Immer einen Schritt zurück von abgemeldet (Seishirou/Subaru) ================================================================================ Leben ----- Immer einen Schritt zurück Von Cyel~ Schritt I: Leben Subaru lehnte müde an der Wand des Fahrstuhls. Er war froh, dass sich außer ihm niemand hier befand, da er so furchtbar würdelos in sich zusammengesunken war und seine Augen immer wieder drohten, einfach zuzufallen. Drei Jobs—drei besonders harte Jobs—an einem Tag waren einfach zu viel; er fühlte sich wie ein ausgewrungenes Handtuch. Er schlurfte mit bleischweren Füßen über den Flur, als der Fahrstuhl endlich auf seiner Etage angekommen war. Seine nassen Schuhe quietschten auf dem Laminat im Flur. Seufzend streckte Subaru seinen Schlüssel ins Schloss und betrat endlich, nach fast vierzehn Stunden außer Haus, wieder seine Wohnung. Was freute er sich nur auf ein heißes Bad und ein kleines Abendessen! Subaru schloss leise die Tür hinter sich, hängte seinen Mantel an die Garderobe, streifte die Schuhe einfach ab, und tapste auf Socken ins Wohnzimmer. Dass er seinen Hut immer noch trug, fiel ihm nicht auf. Der Parkettboden war unangenehm kühl unter seinen Fußsohlen, aber es roch nach Essen. »Hokuto-chan?« fragte er mit gerunzelter Stirn. Er hatte sie nicht erwartet—aber natürlich freute er sich trotzdem. »Bist du das?« »Und wie!« rief seine Schwester und steckte den Kopf durch den Türrahmen aus der Küche hinaus. »Freust du... wie siehst du denn aus?« Das Grinsen, das eben noch ihre Zähne gezeigt hatte, verschwand so schnell, wie es gekommen war. Subaru sah an sich herunter. Sein Oberteil war voller Staub und sein linkes Hosenbein über dem Knie aufgerissen. Das andere war zumindest verdreckt. »Es tut mir Leid, Hokuto-chan«, sagte er mit ehrlichem Bedauern in seiner Stimme. Die Kleidung war neu gewesen, wie fast alles, dass er zur Arbeit trug—Hokuto legte Wert darauf—und egal, ob er sie jemals wieder anziehen würde, es war immer schade, wenn etwas kaputt ging. »Ich wollte nicht—« »Das meine ich gar nicht. Schau mich mal an«, sagte Hokuto. Sie tippte ihm unters Kinn, woraufhin er gehorsam aufschaute. »Was ist denn?« fragte er verwirrt, als sie die Hand nach seinem Gesicht ausstreckte. Dann zuckte er zusammen, als sie seine Wange berührte. »Au«, sagte er mehr überrascht als vor Schmerz. Ach ja, das, fiel es ihm wieder ein. »Das meine ich. Wie ist das passiert?« Sie verschränkte die Arme. Dabei sah sie nicht wirklich glücklich aus. Subaru seufzte. »Bei der Arbeit. Aber es ist nicht so schlimm«, ergänzte er und versteckte instinktiv die linke Hand hinter dem Rücken. »Nur ein paar Kratzer und ein blauer Fleck.« Hokuto stemmte die Fäuste in die Hüften. »Du meinst wohl eher Schnitte.« Sie nahm seine rechte Hand und zog ihn energisch mit sich in Richtung Wohnzimmer. Dass ihre Laune auf einem Tiefpunkt angekommen war, merkte er daran, dass er beim Versuch ihr zu folgen fast stolperte. »Komm, ich schau mir das mal an.« »Es ist nichts, wirklich...« versuchte Subaru, sie zu beruhigen. Es war wirklich nicht sehr schlimm, schließlich hatte er die Verletzungen zuerst gar nicht bemerkt, auch wenn sie—zugegebenermaßen—jetzt ein wenig zu brennen anfingen. Aber er hatte schließlich schon viel schlimmeres durchgestanden, als so etwas. Es war ja nicht das erste Mal, dass er mal mit kleineren, mal mit schlimmeren Blessuren von einem Job zurückkam. Ein wenig später saß Subaru umgezogen—und auch endlich ohne Hut—auf der Couch, drei große Pflaster im Gesicht und wartete darauf, dass Hokuto wieder ins Zimmer zurückkommen würde. Er sah auf seine Hand. Wie würde seine Schwester wohl darauf reagieren? Er war bei einem Fall, bei dem er sich abgefangen hatte, einfach umgeknickt und konnte nun als Ergebnis einen geschwollenen blauen Fleck um sein Handgelenk »bewundern«. Ganz zu schweigen davon, dass ihm jede Drehung und Biegung wehtat. Für ihn selbst war das natürlich unangenehm, aber nichts, mit dem er nicht zurechtkommen würde. Auf jeden Fall war es deutlich schlimmer als die Kratzer—und nach Hokutos erster Reaktion konnte er sich die nächste ausrechnen. Er bemerkte nicht, wie sie hinter ihn trat und sich über die Lehne beugte. Als er seine Hand wieder verstecken wollte, war er viel zu langsam. Hokuto sah alles, wenn sie wollte. »Warum hast du mir das nicht gezeigt?« fragte sie, mit zusammengezogenen Brauen. Selbst die Hasenohren, die über ihrer Stirn hin und her wippten konnten die Ernsthaftigkeit in ihrem Blick nicht minder eindringlich erscheinen lassen. Für einen Moment sah sie wirklich wütend und enttäuscht aus, dann entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie seufzte. »Du bist unverbesserlich.« »Du musst besser auf dich aufpassen, Subaru«, sagte sie zu ihm, während sie einen Verband um sein dick mit Salbe beschmiertes Handgelenk wickelte. »Ich möchte mir nicht immer Sorgen um dich machen müssen.« Er hätte nicht erwartet, dass sie so ruhig blieb. So gern er seine Schwester auch hatte, Hokuto war und blieb nun einmal impulsiv und laut, und wenn sie sich nicht so verhielt, wie er es von ihr erwartete, dann war ihr die Angelegenheit wirklich, wirklich wichtig. »Das musst du nicht, Hokuto-chan«, murmelte er verlegen. »Es ist doch nun wirklich nicht viel mehr als ein Kratzer.« »Natürlich muss ich mir Sorgen um meinen kleinen Bruder machen!« Sie klebte das Ende des Verbandes mit einem Pflaster fest. Er ließ seine Hand in den Schoß sinken. Vorher war es erträglich gewesen, jetzt war es viel angenehmer. »Und ich würde mir wünschen, du würdest das auch tun«, sagte sie ernst und umfing sein Gesicht mit ihren Handflächen. Da sie ihre Stirn gegen seine gelegt hatte, waren ihre Augen zu nah, um sie klar zu erkennen, aber er konnte sich ihren Ausdruck vorstellen: eindringlich und sehr bestimmt. »Du solltest besser auf dich aufpassen.« Subaru seufzte. »Hokuto-chan, ich passe auf mich auf«, murmelte er. »Nicht gut genug, sonst würdest du nicht so aussehen«, entgegnete sie vollkommen logisch. »Oder etwa nicht? Subaru, heute war es nur ein Kratzer, aber morgen ist es vielleicht etwas Schlimmeres. Es wäre nicht das erste Mal, dass du so nach Hause kommst. Deine Arbeit ist nicht immer ungefährlich, natürlich, aber es gibt Dinge, die lassen sich vermeiden. So was hier zum Beispiel«, sagte sie und stupste—nicht sehr fest—mit dem Zeigefinger gegen eine Beule auf seiner Stirn. »Ich will gar nicht wissen, wie und warum es genau passiert ist, aber ich würde mich besser fühlen, wenn du ein bisschen mehr Rücksicht auf dich selbst nehmen würdest.« Sie ließ ihn los und machte es sich neben ihm gemütlich. »Versprichst du mir das?« »Ja.« Offenbar erweckten sein Blick und seine Stimme nicht viel Vertrauen bei Hokuto. »Ich meine es ernst«, sagte sie. »Und wenn du dir selbst nicht reichst, dann denk an die Leute, denen du etwas bedeutest. An mich, zum Beispiel. Oder Oma. Oder Sei-chan.« Subaru sah sie ratlos an. »Wer ist denn ›Sei-chan‹?« fragte er verwirrt. »Na, der nette Tierarzt, den du mir neulich vorgestellt hast.« Seine Augen wurden groß. Er hörte wohl nicht richtig! »Du nennst ihn ›Sei-chan‹? Wir kennen ihn doch kaum und außerdem...« »Lenk nicht vom Thema ab!« Sie drohte ihm spielerisch mit der Faust. Das war unfair, fand Subaru. Schließlich hatte sie damit angefangen und ihn abgelenkt. »Jedenfalls kennt er mich kaum«, beharrte er. »Und ich ihn auch nicht wirklich«, fügte er hinzu. »Aber er mag dich, Subaru, und ich mag dich auch, falls dir das entgangen sein sollte.« Sie grinste. »Und ich wäre sehr böse auf dich, wenn dir etwas passiert, bloß, weil du dich selbst nicht wichtig genug genommen hast.« Er seufzte. »Ich verspreche dir, beim nächsten Mal besser aufzupassen«, sagte er und setzte nach einem scharfen Blick seiner Schwester hinzu: »Ehrlich.« Diesmal glaubte Hokuto ihm und wahrscheinlich hatte sie ganz Recht gehabt, seine erste Antwort nicht zu akzeptieren. Aber eigentlich konnte Subaru ihr gar nichts versprechen. Es war einfach unmöglich, in seinem Beruf Verletzungen vollständig zu vermeiden. Oder ging es ihr gar nicht darum? Er war sich nicht ganz sicher, was sie eigentlich genau meinte, aber er würde es ihr zuliebe wenigstens versuchen. Sie kannte ihn gut, das wusste Subaru, und wahrscheinlich war ihr bewusst, was sich in seinem Kopf abspielte. Deshalb lächelte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke. Komm, das Essen wird kalt.« *** Als er das Feuer sah, den Boden beben spürte und die Narben auf seinen Handrücken in der Hitze heftig zu brennen begannen, da wusste Subaru, dass er Seishirou sehr, sehr nahe war. Er presste die Lippen zusammen, machte ein paar weitere Sätze, um festen Boden zu erreichen—und dann, vom Dach eines Hochhauses aus, sah er ihn: Einen großen, dunkel gekleideten Mann, vor dem die Flammen zurückzuweichen schienen und dessen Sonnenbrille ihren roten Schein zurückwarf. Subaru kannte das Lächeln auf Seishirous Lippen, ohne es sehen zu müssen—wie auch, auf diese Entfernung—und das kalte, stechende Kribbeln, das es in seiner Magengegend hervorrief. Dieses Gefühl breitete sich aus, kroch durch seine Adern und spannte seine Muskeln bis er es nicht mehr aushielt. Subaru sprang und landete elegant wenige Meter von Seishirou entfernt, als dieser gerade etwas aus seiner Tasche zog. Subaru radierte sorgfältig jegliche echte Emotion aus seinem Gesicht, sodass Seishirou nicht mehr als eine wütende Maske sehen würde. Das Gesicht des Sakurazukamori war unerwartet lebendig; trotz der Sonnenbrille, bei deren Anblick Subaru erschauderte, war seine Überraschung offenkundig, als er den jungen Mann erkannte. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, einem Menschen zu begegnen, der nicht panisch auf der Flucht war—er hatte nicht damit gerechnet, Subaru zu begegnen. Seishirou nahm seine Sonnebrille ab, und mit einem Mal war sein Lächeln wieder tot. Er war komplett schwarz gekleidet, mit Anzug und Mantel, hielt eine Packung Zigaretten in einer seiner großen Hände und sah, obwohl er mittlerweile über dreißig sein musste—auch, wenn er Subaru wahrscheinlich angelogen hatte, was sein Geburtsdatum anging—nicht viel anders aus, als an dem Tag, an dem Subaru ihn das erste Mal gesehen hatte. Abgesehen davon, dass er nie in seiner Gegenwart geraucht hatte und das er sich damals wenigstens Mühe gemacht hatte, sein Lächeln echt erscheinen zu lassen. »Subaru-kun...« sagte er mit falscher Freundlichkeit, die aber sogleich aus seinen Augen wich, als er bemerkte, dass Subaru sich—zumindest äußerlich—nicht beeindrucken ließ. Um sie herum schien die Welt ihr Ende schon erreicht zu haben: Flammen griffen nach den Wolken und schickten dicke, massive Rauchwolken voraus, die sich ihren Weg durch umgestürzte Gebäude und zerrissene Straßen suchten. Asche und Funken wurden vom Wind umhergewirbelt und nahmen Subaru fast die Sicht. Inmitten dieses Chaos, ihm direkt gegenüber, stand Seishirou, eine Hand lässig in der Manteltasche, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen und, bis auf einen halb verheilten Kratzer auf seiner linken Wange, unberührt und sauber. Ein Gebäude nicht weit von ihnen entfernt barst unter ohrenbetäubendem Lärm vom obersten Stockwerk bis zum Erdgeschoss. Ungestört davon versuchte Seishirou, sich eine Zigarette anzuzünden, aber sein Feuerzeug wollte einfach nicht funktionieren. Subaru ging langsam auf ihn zu, eine Hand suchend in der Manteltasche, die andere an seiner Seite zur Faust geballt Sein Feuerzeug klickte und Seishirou beugte sich nach vorne, um die Spitze der Zigarette in die Flamme zu halten. Dann zog er an seiner Zigarette und atmete aus, bevor er Subaru ein Lächeln schenkte. »Danke«, sagte er schlicht. Er schien nicht zu erwarten, dass Subaru ihn angreifen würde, obwohl dieser ihn mittlerweile mit unverholendem Zorn in den Augen anstarrte. Er selbst machte zunächst auch keine Anstalten, sich zu regen, sondern stand still, wie eine Statue. Seishirou bewegte sich so schnell, dass Subaru ihn nicht kommen sah. Plötzlich befand er sich nur noch Zentimeter von ihm entfernt, seine Hand und sein Ellenbogen im Griff des Sakurazukamori. Und das alles, ohne, dass Seishirou mehr als einen Schritt nach vorne gemacht hatte. Subarus Augen wurden groß, als seine Maske sich unter dem Druck von Nähe und Schrecken einfach in Nichts auflöste. Er kämpfte gegen Seishirous Griff an, doch dieser hielt ihn ohne große Mühe fest. Ihre Hände waren die einzige Stelle, an der sie einander berührten, aber Subarus Ansicht nach hätten sie genauso gut eng umschlungen dastehen können: Seishirous Hand war warm, sein Griff sicher, und erinnerte Subaru an etwas, an das er nicht gerne zurückdachte. Er biss sich von innen gegen die Unterlippe, um zu verhindern, dass sie zitterte. »Du rauchst also?« fragte Seishirou, sein Atem warm auf Subarus Hand. Subaru biss fester zu und senkte den Kopf. Er wollte Seishirou nicht in die Augen sehen und schwieg. »Wie ungesund!« rief Seishirou aus, sein Gesicht so unpassend fröhlich, als wäre er ein Kind, dem man ein neues Spielzeug in die Hand gedrückt hatte. Das war zu viel. Subaru riss sich los und baute sich einige Meter von Seishirou entfernt auf, die zitternde Hand dicht vor seiner Brust, als müsste er sie vor etwas schützen. Das Feuerzeug hatte er fallen lassen; es lag zu ihren Füßen im Dreck. Er schmeckte Blut. »Ich habe dich gesucht.« »Warum?« Subaru konzentrierte sich, sammelte seine Kräfte, schob die Finger ineinander und rief seinen Bannkreis mit nach oben gerichteten Handflächen. »Damit mein Wunsch in Erfüllung geht.« »Ein Bannkreis, nicht wahr?« fragte Seishirou, nachdem er sich umgesehen hatte. Sein Gesicht zeigte nichts außer milder Neugier und Erkenntnis—und vielleicht nicht einmal das. Er zog noch einmal an seiner Zigarette und als er wieder aufsah, tanzte der dünne Rauchfaden vor seinem Gesicht, das plötzlich viel finsterer war, als zuvor. »Die sieben Siegel«, sagte er zu sich selbst. »Nein... Die Sumeragi nennen euch Himmelsdrachen...« Er klang nachdenklich. War es denn so unerwartet, dass Subaru, der in vielen Dingen sein absolutes Gegenstück war, auch hier eine ihm entgegengesetzte Rolle einnehmen sollte? »Ihr sollt die Erde retten... Du bist ein Himmelsdrache.