Realität und Selbsttäuschung einer Verwirrten von Trollfrau ================================================================================ Kapitel 2: Eine mir neue Welt ----------------------------- Dieser Tag war bereits zur neige gegangen und der Ort, an dem ich mich jetzt befand, war keiner von denen ich ohne zu überlegen behaupten würde, dass ich genau für diesen geschaffen bin. Ein Festzelt. Unzählige Leute. Viele von ihnen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich einfach zu selten, derartig mit Personen gefüllte Plätze betrete und daher auch kaum Leute kennen kann. Und doch bin ich freiwillig hier. Die Musik die sie mir hier heute bietet, wird eben auch nicht die sein, die ich auch als meine Lieblingsmusik bezeichnen würde, doch mit ein paar bekannten Gesichtern und einigem Alkohol werde ich das schon schaffen. Ich bin zuversichtlich. Heute wollte ich nicht allein zu hause hocken. Ich brauchte heute Gesellschaft. Einen großen Stein habe ich mir vor einigen Tagen von der Seele geredet. Das ist einer der Gründe, warum endlich wieder etwas Ruhe in mir eingekehrt ist. Die Zeit verging schneller als erwartet und gewollt und als sich die Reihen, zu vorgerückter Stunde, auf der Tanzfläche langsam lichteten, fiel mir dieser Kerl auf. Er stand keine drei Meter von unserer Gruppe entfernt – Regungslos - die Hände in den Taschen und blickte stumm in unsere Richtung. Stand er etwa schon lange dort? Beobachtete er uns etwa ? Oder vielleicht speziell mich? Ich wand mich schleunigst ab, um diesem Blick nicht länger ausgesetzt zu sein, kam aber nicht umhin erneut in seine Richtung zu sehen. Ich kannte den Kerl. Ich war mir ganz sicher. Er war ein Kumpel meines Bruders und wohnte im Nachbarort, aber sein Name? Ich überlegte kurz, doch er wollte mir in diesem Augenblick einfach nicht einfallen. Als ich abermals in seine Richtung sah, hatte er einen Cocktail in der Hand. Er musste also die Tanzfläche verlassen haben, um sich dann erneut an die gleiche Stelle zu stellen. Er bemerkte meine erneute Aufmerksamkeit sofort und hob das Glas zum Gruße. Versuchte mich damit auf eine Art heranzuwinken. Den Blick, den er mir dabei zuwarf, ließ mich nun sicher sein, dass er doch mich meinte. Näher heran wagte er sich jedoch nicht. Waren ihm die Handvoll Leute, die hier bei mir waren vielleicht nicht recht, oder war er einfach nur feige? Irgendwann hielt mich dann schließlich doch nichts mehr bei der Gruppe. Der ständige Blick im Nacken hatte angefangen, mich auf unangenehme Weiße nervös zu machen. Vielleicht sollte ich ihm die Meinung sagen, doch dazu sollte ich gar nicht kommen. Das Glas hatte er jetzt jedoch nicht mehr in der Hand. Ich ging mit schnellen Schritten auf ihn zu und ohne ein Wort schloss er mich einfach in die Arme. Ich war wie erstart. Fest drückte er mich an sich und legte mir seine Stirn an die Schläfe. Vielleicht wollte er in diesem Moment einfach ein bisschen Nähe spüren. Die Gegenwart einer Person, die ihn nicht länger alleine auf dieser Tanzfläche stehen ließ. Kaum einen Augenblick später spürte ich seine Hände auf meinem Hintern. Für eine Schrecksekunde hielt ich die Luft an. Ich war überrascht, dass er das wirklich wagte, doch ich hielt ihn nicht davon ab. Ich fühlte mich hier nicht unwohl. Davon war ich weit entfernt. Vielleicht tat mir diese Umarmung ja selbst irgendwie gut. Immerhin gab es ja jetzt niemanden mehr, dem ich hätte Rechenschaft ablegen müssen. Seine Tanzbewegungen waren so langsam, wie das Lied, dass gerade gespielt wurde. Er war genauso betrunken, wie ich bereits festgestellt hatte. Das gerade stehen fiel ihm jetzt sicherlich leichter, wo er doch nun eine Stütze hatte, dennoch wollte er mich ganz sicher nicht auf den Boden reißen. Darum versuchte er sich auch krampfhaft zu beherrschen. Vielleicht hatte er auch nur Angst, ich würde mich augenblicklich von seinem Griff befreien, wenn er wieder zu stark zu schwanken anfangen würde. Wie es schien, war seine ganze Konzentration auf seine Koordination gelegt. In seinem Jackett wäre ich sicherlich längst eingegangen vor Hitze, ihn schien es jedoch nicht zu stören. Als er mich doch endlich freigab, wich ich