Longing - Just for you von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- Titel: Longing – Just for you Teil: Prolog Autor: Tsugumi Email: jennybreidenbach@yahoo.de Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 16 Warnung: limone, angst Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Kommentar: Tja, wer hätte das gedacht? Hier ist also tatsächlich die Fortsetzung zu „Longing“. Nach vier Jahren!! Vielleicht erinnern sich einige noch an „The Days after tomorrow“, so hatte ich damals die Fortsetzung genannt, doch brachte diese es nie auf mehr als zwei Kapitel… dann habe ich sie raus genommen. Sie gefiel mir nicht und überhaupt wollte ich das Thema Seimaden für mich abschließen, wollte die erste Fic so stehen lassen wie sie war. Aber na ja… es erreichten mich so viele liebe und aufmunternde Emails im Laufe der Zeit von Leuten, die gerne eine Fortsetzung von „Longing“ sehen wollten und mir deutlich machten, dass das Thema Seimaden noch lange nicht vergessen ist. Und als ich mir den Manga noch einmal so anschaute… ja das ist schon wirklich ein verdammt guter Manga, bis heute noch einer meiner Liebsten. Also hab ich mich noch einmal in die Makai hineingedacht, hab mich noch einmal hingesetzt und den Text der Fortsetzung komplett überarbeitet und die story neu konzipiert. Auch habe ich hier ein eigenes Profil erstellt, meine anderen Geschichten (auch „Longing“ )sind alle noch unter dem Namen „schuchan“ zu finden, das Profil, das ich damals mit meiner guten Freundin erstellt habe. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass die Fic gefällt und das es noch Leute gibt die sich dafür interessieren… und das ich das schreiben nach vier Jahren nicht vollständig verlernt habe. Danke an die vielen Leute, die mich unterstützt haben mit Ideen und Aufmunterung. Diese Fanfic ist.. Just for you. Longing – Just For You ~~Prolog~~ Blumen, überall blühten Blumen. In allen Farben, manchmal in Rot, manchmal in Blau, mal in einem zarten Flieder, mal strahlend gelb wie die Sonne selbst. Blumen soweit das Auge reicht. Das Gras raschelte sanft unter ihren Füssen, aber die Blumen wagte sie nicht zu berühren. Die Sonne an diesem seltsamen Himmel tauchte alles in ein angenehmes Licht und brachte die verschiedensten Farbreflexe hervor. So schön war es anzusehen. Aber irgendwie war diese unendliche Wiese zu jeder Tageszeit wunderschön. Hatte denn noch niemand diesen Platz hier entdeckt? Nie war jemand hier, es schien alles so verlassen und einsam. Und doch...jemand musste einmal hier gewesen sein. Das verrieten ihr die Ruinen des Schlosses, dass hier einst gestanden haben musste. Sie kletterte die halb zerstörten Stufen hinauf. Mitten in der einstigen Steintreppe klaffte ein Loch, aber sie war mittlerweile oft genug hier gewesen, um einen anderen Weg zu kennen. Rechts neben dem Loch kletterte sie auf eine Mauer, auf der sie ein paar Meter entlang balancieren musste, um auf die nächste Ebene zu gelangen. Hier war wohl einmal ein großer Saal gewesen, jedoch war auf einer Seite die komplette Wand weggerissen worden. Was es wohl gewesen war, dass dieses schöne Schloss so zerstörte? Eine Naturkatastrophe, wie ein heftiger Sturm vielleicht, oder ein Kampf? Leider gaben die verwitterten Mauern und zerbrochenen Steine keinen Aufschluss darüber. Die Stürme in der Makai konnten sehr heftig sein. Weiter lief sie über die mit Moos bewachsenen Steinplatten eines ehemaligen Korridors, bis sie schließlich an ihrem Ziel ankam. Es war eine riesige Terrasse, erbaut auf einem mehrere Dutzend Meter hohen Felsen. Von hier aus hatte man den schönsten Ausblick überhaupt. Schnellen Schrittes lief sie zum Geländer und stützte sich auf die Brüstung, ließ atemlos von der Anstrengung den Blick über die endlosen Weiten schweifen, die sich vor ihr erstreckten. Blumen, so viele Blumen. Bis zum Horizont, wo die endlosen Felder sich irgendwo im Übergang zwischen Himmel und Erde verloren. Stundenlang konnte sie hier stehen. Irgendwie löste dieser Anblick eine unendliche Ruhe und auch Frieden in ihr aus. Sie liebte diesen Ort einfach. Aber seltsamerweise bemächtigte sich gleichzeitig eine seltsame Traurigkeit ihrer, deren Ursprung sie nicht ausmachen konnte. Und als sie eine ganze Weile so gestanden hatte, die Augen geschlossen und den Duft der Blumen einatmend, da hörte sie plötzlich wieder dieses Flüstern. Diese Stimme, die erst nur ein Rauschen des Windes zu sein schien, aber dann immer realer wurde. Die genauen Worte konnte sie leider nicht verstehen, obwohl sie die wispernde Stimme immer deutlicher hörte. Als sie so laut war, dass sie nichts anderes mehr vernahm, weder das Singen der Vögel hoch oben am Himmel noch den Wind, der durch die Mauerritzen pfiff und wie ein Kind mit ihren Haaren spielte, öffnete sie die Augen und drehte sich um, suchte den Balkon mit den Augen ab. Aber nichts war hier. Keine Präsenz war spürbar und auch das Flüstern war verstummt, so wie immer. Nur der Wind trieb weiter sein kindisches Spiel. ~~Prolog Ende~~ Kapitel 1: ----------- Titel: Longing – Just for you Teil: Kapitel 1 Autor: Tsugumi Email: jennybreidenbach@yahoo.de Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 16 Warnung: limone, angst Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Kapitel I Ein dunstiger Morgennebel lag über der Makai und ließ nur langsam zu, dass die aufgehende Sonne Licht in diese von Dämonen beherrschte Welt brachte. Das Leben im Palast begann jedoch ohnehin früh und so war es nicht ungewöhnlich, dass nicht nur die Dienerschaft, sondern auch die drei wichtigsten Dämonen des Reiches schon auf den Beinen waren. Laures saß an einem großen, schweren Holztisch in seinem Arbeitszimmer, zu seiner linken Titius, zu seiner rechten Zadei. Vor ihnen ausgebreitet lag eine große Karte des westlichen Teiles der Dämonenwelt auf dem Tisch. Laures blickte nachdenklich darauf, während Zadei mit dem Zeigefinger seiner Dämonenklaue über eine Gebirgskette am äußeren Rand fuhr und dabei erklärte: „Die Glakyr-Dämonen halten sich in den unzähligen Tunneln und Höhlen dieses Gebirges versteckt. Es ist schwierig, sie genau auszumachen, weil diese Höhlen für uns größtenteils unerforscht sind, aber mit der richtigen Anzahl Männer dürfte es keine großen Schwierigkeiten machen, sie aus ihren Mauselöchern zu locken und dann fertig zu machen.“ Kaum hatte er geendet, fiel ihm Titius ins Wort. „Aber wie ihr bereits sagtet, das Gebiet ist uns nicht vertraut. Die Glakyr leben dort seit Jahrtausenden. Niemand weiß, wie viele hunderte oder tausende versteckte Höhlen und Gänge es dort gibt. Das ist ein Vorteil, den sie mit Sicherheit nutzen werden. Wir könnten schnell in eine Falle geraten.“ Zadei sah ihn über den Tisch hinweg an und meinte ein wenig gereizt: „Und was schlägst du dann bitte vor?“ Titius erwiderte den Blick kühl wie immer. Laures schwieg, blickte seinen Diener mit den blauen Augen aber ebenfalls auch abwartend an, als dieser auch schon seine Ansicht verdeutlichte: „Wie sollten Kundschafter ausschicken, Spione. Sie müssen Informationen sammeln und herausfinden...“ „Herr Gott, Titius! Da ist ein Haufen elender Unterdämonen, die einfach nicht damit klarkommen, dass wir hier den Laden schmeißen! Seit Monaten verbreiten sie schon Unruhe. Es wird langsam Zeit, dass wir da mal aufräumen!“ fiel Zadei ihm laut ins Wort. „Es sind nicht einfach irgendwelche dummen Unterdämonen, es handelt sich leider um einen sehr intelligenten Stamm. Ich darf euch erinnern, dass wir schon zwei Scharen Unterdämonen hingeschickt haben, aber sie wurden alle vernichtet!“ argumentierte Titius nun auch etwas energischer. Laures schwieg immer noch nachdenklich, blickte mit seinen ewig distanziert wirkenden Augen immer zwischen seinen beiden Beratern hin und her, die abwechselnd das Wort ergriffen. Von der Hitze der Diskussion blieb er völlig ungerührt. „Und gerade deswegen müssen wir nun mit aller Macht zuschlagen. Wir lassen uns nicht auf der Nase rumtanzen, dass muss ein für alle mal klargestellt werden! Zur Not vernichten wir eben das ganze blöde Gebirge.“ „Ach ja, und ihr wollt also mit einer Armee da rein spazieren und einfach alles platt machen...“ „Ja! Genau das habe ich vor.“ Zadei machte eine wischende Geste über den entsprechenden Landstrich auf der Karte und funkelte Titius dabei an. Dieser verengte seine Augen und hielt dem Blick stand. „Das ist mal wieder typisch. Einfach reinplatzen und alles dem Erdboden gleich machen. Hätte mich auch gewundert, wenn ihr einen anderen Vorschlag gehabt hättet! Ich sage, wir sollten die Glakyr infiltrieren. Mit viel Geschick und ein paar Tricks verunsichern wir sie und sorgen dafür, dass sie untereinander uneins werden. Wenn wir es schaffen sie zu zersplittern, dann..“ „Ha, natürlich! Du bist intrigant wie eh und je, Titius. Kannst es echt nicht lassen, was?“ Zadei verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch. Aber Titius ignorierte diesen verbalen Seitenhieb und bedachte Zadei nur mit einem abfälligen Schnauben. Dann wandte er sich seinem Herrn zu, der die ganze Zeit nichts dazu gesagt hatte. „Was denkt ihr, Laures-sama? Welchen Vorschlag haltet ihr für den besten?“ Der Dämonenfürst legte einen seiner schlanken Finger an die eigene Wange und fuhr mit dem schwarzen Nagel nachdenklich darüber, bevor er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme sprach. „Mehrmals haben die Glakyr Überfälle begangen, die gegen uns gerichtet waren. Das ist eine eindeutige Erklärung, dass sie sich gegen meine Regeln stellen. Damit sind sie meine Feinde und Feinde dulde ich nicht. Sie sind nur ein kleines Völkchen, aber schlauer als andere Unterdämonen und äußerst brutal. Ich habe nicht vor, so lange zu warten, bis sie ernsthaft Ärger machen. Ich möchte keine Zeit verlieren, auch nicht dadurch, Spione auszuschicken. Wir schlagen schnell und effizient zu, wir löschen sie aus. Als eine Warnung für alle anderen. Niemand fechtet meine Macht an oder kommt sogar auf die Idee, mir zu drohen. Allein der Gedanke, dass dieses Gesindel dem Schloss nahe kommen könnte, macht mich krank... Zadei, kümmere dich darum, ich übertrage dir die Verantwortung in dieser Sache.“ Damit war die Sache für ihn geklärt. Ebenso wie für alle Anwesenden klar war, warum er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass der Feind sich dem Schloss nähern könnte. Er hatte etwas zu beschützen, deswegen würde er sich in seine Entscheidung auch nicht mehr reinreden lassen. „War das alles für heute? Gut, dann ziehe ich mich jetzt zurück.“ Damit erhob sich der Dämonenfürst und verließ mit einem kurzen Abschiedsgruß das Zimmer, sein schwarzer Mantel und das lange Haar rauschten hinter der imposanten Gestalt her. Als die anderen beiden allein ihm Zimmer waren, lehnte Zadei sich seufzend in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Sehr gut, endlich wieder etwas Action. Sieht aus als könnte ich mich endlich mal wieder austoben.“ Titius, der ruhig aufgestanden war und nun die Karte sorgfältig zusammenrollte, meinte nur reserviert und ohne aufzusehen: „Ihr seid wirklich nur glücklich, wenn ihr irgendetwas kaputtmachen könnt, was?!“ Zadei hob ob des Klangs seiner Stimme eine Augenbraue und sah ihn an: „Sag mal, kann es sein, dass du ein wenig gereizt bist, weil unser guter Laures deinen Vorschlag nicht angenommen hat?!“ Titius‘ Miene blieb ausdruckslos wie immer, als er sich umdrehte und die Karte in eines der dafür vorgesehenen Regale legte. „Natürlich nicht. Ich benehme mich ja nicht wie ein Kind, im Gegensatz zu gewissen anderen Personen hier.“ Nun begann Zadei leise zu lachen. Die Schärfe in seiner Stimme war im Vergleich zu vorhin gänzlich geschwunden und einem amüsierten Klang gewichen. Er stand auf und ging von hinten auf den anderen zu, meinte dabei: „Du bist ja doch eingeschnappt! Also das finde ich wirklich sehr interessant!“ Grinsend stand er auf und wollte den Arm seinen Engels ergreifen, dieser aber entzog sich ihm. Mit Zadei zugewandtem Rücken meinte er bloß: „Denkt doch was Ihr wollt.“ Damit schritt Titius aus dem Zimmer und auch ein: „Ach nun komm schon, sei doch nicht immer so…“ verhinderte nicht, dass sich die Tür hinter ihm schloss. Doch Zadei hatte nicht vor sich einfach so abspeisen zu lassen. Mit ein paar Schritten war er hinter Titius her und machte einen erneuten Versuch, Titius Arm zu ergreifen, was diesmal gelang. „Was soll das! Das tut weh!“ brauste Titius auf. Gleichzeitig wand er seinen Arm, um ihn aus dem Griff der grünen, geschuppten Kralle zu entziehen, aber das war nicht gerade einfach. „Warum bist du denn so bissig verdammt? Du bist echt ein schlechter Verlierer, wirklich Titi!“ „Ha, das sagt ja gerade der Richtige!“ „Jetzt lenk nicht ab, was ist los mit dir?“ „Ihr zerquetscht mir den Arm, das ist los!“ In diesem Moment bog plötzlich Hilda um die Ecke. An der Hand hatte sie ein kleines, schwarzhaariges Bündel mit spitzen Dämonenohren und kurzen Beinchen, dass tapsenden Schrittes neben ihr herlief. Zadei lockerte sofort seinen Griff und mit einem Ruck hatte Titius sich befreit. „Guten Morgen… Was ist denn los?“ fragte die junge Frau skeptisch, aber überraschenderweise war es Titius, der die Sache abwiegelte. „Nichts, eine Meinungsverschiedenheit, mehr nicht.“ Hilda musterte die beiden für eine Weile schweigend, entschied aber, es dabei zu belassen. Sie ahnte sehr wohl, dass Zadei wieder dabei gewesen war, aufzubrausen, auch wenn dies in der letzten Zeit recht selten geschah, zumindest an früheren Zeiten gemessen. Natürlich machte sie sich weiterhin Sorgen, aber Laures sagte so oft, dass man den Dingen ihren Lauf lassen müsse, Zadei würde sich niemals vollständig ändern und Titius wisse dies. Das beruhigte sie nur wenig, aber sie wusste nur zu gut welch seltsamen Lauf das Phänomen Liebe nehmen konnte und das sie nicht zu stoppen war, welchen Weg sie auch immer nehmen mochte. „Ist die Besprechung schon zu Ende?