« Seishirous Stimme hätte durch Stahl schneiden können. Da war eine plötzliche Kälte in ihm, die ihn selbst überraschte. »Die Zukunft der Erde... interessiert mich nicht.« Subaru ließ sich selbst keine Zeit, den ernsthaft verwirrten Blick auf Seishirous Gesicht genauer zu betrachten. Er machte einen Satz und schleuderte drei Ofuda in seine Richtung. Mit ein paar Worten verwandelte er sie in Shikigami, die direkt auf den Mann zurasten. Der Kampf war kurz, aber heftig. Shiki schlugen gegen eilig hochgezogene Schilde, jagten ineinander und immer wieder blitzte kaltes, bösartiges, selbstsicheres Lächeln in Subarus Geist. Und dann hatte Subaru ihn. Der Boden um Seishirou brach auf, die Wucht des Angriffs löste seinen Adler in Luft auf, wirbelte seinen Mantel umher und riss sogar ihn fast von den Füßen. Das hinderte ihn allerdings nicht daran zu grinsen, als er sich wieder gefangen hatte. Ein paar Tropfen Blut flogen von der wieder aufgerissenen Wunde an seiner Wange. »Dein Wunsch ist, mich zu töten?« fragte er amüsiert. »Weil ich deine Schwester getötet habe.« Er sprach, als wäre ihm diese Möglichkeit gerade erst in den Sinn gekommen. Das war Seishirou, wie er ihn kannte: Entspannt, wo niemand sonst entspannt sein konnte, zwischen aufgerissenem Asphalt und fliegenden Steinsplittern. Aber er hatte Unrecht. »Du bist rührend, Subaru-kun.« Das war die selbe Stimme, der selbe Gesichtsausdruck, mit dem er ihm früher Komplimente gemacht hatte. Wie hatte er nur niemals bemerken können, dass alles falsch war? Es war zu offensichtlich. Und es war hässlich. Sicher, Seishirou sah immer noch gut aus, aber auf andere, subtilere Weise war die Falschheit einfach nur abstoßend. Und es war unfassbar, dass Seishirou es immer noch versuchte. »Gern würde ich länger mit dir spielen, aber ich habe noch was vor.« Als Subaru bemerkte, dass Seishirou mit dem Finger etwas Blut von seiner Wange streifte, sprang er von seinem Platz auf dem Balkon eines Hochhauses herunter. Er landete sicher vor dem Gefängnis, in das er Seishirou gesperrt hatte, gerade in dem Moment, in dem der mit ruhigen Fingerbewegungen ein Zeichen auf seinen Handrücken malte. Er streckte die Hand nach vorne und rief mit ebenso ruhiger Stimme seine Magie. Als die Energiewand sich nach außen beulte, drückte der Schmerz das erste Mal in Subarus Brust, aber er reagierte nur, indem er seinerseits hektisch vor sich hinmurmelte. Er hatte keine Chance. Seishirous Hand brach durch die Wand, ohne, dass er auch nur in Schweiß ausbrach. Er durchschnitt sie glatt mit der Handkante. Subarus Konzentration sackte in sich zusammen. Blut spritzte aus einem langen Schnitt quer über seiner Brust und der Schmerz war im ersten Moment so enorm, dass er nicht einmal schreien konnte. Leider war es nicht tief genug. Schwer atmend fiel er auf seine Knie, einen Arm schützend vor die Brust gedrückt und mit schmerzverzerrtem Gesicht. Seishirou stand vor ihm und kam im ersten Moment nicht einmal näher. Alles, was Subaru in seiner Haltung von ihm sehen konnte, waren seine Beine bis zu den Knien und die auf Hochglanz polierten, schwarzen Lederschuhe. Die Schleife in seinem rechten Schnürsenkel löste sich langsam auf. Seine Schmerzen schränkten ihn deutlich ein, doch seine Wut war stärker: Sobald Seishirou in Reichweite kam, zerrte er eine Handvoll Ofuda aus seinem Mantel—und wurde festgehalten. Seishirou hatte—schon wieder—seine Hand fest im Griff. Subarus wütender Blick animierte ihn nur zu einem amüsierten Lächeln. Subarus Hand zitterte. Seishirou schmierte etwas Blut über seine Wange. Er war fast zärtlich. Warum? Subarus Atem stockte in seiner Kehle. Seishirous Gesicht war so kalt, hart und—grausam—wie Eis, aber sein Blut, auch wenn es langsam trocknete, war warm. Die Welt hätte genauso gut stillstehen können. Seishirous Hand rutschte bis zu seinem Handgelenk. Währenddessen lockerte sich dafür sein Griff, sodass Subaru sich hätte losreißen können, aber daran dachte er gar nicht mehr. Seine Augen brannten, aber Subaru redete sich ein, dass es am Schweiß lag, der seine Stirn und seinen Haaransatz durchnässte. Seishirous Finger lagen noch immer an seiner Wange, sein Gesicht war die höhnische Nachahmung eines freundlichen Lächelns. Subaru konnte seine Augen nicht vom Gesicht des anderen Mannes nehmen, welches ihn an etwas erinnerte, an das er lieber nicht zurückdachte. Da war Blut auf Seishirous Wange, diesmal die linke, aber es war Blut in seinem Gesicht. Und sein zerstörtes Auge war ihm so nah... Die Schuldgefühle taten weh. »Also... bis bald.« Seishirou zog seine Hand zurück. Sie war gepflegt, stellte Subaru etwas benebelt fest, seine Fingernägel waren gerade geschnitten und nicht kurz gebissen wie bei ihm. Wenn da nicht das Blut gewesen wäre, sie wären sauber gewesen. Kirschblüten wurden vom Wind verweht, fort von der Stelle, an der Seishirou gerade noch gestanden hatte. Damit war er verschwunden, aber er war nicht weg. * Subaru hatte sich verändert. Er war gewachsen, acht Jahre Verzweiflung und Verbissenheit hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, seine Haare, die früher genauso geschnitten waren, wie Hokutos, waren kurz und zerzaust. Die feinen, in Seishirous Gegenwart sanft glühenden, Linien auf seinen Handrücken lagen zum ersten Mal vor ihm frei. Um seinen Mund lag ein bitterer Zug, der sich auch in seinen Augen widerspiegelte. Einst grün und lebendig, waren sie nun von Trauer überschattet. Seishirou konnte nicht bestreiten, dass es ihn... faszinierte. Der Sakurazukamori umrundete ihn im Schutze seiner Illusion, um ihn genauer zu betrachten. Faszination war durchaus das richtige Wort, wenn man den Umstand beschreiben wollte, dass er die Augen nicht von ihm lassen konnte. Seishirou hatte ihn in all den Jahren nicht einmal gesehen—er hatte die Unannehmlichkeiten, die entstanden wären, wäre er Subaru auf seiner Jagd zu nahe gekommen, so weit wie möglich vermieden. Er hatte viel verpasst. Schade eigentlich. Er konnte sich nicht einmal einen Reim auf Subarus Verhalten machen, welcher scheinbar aufgegeben hatte: er versuchte nicht, ihn zu finden, obwohl ihm klar sein musste, dass Seishirou noch da war. Das Einzige, was er tat, war, die Kirschblüten durch seine Finger rieseln zu lassen. Es war interessant, seine Unterhaltung mit den beiden Himmelsdrachen zu beobachten. Subaru, sein Subaru-kun, war unhöflich und kalt. Untypisch, äußerst untypisch. Für einen Moment lang musste Seishirou an einen Strand denken, den man zu kennen geglaubt hat und den die Flut vollkommen verändert zurückgelassen hat. War er das Wasser gewesen? Höchstwahrscheinlich. Als Subaru seinen Bannkreis auflöste, nahm Seishirou das zum Anlass, zu verschwinden. Aber sie würden sich wiedersehen. * Anmerkungen: Hokuto! Es hat riesigen Spaß gemacht, sie hier auftreten zu lassen. Ich schreibe sie wirklich viel zu selten... Ich finde den ersten Teil auf jeden Fall sehr gut gelungen: Subaru weiß einfach nicht, wie viel er eigentlich wert ist, oder es kümmert ihn zumindest nicht, selbst nachdem Hokuto ihn darum gebeten hat, auf sich aufzupassen. Er verspricht es nur, weil sie das gerne hören möchte, und weil er sie natürlich glücklich sehen will. Aber wirklich verstehen tut er es nicht. Im zweiten Teil haben wir dann einen Subaru, der überhaupt keine Rücksicht mehr auf sich selbst nimmt. Seine einzige Chance, das zu lernen steht immerhin vor ihm. So ziemlich das Gegenteil von dem, was Hokuto immer erreichen wollte, leider. Nähe ---- Schritt II: Nähe »Gut siehst du aus.« Subaru sah überrascht von seiner Speisekarte hoch. Seishirou lächelte ihn über den Rand seiner eigenen hinweg an. Obwohl er sich nicht sicher war, wie er reagieren sollte, murmelte Subaru ein schüchternes »Danke«. Er hatte schließlich gewusst, auf was er such einließ, als er die Einladung angenommen hatte. Subaru nannte es eine Verabredung, aber Seishirou nannte es immerhin ein Date. Sie saßen an einem der hinteren Tische in einem kleinen, aber gemütlichen Restaurant, das Seishirou ausgesucht hatte. Subaru kannte es nicht, aber dem Namen und Angebot nach war es hauptsächlich italienisch, obwohl eigentlich alles mögliche angeboten wurde, und dagegen hatte Subaru nichts einzuwenden. Allerdings hatte er schon häufiger bemerkt, dass Seishirou ein Faible für ausländisches Essen hatte. Subaru sah im Schutze seiner Speisekarte an sich herunter. Vielleicht hatte der Kommentar ja gar nichts zu bedeuten, sondern Seishirou wollte einfach nur etwas Nettes sagen und eventuell hatte er einfach nur Recht. Hokuto war in Höchstform gewesen—als sie erfahren hatte, dass er mit Seishirou essen gehen wollte, war sie hellauf begeistert und hatte im Laufe von zwei Tagen ein handwerklich perfektes Outfit geschneidert. Es war sogar verhältnismäßig zahm, auch wenn das leuchtende Blau zusammen mit der zartorangefarbenen Tischdecke doch etwas auffällig war. Aber eigentlich fand er es gar nicht schlecht. Auch wenn er nicht verstehen konnte, warum das rechtfertigte, einen Tag lang nicht zur Schule zu gehen, nur um daran zu arbeiten. »Weißt du schon, was du nimmst?« fragte Seishirou mit gerunzelter Stirn. »Ja. Nummer siebzehn, glaube ich... und du?« Es war noch ein wenig seltsam, jemanden zu duzen, den er noch nicht allzu lange kannte, auch wenn Seishirou offensichtlich Wert darauf legte. Subaru verstand gar nicht, warum der Mann überhaupt Zeit mit ihm verbringen wollte, so interessant war er schließlich nicht. Von der anderen Sache ganz abgesehen. Vielleicht machte Seishirou sich ja einen Spaß daraus und machte sich ein wenig über ihn lustig? Seishirou nickte wissend. »Dann bist du ja schon mal weiter als ich. Das klingt alles gut. Vielleicht können wir ja erst einmal mit der Vorspeise anfangen... Wir können ja mal nachfragen.« * Die Minuten verstrichen und Subaru begann langsam, sich zu fragen, wie viele Komplimente ein Mensch in so kurzer Zeit formulieren—und dann an ihn richten—konnte. Besonders letzteres war ihm ein Rätsel und es wurde von Minute zu Minute schwieriger, damit auch klarzukommen. Vor allem, da Seishirou nicht einmal wusste, was er eigentlich wirklich war. Er hielt ihn schließlich für einen ganz normalen High-School-Schüler. Die Wirklichkeit würde ihm ganz sicher nicht gefallen. Sie gefiel niemandem wirklich, am Allerwenigsten Subaru selbst. Manche hatten doch tatsächlich Angst vor ihm, Andere hielten seine Arbeit für Blödsinn und ihn für wahlweise verrückt oder eingebildet, und die Meisten, darunter der Großteil seiner Mitschüler, mieden ihn, wenn sie ihn nicht gerade brauchten. Und gerade deshalb musste Seishirou es wissen. Er würde ihn mit Sicherheit nicht mehr so gerne mögen, wenn er es erst wüsste, aber damit konnte Subaru leben. Er hatte schließlich Hokuto und er wusste auch gar nicht so recht, ob er diese Art Aufmerksamkeit überhaupt jemals wollte. Aber es tat schon ein bisschen weh. »Seishirou-san?« begann er zaghaft. Jetzt oder nie, bevor es zu spät war. Seine Hand verkrampfte sich um den Griff seiner Gabel und er stocherte ein wenig im Rand seiner Bruschetta. Nicht gerade bestes Benehmen. Der Mann sah auf. »Mh?« Subaru biss sich auf die Unterlippe. »Ich glaube, ich muss dir etwas sagen. Ich weiß noch nicht genau wie, aber es ist wichtig und du musst das wissen. Ähm... Ich bin kein normaler Jugendlicher«, sprudelte es aus ihm heraus. »Also, ich eigentlich schon«, setzte er als Antwort auf Seishirous hochgezogene Augenbraue hinzu. »Meine Arbeit ist es nicht.« »So?« Seishirou wirkte wenig überrascht. Aber er schien im Allgemeinen nicht sehr leicht zu beeindrucken zu sein, die Erfahrung hatte Subaru ja schon gemacht. Entweder das, oder es gehörte zum Alltag des Mannes, sich in Teenager zu verlieben. Oder so zu tun, erinnerte Subaru sich. »Du... kennst ja meinen Familiennamen. Sumeragi. Der Sumeragi-Clan ist... Wie viel weißt du über Onmyouji? Yin-Yang-Meister?« In der heutigen, modernen Zeit konnte man sich nicht immer darauf verlassen und er wollte die Angelegenheit so schnell und unmissverständlich hinter sich bringen, wie irgend möglich. Seishirou, der gerade mit Kauen beschäftigt war, konnte als Antwort zuerst nur nicken. »Ich kenne mich da... ein wenig aus«, fügte er nach dem Schlucken hinzu. Subaru räusperte sich. »Ich bin einer—das Oberhaupt meiner Familie. Ich denke mir das nicht aus, wirklich nicht!« Ein nagendes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Ich bin so dumm. Ich bin so dumm; ich mag ihn doch, glaube ich... Und jetzt hatte er sich bestimmt alles verdorben. Zu seiner großen Überraschung lächelte Seishirou nur. »Wie spannend!« rief er aus. Täuschte Subaru sich gerade ganz schrecklich, oder war das... echte Begeisterung in seiner Stimme? Für eine Weile vernachlässigte der Mann sogar sein Essen. Subaru hingegen war so sehr mit Grübeln beschäftigt gewesen, dass sein Teller nicht einmal halb leer war. »Erzählst du mir mehr?« Es stört ihn nicht. Es interessiert ihn. Subaru schluckte. Das passte gar nicht zu dem, was er sich vorgestellt hatte. »Ich wüsste nicht, was«, murmelte er schließlich, aus unerfindlichen Gründen leicht beschämt, vor sich hin. »Es klingt aufregend, aber es ist nichts besonderes, für mich zumindest. Eigentlich mache ich es nicht einmal gerne. Ich wollte also auch nicht prahlen. Aber ich dachte, dass du es wissen solltest, weil viele Leute es... abschreckend finden, und weil du mich ja wohl...« Er hielt inne und sein Gesicht wurde hochrot. »Ich wollte nicht das Gefühl haben, dich anzulügen.« Er hatte Seishirou die ganze Zeit über nicht angesehen, und auch jetzt vermied er es, hochzusehen. Seishirou aß immer noch nicht weiter. Seine freie Hand lag entspannt neben dem Teller, das Messer hatte er weggelegt. »Ich wollte eigentlich immer eine andere Arbeit machen.« Die Worte waren draußen, bevor er sich stoppen konnte. »Aber ich will nicht jammern«, fügte er eilig hinzu. Seishirous freie Hand bewegte sich und legte sich auf seine. Subaru sah sie fassungslos an. Sie war warm, ein bisschen rau, und so groß, dass selbst seine langen Finger fast komplett verschwanden. Seishirou schien vieles nicht sehr ernst zu nehmen, darunter auch die Distanz, die die meisten Menschen—darunter auch, oder vor allem, Subaru—zueinander bewahrten. Das hatte er oft genug bewiesen, aber... »Ich glaube dir«, unterbrach Seishirou seine Gedanken mit ernster Stimme. Es war unfassbar, wie schnell er zwischen kindisch und erwachsen—normal?