schnell einen Schritt von ihm zurück. Dennoch hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Die Gruppe, mit der ich hier war und alle anderen sich hier im Zelt befindlichen Personen schienen auf einmal nicht mehr da zu sein. Nur undeutlich vernahm ich noch die Stimmen und die Musik. Endlich kam ich dazu, ihn mir genauer anzusehen. Der Blick seiner dunklen Augen war anziehend und anstoßend zugleich. Auf dem Weg zu ihm, war mir das gar nicht aufgefallen. Ganz stark spiegelte sich der Suff in ihnen wider. Wie viel hatte er wohl bereits getrunken? Er zog eine Zigarette hervor und fragte, ob ich vielleicht Feuer hätte. Seit einiger Zeit habe ich ja tatsächlich hin und wieder ein Feuerzeug einstecken, doch es war gar nicht so einfach sie ihm anzuzünden, da er einfach nicht still stehen konnte. Meinen Gedanken, wer er eigentlich sei, äußerte ich zu meinem eigenen Entsetzen jedoch laut. Er sagte mir darauf lediglich, dass er ein Kumpel von meinem Bruder ist. Super!, aber so weit war ich ja bereits gewesen. Mich schien er jedoch gleich erkannt zu haben. Er war sich sehr wohl sicher, mit wem er hier gerade sprach. Mein Hirn arbeitete. Ich nannte ihm schließlich doch einen Spitznamen, obwohl ich mir wirklich nicht sicher war. Zu lange hatte ich den Kerl mit diesem Namen nicht gesehen, doch er bestätigte mir, dass es sich dabei um seinen handelte. Aber was nun? Mehr wie ihn ein paar Mal gesehen hatte ich ihn nie, geschweige denn auch nur irgendwann mit ihm ein paar vernünftige Worte gewechselt. Hin und wieder fiel mal sein Name und als ich noch regelmäßig mit in den „Bauwagen“ ging, lief er mir auch über den Weg, aber das ist definitiv bereits Jahre her! Außerdem war es eine Ewigkeit her, dass ich ihn das letzte mal gesehen habe. Er hatte sich ziemlich verändert. Sicher auch ein Grund, warum ich ihn nicht gleich erkannte. Die Musik war mittlerweile verstummt. Der DJ hatte sein letztes Lied gespielt und jetzt kam einer der Security - Leute und noch Andere, welche die Leitung über dieser Veranstaltung hatten, auf uns und den Rest der Person zu, die hier noch auf der Tanzfläche ein Schwätzchen hielten, mit der Bitte das Zelt doch jetzt zu räumen. Ich überlegte nicht lange. Dieser große, breite Kerl in schwarz war mir nicht geheuer und ich war sicherlich die letzte, die an ihn geraten wollte. Also packte ich wenigstens meinen Tänzer, hackte mich bei ihm ein und schleifte ihn mehr, als dass er von selbst ging, aus dem Zelt. Meine Gruppe schien uns noch nicht zu folgen, doch für sie hatte ich im Moment ohnehin keinen Blick. Mein Begleiter hatte es, am Zeltausgang angekommen, mit einem Mal ziemlich eilig. Er wollte unbedingt links herum um den Getränkewagen verschwinden, doch ich hatte ganz sicher nicht vor, mich mit ihm jetzt in irgendeine uneinsichtige Ecke abzuseilen. Also hielt ich nahe dem Getränkewagen einfach an. Ohne Stütze würde er jetzt ohnehin nicht weit kommen, also tat er es mir gleich. Stumm stand er mir nun wieder gegenüber. So richtig den Mut, ihm in die Augen zu sehen, hatte ich jedoch nicht. Was mochte jetzt wohl in seinem Kopf vor sich gehen.? Plötzlich begann er doch das Gespräch, mir selbst wäre nichts etwas eingefallen, was ich ihm hätte erzählen können. Er hätte nie gedacht, dass ich wirklich in der Lage gewesen wäre, so mit ihm zu tanzen, sagte er - oder so ähnlich. Sprachen diese Worte nun für oder eher gegen mich? Überrascht war ich ja bereits von mir selbst. Auf diese Weise tanzen? Eher eine Seltenheit! Schon gar nicht mit Kerlen, die ich kaum – bis gar nicht – kannte. Wild und hemmungslos tanzen? Ich schätze, dass stellte für mich kein Problem dar, wenn ich nur genug getrunken hatte. Meinetwegen auch ziemlich eng, aber auf diese nahezu vertraute Art? Na ich weiß nicht! So etwas entspricht nicht gerade meinem Charakter. Ich bin eben eher der Typ, der zwar provokant damit anfängt, doch schnell auf neckende, unnahbare Art das Weite sucht. Aber seinem Griff konnte ich mich nicht entziehen. „Wir sprechen uns wieder, wenn du nüchtern bist“, schlug ich vor, was jedoch eher nach einer Anweisung geklungen haben musste. Mit diesem sturzbetrunkenen, herumwankenden konnte und wollte ich mich einfach nicht länger unterhalten. Ich schlug ihm vor, nach hause zu gehen, doch das lehnte er ab. „Ich will nicht nach Hause“, sagte er und klang dabei schon fast weinerlich. „Ich will jetzt nicht gehen.