“ fragte sie, anstatt zu bohren und blieb vor den beiden stehen. „Oh ja, ist sie“, meinte Zadei und warf dabei einen kurzen Seitenblick auf Titi. „Und zwar mit sehr zufriedenstellendem Ergebnis.“ Titius machte daraufhin nur einen abfälligen Laut und ging dann in die Knie, wobei er dem kleinen Etwas vor sich durch die widerspenstigen Haare strich. „Guten Morgen, Prinz Makaze “ Titius schenkte ihm ein freundliches Lächeln, dass der Kleine erwiderte, wenn auch etwas schüchtern, während seine Hand sich fest im Rock seiner Mutter vergrub. Hilda seufzte. „Er will einfach nicht bei seiner Amme bleiben, dabei muss ich doch Sherril suchen. Sie ist schon wieder unauffindbar. Nenne es die übersteigerten Ängste einer hysterischen Mutter, aber ich habe das Gefühl, dass sie schon wieder etwas Neues anstellt. Ich habe das einfach im Blut...“ Titius richtete sich auf. „Soll ich den Kleinen zurück in sein Zimmer bringen, dann könnt ihr in Ruhe suchen, Lady Hilda“, bot er sich an und die hübsche Frau nickte dankbar. Dann sprach sie beruhigend auf ihren Sohn ein und schob ihn sanft aber entschlossen zu Titius rüber. Und kaum hatte sie seine kleinen Händchen aus ihrem Rock entwirrt, krallten sie sich auch schon in den Saum von Titius‘ Robe. Nach ein paar Worten des Dankes verschwand die Gemahlin des Dämonenfürsten auch schon wieder im nächsten Korridor. Zadei blickte auf das Bündel hinab, das an Titius hing wie ein Klammeraffe. Als der Kleine jedoch merkte, dass er von dem goldäugigen Dämon beobachtet wurde, der aus seiner Perspektive mehr als riesig war, machte er große Augen und versuchte sich mit einem leisen Wimmern hinter Titius zu verstecken. Zadei zog eine Augenbraue hoch. „Manchmal habe ich den Eindruck, er hat Angst vor Dämonen...“ meinte er nachdenklich. „Macht Euch nicht lächerlich! Er wächst mit Dämonen auf und ist zur Hälfte selbst einer. Er kennt den Unterschied zwischen Menschen und Dämonen doch gar nicht. Vor mir hat er auch keine Angst“, tat Titius diese Bemerkung ab, aber Zadei legte weiter die Stirn in Falten. „Aber du siehst auch nicht aus wie ein Dämon, mein Engel. Wir anderen hingegen... er guckt immer so komisch!“ „Kein Wunder, bei Eurem Auftreten. Wenn Ihr mich fragt, liegt dass allein an Euch, ihr flößt ihm ja immer absichtlich Angst ein. So ein Unsinn, Angst vor Dämonen...!“Der Dämonenengel schüttelte ob der Absurdität dieser Aussage nur den Kopf. Aber der andere ließ nicht locker. „Ich kann trotzdem nicht wirklich glauben, dass das da der Bruder von Sherril sein soll. Er ist irgendwie seltsam.“ Titius lächelte milde von oben auf den Kleinen herab, der sich noch immer schutzsuchend an ihn klammerte. „Er ist eben noch sehr klein.“ „Das kann man wohl sagen.“ Zadei trat um Titius herum und beugte sich etwas hinab, um den kleinen Halbdämon näher betrachten zu können, der sofort ängstlich zurück und nach hinten um Titi herum wich. „Also wenn du mich fragst, ist der Knirps *verdammt* klein...“ „Er ist kaum zwei Jahre alt, Zadei...“ „Ja, aber auch so schmächtig, irgendwie...“ „Er ist eine Frühgeburt, wenn ich Euch erinnern darf. Das ist normal und es gibt sich schon mit der Zeit, “ erklärte Titius und kam sich vor als würde er einem Kind etwas erklären. „Ich weiß nicht…Also wenn du mich fragst, ich glaube, es ist Laures Schuld. Ich meine, er vernachlässigt die Ausbildung des Jungen vollkommen. Der Pimpf wird doch irgendwann gewisse Aufgaben hier zu übernehmen haben… Wann hat unser werter Laures denn bitte vor, mit dem Waffentraining anzufangen? Zumindest die Grundtechniken...und was ist mit Krafttraining?“ „Krafttraining? Der Junge ist kaum zwei Jahre alt, Zadei!“ „Na und? Man kann nie früh genug anfangen!“ Damit griff Zadei mit seiner Klaue nach einem Arm des Kleinen und zog ihn daran einfach in der Luft hoch, bis er vor seinem Gesicht baumelte. „Siehst du, an dem ist absolut nichts dran!“ Der Kleine fing ängstlich zu quieken an und Titius gab einen entsetzten Laut von sich, trat sofort zu Zadei und entriss ihm den Jungen, nahm ihn schützend auf den Arm. „Seid Ihr wahnsinnig? Ihr reißt ihm ja den Arm aus!“ „Ach hör schon auf. Wenn er so was schon nicht verkraften kann...Und im Notfall wächst der Arm halt nach...“ „Zadei, er ist ein Kind! Ein Kind! Und zur Hälfte ein Mensch, wenn ich Euch erinnern darf!“ Titius funkelte den Shôgun mit seinen blauen Augen warnend an, so etwas nicht noch einmal zu versuchen, während er den Kopf des schockierten Jungen streichelte, der sich verstört an seinem Kragen festkrallte. Zadei gestikulierte mit den Händen. „Das da ist weder ein Mensch noch ein Dämon, das ist eine Memme! Laures sollte das endlich mal merken! Wenn er ihn in meine Obhut geben würde, ich würde einen richtigen Mann aus ihm machen! Wirklich, wenn das mein Sohn wäre...!“ Titius‘ Augen verengten sich, als er sich abwandte und murmelte. „Ihr wollt Euch also fortpflanzen?“ Großartige Idee, noch mehr so grobschlächtige Barbaren wie Euch und wir können die Makai aufgeben.“ Damit rauschte der Dämonenengel den Flur entlang, das kleine schwarzhaarige Bündel, dass über seine Schulter hinweg ängstlich zu Zadei hinüber starrte, energisch von hier fortbringend. Doch noch immer war die Sache für den Dämonengeneral nicht beendet. Ein weiteres mal folgte er Titius. „Verdammt nun hör endlich auf, damit du weißt wie ich es hasse wenn du so redest. Und hör gefälligst endlich auf mich mit „Ihr“ und „Euch“ anzureden, wenigstens wenn wir allein sind kannst du mich anreden wie denjenigen, mit dem du nachts das Bett teilst!“ In diesem Moment waren sie vor dem Kinderzimmer angekommen. Der Dämonenengel öffnete die Tür, drehte sich mit Makaze im Arm um und Zadei erwartete, das ihm nun eine weitere zornige Spitzfindigkeit entgegen geschleudert wurde, aber stattdessen meinte Titius mit plötzlich seltsam müde wirkenden Augen: „Zadei, lass mich einfach allein jetzt. Bitte.“ Eine zeitlang sahen sich beide in die Augen tief in die Augen, zwei eisblaue Edelsteine trafen auf das glühende Feuer der raubkatzenartigen Augen Zadeis. Ein wortloser Dialog spielte sich ab, für einen Moment schien die Welt um sie herum innezuhalten. Dann, für den unbeteiligten Beobachter völlig unvermittelt, drehte Zadei sich wortlos um und ging davon. Kein zorniges Wort, keine Beharrlichkeit mehr, es war ein stiller Rückzug. Titius seufzte, drehte sich um und öffnete die Zimmertür. Alles erschien ihm nach wie vor wie ein Traum, allerdings war er nie wirklich sicher ob es ein guter Traum war oder ein Albtraum, oder ob man überhaupt so eine Einteilung vornehmen konnte. Zwei Jahre war es nun her, dass er Zadei in seine Welt gelassen hatte oder vielmehr, dass sich Titius seinem Schicksal ergeben hatte, wie er es heute oft bezeichnete. Denn in seine Welt war Zadei schon viel eher eingedrungen, ungefragt und unerwünscht. In jener Nacht vor zwei Jahren jedoch hatte Titius diese Tatsache akzeptiert und erkannt, dass er inzwischen einfach zu eng mit Zadei verbunden war. Anfangs war es gut gewesen, der seltsame Dämon mit den katzenartigen Augen hatte ihn Dinge gelehrt, von deren Existenz Titus nicht einmal gewusst hatte, Gefühle, die er nie geglaubt hatte empfinden zu können. Er war sich damals sicher gewesen, dass Richtige zu tun und auch heute wusste er, dass er nicht hätte anders handeln können. Doch indem er Zadei in seiner Welt akzeptiert hatte, hatte er auch herbeigeführt, dass Zadei diese Stück für Stück für sich selbst beanspruchte. Er hatte sich immer mehr ausgebreitet, hatte sie an sich gerissen wie bei allem, was er tat. Der Dämonengeneral war bestimmend und schrecklich herrschsüchtig. Er war ignorant, eifersüchtig, aufbrausend und genau dann unberechenbar, wenn es wirklich drauf ankam. Titius hatte das Gefühl, dass ihm die Luft zum atmen genommen wurde. Was vorher simpel und glasklar gewesen war, eine Welt bestehend aus einer Glaskugel gefüllt mit nur einem einzigen Ziel, nämlich seinem Herrn zu dienen, war plötzlich jemand, der jeden Winkel davon für sich beanspruchte und sich ausdehnte, bis die Kugel zu zerbrechen drohte. Ein schmerzliches Gefühl, denn Titius war sich inzwischen sicher, dass es das Schicksal war, dass sie ausweglos aneinander gekettet hatte, aus welchem Grund auch immer. Und obwohl Titius die Geborgenheit genoss die der andere ihm zumindest dann gab, wenn er nicht wieder wütend war, und obwohl er die Wärme eines anderen Wesens schätzte, dass zu ihm zu gehören schien wie eine zweite Hälfte, sowie die unauslöschliche Zuneigung, die Zadei für ihn empfand, so erfüllte all dies ihn auch mit tiefer Angst und dem Gefühl für immer in der Falle zu sitzen. Warum waren die Schicksalsfäden so beschaffen wie sie waren? Nach welchem Schema wurden Seelen einfach miteinander verknüpft? Gab es überhaupt einen Sinn hinter alldem? Titius vermochte es nicht, einen zu erkennen, so viel er auch darüber nachdachte… Nachdenklich zog er sich mit dem kleinen Prinzen in dessen Zimmer zurück und würde –wie immer- den Tag damit verbringen Aufgaben zu suchen, die ihn von seinen Gedanken ablenkten. ~*~ Rod beobachtete das helle Flimmern auf der Wasseroberfläche, welches die Sonne auf den sanften Wellen hervorrief. Es war so hell, dass seine Augen zu tränen anfingen, wenn er zu lange darauf starrte. Ein paar Enten tummelten sich auf dem blauen Wasser dieses kleinen Sees, an dem Rod im hohen Schilfgras saß. Die Grillen zirpten und am tiefblauen Himmel war keine Wolke zu sehen. Die Sonne war warm und streichelte sanft über Rods Haut, machte ihn schläfrig. Dennoch schaffte sie es heute nicht, in sein Herz einzudringen. Wie so oft in letzter Zeit. Nach einiger Zeit wurde diese friedliche Idylle durch raschelnde, schwere Schritte durchbrochen, die sich ihren Weg durch das Gras hinter Rod bahnten und sich ihm näherten. „Hier steckst du also. Im hohen Gras sieht man dich ja kaum“, Asbar ließ sich schwer neben dem anderen im Gras nieder. „Hast dir wieder das schönste Fleckchen zum Dösen ausgesucht, was?“ bemerkte er amüsiert, registrierte aber durch einen kurzen Seitenblick, dass Rod nicht zum Scherzen aufgelegt war. Er blickte einfach nur mit verschlossener Miene geradeaus. „Asbar?“ ließ sich Rods ruhige Stimme vernehmen. „Ja?“ „Lass uns diesen Ort verlassen. Lass uns irgendwo anders hingehen. Weiter nach Norden vielleicht.“ Noch immer blickte er Asbar nicht an, sprach nur gedankenverloren und leise. Ein paar der dunkelblonden Haarsträhnen, die sich aus dem kurzen Zopf gelöst hatten, wehten im leichten Wind, unter dem auch das Schilfgras erzitterte. Asbar seufzte. Er hatte sich schon gedacht, dass es bald wieder an der Zeit war. Rod war seit längerem wieder in dieser Stimmung, die Asbar mittlerweile nur zu gut kannte. Dennoch versuchte er es. „Aber dieser Ort ist doch wunderschön, findest du nicht? Dieses milde Klima, der wunderschöne See, der riesige Wald direkt nebenan. Viele von diesen idyllischen Fleckchen gibt es nicht in der Welt. Und die Leute im Dorf haben uns so freundlich aufgenommen. Sie wären vielleicht gekränkt, wenn wir schon jetzt aufbrechen würden. Wir sind erst seit drei Monaten hier.“ „Drei Monate zu lang. Es wird Zeit, ich bin dieses Ortes überdrüssig.“ Damit erhob Rod sich, stand aber noch eine Weile gedankenverloren da und hatte den Blick seiner hellbraunen Augen weiter auf den See gerichtet. Auch Asbar stand auf. „Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Es ist doch wirklich nett hier...“ „Dann bleib doch hier, wenn es dir so sehr gefällt!“ fuhr Rod ihn urplötzlich unwirsch an, bekam aber sofort einen entschuldigenden Gesichtsausdruck, zog die Stirn in der Hand. „T´schuldige. War nichts so gemeint.“ Asbars Miene allerdings zeigte statt Ärgernis nur Besorgnis. Behutsam griff er Rods Arm und sah ihn durchdringend an. „Es gibt doch einen konkreten Grund dafür, dass du so schnell wieder aufbrechen willst, nicht wahr? Du bist seit gestern so komisch. Verkriechst dich hier am See...ist gestern irgendetwas passiert?“ Rods Blick verfinsterte sich. „Es kam wieder einer von ihnen. Wieder irgendein Kriegsherr. Er suchte mich gestern Abend in der Taverne auf.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er mit traurigen Augen zufügte: „Warum, Asbar? Warum sind die Menschen so?“ Rods Augen waren mit Trauer erfüllt und die Stimme versagte ihm. Asbar legte ihm behutsam die Hände auf die Schultern und zog ihn tröstend in seine Arme. Rod lehnte den Kopf gegen sie Schulter seines besten Freundes und schloss die Augen, als er die dunkle Stimme des Älteren vernahm. „Du hast recht, wir waren lange genug an diesem Ort. Wir sollten weiterziehen. Nach Norden...warum nicht?!“ ~*~ „So ein Idiot! Verdammt!“ Kleine Blütenblätter gemischt mit einer großen gelben Staubwolke wirbelten auf, als Zadei wütend mit dem Fuß in eines der kleinen Blumenfelder trat. „Paah, ey ihr Mistdinger, das ist ja widerlich! Wie ich dieses Grünzeug hasse!“ Prustend klopfte er sich den langsam wieder herabrieselnden Blütenstaub vom Körper. Der Dämonengeneral kämpfte sich tapfer weiter durch die üppige Vegetation hinter dem Schloss, die zunehmend wilder wurde, je mehr er sich entfernte. Er musste Ranken beiseite schieben und über Büsche steigen, um sein Ziel zu erreichen. Schließlich erreichte er die kleine Lichtung, die friedlich und still lag, unverändert seit so vielen Jahren. Zadeis Blick wanderte nur kurz über die beiden Grabsteine, die hier standen, denn das was ihn interessierte, war nicht hier. Er wollte sich gerade wieder umdrehen und gehen, als er ein Rascheln vernahm und Schritte, die auf die Lichtung zukamen. Und die Geräusche verrieten ihm, das jemand ebenso wie er mit der Vegetation zu kämpfen hatte. Die Schritte erreichten den Rand der Lichtung, ein letztes lautes Knacken ertönte und mit einem Mal purzelte Sherril aus der grünen Wand aus Unterholz heraus. Sie stieß ein lautes „Autsch!