—wechseln konnte. »Ich habe auch nichts dagegen, wenn du ›jammerst‹. Wir können ja schließlich nicht mit allem zufrieden sein, oder? Und manches können wir weder ändern noch beeinflussen, aber ignorieren macht es auch nicht besser. Und wenn darüber sprechen das Einzige ist, was wir tun können, warum solltest du es nur aus... Höflichkeit... vermeiden?« Sein Lächeln war warm und was er sagte, war logisch. Nur... »Ich will dich nicht nerven«, erklärte Subaru wahrheitsgemäß. »Ich will niemanden nerven.« »Davon gehe ich doch aus.« Er lächelte immer noch. »Alles andere passt ja auch gar nicht zu dir. Und weißt du was? Du könntest es nicht einmal aus Versehen. Ich höre dir nämlich gerne zu.« Subaru war sprachlos. Seishirou war... nett, nicht nur freundlich. Er war definitiv nicht wie die meisten Menschen und hatte gewiss einige ungewöhnliche Anwandlungen—und, oh Gott, er hielt immer noch Subarus Hand—, aber er schien einfach immer genau zu wissen, was er sagen musste. Zumindest tat er es nun. Subaru fand es zwar definitiv seltsam, einem nach den Regeln der Gesellschaft fast fremden Menschen so nahe zu kommen, aber das war wohl doch irgendwie in Ordnung, solange Seishirou ansonsten so weitermachte, wie bisher. Seine Hand kribbelte trotzdem ganz komisch. *** Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte, aber als Subaru die Augen öffnete, stürzten Schmerz, Übelkeit und Schwindel auf ihn ein wie ein Erdrutsch. Sobald er sich aufsetzte, dachte er für einen Moment, er müsste sich auf der Stelle übergeben. Irgendwie kam er auf die Beine, konnte sich aber kaum aufrecht halten. Er würde sich wirklich übergeben müssen... Irgendetwas war nicht in Ordnung. Subaru würgte, schlug sich die Hand vor den Mund und taumelte vorwärts. Um ein Haar wäre er über seine eigenen Füße gestolpert, aber jemand packte ihn mit eisernem Griff am Oberarm und stützte ihn. Ohne diese Hilfe hätte er es wahrscheinlich kaum geschafft, das Zimmer zu verlassen ohne zu stürzen. In seinen Ohren rauschte es und er sah nur verschwommen, was durch die Dunkelheit selbstverständlich nicht besser gemacht wurde. Der Druck auf seinem Arm verschwand und er stolperte ins Bad und erbrach sich in die Toilette. Er hatte nur sehr wenig gegessen an diesem Tag, aber das hinderte ihn nicht daran, etwas hochzuwürgen, das es gar nicht gab, denn sein Magen rebellierte trotzdem noch. Auch, als es langsam aufhörte, blieb er noch kurz auf den Knien hocken, ehe er sich am Rand des Waschbeckens hochstemmte und darauf gestützt hineinspuckte. Er wusch sich den Mund, um den widerlichen Geschmack von seiner Zunge zu spülen. Ohne hinzusehen wühlte er durch seinen Schrank, zog eine Packung Schmerztabletten heraus—etwas anderes befand sich dort außer Seife ohnehin nicht—und schluckte zwei davon mit einer Hand Wasser. Bis sie wirkten, würde es wohl noch eine Weile dauern, aber zumindest sein Schwindel hatte ein wenig nachgelassen und er konnte wieder klar denken. Jemand hatte den Bannkreis um seine Wohnung ziemlich effektiv zertrümmert. Er kannte nur wenige, die dazu in der Lage waren und nur eine Person, die es auch tun würde. Seishirou. Subaru stieß sich vom Waschbecken ab und ging langsam—schlicht und einfach, weil er nicht schneller konnte—durch den Flur ins Wohnzimmer zurück. Seine Erinnerungen an die letzten Minuten lagen verständlicherweise halb im Schatten, aber die Hand, die seinen Arm vorhin umschlossen hatte, konnte er immer noch spüren. Er stieß die Wohnzimmertür grob auf. »Geht’s dir besser?« Subaru drehte sich ruckartig halb um die eigene Achse und sah Seishirou mit verschränkten Armen neben der Tür an der Wand lehnen. Trotz seiner Verfassung reagierte er so schnell wie noch nie. Sein Mantel mit den Ofuda in den Taschen hing über einem Stuhl. Er hechtete durchs Zimmer. Seishirou war schneller. Er hakte seinen Fuß um Subarus Knöchel und zog ihn nach hinten. Kurz bevor Subaru mit dem Kinn auf die Sitzfläche aufschlagen konnte, packte er seinen ausgestreckten Arm und riss ihn wieder zurück. Er kugelte ihm fast den Arm aus, aber nur fast, griff auch noch das andere Handgelenk und verdrehte beide so hinter Subarus Rücken, dass dieser sich nicht mehr bewegen konnte. Subaru röchelte. Seine Kopfschmerzen—die schließlich nicht natürlichen Ursprungs waren—hatten fast schon aufgehört, aber sie kamen mit voller Kraft zurück und vereinten sich mit dem Zerren aus seinen verrenkten Armen. Er konnte sich nicht wehren, sondern hing hilflos in Seishirous Griff, Tränen in den Augen. Das kannte er schon. Neu war der Geschmack bitterer Galle, der immer noch auf seiner Zunge lag. Wie passend. »Du solltest dich beruhigen, Subaru-kun, mein Lieber. Das ist nicht gut für dich. Manchmal tut das weh«¸ erklang Seishirous tiefe, melodische Stimme. Um seine Worte zu unterstreichen, zog er seine Arme noch weiter nach oben. Subaru stöhnte. »Benimmst du dich?« Seishirou schob ihn durchs Zimmer und stieß ihn von sich weg. Subaru landete mit verdrehten Gliedern und dem Gesicht im Polster auf dem Sofa. Er atmete schwer. »Wenn du brav sitzen bleibst, dann ist das wesentlich sicherer«, fügte Seishirou hinzu. »Amüsierst du dich?« stieß Subaru hervor. Er hatte eine Hand in die Rückenlehne gekrallt und die andere zur Faust geballt. »Hast du Spaß?« Er drehte sich langsam um. Seine Decke verfing sich um seine Beine. Er schob sie und sein Kissen mit den Füßen auf den Boden und zur Seite. Er wollte noch etwas sagen, schaffte es aber einfach nicht, seine Gedanken soweit zu ordnen, dass es Sinn ergeben hätte. »Du wohnst recht einfach, nicht?« Seishirou ignorierte ihn einfach. »Warum schläfst du denn im Wohnzimmer?« Er wartete auf eine Antwort, aber als er keine bekam, fuhr er einfach unbekümmert fort. »Ist dir noch schlecht? Ich war vielleicht ein bisschen grob. Beim nächsten Mal mache ich es besser. Ich hätte erwartet, dass du dich besser schützt.« Er setzte sich neben Subaru, der hektisch von ihm wegrückte. Er kramte in der Tasche seines Jacketts. »Bonbon?« Er bot Subaru eine offene Tüte an. »Die sind scharf, das sollte gut gegen den Geschmack helfen.« Am Liebsten hätte Subaru ihn einfach nicht beachtet, aber das Angebot war in diesem Moment zu verlockend. Er griff gleich doppelt zu—es half wirklich—, stand allerdings auf und blieb einige Schritte von Seishirou entfernt stehen. Sein Mantel hing jetzt neben ihm, aber er konnte sich nicht zum Handeln durchringen. Schon wieder. Was brachte ein Wunsch, für den man nichts tat, um ihn zu erfüllen? Während er noch nachdachte, hatte Seishirou etwas aus der Ritze zwischen Sofalehne und Sitzfläche herausgezogen. Es war von Subarus Position aus kaum zu erkennen, aber er wusste, was es war und deshalb konnte er die Form—die eines kleinen Hundes—erahnen. Sein Atem stockte in seiner Brust. Seishirou hielt das Stofftier mit beiden Händen. Subaru konnte sein Gesicht im Halbdunkel nicht besonders gut erkennen, aber es sah so aus, als hätte er die Stirn gerunzelt. Subaru maß dem nicht viel Bedeutung bei, denn wenn der Sakurazukamori es zuließ, dass Subaru seinen Gesichtsausdruck so einfach lesen konnte, dann war es nicht wichtig—oder mit voller Absicht. »Was ist?« fragte er. »Du schläfst mit ihm?« Seishirou spielte scheinbar geistesabwesend mit den Ohren des Hündchens. Subaru drückte den Lichtschalter. »Wieso nicht?« antwortete er. Seishirous Gesichtsausdruck, den er in dem hellen Licht nun gut erkennen konnte, gefiel ihm nicht. Die Deckenlampe warf scharfe Schatten auf sein Gesicht, die seine Augen noch schwerer sichtbar machten, als zuvor, enthüllte dafür aber auch ein selbstzufriedenes Lächeln. »Ich hätte erwartet, dass du ihn nicht in deiner Nähe haben möchtest, oder ihn gar zerreißen würdest, aber für sein Alter sieht er ja noch ganz gut aus. Warum hast du ihn denn so gut behandelt?« Subarus Herz fühlte sich an, als hätte man es zu einem Knoten gebunden und den mit einem Ruck zugezogen. Mit zwei schnellen Schritten hatte er die Distanz zwischen ihnen überbrückt. Er riss Seishirou den Hund aus den Händen und umklammerte ihn, als wollte er verhindern, dass er ihm wieder genommen wurde. Subaru nahm ihn in beide Hände und hielt ihn auf Höhe seines Bauches vor sich. »Es geht dich nichts an. Bitte geh.« Für einen Moment sah es tatsächlich so aus, als wolle Seishirou seiner Aufforderung Folge leisten—aber stattdessen packte er Subaru am Handgelenk und zerrte ihn ruckartig aufs Sofa. Subaru war viel zu überrumpelt, um auch nur einen Laut von sich zu geben. Sekundenlang sah er Seishirou einfach nur an, bis er schließlich »Was tust du?« hervorstieß und versuchte, wieder von Seishirou wegzukommen, aber das ließ dieser nicht zu. »Subaru-kun, du bist viel zu aggressiv.« Seishirou verlagerte seinen Griff etwas, sodass er nun seine Hand hielt, und begann, mit dem Daumen seinen Handrücken zu streicheln, direkt über einer der Spitzen des Pentagramms, das unter seiner Berührung deutlich sichtbar wurde. Subaru hielt auf einmal sehr still. Er wusste nicht, ob es an der Magie lag, oder an der Berührung, aber er hatte das Gefühl als würde ein Kribbeln von Seishirous Fingern aus durch seinen Arm bis in seine Brust rasen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er es als unangenehm oder als angenehm empfinden sollte. Langsam hob er seinen Blick von ihren Händen und sah Seishirou direkt ins Gesicht. Wie erwartet war dessen Gesichtsausdruck, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen konnte, ein absolutes Rätsel Subaru versuchte zu sprechen, aber sein Mund war trocken. Er schluckte schwer, leckte sich über die Lippen und versuchte es noch einmal: »Erwartest du etwas anderes?« krächzte er. Eigentlich war es gar nicht so sarkastisch gemeint, wie es klang, aber die Situation war einfach zu absurd. Er sah ihm gar nicht mehr ins Gesicht, denn das gab ihm den Eindruck, dass Seishirou trotz der körperlichen Nähe genauso gut am anderen Ende des Zimmers hätte sein können. »Lässt du mich los?« Erstaunlicherweise tat Seishirou genau das. Subaru zog seine Hand zurück und barg sie an seiner Brust, als müsse er sie beschützen. Aber um auch nur irgendetwas vor Seishirou zu beschützen, war es wahrscheinlich schon zu spät, dachte er bitter. Nur warum ist er so still? Was nun passierte, hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Ohne Vorwarnung, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, beugte Seishirou sich vor, fasste ihm in den Nacken und küsste ihn. Nicht irgendwie, nicht zögerlich, nicht im entferntesten, wie Subaru es sich gelegentlich in seinen gewagtesten Tagträumereien vorgestellt hatte. Es glich eher einem Angriff—und wahrscheinlich sollte es sogar, auf gewisse Weise, genau das sein—, und ließ Subaru gänzlich ohne Verteidigung. Subaru schmeckte Zigaretten und Pfefferminze und für einen Moment kam es ihm so vor, als würde er sich selbst schmecken, aber das war nur ein Gedanke für eine Sekunde. Viele Gedanken blieben ihm nämlich nicht. Unter Seishirous Berührungen hatte Subaru das Gefühl, nicht mehr wirklich zu wissen, was er hier eigentlich tat. Auf rein rationaler Ebene gefiel ihm das gar nicht, aber der logische Teil seines Verstandes kam nicht gegen das an, was er eigentlich wollte—und wie er es wollte. Ehe er sich versah, ließ er es nicht nur über sich ergehen sondern erwiderte Küsse und Berührungen so gut er konnte. Doch da blieb ein nagendes Gefühl in seiner Magengegend, das Wissen, dass das, was er tat, falsch war, und dass er es nicht durfte. Aber das war nichts, das ihn stoppen konnte. Mehr durch Zufall als aus irgendeinem anderen Grund traf sein Blick auf Seishirous rechte Hand. Das Licht der Lampe schien direkt auf sie und erleuchtete den Dreck unter seinen Fingernägeln. Oder eher: das alte Blut unter seinen Fingernägeln. Subarus Muskeln verkrampften sich, eine seiner Hände hinterließ Kratzspuren an Seishirous Unterarm. Der Mann sah ihm überrascht ins Gesicht, aber als er merkte, wo Subarus Blick verweilte, breitete sich ein hämisches Grinsen in seinem Gesicht aus und auf einmal kam Subarus Zorn zurück—glühend und so überwältigend, dass er sogar seine körperliche Schwäche überwand. Mit aufeinandergebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Augen warf Subaru sich nach vorne, packte Seishirou an den Schultern und stieß ihn vom Sofa. Er selbst stürzte hinterher und als Seishirou mit dem Rücken auf dem Boden aufkam, saß Subaru rittlings auf ihm und drückte ihn an den Schultern auf den Boden. Seishirou schaute zu ihm herauf und gleichzeitig auf ihn herab. Subaru erwiderte seinen Blick und hatte das Gefühl, als würde er zittern, als würde alles an ihm und um ihn herum beben, aber dieses Erdbeben war wirklich nur in ihm. Denn das was er eigentlich sah—Seishirous Auge, klar und kühl—rückte in den Hintergrund und an seine Stelle trat, wofür es stand: die Träume, die er gehabt hatte—die, die Seishirou in ihm ins Leben gerufen und dann wieder zerstört hatte—Hoffnung und all diese Dinge—diese Dinge—, die er verloren hatte. Unbewusst grub er seine Fingerspitzen tiefer in Seishirous Schultern. Seine Wut war verschwunden. Stattdessen fühlte er sich auf einmal leer, wie ausgesaugt, und sehr, sehr müde. Deshalb ließ er es zu, dass Seishirou die Gelegenheit ergriff und ihre Position wieder veränderte, bis Subaru mit dem Rücken gegen die Sitzfläche der Couch gepresst war. Die harte Unterkante drückte gegen seine Schulterblätter. Seishirous triumphales Grinsen brannte sich durch seine Seele. Ihre Körper waren gegeneinander gepresst und als Seishirou ihn dann küsste, gab Subaru auf, vor Seishirou, und vor sich selbst. * Seishirou hatte ihn mit einem Schlafzauber belegt und war gegangen. Hätte er es nicht getan, hätte Subaru auch nicht schlafen können, schließlich war er jetzt immer noch furchtbar aufgewühlt. Warum hatte er das nur getan? Warum hatte er das getan? Subaru rieb sich die Augen und lehne sich gegen sein Kissen zurück. Die Wohnzimmerdecke sah immer noch genau so aus wie am Vortag. Neben der Deckenlampe klebte noch immer die zerdrückte Spinne—schon seit Wochen—, die weiße Farbe war alt und ein bisschen verfärbt, und das gelbliche Rechteck, dass die Abendsonne an die Decke malte, sah aus wie jeden Tag. Der Rest des Zimmers hatte sich auch nicht verändert. Auf dem Wohnzimmertisch lag eine noch fast volle Packung Hustenbonbons, aber das war alles. Er strich sich die Haare aus der Stirn und seufzte. Er hatte viele Fragen nach dem »Warum«, aber keine einzige Antwort. Am Liebsten wäre er jetzt wieder eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Das wäre so viel einfacher gewesen. Subaru wusste einfach nicht, was er als nächstes tun sollte. Es war das passiert, was nicht hätte passieren dürfen und er hatte es nicht erwartet—wie auch? Er bedeckte sein Gesicht mit einer Hand, schloss die Augen, sodass er nicht zwischen seinen Fingern hindurch sehen konnte, und atmete tief durch. In der Hoffnung, sich abzulenken, drückte er mit den Fingerspitzen fester gegen sein Gesicht. Es tat weh, aber es half nicht im Geringsten. * Anmerkungen: Dieses Kapitel fiel mir echt am allerschwersten. Mir gefällt ja sogar, was ich geschrieben habe, aber ich habe an keinem anderen Teil so viel gefeilt. Zumindest der Tokyo Babylon-Teil hat mir eine Menge Arbeit gemacht, weil ich ihn in ganz viele kleine Teile zerstückelt geschrieben habe. Am Ende habe ich mich auf Dinge berufen, die ich zwar schon geschrieben hatte, die aber in der Geschichte erst viele Absätze später vorkamen... Es war viel Arbeit, da wieder so etwas wie Ordnung hereinzubringen. Beim zweiten Teil (den ich Wochen vorher schon halb fertig hatte) gab es dann das Problem, dass ich es zu der Zeit lustig fand, unheimlich viele Metaphern und ähnliche Stilmittel zu verwenden. Den größten Teil davon habe ich zwar schon gelöscht, bevor ich es zum Betalesen weggeschickt habe, aber irgendwie sieht man die letzten Überbleibsel davon immer noch. Träume ------ Schritt III: Träume »Guten Morgen, Subaru-kun!