Schall und Rauch von Ryu-Stoepsel (Which path will you choose?) ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Glinda seufzte und schaute dem Sonnenuntergang zu. Sie saß auf ihrem kleinen Balkon und ließ ihre Füße über das Geländer baumeln. Ein Glas Rosewein in Hand, summte sie leise vor sich hin. Nun war eine Woche vergangen, seitdem sie mit Ramón im Café ‚Gusto’ gewesen war. Noch immer grübelte sie über seine Schwester nach. Wie schrecklich musste das für ihn gewesen sein. Heute war Samstag. Nur noch 7 Tage. Dann stand der Feiertagsball an. Glinda wurde schwindelig bei dem Gedanken. Oder lag das am Wein? Ein lautes Klopfen an der Zimmertür ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken. „Oz im Ballon!“, schimpfte sie leise. Durch die offene Balkontür rief sie laut: „Ist offen.“ Sie wendete ihr Gesicht wieder dem Sonnenuntergang zu und genoss das Gefühl der letzten warmen Strahlen auf ihrer Haut. Es war zwar erst früher Abend, dennoch hatte sich Glinda schon bettfertig umgezogen, da sie heute nichts mehr zu tun hatte. Alle lästigen Brief- und Dokumentangelegenheiten erledigte nun Meredith für sie. Vorsichtig trat Ramón auf den Balkon. Er stand hinter Glinda und strich ihr mit einer Hand durch die Haare. „Guten Abend, blonde Sonne.“, sagte er zärtlich. Glinda kicherte. Sanft legte er seine warmen Hände auf ihre zarten Schultern und begann, sie zu massieren. „Hmmmmm….“, seufzte die zierliche Frau, „das tut gut.“ Die nächsten Minuten verbrachten sie beide schweigend. Ramón massierte Glindas Schultern, sowie ein Teil ihres Rückens und Glinda nippte hin und wieder mal an ihrem Wein. Sie mochte nicht so viel trinken in der Gesellschaft dieses Mannes. Der blonde Schönling beendete die Massage mit einem Kuss in Glindas Nacken. Sofort bekam sie Gänsehaut und kicherte erneut. ‚Mit schlechter Laune gefällt sie mir besser, da ist sie wenigstens nicht so kindisch’, dachte er genervt. Lächelnd setzte er sich auf den noch freien Stuhl, gegenüber von Glinda, nahm ihre Füße vom Balkonsims und machte damit weiter, womit er an Glindas Schultern aufgehört hatte. „Womit habe ich das verdient?“, fragte Glinda grinsend und schloss die Augen. „Ich möchte ja schließlich, dass meine Tänzerin sich am Samstag auf gesunden Füßen amüsieren kann! Das wird eine lange Nacht!“, zwinkerte Ramón ihr zu. Verdutzt hatte Glinda die Augen geöffnet und erwiderte das Zwinkern mit einer Frage: „Was soll das denn bedeuten?“ „Nichts weiter! Ich will mit dir tanzen!“, beruhigte sie der Mann. „Soso…“, Glinda streckte ihm die Zunge raus. „Na warte…!“, murmelte Ramón und fing an, Glindas Füße zu kitzeln. „Oh du lieber Oz! Hör auf damit!“, sie konnte sie vor Lachen kaum halten und reflexartig trat sie nach ihm. Mit einem Griff hatte er Glindas Beine fest gepackt, sodass sie sich kaum mehr bewegen konnte. „Aua, du tust mir weh!“, jammerte sie. Errötend ließ er sie los: „Verzeih mir… Selbstverteidungskurs, fortgeschrittene Klasse, plus Judostunden.“, log er nervös. „Na dass du dich um die Leibwächterposition beworben hast, wundert mich nun nicht mehr!“, lachte Glinda. Mit ihrer rechten Hand rieb sie ihre Fesseln, die noch immer von seinem Griff leicht schmerzten. „Du hast wohl als Kind zu viel Spinat gegessen!