“ hervor, als sie auf den Knien landete, blickte dann auf und entdeckte Zadei, der sie überrascht anschaute. Im Gegensatz zu diesem hielt sie sich allerdings nicht mit langer Verwunderung auf. „Hallo Zadei! Spielst du auch verstecken?“ Der Dämonengeneral zog eine Augenbraue hoch. „Nein… du etwa? Kann ich mir kaum vorstellen, denn verstecken kann man so weit ich weiß nur mit anderen zusammen spielen. Und da du keine Freunde hast… Tja…“ versetzte er in seinem üblichen „Fressen oder gefressen werden“ – Tonfall, den er in Sherrils Gegenwart immer an den Tag legte. Doch so bösartig diese Spitze auch war – denn in der Tat hatte Sherril kaum gleichaltrige Spielgefährten, die mit ihr mithalten konnten und sie schien seltsamerweise auch keinen gesteigerten Wert auf deren Gesellschaft zu legen-, die Kleine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gelassen klopfte sie ihr Kleidchen sauber. „Das muss ich mir nicht von jemandem sagen lassen, der selber keine Freunde hat und zudem über und über mit komischem gelben Zeug bestreut ist. Du siehst lächerlich aus, Zadei!“ Verdammt, die Kleine war inzwischen RICHTIG fies geworden! Lag es an Zadeis Vorbild oder lag das in ihrer Natur? Schnell fuhr der Dämonengeneral sich durch die Haare um den Rest Blütenstaub zu entfernen. Während er sich noch einmal komplett abklopfte, erklärte Sherril: „Und ich spiele sehr wohl verstecken… vor der Amme…“ Zadei seufzte: „Wie immer also.“ Da diese Aussage allerdings nicht viel Bissiges an sich hatte, wie er plötzlich merkte, standen sich die beiden auf einmal fast ein bisschen hilflos gegenüber. Sich taxierend suchten sie nach Worten, aber so etwas fällt schwer, wenn man untereinander keine normale Konversation wie „Wie geht es dir?“ gewohnt ist. Während das Schweigen immer peinlicher wurde, wanderten ihre beiden Blicke in der Gegend umher und endlich fand Zadei einen Weg, wieder zurück ins Gespräch zu kommen. „Eigentlich darfst du doch gar nicht hier herumrennen, im Ernst, du weißt dass einige das hier sehr ernst nehmen, oder?“ Sherrils Blick glitt in die gleiche Richtung wie der Zadeis, nämlich zu den beiden Grabsteinen, die nebeneinander standen. „Aber du bist doch auch hier…“ „Ja, aber ich habe nur Titi… Titius gesucht. Aber da er nicht hier ist wollte ich gerade wieder gehen.“ „Es kann aber nicht lange her sein, dass er hier war. Sieh nur, da liegen frische Blumen.“ Sherril ging auf einen der beiden Steine zu und davor in die Hocke, rückte das Bündel weißer Lilien etwas zurecht, das davor lag. „Sag mal Zadei, hast du sie eigentlich gekannt?“ Der schwarzhaarige Dämon trat neben sie. „Hm, nicht wirklich. Hab sie mal gesehen, mehr nicht. Wurde krank und ist gestorben.“ „Lügner! Sie hat sich von einem Turm gestürzt um sich das Leben zu nehmen! Ich kenn die Wahrheit, also erzähl nicht irgendwas“, sagte die Kleine vorwurfsvoll. Zadei rieb sich den Nacken. Hatten sie ihr inzwischen also die Wahrheit erzählt... Nun ja, Sherril war nicht wie andere Mädchen in ihrem Alter und in den letzten zwei Jahren hatte sie sich weiterhin verändert. „Sorry, wollte nur nicht, dass du paranoid wirst, will deine Namensvetterin sich das Leben genommen hat.“ Auf dem Grabstein, vor dem sie standen bzw. hockten, stand in großen, verschnörkelten Lettern der Name SHERRIL eingemeißelt. „Para… was?“ fragte das Mädchen. „Schon gut, vergiss es.“ „Weißt du, ich weiß inzwischen so einiges, was passiert ist“, erzählte die Kleine weiter, „Ich weiß, dass mein Vater nicht immer ein Dämon war, dass er früher mal ein Mensch gewesen ist wie meine Mutter. Ich weiß, dass du und Vater um den Thron gekämpft habt. Wobei du allerdings verloren hast…“ „Danke dass du mich darauf aufmerksam machst…“, murmelte Zadei, wurde aber nicht weiter beachtet. „Aber du hast dich immer wieder mit ihm angelegt und dabei ist Sherril, Mamas Freundin, getötet worden. Und viele andere auch…“ Ihr Blick ging zu dem zweiten Grabstein. Er zeigte die Lettern IRIA und auch hier lagen Blumen vor dem Grab. „Hey, damit hatte ich aber rein gar nichts zu tun! Ich kannte das Mädel gar nicht!“ „Interessant, dass du dich verteidigst, ich habe dir gar keine Vorwürfe im Bezug auf Gelms Verlobte gemacht“, erwiderte Sherril mit demselben scharfen Blick, den ihr Vater innehatte. Kleiner Teufel, dachte Zadei bei sich. Die Kleine versuchte wieder, ihn über irgendetwas auszuhorchen. Sie stocherte andauernd in der Vergangenheit herum. Aber über solche Themen würde er sich nicht weiter auslassen. Ja, viele hatten ihr Leben gelassen während der Streitigkeiten zwischen ihm und Laures. Viele Menschen und Dämonen. Aber er hatte nicht vor, sich so etwas wie Schuldgefühle anzueignen. So war es nun mal, der Schwächere starb, der Stärkere überlebte. Machte man sich über so etwas Gedanken, könnte man nie wieder aufhören sich Vorwürfe zu machen. Und davon abgesehen hatte er mit dem Tod dieser beiden armen Seelen wirklich nichts zu tun, mit Sherrils wenn überhaupt nur sehr indirekt, auch wenn Titius das gewiss anders sah. Sein Blick glitt noch einmal über die Gräber, in denen niemals ein Leichnam gelegen hatte, da von den beiden jungen Frauen nichts geblieben war, was man hätte beerdigen konnte. Es schien lediglich darum zu gehen, einen Ort zu schaffen, um ihrer zu gedenken. Besonders Gelm war dies wichtig gewesen. Zadei wandte sich ab. „Ich habe keinen Grund mich zu verteidigen, vor dir schon gar nicht. Hör lieber auf dich mit Toten rum zu schlagen, das bringt nix. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe.“ „Nicht mit Toten herumschlagen… War Titius nicht schon einmal tot? Die Bediensteten erzählen viel, sie sagen du hast..?!“ „Sherril, es reicht! Halt sofort den Mund!“ „Ist da also was dran?“ „Ich weiß nicht wovon du sprichst. Was auch immer die Bediensteten erzählen, hör auf das Geschwätz zu glauben! Halt ich da raus und lass mich in Ruhe!“ rief Zadei nun ernsthaft erzürnt. Er schritt nun schnell auf den Rand der Lichtung zu, hatte nicht im geringsten Lust, irgendetwas zu erklären. „Dann erzähl du es mir doch. Zum Beispiel am Anfang, warum hast du meinen Vater damals, bevor er dich einsperrte, angegriffen?“ „Weil er ein Idiot ist!“ „Im ernst, Zadei, warum?“ Langsam drehte Zadei sich um und seine Augen glühten. Er ging wieder ein paar Schritte auf Sherril zu, ging etwas in die Knie, bis er Sherril direkt in die Augen sah. Seine Stimme war nunmehr ein Zischen, wie das Mädchen es noch nie von ihm gehört hatte. „Weil der Thron der Dämonenwelt nichts sein sollte, was ein dahergelaufener Mensch sich einfach unter den Nagel reißt. Und der dann alles auf den Kopf stellt, als wäre alles, was jemals in der Makai gegolten hatte, nichts wert. Mag sein, dass Laures nun der Stärkere von uns beiden ist, aber es war niemals recht, dass er nach Mallion zum nächsten Dämonenkaiser wurde. Das ist der Grund. Und an deiner Stelle würde ich aufpassen, da du ja immer von Thronfolge sprichst… so etwas gibt es hier nicht. Dein Vater wird irgendwann einen Nachfolger wählen müssen und selbst wenn du das sein solltest, musst du damit rechnen, dass jemand kommt, der stärker ist als du und den Platz für sich beansprucht. Und der reißt dir dann die Gedärme raus und wird Dämonenkaiser, so wie es immer gewesen ist. Und jetzt hör auf mir solche Fragen zu stellen“, Zadei richtete sich wieder auf, doch die golden glühenden Augen ließen noch nicht ab von Sherril, „du gehst mir nämlich auf die Nerven damit.“ Dann ging er endgültig. Es war das erste Mal, dass es Sherril die Sprache verschlagen hatte. Sie wusste dass Zadei einen wunden Punkt hatte und dass dieser Titius hieß, aber heute hatten sie unbeabsichtigt ein weiteres mal an etwas gerührt, was man bei Zadei besser ruhen lassen sollte… ~*~ An einem kleinen Bach hatten sie Rast gemacht. Die Pferde grasten zwischen den Bäumen und Asbar hatte gerade ihr Gepäck abgeladen. Für einen Moment hielt er inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Gegen Abend wurde es immer so verdammt schwül in dieser Gegend. Aber Rod schien die Hitze nicht zu stören. Er saß wieder gedankenverloren im Gras und starrte in das fröhlich vor sich hin plätschernde Bächlein. Seufzend fragte Asbar sich, wie lange sie nun schon auf dieser Reise waren. Oder war es mehr eine Flucht? Es kam ihm beinahe so vor. Rastlos ging es von Ort zu Ort, nirgendwo kamen sie zur Ruhe. Rod wollte immer weiter und weiter, dabei waren sie schon so viel herumgekommen. Aber so war es nicht immer gewesen. Asbar erinnerte sich an den Beginn ihrer Reise. Es mochte nun fast neun Jahre zurück liegen. An dem Äußeren der beiden Gefährten war diese Zeit fast spurlos vorbeigegangen, immerhin floss in ihrer beider Adern besonderes Blut, aber an der Seele hatte die Zeit ihre Spuren hinterlassen. Besonders bei Rod. Der Ältere erinnerte sich, wie damals der Krieg mit den Dämonen beendet wurde und Rod, der Retter der Azeel, den leibhaftigen Herrn des Hades bezwungen hatte. So zumindest hieß es in den Liedern und Geschichten, die die Kinder von ihren Eltern beigebracht bekamen. Was damals genau passiert war, dass wusste nur Rod allein. Und eine weitere Erinnerung blieb ausschließlich ihm und Rod vorbehalten. Asbar erinnerte sich, wie sie damals in der Makai mit angesehen hatten, wie die beiden mächtigsten Wesen der Dämonenwelt auf Leben und Tod miteinander gekämpft hatten. Und wie dieser Kampf ausgegangen war... Der Fürst der Dämonen hatte die wahre Kraft der Azeel freigesetzt und sie hatte sich vollends in Rods Körper ergossen. Eine Kraft, unter der Rod bis zum heutigen Tag leiden sollte. Zunächst waren sie nach diesem Ereignis, nach dem letzten großen Kampf zwischen Laures und dem Titan, auf eine Reise gegangen. Und das war es zunächst auch gewesen, eine Reise. Gerne erinnerte der Mann mit dem dämonenartigen schwarzen Haar sich daran zurück. Sie hatte anfangs viel Spaß gehabt. Auch wenn es nicht immer leicht war, denn Rod musste lernen, diese starke Kraft, die seinen Körper beherrschte, zu kontrollieren. Mehr als einmal hatte der Bursche völlig unversehens ein ganzes Haus in die Luft gesprengt in dem harmlosen Versuch, ein Feuer zu entzünden. Aber ihre Reise war in dieser Hinsicht sehr hilfreich gewesen. Sie kamen sehr viel herum, lernten so viele Menschen und Orte kennen, so viele unterschiedliche Bräuche und Lebensweisen. Und überall wurden sie mit offenen Armen empfangen. Der Ruf des Retters der Azeel eilte Rod immer weit voraus. Und er lernte tatsächlich, mit seiner Kraft immer besser umzugehen. Alles in allem war es eigentlich eine glückliche Zeit gewesen. Für sie beide. Wann hatte es nur angefangen, so zu werden wie jetzt? Die Veränderung war schleichend und unscheinbar gekommen. Über Rods fröhliches, positives Wesen hatte sich irgendwann ein Schatten gelegt. Natürlich, der fröhliche junge Mann in ihm war immer noch vorhanden. Aber irgendwann schien er sein Ziel verloren zu haben. Seine Reise verwandelte sich zu einer Hetzjagd, die ins Nichts zu führen schien... Nachdenklich trat Asbar neben den anderen. „Sag mal, Rod, wo wollen wir eigentlich genau hin?“ Der andere warf einen kurzen Blick auf die Landkarte, die er achtlos neben sich ins Gras geworfen hatte. „Hm, vielleicht dorthin“, er zeigte mit dem Finger auf eine kleine Markierung in der Karte. „Fünfzehn Meilen von hier gibt es ein kleines Dorf. Warum nicht dorthin?“ „Oh. Gut. Man sagt, in dieser Gegend sollen die Frauen so hübsch sein wie Schmetterlinge. Echte Schönheiten.“ „Aha.“ Diese Antwort klang in der Tat nicht sehr interessiert. Asbar seufzte erneut. Vielleicht war es doch an der Zeit, es zur Sprache zu bringen. „Sag mir Rod, wie lange soll es noch so weitergehen?“ „Wovon redest du?“ Der junge Azeel sah ihn von der Seite fragend und forschend zugleich an. „Es sind jetzt neun Jahre. Bald zehn. Was willst du tun? Die nächsten zehn Jahre so weiter machen? Immer weiter, von Ort zu Ort? Nirgendwo länger bleiben als nötig, immer distanziert von allem und jedem. Sobald einer der Dorfbewohner oder das Mädchen von nebenan versucht, dir zu nahe zu kommen, bekommst du Panik; wir packen unsere Sachen und sind am nächsten Morgen über alle Berge. Es ist immer dasselbe Spiel...“ Rod zuckte leicht ob dieser plötzlichen und ziemlich harten Konfrontation zusammen, dann aber verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Ich habe dir immer gesagt, dass du nicht glauben darfst, dass du mit mir kommen musst. Ich liebe dich wie einen Bruder und bin dir unendlich dankbar für alles, was du für mich getan hast. Und wenn du irgendein Örtchen findest, an dem du glücklich wärst, dann würde ich das ver...“ „Herr Gott Rod, es geht doch nicht darum! Ich habe geschworen, dass ich dir überall hin folgen würde, sogar bis in die Hölle, was ich im Übrigen schon getan habe.“ Ja, sogar in der feindlichen Dämonenwelt hatte Asbar ihm zur Seite gestanden. „Es geht hierbei nicht um mich. Ich möchte wissen, was mit dir ist! Was ist mit dir geschehen? Wo ist der Rod, den ich kannte?“ Nun wurde der Blick des anderen trübe und senkte sich zu Boden. „Ich weiß es nicht,“ flüsterte er. „Ich bin einfach nur... so erschöpft. Und müde.“ „Weil du seit neun Jahren rastlos durch die Gegend rennst...“ „Neun Jahre… Sag mal, werde ich alt?“ meinte Rod geistesabwesend. „Nun, äußerlich siehst du immer noch so aus wie damals. Du scheinst um keinen Tag gealtert zu sein. Ebenso wenig wie ich“, erklärte Asbar. „Vielleicht...sind es nicht wir, die alt werden. Es ist die Welt. Ja, die Welt und die Menschen werden alt. Sie verändern sich so schnell. Ich habe das Gefühl, nicht mehr mit zu kommen, Asbar.“ Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern, als hätte Rod gerade ein Geheimnis preisgegeben. Es war selbst für Asbar äußerst unheimlich, den Burschen mit dem sonnigen Gemüt so melancholisch zu sehen, welcher nun im gleichen Ton weiter sprach: „Damals, als es für mich nichts anderes gab als die Rettung der Menschen, war alles noch so klar. Ich dachte, wenn ich die Menschen vor den Dämonen beschützen kann, kehrt endlich Frieden ein und die Menschheit könne endlich in Frieden und Harmonie leben. Ich habe mir nie etwas sehnlicher gewünscht als das. Aber es kam alles so anders. Seit...seit Hilda weg ist und Laures die Dämonenwelt wieder regiert, wie es den Anschein hat, gibt es tatsächlich endlich Frieden mit den Dämonen. Seit neun Jahren wurde kein einziger Dämon mehr in der Menschenwelt gesehen. Ich dachte, jetzt wäre alles in Ordnung. Aber die Leute vergessen zu schnell, Asbar. Die neugeborenen Kinder hören zwar noch die Geschichten ihrer Eltern, aber sie werden vielleicht nie einen Dämon zu Gesicht bekommen. Manchmal glaube ich, dass irgendwann vielleicht eine Zeit kommen wird, in der die Menschheit die Existenz der Dämonen ganz vergisst.“ „Ist das ein Nachteil, sie nie wieder zu sehen? Wir hatten selten gute Erfahrungen mit ihnen. Es ist gewiss nicht zum Nachteil der Menschheit, dass unsere Welten getrennt sind. Immer schon waren die Dämonen eine Bedrohung für uns. Und jetzt sind wir endlich frei von ihnen, denn sie bleiben offenbar auch lieber unter sich, “ warf Asbar ein, doch Rod fiel ihm ins Wort. „Aber was tun sie nun? Statt den Frieden zu genießen und die Freiheit zu schätzen die ihnen geschenkt wurde, bekriegen sie sich nun untereinander. Sie erobern Land, plündern sich gegenseitig aus, streiten untereinander weil es nichts zu streiten gibt!“ „Du warst immer ein Menschenfreund, Rod. Du hast immer an sie geglaubt und in deinem Glauben liegt deine Stärke, dass habe ich damals erkannt.“ „Und wozu dient diese Stärke? Dazu, dass Kriegsherren zu mir kommen und mich bitten, mit ihnen in die Schlacht gegen ihren Nachbarn zu ziehen, damit sie sich dessen Land und Gut einverleiben können?! Habe ich dafür gekämpft, Asbar? War es das, wofür ich damals bereit war, alles zu opfern?!“ Damit vergrub er sein Gesicht in den Händen, stützte es auf die Knie und seine Stimme war nur noch ein verzweifeltes Flüstern. „Ich habe die Menschen immer beschützen wollen, vor allem und jedem, aber wie soll ich sie vor sich selber schützen? Manchmal ertappe ich mich tatsächlich dabei, wie ich mich frage, ob... ach nein, schon gut.“ «....ob ER nicht doch recht gehabt hat.» vollendete Rod den Satz im Kopf, versuchte diesen bösen Gedanken aber gleich wieder zu verdrängen, der ihn in letzter Zeit so oft behelligte. Asbar war nun doch etwas hilflos. Er hatte Rod selten so am Boden zerstört gesehen. Und zum ersten Mal verstand er das Ausmaß von Rods Frustration, die sich ganz allmählich in Verzweiflung gewandelt zu haben schien. Gerne hätte Asbar etwas Tröstendes, etwas Weises zu ihm gesagt, aber was sagte man einem Mann wie Rod, der an sich selbst zu zerbrechen drohte? Immer schon war seine Kraft und die damit verbundene Verantwortung eine Last für den viel zu jungen Mann gewesen. Aber als ob es nicht genug gewesen wäre, die Verantwortung für ein ganzes Volk aufgebürdet zu bekommen, hatte er auch noch die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, von jedem, wirklich jedem Menschen, der ihm was bedeutet hatte, verlassen oder gar verraten zu werden. So viele Personen, die Rod etwas bedeutet hatten, hatten sterben müssen. Die einzige Frau, die er je geliebt hatte war zu einem anderen gegangen und ein scheinbar wichtiger Freund hatte ihn verraten. Der heilige Retter der Azeel, den alle so verehrten und in Liedern bejubelten, hatte in Wirklichkeit niemanden mehr bis auf ihn, Asbar. Es war kein Wunder, dass Rod sich scheute, einem anderen Menschen noch einmal nahe zu kommen, was im Übrigen ohnehin nicht einfach war, wenn Menschen in erster Linie zu einem kamen, weil sie irgendetwas von einem wollten. Im Grunde hatte Rod nichts mehr, außer seiner Vorstellung einer besseren Welt. Aber diese Utopie hatte sich nicht erfüllt, würde sich vielleicht nie erfüllen, egal welches Opfer er dafür brachte. So sah die Realität aus, sie zerschmetterte einen Traum wie eine Kugel aus Glas, und Rod schnitten die Scherben tief ins Fleisch. Was gab es darauf zu sagen? Und so schwieg Asbar. Kapitel 2: ----------- Titel: Longing – Just for you Teil: Kapitel 2 Autor: Tsugumi Email: jennybreidenbach@yahoo.de Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 16 Warnung: limone, angst Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Disclaimer: Die Welt und Charaktere von Seimaden gehören nicht mir, diese Fanfiction dient nur der Unterhaltung und ich will damit keinen Profit machen. Kommentar: Hier nun endlich Kapitel zwei. Ich brauche mal wieder einige an Anlauf, bevor es wirklich Action gibt. Aber sie kommt, versprochen^^ Ich freue mich sehr, dass es noch Leute gibt, die sich hierfür interessieren, bedanke mich für die Kommentare bis jetzt und ich würde mich sehr freuen, wenn sich auch andere zu Wort melden, würde mich wirklich sehr interessieren wie das ganze hier ankommt. Nach wie vor bin ich für Vorschläge und Anregungen immer offen! Kapitel II Schwere Dunkelheit hatte sich über das Schloss gelegt. Titius lag nun schon seit einiger Zeit in seinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Irgendwann, er wusste nicht wie lange er schon so da gelegen hatte, hörte er, wie die Tür zu seinem Gemach geöffnet wurde. Obwohl er der Tür den Rücken zugewandt hatte, bemerkte er den hellen Lichtschein, der durch sie hineinfiel. Dann war es wieder dunkel, die Tür wurde geschlossen. Er hörte, wie Stiefel ausgezogen und achtlos in die Ecke geschmissen wurden. Dann näherten sich schwere Schritte dem Bett und verharrten plötzlich. Es war nichts weiter zu vernehmen außer den leisen, tiefen Atemzügen, die von der Gestalt ausgingen. Titius drehte sich noch immer nicht um, gab sich schlafend, obwohl er die Augen weit geöffnet hatte. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, nahm er ihn mit all seinen Sinnen war. Er hörte seinen Atem, roch den schweren, unverwechselbaren Duft, und vor allem fühlte er den anderen mit jeder Faser seines Körpers. Er konnte spüren, dass der Blick des anderen auf ihm ruhte. Aber keiner von beiden tat oder sagte etwas, sie verharrten nur stumm in ihren Posen, ungezählte Minuten lang. Und doch spürte Titius schließlich, wie die Gestalt hinter ihm sich auf dem Bett niederließ. Die Matratze sank schwer ein. Die Gestalt rückte näher und dann spürte er, wie eine Hand über sein Haar strich, eine Strähne hochhob und sie dann lautlos wieder zurück auf eins der Kissen sinken ließ. Dann schob sich die Hand unter Titius eigenem Arm hervor und legte sich auf seine Brust. Sacht wurde er nach hinten an den anderen Körper gezogen, dessen Wärme ihn sofort umhüllte wie ein Schutzschild. Titius fühlte, wie der andere sein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub, so dass er die tiefen Atemzüge auf der Haut spüren konnte. „Und da bist du wieder… wie immer, egal wie oft ich dich bitte mich allein zu lassen… egal wie oft ich dich abweise…“ flüsterte Titius irgendwann gedankenverloren in die Stille hinein. Er bekam eine Gänsehaut als Zadeis Atem ihn kitzelte, während dieser - weitaus weniger melancholisch- antwortete: „Ja, da bin ich wieder… Nachdem du mir gegenüber mehr als ungerecht warst und die kalte Schulter gezeigt hast, bloß weil du eingeschnappt warst… Nachdem ich dich den ganzen Tag gesucht habe, wovon ich aber abgehalten wurde, weil wir die Drachen vorbereiten mussten und die Idioten nichts alleine hinbekommen… Und nachdem ich einen Zusammenstoß mit dem Albtraum in Mädchengestalt hatte… Nach alldem hätte ich mehr als genug Grund dafür, dir den Kopf abzureißen. Aber danach ist mir nicht. Ich möchte lieber einfach hier bei dir liegen. Und tu nicht so, als hättest du nicht die ganze Zeit wach gelegen und gewartet.“ Das war nicht zu leugnen. Aber wie hätte es auch anders sein sollen, Titius hatte gewusst das Zadei auftauchen würde, es gab nur wenige Nächte, in denen er es nicht tat. Und besonders nach ihrer Auseinandersetzung am Morgen… wenn Titius daran zurückdachte, kam ihm alles so lächerlich vor. „Das heute morgen war lächerlich, Titius“, hörte er im gleichen Moment Zadei zwar gedämpft, aber nicht wirklich schläfrig sagen. „Was gefällt dir nicht? Das ich deine taktische Vorgehensweise kritisiere? Das Laures mich nach meiner Meinung fragt? Nein, das ist alles nicht so schlimm. Du erträgst es nicht, dass Laures meine Vorschläge deinen auch noch *vorzieht*…“ „Fängt das schon wieder an? Du solltest…“ „Es ist die Wahrheit Titius und hör endlich auf es zu leugnen.“ Titius schwieg wieder für einen Moment. Doch Zadei hatte nicht vor, die bedrückende Stille zwischen ihnen zuzulassen, auf die sein Engel gerade zusteuerte. Titius fühlte sich plötzlich auf den Rücken gedreht und sah sich Zadeis in der Dunkelheit leicht glühenden Augen gegenüber. Das Gesicht des anderen war ihm so nah, dass er eine der längeren Haarsträhnen Zadeis seine Wange berühren fühlte. „Nun komm schon, mach nicht so ein Gesicht. Ich will nicht mehr darüber reden, ich hab die Schnauze voll“, sagte Zadei in der für ihn so typischen Wortwahl und dann fühlte Titius dessen Lippen auf seinen. Er hatte das Gefühl, dass Zadei verstimmt war, aber zumindest schien er nicht völlig wütend, sonst hätte er sich anders aufgeführt. In Zadei Kuss lag vieles, was Titus inzwischen gut kannte. Es war ein tiefer, nagender und unstillbarer Hunger, es war, als suche er nach irgendetwas, von dem er nicht sicher war, ob er es bekommen würde. Es war Angst vor Kälte, Zurückweisung und was er zu finden hoffte war Ruhe, Wärme und Bestätigung. Immer wenn Titius sich dessen bewusst wurde, fühlte er Milde in sich aufsteigen, ein Wohlwollen und vielleicht auch etwas Mitleid, das ihn willens machte, den anderen nicht zu enttäuschen. Es wurde ein langer und intensiver Kuss, Titius ließ Zadei frei agieren, ließ seine Zunge in seinen Mund und ließ ihn diesen solange in Besitz nehmen, wie er wollte. Und als sie sich endlich wieder voneinander lösten, schien Zadei tatsächlich beruhigt und besänftigt zu sein. Er schaute Titius tief in die Augen und dieser konnte sogar ein leichtes Lächeln auf seinen Gesichtszügen erahnen. Der Dämonengeneral ließ seinen Kopf auf die helle Brust Titius sinken, fühlte den hauchdünnen, feinen Stoff des weißen Gewandes unter seiner Wange. „Wenn ich hier so bei dir liege, mag ich alles vergessen, was mich sonst beschäftigt. All die Wut… der ganze Zorn und Hader. Nichts scheint mehr wichtig… wenn ich nur immer so bei dir liegen könnte wäre die ganze Welt in Ordnung.“ Titius hatte unbewusst eine Hand in Zadeis pechschwarzem Haar vergraben und ließ die borstigen Strähnen gedankenverloren zwischen seinen Fingern durch gleiten. „Du bist sehr melancholisch heute. Was ist passiert?“ „Die kleine Rotzgöre“, antwortete Zadei sofort, „sie hört einfach nicht auf einem auf die Nerven zu gehen. Sie stellte so viele Fragen. Woher weiß das Balg soviel?“ Titius seufzte. „Sie hat ihre Augen und Ohren überall, sie ist eben sehr neugierig. Du solltest dich davon nicht so sehr beeinflussen lassen. Sie ist nur ein Kind.“ Nicht so sehr beeinflussen lassen… Das kleine Monstrum hatte die Macht, Zadei mit ein paar Worten von einer Minute auf die andere völlig aus dem Konzept zu bringen! Mit ihrer arglosen Fragerei erinnerte sie ihn immer wieder an Sachen, die er zu vergessen suchte. Sie war wie ein kleiner Dorn, der unangenehm ins Fleisch stach. Warum hatte er Laures damals das erste Mal angegriffen? Ja, warum…? „Lass uns schlafen, Titius.“ „Ja? Ich hatte den Eindruck du wolltest noch irgendetwas sagen.“ „Nein. Gute Nacht.