Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 37: ------------ Ganz erschrocken über ihr Verlangen wandte Glinda sich von der Freundin ab und ging leicht errötend ein paar Schritte voraus. ‚Nicht schon wieder! Das passiert nicht schon wieder!’, ermahnte sie sich in Gedanken und hörte Elphabas Worte: „He, Blondi, warte doch auf mich!“ „Na bei dem Spitznamen muss ich mir das aber noch einmal gut überlegen!“, meinte Glinda frech, als Elphie sie eingeholt hatte. Die beiden Frauen schenkten sich gegenseitig ein einfühlsames Lächeln. Sie genossen es sehr, dass sie noch so lustig miteinander umgehen konnten, vor allem nachdem, was alles geschehen war. Elphaba jedoch ahnte, dass es auch weniger erfreuliche Aspekte in diesem Gespräch geben würde. Nicht mal annährend war der Großteil ihrer Fragen geklärt worden und sie wusste, dass Glinda wohl mehr Nachfragen hatte. In beiden Frauen stieg ein warmes Kribbeln auf. Es war das erste Mal nach einer scheinbaren Ewigkeit, dass sie sich so gegenüber standen und den Blick in die wundervollen Augen der anderen hielten. Es war Elphaba, die zuerst nachgab. Räuspernd löste sie sich aus dieser unbeschreiblichen Situation und ging langsam weiter. Glinda folgte ihr und hörte, wie sie mit einem Grinsen auf den Lippen fragte: „Bekomme ich jetzt auch eine Antwort auf meine Frage?“ Es dauerte etwas, bis Glinda wusste, wovon Elphaba sprach: „Du meinst die Sache mit der Ozkothek?“ Das rabenschwarze Haar wippte mit dem Nicken mit. „Warum ich mich freiwillig mitblamiert habe…“, murmelte Glinda vor sich hin, als müsste sie erst noch über die Antwort nachdenken. Dann begann sie leise zu reden, als sie neben der Hexe herschlenderte: „Wir waren gerade auf dem Weg zur Ozkothek, als Akaber mich abfing und mir meinen Zauberstab… Trainingsstab in die Hände drückte. Ich war so froh, endlich meinen Willen bekommen zu haben, doch als sie mir erzählte, dass du der Grund dafür seist, da wurde mir plötzlich ganz anders. Als ich nach Shiz gekommen bin, verstand ich nicht wirklich viel vom Leben. Ich war immer gut behandelt worden und mir ist vorher kaum ein schlechtes Wort entgegenschlagen. Erst, als ich dich kennen gelernt habe, habe ich auch erfahren, wie grausam manche Menschen sein können. Als wir uns dann etwas besser kennengelernt haben, habe ich auch mich selber besser kennengelernt. Ich habe angefangen, viele Dinge zu hinterfragen, die ich vorher ohne zu überlegen einfach so akzeptiert habe. So zum Beispiel die ‚Freundschaft’ zu… Ying und Yang!“ Glinda kicherte, Elphaba streifte sie mit einem Seitenblick und lächelte amüsiert. „Jedenfalls bekam ich immer mehr das Gefühl, dass ich diese aufgesetzte Welt so nicht mehr ertragen kann. Ich wollte mich ausdrücken. Meine Individualität ausleben und nicht das Ergebnis einer Massenproduktion sein. Freiwillig hatte ich mich all dem angeschlossen und war die Königin der Beliebtheit in Shiz. Aber um das auch zu bleiben, wurde einiges von mir abverlangt. Ich musste immer das tun, was alle anderen toll fanden. Du hast mir damals – ohne es zu merken – gezeigt, dass es auch anders geht und das es vor allem wichtig ist, sich selber treu zu bleiben. Ansonsten ist es schwer, nachher noch zu erkennen, wer man selber eigentlich ist. Über das alles habe ich damals nachgedacht, als Akaber mir den Zauberstab gegeben hat. Am Anfang konnten wir uns nicht ausstehen und ich war meistens nur gemein zu dir. Dann habe ich dir den Hut geschenkt, was dich eigentlich gar nicht hätte so freuen sollen. Aber das hat es nun mal doch getan und ich war überwältigt, dass du mir meinen sehnlichsten Wunsch zu dieser Zeit erfüllt hast. In dem Moment habe dich erkannt, dass es Menschen in meiner Nähe gibt, die mich nicht nur aufgrund meines Aussehens oder meiner Herkunft schätzen. Sondern es gab Menschen – wie dich – die mich so akzeptiert haben, wie ich war und… mich trotzdem mochten!“ Bei diesen Worten kicherte Glinda erneut und stupste mit ihrer Schulter gegen die von Elphaba. „Und dann … als du dann wirklich mit dem Hut auf dem Kopf gekommen bist und alle gelacht haben, da hast du mir erst total leid getan. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen! Du hast so etwas wundervolles für mich gemacht und ich dankte dir so dafür. Ich fühlte mich einfach nur schrecklich. Eigentlich hatte ich gedacht, du läufst weg und redest nie, nie wieder ein Wort mit mir. Aber was hast du gemacht… Du bist auf die Mitte der Tanzfläche gegangen und hast getanzt. Mit dem Hut auf dem Kopf. Ich weiß ganz genau, Elphaba, dass dich das alles damals nicht kalt gelassen hat, aber du hast es nicht gezeigt. Und da musste ich einfach zu dir gehen und mit dir mitmachen… Und allen zeigen, dass ich dich mochte.“ „Warum?“, fragte Elphaba nun ruhig, die die ganze Zeit geschwiegen hatte. „Weil… Ich weiß es nicht!