« Er blinzelte. Für einen Moment wollte er sich einfach nur umdrehen und weiterschlafen, aber dann bemerkte Subaru, dass Seishirous Gesicht nur einige wenige Zentimeter von seinem entfernt war. »Wa...?!« Er riss abrupt die Augen auf und zuckte zurück. Sein Hinterkopf stieß gegen die Wand. »Hmpf—was machst du...« Seishirou sah überrascht aus. »Aber, Subaru-kun!« Er stützte das Gesicht in die Hand. Die verrutschte Decke entblößte seine nackte Schulter (Besser nicht hingucken), denn das Oberteil seines Schlafanzuges—anders konnte Subaru sich das quietschbunte Karomuster nicht erklären—war genauso verrutscht. »Was ist denn los?« »Was... was machst du in meinem Bett?« »In unserem«, korrigierte Seishirou ihn. Subaru konnte ihn nur noch geschockt anstarren. Der Mann runzelte die Stirn. »Na«, sagte er, »wir sind doch zusammengezogen. Zwar erst gestern, aber ich hätte doch gedacht, dass du dich daran erinnerst.« Er wirkte beleidigt. »Immerhin sind wir jetzt verheiratet!« Er ignorierte Subarus Gesichtsausdruck und zerzauste ihm stattdessen die Haare. »Komm doch mit in die Küche. Ich mache uns Frühstück.« Verheiratet. Steckte Hokuto dahinter? Subaru schluckte. War die Welt verrückt geworden? Solche und ähnliche Fragen wirbelten ihm durch den Kopf während er sich anzog und am Ende war er so nervös, dass er sich kaum noch die Treppe hinunterwagte. Vor ihm wabert ein Schatten, der mal näher, mal weiter von ihm entfernt ist. Er weiß nicht, was es ist, aber er weiß, es ist unglaublich wichtig... Subaru stürmt los, rennt über die weite, leere Fläche, er fliegt regelrecht dahin, aber er kommt nicht vorwärts. Auf einmal hört er sogar das hallende Geräusch seiner eigenen Schritte nicht mehr und da wird ihm klar, dass er gar nicht mehr läuft. Irgendetwas hält ihn an den Knöcheln fest. Der Schatten bleibt so unklar, wie vorher, aber plötzlich taucht von einem Moment auf den anderen Seishirou aus dem Dunkel vor ihm auf. »Seishirou-san!« Was auch immer es ist, das ihn festhält, es schlingt sich noch fester um seine Beine und kriecht langsam seine Unterschenkel hinauf. Seine Knie knicken ein und treffen kurz danach auf dem Boden auf, der sich seltsam weich anfühlt, wie Gummi. Es sind, das bemerkt Subaru jetzt, Kirschbaumzweige, die sich um seine Beine wickeln und ihn festhalten. Er will sagen »Hi...« —lf mir!, aber er bricht mitten im Satz ab, als er sieht, dass Seishirou sich nicht rührt. Sein Lächeln ist so starr wie eine Maske. »Geht es dir gut?« Seishirou beugte sich über ihn. Subaru war noch immer leicht benebelt. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass er auf einem Stuhl saß und nicht etwa frei in der Luft schwebte, wie es sich einen Moment lang angefühlt hatte. Der Raum, in dem er sich befand, war auch leicht verschwommen, das Einzige, das er wirklich klar sah, war Seishirous Gesicht. Vielleicht, weil es im Gegensatz zu allem anderen auch so nah war? »Mh... ich bin wohl eingedöst.« »Das war nicht zu übersehen.« Seishirou lächelte, aber selbst seine wiederkehrende Heiterkeit konnte die Besorgnis nicht verdrängen, die vorher noch seinen Gesichtsausdruck beherrscht hatte. Keine Maske, nein. Subaru presste die Lippen aufeinander. Seit wann träumte er am helllichten Tag? In Gedanken versunken zu sein war eine Sache, aber so etwas? Er schreckte hoch, als er Seishirou sprechen hörte. »Hattest du etwas gesagt, Seishirou-san? Wenn ja, dann tut es mir Leid...« Von irgendwoher, er nahm an durch das geöffnete Fenster, wehten ein paar vereinzelte Kirschblüten ins Zimmer. Seishirous Lächeln wirkte nun wieder vollkommen unbeschwert. »Nichts, das ich nicht wiederholen könnte. Ich habe nur gesagt, dass wir so langsam losmüssen, sonst sind wir zu spät.« »Oh. Oh, natürlich.« Subaru sprang blitzartig auf und machte schon ein paar Schritte in Richtung Tür, als ihm auffiel, dass Seishirou sich nicht von der Stelle bewegt hatte und auch keine Anstalten machte, sich zu rühren. Er drehte sich um und ging zögerlich wieder zurück. »Was ist denn?« fragte er. Seishirou hatte den Kopf ein wenig gesenkt, sah ihn aber trotzdem direkt an. Irgendetwas daran machte Subaru nervös, insbesondere, da sein Lächeln verschwunden war. Er konnte nicht anders, als etwas argwöhnisch dreinzuschauen; etwas in Seishirous Gesichtsausdruck veranlasste ihn dazu. »Alles in Ordnung?« »Natürlich.« Seishirou lächelte nun wieder und streckte die Hand aus, um Subaru eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streifen, bevor er sich nach vorne beugte. Seishirous Lippen waren sehr warm, wenn auch seltsam trocken. Eigentlich fühlten sie sich gar nicht an, wie Haut, aber was wusste er schon? Es war sein erster Kuss, wahrscheinlich musste es sich genauso anfühlen, aber das hatte man ihm natürlich nicht erklärt und eigentlich war das auch egal. Trocken oder nicht, ihm wurde jedenfalls schwindelig. Auf die gute Art. Er schmiegte sich enger an Seishirou, vergrub seine Hand so in Seishirous Haar, wie dieser es bei ihm tat und schloss die Augen ganz fest. Subaru wachte auf. Im ersten Moment war er noch sehr verschlafen, weshalb er nicht viel von seiner Umgebung wahrnahm. Abgesehen davon, dass das Kissen scheußlich schmeckte. Er war endgültig wach, als ihm der Grund dafür klar wurde, warum er sein Kissen im Mund hatte. Oh mein Gott. Sein Gesicht begann geradezu zu glühen, auch nachdem er den Stoff ausgespuckt und seinen Mund mit der Hand bedeckt hatte. Wie konnte er so etwas nur träumen? Subaru weigerte sich, seine Augen zu öffnen. Ausgerechnet heute, wo er doch Seishirou unter die Augen treten musste. * Es gibt Träume, die vergisst man, sobald man die Augen aufmacht und solche, die man den ganzen Tag mit sich herumträgt. Dieser gehörte mit Sicherheit zur zweiten Sorte, und zwar auf die penetranteste Art, die nur irgend möglich war. Subaru tat sein Bestes, um nicht gleich bei Seishirous bloßem Anblick zu erröten was ihm letztendlich doch misslang. Das schien dem Mann allerdings nicht weiter aufzufallen (was Subaru recht schmerzlich daran erinnerte, wie schüchtern er eigentlich war), es Subaru aber immerhin erleichterte, so normal wie möglich mit ihm umzugehen. Eigentlich sollte es ihm nicht so sehr zu schaffen machen—in seinem Alter waren solche Träume doch vollkommen normal, selbst für ihn, aber es war etwas anderes, wenn sein Traum konkret jemanden enthielt, den er kannte. Besonders, wenn es sich dabei um Seishirou handelte, welcher obendrein ein Mann war. Und besonders, wenn er wusste, dass es noch viel, viel schlimmer hätte kommen können. »Komm doch rein. Möchtest du Tee? Oder Kaffee?« fragte Seishirou, während er Subaru die Tür aufhielt. Der Junge nickte und trat ins Zimmer. »Tee bitte.« Im Vorbeigehen streifte er Seishirou mit dem Arm. Er erschauderte und die Haare in seinem Nacken stellten sich auf. Wie um alles in der Welt sollte er denn unter diesen Umständen normal mit ihm umgehen? Es war gleichzeitig unfassbar und unmöglich. Nichtsdestotrotz beeilte er sich, ein wenig Abstand zwischen sie Beide zu bringen, aber das schien Seishirou nicht aufzufallen. »Ich hoffe, ich störe dich nicht?« fragte er, mehr um seine Nervosität zu überspielen, als aus ernsthafter Besorgnis. »Aber nicht doch. Ich habe doch selbst vorgeschlagen, dass du mir heute hilfst.« Seishirou zwinkerte. »Nachdem du mehrfach angedeutet hast, dass du es wolltest. Beim nächsten Mal sag es mir ruhig direkt, in Ordnung?« Subaru errötete ein wenig. »In Ordnung.« Seishirou stützte die Hände in die Hüften. »Na dann... wollen wir gleich anfangen, oder möchtest du erst in Ruhe deinen Tee trinken?« »Ich finde, wir sollten jetzt anfangen—wenn es dir nichts ausmacht, heißt das.« »Gut. Auf geht’s.« »Was hat sie?« fragte Subaru, während er durch das krause, graubraune Fell einer leicht pummeligen Mischlingshündin wuschelte, die zwischen seinen Knien hockte und es sich gut gehen ließ. Neben ihm dampfte eine halbvolle Tasse Tee vor sich hin. »Sie sieht sehr müde aus.« Seishirou setzte sich neben ihn, auf den Schreibtisch, da Subaru den Stuhl besetzte. Er pustete auf die Tasse Kaffee, die er in der Hand hielt—die dritte, seitdem Subaru in der Praxis angekommen war. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, sah er zu Subaru hinunter. »Das weiß ich leider gar nicht so genau. Ich vermute allerdings, dass sie irgendwo Rattengift geschluckt hat. Es ging ihr richtig schlecht, aber so langsam geht’s mit ihr wieder bergauf. Zur Sicherheit habe ich sie hier behalten, aber ihre Familie kommt sie bald abholen. Penny hier«, er tätschelte das Tier, wobei er sich halb über Subaru lehnte, »durfte ein Weilchen nichts fressen und das konnte ich bei den Besitzern leider nicht sicher stellen.« Subaru hätte ihm gerne einfach nur zugehört, aber die Tatsache, dass Seishirou fast auf ihm hing machte das schwierig. Er schluckte. Eigentlich machte ihm das nichts aus, es war ja nicht so, als würde es sich schlecht anfühlen... nein, das stimmte so nicht ganz: es machte ihm etwas aus, und zwar, weil es sich nicht schlecht anfühlte. Seishirou war warm, Seishirou lächelte, was Subaru aus dem Augenwinkel sehen konnte, und Seishirou war ihm in den letzten Wochen viel, viel zu nahe gekommen. Alles wie in seinem Traum—oder zumindest fast, war da nicht noch etwas, das ihm einfach nicht in den Sinn kommen wollte?—, alles irgendwie nicht neu, nur leider hatte der Traum seine »ignorieren, akzeptieren, aber nicht weiter darüber nachdenken«-Strategie über den Haufen geworfen, indem er alle Punkte bis auf den zweiten effektiv und mit Nachdruck außer Kraft gesetzt hatte. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte Seishirou. Subaru zuckte aus seiner Starre in die Wirklichkeit zurück. »Uh... ja. Mir geht’s gut, ich war nur in Gedanken.« Er lächelte schwach. Seishirou lehnte sich zurück und tastete auf seinem Schreibtisch herum. »Ah... hier«, sagte er schließlich und drückte Subaru ein paar Hundeleckerchen in die Hand. »Da. Ich glaube, sie freut sich.« »Darf sie denn schon wieder fressen?« »Na, wer von uns beiden ist hier der Arzt, hm?« meinte Seishirou mit gespieltem Ernst. »Ich weiß, was ich tue. Aber...« er beugte sich vor, um Subaru ins Ohr zu flüstern, wobei diesem fast das Herz stehen blieb. »...sag in Gegenwart der Familie besser nicht, dass du der Erste warst, der Penny etwas gegeben hat«, murmelte er verschwörerisch. »Man sollte nie zwischen besorgte Fünfjährige und ihre Hunde treten; das ist das Erste, das man als Tierarzt lernt.« Er zwinkerte und setzte sich wieder gerade hin, damit er den Rest seines Kaffees in einem Zug austrinken konnte. Trotz allem musste Subaru grinsen. »Ich werd’s mir merken.« Seishirou war, wie immer, angenehme Gesellschaft. Subaru hörte ihm gerne zu, während er von einer der vielen lustigen oder doch zumindest interessanten Begebenheiten erzählte, die ihm bei seiner Arbeit täglich unterkamen, auch wenn eine kleine Ecke seines Bewusstseins immer bei seinem Traum verblieb. Das verleitete ihn dazu, Seishirou genauer als er es normalerweise tun würde, von der Seite her zu beobachten. Der Mann saß mit an den Knöcheln überschlagenen Beinen auf der Schreibtischkante, schaute beim Sprechen in die Ferne, als wäre er in Gedanken gar nicht wirklich bei ihm, sondern mitten in seiner Erzählung. Er trank zwischen einzelnen Abschnitten seiner Geschichte immer wieder einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, die Subaru bestenfalls als kitschig, Hokuto und Seishirou hingegen als süß bezeichnen würden: sie war hellrosa und war rundherum mit tanzenden Pinguinen bemalt. Aber irgendwie passt es zu ihm, dachte Subaru mit dem Ansatz eines Lächelns auf den Lippen. Und er passt hier her, führte er den Gedanken in Hinblick auf Seishirous Verhalten fort. Zwar hatte Seishirou ohnehin die Eigenschaft, den Platz, den er einnahm, für sich zu beanspruchen, aber hier fühlte er sich sichtlich wohl und machte sogar ein bisschen den Eindruck, als würde dem Raum etwas fehlen, wäre er nicht da. Er gehörte einfach dazu. Irgendwie erfüllte es Subaru ein bisschen mit Sehnsucht. »Sag mal...« begann er zögerlich. »Seit wann weißt du, dass du das hier machen willst? Als Tierarzt arbeiten, meine ich.