“ Zadei verharrte wie er war, auf Titius Brust liegend und dessen Herzschlag lauschend. Titius kam das seltsam vor, selten war Zadei so still. Aber er nahm die Situation, wie sie war und war froh, dass das ganze diesen Verlauf nahm und schloss somit die Augen, bis ihn der Schlaf überkam. Seine Hand blieb in Zadeis Haar verflochten. ~*~ Heute verweilte Sherril nicht auf der Terrasse mit der schönen Aussicht. Es gab noch viel zu entdecken hier und heute leiteten sie ihre Schritte weiter ins Innere des Palastes. Gespenstisch wirkten die leeren Flure und gleichzeitig unwirklich. Es war Nachmittag und das helle Sonnenlicht brach sich durch die zerborstenen Glasscheiben an den Fenstern, tauchte das überall wuchernde Unkraut in die unterschiedlichsten Grüntöne. Heute hatte sie einen Flur entdeckt, den sie noch nicht kannte. Und er war größtenteils vom Verfall verschont geblieben. Es mochte eine Art Rundgang sein, mutmaßte Sherril, der einmal um das ganze Schloss herum geführt haben musste. Als sie dem Korridor eine ganze Weile lang gefolgt war, entdeckte sie endlich etwas, was sie schon die ganze Zeit gesucht hatte. Es war eine Treppe, die in das Erdgeschoss zurückführte. Von der Seite, von der sie das Schloss immer betrat, kletterte sie ja sonst das halb weggerissene Mauerwerk hoch und landete so immer auf der zweiten Etage, wo sich auch die Terrasse befand. Nicht, dass sie jemals die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, dass sie sich bei diesen Kletteraktionen jeden Knochen im Leib brechen konnte. Zwar wusste sie ganz genau, dass, wenn ihre Eltern oder Zadei bzw. Titius davon erführen, sie ihr den Kopf abreißen würden, aber auch dieses Wissen musste ihrer Neugier unterliegen. Und bis jetzt hatte noch keiner bemerkt, dass sie unten in den Kellergewölben des Schlosses durch herumexperimentieren mit ihren dämonischen Kräften ein kleines Portal errichtet hatte, dass sie an diesen Ort brachte. Nur musste sie in Zukunft vorsichtiger sein, sie wusste sehr wohl dass ihre Mutter bereits ahnte, dass sie irgendetwas Unerlaubtes anstellte. Verdammter mütterlicher Instinkt! Dabei musste sie doch eine Möglichkeit finden, sich die Zeit zu vertreiben, im Schloss war es langweilig, besonders wenn Zadei beschäftigt war. Mit ihrem Bruder konnte Sherril irgendwie noch nicht so wirklich viel anfangen. Seltsamerweise schien er nicht halb so energiereich zu sein wie sie selber, er war kaum vom Rockzipfel seiner Mutter wegzukriegen. Aber vielleicht änderte sich das ja noch. Zadei hatte sich schon oft angeboten, dem Jungen Kampfunterricht zu geben, was aber strikt abgelehnt wurde. Seltsam, wenn Sherril darum bat, wiegelte er immer ab und machte eine Bemerkung wie, dass sie auch ohne sein Training furchteinflössend genug sei. Das war ja nun mal gar nicht fair! Kurz dachte sie an die letzte Begegnung mit ihm zurück, bei der er ernsthaft böse geworden war. Sie fragte sich nach wie vor nach dem Grund dafür, da ihr aber klar war, dass sie darauf im Moment keine Antwort finden würde, schob sie den Gedanken wieder beiseite. Sie wollte nun ihr Abenteuer genießen! Endlich hatte sie Gelegenheit, die unterste Etage dieser verfallenen Ruine zu begutachten. Sonst war es nirgendwo möglich, dorthin zu gelangen, denn seltsamerweise war die Zerstörung in den unteren Bereichen am größten. Es hatte fast den Anschein, als sei irgendetwas aus dem Boden, oder vielleicht aus den Kellergewölben hervorgebrochen. Etwas verdammt Großes... Sie kletterte die verwitterte Treppe hinab, bis sich schließlich einen ehemaligen Säulengang betrat. Die meisten der ehemals hübschen Säulen waren zerstört, aber sie trugen ihre Last nach wie vor. Das junge Mädchen rannte aufgeregt den Gang entlang. Und plötzlich lenke etwas in ihrem rechten Blickfeld ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie hielt inne und trat an das Geländer des Ganges. Irgendetwas schimmerte seltsam hell in der Mitte des Platzes, der von dem Säulengang gesäumt war. Neugierig kletterte sie über das Geländer und schritt über diesen Platz, der offensichtlich mal eine Art Garten gewesen war. Jedoch war von der einstigen Vegetation nur noch Unkraut übrig. Keine Zierblumen blühten hier, man sah nur noch Überreste von Rosensträuchern und Ähnlichem. Natürlich, keiner hatte sich um sie gekümmert und somit war alles vertrocknet und verblüht, bis auf das zähe Unkraut. Und bis auf... Sherril trat näher an das schimmernde Etwas heran, das sich genau im Zentrum des Platzes befand und starrte wie gebannt wie darauf. Es war eine einzelne, bläulich schimmernde Blüte. Mitten in dieser welken Einöde ragte sie stolz empor. Tautropfen hatten sich auf ihren Blättern gesammelt und auf eine magische Art und Weise brach sich das Licht darin und ließ die Blüte silbrig-blau schimmern. Fasziniert betrachtete da junge Mädchen das Farbenspiel. So eine Blume hatte sie noch nie gesehen! Und sie fragte sich, wie diese Blume hier hatte überleben können. Seltsamerweise hatte sich auch kein Ungeziefer daran zu schaffen gemacht. Sie kniete sich davor auf den Boden und betrachtete das Gewächs genauer. Und dabei stellte sie fest, dass die Ränder der grünen Blätter sich doch ein wenig braun gefärbt hatten, ebenso wie die unteren Blütenblätter. Die Blume war offensichtlich doch am vertrocknen, wenn auch sehr langsam. Wie auch immer es möglich war, dass die Pflanze sich so lange hatte halten können, irgendwann würde sie wohl auch in dem viel zu staubigen Boden, zu dem eigentlich kaum Regen durchdringen konnte, vertrocknen. Mit Bedauern stellte Sherril das fest und schon machten ihre kleinen Hände sich daran, das Gewächs auszugraben. „Warte nur, Blümchen, ich bringe dich an einen besseren Ort, wo du wieder gesund wirst.“ Sie erinnerte sich an einen kleinen See, den sie hier in der Näher gesehen hatte. Dort dürfte es feucht genug für das Blümchen sein, dachte sie bei sich. Also grub sie ganz vorsichtig die kompletten Wurzeln mit aus, damit die Pflanze auch an ihrem neuen Ort gut gedeihen konnte. In dem Moment, als sie die Blume der Erde entnahm, schien die Atmosphäre sich ein wenig zu verändern. Es war eigentlich nichts deutliches, nur hörten die Vögel plötzlich auf zu singen und irgendwie schien selbst der Wind für kurze Zeit still zu stehen. Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich Sherrils und sie hielt mit angehaltenem Atem inne und lauschte. Um sie herum herrschte eine Stille, wie Sherril sie noch nie erlebt hatte. Sie hatte wieder das Gefühl, nicht mehr allein zu sein und dennoch konnte sie keine Präsenz spüren. Nach dem sie eine Zeit lang gelauscht hatte ohne das etwas geschehen war, zuckte sie mit den Schultern, nahm die Blume in die Hände und verließ diesen Ort. Von ihrem Vorhaben, diese schöne Blüte zu retten, würde sie nichts abbringen, schon gar nicht irgendwelche Hirngespinste. Sie lief den ganzen Weg, den sie gekommen war zurück, verließ die Schlossruine und erreichte nach einem kurzen Fußmarsch durch die Blumenwiese den kleinen See, den sie noch in Erinnerung hatte. Mitten darin befand sich ein riesiger Steingebilde, das fast schon wie das knochige Gerippe irgendeines Untiers aussah. Oder, ob es sogar eines war? Wie auch immer, Sherril schlenderte ein Stück am Seeufer entlang, bis sie eine Stelle fand, die ihr geeignet erschien. Dort hockte sie sich nieder und grub das Pflänzchen ein. „So, Blümchen, hier hast du es besser. Ich komme jetzt ganz oft gucken, wie es dir geht, ja?“ Damit stand sie auf, klatschte fröhlich in die Hände und wandte sich dann um. Allmählich sollte sie doch zusehen, dass sie nach Hause kam, bevor jemand irgendetwas merkte. Im Hüpfschritt ging es zurück zu den Schlossmauern, wo sie ihr kleines Portal geöffnet hatte. So eine schöne Blume! Und sie hatte sie ganz allein gefunden. Noch nie hatte sie eine Blüte mit einer solchen Farbe gesehen... Schimmerndes Silber-blau... Wenn die Pflanze sich wieder erholt hatte, würde sie sie Zadei zeigen. Und Titius vielleicht auch. Der würde Augen machen! Stolz machte sie sich auf den Heimweg. ~*~ Die Schenke war völlig überfüllt. Vermutlich lag es daran, dass die Leute in dieser Gegend sehr lebhaft waren und das gemeinsame Feiern, Trinken und Tanzen sehr genossen. Aber es konnte auch daran liegen, dass sich heute eine ganz besondere Persönlichkeit eingefunden hatte. Das ganze Dorf wollte einen Blick auf den Retter der Azeel werfen, der gestern spät in der Nacht mit seinem Gefährten in der hiesigen Herberge eingekehrt war. Allerdings, so stellten Rod und Asbar fest, war es nicht so schlimm wie sonst, sie wurden nicht begafft und bedrängt, die Menschen waren freundlich und offen. Sie feierten voller Freude und ließen ihre Gastfreundschaft die beiden Reisenden warm umspülen. Asbar war guter Dinge. Das war ein guter Ort, vielleicht würde er Rods Gemüt wieder etwas aufhellen. Tatsächlich blickte dieser momentan nicht mehr allzu finster drein, sondern saß ihm gegenüber, hatte einen Becher Wein in der Hand und sah den tanzenden Dorfbewohnern zu. In dem Moment kam das Mädchen mit der kessen Zunge zu ihnen an den Tisch, sie war die Wirtstochter und bediente sie schon den ganzen Abend. „Nun, was ist mit euch, möchtet ihr noch was trinken? Was, die Gläser sind noch voll? Na, das ist ja ungeheuerlich!“ „Tila, hör auf unsere Gäste zu bedrängen! Was soll man von uns halten, wenn wir den Retter der Azeel und seinen Gefährten vorsätzlich betrunken machen?“ ertönte die Stimme ihrer Mutter vom Tresen her, mit einem Volumen, wie es nur die Stimme einer Gastwirtin haben kann, die sich gegen Massen lautstark singender Kehlen durchsetzen muss. „Warum denn nicht?“ rief das Mädchen ebenso stimmkräftig zurück und ergänzte feixend. „Keine Sorge die Herren, wenn ihr nicht mehr laufen könnt, trage ich euch in eure Zimmer… Ich mag nicht so aussehen, aber ich kann Ambosse stemmen!“ Sie hob ihren dünnen Arm und tat so, als würde sie ihren Bizeps zur Schau stellen, streckte dabei die Zunge raus. Einige der Gäste, die das mitbekamen lachten. „Wenn du nicht gleich aufhörst, trage ich DICH auf dein Zimmer und da bleibst du!“ rief die Wirtin, allerdings mit unterdrücktem Lachen und sie warf ein Handtuch nach ihrer Tochter. Auch Asbar stimmte nun in das allgemeine Gelächter mit ein. Ihm gefiel die lockere Art der Leute hier. Selbst auf Rods Lippen zeigte sich ein leichtes Lächeln. Vielleicht würde der junge Mann an diesem Ort ein wenig Frieden finden, hoffte Asbar. In diesem Moment öffnet sich die Tür der Schenke und ein Mann in einem fleckigen, braunen Kapuzenmantel trat ein. Er war nicht weiter auffällig, war von kleiner Statur, trug Reisekleidung, sah im Ganzen aus wie ein reisender Händler. Was auffällig war und nicht hier her passte, war sein sorgenvolles Gesicht, die schwarzen Ränder unter den geröteten Augen. Den Gästen fiel dies auf und sie boten ihm einen Platz an. „Hey guter Mann, mach nicht ein solches Gesicht, wir feiern hier. Vergiss deine Sorgen, keine Zeit für Trübsal!“ rief das kesse Mädchen ihm entgegen, doch der Blick des Mannes blieb leer. „Kein Fest vermag mich heute aufzuheitern. Nein, nichts. Nicht nachdem was ich gesehen habe. Es war schrecklich… das wird mich noch die nächsten Nächte vom Schlaf abhalten…“ Rod und Asbar wurden hellhörig, standen auf und gingen zum Tisch des Händlers. „Wovon redest du, Mann?“ Kummervolle Augen richteten sich auf Rod, erkannten ihn aber nicht als der, der er war. „Das Dorf Kimalda… so etwas Trauriges habe ich noch nie gesehen, auf all meinen Reisen… ich habe schon überfallene Dörfer gesehen, aber ich verstehe nicht… „Was? Was hast du gesehen? Was ist passiert!?“ unterbrach Rod ihn barsch. Der Name des Dorfes hatte sein Herz still stehen lassen. „Alles zerstört, alles! Ich glaube nicht, dass jemand überlebt hat, weder Weib noch Kind…“ Ohne auch nur eine weitere Frage zu stellen war Rod aufgesprungen und zur Tür hinausgehetzt. Asbar hatte Mühe hinter her zu kommen. Er erreichte Rod bei den Stallungen, wo dieser bereits sein Pferd in Windeseile sattelte. „Warte Rod… es ist vermutlich schon zu spät…“ „Ich will sehen was passiert ist…“ sagte Rod nur knapp und schwang sich in den Sattel. Nur ein paar Minuten nach dem Rod das Dorf im fliegenden Galopp verlassen hatte, folgte auch Asbar. Sie schlugen den Weg ein, der sie zurück in das Dorf führte, in dem sie die letzten Monate verbracht hatten. Die ganze Nacht waren sie durchgejagt. Nur einmal hatten sie die Pferde gewechselt, mit schäumenden Mäulern und nass geschwitzten Flanken erreichten die Tiere mit ihren Reitern im Morgengrauen das Dorf. Oder vielmehr das, was davon übrig war. Fassungslos schlug Rod eine Hand vor den Mund, als müsste er einen Würgreiz unterdrücken. Asbar hinter ihm blickte ebenso fassungslos auf das Bild, das sich ihnen bot. Niemand war mehr am Leben. Das ganze Dorf war eine einzige Anhäufung aus zerstörten Häusern, abgeschlachtetem Vieh und vor allem leblosen Menschenkörpern, wohin man auch blickte. Langsam wandelte Rod vorwärts, stieg über Leichen hinweg, erkannte jedes der Gesichter aus dem Zweihundertseelendorf. Wie ferngesteuert ging er auf die Herberge zu, in der sie mehrere Monate gewohnt hatten. „Rod, nein, lass es. Komm zurück“, ließ sich Asbar halb erstickt vernehmen. Aber diese kraftlosen Worte konnten Rod nicht zurückhalten. Sein Verstand schien wie ausgeschaltet, er wandelte wie ein Zombie weiter. Er erreichte die Herberge, öffnete die Türen zum Schankraum. Blut. Blut auf den Wänden, auf dem Boden. „Alle tot…“ murmelte er. Er stieg über knirschende Glassplitter hinweg, erreichte die Theke. Die Wirtsfrau… mit ihrem zweijährigen Sohn im Arm… tot. Ihr Ehemann.. mit einem Schwert in der Hand, um seine Familie zu beschützen… ein Speer steckte in seiner Brust. Und neben ihnen… Rod wollte den Blick abwenden, doch so sehr er sich bemühte, er konnte nichts weiter tun als starren. Die dreizehn jährige Wirtstochter… nackt, mit aufgerissenen Augen, die unbeschreibliches Entsetzen widerspiegelten… auch in ihrer Brust steckte eine Klinge. Von Asbar, der jetzt neben Rod trat, ließen sich schwere Atemzüge vernehmen, die davon zeugten, wie sehr er um Fassung rang. Umso seltsamer, dass sich von Rod rein gar nichts vernehmen ließ. Er stand nur da und starrte. Asbar bemerkte dies und versuchte, seinen eigenen Verstand wieder zum Laufen zu bringen. „Komm Rod, lass uns gehen. Es war wahrscheinlich ein Überfall von Banditen. Wir können nichts mehr tun…“ Ein mahnender Ton lag in seiner Stimme, aber Rod reagierte nicht. Asbar fasste ihn an der Schulter und versuchte, ihn mit sich mit zu ziehen. Rod blieb unbeweglich und steif wie eine Statue. Der Ältere wusste, dieser hatte schon viele solcher Szenarien gesehen. Der junge Mann hatte mehr Blut und Tod in seinem Leben gesehen, als jeder andere. Er hatte schon viele Leute, die ihm etwas bedeutet hatten, die er gemocht hatte wie diese Familie hier, tot gesehen. So viele…. Sie mussten dringend weg hier. „Rod, komm! Schau dir das nicht länger an, komm mit, komm weg hier.“ Abermals versuchte er Rod zu ziehen, aber diesmal regierte dieser. Harsch entriss er sich Asbars Griff. Er ging auf den erstochenen Familienvater zu und betrachtete den Speer, der in seiner Brust steckte. An der Waffe befand sich ein kleiner Wimpel, eine kleine rote Flagge mit einem Wappen darauf. Mit einem Ruck riss Rod es ab und seine zitternde Faust schloss sich darum, die Miene völlig versteinert. Asbar versetzte Rods Schweigen in höchste Alarmbereitschaft. Hier geschah etwas, was rein gar nicht gut war, stellte er fest. „Rod, komm, Lass uns gehen…“ „Der Grundbesitzer… Der Kriegsherr, dem dieses Land gehört. Erkennst du das Wappen? Es war derjenige, der mich ein paar Abende zuvor ansprach, ob ich mit ihm in den Krieg ziehen wolle. Er schlachtet sein eigenes Dorf nieder… einfach so… Haha, nein es wird wohl einen Grund geben. Ich werde ihn fragen. Ja genau, er wird bestimmt einen Grund gehabt haben“, Asbar traute seinen Ohren nicht, als Rod sich mit einem freudigen Lachen abwandte. „Was, verlierst du den Verstand Rod?