“, seufzte Glinda. „Vielleicht weil… Weil das einzige Mädchen, was ich an der ganzen Schule bewunderte, dort alleine auf der Tanzfläche stand und ausgebuht wurde. Vielleicht, weil ich allen anderen zeigen wollte, dass ich auch denken und diskutieren kann – über gescheite Dinge. Vielleicht weil ich wusste, wie du wirklich bist und weil ich wusste, wie ICH eigentlich wirklich sein kann und du mich in dem Moment dazu gebracht hast, es allen zu zeigen. Ich wollte nicht mehr nur ‚Ja und Oz zum Gruße’ sagen. Vielleicht aber auch einfach nur aus dem Grund, weil du mich vom ersten Moment an in deinen Bann gezogen hast, Elphaba!“ Als ein zarter Schauer über Elphies Rücken lief, drehte sie ihren Kopf zu Glinda und fragte: „Wie meinst du das?“ Aus irgendwelchen Gründen hatte Elphaba das große Bedürfnis danach, Glinda zu berühren. Sie wusste nicht, woher das alles so plötzlich kam und versuchte krampfhaft, dies alles zu unterdrücken. „Ephie, das kannst du dir doch wohl denken. Du warst nicht nur grün und ehrlich, nein, du hast alle Menschen um dich herum sofort in deinen Bann gezogen, weil du eben so anders warst. Nicht nur aufgrund deiner Hautfarbe, sondern auch weil du weder verwöhnt, noch vorlaut oder gar eingebildet warst. Viele Leute in Shiz hätten sich gerne eine Scheibe von dir abgeschnitten oder dich als Freundin gehabt. Aber weil das niemand haben konnte, hat man sich zusammengetan und lieber auf dir herumgehackt. Der Mensch tendiert dazu, immer das haben zu wollen, was er nicht kriegen kann und wenn er das einsieht, macht er es lieber schlecht, damit er so verarbeiten kann, dass er seinen Willen nicht bekommen hat.“ Elphaba sah ihre Freundin anerkennend an. ‚Wie sie sich verändert hat…’, gingen ihr die Gedanken durch den Kopf, als sie sich an Galinda – „Mit GAA“, erinnerte. „Was lächelst du denn jetzt so?“, hörte sie die blonde Schönheit fragen, was Elphie wieder zurück in die Wirklichkeit holte. „Ich habe gerade nur darüber nachgedacht, wie sehr du dich verändert hast. Von Gaaalinda…“, Elphaba betonte den ersten Vokal mit Absicht sehr laut, was Glinda zum Lachen brachte, „.. über Glinda die Gute zu … Glinda. Ich glaube, Meredith hat dir sehr gut getan.“ „Du kennst sie?“, fragte Glinda erstaunt. „Oh, man hört so einiges. Aber sie hat auf mich immer einen sehr kompetenten Eindruck gemacht. Wenn man sie nur schon bildlich sieht, bekommt man ja Respekt vor ihr!“ Elphaba grinste. Plötzlich blieb Glinda stehen und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund: „Meredith!“, hauchte sie weinerlich. Elphabas linke Augenbraue schob sich in die Höhe, während die rechte Braue sich senkte: „Glinda?“ „Oh Oz, ich habe keine Ahnung, was mit Meredith und Reseda ist! Oh nein, sie sind…“ „Wer und was?“, fragte die Hexe verwirrt. Sie konnte es nicht leiden, wenn man so schnell einfach das Thema wechselte, aber Glinda schien wirklich besorgt zu sein. Also riss sie sich zusammen, um nicht verärgert dreinzuschauen. „Mer und Resi! Sie waren auch auf dem Ball! Und schließlich…“ „Moment mal. Glinda, wer ist Resi und was für ein Ball!“ Auch wenn Elphaba sich bemühte, hörte Glinda den Unterton in ihrer Stimme und versuchte sich zu konzentrieren: „An dem Tag als du mich gerettet hast – vorgestern also – da waren wir alle auf einem Feiertagsball. Reseda oder auch Resi ist Meredith’s Frau und sie waren…“ „Meredith ist doch aber auch eine Frau?“, jetzt war Elphaba sehr verwirrt. „Ja, sie sind das erste offizielle Sappho-Paar in der Geschichte Oz’s.“ Elphaba sog zischend die Luft ein: „Oh.“ „Und ich glaube – also es wäre ja denkbar und auch logisch, wenn Ramón und seine Leute auch Meredith ausgeschaltet hätten. Nur habe ich keine Ahnung…“ „Glinda…“, setzte Elphaba an und legte ihren rechten Arm um die Schulter ihrer Freundin, „Ich weiß, was ich jetzt von dir verlange ist schwierig, aber lass uns darüber doch erst gleich sprechen. Wir müssen chronologisch vorgehen, denn nur so bringt man Licht ins Dunkle. Du kannst auch nicht mit einer Kerze ein Streichholz anzünden – das funktioniert nur andersherum!“ Noch aus Shizzer-Zeiten war Elphaba daran gewöhnt, Glinda manche Dinge mit bildhaften Vergleichen zu erklären. Sie hatte damals einiges ausprobiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass man Glinda am Besten mit Metaphern helfen konnte. „Oder man ist eine Hexe. Dann braucht man noch nicht mal einen Zauberstab!“, seufzte Glinda und versuchte, ihre wirren Gedanken über das erst vor kurzem Geschehene hinten anzustellen. „Auch Hexen können es nicht alleine schaffen, Licht ins Dunkle zu bringen!“, lächelte Elphaba sanft und ließ Glindas Schulter los. Diese jedoch griff mit ihrer linken Hand nach der rechten von Elphie und umschloss sie sanft. Elphaba sah erstaunt auf und blickte dann wieder auf die beiden Hände, die sich gegenseitig umschlossen. „Weißt du…“, begann sie kaum hörbar, „… als du damals in der Ozkothek meine Hand genommen hast… da habe ich… mich einfach nur glücklich gefühlt. Immer wenn ich Menschen sah, die Hände haltend an mir vorübergingen, sah ich sie immer als zusammengehörig. Ich sagte mir dann immer: „Aha, Die beiden gehören zusammen!