« Seishirou rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich glaube, ich war fünfzehn. Es erschien mir damals als eine gute Idee und irgendwie hat sich das gehalten.« »War das schwierig für dich? Also, ich meine damit, ob dir irgendetwas größeres im Weg stand, als die Sache an sich.« Er hatte aufgehört, Penny zu kraulen, da sie sich auf seine Füßen gelegt hatte, und er sie nicht mehr streicheln konnte, ohne sich furchtbar zu verrenken. »Ich will dich nicht aushorchen, aber... es interessiert mich einfach nur.« »Frag mich, was immer du willst. Ich nehme an, du beziehst dich auf dich selbst? Nein, so war es bei mir nicht. Ich habe zwar auch gearbeitet, aber nicht den ganzen Tag über, wie du. Aber anstrengend war’s trotzdem, und ich habe es geschafft. Aufgeben solltest du auf keinen Fall.« Er lächelte zu Subaru hinab. »Wenn es das ist, worauf du hinaus wolltest.« Subaru erwiderte das Lächeln mit knallroten Wangen. »Ja, genau darum ging es mir. Danke.« Er senkte den Kopf. »Ich will zwar sowieso nicht mehr Tierarzt werden, aber es ist ja alles schwierig... und irgendwie habe ich die Hoffnung fast schon aufgegeben.« »Und das«, sagte Seishirou und hob in übertriebener Geste den Zeigefinger, »...Ist genau das Problem. Wenn du es in Gedanken schon nicht schaffst, wie sollst du es dann in der Wirklichkeit? Versuch, das ganze positiv zu sehen. Irgendwie. Das ist wichtig.« Subaru seufzte. »Ich versuch’s. Danke, Seishirou-san.« »Gern geschehen«, antwortete der Mann. »Darf ich dich noch was fragen?« »Klar? Habe ich das nicht schon einmal gesagt?« »Als was hast du denn gearbeitet?« Seishirous Augen verengten sich zu Schlitzen, aber das Lächeln blieb auf seinen Lippen. Es passte nicht mehr zusammen. Er hakte einen Finger hinter den Bügel seiner Brille und zog sie ein bisschen nach unten, sodass er sich über den Rand hinweg in Subarus Augen schauen konnte. Der Junge musste schlucken. Irgendwie machte es den Eindruck, als wollte Seishirou ihn mit seinem Blick durchbohren. Hatte er etwas falsch gemacht? Seishirous Stimme war warm und floss durch seine Ohren wie Wasser durch seine hohlen Hände. »Ist das wichtig?« Und dann war plötzlich alles weg. Seishirou saß wieder mit der Kaffeetasse in der Hand da, als wäre nichts gewesen. Was wollte ich fragen? Subaru rieb sich nachdenklich den Nacken. Es wird wohl nicht so wichtig gewesen sein. Noch halb in Gedanken versunken warf er einen Blick auf die Uhr, die gegenüber an der Wand hing und schreckte hoch. »Oh nein! Ich muss los; ich bin schon fast zu spät zur Arbeit!« Er sprang auf, stolperte auf dem Weg zu seiner Tasche fast über Penny und winkte Seishirou quer durchs Zimmer von der Tür aus zu. »Danke für den Tee, Seishirou-san; es tut mir Leid, dass ich so plötzlich weg muss...« »Kein Problem. Sehen wir uns vielleicht später noch?« »Ich weiß nicht... ich würde gerne, aber...« sagte Subaru, die Hand schon an der Türklinke. »Ich weiß es wirklich nicht.« Seishirou winkte ab. »In Ordnung. Ich rufe dich vielleicht noch an. Bis später—und viel Erfolg!« Subaru schenkte ihm ein letztes Lächeln und schloss die Tür hinter sich. Auf dem Weg nach draußen wurde er irgendwie den Gedanken nicht los, dass er etwas wichtiges vergessen hatte. Einen Moment lang wollte er sich umdrehen und noch einmal nachschauen, aber wenn er genau darüber nachdachte, dann war es kein Gegenstand, sondern kam ihm eher vor, wie eine alte Erinnerung, die ins Dunkle gesunken war, aber doch noch nicht komplett vergessen war und immer wieder für kurze Augenblicke an die Oberfläche kam. Oder wie ein Traum, an den man sich nicht mehr erinnern kann... auf jeden Fall war es nichts, das Subaru als angenehm bezeichnen würde, sondern ließ ihm, ohne zu wissen, worum es überhaupt ging, einen Schauder den Rücken hinunter laufen. Wahrscheinlich war es besser, wenn er nicht weiter darüber nachdachte. Als Subaru schon halb die Straße hinuntergerannt war, wurde ihm klar, dass er zum Schluss gar nicht mehr an seinen Traum gedacht hatte. Er lächelte in sich hinein, fast ganz ohne rot zu werden, und hetzte weiter. * Seishirou kraulte die Hündin hinter den Ohren, während er den Zauber wirkte. Eigentlich hätte Penny wirklich noch nichts fressen dürfen, aber das machte nichts, denn spätestens in einer Stunde würde sie ohnehin tot sein. Er würde sich beeilen müssen, oder er würde—zum ersten Mal in seinem Leben—die Beute verpassen; etwas, das sich der Sakurazukamori besser nicht leistete. Seishirou ließ die Maske des gutherzigen Tierarztes zusammen mit seiner Brille an der Tür zurück und verließ die Praxis, um auf die Jagd zu gehen. *** Subaru stolperte fast über einen tiefen Riss im Asphalt als er Seishirou sah. Er wollte ihn nicht sehen, er wollte ihn wirklich nicht sehen. Aber seit wann hatte Subaru besonders viel Einfluss auf sein eigenes Leben gehabt? Er konnte sich nicht daran erinnern. Wenn Seishirou es doch wenigstens bald zu Ende bringen würde... aber er rührte sich nicht einmal. Subaru sah ihn kaum an dem schrägstehenden Lampenpfosten lehnen, der vor einem halb eingestürzten, wackelig aussehendem grauen Gebäude stand. Als würde sich Seishirou mit Absicht so verbergen, sodass man ihn auf den ersten Blick nicht sehen konnte. Subaru war sich sicher, dass er genau das tat. Dabei war das gar nicht nötig: Niemand wagte sich seit dem Erdbeben im Nachbarviertel hierher. Niemand außer ihnen, zumindest. Subaru war hier, weil er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nicht gerne durch die immer noch überraschend überfüllten Hauptstraßen gehen wollte, schließlich wusste er, dass sich die »seltsam ortsbegrenzten Erdbeben« nicht an der selben Stelle wiederholen würden. Und Seishirou, der auf der anderen Straßenseite stand und anscheinend wartete, war hier, weil er wusste, dass seine Beute hier war. Subarus Unterlippe begann unter dem Biss seiner Schneidezähne fast zu bluten; den passenden metallischen Geschmack hatte er ohnehin schon im Mund. Es war nicht so, als würden ihn die Erinnerungen an... ihre letzte Begegnung überfluten, schließlich waren sie in den letzten Tagen ein stetiger Begleiter gewesen, aber die Situation zeigte ihm deutlich, was in diesen Erinnerungen so wichtig war. Seishirou war ein großer, solider Schatten—sein Gesicht konnte er nur als Umriss sehen, obwohl er die Magie durchschaut hatte—, der es gleichzeitig schaffte bei absoluter Regungslosigkeit so elegant zu wirken, als würden die Grenzen des menschlichen Körpers für ihn nicht gelten. Das war Seishirou, wie er ihn kannte. Seine Gefühle waren nicht leicht zu beschreiben und er war sich ziemlich sicher, dass er sie auch gar nicht beschreiben wollte. Kaum hatte er seine Lippe aus dem Griff seiner Zähne befreit, krampften seine Hände sich zusammen, und er grub die Fingernägel in seine Handflächen. Sein Körper fühlte sich an, als würde er unter Strom stehen und es kostete ihn alle Anstrengung, seine Finger wieder zu entspannen. Sein Herz schlug nicht schneller, aber jeder Schlag dröhnte in seinem Schädel und pochte durch seinen Kiefer. Er wünschte, er hätte irgendetwas, um diese Gefühle zu betäuben. Die rauen Kanten der Ofuda in seinem Mantel kitzelten seine Fingerspitzen. Seishirou hatte sich vom Pfosten abgestoßen und schlenderte nun quer über die Straße. Es entging Subaru nicht, dass er, wie auch beim letzten Mal, seine Sonnebrille nicht aufhatte. Natürlich, in Subarus Wohnung war er in einem geschlossenen und dunklen Raum gewesen, aber hier war er im Freien, noch dazu erst am späten Nachmittag. Das konnte nur eins heißen: irgendetwas hatte er vor, und wenn es nur war, Subaru durch den Anblick seines blinden Auges so weit zu verunsichern, dass er sich daran ergötzen konnte. Aber das würde er nicht zulassen, das schwor er sich. Als Seishirou nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, katapultierte er sich nach vorne, riss seine Ofuda hervor und war im Begriff, seine Shikigami zu beschwören, als der Sakurazukamori ihn einfach am Arm fasste und ihm die Hand so verdrehte, dass er loslassen musste. Das Papier schwebte langsam zu Boden und ein Teil verschwand im Dreck des Straßenrandes. Seishirou packte ihn bei den Schultern, wirbelte ihn herum und ließ ihn mit solcher Wucht in die Wand krachen, dass das einzige Geräusch, das Subaru hervorbrachte, ein ersticktes Keuchen war. Der Schmerz, den ihm plötzlich seine kaum verheilten Wunden bereiteten, raubten ihm fast das Bewusstsein. Er hatte schon wieder erwartet, dass Seishirou sich mit Magie verteidigen würde, anstatt ihn direkt anzugreifen, und schon wieder hatte er dafür bezahlt. Würde das sein Leben lang so weitergehen? Immer wieder die selben Fehler machen? »Langsam, Subaru-kun, langsam. Ich habe es dir doch schon einmal erklärt: du tust dir noch weh«, drang Seishirous Stimme wie durch einen Schleier zu ihm. Er zwang ein schnaubendes Lachen durch seine Lippen und presste sie dann aufeinander, um jegliche weiteren Laute zu unterdrücken, die ihm vielleicht vor Schmerzen entfliehen könnten. Als sich Subarus Geist langsam wieder klärte, wurde ihm klar, dass Seishirou plötzlich gar nicht mehr so fest zudrückte. Seine Hände lagen sanft auf den Blutergüssen, die er eben noch selbst verursacht hatte. Er lächelte, sein Gesicht viel zu nahe. »Nein«, krächzte Subaru. »Nein!« Diesmal nicht. Er hob die Arme abwehrend und drückte schwach gegen Seishirous Handgelenke. Zu seiner Überraschung ließ der Mann sofort locker, hielt ihn aber weiterhin am Handgelenk fest. »Warum nicht?« Das Funkeln in Seishirous Augen strafte seinen ernsthaften Ton Lügen. »Letztes Mal hast du dich doch noch so gefreut, mich zu sehen...« Subarus Mund verkrampfte sich zu einer schmalen, blutleeren Linie. Sein Atem war flach und seine Augenbrauen so eng zusammengezogen, dass sie sich fast über seiner Nase trafen. Einzig und alleine seine Vernunft—oder das, was davon noch übrig war—hinderte ihn daran, einfach seinem spontanen Bedürfnis nachzugeben und sich mit bloßen Fäusten auf Seishirou zu stürzen. »Nein«, sagte er stattdessen mit heiserer Stimme. »So war das nicht. Ganz bestimmt nicht.« »Zuerst sicher nicht, das stimmt schon«, gab Seishirou gut gelaunt zu. Er hatte eine Hand locker in der Hosentasche. Subaru wusste, dass er sich nie so entspannt geben würde, wenn er nicht irgendetwas in der Hinterhand hätte. »Warum schaust du mich so an?« Subaru hatte die Zähne so fest aufeinandergebissen, dass sein Kiefer schmerzte. »Ich weiß beim besten Willen nicht, was mich so interessant macht.« »Du siehst müde aus.« Subaru sah verwundert in Seishirous ausdruckloses Gesicht. Es war genauso kalt, wie die Hand auf seinem Arm sich anfühlte. Wahrscheinlich stimmte es; er hatte schlecht geschlafen und zwar nicht erst seit gestern. »Und das macht mich interessant«, brummte er verächtlich. »Ach, nein. Du bist natürlich immer interessant.« Zähne blitzten in einem falschen Grinsen. »Aber es ist mir aufgefallen. Du hast Augenringe, die nicht zu übersehen sind und du bewegst dich sehr langsam. Ich kenne dich schließlich gut genug, um zu wissen, wie du eigentlich aussiehst. Und normalerweise bist du ja eher flink... wobei du in letzter Zeit im Allgemeinen etwas nachzulassen scheinst.« Subaru berührte die Haut unter seinem Auge. Natürlich konnte er es nicht fühlen, aber er konnte es sich gut vorstellen: ein bläulicher Schatten unter seinem trockenen, gereizten Auge. Das, und ein schlaffer, schwacher Körper. Hätte er nicht die Wand in seinem Rücken gehabt, er hätte sich vielleicht nicht mehr halten können. »Mag sein«, bemerkte er schließlich. »Du aber auch.« »Wir könnten einen Wettbewerb daraus machen, wer schlechter schläft, wir könnten uns aber auch wichtigeren Themen zuwenden. Wie geht es deinem Auge? Schmerzen? Ich weiß, es ist nicht besonders angenehm. Ich kenne das.« »Es interessiert mich aber, wer von uns schlechter schläft«, sagte Subaru mit leiser, aber schneidender Stimme. »Sag, Seishirou-san, wie schläft es sich ohne Gewissen?« Für einen Moment sagte keiner von ihnen ein Wort. Sogar der Sakurazukamori schien nachdenklich, aber dann breitete sich ein mildes Lächeln auf seinen Lippen aus. »Ich kann nicht klagen.« Subaru seufzte still und schob dann Seishirous Arm zur Seite, um langsam—und mit großer Rücksicht auf seine geschundenen Knochen—zu einer niedrigen Mauer zu trotten, auf die er sich setzen konnte. Er rieb sich das gesunde Auge. »Was möchtest du diesmal? Ich bin in keiner Verfassung zu kämpfen und ich werde ganz gewiss nicht anderweitig... zu deiner Unterhaltung beitragen.« Er hob die Hand, gerade, als Seishirou sprechen wollte. »Nein. Sag es mir lieber nicht. Es wird mir ganz bestimmt nicht gefallen.« Warum war er so ruhig? Er hätte wütend sein müssen, verzweifelt, oder doch zumindest angespannt, wie vorher. Aber stattdessen war da... nichts? Seishirou war zu ihm getreten und tätschelte sanft seine Wange. »Mach dir nicht zu viele Gedanken«, sagte er herablassend und lächelte. Subaru bemerkte es nur am Rande, dass Seishirou ihn um Feuer bat. Dass er sein Feuerzeug nicht mehr wieder zurückbekam interessierte ihn wenig. Er hatte es kurz darauf schon wieder vergessen. Seishirou blies Rauch in seine Richtung. Dann machte er einen Schritt zurück. »Ich muss dann jetzt auch los; ich habe einfach nie genug Zeit. Bis bald, Subaru-kun.