum meine Freunde nicht wollten, dass ich meine Suche fortsetzte. Doch ich hatte mir angewöhnt schlichte, alte und ausgediente Kleidung anzuziehen, den wenigen Schmuck den ich manchmal trug zu Hause zu lassen, Taschen und andere Wertvolle Gegenstände nicht mitzunehmen. Alles was ich bei mir hatte, waren ein paar Geldscheine, denn ich hatte schnell gemerkt, dass Bettler und Junkies eher mit einem sprachen, wenn man ihnen eine Gegenleistung anbot. Und so holte ich noch einmal tief Luft als ich vor dem halb vernagelten Eingang stand, zog den Kopf ein und trat in die staubige, stickige Dunkelheit. Meine Augen brauchten einen Moment bis sie sich ans dämmrige Licht gewöhnt hatten und als ich mich umblickte war schnell klar das hier im Erdgeschoss niemand war. Doch das war fast immer so. Die Leute hatten sich ihre Lage in den oberen Etagen eingerichtet, in Fensternähe, damit sie sahen ob jemand kam. Mich hatten sie wohl auch kommen sehen und der Gedanken, dass ich nicht wusste wie viele mich dort oben schon erwarteten, machte mich nervös. Doch ich ging weiter, stieg langsam die halbeingestürzte Treppe nach oben und lauschte in die noch vorherrschende Stille hinein. Oben auf dem Treppenabsatz sah man deutliche Spuren im Dreck und ich ging langsam vorwärts, wohl darauf bedacht keine hektischen Bewegungen zu machen. Geschweige denn seinen Namen zu rufen. Der Flur der vor mir lag war lang und regelmäßig bröckelte alter Putz von den Wänden. Die alten Türen hingen schief in den Angeln oder fehlten ganz und ich konnte im schattigen Inneren deutliche Bewegungen ausmachen. Dann begann das Tuscheln und ich blieb in der Mitte des Ganges stehen, als die ersten Leute aus ihren Kammern krochen. Der widerliche Geruch, welcher schon die ganze Zeit in meine Nase gesickert war, schien mit einem Mal stärker zu werden und ich hielt einen Moment die Luft an. Erst als die erste Person mich berührte und das heißere Krächzen nach Geld die Luft durchschnitt, rührte ich mich wieder. Ich schüttelte die Hand weg und machte einen Schritt von den Menschen weg. „Kennt hier jemand einen Kai? Kai Hiwatari?“, fragte ich schließlich über das Murmeln hinweg und wich weiteren Händen aus. Niemand sagte etwas. „Kann mir jemand sagen wo ich ihn finde?“ Wieder nur schweigen. Auch wenn sie arm und am Ende ihrer Existenz waren; gegenseitig verraten würden sie sich nicht. Nicht wenn man nicht überzeugend war. Die ersten zogen sich bereits wieder in ihre verdreckten Bürolöcher zurück, während ich in meine Tasche griff und einen der Geldscheine hervorzog und hochhob. „Kann mir jetzt jemand sagen wo er ist?“, fragte ich und unterdrückte ein Seufzen, als sich einige wieder abrupt zu mir drehten. Doch noch bevor jemand den Mund öffnen konnte, zog mir jemand von hinten den Schein aus den Fingern und eine raue Stimme drang an mein Ohr. „Und wer genau will das wissen?“ Ich schluckte und unterdrückte ein Schaudern, bevor ich mich langsam umdrehte. Ich blickte in ein finsteres Gesicht, was nicht nur an dem Dreck und den schwarzen verfilzten Haaren lag, sondern es war der Blick. Die verkniffenen, dunklen und doch glühend roten Augen. Der starre Mund und die hohlen, eingefallenen Wangen. Alles an ihm strahlte Kälte und Gefahr aus und ich brauchte einen Moment um meine Stimme wiederzufinden. „Eine alte Freundin.“ Er lächelte und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. „Ich wusste gar nicht dass Kai Freunde hat. Also um deine Frage zu beantworten, ich kann dir sagen wo Kai ist.“ Er lächelte noch immer und beobachtete mich, wie ich den nächsten Schein aus der Tasche zog. „Und wo?“, fragte ich und hielt ihm den Schein hin. Grinsend nahm er ihn, steckte ihn zum zweiten und beugte sich zu mir. „Ich mag dich. Du weißt wie man mit jemandem wie mir umgehen muss.“ Sein fauliger Atem bereitete mir Übelkeit und meine Knie zitterten als er näher kam. „Er ist auf dem Dach.