“ Und dann hast du ohne Vorwarnung vor all den Menschen meine Hand in deine genommen und nicht mehr losgelassen. Ich war total überwältigt, aber es hat sich gut angefühlt. Es war so, als würde sich endlich mal jemand zu mir bekennen.“ „Wie meinst du das denn?“, fragte Glinda erschrocken. Die beiden Frauen gingen wieder in langsamen Schritt weiter und Glinda hielt noch immer Elphabas Hand in der ihren, jedoch ohne die Finger ineinander verflochten zu haben. „Ich habe mich mein ganzes Leben als Sonderling betrachtet – meine ganze Kindheit lang hat man mir das vermittelt.“, begann Elphaba. „Selbst mein eigener Vater hat nie – nicht ein einziges Mal den Satz gesagt: „Ja, das ist meine Tochter.“ Nessa hat nie gesagt: „Das ist meine Schwester.“ Alle haben sie es immer so gut es ging vermieden, mich als dazugehörig anzusehen. Also… verstehst du was ich meine?“, etwas verzweifelt sah Elphaba in die eisblauen Augen, „Es gab nie jemandem in meinem Leben, der vor anderen Menschen zugegeben hat: Seht her, ich kenne sie. Seht her, ich mag sie. Seht her, wir gehören zusammen. Nie… Bis du gekommen bist. Und deswegen hat mir das damals auch so viel bedeutet…“ Als Elphabas Blick sie fragend ansah, nickte sie zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Glinda fand es grausam, was sich alles in Elphabas Kindheit abgespielt, oder vielmehr NICHT abgespielt hatte… ‚Ich hatte ja keine Ahnung…’, dachte sie benommen. Natürlich konnte sie sich schon immer denken, dass Elphies Kindheit keine so wundervolle gewesen war, aber nie Geschenke oder öffentliche Zuneigung? Das konnte die Zauberin nun wirklich kaum glauben, denn sie hatte ganz andere Erfahrungen gemacht. Elphaba seufzte und senkte den Kopf ein wenig, als die Erinnerungen an ihre Kindheit über sie hereinbrachen. Es war in diesem Moment, als Glinda erkannte, dass ihre Freundin eine ganz andere Wahrnehmung hatte, als sie selber. Es erschien doch nur logisch, dass eine solch – für Glinda – normale Handlung, wie eine Freundin an die Hand zu nehmen, jemanden wie Elphaba so sehr berührte. Jemanden, der so etwas nicht kannte. Mit einem leisen Seufzer erkannte Glinda, dass in diesem Gespräch noch vieles klar werden würde, was damals für die eine oder eben die andere nicht in den Zusammenhang gepasst hatte. Als Fiyero Madame Akabers Nicken sah, lächelte er zufrieden und zog sich mit den Worten: „Sehr gut!“ sein Strohhemd zurecht. „Ich stehe also nun ganz zu Ihren Diensten!“, fügte er hinzu. Madame Akaber war schon immer dafür bekannt gewesen, eine Sache immer mehrmals zu prüfen, bevor sie eine Schlussfolgerung zog. „Das habe ich schon angenommen!“, begann sie und sprach nach einem kurzen Lächeln weiter, „Nur eines noch, Fiyero.“ „Ich höre?“ „Was hat die Hexe dir über diese Nacht erzählt? Was ist passiert? Was weißt du?“ Der Scheuch nahm an, es wäre unklug, sie nun schon zu fragen, ob sie sich an etwas erinnerte. Sie würde ihm ohnehin keine Antwort darauf geben. Also erzählte er ihr genau das, was Elphaba ihm vorher berichtet hatte. Er erzählte von dem Zauberbann, der anscheinend auf der Smaragdstadt gelegen hatte, dann von Ramón und dem anderen Mann. Daraufhin beschrieb er mit Elphabas Worten, was sie in Glindas Zimmer mit dem Pokal getan hatte, woraufhin der Zauberbann gebrochen wurde. Wie sie mit Glinda geflohen war und wie sie herausgefunden hatte, dass Akaber einen Sohn haben musste. Zum Schluss erwähnte er kurz, wie sie sich vor dem Regen und dem Erkannt werden geschützt und was für anschließende Gedanken sie sich zu der ganzen Situation gemacht hatte. „Komplett schwarz, was?“, murmelte Akaber vor sich hin. In ihrem Kopf spielte sich die Szene in Glindas Zimmer immer und immer wieder ab. Sie drehte sich um und sah für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen einer schwarz-vermummten Person. Und dann wurde wieder alles schwarz. Immer und immer wieder ging sie diese Szene durch: Sie drehte sich um – alles schwarz. Sie drehte sich um – alles schwarz. Sie drehte sich um – „… im Ballon!“, fluchte sie plötzliche, als sie begriff, dass ihr Erinnerungsvermögen noch zu schwach war, um diese Szene detaillierter betrachten zu können. Fiyero hatte die Zeit über geschwiegen. Es war noch nie klug gewesen, Accursia Akaber bei irgendetwas zu stören – am wenigstens dann, wenn sie nachdachte. Also hatte er sich still auf die Fensterbank gesetzt und sie seitlich beobachtet. In regelmäßigen Abständen hatten sich ihre Hände verkrampft und nun pochte eine große Ader an ihrer rechten Schläfe. „Ich glaube, ich gehe besser…“, bot Fiyero an. Madame Akaber, erst verwirrt, fing sich wieder und sah dem Scheuch direkt in die Augen: „Heute werde ich mich noch ausruhen. Morgen geht es dann los. Eigentlich sollten die Zeremonien schon heute vorbei sein. Wir beide müssen uns aber auch noch darüber unterhalten, wie es weiter geht! Viel Zeit bleibt uns nicht!