« Subaru musste nicht hochsehen, um zu wissen, dass Seishirou weg war. In seiner Brust lag so etwas wie ein Stein. Es war wie sein Traum. Seishirou ist ohnehin groß, aber hier in dieser endlos weiten, grauen Fläche scheint er über ihm aufzuragen wie ein Turm. Er bewegt sich nicht, er spricht nicht, er ist einfach nur da und das ist viel schrecklicher als alles andere. Früher war Blut in diesem Traum, viel Blut, manchmal seines, manchmal nicht, und meistens Hokutos Stimme, und Subarus Name, und wenn es so ist wie heute, und Seishirou sich dann doch bewegt, dann bricht er immerhin Subarus Arm und Herz. Immer wieder. Aber diesmal sieht er ihn einfach nur an, mit kalten, regungslosen Augen. Nicht einmal ein Lächeln liegt auf seinen Lippen. Eigentlich könnte er genauso gut eine Statue sein, oder gar nicht da. Subaru wendet das Gesicht ab. Dann kniet Seishirou sich vor Subaru auf den Boden, wo dieser in sich zusammengesunken sitzt. Seine Hand ist warm an Subarus Kinn, als er ihn zwingt, ihn anzusehen. Seine Finger bewegen sich zum Hals des jungen Mannes und Subaru erinnert sich an einen Traum, in dem Seishirou ihn erwürgt hat. Ein Schauer durchläuft ihn und freudige Erwartung lässt sein Herz schneller schlagen. Aber Seishirous Finger bleiben entspannt, freundlich und warm. Er ist fast zärtlich. Aber so soll es nicht sein! Subaru öffnet den Mund, sagt Seishirous Namen, bittet und sieht den Mann stocken. Sein Gesicht zeigt keinen Hinweis, dass er ihn überhaupt gehört hat, aber er steht auf, dreht Subaru den Rücken zu und geht. Eigentlich gibt es hier weder Licht noch Dunkel, aber schon nach ein paar Schritten umspielen ihn zunächst Schatten und dann verschwindet er ganz. Und lässt Subaru lebend und zitternd zurück Dieser Traum weckte ihn seit ein paar Tagen fast jede Nacht. Er lebte, er war allein und er sehnte sich nach etwas, das er nicht haben durfte. * Anmerkungen: Ich wollte am Anfang dieses Kapitels den Eindruck eines wirklichen Traumes vermitteln. Zu viele Träume in Geschichten machen meiner Meinung nach viel zu viel Sinn: Sie sind zu klare Zukunftsvisionen—und ich habe auch noch nie jemanden getroffen, der oder die eins zu eins ihre Erinnerungen nachgeträumt hat. Darum, und auch als Gegenpol zur sonst eher düsteren Stimmung der Geschichte, wollte ich, dass Subarus Traum am Anfang des Kapitels eher lustig ist. Da er (und am Besten auch die Leser ; )) aber wirklich den Eindruck haben sollte, dass alles real ist, egal wie absurd, habe ich meinen Stil nicht besonders angepasst oder kursive Schrift benutzt. Die anderen Traumszenen habe ich dann doch in der Gegenwart geschrieben, um das unmittelbare eines Traums zu vermitteln, und auch den Eindruck, als würde es nicht wirklich zur Geschichte, also zur »Wirklichkeit«, gehören. Das so zu schreiben hat wirklich viel Spaß gemacht. Gedanken -------- Schritt IV: Gedanken Subaru war ein Grübler, das war Seishirou schon vom ersten Tag an klar. Manchmal versank er stundenlang in seiner eigenen kleinen Welt und tauchte nicht eher wieder auf, als dass ihn jemand auf seine Anwesenheit aufmerksam machte. Seishirou störte das nicht. Subaru mochte ein Grübler sein, aber er war ein Beobachter; es machte ihm nichts aus, nichts anderes zu tun, als Subaru dabei zuzusehen, wie er langsam die Fingerspitzen seiner Handschuhe zerbiss. Aber seit einiger Zeit spielte er mit einem neuen Gedanken. Was sprach dagegen, wenn er dem Jungen einmal dabei Gesellschaft leistete, und zwar so unmittelbar, wie nur irgend möglich? Viele seiner Techniken beruhten darauf, mit dem Geist der Menschen zu spielen, und wer die Erinnerungen einer Person verändern wollte, musste diese erst einmal kennen. Und genau das konnte er auch tun, wenn Subaru etwas bemerken sollte. Der Plan formte sich praktisch von alleine, und er gefiel Seishirou. Er schrie förmlich danach, möglichst bald in die Tat umgesetzt zu werden und Seishirou hatte nicht vor, sich zu widersetzen. Es war ein diesiger Tag, nicht wirklich warm, nicht wirklich kalt, nicht hell und nicht dunkel. Seishirou war sich nicht sicher, ob er das Wetter als gut oder als schlecht bezeichnen würde. Er saß in seinem Sessel und blätterte durch die Tageszeitung, seine Brille fast auf der Nasenspitze, sodass er über den Rand hinwegschauen und besser lesen konnte. Subaru saß neben ihm auf der Couch und döste vor sich hin. Seishirou langweilte sich. Es war der ideale Zeitpunkt. Seishirou faltete die Zeitung zusammen, legte sie mit der zusammengeklappten Brille darauf auf den Wohnzimmertisch und stand auf. Er umrundete den Tisch und blieb vor dem Jungen stehen. »Subaru-kun?« fragte er, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und erwiderte den etwas überraschten Blick mit einem Lächeln. Der Ausdruck des Jungen wechselte von milder Ratlosigkeit zu wunderbar unbeschreiblicher—Fassungslosigkeit? Ja, das musste es sein—als Seishirou ihm plötzlich die Hand auf die Stirn drückte. Kurz danach, bevor er etwas sagen konnte, flatterten seine Lider, und ihm fielen die Augen zu. Seishirou stützte der Bequemlichkeit halber ein Knie neben Subarus Oberschenkel auf das Sofa, damit er sich vorbeugen und seine Stirn an Subarus legen konnte. Seine Hand lag mittlerweile über den Augen des Jungen. Seishirou atmete einmal tief ein und wieder aus, was ein paar Haarsträhnen seines Gegenübers zum Flattern brachte, und begann mit seiner Arbeit. Es war nicht wie Gedankenlesen; es war wesentlich vager. Zudem war es keine Magie, die Seishirou in den zehn Jahren als Sakurazukamori allzu häufig benutzt hatte—eher selten, um genau zu sein und meist aus reiner Neugier—, also hatte er nicht viel Übung. Es war schwierig, aber er kannte Subaru gut, wenn auch noch nicht allzu lange. Als Seishirou zurückwich, und müde auf dem Tisch zusammenklappte, war es schon fast sechs. Draußen ging schon die Sonne unter. Plötzlich blickte er alarmiert auf. Subaru saß ihm in ähnlicher Haltung wie er selbst gegenüber, Hände schlapp im Schoß und leicht vorgebeugt, allerdings stumm und mit weit aufgerissenen Augen. Seine Unterlippe zitterte. Seishirou erwiderte den Blick für ein paar Sekunden und berührte den Jungen ein weiteres Mal sanft über den Augen. Subaru sackte in sich zusammen und war eingeschlafen. Seishirou runzelte die Stirn, etwas, das er nicht sehr oft tat. Er hätte nichts von dem erwartet, was er heute gesehen hatte. Als Subaru aufwachte, war es dunkel, aber er lag nicht in seinem Bett, sondern auf einem Sofa, und auch nicht auf seinem eigenen. Das Polster roch ein kleines bisschen nach Zigaretten. Er begrub das Gesicht im Kissen und seufzte. Seishirou hatte ihn zugedeckt, war aber nicht mehr im Zimmer. Subaru wurde ein wenig rot. Er musste einfach so eingeschlafen sein. Er drehte sich so, dass er durchs Zimmer schauen konnte. Aus der Küche sickerte Licht durch den Flur ins Wohnzimmer. Subaru tapste durch den Raum, versuchte dabei seine Haare zu glätten und seine Kleidung in Ordnung zu bringen, die vollkommen zerknittert war. Er schaffte es aber einfach nicht, die eine Haarsträhne nach unten zu drücken, die mehr oder weniger senkrecht von seinem Kopf abstand. Subaru hielt vor der Küchentür, die einen Spalt breit offen stand, inne. Durch die Lücke konnte er Seishirou sehen. Er saß am Tisch, eine Zigarette in der Hand und, zumindest allem Anschein nach, vollkommen ahnungslos, dass Subaru an der Tür stand. Subaru hatte ihn noch nie rauchen gesehen, weil Seishirou das in seiner und Hokutos Gegenwart vermied. Subaru hatte ihn auch noch nie mit einem solchen Gesichtsausdruck gesehen. Er wirkte so unnahbar, als hätte er sich aus dieser Welt ausgeklinkt und würde es verbieten, dass jemand ihm folgte. Er saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, die langen Beine weit von sich gestreckt, eine große Hand, in der er die Zigarette hielt, dicht am Mund, seine schlanken, kräftigen Finger entspannt; der Rauchfaden seiner Zigarette verschwand durch das geöffnete Fenster. Das gelbliche Licht der Deckenlampe warf scharfe Schatten auf sein Profil. Eigentlich war er sehr real, aber er machte den Eindruck, als hätte er genauso gut nicht da sein können. Subaru war sich nicht ganz sicher, was er als nächstes tun sollte. Er konnte schlecht einfach so aus der Wohnung verschwinden, aber er hatte das Gefühl, dass Seishirou ihn im Moment nicht sehen wollte, auch wenn er nicht genau erklären konnte, wo dieser Gedanke herkam. Aber jeder Mensch brauchte wohl gelegentlich Zeit für sich... Plötzlich sah Seishirou hoch, direkt in Subarus Augen. Er sagte nichts, er setzte sich nicht einmal auf, sondern drückte nur seine Zigarette im Aschenbecher aus. Normalerweise lächelte er, wenn er Subaru sah, aber heute tat er es nicht. Subaru machte zwei Schritte zurück. Er will, dass ich gehe. Auf der Straße war es kalt und leer. Die Wolken, die den ganzen Tag über der Stadt gehangen hatten, schienen sich abgeregnet zu haben, während Subaru geschlafen hatte. Jeder seiner Schritte machte ein komisches Geräusch—er trug heute schlechte Schuhe, deren Sohlen sich mit Wasser voll sogen, dass dann wieder herausgedrückt wurde—, oder er platschte gar direkt durch Pfützen. Es war ein bisschen windig, also zog Subaru seine Jacke enger um sich. Aber er fröstelte nicht nur wegen der Kälte. Was war das nur für ein Blick gewesen, den Seishirou ihm zugeworfen hatte? Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, dass er ihm Angst eingejagt hatte. Aber das konnte einfach nicht sein, oder? Es passte überhaupt nicht zu dem, was er sonst mit Seishirou in Verbindung brachte. Aber der Ausdruck in seinen Augen, ohne jedes Blinzeln... Diese Kraft lässt ein Gefühl zurück, aber natürlich ist es nicht wirklich eins, schließlich besitzt er ja gar keine. Er nennt es eher Empfindung, so wie körperlichen Schmerz oder Begierde. Ein Eindruck, sozusagen. Aber, wenn man weiß, wonach man suchen muss, sehr einfach zu lesen und sehr hilfreich. Es gibt ihm eine Kostprobe vom Gefühlsleben der Menschen und das ist gut, denn es hilft ihm, seine Schauspielerkunst zu verfeinern. Aber manchmal, so wie heute, verwirrt es ihn. Die erste Lage an Eindrücken und vereinzelten Bildern ist leicht zu durchblicken, genau das, wonach er gesucht hat, und, gelinde gesagt, vollkommen uninteressant. Das, nach dem er gesucht hat, aber nicht das, was er sehen möchte. Es zieht ihn weiter nach innen. Er würde gerne behaupten, er würde verstehen, was er spürt, aber er wird schnell müde. Als er seine Finger zurückzieht, fühlen sie sich klebrig an und es bringt nichts, sie an seiner Hose abzuwischen. Als wäre ein Stück von Subaru an ihm haften geblieben. Es fühlt sich nicht gut an, was er nicht erwartet hat. Er hat gar nichts erwartet, er hat erwartet, dass diese Empfindung sofort wieder verschwinden würde, schließlich ist es für ihn schon immer schwierig gewesen, die Gefühlseindrücke beizubehalten. Einerseits, da sie nicht seine eigenen sind, und andererseits, da er selbst keine hat. Doch heute scheinen sie durch seine Haut gesickert zu sein, Subaru scheint durch seine Haut gesickert zu sein. Aber das kann nicht wirklich sein, dafür ist Seishirou viel zu kalt. *** Die Sonne brannte in Subarus Nacken. An einem solchen Tag wollte man selbst an der dichtbefahrendsten Hauptstraße noch mit dem fröhlichen Gekreische spielender Kinder rechnen, mit wahren Massen von Menschen, die sich als ein einziger, zäher Klumpen an einem vorbeidrängten und dabei einen Lärm veranstalteten, dass es einem in den Ohren klingelte. Aber nichts dergleichen war zu sehen oder zu hören. Grundsätzlich fand Subaru es angenehm, durch ausnahmsweise—fast—leere Straßen zu wandern, aber zog man in Betracht, dass es ein vollkommen unnatürliches Vorkommnis war, das auf schreckliche Ereignisse zurückzuführen war, dann blieb ein bitterer Beigeschmack. Musste er sich schuldig fühlen dafür, dass er die Umstände sehr genoss? So sehr, dass er im Gegensatz zu sonst nach seinem Job nicht direkt nach Hause gegangen war, sondern stattdessen einfach nur ziellos umherschlenderte? Immerhin konnte er davon ausgehen, dass ein großer Teil der Bewohner dieses weitgehend unversehrten Bezirks noch am Leben und schlicht und einfach geflohen war. Nicht, dass es ihnen auf lange Sicht etwas nützen würde, dachte er düster und schlürfte ein paar seiner Nudeln. Eigentlich gehörte Essen im Gehen wohl auch zu den Dingen, die er besser lassen sollte—er hatte genug Horrorgeschichten über Leute gehört, die sich nach Stürzen ernsthafte Schäden mit ihren Essstäbchen oder Spießen zugefügt hatten—, aber irgendwie schaffte er es nicht, sich davon zu überzeugen, dass es wichtig war. Schließlich hatte er es immerhin schon einmal geschafft sich selbst von etwas zu überzeugen, nämlich etwas »vernünftiges« zu sich zu nehmen, da er die letzten Tage wirklich nicht genug gegessen hatte. Mehr konnte man nicht von ihm verlangen. Er schluckte den Rest der Nudeln hinunter, zerknüllte die Pappschachtel und steuerte auf einen Mülleimer zu. Subaru wollte sie gerade fallen lassen, da sah er zufälligerweise hoch. Jemand winkte ihm quer über die Straße zu. Eine Sonnenbrille warf das Sonnenlicht zurück und blendete ihn. Oh nein. Seishirou stieß sich von der Mauer ab und schlenderte gemütliche auf Subaru zu. Der wusste für einen Moment nicht, wohin und oh Gott, verschwinde... Subaru grub die Fingernägel in seine Handflächen, machte ein paar Schritte rückwärts und drehte sich um. Er wollte ihn nicht sehen. Selbstverständlich folgte Seishirou ihm. Was hatte er auch erwartet? Subaru ballte die Fäuste noch fester, aber seine Schritte wurden langsamer, bis er schließlich ganz stehen blieb. Er schluckte. »Was willst du von mir, Seishirou-san?« presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Erst jetzt drehte er sich um und wie er schon erwartet hatte, fiel sein Blick auf Seishirous äußerst selbstzufriedenes Lächeln. »Hallo, Subaru-kun!« Das schiefe Lächeln verwandelte sich langsam in ein fröhliches, zähneblitzendes Strahlen. Es war bizarr: für einen Moment hatte Subaru den Eindruck, sehen zu können, wie alles an diesem Gesichtsausdruck auf den Bruchteil einer Sekunde genau an seinen Platz rückte. Dann war dieses Gefühl verschwunden, aber zurück blieb ein Bild, das sich wahrscheinlich für immer in Subarus Gedächtnis eingebrannt hatte—ein Sprung in Seishirous Maske? Subaru wandte sich ab, bevor Seishirou wieder zu sprechen begann. »Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen?« Er machte einen Schritt auf Subaru zu, sodass dieser nach oben gucken musste, um ihm ins Gesicht schauen zu können. »Wie geht es dir?« Subaru schnaubte. »Zufall. Natürlich.« Die Straße war auf einmal voller geworden. Seishirou tippte ihn an die Schulter und Subaru zuckte zurück, woraufhin er noch breiter lächelte. »Wir stehen im Weg.« Diesmal ignorierte Subaru es, als Seishirou ihn berührte und abgesehen davon, dass er leicht zusammenzuckte, als seine Hand sanft seine Schulter umschloss, reagierte er nicht und folgte ihm. Eine halbe Schulklasse voller kichernder Mädchen drängte sich an ihnen vorbei. »Lass uns ein Stückchen gehen. Oder wollen wir ein Eis essen?