“ Ich starrte ihn an, wich einen Schritt vor ihm zurück und blickte dann die Treppe an die nach oben führte. „Er ist da oben. Glaub mir. Sollte dich beim raufgehen jemand belästigen“, sagte er grinsend und streckte die Hand aus, „sag ihnen das ich dich schicke und dann lassen sie dich in Ruhe.“ Ich glaubte ihm aufs Wort dass die Leute in dem Haus Respekt oder vielmehr Angst vor ihm hatten und hoffte das ich nicht erfahren würde warum. „Und welchen Namen soll ich ihnen sagen?“ Ich blickte auf die ausgestreckte Hand, deren Finger sich eindeutig aneinander rieben und drückte ihm den nächsten Schein zwischen die schmierigen Pranken. „Boris.“ Und damit wandte er sich ab, verschwand in der Dunkelheit eines Raumes und ließ nur noch ein heißeres Lachen erklingen. Ich starrte ihm nach, blickte dann über die Schulter zu den anderen, deren Blicke an meiner Hosentasche hing und ich entschied mich dann doch dazu, den Weg nach oben einzuschlagen. Sechs Stockwerke kämpfte ich mich nach oben, ging nicht auf Rufe und Fragen der Anwesenden ein und musste auch Boris‘ Namen nicht nennen, auch wenn ich einige Male kurz davor war. Doch dann erblickte ich endlich die schmale Eisentreppe, die aufs Dach hinaufführte und mit wackligen Beinen stieg ich die rostigen Stufen hinauf. Die schwere Stahltür hing schief in den Angeln und kreischte protestierend auf, als ich sie aufdrückte und hinaustrat. Der größte Teil der Überdachung war eingestürzt und die Trümmer ragten wie merkwürdige Beine in die Luft. Aus der Brüstung die das Dach umrandete waren große Stücke herausgebrochen und an der Stelle, an der das herunter gebrochene Dach wie ein Tuch herabhing lagen ein paar alte, gammlige Matratzen auf dem Boden. Daneben zerrissenen Zeitungen. Ich trat näher an das verrottende Nachtlager, berührte den rauen, zerlöcherten Stoff der wohl die Decke sein sollte und hob aus einem Reflex heraus die dünnen Matten an. Dazwischen lag, neben einigen Kondompackungen, ein zusammengeschnürtes Lederbündel. Ich nahm es in die Hand, zog die dünne Schnur ab und breitete es auf dem Bett aus. Eine benutzte Einwegspritze rollte mir entgegen, blieb an einem geschwärzten Löffel hängen, der neben einem dünnen Gummischlauch lag und das billige Gasfeuerzeug hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Die kleine Dose mit kristalliner Ascorbinsäure wirkte unter all den Sachen am harmlosesten. Selbst der kleine, weiße Kerzenstumpf wirkte kümmerlich und das sonst so wärmende Gefühl, welches ich normal spürte wenn ich eine Kerze sah, blieb aus. Und dann blickte ich die kleine Plastiktüte an. Das weiß-graue Pulver klebte am Plastik und an einer kleinen Ecke löste sich das Tesafilm und ein paar Körnchen rieselten auf meine Hand als ich das Tütchen hochhob. Meine Finger zitterten und meine Hoffnung, dass es vielleicht nur Kokain sei, wurde beim Anblick der anderen Utensilien zunichte gemacht. Kokain nahm man in Pulverform zu sich. Das wusste ich. Und ich wusste auch dass man Heroin erst durch Hitze verflüssigen musste, um es sich direkt in die Vene zu injizieren…mithilfe einer Kerze und eines Löffels… Ich ließ den kleinen Plastikbeutel fallen, rieb mir die Hände an den ausgewaschen Jeans ab und richtete mich hektisch auf – und prallte in der gleichen Sekunde gegen jemanden. Ich fuhr mit einem erstickten Schrei herum, als eine Hand mich am Arm packte. Und fast in der gleichen Sekunde erstarrte ich. Starrte mein Gegenüber an. Starrte in rubinrote Augen, die ihren ganzen Glanz verloren hatten. Starrte in ein Gesicht, so leer, bleich und eingefallen, dass ich ihn im ersten Moment kaum erkannte und abermals aufschrie. Die langen, schmutzigen Fingernägel gruben sich in meine Haut und der vertraute Geruch, den ich so sehr vermisst hatte, strömte mit dem Gestank des Hauses auf mich ein. Ich öffnete den Mund, doch Kai kam mir zuvor und seine Stimme jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. „Was tust du hier Hilary?