Bomb Run von KateFromHighburyPark (Eine US-Bomberbesatzung im 2. Weltkrieg) ================================================================================ Kapitel 13: Memmingen --------------------- Der Betrieb auf dem Memminger Flugplatz hat zugenommen. Man erkennt auf den Luftaufklärungsfotos 50 bis 70 Me-110 und Me-410, die nicht sehr weit auseinander stehen und mit modernem Tarnanstrich versehen sind. Dazu mehrere Lastwagen voller Metallteile, die, wie von mehreren Aufklärern bestätigt, Ersatzteile beherbergen. Diese werden zur Reparatur und Zusammenbau von ebendiesen Flugzeugen benutzt. „Diese Erkenntnis macht den Flugplatz zu einem der wichtigsten Ziele unserer Bomberverbände“, setzte der Lieutenant vom Nachrichtendienst den Bericht über die Aufklärungsfotos, fort. Mit weitläufigen Gesten zeigte er die Karten und sehr detaillierte Aufklärungsfotos, die hinter ihm an der großen Wand pinnten. Ein dicker roter Strich auf der Landkarte zeigte zudem den Kurs auf das Ziel an. Das Flugzeug bebte. Und die Tragflächen wurden mit Kies überschüttet. Zumindest für Don hörte es sich so an. In Wahrheit waren es Flak- und Granatsplitter, die auf den metallenen Rumpf und die Flächen prasselten. „Wo sind wir, Leute?“ Matt klang angespannt. Chase warf einen Blick auf seine Karten, dann aus dem Fenster. „Über Norditalien. Irgendwelche Deutschen scheinen noch irgendwelche Flakbatterien da übrig zu haben.“ „Ich dachte, die wären längt auf dem Rückzug in die Alpen?“ „Das heißt noch lange nicht, dass sie nicht trotzdem auf uns schießen…“ Die Alpen lagen jetzt unter ihnen und das heftige Flakfeuer über den norditalienischen Städten, wie Bozen oder Trient, hatte nachgelassen. Die weißen, schneebedeckten Spitzen der hohen Berge der österreichischen Alpen schimmerten unter ihnen. Gletscherzungen und breite Sand- und Geröllreißen von den Bergen sahen sie ebenfalls. Dazwischen immer wieder grün oder blau blitzende Bergseen, die wie Augen anmuteten. Eine Bahnlinie half Navigator Chase bei seiner Aufgabe, sie nach Deutschland zu führen. „Skipper. Kurswechsel auf eins-null-eins. Wir versuchen die Flaknester zu umfliegen.“ „Alles klar. Kurswechsel.“ Lillys linke Tragflächenspitze zeigte jetzt auf eine schneebedeckte Bergspitze, sie flogen etwa in der Mitte des auseinandergerissenen Geschwaders. Über der Adria war es wegen schlechten Wetters zu Funkproblemen gekommen. Der Geleitschutz war nicht aufgetaucht. Und den Rest des Geschwaders hatten sie in einer Schlechtwetterfront über dem Treffpunkt nicht angetroffen. Etwa sechsundzwanzig Maschinen waren jetzt auf dem Weg nach Memmingen, um dort einen Flugplatz zu bombardieren. Eine davon Lilly. „Skipper? Glaubst du, dass die anderen noch kommen?“ Davis glaubte es nicht, dazu war das Wetter zu schlecht. „Abwarten“, sagte er nur. Doch obwohl der Verband wacker Ausschau hielt, der Kommandeur ihre Basis anrief, und sie weiter hofften, weder der Geleitschutz, noch die anderen Staffeln kamen. Der kleine Verband flogen Memmingen von Süden her an. Sie begannen schon zu denken, dass hier keine Jäger in der Nähe seien. Denn bisher waren, außer über Österreich ein verirrter Schwarm von vier Flugzeugen, keine aufgetaucht. Matt stierte über sein MG hinweg in den Himmel. Neben ihnen flog eine Maschine, mit dem Namen Blowin’ Breeze und einem großen Bild von einem dunkelhaarigen Mädchen auf ihrem Rumpf. Ihr rechter Rumpfschütze blickte ebenfalls wachsam nach draußen, sein Blick hing kurz an Lilly. Matt winkte ihm zu und bekam Antwort. Plötzlich knisterte es im Mikrofon. „Hey, da kommen Indianer von neun Uhr.“ Verge klang aufgeregt. „Matt, siehst du sie?“ „Sicher.