Nine will be dead von shot_coloured (Numb3rs (Don/Charlie)) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Numb3rs „Heute nicht, Dad.“ Alan seufzt ins Telefon. Es ist nicht das erste Mal in dieser Woche. Nein, sogar in diesem Monat. „Don, es ist nur ein Abendessen, ich bekomme dich kaum noch zu Gesicht.“ Es ist Hektik im Büro. Es ist immer Hektik. David ruft mir etwas zu und ich deute ihm mit einer Handbewegung eine Sekunde zu warten. „Ich hab einfach zu viel Stress. Dad, bitte, wir hatten diese Unterhaltung doch schon... Ich werde mich melden, wenn...“ Widerworte. Natürlich. „Du lädst dir zu viel auf und merkst es nicht einmal... ist es nicht dieser Fall, dann der nächste... Wann hattest du überhaupt einen freien Tag in letzter Zeit? Nicht einmal ein Abendessen mit deiner Familie ist zu bewerkstelligen? Ist dir deine Arbeit so viel wichtiger als wir?“ Er wird energischer mit der Zeit. Nicht so wie Charlie. Nein, der hat lange schon resigniert. „Dad, ich muss Schluss machen. Wir reden ein anderes Mal.“ Auflegen. Ich will seinen Protest darauf nicht hören, nicht heute. Müde reibe ich über meine Schläfen und widme mich einem ungeduldigen David. „Don, das musst du dir ansehen! Wir haben eine heiße Spur bei den Elison Morden. Komm.“ Der Kaffee auf meinem Schreibtisch ist bereits kalt, ich trinke ihn trotzdem in einem Zug und folge ihm. ~~~ Der Streit mit Charlie ist länger her. Den Sturkopf hat er von Dad. Ich auch, zugegeben. Ich kann seine Hilfe nicht bei allen Fällen gebrauchen. Er ist ein Genie, ja, aber mit seinen Zahlen kann man nicht alles lösen. Und es GIBT willkürliche Morde. Ordnung herrscht nicht in jedem Kopf. Und schon gar nicht in diesem Bastard Jonathan Rafe, der eine ganze Familie gequält und getötet hat. Familie Elison. Eigenheim, zwei hübsche Kinder, Garten. Sie Anwaltsgehilfin, er Lehrer. Und am Ende nur noch ein Schlachtfeld, übersät mit Körperteilen, Blut und begrabenen Träumen. Ich war grob zu Charlie bei meiner Zurückweisung seiner Hilfe, das ist wahr. Einsichtig ist mein kleiner Bruder trotzdem nicht. Genie hin oder her. Und wie ein verletztes Tier zieht er sich zurück und schmollt. Verflucht, ja, ich sollte das in Ordnung bringen. Später. ~~~ „Ein Nachbar hat die zertretenen Blumenbeete gesehen und einen Policeofficer alarmiert. Er dachte erst es handelte sich um einen Einbrecher, irgendwas kam ihm merkwürdig vor.“, Megan deutet unruhig auf das umstellte Haus. „Wir sind zu spät, Don. Es ist ER. Es ist Rafe, er hat dem Officer ein Jagdmesser in den Hals gerammt und die Familie als Geisel genommen.“ „Wie viele sind es?“, frage ich. „Vermutlich Sieben.“, antwortet Colby an ihrer Stelle. „Laut Ansage des Nachbars, wenn alle zu Hause sind, was bei dieser Uhrzeit – es ist inzwischen immerhin knapp halb Drei Morgens – anzunehmen ist.“ Sieben. Fünf Kinder? Ich wage es nicht einmal diese Frage laut zu stellen. Das darf nicht wahr sein. Das kann, KANN es nicht! „Forderungen?“, frage ich stattdessen kurz angebunden. Megan schüttelt traurig den Kopf. „Ich glaube ich weiß, was er will... Don... er wird sie töten. Langsam, qualvoll. Wir müssen handeln.“ Colby lenkt ein. „Don, das ist viel zu gefährlich, wir gefährden die Familie nur unnötig. Außerdem ist das S.W.A.T.-Team bereits unterwegs.“ Von weiter hinten höre ich einen aufgeregten Policeofficer mit einigen unserer Leute diskutieren. „...Kramer war mein Partner, verdammt, er hat ihn abgestochen, einfach so! Jetzt tut was, ihr Lahmärsche, holt das Dreckschwein da raus!...“ „Don...“, Megan sieht mich ernst an. „Es ist deine Entscheidung, Chef.“ Ich nicke kurz. „Gehen wir rein.“ ~~~ Mein Bein brennt immer noch. Da wo sie mich berührt hat. Habe ich so falsch entschieden? Aber die Schreie eines kleineren Jungen zwangen uns zum Handeln. Und als sie verstummten brach das Chaos aus. Wir mussten Rafe überwältigen! Ich weiß nicht mehr wer, aber einer meiner Detektivs riss die Tür zum Elternschlafzimmer auf. Ein Bindfaden spannte sich und eine Schrotladung zerschoss Mutter und Sohn das Gesicht. Dessen rechte Hand ohnehin nur noch an wenig Fleisch am Arm hing und blutete, in Salven seines nur noch schwachen Herzschlags. Von Rafe keine Spur. Aber das Mädchen. Zehn oder elf. Das war das Schlimmste. Im Bad. Sie packte mein Bein. Beinahe hätte ich auf sie geschossen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an. Hilfe suchend. Ihr Bauch war von oben bis unten aufgeschlitzt. Ihr Mund rief Lautlose Schreie aus. Zu Kraftlos. Da war nur noch ein Flüstern. Übertönt vom irren Lachen Rafes. Im ersten Stock. Aber ich konnte nicht gehen. Sie klammerte sich an meinen Knöchel. Und ihre Augen... Lass mich nicht allein streben, schienen sie zu sagen. Nein. Ich blieb. Wie der Vater starb, kann ich nur erahnen. Da waren so viele laute Schreie. „Waffe fallen lassen!