“ Dieser unendlich traurige Blick... Doch das einzige, was ich zu diesem Zeitpunkt für ihm empfinden konnte, war Mitleid. Dachte er etwa wirklich, ich würde ihn so vielleicht mit zu mir nehmen? So besoffen wie er war? Ausgeschlossen! Außerdem war er doch ein Kumpel von meinem Bruder. In mir sträubte sich alles gegen diesen Gedanken. Das er seinen Job doch so hassen würde und er darum auch dauernd besoffen wäre, waren seine Gründe, für seinen momentanen Zustand. Oh man... Warum nur kamen mir diese Worte so bekannt vor? Habe ich mir nicht genau das gleiche schon einmal anhören dürfen? Bin ich denn die einzige, die ihren Job nicht hasst? Ich fühlte mich sofort an einige andere Personen erinnert. Als dann das Thema Alkohol schließlich in meine Richtung kam und ich ihm sagte, dass ich viel lieber ein Bier trinke, als Wein, war er wohl ein weiteres Mal überrascht. Er hat doch keine Ahnung, wie ich ticke, waren dazu nur meine Gedanken, die ich dieses Mal zum Glück wirklich nur dachte. Sein plötzlicher und völlig unerwarteter Versuch, mich zu küssen – warum sollte er auch sonst auf diese auffällige Art mit dem Oberkörper plötzlich auf mich zu kommen – ging ins Leere. Auch wenn er, unter dem großen Schirm neben dem Getränkewagen stehend, nur meine Wange anvisierte, wich ich geschickt einen Schritt zurück. Jedoch musste ich ihn an den Schultern stützen, da er sonst sein Gleichgewicht verloren hätte und womöglich doch noch auf mich gestürzt wäre. Für solche Spielchen war ich im Augenblick einfach nicht in Stimmung. Vielleicht war ich auch bereits wieder zu nüchtern. Dennoch kann ich nicht sagen, wer alles dieses Schauspiel mit angesehen haben musste. Die Leute aus dem Getränkewagen bestimmt. Schließlich hatten sie den besten Blick von oben, doch mein Blick war auch vor dem Zelt nur auf seine Gegenwart beschränkt. Für mehr reichte es bei mir wohl doch noch nicht. Ein dunkelhaariges Mädchen – mir völlig unbekannt – brachte sich schließlich, in dieses eher hoffnungslose Gespräch, ein. Sie drängte sich zwischen uns und flüsterte mir: „Geh jetzt einfach“, entgegen. Mit einem geschickten Ablenkungsmanöver ihrerseits – in dem sie seinen Kopf hielt, dass er mir nicht nachsehen konnte - und ihm etwas erzählte, was ich jedoch nicht mehr verstand, verschwand ich im die Ecke. Ich bin ihr dankbar, dass sie eingegriffen hatte. Ich hätte es wohl in seinem Zustand nicht übers Herz gebracht, ihn dort einfach stehen zu lassen. Möglicherweise erinnerte er sich ohnehin an nichts. Das wäre mir auf jeden Fall recht. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt mir das alles nur wie ein Traum vor. Es gibt einfach keinen Beweis für das, was ich hier geschrieben habe. Ich wünschte wirklich, ich würde von irgendwoher ein Zeichen bekommen, dass ich mir das vielleicht doch nicht nur eingebildet habe. Ich würde mich zwar mit dieser Erkenntnis nicht besser fühlen, aber sicherlich auch nicht schlechter. So langsam denke ich jedoch, dass es vielleicht doch nur ein Hirngespinst ist. Denn irgendwie klingt das alles weder nach ihm, noch nach mir, noch nach einer Begegnung, die ich mir auch nur Ansatzweiße erklären könnte. Eine rege Fantasie hatte ich jedoch schon immer. Als ich am Tag danach von einem anderen Freud meines Bruders ein Bild vom betrunkenen Tänzer auf seinem Handy mit ansehen durfte, wie er schlummernd auf irgend einem Gartenzaun hing, spürte ich dieses unangenehme stechen im Herz. Hätte ich vielleicht doch nicht verschwinden sollen? Ich war der festen Überzeugung gewesen, das ihn das dunkelhaarige Mädchen noch ein Stück begleitet hätte. Wie es schien, war das jedoch nicht der Fall, denn der Kerl, der dieses so scheußliche Foto gemacht hatte, meinte, er habe ihn allein heimwärts wanken sehen. Mit gemischten Gefühlen stehe ich auch jetzt noch im Dunklen, aber ohne die Gewissheit, dass das wirklich passiert ist, kann ich leider gar nichts tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)