Genoveva von -Lacrima- (Es muß Herzen geben, welche die Tiefe unseres Wesens kennen und auf uns schwören, selbst wenn die ganze Welt uns verläßt. - Karl Ferdinand Gutzkow) ================================================================================ Kapitel 1: Drøm --------------- Drøm Es war Mittag. Die Sonne stand an ihrem höchsten Punkt und es schien als ließen ihre Strahlen den unebenen Steinboden glühen. Die Häuser, welche den Platz umrahmten, warfen große Schatten und wirkten bedrohlich. Menschen aller Altersgruppen, liefen hektisch in eine Richtung. Unter Ihnen waren kleine Kinder, Tiere und merkwürdige Geschöpfe. Alle waren aufgebracht, nervös. Inmitten des großen Menschenpulks, hatte sich ein Kreis gebildet. Der Boden war mit Sand bedeckt und wurde durch einen leichten Windstoß aufgewirbelt. Der Staub brannte in ihren Augen. Ein junger Mann trat in den Kreis. Die Menge jubelte und klatschte Beifall. Er war überdurchschnittlich groß und recht breit gebaut. Er trug nur eine abgewetzte, kurze Hose. Seine Haut wirkte gelblich. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie im Glanz der Sonne das es sich um goldbraunes Fell handelte. Seine Füße und Hände waren riesig, ähnelten Pranken. An dem menschlich gebauten Oberkörper, sah man zwei Schnallen, die sich in sein Fell drückten. Am Rücken trug er ein Schwert, welches bis zum Boden reichte. Seine Augen waren grün und sie hatten sich zu kleinen Schlitzen geformt. Seine Ohren hatte er bedrohlich nach hinten gelegt. Er stand regungslos da und wartete. Seine Körperhaltung war anmutig, nur sein Schwanz bewegte sich angriffslustig hin und her. Das Jubeln der Menge erlosch. Sie wandte ihren Blick. Ein Wesen in einem schwarzen Umhang betrat den Ring. Alle starrten es misstrauisch, beinahe ängstlich an. Nur der Katzenmensch stand unbeirrt dort. Das Gesicht des Fremden war durch eine Kapuze verdeckt, doch sie meinte eine helle, beinahe weißliche Haut wahrzunehmen. An seinem schweren Gürtel, aus braunen Leder, hingen zwei große Messer. Es herrschte absolute Stille. Plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, stürmten die beiden aufeinander los. Der Katzenmensch zog blitzschnell das Schwert hinter seinem Rücken hervor und schlug es hart in die Richtung seines Gegners. Sie schloss reflexartig ihre Augen. Wollte sie nicht sehen was sich gerade vor ihr abspielte? Nein, sie wollte nicht wieder hier sein, an diesem Ort. Ihre Finger verkrampften sich. Man hörte das Aufeinandertreffen der Klingen und eine unheimliche Ruhe setzte ein. Sie öffnete vorsichtig ihre Augen. Das schwarze Wesen hatte die Messer schützend vor sich gekreuzt und somit den Schwertschlag des Katzenmenschen abgefangen. Wie zwei Statuen standen sie da. Die Körper waren aufs äußerste angespannt, während der Katzenmensch alle Kraft daran setzte, die Messer des fremden Wesen zu durchbrechen. Sie meinte ein unförmiges Grinsen unter der Kapuze zu erkennen. Die scharfen Messer des Unbekannten loderten plötzlich auf und hatten einen unnatürlichen Glanz. Der Katzenmensch sah irritiert auf und machte einen Satz nach hinten. Doch es war zu spät. Ein helles Licht durchflutete den gesamten Platz. Es war so grell, dass sich die Menschen die Hände vor die Augen schlugen und ihre Kinder schützend hinter sich versteckten. Die Menge zog sich panisch zusammen. Sie spürte wie sich in ihrem Körper die Angst vor der Enge ausbreitete. Einige schrieen vor Angst und Schmerz auf. Als das Leuchten nachließ ging ein Raunen durch die Menge. Die Masse buhte. „Magie ist bei diesem Turnier nicht erlaubt!“ „Disqualifiziert ihn!“, brüllten sie alle durcheinander. Doch das Wesen in dem schwarzen Umhang stand einfach nur da und lachte. Es hatte erreicht was es wollte. Sie vernahm einen stechenden Schrei des Entsetzens. Die Stimme war hoch und klar, wie von einer jungen Frau. Sie blickte suchend umher. Der Katzenmensch lag zusammengerollt am Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Der Sand um seinen Körper färbte sich rot. Wie eine Pfütze bei starken Regen wuchs die Lache aus seinem Blut. Plötzlich spürte sie etwas panisch an sich vorbeistürmen. Es fühlte sich feucht an und sie spürte wie die Nässe ihren Arm hinunterfloss. Die Bilder verschwammen vor ihren Augen und sie hielt ihren Kopf mit der Hand, als sie in sich zusammensackte und das Bewusstsein verlor. In der Dunkelheit hörte sie ein letztes Mal die helle Stimme voller Verzweiflung. „Hayaaamieee“, schrie sie. ---------------------------------------------------------------------------- Gené schreckte auf. Ihr Herz raste bis zum Anschlag und ihr gesamter Körper war mit Schweiß bedeckt. Sie wusste im ersten Augenblick nicht wo sie war. Alles um sie herum war dunkel und fremd. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte sie ihr eigenes Zimmer. Sie beruhigte sich schleppend, der Herzschlag verlangsamte sich und ihr Puls, der vorher schmerzend pochte, beruhigte sich wieder. Wieder einer dieser Träume. Wieder wirkte er so realistisch das er ihr Angst einjagte. Alle dachten sie hätte ihre Krankheit überwunden. Gené glaubte auch über Jahre daran, doch sie musste sich eingestehen, dass sie alle und sich selbst belog. Sie schlug die Bettdecke beiseite und knipste die kleine Lampe auf ihrem Schreibtisch an. Das kleine, grünliche Licht schmerzte kurz in ihren Augen. Sie ließ sich auf dem schwarzen Klappstuhl nieder und öffnete die oberste Schublade. Sie nahm ein kleines, in blauen Samt gebundenes, Buch heraus und blätterte bis zur ersten freien Seite. Gené schraubte ihren alten Füller auf und setzte an zum schreiben. Doch sie hielt inne. Sie blickte auf die vorherigen Seiten, die uneben voll geschrieben waren. Mal ganze Texte, dann wieder nur Zitate und Zeichnungen, säumten die einzelnen Papiere. Das Büchlein wirkte wie ein einziges Chaos. Wie meine Gedanken, dachte sie sich lächelnd. Sie versuchte den Traum Revue passieren zu lassen. Viele Erinnerungen daran waren bereits verschwommen, andere schon restlos ausgelöscht. Dennoch spürte sie immer noch wie die Angst in ihren Knochen saß. Sie erinnerte sich an die helle, verzweifelte Stimme, die einen Namen schrie. Hayamie. Langsam und vorsichtig schrieb sie ihn auf eine freie Seite nieder. Gené blickte aus dem Fenster. Er war in ihrem Träumen noch nie aufgetaucht. Gené sah ihn vor sich. Seine anmutige Körpersprache und die wütenden Augen. Er wirkte stark, so stark als könne ihm niemand etwas zu Leide tun. Das Bild verschwamm vor ihren Augen und sie sah ihn inmitten der rote Blutlache vor sich liegen. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Ihre Hand ging über den Schreibtisch zur nahen Fensterbank, auf der ihre Stiftbox lag. Mit einem harten, spitzen Bleistift, begann sie unter dem geschrieben Namen vorsichtig zu zeichnen. Erst waren ihre Handbewegungen zögerlich und verkrampft, doch nach und nach wurden sie immer fließender. Kurze Zeit später blickten sie zwei ehrfürchtige Augen vom Papier aus an. Seine buschigen Ohren waren nach vorn gelegt und man erkannte an seinen Schultern die zwei Ansätze, der beiden Schnallen, die sein Schwert hielten. Der Schwertgriff lugte hinter seinen blonden, zerzausten Haaren hervor. Wer war dieser Katzenmensch? Und wer hatte so verzweifelt nach ihm gerufen. In Genés Gedanken hallte wieder diese helle, klare Stimme auf. Sie war an ihr vorbei gerannt. Gené hatte es gespürt, wie man sie streifte. Sie fuhr sich mit ihrer Hand über den Arm. Die Hand blieb an einer Stelle ruhen. Sie spürte Nässe. Panisch blickte sie hinab. Aber unter ihrer Hand war alles trocken. Mit einem Satz stand Gené auf. Sie musste sich wieder beruhigen und einen klaren Kopf bekommen. Morgen war ein wichtiger Tag für sie. Sie durfte nicht zulassen, dass diese Krankheit wieder ihr Leben zerstörte. Zu sehr hatte sie darum gekämpft. Sie blickte mit ernster Miene auf den kleinen Kalender an der Pinnwand. Der morgige Tag war mit rotem Edding dick markiert. Sie seufzte. Sie hatte Angst, große Angst. Sie wollte nicht versagen. Zu oft war es schief gelaufen in ihrem Leben. Wahrscheinlich war genau dies ihre letzte Chance. Mit langsamen Schritt ging sie durch ihr eher kleines, vollgeräumtes Zimmer. Vor ihrer Badezimmertür hielt sie inne. Sie drehte sich ein letztes Mal zu ihrem Schreibtisch am Fenster, auf dem das kleine, blaue Buch ruhte. Dann öffnete sie die Tür und knipste das Licht im Bad an. Eine Dusche würde ihr nun sicherlich gut tun. Ihre nackten Füße machten auf den kahlen Fließen leise Geräusche. Sie blieb vor dem Waschbecken stehen und sah geradeaus in den kleinen rechteckigen Spiegel. Ihr braunes Haar, welches sie nachts immer zusammentrug, war zerzaust und einzelne Strähnen standen in alle erdenklichen Himmelsrichtungen ab. Ihre grünen Augen wirkten geschwollen und unter ihnen zeichneten sich dicke, dunkle Augenringe ab. Ihr Top hing schief über ihren Schultern. Sie griff mit dem Arm nach rechts in Richtung Dusche und ließ das Wasser laufen. Es war eiskalt. Sie zog sich ihre Sachen aus, öffnete ihre Haare und stieg vorsichtig hinein. Unter leisen Knarren schloss sie den Duschtür aus Glas. Das Wasser trommelte auf ihren Rücken. Ihr Körper zitterte unter der Kälte. Langsam wurde das Wasser wärmer. Sie hielt ihr Gesicht gegen den Wasserstrahl. Angenehm lief das lauwarme Nass über ihr Gesicht runter über ihren Oberkörper. Gené spürte wie ihr Innerstes langsam seine Ruhe fand. Erleichtert atmete sie aus. Doch sie bemerkte nicht wie sich das Wasser langsam seinen Weg den Duschvorhang nach oben bahnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)