“, kicherte sie. „Du meinst, wie deine grüne Freundin?“ Er lehnte sich genüsslich in seinen Stuhl und verschränkte die Arme auf seinem Brustkorb. Abschätzend sah er sie an. Glinda merkte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht trat. „Was hast du da gesagt?“, flüsterte sie bleich. Vorsichtig stellte sie ihr Weinglas auf den Tisch. Ramón sah, wie sie leicht zitterte. ‚Es stimmt also doch, was man sich so erzählt…’, dachte er. „Hey Spaß!“, er knuffte sie vorsichtig in die Seite und Glinda zwang sich ein mattes Lächeln ab. „Haha…“, erwiderte sie tonlos. „Nein, mal ehrlich.“, sagte er herausfordernd. „Ich denke, ich habe mal ein recht darauf, zu erfahren, wie das alles aus deiner Sicht passiert ist. Ich meine, am Samstag ist ihr erster Todestag. Du wirst doch wohl kein Schwarz anziehen?“, neckte er sie ironisch. „Ich besitze nicht mal etwas schwarzes!“, fauchte sie ihn an. „Und was steckst du deine Nase da überhaupt rein?“ Sie reagierte viel zu gereizt auf eine solch’ lapidar scheinende Frage. „Wow!“, Ramón hob beschwichtigend die Hände. „Wunder Punkt? Das wollte ich nicht. Ich dachte nur, … also ich meine, du hast sie ja persönlich gekannt und die Leute erzählen ja schon viel Mist. Ich zum Beispiel glaube nicht, dass sie ein Extra Auge besitzt, welches immer wacht oder so einen Blödsinn…“ Ein verachtendes „Tze!“ war das einzige, was Glinda als Antwort von sich gab. ‚Mach jetzt bloß keinen Fehler. Das könnte makaber werden!’, dachte er und fand sein eigenes Wortspiel so lustig, dass er grinsen musste. „Sag mal…“, begann Glinda fassungslos, denn sie hatte ihn beobachtet. „Geht es dir noch gut?“ Sie tippte sich mit ihrem rechten Zeigefinger an die Stirn, verschränkte dann wieder ihre Arme über der Brust und schmollte vor sich hin. „Glinda, es tut mir leid. Ich wollte nichts aufwühlen. Meine Absicht war eigentlich eine ganz andere. Ich spüre, dass du die Hexe mit anderen Augen betrachtet hast, als die meisten Menschen und ich würde eben gerne wissen warum, damit ich mich auch am Samstag dir und ihr angemessen verhalten kann. Ich wollte dir damit nur zeigen, dass du auf mich zählen kannst, mir vertrauen kannst und ich dir den Rücken stärken würde. Es tut mir leid, wenn ich was Falsches gesagt habe, aber andere Absichten, als die, die ich gerade geschildert habe, hatte ich nicht.“ Er stand auf und gab ihr einen leichten Kuss auf die Haare. „Ich gehe dann wohl besser jetzt.“ Langsam drehte er sich um und wartete darauf, dass … Glinda ergriff seine Hand. Ramón stand mit dem Rücken zu ihr, sodass sie sein verschmitztes Lächeln nicht sehen konnte. „Warte, bitte…“, flüsterte sie. Der Mann drehte sich um und setzte sich wieder auf den Stuhl. Abwartend blickte er sie an. Nun würde er endlich das gewünschte Material bekommen, so jedenfalls erhoffte er es sich. Glinda saß ruhig auf dem Stuhl und hatte ihren Blick auf die Hände gerichtet. In ihrem Inneren jedoch tobte ein heftiger Kampf. Niemand wusste, wie nah Glinda und Elphie sich gestanden hatten. Niemand. Nicht einmal Fiyero, der es höchstens geahnt haben könnte. Seit nun fast zehn Jahren gab es wieder einen Menschen in ihrem