“ Fiyero nickte, wusste aber nicht, ob er etwas erwidern sollte. „Wir können nicht riskieren, dass sie unsere Pläne durchkreuzen. Wir müssen den beiden zuvorkommen!“, hörte er Accursias Worte. Erst da fiel ihm noch etwas wichtiges ein: „Madame Akaber, was ich eben vergaß: Die Hexe ist sehr schwer verletzt aufgrund Ihres – nun, ich nehme einfach mal an, dass es Ihrer war – Wetterzaubers. Zudem ist Glinda weggelaufen und die Hexe sucht sie nun. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis wir etwas vor ihnen zu befürchten haben. Ich sage es sehr ungerne, aber ich glaube, dass dieser Tag kommen wird, wenn wir nicht vorher eingreifen. Mir schien, als sei Glinda sehr enttäuscht oder wütend gewesen. Aber das jetzt fällt mir noch schwerer zu sagen: So wenig ich es den beiden auch gönne, werden sie einen Weg finden, die Sache gemeinsam durchzustehen. Aber für uns bedeutet das, wir müssen warten, bis sie wieder vereint sind. Dann können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!“ „So sehe ich das auch! Guter Einwand. Dennoch müssen wir noch genaustens absprechen, wo wir unsere Truppen hinschicken müssen, ob du mitgehst und so weiter und so fort… Noch sehr viel, wie gesagt. Ich bitte dich, geh jetzt zu Londaro und kläre die ersten Fragen mit ihm. Er ist Gardehauptmann. Ramón hat zu viel zu tun im Moment. Die mächtigen 5 müssen sich morgen versammeln.“ „Die mächtigen… wer? Wozu?“ „Morgen früh werde ich mein Amt offiziell antreten und das vor halb Oz. Und nun geh!“, sagte Accursia Akaber bestimmerisch und ohne weitere Erklärungen. Mit einem unvorstellbarem Glänzen in ihren grauen Augen, verstärkte sie diesen Befehl durch eine türweisenden Handbewegung. Nach etwas längerem Schweigen, weil Elphaba in Gedanken versunken schien, brach Glinda endlich die Stille. Sie hielt es für ratsam, ihre Freundin nicht so weit in ihre Gedanken abrutschen zu lassen. „Halten wir also fest: Ich habe mich nicht ‚mitblamiert’, sondern ich habe auf meine innere Stimme gehört und in dem Moment, wo ich es tat, wusste ich, dass es die einzig richtige Entscheidung war!“, sagte sie mit Nachdruck und drückte Elphies Hand. Diese lächelte und sagte leise: „Das hast du süß gesagt.“ Glinda hatte sich schon die ganze Zeit über Elphabas Offenheit gewundert: „Elphie, du hast dich aber auch sehr verändert. Früher hättest du mich nie einfach so umarmt oder mir… so deine Empfindungen offenbart.“ Elphaba sah aufmerksam in die funkelnd blauen Augen und schüttelte nur leicht den Kopf: „Ich habe mir vorgenommen, in diesem Gespräch absolut ehrlich zu sein und all’ das zu sagen, was dir und mir hilft, die ganzen Dinge besser zu verstehen … oder überhaupt zu verstehen. Es war schwer für mich, meinen Kopf auszuschalten und wenn ich aufrichtig bin, muss ich zugeben, dass es mir nicht ganz gelungen ist. Aber ich bemühe mich sehr.“ Glinda konnte nicht anders und musste schmunzeln. Elphaba war immer der sogenannte ‚Kopf-Mensch’ gewesen und in ihrer gemeinsamen Zeit war es sehr, sehr selten vorgekommen, dass Elphaba Elea Thropp sich von ihrem Herz hatte leiten lassen. Und jetzt erst, merkte Glinda, begann sie selber langsam zu verstehen, warum… Noch immer hielt sie mit ihrer linken Hand Elphabas rechte, als sie kurz mit ihrer freien Hand über Elphabas Arm strich „Und das machst du sehr gut!“, flüsterte Glinda sanft. Sie genoss Elphabas Offenheit sehr, aber sie war sich auch darüber im Klaren, dass dieser Zustand nicht ewig bestehen bleiben würde. Also setzte sie, die chronologische Reihenfolge beachtend, so, wie Elphaba es gewünscht hatte, wieder an: „Da mein Gerechtigkeitssinn das nun von mir verlangt, gebe ich dir Möglichkeit, nun zuerst eine Frage zu stellen!“ Die Hexe grinste breit: „Hört, hört!“ „Oh, warte kurz!“, rief Glinda plötzlich aus, ließ die Hand aus ihrer eigene gleiten und wedelte dann mit ihren beiden Händen um ihre Nase herum. Elphaba kannte dieses Anzeichen und hielt sich demonstrativ die Ohren zu, um Glinda ein bisschen zu ärgern. „HATSCHI!“ Das Echo von Glindas Niesen hallte wider und die Felswände warfen es unaufhörlich zurück, bis es langsam abebbte. „Oooh…“, machte Glinda, als sie sich die Nase rieb, „Entschuldige.“ „WAS?“, sprach Elphaba etwas lauter. Sie grinste frech und hatte noch immer die Hände auf ihren Ohren. „Versprich mir, dass du mich niemals mehr gehen lassen wirst!“, flüsterte Glinda beinahe tonlos. Elphaba nahm neugierig ihre Hände von den Ohren, noch immer lächelte sie: „Hast du gerade etwas Gemeines zu mir gesagt?“ „Nein!“, lachte nun auch Glinda. „Was dann?“ „Sag einfach: Ich verspreche es.“, Glindas Augen funkelten. „Aber ich kann doch nichts versprechen, wenn ich nicht weiß, worauf ich mich da einlasse!“, meinte Elphaba argumentativ. „Sagt dein Kopf!“, meinte die blonde Frau nun und fing schauspielerisch an zu schmollen. „Punkt für dich!