“ Wie ein Bienenschwarm tauchten sie hinter ihrem linken Flügelmann auf, viele kleine schwarze Punkte, die mal dahin, mal hierhin huschten. Dann formierten sie sich plötzlich in Zweiergruppen, die bewährte Angriffsformation der Deutschen, und tauchten auf den amerikanischen Verband herab. „Kugelturm, da kommen auch noch welche von sechs Uhr tief!“ Danny zog den Ladeschieber zurück und visierte die Jäger an. Verge drehte den Turm und sein Zielkreuz wanderte zu den drei kleinen Punkten, die auf die B-17 Nightwalkers, die unter ihnen gestaffelt war, zuschossen. Innerlich zählte er bis fünf, dann waren sie nahe genug heran. Er feuerte. Die Rückstöße des MGs schmerzten an seiner Schulter, die Leuchtspurgeschosse zischten den Maschinen entgegen. Und wie von einer höheren Macht, zogen sie fächerförmig auseinander, brachen ihren Angriff auf Nightwalkers ab. „Sie sind weg“, keuchte Verge. „Sie drehen nach drei Uhr. Curtis!“ „Ich seh’ sie schon. Waren es bei dir auch schon vier?“ „Drei.“ „Ach, verdammt.“ Dann hörte Verge nur noch das Donnern der Geschütze und spürte jedes kleinste Beben des Flugzeugs bis ins Mark. „Da kommt einer direkt von vorne!“ Davis gab einen wütenden Schrei von sich. „Thomps! Siehst du ihn?“ rief Gorsky. Dann: „Oh, Scheiße!“ Eine deutsche Focke-Wulf kippte zur Seite, eben noch war sie auf direktem Kurs in Richtung Cockpit zugesteuert. „Ich hab ihn!“ Thomps atmete tief durch. Die Läufe seines Doppel-MGs rauchten ein wenig. Er hatte einen ersten Jäger heruntergeholt. Als ich ihn anvisierte, als ich ihm beinahe in die Augen blickte, da war mir, als würde ich ihn ermorden. Einfach erschießen. Ich erkannte die Form seines Kopfes, seine Sauerstoffmaske, und die Sonnenschutzgläser, hinter denen sich seine Augen verbargen. Welche Farbe wohl seine Augen hatten? Ich durfte nicht daran denken, denn sonst würde ich mir jetzt mein Gewissen mit Fragen durchlöchern. War es richtig, was wir hier taten? Hatte das alles wirklich einen Sinn? Jemanden zu töten, oder getötet zu werden? Hinter mir saßen Eugene und Luke und steuerten wie immer dieses riesige Flugzeug mit über dreißig Metern Tragflächenspannweite. Es musste eine gehörige Anstrengung sein. Ich hatte letztes Jahr in Schottland einen Trainingsflug als Eugenes Copilot absolviert. Er wollte, dass, falls ihm oder Luke etwas passierte, jemand das Flugzeug steuern konnte. Steuern vielleicht, aber landen? Damals über Schottland, als wir weiße Bergspitzen und silbrig schimmernde Seen überquerten, da war es so friedlich. Keine Flak, kein Geschützdonner und keine Blitze an den MG-Mündungen feindlicher Jäger, die wie Bienenschwärme auf uns zurasten. Ich hatte meine Augen stur über das Visier gerichtet und beobachtete gespannt den Himmel. Wir waren auf dreißigtausend Fuß, irgendwo über Süddeutschland. Rechts von mir schaukelte eine B-17, wie ein riesiges Boot auf den Wellen, hin und her. Dann wieder auf und ab. Wie hieß noch gleich dieser Ort mit dem Flugplatz, den wir bombardieren sollten? Memmingen. Wir hatten dir Luftbilder zu Gesicht bekommen, die die Aufklärungsflugzeuge ein paar Tage vorher gemacht hatten. Dort standen Reihe an Reihe Flugzeuge. Mehrere Messerschmitt 110, zweimotorige Jäger, die schon neunzehnhundertvierzig in der Luftschlacht um England zum Einsatz kamen, sich aber nicht bewährt hatten, wie die Nachrichtenoffiziere uns erzählten. Seitdem wurden sie als Nachtjäger eingesetzte und waren mit Radarantennen ausgestattet worden. Sie hatten gefährliche Bordkanonen, zwei schräg nach oben feuernde MGs, die, wenn die Me-110 unter einem Bomber flog, direkt in den Bombenschacht feuern konnte und ihn dadurch zum explodieren bringen konnte. Die galt es also zu zerstören. Denn wenn sie demnächst zur Nachtjagd abheben würden, wären es die Briten, die ihre Wut zu spüren bekämen. „Sie kommen von zwölf Uhr direkt aufs Cockpit zu“, hatte ich eine erregte Stimme durch die Brodsprechanlage gehört. Gorskys Stimme aus der Plexiglaskuppel. „Was soll ich da machen? Sie anspucken?