“ Kapitel 2: 2 ------------ Kapitel 2 Still lag ich an diesem Abend in meinem Bett, starrte die Decke an und das Zittern, welches mich seit meiner Begegnung mit Kai schüttelte, hatte noch immer nicht richtig nachgelassen. Ich hatte sein Gesicht vor Augen und allein beim Gedanken daran erschrak ich erneut. Sein Haar war verfilzt und dreckig gewesen, hing ihm in verknoteten Strähnen ins Gesicht, denn es war ein ganzes Stück gewachsen. Sein Körper, verhüllt durch seine mittlerweile viel zu großen, kaputten Klamotten, hatte sogar durch den dicken Stoff hindurch erbärmlich und ausgemergelt gewirkt. Die Sehnen und Knochen an seinen Händen, Armen und seinem Hals hatten hervorgestanden. Und sein Gesicht. Sein sonst wunderschönes Gesicht, das ich immer so geliebt hatte; eingefallen, hohle Wangenknochen, dunkle Schatten und tiefe Ringe unter den Augen. Und auch die Augen selbst hatten mich erschreckt. Leer, stumpf und ohne Glanz hatten sie mich angestarrt, waren über mich geglitten, als wollten sie herausfinden ob ich etwas im Schilde führte. Und noch immer spürte ich die Stellen am Arm, an denen er mich gepackt und seine Finger samt Nägeln in meine Haut gebohrt hatte. Ich hatte nichts gesagt, nicht aufgeschrien, obwohl es wehtat. Viel zu schockiert war ich von seinem Anblick gewesen. Ich hatte damit gerechnet, hatte versucht mir vorzustellen wie er nach fast einem Jahr auf der Straße und über einem Jahr Drogensucht aussah, doch es war schlimmer als ich gedacht hatte. Ich wusste selbst das nicht alle Drogenabhängigen so aussahen, wie Kai es nun tat. Ich wusste dass nicht alle so lebten, wie er. Es gab genügend Spieler in der BBA die sich ihr Durchhaltevermögen hin und wieder mit einer Line oder anderen Aufputschmitteln stärkten, auch wenn man es den meisten nicht nachweisen konnte. Und keiner von ihnen lebte in baufälligen Ruinen und richtete sich zu Grunde. Doch vermutlich nahm auch keiner von ihnen Heroin. Wie sonst hätten sie noch aufrecht und selbstsicher in die Öffentlichkeit treten sollen, wenn ihr Körper von der Sucht nach dem nächsten Schuss geschüttelt wurde? Stumm rannen mir Tränen übers Gesicht, wie sooft in der letzten Zeit. Doch dieses Mal war es fast so schlimm wie an den ersten Tagen, kurz nachdem Kai gegangen und aus meinem Leben verschwunden war. Damals hatte ich nächtelang in mein Kissen geweint und hatte mich verkrochen. Schon immer war meine Beziehung zu Kai inniger gewesen, als die zu den anderen. Schon immer hatte ich seine Nähe genossen und jede Minute die ich mehr bei ihm sein konnte, mit Kusshand begrüßt. Ja, ich war schon immer in ihn verliebt gewesen. Eine naive, fast schon kindliche Liebe war es, die mich vollkommen beherrschte und mir in seiner Gegenwart jegliches Selbstbewusstsein nahm, mich unsicher werden ließ. Allein wenn er mich angesehen hatte, hätte ich zu stottern beginnen können. Auch heute war es mir so gegangen. Als er mich angestarrt hatte, hatte ich keinen Ton hervorgebracht. Nichts als ein ungläubiges, verschrecktes Krächzen war es vielleicht gewesen. Auch wenn es dieses Mal nicht so sehr an seinen Augen sondern viel mehr an dem Schock gelegen hatte, der mir den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Und dann dachte ich an seine Finger die sich immer fester um meinen Arm geschlossen hatten. An seine Augen die sich immer tiefer in meine gebohrt hatten. Mit einer Kälte, das ich selbst jetzt noch schauderte und die Decke fester um mich zog. Einen Moment lang hatte ich an diesem Mittag geglaubt, er würde die Hand heben und mich schlagen. Würde mich noch fester packen und schütteln und anbrüllen. Würde mir den Arm brechen und mich zum Teufel jagen. Denn ich war ein Eindringling in seinem Reich gewesen. Und das hatte er früher schon gehasst. Ich hatte in seinen Sachen gewühlt