“, seufzte Elphaba schmunzelnd. Glinda antwortete nicht. Sie stand ungefähr einen Meter von Elphaba entfernt und sah sie abwartend an. Der schmollende Ausdruck wich aus ihrem Gesicht und anstelle dessen trat ein scheinbar neutraler Ausdruck. Doch Elphaba dachte, sie würde eine Art große Zuneigung in Glindas warmen Blick erkennen. Leise, aber dennoch klar und deutlich sagte sie: „Ich verspreche es.“ Glinda wollte es gar nicht, aber sie spürte, wie die Tränen über ihre Wangen rannen. „Oh Elphie…“, flüsterte sie und biss sich auf die Unterlippe. Elphaba musterte die schöne Frau und erwartete eigentlich, dass sie sich gleich selber in die sonst grünen Arme kuscheln würde. Aber Glinda blieb, wo sie war. Also trat Elphaba langsam auf sie zu und wischte ihr ohne darüber nachzudenken die Tränen von der Wange. Glinda versuchte mit zitterndem Kinn ein Lächeln auf ihre rosigen Züge zu bringen. Es gelang ihr nur halbwegs, was Elphaba zum erneuten Schmunzeln brachte. Glinda hatte ihre Arme um den eigenen Körper geschlossen und unterdrückte den Impuls, nach Elphies Händen zu greifen und sich in ihre Arme zu schließen. „Komm her, mein Mädchen.“, flüsterte Elphaba und hielt ihre Arme auf. Dann trat sie noch einen Schritt auf Glinda zu und legte ihre Arme auf den anmutigen Rücken und umschloss die Freundin sanft. Diese Worte waren einfach aufgetaucht und sie hatte sie ausgesprochen, ohne zu wissen, was sie da sagte. Schnell verwarf Elphaba den Drang danach, diese Äußerung zu analysieren. Nun löste Glinda ihre starre Haltung und umarmte ihrerseits Elphaba. Nach kurzer Zeit hörte sie die bekannte Stimme an ihrem Ohr: „Was ich dir auch immer versprochen habe, Glinda, ich werde es halten.“ Glinda ließ die warme Welle der Geborgenheit zu, die sich nun in ihrem Körper breitmachte. Als sie merkte, wie Elphaba sie sanft von sich wegdrückte, sah Glinda in die dunklen Augen. „Ich werde es halten!“, versicherte die Hexe noch einmal und streckte dann ihren Hals, um Glindas Stirn zu küssen. Als die sanften Lippen ihre Stirn berührten, schloss Glinda die Augen und seufzte leise. Sie suchte Elphabas Hände und drückte sie kurz. Dann umarmten sich beide noch einmal fest, bevor sie sich lächelnd ansahen. „Du bist unglaublich!“, lachte Elphaba und Glinda hatte erst überhaupt keine Ahnung wovon sie sprach. Doch als sie nachfragen wollte, hörte sie selber das laute Knurren ihres Magens. Sie lösten sich voneinander und setzten ihren Weg schlendernd fort, schließlich wollten sie einmal um den ganzen See herumspazieren und über die Hälfte hatten sie schon geschafft. Glinda fühlte, dass diese Situation gerade etwas in ihr verändert hatte. Es fühlte sich an, als wäre eine Tür geöffnet worden, aber sie wusste noch nicht, was genau sich in dem Raum dort hinter befand. Elphaba ließ ihr jedoch keine Möglichkeit, ausführlich darüber nachzudenken: „Um die Gerechtigkeit nun auch walten zu lassen, würde ich gerne meine Frage stellen.“ Als Glinda ihre Freundin ansah, bemerkte sie ihr tiefernstes Gesicht und spielte mit: „Frau Thropp, Ihr Antrag ist genehmigt!“ Sie lächelten einander an, bevor Elphaba fragte: „Meine Frage lautet: Wieso haben Sie, Fräulein Glinda, damals versucht, mich von Kopf bis Fuß umzukrempeln?“ Glinda sah sie verwirrt an. Schon wieder wusste sie nicht genau, wovon Elphaba sprach. Als die Hexe diesen Blick sah, warf sie mit beiden Händen ihre Haare zurück und äffte der damaligen Galinda nach: „Wusch wuuuuusch!“ Glinda brach in schallendes Gelächter aus und wehrte mit einer Handbewegung ab: „Ach, DAS!“ Als sich ihr Gekicher beruhigt hatte, sah sie Elphaba ernst an: „Warum.. ja, warum… Das ist wirklich eine gute Frage. Ich habe nie darüber nachgedacht, wenn ich ehrlich bin. Rückblickend würde ich vielleicht sagen, dass ich dir damals helfen wollte.“ „Helfen?“ Elphaba war entsetzt, „Was um alles in Oz hat dich dazu gebracht zu glauben, dass eine ‚galindafizierte’ Elphaba damit geholfen werden könnte?“ „Sei nicht so gemein!“, schmollte die blonde Schönheit, musste dann aber auch grinsen. „Du hast ja Recht. Und genau das habe ich auch nachher eingesehen. Aber ich wollte dir einfach die Möglichkeit geben, in die Welt der … Beliebtheit einzutauchen. Ich wollte, dass man dich in meinem Freundeskreis aufnimmt und du nicht mehr das desozialisierte Mädchen bist! Ich dachte im ersten Moment ernsthaft, es würde dir gut tun!“ „Mir…“, Elphaba lachte und konnte den Satz nicht zu Ende bringen. „Naja, oder eher: deinem sozialen Status… Das wohl eher. Aber du hast mir ja dann auf deine charmante Art und Weise deutlich gemacht, dass du genau das nicht willst und auch überhaupt nicht brauchst. Und zwar aus dem Grund, weil du dann nicht mehr du gewesen wärst. Aber du bist immer noch du… Und das habe ich an dir damals schon sehr bewundert.“ „Naja…“, gab Elphaba zu, „Es war ja nicht so, als hätte ich es nicht probiert.“ „Wie?“, fragte Glinda nun verdutzt, „Wie meinst du das?