« Er nickte in Richtung eines kleinen Cafés. Subaru schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Hunger«, sage er mürrisch. »Ah.« Seishirou machte eine Pause. »Dann gehen wir einfach spazieren?« In Subaru brodelte es. Er schüttelte die Hand von seiner Schulter und verfluchte sich selbst. Warum musste er ausgerechnet heute einen Umweg machen? Er holte tief Luft. »Was bringt dich auf den Gedanken, dass ich überhaupt etwas mit dir machen werde?« Er marschierte los. »Ich habe meine Gründe.« Seishirou lachte und ignorierte gekonnt Subarus offensichtliche Abfuhr, indem er ihm folgte. Sekunden später war er mit ihm gleichauf. Seine Schulter streifte fast Subarus und dieser war sich sicher, dass das Absicht war. Seishirou wühlte in seinen Manteltaschen. »Mh«, machte er enttäuscht. »Hast du eine Zigarette für mich übrig, Subaru-kun?« Subaru seufzte und hielt an. Er drehte sich zu Seishirou um. »Was willst du eigentlich von mir? Da. Sogar deine Marke. Aber ein Feuerzeug hast du selbst, ja?« Seishirou nahm sich eine Zigarette. »Danke. Und ja, ich habe eins. Deins, um genau zu sein...« er entzündete das Feuerzeug und führte es zur Spitze der Zigarette. Subaru erkannte es tatsächlich wieder: ein hässliches, halbdurchsichtiges blaues Plastikteil, das er kurz nach seiner letzten Begegnung mit Seishirou vermisst hatte. »Hier hast du es zurück.« »Ich habe ein neues.« Er ließ das Kleingeld in seiner Tasche dagegen klappern. »Wirf es weg; das, was du genommen hast funktioniert sowieso nur noch die halbe Zeit.« Seishirou fasste ihn am Arm und schob das Feuerzeug in seine Tasche. Er sagte kein Wort und auch Subaru reagierte nur mit einem Augenrollen. »So zufällig ist unser Treffen dann doch nicht«, gab er zu. »Ich habe dich gesucht.« Jetzt, wo Seishirou es gesagt hatte, wollte Subaru es gar nicht mehr so wirklich glauben. Was wollte er überhaupt? »Das ist ja mal was ganz Neues.« Er machte ein finsteres Gesicht. »Was genau möchtest du?« »Na, irgendjemand muss dir doch dein Feuerzeug wiedergeben, oder?« Seishirou war sehr fröhlich. »Ich glaube dir kein Wort«, brummte Subaru. »Das musst du ja auch nicht«, antwortete Seishirou vergnügt. Subaru konnte Seishirous Blick fühlen. Er spürte es in seinem Nacken, und daran, dass seine Handflächen schweißfeucht wurden. Er ignorierte es. Viel schwerer war es, nicht zu beachten, wie dicht der Mann neben ihm herging. So dicht, dass ihre Schultern und Hände sich fast berührten und dass, hätte Subaru nur ein bisschen nach rechts geschwenkt, er in seinem Weg gestanden hätte. Doch das tat er nicht. Stattdessen ging er friedlich neben ihm, folgte ihm, und dachte nicht einmal mehr darüber nach, wo er hinging. Eine perfekte Parallele zu den jüngsten Ereignissen. Er war dankbar für das Schweigen. Er hätte nicht reagieren können, selbst wenn er gewollt hätte. Die Brücke stand still in der Abendsonne. In dieser Gegend waren gar keine Menschen mehr. Der Blick über die Stadt zeigte rotgetönte Ruinen und vereinzelte, noch unversehrte Stadtviertel. In der Ferne drohten Regenwolken. Auf eine eigenartige Weise war es sogar irgendwie schön, dachte Subaru. Sie stellten sich nebeneinander an das Geländer. Subaru genoss den kühlen Wind, der seine Haare zerzauste. Neben ihm stand Seishirou, dessen dunkler Mantel genau wie sein eigener hinter ihm flatterte. Er lächelte nicht mehr, sondern schien entspannt, fast ausdruckslos. Im seltsamen Licht der Abenddämmerung hätte er genauso gut eine Erscheinung sein können. Eine Weile standen sie regungslos nebeneinander, Subaru mit um das Geländer gekrampften Fingern, Seishirou mit den Händen in den Hosentaschen. »Sprichst du nicht mehr?« fragte Seishirou ihn schließlich. Subaru lehnte sich auf seine verschränkten Arme. Das Metall war auch durch seine Ärmel hindurch kalt. »Mh... ich denke nur nach.« Seishirou beugte sich vor, um Subaru ins Gesicht sehen zu können. »So? Und worüber denkst du nach?« Leichtes Unbehagen breitete sich in ihm aus, als er bemerkte, dass Seishirou ihm immer näher kam. Er zögerte, kaute auf seiner Unterlippe und seufzte. Er konnte Seishirou ohnehin nicht belügen. »Alles. Mich. Dich.« »Ach, über mich? Ich fühle mich geehrt.« Subaru war niemand, der normalerweise schnaubte, obwohl er es in letzter Zeit häufig getan hatte. Aber diesmal besann er sich. Stattdessen blieb er ruhig. »Ich dachte mir schon, dass du dich lustig machen würdest. Nur zu.« Seishirou hob eine Augenbraue. »Du bist so... ruhig heute. Es wundert mich, dass du noch nicht einmal Anstalten gemacht hast, mich anzugreifen.« Sein Lächeln zeigte allerdings keine Zeichen von ernsthafter Verwunderung oder Unsicherheit. »Was ist los?« »Ich hatte lange Zeit, nachzudenken. Viele Jahre Zeit. Ich war zu einem Schluss gekommen, aber...« Er stockte, suchte nach Worten und machte dazu eine Handbewegung, als wollte er sie aus der Luft greifen. Er schloss schließlich recht unspektakulär: »...aber der war falsch. Ich war mir immer sicher, was ich wollte... bis vor Kurzem, und...« Er brach ab. Ich habe schon zu viel gesagt. Subaru starrte Seishirou an, der mit einem unlesbaren, aber ganz und gar nicht ausdruckslosem Gesicht zurücksah. Es fühlte sich an, als würde Subaru festgenagelt. Er leckte sich nervös über die Lippen. Seishirous Stimme war rau und sein Tonfall bedacht. »Davon, dass du keinen Menschen töten kannst, bin ich schon lange überzeugt.« Subaru sah zur Seite, um Seishirou sein Lächeln nicht zu zeigen. Er will mir zeigen, wie überlegen er ist. Aber heute... liegt er falsch. Er fuhr herum und legte seine Fingerspitzen auf Seishirous Brust, direkt über seinem Herzen. Er hätte es nicht tun sollen; es fühlte sich schrecklich an. Natürlich konnte er Seishirous Herzschlag so nicht spüren, aber da er es nicht tat, kam es ihm vor, als hätte er keinen... »Mag sein. Aber was macht dich so sicher?« Er konnte es nicht fassen; er hatte Seishirou aus der Fassung gebracht. Sein schmallippiges Lächeln kam zurück. Es befriedigte Subaru zutiefst, dass Seishirou mit seinem Gesichtsausdruck nichts anfangen konnte. »Was macht dich so sicher, dass das mein Wunsch war? Ich habe oft genug gezeigt, dass ich eigentlich gar nichts über dich weiß—dir war das natürlich schon lange klar und dadurch hast du dich... sicher gefühlt, nicht wahr? Ich kann es gut nachvollziehen, denn im Laufe des Jahres—oder um genau zu sein, Gestern—ist mir klar geworden, dass du gar nicht so viel über mich weißt, auch wenn du das nicht wahrhaben möchtest. Oder vielleicht verstehst du es auch einfach nicht. Und weißt du was? Es fühlt sich gut an, endlich... die Kontrolle über mich selbst zu haben, und—« Er stockte wieder. Seishirou war ebenso still. Die Blicke, die sie austauschten, waren nicht unbedingt feindselig, aber weit von friedlich entfernt. Plötzlich breitete sich ein Lächeln auf Seishirous Gesicht aus. Es nahm Subaru abrupt den Wind aus den Segeln. Warum, oh warum nur, war er so fürchterlich ausgerastet? Er hatte das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu kennen. »Ich... gehe jetzt.« Er hatte sich gerade umgedreht, da packte ihn Seishirou wieder von hinten an der Schulter. Subaru fuhr wieder herum Das Lächeln war noch da. Es war sehr, sehr kalt. Subaru wusste schon lange, dass auf dieses Lächeln nichts Gutes folgte. »Und wenn ich dich nicht gehen lasse, Subaru-kun?« Er machte eine Pause. »Warum so still?« Seishirou hätte Stein mit seiner Stimme schneiden können; sein Lächeln war ähnlich scharf. »Du bist seltsam geworden. Gut, dass du nicht ewig der unschuldige Junge von damals bleiben würdest, war zu erwarten, aber du bist ja kaum noch du selbst.« Er griff nach Subarus Kinn und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen. Dieser wusste, dass seine Gesichtszüge mittlerweile völlig entgleist sein mussten. Seishirous Finger brannten auf seiner Haut. »Ich frage mich, ob ich es zu Ende bringen sollte.« Sein Griff wurde für einen Moment richtig schmerzhaft, sodass Subaru wimmerte. Dann ließ er ihn plötzlich los. »Oder auch nicht. Es ist interessant. Ich glaube, ich mag diese Entwicklung.« Er war wieder sein altes, künstlich-fröhliches Selbst. »Du bist so ja schon süß, Subaru-kun.« Er seufzte, ignorierte Subarus mehr oder weniger fassungslosen Gesichtsausdruck und wandte sich zum Gehen. »Ich war eigentlich zum Arbeiten hier, aber ich glaube, ich habe den richtigen Zeitpunkt verpasst. Vielleicht, weil wir uns getroffen haben, ich bin mir nicht sicher. Fest steht, ich muss es später noch einmal versuchen. Bitte nimm es mir nicht übel, aber ich muss los. Wir sehen uns ganz bestimmt noch einmal wieder.« »Du... hast mir das Feuerzeug doch schon wiedergegeben.« »Ich lasse es mir doch nicht entgehen, gelegentlich ein bisschen Abwechslung zu bekommen. Und du bist wirklich sehr unterhaltsam.« Er lächelte. Subaru fuhr sich durch die Haare. Sein Haaransatz war schweißnass, genau wie seine Stirn. »Wo wohnst du eigentlich, Seishirou-san?« »Wo ich wohne?« »Du bist in letzter Zeit immer in der Nähe, zu den verschiedensten Tageszeiten. Und da frage ich mich... ob du nicht vielleicht näher wohnst, als ich bisher gedacht hatte. Du bist gut genug darin dich zu tarnen; es wäre für mich genauso schwer dich zu finden, wenn du am anderen Ende von Japan wärest. Aber an zwei Orten gleichzeitig zu sein? Seishirou-san, das schaffst nicht einmal du.« »Ich fühle mich geehrt, dass du meine Fähigkeiten so hoch einschätzt. Aber, Subaru-kun, du vergisst, dass ich zwar immer in deiner Nähe, aber an verschiedenen Orten auftauche. Was sagst du nun?«, sagte Seishirou heiter. Er schien Spaß zu haben. »Was soll das heißen? Folgst du mir?« Aber Seishirou war schon im Begriff, zu gehen. »Eigentlich bin ich, wie schon gesagt, hier, weil ich Arbeit hatte. Du weißt schon, jemanden umbringen.« Das letzte Wort betonte er so, oder besser gesagt so wenig, dass es eigentlich nur dazu dienen konnte, Subaru zu verspotten. »Schließlich bin ich Sakurazukamori. Aber es scheint, als würde meine Zielperson heute nicht mehr auftauchen. Dieses ganze Jahr der Verabredung—oder du, ich weiß nicht—bringt alles durcheinander. Nun, Subaru-kun, ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Überarbeite dich nicht, und iss genug. Oh, und mach dir keine Sorgen, wir sehen uns noch einmal wieder. Du hast ja selbst gesagt, dass ich ständig in der Nähe bin. Bis dann.« Damit drehte er sich um und spazierte davon. »Warte...« »Ich habe wirklich keine Zeit, dir heute alles zu erzählen. Später vielleicht.« Subaru kochte vor Wut, rührte sich aber nicht von der Stelle. »Seishirou-san! Du hast meine Frage noch nicht beantwortet! Soll das heißen, du verfolgst mich?« rief er ihm hinterher, aber der Mann winkte ihm nur über seine Schulter zu. Subaru folgte ihm nicht, aber er sah ihm noch eine ganze Weile hinterher. Er war wohl nicht der Einzige, dessen Leben sich radikal verändert hatte. »Du folgst mir.« * Anmerkungen: Der X-Teil dieses Kapitels war das Letzte, das ich geschrieben hatte, bevor ich in mein Schreibtief fiel. Um genau zu sein: Ich habe ihn im Skriptformat aufgeschrieben, als ich einfach nicht weiterkam. Nicht unbedingt eine große Leistung, aber ich habe es immerhin ein Jahr lang aufgehoben und konnte den Inhalt und den größten Teil der Dialoge so übernehmen, wie ich sie mir vorher schon überlegt hatte. Wenn ich mich recht erinnere war das trotzdem das letzte Kapitel, dass ich wirklich fertig bekommen habe. (Oder das zweite. Vielleicht war’s auch ziemlich gleichzeitig, ich habe sehr wirr geschrieben. *lach*) Inhaltlich gesehen stellt das Kapitel (ziemlich kurz vor Schluss *g*) einen Wendepunkt dar. Um genau zu sein: Den Wendepunkt. Weihnachtswünsche ----------------- Schritt V: Weihnachtswünsche »Fröhliche Weihnachten, Subaru-kun! Wie geht es dir?« Subaru blinzelte. Seishirou stand vor seiner Wohnungstür, zwei buntverpackte Päckchen unter den Arm geklemmt, ein fröhliches Lächeln auf dem Gesicht—und eine rote Zipfelmütze mit weißem Pelzbesatz auf dem Kopf. »Hier, für dich!« Er grinste und zog sich die Mütze vom Kopf, um sie Subaru aufzusetzen. Dieser schaute für einen Moment sehr ratlos drein, dann rückte er seine neue Kopfbedeckung zurecht—zu höflich, zu verwirrt oder auch zu schüchtern, um sie abzunehmen—und nickte ohne ersichtlichen Grund. »Ja... hallo, Seishirou-san. Komm doch herein.« Hokuto kam wenige Minuten später, in etwas gekleidet, das stark an einen Adventskranz erinnerte. Zwar hatte sie den Tag schon in Subarus Wohnung verbracht, dort mehrere sehr intensiv duftende Lastwagenladungen Plätzchen gebacken, und sie geschmückt, war aber noch einmal kurz verschwunden, um »sich herzurichten« und die Geschenke aus ihrer Wohnung zu holen. Es war ein sehr unterhaltsamer Abend: Sie redeten, lachten und aßen viel. Subaru glaubte fast, noch nie in seinem Leben einen so schönen Tag erlebt zu haben. Und doch wurde er zusehends nervös, je später es wurde. Immer wieder spähte er zu dem kleinen, niedrigen Tisch hinüber, auf dem ein paar Päckchen lagen. Zwei von Hokuto, eins von Seishirou—und eines von ihm selbst. Er fragte sich—und schämte sich im selben Moment dafür—ob vielleicht eines von ihnen für ihn bestimmt war. Und wenn, was es wohl sein könnte... Anscheinend riss die Weihnachtsstimmung selbst ihn mit. In diesem Moment klatschte Hokuto in die Hände. »So! Ich schätze, es wäre an der Zeit, die Geschenke auszupacken, huh?« Es war keine Frage, sondern vielmehr ein Befehl, jedoch einer von der Sorte, dem jeder gerne gehorchte. * »Für dich habe ich natürlich auch etwas«, verkündete Seishirou, nachdem Hokuto sich überschwänglich über ihr Geschenk gefreut hatte. »Hier, Subaru-kun!« Er drückte dem errötenden Jungen ein kleines, kunterbunt verpacktes Päckchen in die Hand. »Uh...« war alles, was dieser hervorbrachte. Subaru hatte es schon immer schwierig gefunden, Geschenke anzunehmen—auch, wenn er sie grundsätzlich mochte—und auch heute war es nicht anders. »Mach schon, pack es aus!« Seishirou wirkte fast wie eine Karikatur seiner selbst, während er Subaru anstrahlte. »O-okay...