und was vermutlich das Schlimmste war: Ich hatte das in Händen gehalten, was er als den noch einzigen Sinn in seinem Leben sah. Seine Drogen. Wäre ich irgendjemand gewesen, irgendjemand den er nicht kannte; vermutlich hätte er mich mit nicht einem heilen Knochen davon kommen lassen. Er hätte mir, egal ob Frau oder nicht, mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dessen war ich mir sicher. Seine Augen waren so voller Wut gewesen, voller Hass und Verachtung, dass ich es kaum ertragen hatte, sie anzublicken. Doch dann hatte er mich losgelassen, abrupt, und erst da hatte ich gemerkt wie sehr mein Arm geschmerzt hatte und im Laufe des Tages hatten sich aus den tiefroten Abdrücken, Blutergüsse und blaue Flecke herausgebildet. Ich schloss die Augen, drehte mich auf den Bauch und zog mir die Decke über den Kopf. Das leise Schluchzen erstickte ich im Kissen, auch wenn niemand hier war, der es hätte hören können. Außer mir selbst. Früher hätte Kai niemals eine Frau auf diese Art und Weise angefasst. Vielleicht hätte er sie beiseite geschoben oder weggezogen. Doch er hätte ihr nie körperliche Schmerzen zugefügt. Egal wie wütend er gewesen war. Und das war er dank Tyson oft gewesen. Und meist war ich es gewesen, die versucht hatte ihn zu beruhigen. Und nie hatte er auch nur einmal die Hand gegen mich erhoben, hatte mich nicht einmal angeschrien, egal wie sehr ich ihn auch genervt und gestresst hatte. Doch jetzt war alles anders. Er war nicht mehr der, der er mal war. Er war nicht mehr der, der Selbstbeherrschung und Kontrolle als Charakterzüge auf der Stirn stehen hatte. Er war nicht mehr der, in den ich mich verliebt hatte. Jetzt war er ein Schatten, der im Dunklen lebte und eine menschenlose, kalte Hülle zurückgelassen hatte. Kontrolle und Selbstbeherrschung hatten da keinen Platz mehr. Doch lieben tat ich ihn trotzdem. Und genau das war es, was mich fast genauso sehr quälte, wie die Vorstellung, das er sich Stück für Stück zerstörte. Noch immer schluchzend rollte ich mich zusammen, presste die Hände aufs Gesicht und mein sich schüttelnder Körper krampfte sich schon fast schmerzlich zusammen. Angst, schreckliche Angst, die ich spürte seit er gegangen war, brach in mir aus, schnürte mir die Luft ab und ließ mich nur noch mehr zittern. Panik, furchteinflößende Panik, überrollte mich wie eine Sturmflut und lähmte alles. Hirn, Verstand, Körper. Nur ein schrecklicher Gedanke durchfuhr mich immer und immer wieder wie ein heißer Draht: Er wird sterben…er wird sterben…er wird sterben… Ich werde ihn verlieren! So lange hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben ihn zu finden, so lange hatte ich geglaubt das alles irgendwann wieder gut werden könnte. Doch all das schwand von Minute zu Minute, je länger ich an diese Begegnung und sein jetziges Ich dachte. Nichts würde gut werden. Nichts würde wieder so sein wie früher. Nichts. Und so lag ich da, weinte noch immer lautlos meinen Kummer in die dünnen Laken meines Bettes und keine ersehnte Erlösung kam über mich. Selbst als ich mich in den Schlaf geweint hatte, folgten mir Kais Augen durch meine wirren Träume, jagten mich und mehr als einmal erwachte ich schreiend, schweißgebadet und mit tränennassem Gesicht. Ich hatte am nächsten Tag lange vorm Spiegel gestanden und hatte mich angestarrt. Ich sah aus wie immer. Braune Haare und braune Augen. Jeans und Top. Wie immer. Und doch fühlte ich mich anders und kam mir fremd vor. Und ich glaubte zu wissen woran es lag. Ich würde aufgeben. Ich würde meine Hoffnungen für Kai aufgeben. Der Wunsch, dass er zurückkam. Einfach alles. Denn ich wusste, er würde nicht zurückkommen. Er hatte sich selbst aufgegeben. Und so blieb mir nichts anderes übrig als es auch zu tun. Ich würde ihn aufgeben. Egal wie sehr es schmerzte. Denn nur so konnte ich meinen Entschluss, jeden Tag zu ihm zu gehen und ihn nicht