“ Schnell war er hinter ihm her und wollte den Jüngeren an der Schulter zu sich umdrehen, aber urplötzlich fuhr der andere wie eine Raubkatze herum und fegte Asbars Arm beiseite, dass diese fast das Gleichgewicht verloren hätte. „Es reicht!“ schrie er plötzlich völlig außer sich. „Ich sehe mir das nicht länger mit an! Frauen, Kinder.. Das ist kein Krieg, das ist kein Kampf um etwas wichtiges, das ist purer Hass! Nichts und Niemand ist am leben, sogar das Vieh der Leute wurde abgeschlachtet! Hier ging es um Auslöschung! Junge Mädchen… Kinder, vergewaltigt und vor den Augen der Eltern abgestochen? Wie weit ist es gekommen?! Das sind keine Dämonen, die ihre Finger im Spiel haben, das sind Menschen! Menschen, die andere Menschen für nichts und wieder nichts grausam abschlachten!“ In rasender Wut gab Rod Asbar einen herben Stoß vor die Brust und rannte hinaus. Völlig überrumpelt und das schlimmste ahnend hechtete sein Gefährte hinter ihm her. „Rod, hör auf, rasende Wut bringt dich hier nicht weiter!“ Keines seiner Worte erreichte den plötzlich geisterhaften jungen Mann, der gezielt zu seinem Pferd rannte, sich hinauf schwang und auf einen nahe liegenden Hügel ritt. Asbar kam gerade rechtzeitig hinter ihm an, um zu sehen, wie der Azeel sich umdrehte, seine Hand hob und mit einer einzigen Bewegung das gesamte Dorf in Flammen aufgehen ließ. „Asche zu Asche…“ stieß er hervor. „Es wird mehr davon geben. Ich sehe mir das nicht mehr einfach an.“ Noch nie hatte seine Stimme so eisig geklungen, noch nie war das freundliche Gesicht so versteinert. Asbar wusste nicht was zu sagen, was zu tun, konnte dem anderen nur versuchen zu folgen, wie dieser sein Pferd wandte und in halsbrecherischem Tempo davon jagte. ~*~ „Hey du Vollidiot, die Kisten kommen auf den Grauen! Welche Sprache spreche ich eigentlich, seid ihr alle zu blöd zum scheißen oder was?! Und Sherril, beweg deinen Hintern darunter und verschwinde aus meinem Blickfeld!“ „Aber Onkel Zadei, ich will nur doch nur die Drachen…“ „Wir sind am arbeiten du kleiner Gargoyle! Und… wahh, pass auf!!“ Zadei war vorwärts gehechtet und hatte im letzten Moment eine Kiste aufgefangen, die beim Beladen der Drachen von einem der Tiere gefallen war und Sherril getroffen hätte. Der Schlosshof war ein einziges Chaos aus Drachen, umher rennenden Kämpfern, hektischen Bediensteten, Anhäufungen von Rüstungen, Geschirren und Kisten. Mit einem Ruck hob Zadei Sherril hoch und klemmte sie sich wie ein Gepäckstück unter den Arm. „So, das reicht, ich kette dich jetzt im Sattelraum fest, wie einen Hund!“ Das Mädchen strampelte und zappelte. „Nein, ich will nicht angebunden werden!“ „Das werd ich aber verdammt noch mal tun! Wir sind gerade mitten im Aufbruch für ein Gefecht und du rennst hier rum, als wäre das ein Spiel! Wenn du von einer Drachepfote platt getreten oder von einem Rüstungsteil erschlagen wirst, wird Laures MICH erschlagen. Es ist also zu unser aller Vorteil, wenn du dich nicht bewegen kennst. Weniger Massaker, du verstehst?“ Sie waren im Drachenstall angekommen und erreichten eine der riesigen Sattelkammern. Dort ergriff Zadei eine Kette, die in der Wand verankert war und deren Schnalle eigentlich für den Fuß eines Drachen gedacht war und war gerade dabei sie der protestierenden Sherril um den Hals zu legen, als er eine schneidende Stimme von der Tür her hörte. „ZADEI, WAS TUST DU DA MIT SHERRIL?“ Angesprochener Dämonengeneral und besagtes Mädchen drehten sich synchron zur Tür um und Zadei ließ einen leisen Fluch vernehmen, als er hinter der ersten unerwünschten Person noch eine zweite in der Tür erblickte. „Laures…ähm... es ist nicht wonach es aussieht…“ Vorsichtig entfernte er seine Hand von Sherrils Hals und versuchte den rostigen Eisenring hinter sich zu verbergen. Er wusste nicht, was in diesem Moment schlimmer war, Laures scharfer, drohender Blick oder der eiskalte Blick von Titius, welcher direkt hinter dem Dämonenkaiser stand. „Du versuchst nicht gerade, meine Tochter wie einen Drachen anzuketten, oder?“ Zadei räusperte sich. Aber bevor er zu irgendeiner mehr oder weniger sinnvollen Antwort ansetzen konnte, fiel Sherril ihm ins Wort. „Was? Aber nein! Zadei hat mir nur die Sattelkammer gezeigt und mir den Schließmechanismus dieser Schnalle hier gezeigt.“ Sie schnappte sich die Schnalle und öffnete und schloss sie ein paar Mal spielerisch. Überrascht blickte Zadei nach unten auf das kleine, schwarzhaarige Mädchen. Aber aus welchem Grund auch immer sie das sagte, dass würde ihr ohnehin niemand abkaufen. Und besonders Titius würde ihn lynchen. Unsicher blickte Zadei zu den anderen Dämonen hinüber. Skeptisch beäugten diese wiederum Sherril, die plötzlich das süßeste Lächeln aufsetzte, dass ein neunjähriges Mädchen mit langen, schwarzen Locken und einem violetten Kleidchen mit Rüschen, Spitzen und Schleifchen haben kann. Die Wirkung war faszinierend, besonders bei Titius. Er blickte für ein paar Sekunden in ihr strahlendes Gesicht, und während er sie ansah konnte man richtiggehend verfolgen, wie er all seine Skepsis verlor und jeder warnende Ausdruck in seinen Augen einer völligen Hingerissenheit wich. Zadei traute seinen Augen nicht, es war als lächelte Sherril ihm quasi den Verstand aus dem Kopf. Und nun lächelte er auch noch zurück! Verdammt noch mal, wie machte diese Kleine das?! In dem Moment riss ihn Laures, der scheinbar genauso Sherrils Charme erlegen war, aus seinen Gedanken: „Nun, wenn das so ist… Wie auch immer, wie sehen die Vorbereitungen aus?“ Zadei stand augenblicklich etwas strammer als sonst und gab einen Bericht der Lage, was ihm deutlich half die schaurige Szene gerade eben zu verdrängen. Als er fertig war nickte der Dämonenfürst. „In Ordnung, sorge dafür, dass die Kompanie sobald wie möglich ausrückt, damit ihr vor Einbruch der Nacht schon ein ganzes Stück weit gekommen seid. Komm Sherril, du solltest jetzt nicht hier sein.“ Sherril nickte artig und Zadei war für den Moment fast soweit, ihr danken zu wollen, dass sie ihn aus dieser misslichen Lage gerettet hatte, als das Mädchen sich auch schon umdrehte und ihm anstatt des süßen Lächelns ein diabolisches Grinsen zeigte, dass nur Zadei aus seiner Perspektive sehen konnte. „Jetzt habe ich dich in der Hand…“, zischte sie kaum hörbar und Zadei lief es eiskalt über den Rücken. Und von einer Sekunde auf die andere, zeigte sie wieder ein strahlendes Lächeln, hüpfte auf ihren Vater zu und verabschiedete sich. Als der Dämonenfürst mit seiner Tochter gegangen war, trat Titius zu Zadei in den Raum. „Zadei, ist alles in Ordnung? Du bist kreidebleich.“ „Was, wer?“ Zadei war zusammengefahren und wurde sich erst jetzt wieder der Anwesenheit seines Engels bewusst. Er fühlte sich als hätte er gerade sein Todesurteil unterschrieben. Er hätte lieber die Wahrheit sagen und sich Titius und Laures Zorn aussetzen sollen (welcher hier schlimmer, war wirklich fragwürdig), als sich von dem Teufelchen retten zu lassen und ihr jetzt was zu schulden… „Zadei?!“ „Oh ja… äh…“ Zum Glück fand er nun endgültig in die Realität zurück. „Was gibt es mein Engel?“ Titius trat näher an ihn heran. „Nun, ich dachte mir, da ihr bald ausrückt…“ „...kommst du zu mir um dich zu verabschieden“, beendete Zadei, plötzlich wieder voller Aufmerksamkeit, den Satz, als er merkte das Titius zögerte ihn zu vollenden. „Ja“, sagte dieser nur trocken. Er sah in das Gesicht des Dämonengenerals, das schon wieder ein breites Grinsen zeigte. Und schon wurde er in die Arme des anderen gezogen. Die grüne Kralle legte sich sanft auf seine Wange und strich darüber. „Wie rücksichtsvoll von dir. Hast doch eine sentimentale Ader, häh?“ feixte Zadei immer noch grinsend. „Ich verstehe noch immer nicht warum ich nicht mitkommen soll“, Titius ignorierte den Kommentar vollends, „Laures-sama hätte mich genauso gut mit euch mit schicken sollen. Aber er verbietet es weiterhin.“ „Nun, es ist ja wohl auch nicht nötig. Gelm und ich dürften als Kommandeure völlig ausreichen, um diesen aufmüpfigen Spinnern das Gebirge unterm Hintern wegzublasen.“ Zadei grinste noch immer, platzierte einen Kuss auf Titius Stirn, fand Gefallen daran und setzte einen weitern auf die Nasenspitze, dann auf das Kinn. Er wusste natürlich genau, warum Laures seinem engsten Berater verbot, mitzukommen. Der Dämonenfürst wusste, dass Zadei in Anwesenheit Titius sich nicht würde konzentrieren können. Allein aus Angst, seinem Engel könne etwas zustoßen. Und, schlimmer, gesetzt dem Fall, dass Titius ihn zur falschen Zeit mit einer falschen Bemerkung reizte, waren die eigenen Truppen durch Zadei in größerer Gefahr als durch den Feind… „Mach dir keine Gedanken darüber, sei froh, dass du dir nicht anschauen musst, wie ich wieder „barbarische Dinge“ tue, wie du es nennen würdest.“ Zadeis Lippen strichen, während er sprach, genießerisch über die hellen Porzellanwangen. „Zadei, ehrlich gesagt, habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache. Vielleicht sollte man die Sache doch noch einmal überdenken.“ Die Lippen des anderen hielten kurz inne, führten ihre Tätigkeit aber dann weiter. „Titi, du wirst ja wirklich sentimental…“ „Nein, wirklich Zadei. Ich habe ein seltsames Gefühl. Als ob irgendetwas passieren würde, wenn…“ Nun wurden seine Lippen mit einem Kuss versiegelt, der ihn zum schweigen brachte. Als Zadei die Lippen wieder löste raunte er beruhigend: „Das bildest du dir nur ein, du kannst es nur nicht ertragen, von mir getrennt zu sein, das ist alles.“ „So ein Unsinn, das ist...“ „Du wirst mich vermissen, sag es!“ „Nein, das werde ich nicht!“ „Doch, ich will das hören, nur einmal.“ Weiter platzierte Zadei Küsse auf Titius Hals und diesem fiel es zunehmend schwerer, sich zu konzentrieren. „Hör mit diesem Unsinn auf, du weißt ich mag das nicht.“ „Nein? Das wäre mir neu…“ „Zadei!“ Titius fühlte sich rückwärts gedrängt und an die Wand geschoben, der andere ließ keine Sekunde von ihm ab. „Komm schon, sag, dass du mich vermissen wirst.“ Dies mal erklang Zadeis Stimme flüsternd direkt neben Titius Ohr, und auf dessen Wangen legte sich eine leichte Röte, während der schwarzhaarige Dämon mit den Lippen sanft und liebevoll selbiges berührte und gleichzeitig die Arme um den schmalen Körper schlang. „Vie…vielleicht…“ murmelte Titius etwas fahrig. „Vielleicht? Du wirst mich vielleicht vermissen? Was ist das für eine Aussage?“ „Äh ich meine, ich…“ Der Dämonenengel hatte den Faden bereits komplett verloren, Zadeis Berührungen brachten ihn -mal wieder- völlig aus dem Konzept. „Oh, ich denke du WIRST mich vermissen“, meinte Zadei siegessicher und fuhr fort mit weiteren, hungrigen Küssen seinen Engel zu erobern. Im Moment war ihm alles egal, die Drachenkompanie, die er zu befehligen hatte, die ganzen Vorbereitungen die getroffen werden mussten… Das alles konnte warten, es war nicht wichtig. Wichtig war nur jede dieser Sekunden, die er mit seinem Engel haben konnte. Titius seufzte leicht in einem langen, innigen Kuss und machte nicht die geringsten Anstalten zu protestieren, wie sonst so oft, was Zadei voll auskosten wollte und sich deshalb eng an den anderen drängte. Die neugierigen, fordernden Hände weiter auf Wanderschaft schickend, plünderte er den Mund seines Engels immer und immer wieder, und war gerade im Begriff, die Knöpfe des schneeweißen Gewandes zu öffnen, als plötzlich die Tür aufging und Gelm in der Tür stand. „Oh.. Zadei..“ entfuhr es dem nur überrascht, als ihm aufging in welche Situation er hier geplatzt war. Die beiden anderen Dämonen waren vor Schreck zusammen gefahren und waren ein Stück voneinander abgerückt. „Nicht für Ungut, ähm, Entschuldigung… Zadei die Drachen müssen wirklich… ähm, komm einfach wenn du äh.. hier fertig bist.“ Leicht rot im Gesicht entfernte der zweite General sich wieder aus der Sattelkammer und Titius und Zadei sahen sich eine Minute lang verlegen an, dann setzte Titius sich in Bewegung. „Gut, du hast Arbeit. Ich schätze wir sehen uns dann eine Weile nicht. Viel Erfolg“, meinte er rasch und offensichtlich unangenehm berührt und schritt auf die Tür zu, während der andere ihm enttäuscht und missmutig nachsah. Allerdings drehte der Dämonenengel sich in der Tür noch einmal um und meinte: „Und… stirb nicht.“ Daraufhin erschien ein Grinsen auf Zadeis Gesicht und er hob einen Daumen. „Keine Sorge. Es gibt nur einen, der mich umbringen kann… und selbst der hat es schwer.“ Titius machte einen kleinen Laut, der auf andere abfällig gewirkt hätte, der Zadei aber sagte, dass Titius positiv gestimmt war. Als er verschwunden war, atmete Zadei einmal tief durch und setzte sich dann auch in Bewegung, um sich der Pflicht zu stellen. Er würde sich beeilen, das ganze hinter sich zu bringen! Ende kapitel II Kapitel 3: ----------- Titel: Longing – Just for you Teil: Kapitel 3 Autor: Tsugumi Email: jennybreidenbach@yahoo.de Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 18 Warnung: limone, angst, gewalt Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Disclaimer: Die Welt und Charaktere von Seimaden gehören nicht mir, diese Fanfiction dient nur der Unterhaltung und ich will damit keinen Profit machen. Kommentar: Ok so langsam kommt die Sache ins Rollen. Ich weiß, Titius und Zadei kommen hier ein klein wenig zu kurz, aber wie gesagt, ich brauch halt immer ein wenig Anlauf. Kommt alles noch, versprochen! Und die nächsten Kapitel kommen jetzt auch etwas schneller, auch versprochen! Ach ja: Und ich hätte gerne einen Rund Mitleid für den armen Rod! Zeigt ein wenig Herz!