“ „Nicht bewegen!“ „Lass meine Tochter gehen, bitte!“ Gerangel. Schüsse. Genau Drei. Das Mädchen am Boden weinte. Ich konnte nicht gehen. Wie kann das jemand auch tun? Sie hatte Angst, solche Angst und Schmerzen. Aber für sinnlose, tröstende Worte fehlte mir der Atem. Es war nicht wichtig. Trost wäre eine Lüge gewesen. Sie wusste, dass sie stirbt. Das kleine Mädchen im ersten Stock schrie nach seinem Vater. Eine Kugel erwischte ihn. Es war Rafe, kurz bevor auch er erschossen wurde. Zwei Schüsse. In den Kopf. Viel zu barmherziger Tod. Megan und Colby retteten zwei Brüder, vielleicht Sieben bis Neun Jahre alt, David und drei weitere Detektivs deren jüngste Schwester. Ich brachte den Tod. Das S.W.A.T.-Team lief an uns vorbei. Diesmal war es ihre Aufgabe das Schlachtfeld zu betreten. Es war vorbei. Drei Kinder wurden gerettet. Das war zu wenig, viel zu wenig. Zwei Kinder, die Eltern und ein Officer starben. Drei Waisen. Wie sollten sie das je verarbeiten? Je ein normales Leben führen? Ich war so ratlos wie sie es sein mussten. Die toten, starren Augen des Kindes am Boden des Badezimmers blickten zu mir auf. Auf ihren Lippen lag fast so etwas wie ein dünnes Lächeln. Nein, ich habe nicht falsch entschieden. Was ist schon auch richtig in so einer Situation? Es ist trotzdem schwer es zu akzeptieren. Es gibt nur Möglichkeiten. Und ich bin eben kein Genie. Ich bin nicht Charlie. Aber ich glaube nicht einmal er hätte es gewusst. Die Berichte. Ha! Keiner hätte jetzt seine Berichte schreiben können. „Geht nach Hause.“, sage ich zu ihnen. Die meisten waren sowieso schon viel zu lange im Dienst. „Was ist mit dir?“, fragt Megan und berührt mich mitfühlend am Ellenbogen. „Ich gehe auch. Nach Hause. Wir sehen uns dann Morgen.“ Das war´s. Keiner hat noch viele Worte. ~~~ Und jetzt bin ich hier. Im Haus meiner Jugend. Was hätte mich auch in meinem einsamen Apartment erwartet? Flehende Augen eines sterbenden Kindes. Jetzt gehört es Charlie. Das Haus, meine ich. Charlie rechtfertigt sich immer wieder vor potentiellen Eroberungen. Er wohnt nicht bei seinem Vater. Der wohnt bei ihm. Fast lässt mich dieser Gedanke lächeln. Aber nur kurz. In Alans Schlafzimmer brennt noch Licht. Aber er ist über seiner Lektüre eingeschlafen. Leise schnarcht er. Er sieht friedlich aus. Ich betrachte ihn kurz und schüttle den Kopf. Nein, ich lasse das Licht an. Diesen Frieden will ich nicht stören. Bei Charlie ist es kaum anders. Sein Zimmer ist dunkel, aber auch er schläft ebenso friedlich. Leicht rüttle ich an seiner Schulter. Ich kann nicht anders. Das Mädchen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte auch Locken, so wie mein Bruder. Er murmelt etwas unverständliches. „Don?“, fragt er schließlich schlaftrunken. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich den Atem angehalten habe. Ja. Ich bin Zu hause. Diesmal lächle ich ehrlich. „Was ist los?“ „Es war grauenvoll“, ich flüstere. „Charlie... ich brauche Gesellschaft...“ „Willst du reden?“, fragt er, immer noch mit geschlossenen Augen. „Nein.“, ich hole tief Luft. „Nicht jetzt.“ Schlimm genug, dass ich es morgen aufschreiben muss. Reden? Nein. Ich will nur bei meiner Familie sein. Die, die noch da ist, sein Moms Tod. Verständnisvoll. Aufopfernd. Und andauernd rechthaberisch. Meine Familie eben. Charlie rückt an die Wand und macht damit Platz in seinem Bett. Für einen Moment runzle ich die Stirn. Aber was soll´s schon? Für mich ist Trost noch nicht zu spät. Ich werde sterben. Aber nicht daran. Nicht an den Ereignissen und auch nicht an meiner Arbeit. Das ist der feste Plan. Ich lege mich fast vollständig angezogen zu ihm. Er lehnt seinen Kopf an meine Schulter und drückt kurz meine Hand. „Wir sind für dich da.“, murmelt er. Ich weiß. Ich weiß es jetzt. Die Familie – sie ist das Wichtigste. Nur so kann ich diesen Job machen. Und so können die drei geretteten Kinder weiter machen. Sie haben einander. Es ist nicht viel. Aber es muss genügen. Es ist mehr als andere haben. Ich nehme Charlie in den Arm. Das erste mal seit Moms Beerdigung. Vielleicht. Vielleicht finde ich heute Nacht sogar Schlaf. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)