alleine zu lassen, durchsetzen. Jeden Tag würde ich den Weg bis zum Stadtrand auf mich nehmen, würde hingehen, egal welches Wetter war oder wie es mir ging. Ich würde zu ihm gehen, ob er es wollte oder nicht. Ob er mich sehen wollte oder nicht. Und obwohl das vermutlich nicht danach klang, als würde ich ihn aufgeben, war es doch so. Denn wenn ich weiter an ihn glauben würde, weiter an meine Hoffnung festhalten würde, dann könnte ich es vermutlich nicht mehr ertragen, ihn so zu sehen. Und wenn ich schon nicht mehr glauben und hoffen konnte, so konnte ich wenigstens bei ihm sein. Mit diesem Gedanken machte ich mich später am Tag auf den Weg, zurück in Kais Welt. Ich merkte nicht einmal, wie ich lief und wo ich hinlief. Doch ich wusste, dass ich meinem Ziel näher kam. Und das lag nicht daran, dass ich weniger Menschen auf meinem Weg begegnete, dass sich ein beißender Geruch in die klare Luft mischte und die Gebäude immer schäbiger wurden. Es war vielmehr so ein Gefühl und als ich schließlich aufblickte, sah ich das zerfallen Bürohaus vor mir. Ich brauchte eine Weile bis ich mich dazu bewegen konnte, hinein zu gehen und wie schon am Vortag hielt ich erst einmal die Luft an. Der Geruch kam mir noch schlimmer vor und das ganze Haus wirkte noch bedrohlicher. Doch ich ging weiter, stieg langsam die bröcklige Treppe nach oben und versuchte nicht in die bleichen Gesichter zu blicken, die hin und wieder in den Fluren aus der Dunkelheit auftauchten. „Hallo Süße, da bist du ja wieder!“ Fast schon abrupt hielt ich auf der Treppe inne und wandte mich um. Boris stand an eine Wand gelehnt da und sie war so schmutzig dass ich mir nicht sicher war, ob die Wandfarbe so dunkel war oder ob es der Dreck war, welcher daran klebte. Und ich war mir nicht sicher ob ich mit dem Dreck die Wand oder Boris meinte… „Nenn mich nicht Süße!“, gab ich kühl zurück und wandte mich um. Ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken und hatte das Gefühl, man würde mir eisige Nadeln ins Fleisch bohren. Und ich wusste dass er mich nicht einfach gehen lassen würde, noch bevor ich hörte, wie er sich von der Wand abstieß und seine Füße über den schmutzigen Boden schabten. Mein armseliger Versuch ein paar Stufen auf einmal nach oben zu springen misslang, denn Boris war schneller und vor allem stärker als ich gedacht hätte. Seine Finger schlossen sich um meinen Oberarm und mit einem Rück zerrte er mich herum und presste mich gegen das brüchige Geländer. „Au! Was…?! Verdammt nochmal, nimm die Finger weg!“, fauchte ich los und stierte ihn grimmig an, während er nur grinste. „Aber Süße, wir hatten noch gar keine Zeit uns richtig kennen zu lernen. Wird Zeit das wir das mal nachholen oder?“ Der Gestank seines Atems war noch schlimmer, als am Tag zuvor und ich fühlte mich plötzlich dreckig von Kopf bis Fuß, je länger und fester er sich an mich presste. „Wenn du nicht gleich deine widerlichen Finger von mir nimmst, kriegst du mein Knie dahin, wo es wehtut, kapiert?!“ Er lachte heiser und leise an meinem Ohr und automatisch brannte der Wunsch in mir auf, mich augenblicklich zu übergeben. „Versuchs doch!“, flüsterte Boris und seine Hände packten mich noch fester. Ich holte Luft um ihn anzuschreien und ihm zu sagen, was für ein widerlicher, feiger Hund er war, als ich nur noch von der Seite eine geballte Faust in mein Blickfeld rasen sah und die Knöchel dieser Faust, gruben sich fest in Boris‘ Gesicht. Eine Wimpernschlag später krachte er am Fuß des Treppenabsatzes auf den Boden und blieb nach Luft schnappend liegend. Ich schnappte ebenfalls nach Luft und drehte dann langsam den Kopf und blickte Kai an, der eine Stufe über mir stand und mit finsterer Miene auf Boris hinab starrte. Und dieser starrte zu Kai hinauf. „Verzeihung…ich hatte ja keine Ahnung das sie so wichtig für dich ist…“, murmelte Boris schließlich mit verächtlichem Ton und wischte