^^ Kapitel III Lautes Gelächter drang aus der großen steinernen Halle, aus deren Fenster und Mauerritzen, schwüle, mit Schweiß und Essensgeruch gewürzte Luft dran. Das Königspaar saß mit Familie und Rittern beim gemeinschaftlichen Mittagsmahl und die Stimmung wirkte sehr gelöst, selbst unter den Bediensteten, die am laufenden Meter große Platten mit Fleisch, Brot und Früchten in den Saal brachten. Doch dies änderte sich mit dem Moment, als ein lauter Knall das gesamte Schloss erbeben ließ, verursacht von dem riesigen Einganstor, das, in tausend Teile geborsten, plötzlich brennend auf dem Hof verstreut lag. Alles Treiben im Innenhof und auf den Mauern hielt inne und man blickte geschockt auf die Person, die durch das Tor geritten kam. So schnell war es gegangen, niemand hatte ahnen können was geschehen würde, als man auf den Wachtürmen von weitem den Reiter hatte kommen sehen, geschweige denn hatten irgendjemand etwas unternehmen können um ihn aufzuhalten. Die Gestalt hielt mitten auf die große Einganstür zum Rittersaal zu und mit einem weiteren Knall war diese ebenfalls hinweggefegt. Nicht einmal für Panik blieb Zeit. Im Saal sprang Rod vom Pferd, der Wutschleier lag rot vor seinen Augen und die Hitze brannte in seinem ganzen Körper. Unaufhaltsam und kochend war sein Blut zu Lava geworden, die durch seine Adern gepumpt wurde. „Was?!“ schrie er inmitten des Saals, der gefüllt war mit Leuten, die mit offenen Mündern in jeglicher Bewegung inne gehalten hatten und ihn nur ungläubig anstarrten und mehr als einer überlegte in diesem Moment wohl, ob er schon so viel getrunken hatte, dass er halluzinierte und ob die anderen das gleiche sahen wie er. Leider würden die meisten von ihnen nie mehr erfahren, wie es sich nun eigentlich verhielt. „WAS?!“ schrie der Mann mit den funkelnden Augen in der Mitte des Raumes noch einmal. „Was war der Grund? Warum mussten die Leute aus dem Dorf Kimalda sterben? Wer kann mir den Grund dafür nennen?!“ Rod wirbelte um die eigene Achse, bis er in Richtung der königlichen Familie blickte, die ihn schockiert und ungläubig anstarrte. „Was um alles in der Welt willst du…?!“ murmelte ein augenscheinlich tapferer Mann, der neben dem König saß und Kleidung trug, die auf einen hohen Feldherren schließen ließ. Rod fackelte nicht lange oder nahm Rücksicht auf die allgemeine Verwirrung. Mit einer Handbewegung hob er den Mann von seinem Stuhl und schmetterte ihn in etwa zwei Metern Höhe an die Wand, hielt ihn dort fest. In einer Weise, wie er seine Kräfte noch nie benutzt hatte, streckte Rod eine Hand aus und ballte sie zu einer Faust, worauf der schreiende Mann an der Wand von einer unsichtbaren Kraft die Luft abgedrückt bekam. „Wieso?!“ schrie Rod noch ein weiteres Mal. Der Ritter, der in Anbetracht eines grausamen und unmittelbaren Todes jedes Ehrgefühl, Treueversprechen und taktisches Denken vergaß, nutzte seine letzte Kraft um das einzige zu tun was sein Leben eventuell retten konnte, nämlich diesem Mann mit den Zauberkräften, den er nicht mal als Rod den Azeel erkannte, zu sagen, was er hören wollte. „Es war ein kriegstaktisches Vorgehen… Kimalda liegt genau zwischen uns und dem Länderein des Königs Antonius III …. Er plant einen Angriff gegen uns… er will vielleicht in Kimalda halt machen um seine Truppen zu versorgen… aber… Bitte… kriege keine Luft…“ röchelnd kämpfte der Mann um Atem, denn der eiserne Griff ließ keinen Zentimeter nach, drückte ihn weiter erbarmungslos gegen die Wand. In diesem Moment erschien ein weiterer, völlig in schwarz gekleideter Reiter im offenen Eingansportal, kam ebenso rasant angeprescht und sprang erst neben dem Blonden vom Pferd, packte ihn und schrie ihn an. „Rod, verdammt noch mal was tust du?“ Doch dieser schaute ihn nur mit einem Blick an, der Funken zu sprühen schien, entließ sein Opfer nicht aus seiner Position. „Verschwinde Asbar! Halt dich da raus!“ Mit der freien Hand sendete er eine weitere Energiewelle, die seinen Gefährten von sich wegschleuderte. Ehe dieser sich wieder aufgerappelt hatte und erneut zu ihm geeilt war, wandte er sich wieder seinem Opfer zu. „Erklär es mir, erklär es mir!“ schrie er ihn weiter wutentbrannt an, ließ den Griff gerade soweit los, das der Mann etwas mehr Luft zum sprechen bekam. „Wenn… der Feind… wenn sie dort ankommen und das Dorf existiert nicht mehr… können sie sich nicht versorgen und so können wir sie leichter… vernichten… Bitte, ich…“ Weiter kam er nicht, den ein weiterer Energiestoß zerquetschte den menschlichen Körper mit einer Wucht, das man Knochen knacken hörte wie Zweige und Blut und Innereien an der Wand hinunterliefen. Nun endlich wandelte sich die allgemeine Schreckenstarre in Panik, vereinzelt aber auch in verzweifeltes Heldentum. Einige Ritter zückten die Waffen und rannten auf das Monster in der Mitte des Saales zu. Doch eine Handbewegung von Rod schmetterte sie zurück, so das sie im Gewirr der panisch flüchtenden Menschen untergingen. Asbar hatte Rod erst jetzt wieder erreicht. „Rod hör auf, bitte hör auf, du weißt ja nicht was du tust, bitte hör auf!“ Asbar versuchte nun auch, Rod mittels seiner eigenen dämonischen Fähigkeiten außer Gefecht zu setzen, aber es war, als wolle man einen Deichbruch mit einer Pappwand aufhalten. Die konzentrierte Kraft, die sich um Rods Körper so sehr ansammelte, dass man sie sehen und hören konnte, explodierte und tauchte alles um ihn herum in ein riesiges Flammenmeer. Die ganze Welt schien plötzlich nur noch aus glühender Hitze, Schreien und dem Geruch von verbranntem Fleisch zu bestehen. ~*~ Leise öffnete Sherril wieder die schwere, knarrende Tür zu den Kellergewölben. Einmal noch hielt sie inne, schaute sich um. Aber niemand war zu sehen, also schlüpfte sie durch die Tür und schloss sie hinter sich. Es war schwer gewesen, zu entwischen um ihr kleines Portal zu benutzen und wieder ihren Geheimplatz zu betreten. Ständig hatten Titius oder ihre Eltern sie beaufsichtigt. Die waren aber auch hartnäckig! Als ob sie gleich etwas anstellen würde, wenn man sie mal eine Minute aus den Augen ließe! Im Keller wendete sie ihren Öffnungszauber an und schlüpfte durch das magische Loch, das sich mitten im Dunkel auftat, auf die andere Seite. Jetzt stand sie wieder auf der Blumenwiese und hüpfte fröhlich drauf los. Nach einem kurzen Marsch war sie an dem See angekommen, wo sie die Blume gepflanzt hatte. Doch als sie sich dem See näherte, hielt sie kurz inne. Irgendetwas hatte sich verändert. Ihre noch mäßig ausgebildeten Fähigkeiten, die zuvor nur so etwas wie eine Ahnung von der Präsenz eines anderen Lebewesens verspürt hatten, nahmen nun etwas weitaus Handfesteres wahr, wenn auch noch nicht wirklich stark. Nichts desto trotz ging sie voran. Schließlich hatte sie die Stelle erreicht, wo sie die seltsame Blume nun blühte. Sie schien tatsächlich etwas erholt zu sein. Sherril ging freudig auf die Pflanze zu und kniete sich davor in die feuchte Erde. Als sie die Blätter untersuchte, stellte sie fest, dass die Blätter wieder eine normale Farbe angenommen hatten, als hätte sie sich von selbst regeneriert, statt die verdorrten Blätter einfach abzuwerfen, wie es gewöhnliche Pflanzen taten. Und nicht nur das, die Blüte war sogar ein wenig größer geworden. Und obwohl es schon längst nicht mehr Morgen war, glitzerten Tautropfen darauf, ließen die blauen Blätter silbrig schimmern. „Wie ich sehe, geht es dir jetzt besser, Blümchen! Du hast dich wirklich erholt!“ sagte Sherril freudig, als sie plötzlich gegen jegliches Erwarten eine Stimme vernahm. „Wer bist du?“ Das Mädchen zuckte vor Schreck zusammen, blickte sich dann hastig suchend um. „Wer ist da? Wer hat das gesagt?!“ rief sie erschrocken, als sie niemanden erblickte. „Was hast du mit der Blume gemacht?“ Die Stimme klang irgendwie... unreal, als käme sie vom Wind selber; ihr war ein seltsam trauriger Unterklang beigemischt. Unwillkürlich dachte sie an das Flüstern, dass sie so oft auf der Terrasse gehört hatte. Auf die Frage hin meinte sie verlegen. „Ähm, ich... gehört die Blume dir? Ich wollte wirklich nichts Böses anstellen!“ „Komm ans Wasser. Ich kann dich nicht sehen...“ erklang die Stimme erneut. Sherril hätte sie einem jungen Mann zugeordnet. Es war irritierend, da sie noch immer keine richtig lebendige Existenz spürte. Allerdings wusste sie, dass ihr Gespür in ihrem Alter noch nicht genug sensibilisiert war und sie noch nicht die Nuancen wahrnehmen konnte, wie zum Beispiel Zadei oder ihr Vater es taten. Neugierig kam sie der Bitte nach. „So, hier bin ich. Und jetzt zeig du dich auch!“ rief sie. „Ich kann dich nicht gut sehen. Du bist ein kleines Mädchen, nicht wahr? Deine Stimme verrät es mir. Kannst du mich sehen? Ich bin hier im Wasser.“ Sherril blickte nach unten auf die Wasseroberfläche und erkannte einen Schatten darauf, konnte aber nichts Genaues erkennen. „Wieso bist du da im Wasser? Und wieso kannst du mich nicht sehen, ich stehe doch direkt hier.“ „Ich weiß nicht. Ich bin sehr...müde. Ich bin irgendwie so benommen. Aber die Blume...was hast du damit gemacht? Erklär es mir.“ Die Stimme kam nun ganz klar von der dunklen Stelle im Wasser. „Ich habe sie im alten Schlosshof da hinten gefunden. Aber sie sah aus, als würde sie bald verdorren. Also habe ich sie ausgegraben und hier am See wieder eingepflanzt. Sie war so schön, ich wollte nicht, dass sie verwelkt. Und sie hat sich schon prächtig wieder erholt!“ „Deshalb also...“ Die Stimme klang nachdenklich, wurde dann aber wieder traurig. „Ich wünschte, du hättest es nicht getan. Bring die Blume lieber wieder zurück. Lass sie welken, sie hat keine Bedeutung mehr.“ „Aber warum? Sie ist doch so schön! So wie all die schönen Blumen hier. Ich habe so wunderschöne Blumen noch nie gesehen“, meinte Sherril protestierend. „Du magst sie? Dir gefallen meine Blumen?“ Auf einmal klang der junge Mann geradezu euphorisch, wenn auch nur kurz. „Es sind deine? Wahnsinn! Sie sind so schön, ich könnte sie stundenlang nur anschauen. Es ist ein so schönes Gefühl, auf der Terrasse des alten Schlosses zu stehen und über das Blumenmeer zu blicken.“ „Nicht wahr?! Ja, wunderschön sind sie...“ „Aber warum willst du dann, dass ich die Blaue verderben lasse?“ „Weil es meine Lebensblüte ist. Mein Körper ist schon lange vergangen und auch meine Seele schwebte im süßen Nichts. Aber indem du der Blüte neue Lebensenergie gegeben hast, hast du mein Bewusstsein wieder zurückgebracht.“ „Du hast keinen Körper mehr? Bist du… warst du tot?!“ „Nein, ich kann leider nicht wirklich sterben. Zumindest meine Seele muss immer weiter existieren, damit ich meine Aufgabe weiter ausführen kann.“ „Welche Aufgabe?“ fragte Sherril neugierig nach. „Hast du wirklich keine Ahnung, wer ich bin oder wo du hier bist?“ „Nein. Und wie soll ich wissen, wer du bist, wenn ich dich nicht sehen kann. Du bist nur ein Schatten.“ „Ja, ich bin nur ein Geist.“ „Kannst du denn keine Gestalt annehmen?“ „Ich weiß nicht... meine Kräfte regenerieren sich nur sehr langsam. Ich weiß nicht, ob ich schon...“ Noch während er sprach, erfüllte ein leichtes Glimmen die Wasseroberfläche an der Stelle, wo der Schatten war. Einige Wellen schlugen, aber als das Wasser sich wider beruhigt hatte, blickte Sherril statt in ihr Spiegelbild in das Gesicht des jungen Mannes, dem die traurige Stimme gehörte. Er hatte ganz helle, fast marmorweiße Haut, dazu bläuliche Haare, die sie an die Farbe der Blüte erinnerten. „So siehst du also aus!“ entfuhr es Sherril, „Mein Name ist übrigens Sherril. Wie heißt du?“ „Mein Name?“ fragte der andere nachdenklich. „Mein Name... Ja, wie lautet mein Name? Es kommt alles so langsam... Nein, jetzt weiß ich es wieder. Charon! Mein Name ist Charon!“ „Aha. Und diese Blumen hier gehören alle dir?“ „Ja, ich muss auf sie aufpassen und sie verwalten. Das ist meine Aufgabe.“ „Aber das ist doch schön! Es muss doch eine schöne Arbeit sein, oder?“ „Ja, eigentlich ist sie das.“ „Warum willst du dann wieder verschwinden? Ich habe doch richtig verstanden, wenn ich die Blume wieder welken lasse, verschwindet dein Geist wieder?“ „Mein Bewusstsein schwindet, nicht mein Geist. Er ist immer da, um die Aufgabe zu erfüllen. Allerdings ist er nur eine Kraft, ohne Persönlichkeit und Charakter. Aber ja, ich möchte, dass du die Blume wieder entfernst. Und zwar schnell, bevor... bevor die Erinnerungen wieder zurückkehren. Ich spüre es schon...“ „Das verstehe ich nicht. Wieso willst du dich nicht erinnern?“ Allmählich wurde die Sache für das Mädchen sehr verwirrend. „Ich weiß nicht genau, aber irgendetwas sagt mir, dass ich mich besser nicht erinnern sollte. Ich bin mir nur einer Sache sicher, nämlich dass ich das letzte Mal, als ich einen Körper besaß, sterben wollte. Ich habe mich so sehr nach dem Nichts gesehnt. Ich sollte besser dorthin zurückkehren.“ Sherril war bestürzt. „Das kann ich nicht glauben. Ich kann nicht glauben, dass jemand freiwillig sterben will. Was ist denn passiert, dass du so traurig bist? Versuch, dich zu erinnern!“ „Nein! Ich will mich nicht erinnern...“ Jedoch wurde Charons Präsenz von Minute zu Minute stärker, jetzt, wo er sich zumindest schon in Form eines Spiegelbildes materialisiert hatte. Und auch die Erinnerungen flossen unaufhaltsam durch ihn hindurch. Sherril sah, wie die Gestalt im Wasser sich an den Kopf fasste. Dann fing er an, verwirrt vor sich hin zu murmeln, als mit einem Mal tausend Gedanken, Bilder und Eindrücke auf ihn niederprasselten. „Titan... sie kämpften in der Dämonenwelt...wer hat gewonnen? Die Kolosse... wer hat mich verraten? Oh, Iria... Nein, nicht, Iria!... Sie hat mich verraten! Gift...im Wein. Warum Iria? Warum?... Sie ist tot. Sie ist tot...