« Nervös kämpfte Subaru mit dem gelben Geschenkband, das Seishirou außergewöhnlich hübsch und leider auch äußerst kompliziert zusammen gebunden hatte, weshalb er eine ganze Weile brauchte. Währenddessen beobachtete ihn Seishirou gespannt und Hokuto mit einer hochgezogenen Augenbraue. Es raubte ihm den letzten Nerv und ließ die letzten Blockaden brechen, die sein Blut daran hinderten in seine Ohren zu rauschen. Als er sich endlich durch die doppelte Lage Geschenkpapier gewühlt hatte, wurde er noch ein wenig röter. »Uhm... danke«, murmelte er sehr verlegen. Auf seinen Handflächen saß ein kleiner, täuschend echt aussehender, dunkelbrauner Plüschhund und schaute ihn aus runden Augen an. Ein gelochter Zettel hing an einer Schnur um seinen Hals, geschmückt mit einem winzigen sternförmigen Goldsticker in der linken oberen Ecke. Darunter stand mit leuchtend pinker Tinte »In Love, Seishirou«. Subarus Verlegenheit kannte keine Grenzen. »Das«, erläuterte Seishirou, »ist allerdings nur eine kleine Beigabe zu meinem wirklichen Geschenk. Nur, damit du jemanden hast, der auf dich aufpasst, wenn ich mal nicht in der Nähe sein sollte.« Er lächelte. »Ooh... was für eine süße Idee«, schaltete Hokuto sich augenblicklich ein, bevor Subaru auch nur den Mund aufbekam. »Aber nun erzähl, was ist dieser mysteriöse zweite Teil deines Geschenkes? Du planst doch wohl nicht irgendetwas Unanständiges für meinen kleinen Bruder, oder, Sei-chan?« Sie grinste. Seishirou lachte laut, während Subarus Gesichtsausdruck eher als ein Synonym für »zu Tode erschrocken« hätte durchgehen können. »Ho-hokuto-chan—«, war alles, was er hervorbrachte. »Keine Sorge, Hokuto-chan, das nicht, zumindest noch nicht...« An dieser Stelle machte Subaru ein Geräusch, das klang, als wollte er in Tränen ausbrechen. »Ich dachte da eher an eine kleine, harmlose Einladung in irgendein sündhaft teures Restaurant.« Er wandte sich dem Jungen zu, der so rot war, dass er im Dunklen hätte leuchten müssen. »Nun? Willst du?« »Uh... ich weiß nicht...« murmelte Subaru und versuchte zu ignorieren, wie Hokuto ihm gegenüber mit den Augen rollte. Seishirou hob eine Augenbraue. »Ja oder nein?« »Sag einfach ›ja‹, Subaru!« flötete Hokuto erwartungsvoll. Subaru nagte an seiner Unterlippe. »Eigentlich... ja, aber...« Er zog an dem Band seiner Sweatshirtkapuze und wickelte es sich um den Zeigefinger. »Es tut mir leid, Seishirou-san, aber ich kann das nicht annehmen.« Neben ihm stöhnte Hokuto, sichtlich genervt. Seishirou machte seinerseits ein enttäuschtes Gesicht. »Warum nicht?« »Weil ich—ich habe kein Geschenk für dich, es tut mir so leid, und es wäre dreist, jetzt anzunehmen, und...« »Und warum hast du keines?« fragte Seishirou ruhig, in einem Tonfall, mit dem Subaru wenig anfangen konnte. Subaru senkte betreten den Kopf. Seishirou war sicher enttäuscht von ihm, oder gar wütend! Und er selbst kam sich vor wie ein schlechter Mensch, auch wenn es nur um eine Kleinigkeit ging. Er begann wieder mit dem Band zu spielen. »Ich wusste absolut nicht, was ich dir schenken könnte«, sagte er kleinlaut. Es stimmte. Aber was schenkte man auch einem neun Jahre älteren Mann, den man erst seit wenigen Monaten kannte? »Es tut mir leid, ehrlich...« Mit einem leisen Seufzer und einem leichten Lächeln sagte Seishirou: »Das ist doch nun wirklich nicht schlimm. Und da es nicht mit böser Absicht geschah... wird Hokuto-chan jetzt damit leben müssen, das ich dich entführe, hahaha!« Er griff nach der Hand des Jungen, der vollkommen verdutzt dreinschaute, als Seishirou ihn hochzog. Und damit war die Sache erledigt. *** Nach acht Jahren alleine und auf der Jagd und nach einem Jahr alleine und auf der Flucht hatte sich alles geändert. Subaru saß auf der breiten Fensterbank seines Wohnzimmers, die Knie angewinkelt, und die rechte Schulter gegen das Fensterglas gelehnt. Zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand hielt er locker eine Zigarette. Von Zeit zu Zeit zog er daran, oder klopfte Asche auf den Fußboden. Er starrte aus dem Fenster, vor dem unzählige Schneeflocken hinabrieselten, obwohl es nicht besonders kalt war. Es lebten nur noch wenige Menschen in Tokyo: die meisten waren schon lange geflohen oder in den Erdbeben umgekommen. So konnte der Schnee trotz des verhältnismäßig warmen Wetters in den Straßen liegen bleiben. Er konnte nicht bis zum Boden sehen, aber Subaru nahm an, dass die fast leere Stadt heute ein sehr hübscher, wenngleich ungewöhnlicher Anblick war. »Schönes Wetter, nicht wahr?« meinte jemand dicht hinter ihm. Subaru brauchte nicht den Kopf zu drehen, um Seishirous ewiges Grinsen zu sehen. »Mh-mh«, machte er stattdessen und versuchte Seishirou klar zu machen, dass dies die einzige Antwort war, die er vorerst von ihm bekommen sollte. Er hob die Zigarette zu seinem Mund, doch bevor sie seine Lippen berührte, schnappte Seishirou nach seiner Hand. »Ich darf doch?« Ohne eine Antwort abzuwarten, führte er sie mitsamt der Zigarette zu seinen Lippen. Ehe er daran ziehen konnte, ließ Subaru abrupt den Filter los und Seishirous Lippen griffen ins Leere. Er runzelte die Stirn. »Ah, wie unhöflich!« Er ließ Subarus Hand los und ging in die Hocke, um die Zigarette wieder aufzuheben, in der Hoffnung, sie wäre beim Aufprall nicht erloschen. Er hatte kein solches Glück, sammelte sie aber trotzdem ein und schob die Asche, die sich auf dem Boden verteilt hatte, zu einem kleinen Häufchen zusammen. Er lehnte sich gegen die Fensterbank direkt bei Subarus Füßen. Die Zigarette legte er neben sich. »Frohe Weihnachten.« »Es ist Weihnachten?« fragte Subaru trocken, all seine Vorsätze zu schweigen in den Wind schießend. Natürlich wusste er genau, dass Weihnachten seit Tagen vorbei war. Was er nicht wusste, war, worauf Seishirou hinauswollte—auch wenn er sich fast sicher war, dass es ihm nicht gefallen würde. Nicht wirklich. Was hast du nun wieder vor? Neben ihm klickte ein Feuerzeug. »Mmh—nicht direkt.« Seishirou gab Subaru die Zigarette, die er gerade angezündet hatte. Sie wurde kommentarlos angenommen. »Was machst du dann hier? Du hast ein ideales Datum verpasst, um mich zu quälen und langsam wird es spät«, sagte Subaru mit für ihn ungewöhnlichen Sarkasmus. Im selben Moment wurde ihm klar, dass es in doppelter Hinsicht stimmte: Die Sonne war schon untergegangen, der Tag neigte sich dem Ende zu, das Jahr auch. Er hätte fast darüber lachen können, was ihm für Belanglosigkeiten ein- und auffielen. Und er hätte gerne das eben Gesagte zurück genommen. Überraschenderweise überging Seishirou seinen Kommentar. »Siehst du überhaupt etwas?« fragte er stattdessen und deutete kurz mit dem Kinn in Richtung Fenster. Neben Subarus Gesicht war die Scheibe durch seinen Atem beschlagen, er schien aber trotzdem aufmerksam hinauszuschauen. Subaru schwieg. »Ah, du bist schlecht gelaunt, ich sehe schon. Wie schade, ausgerechnet bei diesem Anlass...« Er wurde weiterhin ignoriert. Seufzend machte er es sich auf der Fensterbank etwas gemütlicher und beschäftigte sich damit, Subarus abweisendes Gesicht zu beobachten. Sie saßen still beieinander, während die Uhr an der Wand über dem Sofa leise dem Ende der Menschheit entgegen tickte. Seishirou lockerte den Knoten seiner Krawatte und öffnete sowohl den obersten Knopf seines Hemdes, als auch jene an seinen Ärmeln. Sein Mantel hing wahrscheinlich schon längst an Subarus Garderobe. »Und, was hast du nächstes Jahr vor? Irgendwelche Wünsche? Gute Vorsätze?« fragte Seishirou genau in dem Moment, als Subaru auffiel, dass der Mann zwangsläufig alle Schilde um seine Wohnung gebrochen haben musste, um uneingeladen hineinzukommen. Er musste nur kurz nachfühlen, um zu bemerken, dass sich tatsächlich eine deutliche Lücke abzeichnete, die allerdings kleiner war, als vermutet. Kein Wunder, dass er nichts bemerkt hatte, denn Seishirou hatte Kompetenz bewiesen und sie nicht komplett zerschmettert. Es war mehr wie ein kleiner Schnitt an der richtigen Stelle, um es einfach auszudrücken. Was wahrscheinlich länger gedauert hat, dafür aber wesentlich unauffälliger war, dachte Subaru. Und mir diesmal eine Menge Unannehmlichkeiten erspart hat... wie aufmerksam. »Du hast gar nicht gehört, was ich gesagt habe, nicht wahr?« fragte Seishirou mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. »Doch, habe ich.« Subaru ließ seine Augenlider fast komplett sinken, sodass alles hinter dem dunklen Schatten seiner Wimpern verschwamm. »Und die Antwort ist nein.« Er rückte ein wenig hin und her, um seinem Rücken etwas Entspannung von der seltsamen Lage zu bieten, in der er nun schon mehrere Stunden lang saß. »Es ist der Tag der Verabredung, Seishirou-san. Es wird kein nächstes Jahr mehr geben.« Stoff raschelte, als Seishirou ebenfalls seine Haltung veränderte, wenn auch mehr als nur minimal. Er stütze eine Hand gegen das Fensterglas, neben Subarus Gesicht und die andere auf den Rand der Fensterbank, genau in der Lücke zwischen Wand und Subarus Rücken. Nun lehnte er über ihm, sein Gesicht sehr nah an dem des anderen Mannes. »So? Gar nichts? Und was wäre wenn? Wenn das nächste Jahr kommen würde—und zwar mit Sicherheit? Du könntest das Rauchen aufgeben, oder es wird dich eines Tages umbringen.« All dies sagte er ohne Pausen, die es Subaru ermöglicht hätten, etwas einzuwenden. Er ballte die Fäuste. Es hätte alles so einfach sein können... »Du bist still, wenn ich einen Wunsch oder einen Vorsatz äußere, oder noch besser, du verschwindest?« stieß er leise hervor, gefährlich kurz davor, wütend zu werden. Du tust es ja doch nicht. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich... »Vielleicht. Also, was willst du? Etwas, das ich noch nicht weiß, natürlich.« »Ich...« Subaru verzog den Mund. »Was du noch nicht weißt, also? Schön, wie du willst, Seishirou-san. Es ist auch nur eine Kleinigkeit.« Er griff nach oben und vergrub seine Hand in Seishirous Hemd, neben seinem Kragen. Er zog ihn noch näher, sodass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. »Gib mir drei Minuten«, sagte er nach einem Seitenblick auf die Uhr. Viel mehr würde es nicht mehr geben, soweit er das aus diesem Winkel erkennen konnte. Seine Augen funkelten, »Ich will, dass du drei Minuten lang aufhörst, zu schauspielern und mir einmal zeigst, wie du wirklich bist.« Seishirou sah für einen Moment lang ernsthaft überrascht aus. Dann lächelte er. »Das klingt... interessant. Aber was sagt dir, dass ich nicht lüge?« »Nichts. Aber einen Versuch ist es zumindest wert«, murmelte Subaru. Er hatte dieses Jahr schließlich schon so viele Überraschungen erlebt, dass eigentlich nichts mehr unerwartet kommen konnte. Seishirou zeigte Zähne. »Man wird sehen.« Dann verschwand das Lächeln von seinem Gesicht, wie von einem Scheibenwischer fortgewischt. »Du hast Recht. Das Jahr ist fast vorbei.« Er machte wieder eine Pause. Subaru wollte den Mund öffnen— Schinde keine Zeit—, aber etwas in Seishirous Blick hielt ihn davon ab. Stattdessen verschränkte er die Arme und wartete ab, was Seishirou noch zu sagen hatte. »Weißt du... Subaru-kun... Du bist nicht der Einzige, der nachgedacht hat. Es gibt da noch etwas, dass du vielleicht noch wissen solltest.« Er hob eine Hand und berührte damit sanft Subarus Wange. Er beugte sich tiefer und brachte seinen Mund ganz nah an Subarus Ohr. Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser und trotzdem hallte das, was er sagte, in Subarus Ohr wieder. »Ich habe dich...« Der Zeiger der Wanduhr tickte auf zwölf und weiter. Nichts geschah. Seishirou wich verwirrt dreinblickend zurück. Er sah auf die Uhr, in Subarus Gesicht und aus dem Fenster. Subaru wusste, was er dachte: Das Jahr war vorbei, und sie am Leben. Wenn die Welt jetzt noch nicht untergegangen war, dann würde sie es nie. »Nun, das ist überraschend...« murmelte er. »Aber na ja, ich hoffe, du bist zufrieden.« »Drei Minuten«, sagte Subaru. »Nicht zwei.« Er streckte die Arme aus und schlang sie um Seishirous Hals, um ihn zu sich zu ziehen und zu küssen. Er fühlte, wie Seishirou eine Handfläche gegen den unteren Teil seines Rückens presste und den anderen Arm um seine Schultern legte, bevor er ihn von der Fensterbank hoch und an sich zog. * Ende * Anmerkungen: Man merkt, glaube ich, dass dieses Kapitel wesentlich älter ist, als die anderen. Ich würde nicht unbedingt sagen schlechter (obwohl ich mich seitdem zumindest meiner Meinung nach eindeutig verbessert habe), aber vom Stil her deutlich anders und wesentlich kürzer (keine Ahnung, wie das passieren konnte. *g*). Ich erinnere mich noch, wie ich damals in den letzten zwei Wochen vor den Weihnachtsferien verzweifelt versucht habe, fertig zu werden, damit ich es vor dem letzten Schultag noch von meiner damaligen Beta (einer Klassenkameradin von mir) zurückbekommen zu können. Ich hatte es geschafft, war wahnsinnig stolz und—bämm, plötzlich gingen mir die Ideen aus. Es ist also viel schief gelaufen, das gebe ich zu. *seufz* Ich habe angefangen, zu veröffentlichen, ohne vorher auch nur die Hälfte der Kapitel sicher geschrieben zu haben und eine zweijährige Veröffentlichungspause ist wirklich beeindruckend. Im negativen Sinne. Dann habe ich auch noch den Fehler gemacht, was ganz tolles ausprobieren zu wollen. Geschichten, die rückwärts erzählt werden, können mit Sicherheit gut sein, aber sie müssen von Anfang an darauf ausgelegt worden sein. »Schritt zurück« war es nicht. Ansonsten finde ich die FF eigentlich gar nicht so schlecht. Im Gegenteil, als ich diesen Februar endlich weiterschreiben konnte, hatte ich viel Spaß und ich habe ein paar Sachen geschrieben, die mir immer noch wirklich gefallen, obwohl nach der Vervollständigung erst einmal tagelanges Korrekturlesen zwischen fünf anderen Geschichten an der Reihe war, die ich zu der Zeit (Juni/Juli) schrieb. Die wirkliche Erleichterung kam nicht, nachdem ich endlich fertig mit dem Schreiben war (es war anstrengend und meine teils unerträglichen Schreibblockaden haben mich wirklich sehr frustriert), sondern als ich alle Kapitel vom Betalesen zurück bekommen und ausgebessert hatte. Man glaubt gar nicht, wie viel Stress Fanfiction sein kann. ; ) Betaleserin war wie immer die wunderbare Mizukaze. Danke! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)