“ hatte Eugene wütend zurückgerufen. Ich hatte meinen Turm nach vorne gedreht und einen kleinen schwarzen Punkt erblickt, der wie ein wütendes Insekt auf uns zugeschossen kam. „Thomps! Siehst du ihn?“ „Ja“, sagte ich. „Ich sehe ihn.“ Noch zwei drei Sekunden warten. Kurz das Visier korrigieren. Ich legte meinen Finger an den Abzug. Dann kam der Moment in dem ich beinahe gezögert hätte. Doch dann machte mein Finger das, was er auch tun sollte. Er zog den Abzug und die Maschinengewehre hämmerten los. Ich machte einen tiefen Atemzug. Zog tief den Sauerstoff in meine Lungen, um nicht ständig diese Bilder vor Augen zu haben. Dann konzentrierte ich mich wieder auf meine Aufgabe. „Navigator an Pilot. Fünf Minuten zum Ziel.“ „Roger, Navigator. Kurs?“ „Kurs halten. In drei Minuten eine leichte Kursänderung, dann kommen wir direkt hin.“ „Gut.“ Hinter Lilly formierten sich die ersten Flugzeuge. Lilly war die Führungsmaschine auf dieser Mission. Nachdem der Kommandeur irgendwo über der Adria nicht mehr aufgetaucht war, hatte Davis übernehmen müssen. Chase, der Navigator, schwitzte sich derweil die Seele aus dem Leib. Erst einmal zuvor hatte er mehr als dreißig Maschinen zum Ziel führen müssen. Er war nicht der Mensch, um ständig der Navigator der Führungsmaschine zu sein. Die ständigen Kursberechnungen, Kursabweichungen und Wendungen machten ihn halb wahnsinnig. Don half ihm so gut es ging und gab Positionsangaben durch, Geschwindigkeiten, Wetterangaben. Ständig, um Chase die Arbeit zu erleichtern. Es war mindestens so anstrengend für ihn, wie für Chase. Dann formierten sich die Flugzeuge in Zielanflugsformation. Die höher gestaffelte Gruppe schwenkte leicht nach steuerbord, die andere blieb auf gleicher Position. Die großen Bomber schwebten langsam auf das Ziel zu. „Ich kann noch die Alpen sehen“, sagte Danny aus dem Heck. „Wir sind gar nicht weit weg. Schön sehen sie aus.“ Gorsky erhaschte einen Blick auf das Ziel, keine Wolken weit und breit. Die Jäger beharkten sie immer noch. Vier Maschinen hatten sie schon niedergehen sehen. Ungefähr fünfundzwanzig Fallschirme, die wie weiße Blüten am Himmel hingen, gezählt. Doch fünfundzwanzig waren weit zu wenig. Wo waren die restlichen geblieben? „Kurskorrektur“, sagte Chase. „Zwanzig Grad nach steuerbord.“ Davis lenkte das große Flugzeug in eine sanfte Rechtskurve, und Gorsky hatte das Ziel jetzt direkt voraus. „Hier Bombenschütze. Ziel in Sicht.“ „Danke. Navigator?“ „Noch etwa Minute.“ Gorsky hob seine Hand und formte mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Sein Gesicht hing über dem Norden-Bombenzielgerät. Unter ihm grüne Grasflächen, einzelne Gebäude, deren Dächer rot schimmerten, wohl Bauernhöfe. Er erkannte das Vieh auf den Weiden. Ein Blick auf Chase und er bekam ein Nicken. „Bombenschütze, das Flugzeug gehört dir.“ Davis ließ seine Hände locker auf der Steuersäule ruhen. „Alles klar, Skipper.“ Gorsky merkte wie das Flugzeug leicht ruckelte. „Immer geradeaus. Bombenklappen auf!“ Mit einem Surren öffneten sich die Bombenklappen. Er merkte, wie das Flugzeug sofort an Geschwindigkeit verlor. Hinter ihnen taten es ihnen fünfundzwanzig Maschinen nach. Die gesamte Formation mutete im Zielanflug beinahe bewegungslos an. Da begann die Flak zu schießen. Gorsky erkannte die ersten Gebäude des Flugplatzes, darunter ein Hangar. „Direkter Bombenzielanflug. Halt’ die Maschine ruhig. Langsam, langsam.“ Er hatte sie direkt unter sich. Die Reihe Flugzeuge von den Luftbildaufnahmen. „Bomben los!“ Kleine, schwarze Punkte purzelten aus den Rümpfen der Flying Fortresses und torkelten der Erde entgegen. Die Maschine machte einen Satz, von einer großen Last befreit. „Bombenklappen zu.