“ „Nach deinem… Make-over oder was es auch immer war, habe ich mich mal in diesem ‚Gewuschel’ versucht, aber ich habe dann doch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgefunden.“ Glinda grinste breit: „Ich wusste gar nicht, dass ich einen solchen Einfluss auf dich hatte!“ „Hast!“, konterte Elphaba und Glinda drehte schnell ihr Gesicht in Richtung Sonne, damit ihre errötenden Wangen nicht auffielen. „Wieso bist du damals eigentlich sofort aus dem Zimmer gerannt?“, fragte die noch immer leicht errötete Blondine aus heiterem Himmel und beide Frauen wussten, worum es ging. „Sag du mir lieber mal, warum du nach dieser eindeutig missglückten Situation trotzdem zu mir gesagt hast, ich wäre eine Schönheit?!“ „Nein, nein!“ Glinda wedelte kichernd mit ihrem Zeigefinger vor Elphabas Nase herum: „Keine Gegenfragen erlaubt!“ „Wer hat diese dumme Regel bloß erfunden?“, kicherte nun auch Elphaba und gab dann auf: „Na schön. Du hast gewonnen…“ Als Elphaba über damals nachdachte, wusste sie genau, warum sie von jetzt auf gleich davongelaufen war. ‚Aber das kann ich Glinda nicht sagen…’, dachte sie errötend. „Wow!“, hauchte die Frau neben ihr. Elphaba sah sie aufmerksam an und war froh darüber, ihre Antwort noch etwas hinauszögern zu können. „Was ist?“, fragte sie neugierig. „Das ist das erste Mal, dass du errötest. Also… nicht erdunkelgrünst!“, grinste Glinda, noch immer etwas verblüfft. „Ich… ahm… ja…“, lachte Elphaba dann und ihre Wangen färbten sich weiterhin rötlich. „Wieso?“ „Wieso was?“ Elphaba stellte sich dumm. Glindas Antwort wurde von einem Augenrollen begleitet: „Elphaba Thropp, tu nicht so, als würdest du nicht wissen, was ich meine! Du musst mir ohnehin antworten, also zögere es nicht länger hinaus!“ „Ich kann dir das wirklich nicht sagen…“, murmelte Elphaba und senkte ihren Kopf. „Hallo, Kopfmensch!“, zwinkerte Glinda ihr zu und machte Elphie damit klar, dass ihre Reaktion unangebracht war. Schließlich hatte sie Offenheit und Ehrlichkeit versprochen. „Du hast es so gewollt…“, meinte Elphaba aufgebend und warf dabei ihre Hände in die Luft. Ihr war nicht wohl in der eigenen Haut. „Du hast damals versucht, mein Äußeres so zu verändern, dass es in das gesellschaftliche Bild passte… So mit Ballkleid… und so weiter…“, murmelte die Hexe sehr unbeholfen und gestikulierte nervös mit ihren Händen. Ein Detail, welches Glinda nicht entging. Seufzend sprach sie weiter: „Auf jeden Fall… hat die ganze Sache vorne und hinten natürlich nicht funktioniert und das war mir von Anfang an schon klar. Und ich glaube, dir auch. Mal ganz abgesehen davon, dass ich dir danach deinen zweiten Trainingsstab kaufen musste…“, sie lächelte Glinda amüsiert an, welche ihr Lächeln auf die gleiche Weise erwiderte, „… hat sich nicht wirklich etwas verändert. Doch am Ende hast du mich dann als ‚Schönheit’ betitelt. Dazu muss ich sagen, dass ich erstens – vorher noch nie ein solches Kompliment bekommen hatte und zweitens – darum auch nicht wusste, wie ich damit umzugehen habe. Ich kannte solche Dinge nur, wenn sie ironisch gemeint waren, wie z.B. ‚Ach Elphaba, was leuchtest du heute wieder so schön…’. Das sagte Nessa immer zu mir, wenn sie mich ärgern wollte. Darum habe ich auch erst gedacht, dass auch diese Wertschätzung von dir eher spöttisch als ehrlich gemeint war….“ Glinda wollte erst etwas sagen und öffnete ihren Mund. Doch dann überlegte sie es sich schnell wieder anders. Aus irgendeinem Grund hatte Elphie es gerade schwer, ihre Gefühle zu äußern und noch wusste sie nicht warum. Glinda wollte jetzt nicht unterbrechen und damit riskieren, dass sie danach nichts mehr erfahren würde. Also schwieg sie. „… Aber als ich dir dann in die Augen gesehen habe… da… Ich weiß nicht.“ Sie seufzte tief und sah Glinda endlich an, so schwer es ihr auch fiel. „In deinen Augen stand kein Spott. Nicht mal eine Spur von Ironie. Ich glaubte, wirkliche Achtung und Anerkennung in deinen Augen lesen zu können. Und da wurde mit plötzlich klar, dass du das völlig ernst meinst. Ich musste in dem Moment einfach raus aus dem Raum – weg von dir, weil ich nicht glauben wollte… oder vielmehr konnte, dass du mich wirklich schön findest. Damals war ich einfach überwältigt, denn wenn man sein ganzes Leben lang vermittelt bekommen hat, dass man nur aufgrund seiner Hautfarbe gesehen wird… dann… kann man einfach nicht glauben, dass jemand so Besonderes wie du in einem mehr sieht, als nur die…“ „… Grünheit!“, ergänzte Glinda ruhig und nickte. „Ja, oder so…“, seufzte Elphaba. „Darf ich dazu jetzt etwas sagen?“, fragte die Blondine vorsichtig. Elphaba signalisierte ihr mit den Händen, fortzufahren. „Ich muss zugeben, dass ich mir vorher auch nie die Mühe gemacht hatte, dich aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Du warst eben nur ‚Die Grüne’. Doch als unsere Freundschaft sich dann langsam ihren Weg bahnte, da lernte ich, auch mal unter der Oberfläche zu sehen. Genau das tat ich auch und damit meine ich nicht nur deinen Charakter, sondern auch dein Aussehen. Als ich noch in meinen frühen jugendlichen Jahren war, hat meine Mutter mir einmal erklärt, dass Schönheit nicht nur das Äußere meint. Sie sagte, Schönheit sei das Equilibrium von einer inneren Charakterstärke, die positiv mit dem äußeren Erscheinungsbild verschmilzt und es so beeinflusst.