Leben, der sich um sie sorgte, sie bewunderte und den sie bewunderte. Zärtlichkeit und Geborgenheit waren lange Fremdwörter für sie gewesen. Sie hatte sich deshalb auch sehr verändert. Kein pinki-pinki-wusch-husch-kicher-kicher mehr, kein hibbeliges Rumhüpfen, kaum noch Euphorische Ausfälle und Aufrufe aufgrund von z.B. einem Paar schöner Schuhe oder sonst etwas ganz fabulösem. Und nun saß sie hier. Sie wollte Ramón gerne erzählen, wie wundervoll Elphie gewesen war. Wie stark. Wie schön. Wie mutig. Und wie stur… Doch dann hätte Ramón weitere Fragen gestellt – wieso, warum, weshalb? Und Glinda war nun nicht in der Lage, das durchzustehen. In 7 Tagen stand der Ball an. ‚Danach vielleicht…’, dachte sie. Selber ganz verwirrt, wie sie sich oder was sie überhaupt fühlte, beschloss ‚Glinda die Gute’, ihrer Vorzeigepersönlichkeit gerecht zu werden und sprach: „Nein, ich kannte diese grüne Hexe…“, Glinda schluckte und sprach weiter: „… diese Hexe auch nur so, wie man sie beschreibt.“ Nun hob Glinda den Kopf und sah einen verwunderten Blick in Ramóns Augen. Und was noch? War das etwa Ärger? Unbeirrt redete Glinda weiter, nicht klar, ob sie mit Ramón redete oder gerade versuchte, sich selber etwas vorzulügen: „Natürlich stimmt es nicht, dass sie ein zusätzliches Auge oder so besaß, aber vieles stimmt schon. Sie war wirklich ‚WICKED’. Nicht alles nur Schall und Rauch, was die Leute über sie sagen. Sie war böse und gemein. Hysterisch und unsozial.“ Glinda steigerte sich in ihren Monolog hinein, als würde es ihr somit leichter fallen, mit Elphaba Thropp abzuschließen. „Fast eine Soziophobie hätte man ihr zuschreiben können. Ich hatte das Pech und wohnte mit ihr zusammen. Doch zum Glück ist sie ja dann im 2. Jahr in Shiz abgegangen. Am Ende hatte ich doch etwas Mitleid mit ihr, weil sie nicht so vom Glück verwöhnt war, wie ich und ich versuchte, dem Volk von Oz, natürlich erfolglos, etwas Mitleid abzuringen. Aber ein zweites Mal war mir das dann auch zu schade.“ Glinda schien es, als würde jedes Wort wie eine Nadel mit Faden durch ihr Herz rasen und es zunähen. „Darum kann ich verstehen, wenn manche Leute behaupten, wir wären gute Freundinnen gewesen, aber das waren wir nicht.“ ‚Und das ist ja nicht mal eine Lüge… denn es war… ja was? … Nein, denk es nicht… Es war … mehr… oder?.... ’, fügte Glinda noch in Gedanken hinzu. Nun war sie an der Reihe, Ramón abwartend anzusehen. Dieser verstand die Welt nicht mehr, ließ sich aber nichts anmerken. ‚Kleine Lügnerin…’, er war wütend. ‚Erkennst mich zum Glück nicht mehr, aber als ich dich damals in diesem Palast hier gepackt habe, weil wir dich für Elphaba hielten, hast du rumgekreischt und sie vorgewarnt. Hätten wir sie damals schon gepackt, wäre ich jetzt vielleicht an deiner Stelle!’ „Danke Glinda, für dein Vertrauen.“ Das waren jedoch schließlich die Worte, welche er aussprach. Glinda lächelte ihn an. ‚Er ist ja so verständnisvoll. Hoffentlich bin ich nach dieser Woche mit dem verdammten Elphaba-Thema durch.’ „Dann hoffe ich ja auf eine tolle Party, am Samstag!“. Grinste er, als er aufstand, ihr einen Kuss auf die Wange gab und das Zimmer verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)