Zerspringende Ketten von Benjy ================================================================================ Prolog: Träume -------------- Wenn du beweist, dich zu bessern, dann lasse ich dich mich halten! Naoe erwachte. Es war noch dunkel, aber der Horizont ließ den nahen Sonnenaufgang erahnen. Er setzte sich auf und schaute zum Fenster hinaus und sah den Morgenstern, der langsam zu verblassen begann - genau wie sein Traum. Sein Herzschlag beruhigte sich mit jeder Sekunde, die er nach draußen schaute. Die Kühle der fast verblichenen Nacht ließ seine in Schweiß gebadete Haut abkühlen und ihn frösteln. Er dachte an den Traum, der ihn nun das vierte Mal innerhalb kurzer Zeit heimsuchte. Vieles darin blieb ihm verborgen, aber er spürte, dass es etwas mit Kagetora zu tun hatte. Er fragte sich, ob Kagetora in Gefahr schweben könnte und dieser Traum ein Hinweis dafür sein sollte, aber dazu bestand zur Zeit kein Grund für Besorgnis. Es gab gegenwärtig keine Anzeichen aus der Unterwelt, die auf eine mögliche Gefahr für Kagetora hindeuteten. Der Traum verwirrte Naoe immer wieder aufs Neue. Er wurde nicht schlau aus ihm. Die Worte, die er kurz vorm Erwachen im Traum vernahm, waren immer die gleichen. Wenn du beweist, dich zu bessern, dann lasse ich dich mich halten. Er konnte diese Worte noch immer hören, weil sie ihn nach dem Aufwachen nicht verließen. Es waren Kagetoras Worte an ihn bei ihrem letzten Aufeinandertreffen. Naoe erinnerte sich an jede Einzelheit dieser Begegnung. Kagetoras Stimme, sein Blick, seine Worte... Der Gedanke daran ließ Naoes innere Glut aufflammen, die von seiner grenzenlosen Leidenschaft für Kagetora lebte. Er wünschte sich aus tiefstem Herzen, ihn jetzt sehen zu können. Zwei Monate waren seit ihrer letzten Begegnung vergangen. Naoe hatte Kagetora seitdem weder gesehen, noch gehört. Über Nagahide und Haruie erfuhr Naoe alles, was er wissen musste, um auf dem Laufenden zu bleiben. Zudem erschien zur Zeit alles ruhig, und sie mussten nur ab und zu mit kleineren Angelegenheiten hantieren, die keine größere Zusammenarbeit erforderte. So ergab sich keine erzwungene Gelegenheit für Naoe, Kagetora aufzusuchen. Natürlich konnte er ihn auch unabhängig von der gemeinsamen Arbeit besuchen, aber das wollte er nicht. Zu sehr war er mit den Ereignissen ihrer letzten Begegnung beschäftigt. Er verstand Kagetora einfach nicht. Er verstand sich selbst nicht. Auf der einen Seite hasste er Kagetora für seine Unbarmherzigkeit ihm gegenüber, die ihrer Beziehung seit 400 Jahren keinen Schritt der Veränderung erlaubte, aber andererseits erfüllte ihn großes Verlangen nach Kagetora. Er wollte ihn besitzen. Ihn halten. Ihn küssen. Er wollte ihn für sich ganz allein haben und duldete keine andere Person neben ihm, obwohl er wusste, dass er sich dem nicht widersetzen konnte, und Kagetora sich schon gar nicht zu etwas zwingen ließ. Es war zum Verrücktwerden. Er wünschte sich, nein, er wusste, dass Kagetora ihm gegenüber die gleichen Gefühle hegte, aber dieser ließ sie nicht zu. Dieser Umstand raubte Naoe regelrecht den Verstand, und er erwischte sich in Gedanken dabei, Kagetora sogar gegen seinen Willen zu nehmen. Dass dies dann das Ende von allem bedeuten würde, war Naoe in solchen Momenten völlig egal. Naoe schlug die auf seinem Schoß ruhende Decke zurück, und stand auf. Er beschloss, weiter darauf zu warten, bis Kagetora sich ihm öffnete, sich ihm aus freien Stücken näherte. Er würde, wenn es sein müsste, weitere 400 Jahre warten. Ein gequältes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er fragte sich, wer hier der wahre Masochist war. Er ging ins Bad, um seine Trainingssachen anzuziehen, um in der Morgendämmerung sportliche Erholung für seinen Körper und seinen Geist zu suchen. Er öffnete die Tür, und kehrte der aufgehenden Sonne den Rücken zu. Zur gleichen Zeit, an einem anderen Ort, saß eine einzelne Person auf einem Felsvorsprung und starrte in den Sonnenaufgang. Er verabscheute den Sonnenaufgang, er bevorzugte die Nacht. Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn aufhorchen und wissend lächeln. „Nun, Arakawa? Habt ihr sie gefunden?“ „Ja, Shishido-sama. Die Vorbereitungen laufen. Kimura-san ist auf dem Weg. Alles läuft so, wie Sie es wünschen.“ „Gut. Du kannst dich zurückziehen.“ „Wie Sie wünschen, Shishido-sama.“ Shishido dachte an die bevorstehenden Ereignisse, und wurde von seiner ihm bekannten Ungeduld überwältigt. Noch ein klein wenig, dann würde er über Kagetora triumphieren können. Ein sadistisches Lächeln erschien auf seinem schönen Gesicht. Er hatte sich lange Zeit im Verborgenen halten müssen, aber diese Zeit war nun vorbei. Er konnte endlich in Erscheinung treten, und Kagetora das Fürchten lehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)