“ Es amüsierte Elphaba ungemein, solche Worte aus Glindas Mund zu hören. „Du meinst also eine Art Gleichgewicht aus Charakter und Aussehen?“ Glinda nickte. Zumindest glaubte sie, dass ihre Mutter das so gemeint hatte… „Deine Mutter meint also, es würde eine Interaktion zwischen Schönheit und Charakter bestehen? Und ohne das eine wäre das andere nicht vorhanden?“ „Oh, Elphie…“, Glinda zog eine Grimasse, „Equilibrium, Interaktion… Oz weiß, wovon du redest. Das kannst du mit meiner Mutter bei Gelegenheit mal diskutieren. Was ich jedoch eigentlich damit sagen wollte, ist, dass ich nicht nur deinen Charakter sehr schätze, sondern auch dein Äußeres. Was du da in meinen Augen gesehen hast, das war keine Einbildung. Das war echt. Es war die Wahrheit.“ „Und genau davor hatte ich immer Angst. Sich einzubilden, dass es nicht da gewesen wäre, war immer einfacher für mich.“ „Warum?“ „Weil ich Beweise sammeln wollte, dass ich dir nicht wirklich etwas bedeutet habe.“ „Warum?“, fragte Glinda nun ruhig, obwohl ihre Gefühle Achterbahn fuhren. „Weil… Weil…“, stotterte Elphaba. Genau das war es, was sie Glinda eigentlich hatte verschweigen wollen. „Weil du mir auch viel bedeutet hast. Zu viel, um genau zu sein… Ich konnte unmöglich mit dir abschließen, in dem Wissen, dass meine Gefühle erwidert werden. Oh Oz!“, stöhnte Elphie nun auf und machte eine abwertende Handbewegung. Sie wusste, wie sich diese Worte angehört haben mussten und fügte hinzu: „Ich habe keine anderen Worte dafür jetzt gefunden…“ Genau das war es, was Glinda verwunderte. Elphaba dachte immer genau darüber nach, wie sie was sagte oder ob sie überhaupt etwas sagte. Ihre Wortwahl war immer präzise und traf genau das, was sie ausdrücken wollte. „Ich verstehe schon.“, sagte sie dann jedoch nickend und ihre blonden Locken wippten mit. Als sie dann jedoch über das Gesagte nachdachte, fügte sie etwas konfus hinzu: „Nein, eigentlich verstehe ich das nicht so ganz… Du meinst, du bist raus gerannt, weil du mit mir abschließen wolltest?“ „Nein.. Nein…Arg!“ Elphie schien wirklich verzweifelt. „Ich bin raus gerannt, weil deine Ehrlichkeit in dem Moment zu viel für mich war. Du hast mir in dem Moment gezeigt, dass ich mehr wert bin, als meine Hautfarbe und dass es jemanden gibt, der das endlich sieht und noch viel schlimmer: Mir das sogar offen zeigt. Ich war doch an keine Art von Wertschätzung gewöhnt! Und das mit dem Abschließen war … auf mein Leben nach Shiz bezogen. Nachdem wir uns in der Smaragdstadt voneinander verabschiedet hatten. Es fiel mir so schwer, dich aus meinem Leben zu streichen, dass ich beinahe alles schwarz gemalt habe, was du jemals für mich getan oder zu mir gesagt hast. … Na ja, ich habe wenigstens versucht, es schwarz zu malen…“ In Gedanken verloren sagte Glinda leise: „Weißt du, Elphaba, wir hatten eine außergewöhnliche Freundschaft… Nein, wir HABEN eine außergewöhnliche Freundschaft.“ Das war Glindas Art zu symbolisieren, dass sie verstanden hatte und Elphaba begriff es. Dennoch verstand sie nun nicht, worauf Glinda hinauswollte. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie Glinda an: „Wie meinst du das?“ „Der Gedanke ist noch nicht zu Ende geführt…“, gab diese offen zu, „… Lass mir noch etwas Zeit und ich werde es dir erklären.“ Elphaba nickte und war ganz froh darüber, dass die Frage geklärt worden war. Damit sie nicht mehr Gefahr lief, dieses Thema weiter besprechen zu müssen, sagte sie dann: „Damit wäre wohl auch meine Frage geklärt.“ „Warum ich trotzdem gesagt habe, dass ich dich schön finde?“ „Ja…“, nickte die Hexe, hob ihren Kopf und sah nach vorn. Die Decke war schon in Sicht. Ohne es bemerkt zu haben, waren die beiden beinahe schon um den ganzen See herumspaziert. „Es war eben die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit. Und das finde ich auch heute noch.“ Elphie merkte, wie das Thema doch wieder drohte, erneut eröffnet zu werden und murmelte: „Lassen wir das… bitte.“ Dass Elphaba sich sehr unkomfortabel bei diesem Thema fühlte, hatte die blonde Frau schon die ganze Zeit über gemerkt und beschloss nun, die Sache ruhen zu lassen. „Lassen wir das…“, bestätigte Glinda mit einem Nicken und fügte in Gedanken hinzu: ‚Zumindest fürs erste…’ „Hast du Hunger?“, fragte Elphaba nun plötzlich. Sie hatte das dringende Bedürfnis, ihre Gedanken auf etwas anderes umzuleiten. Als Antwort erhielt sie einen Blick, der aussagen sollte: ‚Da musst du noch fragen?’. „Alles klar!“, lachte sie nun, „Du hast mich erwischt. Die Frage war rhetorisch!