“ Wieder das metallische Surren, dann ein Klonk, und die Klappen waren geschlossen. Sofort nahm das Flugzeug wieder Fahrt auf. „Navigator. Kursangaben?“ „Drei-eins-null. Wir nehmen Kurs nach Hause.“ Kurs auf Foggia, ihr vorläufiges Zuhause.. Die Männer der Besatzungen atmeten erleichtert auf, als sie eine große Wende flogen. Weitere Flugzeuge wurden angeschossen, weitere abgeschossen. Lilly verlor ihren linken Flügelmann Blowin’ Breeze. Sie verschwand plötzlich nach unten, trudelnd. „Sieht jemand Fallschirme?“ fragte Matt. „Komm schon“, hörten die restlichen neun Männer der Besatzung Danny murmeln. „Steigt aus. Da! Ich sehe vier.“ „Vier?“ „Jetzt fünf.“ „Ich sehe einen sechsten“, rief Verge. „Und Nummer sieben.“ Am Schluss waren alle ausgestiegen. Alle zehn Männer von Blowin’ Breeze schafften es aus dem waidwunden Flugzeug. Das Flugzeug schlug auf einem Feld auf und ein Rauchturm baute sich darüber auf. „Bin gespannt, ob es die Kerle in die Schweiz schaffen“, sagte Curtis. „Die ist ja nicht weit weg.“ „Ungefähr achtzig Meilen“, sagte Chase. „Vielleicht haben sie Glück.“ Liberty Lilly hatte Glück und schaffte es zurück. Sie landete gegen sechzehn Uhr zurück in Foggia. Brandon wartete schon im De-Briefing Raum. Dieses Mal war es nicht ganz so schwer, mit den Männern zu reden. Meistens war es nur beim allerersten Mal so. Und dieses Mal sprach sogar der Pilot mit ihm, freute sich Brandon. Wenn das nichts heißen mochte. Der Angriff des 18. Juli 1944 wurde zu einem Desaster. Zwar wurde der Flugplatz stark beschädigt, doch schon beim Anflug begannen die Probleme. Ungefähr hundertsiebzig Flugzeuge waren in Foggia gestartet, die insgesamt sechs Groups bildeten. Doch über der Adria war die Wetterlage schlecht, und durch mehrere Funkmissverständnisse, wurde der Verband auseinandergerissen. Sechsundzwanzig Bomber entschieden sich für Memmingen und setzten ihren Flug ganz ohne Begleitjäger über Norditalien und Österreich fort. Bis ins Zielgebiet. Im Großraum Allgäu wurden diese, noch vor dem Angriff auf den Flugplatz, von Jägern angegriffen. Vierzehn Bomber kehrten von diesem Einsatz nicht zurück. Am 19. Juli erreichte die Besatzungen ein Brief vom Hauptquartier, der wie folgt lautet: An alle Besatzungen, gestern war dieses Geschwader in eine Luftschlacht mit der deutschen Luftwaffe verwickelt und erlitt schwere Verluste. Normalerweise werden wir bei Kämpfen dieser Art von einigen andern Geschwadern oder Jagdflugzeugen begleitet. Dieses Mal befanden wir uns alleine in der Luft. Nach unserem Ermessen schossen wir sehr häufig auf feindliche Jagdbomber, konnten ihnen wieder entkommen und zerstörten das vorgegeben Ziel. Wir nahem unsere Verluste, die schwer waren, hin, aber wir kämpften und schlugen entschlossen eine große Zahl, etwa ein Drittel der Spitze der deutschen Flugkräfte in Europa. Diese Schlacht ist ein tapferes Kapitel der Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten. Ich bin stolz auf Euch und Ihr habt jeden Grund auf Euch selbst stolz zu sein. Gestern haben wir eine Kampfführungstradition aufgestellt, die wir weiterführen müssen. Den Luftkampf nicht in dieser Art fortzusetzen werde einen Verrat an die Erinnerung jener tapferen und unerschrockenen Männer bedeuten, die nicht mehr zurückgekommen sind. Ich weiß, dass Ihr nicht versagt, sondern fortfahren werdet, immer mehr erfolgreiche Angriffe gegen den deutschen Feind zu führen bis der Krieg siegreich beendet ist. Paul L. Bartin Colonel, Air Corps Commanding A/N.: Der Angriff auf Memmingen und die nahe Umgebung, wie Kempten, Friedrichshafen, beruht auf wahren Tatsachen. Der Schauplatz liegt nicht weit weg, von wo ich wohne. Der Brief stammt aus einem Geschichtsheft, das an die ‚Luftschlacht über Buchenberg’ und an die dort Gefallenen, Deutsche wie Amerikaner, erinnert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)