sich ein dünnes Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel. Kai gab ein Geräusch von sich, das sich anhörte wie das Knurren eines wilden Tieres, bevor er mich ebenfalls am Arm packte und mich mit sich zog. Doch sein Griff war nicht hart und verletzend. Dieses Mal nicht. Er hatte eher etwas beschützendes und deswegen ging ich ohne Zögern hinter ihm her. „Was zur Hölle tust du wieder hier?! Willst du dich umbringen?! Hast du eigentlich eine Ahnung was für Leute hier hausen? Wenn die sich vollgedröhnt haben, dann ist es ihnen egal wer du bist, ob sie dich kennen oder nicht. Sie wollen dein Geld für ihren nächsten Schuss und du spazierst hier rein, als wäre es ein Besuch im Zoo!“, fuhr Kai mich an, als wir auf dem Dach waren. Ich stand nur da, während er mich gut fünf Minuten lang zusammenstauchte und ich blickte ihn an und ließ es zu. Denn je länger er wütete, umso ehrlicher wurden seine Worte und seine Sorge, welche in seiner Stimme mitschwang. „Tut mir Leid. Aber ich wollte dich sehen.“, sagte ich schließlich, als er geendet hatte und sich auf sein Mattenlager fallen ließ. „Du solltest nicht hier sein Hilary. Das ist nicht deine Welt. Hier ist es zu gefährlich für jemanden wie dich. Du solltest…“ „Was sollte ich? Gehen und dich wieder verlieren? Nein sicherlich nicht. Ich hab wochenlang alleine nach dir gesucht, ich war in den übelsten und ab gelegensten Teilen der Stadt, in die selbst du dich nicht wagen würdest! Und jetzt denkst du, nachdem ich dich endlich gefunden habe, dass ich einfach wieder verschwinde? Vergiss es Kai! Und wenn du von hier verschwindest, dann werd ich wieder losgehen und dich suchen!“ So ehrlich hatte ich eigentlich sein wollen, doch der Gedanke er würde mich wegschicken, hatte mir Angst gemacht. Und Kai sah so aus, als würde er gleich platzen. Gut eine Minute lang saß er reglos da, dann endlich holte er wieder Luft. „Okay. Ich werd nicht verschwinden. Aber wenn du herkommst, will ich wissen wann.“, murrte er und lehnte sich zurück. Ich beobachtete ihn dabei und einen Moment dachte ich, es könnte wieder so sein wie früher. Er machte sich Sorgen genauso wie früher und wollte wissen wann ich ging und wann ich kam. Wie früher. Nur mit dem Unterschied das er jetzt blass und ausgezehrt war und er aussah, als würde auf dem schmalen Steg zwischen Leben und Tod schwanken. „Jeden Tag.“ Kai blickte auf und hob eine Braue. „Ich werde jeden Tag herkommen. Ob du es willst oder nicht.“ Wieder schwieg er eine ganze Weile, starrte mich über seine dürren, gekreuzten Finger hinweg an und atmete in langen Zügen ein und aus. Ich konnte ihn förmlich denken sehen, doch ich wich seinem ernsten Blick, welcher fest auf mich gerichtet war, nicht aus. Ich hielt ihm stand. Und dann öffnete er den Mund: „Okay.“ Und ab diesem Moment kam und ging ich jeden Tag. Ich kam und er war da. Und wenn er nicht da war, wartete ich, bis er kam. Dann stopfte er meist möglichst schnell und unauffällig einen neuen kleinen Plastikbeutel unter die Matratze und ich versuchte nicht zu gequält dabei auszusehen. Ich gewöhnte mir auch an, ihm immer irgendetwas zu essen mitzubringen und sah ihm dann schweigend zu, wie er die Plastikschüsseln bis auf den letzten Krümel leerkratzte. Wir redeten allgemein nicht viel miteinander, es war vielmehr eine stille Zusammenkunft, in der jeder wusste, dass er den anderen brauchte. Zumindest hoffte ich das er mich brauchte… Und so verging die Zeit. Tage. Wochen. Und ich sah dabei zu wie er sich weiter selbst zerstörte ohne das ich etwas dagegen tun konnte und merkte dabei, wie auch ich daran, mehr und mehr zerbrach. Doch ich würde bei ihm bleiben und zwar so lange, bis es ihn nicht mehr gab. Bis es uns beide nicht mehr gab. Und wenn es so weiter ging, würde das bald der Fall sein. Unser altes Leben war vorbei. Endgültig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)