“ Als die Hexe merkte, dass Glinda nicht mehr neben ihr ging, drehte sie sich verwirrt um. Die blonde Schönheit war stehen geblieben und stand nun drei Schritte von Elphie entfernt. Die blauen Augen musterten die Hexe. „Was ist?“, fragte diese. Glinda schenkte ihr ein Lächeln, sagte aber nichts. „Was?“, fragte Elphaba abermals, zu verwirrt um zu lächeln. „Ach Elphie…“, seufzte Glinda und setzte sich dann wieder in Bewegung. Sie ging ohne ein weiteres Wort an der offensichtlich ratlosen Hexe vorbei und ließ sich auf die Decke plumpsen. Nachdem Reseda die Gedanken aller im Raum Anwesenden ausgesprochen hatte, war ein unangenehmes Schweigen eingetreten. Während Elanora abwägte, ob sie ihrem Mann und somit auch allen anderen erzählen sollte, was Kwen ihr ins Ohr geflüstert hatte, dachte Gideon über genau dasselbe nach. ‚Soll ich Ela nun fragen, was Kwen ihr zugeflüstert hat…’ Er wusste nicht, ob er es überhaupt wissen wollte… Meredith hingegen machte sich große Sorgen um ihre Frau und fasste den Entschluss, dass sie abermals heiraten würden, sollten sie aus dieser ganzen Sache heil herauskommen. ‚Aber dann so eine Hochzeit, wie Resi sie sich immer gewünscht hatte. Mit Schleier, Blumen und dem ganzen Brimborium, was noch alles dazugehört…’ Sie selber sah zwar keine Notwendigkeit in einem solchen Aufwand, denn die Art der Hochzeit an sich änderte ja nichts an der Tiefe der Gefühle. Dennoch musste sie sich ein zukünftiges Ziel setzen, welches voraussetzte, dass sie UND Resi diese Misere unbeschadet überstanden, denn Mutter Meredith war kurz davor, ihre Nerven zu verlieren. Reseda allerdings schloss die Augen. Ihre Stirn war heiß, das konnte sie fühlen. Ihre Handgelenke schmerzten und ihr Körper war kraftlos. Es dauerte nicht lange, da driftete sie in eine fiebrige Traumwelt ab. Als Elaine so ruhig dasaß und sich auf nichts konzentrierte, weil es nun mal nichts gab, merkte sie, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte. Sie fühlte sich aus unerfindlichen Gründen entblößt und grübelte darüber nach, wieso sie ein solch verwirrendes Empfinden hatte. „Was wollt ihr von mir?“, fragte Orez mit gesenktem Kopf, als Kwen ihn vor Ramón zum Stehen brachte. Ohne Umschweife setzte Ramón direkt an: „Orez, hinter mir siehst du zwei Türen. Eine führt nach draußen, die andere wieder in den Kerker. Welche wählst du?“ „Wie soll ich mich entscheiden, was ich wähle, wenn ich nicht einmal weiß, was hinter…“ Ohne jegliche Vorwarnung schlug Ramón ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Seine Faust schmerzte augenblicklich, aber das war ihm egal. Orez hatte auf dem Flur vor Glindas Zimmer alle Pläne durchkreuzt und es war seine Schuld, dass Ramóns Mutter in einem kritischen Zustand gewesen war. Zumal hatte er verhindert, dass er selber, Ramón, in den Genuss von ‚Glinda der Guten’ kommen konnte. „ICH stelle die Fragen. Halt die Klappe!“, sagte er barsch und fügte dann hinzu: „Hinter dieser Türe…“, dabei deutete er auf die Türe, welche nach draußen führte, „… steht ein Galgen bereit. Hinter der anderen Türe … Nun, von dort kommst du gerade, also brauche ich es nicht zu erklären. Ich schlage dir einen Deal vor. Akzeptierst du ihn nicht, darfst du nach draußen gehen…“ „Anders gesagt: Ich habe keine Wahl!“, murrte Orez und kassierte einen Tritt in die Eingeweide. „Uhhhmpf…“, stöhnte er unter Schmerzen, als Kwen ihn wieder unsanft vom Boden aufhob. „Der Deal ist…“, begann Ramón von Neuem, „Du gehst wieder zurück in das Loch, aus dem du gekrochen kamst und findest heraus, was die anderen wissen. Du findest persönliche Dinge über Glinda und die Hexe heraus. Du erkundigst dich über die Beziehung zwischen Meredith und Glinda. Über die Beziehung zwischen Elaine und Glinda UND über die Beziehung zwischen Glinda und der Hexe. Ich will, dass du uns Informationen lieferst, die wir gegen die beiden – gegen ALLE dort drinnen – gebrauchen können und ich erwarte, dass du niemanden auslässt. Wie du das anstellst, ist mir völlig egal. Aber wenn du versagst…“ Er ließ den Satz offen in dem Wissen, dass Orez verstanden hatte. Es stimmte, dass Orez Mist gebaut hatte und das wusste er selber. Jedoch hatte er nie davon gewusst, dass Glinda sterben sollte. Er hatte von dem ganzen, hinterhältigen Plan nichts gewusst und hatte dem allen nur zugestimmt, weil er auf einen Moment mit Glinda gehofft hatte. Ramón war es schließlich höchst persönlich gewesen, der ihm andauernd Chancen bei Glinda versichert hatte. Aus diesem Grund tat es ihm auch nicht im Mindesten leid, dass er der Grund für die ganzen Probleme war, welche Ramón nun zu haben schien. „Ich mache es…“, willigte er ein und versuchte, so überzeugend zu klingen, wie es ihm nur möglich war. „Wenn du versagst…“, begann Ramón und Orez unterbrach ihn. Dabei sah er ihm direkt in die Augen: „Ich versage nicht!“ „Gut! Ab mit ihm!“, wies er Kwen an, der den Gefangenen sofort wieder in Richtung Kerker drängte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)