“ «`Die Welt ist ohne dich noch viel leerer als vorher‘» „Nein, ich will mich nicht erinnern! Aufhören!“ Verzweifelt schüttelte der junge Mann, der sich Charon genannt hatte, seinen Kopf und er bekam den Gesichtsausdruck eines gehetzten Tieres. Dann schloss er seine Augen und für einige Minuten herrschte Stille. Als er sie wieder öffnete schienen ein paar Tränen lautlos daraus hervor zu quellen, obwohl seine Gestalt nur ein Trugbild war, eine Spiegelung auf der Wasseroberfläche. „Bring die Blüte wieder weg, Sherril. Bring sie weg, ich möchte nicht mehr nachdenken. Gib mir meine Stille wieder zurück, ich bitte dich.“ Sherrils Herz klopfte bis zum Hals. Was hatte sie nur wieder angerichtet? Was sollte sie tun? Sollte sie schnell fortlaufen und jemanden holen? Ihre Eltern vielleicht, oder Titius? Aber nein, sie würden mit ihr schimpfen, bestimmt. Aber wie sollte sie sich jetzt verhalten? Sie konnte doch nicht... „Aber ich will das nicht! Wenn ich die Blume verwelken lasse, ist es ja fast so, als würde ich dich umbringen... Warum nur willst du sterben?“ „Das Leben hat keine Bedeutung mehr für mich, kleines Mädchen. Ich habe nichts mehr, rein gar nichts. Ich bin völlig alleine und werde es immer sein... das ist mein Schicksal. Ich will in dieser Welt nicht bleiben.“ „Ganz alleine? Aber das kann doch gar nicht sein! Hast du denn gar keine, äh…“ Sie dachte über alle Arten von Beziehungen nach, die sie kannte, „ keine Eltern, oder eine Ehefrau? Oder Freunde?“ Charon schreckte auf, schien plötzlich abermals sehr nachdenklich. Das Wort „Freund“ löste ein seltsames Gefühl in ihm aus. Worte kamen ihm in den Sinn. «`Wir sind doch Freunde...`» „Freund? Ich weiß nicht... doch, ich glaube, da gab es mal jemanden... aber ich kann mich nicht erinnern.“ Freudig nickte Sherril mit dem Kopf. „Na also! Das ist doch schon mal etwas! Sag mir, wer es war!“ «`Ich kann dich nicht töten.`» «`Egal wie du bist, ich mag dich`» Eine Stimme erfüllte Charons Kopf und langsam kehrte auch diese Erinnerung wieder zurück. „Wie war sein Name?“ hakte Sherril weiter nach. „Sein Name? Ja, ich erinnere mich. Sein Name war...“ ~*~ „Rod? Rod… ich.. oh mein Gott… warum?“ Asbars Stimme war halb erstickt unter Tränen. Seine Augen waren vom beißenden Rauch gerötet und sein Atem ging schwer und rasselnd. Er ließ sich auf die Knie ins feuchte Gras fallen und blickte völlig verzweifelt seinen besten Freund an, seinen Halbbruder, den er um alles in der Welt hatte beschützen wollen. Das brennende Schloss war nur noch ein Glimmen in der Ferne, das sich vom dämmernden Himmel abhob. Asbars Kleidung war zerrissen und halb verbrannt, überall hatte er Brandwunden und andere kleinere Verletzungen. Die letzten Stunden hatte er damit zugebracht, die wenigen Überlebenden aus dem Saal zu retten und später aus den Trümmern zu ziehen. Dann war er aufgebrochen um Rod zu suchen, fand ihn auch schließlich auf dieser kleinen Anhöhe, von der man das Schloss von weitem beobachten konnte. Dort stand der Azeel unbeweglich und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Asbar war am Ende seiner Kräfte. „Sie haben es verdient, Asbar. Sie haben gemordet, nur um noch weitere Menschen ermorden zu können und dann haben sie sich hingesetzt und gegessen und getrunken als wäre nichts gewesen.“ „Aber was hast du gerade getan Rod?“ Noch immer im Gras kniend starrte Asbar den anderen fassungslos an, dessen Blick immer noch in die Ferne gerichtet war. „Verdammt, was glaubst du denn, wie das heißt, was DU gerade getan hast? Du hast ein Massaker veranstaltet, kaum jemand hat überlebt, und diejenigen die das zweifelhafte Glück hatten, werden ihr Leben lang Brandmale mit sich herum tragen, sie werden Krüppel…“ „Und was ist mit den Leuten in Kimalda? Hat jemand danach gefragt?!“ Nun endlich richtete Rods Blick sich auf seinen Gefährten. Es war das erste Mal, seit sie aus dem anderen Dorf aufgebrochen waren, dass er Asbar wieder bewusst anblickte. Aber was in seinen Augen zu lesen war, ließ Asbar noch mehr das Blut in den Adern gefrieren, als alles vorher gegangene. „Rod, in der Halle dort waren auch Kinder; da waren auch eine Menge Leute, die damit nichts zu tun hatten, du hast sie getötet! Ist dir das überhaupt klar?!“ Mit letzter Kraft rappelte Asbar sich noch einmal auf und packte sein Gegenüber am Kragen. „Verflucht, du bist doch derjenige, der das immer gesagt hat, du warst derjenige, der dafür eingestanden hat, dass Vergeltung der falsche Weg ist! Vor Maruka damals hast du genau das abgelehnt, deine Macht zu nutzen um über andere zu richten. Alle bewunderten dich für diese Stärke, es ist das, was dich ausmacht, du stehst für das Gute!“ „Ach ja und was ist das denn bitte, das Gute? Wo ist es? Es muss ich irgendwo verdammt gut verstecken, ich kann es nämlich nicht finden! Ich hab mir was vorgemacht Asbar, ich dachte ich könnte etwas für die Menschen tun, aber nein, sie treten alles mit Füßen! Welchen Sinn macht das alles noch?“ Asbar war verzweifelt. Er blickte in Rods Augen, in denen Wut und Verzweiflung sich in Tränen sammelten. Er hätte es wissen müssen, er hätte ahnen müssen, dass es so kommen konnte. Anzeichen hatte es genug gegeben, die Verzweiflung hatte sich Stück für Stück in Rods Seele gefressen und er hatte die ganze Zeit nur zugesehen, sich immer eingeredet, dass es sich geben würde, das es nicht so schlimm sei. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er hatte versagt, er hatte auf ganzer Linie als Freund versagt! „Rod, bitte, bitte hör auf damit…“ Asbars Hände wanderten vom Kragen zu den schmalen und doch kräftigen Schultern des anderen, während seine Stimme nur noch ein Flüstern und sein Blick ein Flehen war. „Lass nicht zu, das das mit dir geschieht, das bist nicht du…“ Einen Moment lang sah er in Rods Augen etwas aufblitzen, eine Art Unsicherheit, Hilflosigkeit, der Wunsch, noch einmal umzukehren, das Ganze nur einen vergänglichen Albtraum sein zu lassen, aber es war zu spät. Nur eine Sekunde hatte es gedauert, dann kehrte dieser harte Ausdruck wieder zurück in die rehbraunen Seelenfenster. Er trat zurück, worauf Asbars Hände kraftlos von seinen Schultern fielen und drehte sich um, ging inmitten der einbrechenden Dunkelheit fort. „Tu es nicht Rod… tu das nicht…“ flüsterte Asbar noch einmal, aber der andere war bereits unerreichbar. ~*~ „Gibt es schon etwas Neues?“ Titius fuhr ein wenig zusammen, als er unerwarteter weise Hildas Stimme hinter sich hörte. Er hatte für einen Moment aus dem Fenster gestarrt und musst gedanklich abgeschweift sein. Er drehte sich zu der jungen Frau um, die die ansonsten leere Bibliothek betreten hatte. „Nein, noch nichts. Eigentlich müssten sie inzwischen einen Boten geschickt haben, der von der Lage berichtet, aber noch ist er nicht eingetroffen.“ „Das kann ein gutes Zeichen sein… vielleicht gibt es einfach nicht viel zu berichten. Sie haben die Mission schon erfüllt und sind bereits auf dem Heimweg. Sind ja immerhin schon fast zehn Tage, die sie fort sind, “ meinte Hilda in aufmunterndem Tonfall, stellte sich neben Titius ans Fenster. Dieser zuckte mit den Schultern. „Ich glaube kaum, dass sich ein solches Gefecht in so kurzer Zeit zu Ende bringen lässt. Glaubt nicht das, was Zadei so erzählt. Wenn es nach ihm ginge, würde er einfach einmal mit den Fingern schnippen und der ganze Gebirgszug mitsamt Lebewesen wären einfach weg, aber so leicht wird es wohl kaum sein.“ Titius war sachlich und herablassend wie immer, wenn es um Zadei ging. Hilda musterte ihn von der Seite. „Also ich mache mir schon ein bisschen Sorgen. Du nicht?“ fragte sie mit der gleichen naiven Stimmlage, die Sherril oft an den Tag legte. „Nicht mehr als nötig“, antwortete Titius knapp und Hilda wollte gerade zu einem Kommentar ansetzen, um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken, als vom Hof her plötzlich ein kleiner Tumult zu hören war. Beider Blicke wanderten sofort zum Fenster, von wo aus man erkennen konnte, dass ein Gefangener hereingeführt wurde, Details ließen sich allerdings nicht ausmachen. Darauf konnten weder Titius noch Hilda sich einen Reim machen und schon verließen sie die Bibliothek in Richtung Hof. Auf halbem Weg rannte ihnen schon ein Dienstmädchen in die Arme, stieß gegen Hilda und fiel beinahe mit ihr zusammen zu Boden, hätte diese sie nicht geistesgegenwärtig ausbalanciert. „Lady Hilda…Verzeiht, ich dachte ich sage euch so schnell wie möglich Bescheid. Dort unten im Hof haben sie einen Gefangenen herein gebracht. Er will mit Herrn Laures sprechen. Ich kenne seinen Namen nicht, aber ich habe ihn schon einmal gesehen, ich glaube es ist ein Freund von Euch.“ Verwundert sah Hilda das Dienstmädchen an, welches schon genauso lange auf dem Schloss war wie sie selber. Dann aber verlor sie keine weitere Zeit, dankte der jungen Frau und eilte weiter mit Titius zusammen zum Hof. Dort angekommen, entfuhr ihr ein Laut der Verwunderung. „Asbar!“ rief sie und lief dem Freund aus alten Tagen freudig entgegen, verlangsamte ihr Tempo aber abrupt, als ihr Asbars Blick entgegenschlug. Kalt und abweisend starrte er sie an, schien keinesfalls gewillt, ein fröhliches Wiedersehen zu feiern. Schnell sammelte sie sich. Nun, die Tatsache, dass er überhaupt hier in der Dämonenwelt aufkreuzte, von Wachen hereingeführt wurde, und überdies Rod nicht dabei war, ließ wohl kaum auf einen Freundschaftsbesuch schließen. Millionen von Fragen taten sich plötzlich auf. „Lasst ihn los, er ist ein… Freund von mir“, wies sie die Wachen an, die sich aber nur unschlüssig gegenseitig ansahen. Laures Anweisungen, was Eindringlinge anging, waren sehr eindeutig und sie waren nicht sicher ob es sie nicht Kopf und Kragen kosten konnte, den Befehlen der jungen Lady zu folgen. Zum Glück löste sich dieses Problem, als der Dämonenherrscher selbst erschien. Durch das hohe Eingangsportal kam er geschritten, ruhig und bedächtig, doch auch an ihm war, für das geübte Auge zumindest, ein gewisses Maß an Überraschung und auch Unwillen zu erkennen. „Asbar, was führt dich hierher?“ Der schwarz gekleidete Mann mit den zornigen Augen funkelte den Dämonenkaiser an und auch an seiner Stimme konnte man erkennen, dass es ihn keineswegs erfreute, hier zu sein. „Ich bin gekommen um mit dir zu reden, Laures. Aber als ich die Dämonenwelt betreten hatte und auf das Schloss zukam, wurde ich von deinen Leuten hier festgenommen.“ „Sie haben Anweisung, jede fremde Person, die sich nähert erst einmal mit Vorsicht zu behandeln. Aber sag mir, es muss was sehr Wichtiges sein, wenn du extra hier her kommst und meine Zeit stiehlst.“ „Ist es. Glaub mir, wäre es nicht wichtiger als mein eigenes Leben, ich wäre nicht gekommen.“ Einen Moment herrschte Schweigen im Hof. Nur durch Rod war die Feindschaft zwischen Laures und Asbar eine Stufe zurück gesunken auf schlichte Ablehnung und eine stillschweigende Akzeptanz, was natürlich nach wie vor nichts Positives war. Das Asbar hier war konnte nichts Gutes verheißen. Schließlich machte Laures eine Handbewegung, die den Wachen bedeutete, den Gefangenen los zu lassen. Dann drehte er sich um und bat seinen Besucher, ihm zu folgen. Auch Hilda und Titius schlossen sich, nachdem sie einen Blick miteinander gewechselt hatten, an. Doch der Weg in den Thronsaal war lang und Hilda konnte sich nicht länger zurückhalten. „Asbar, was ist passiert, wo ist Rod?“ Aber der Halbdämon warf ihr nur einen weiteren, funkelnden Blick zu. Stark musste er sich zusammenreißen, um nicht einen Kommentar wie „Ach, das interessiert dich?“ fallen zu lassen, der ihm Laures Bereitschaft, ihm überhaupt zuzuhören, sehr schnell entzogen hätte. Und das durfte nicht sein, er hatte dieses Opfer gebracht, war hier her gekommen und würde seinen Stolz hinunterschlucken, um sein Ziel zu erreichen, und das durfte er sich nicht selber kaputt machen. Doch stellte er fest, dass die reine Anwesenheit dieser Frau ihn reizte. Er hatte ihr verziehen… Er hatte in den letzten Jahren nicht mit Hass an sie gedacht, hatte wie Rod den Weg, den sie eingeschlagen hatte, akzeptiert. Zumindest hatte er das geglaubt. Aber nun, durch die Entwicklung der Situation, kam alles wieder hoch. Sie allein war im Grunde schuld, dass es so weit gekommen war. Sie… das einzige, was Rod jemals in seinem Leben gewollt hatte, ausgerechnet sie hatte sich von ihm abgewandt, sich auch noch mit seinem ärgsten Feind eingelassen. Was hatte er alles wegen dieser Frau ertragen… Alles, alles hatte er durch sie verloren! Dieses Wesen mit den langen goldenen Haaren, das da neben ihm her schritt und mit strahlend blauen Augen Interesse an Rods Verbleib heuchelte… Wo war sie gewesen in all den Jahren? Hatte sie auch nur ein einziges Mal nach ihm gefragt? Hatte sie sich auch nur einmal gefragt, ob es ihm denn gut ging, was er tat? Diese Schlange! Als er sie so ansah, bemerkte er plötzlich den Blick des geflügelten Dieners Laures, der ihn musternd ansah und wie nebenbei Hilda am Arm fasste und ein wenig von Asbar wegzog. „Ich denke wir werden es gleich erfahren, habt noch ein wenig Geduld, Lady Hilda“, sagte Titius ruhig, ließ Asbar aber keine Sekunde aus den Augen. Dieser hatte unwillkürlich das Gefühl, dass der andere ahnte, was in seinem Kopf vorging und er schwor sich, sich von nun an mehr zusammen zu reißen. Er durfte es jetzt nicht vermasseln! Endlich waren sie im Thronsaal angekommen, Laures ließ sich auf dem steinernen Thron nieder und seine Frau und sein Diener stellten sich zu ihm. Hilda hatte zwar auch einen rechtmäßigen Platz, einen Thron an der Seite ihres Gemahls, aber es war ihr unangenehm sich darauf zu setzen, besonders jetzt. „Nun, weshalb bist du hier?“ Der steinerne Saal verlieh Laures Stimme einen hallenden Ton. Asbar war keineswegs eingeschüchtert und das hatte auch keiner erwartet. „Es ist etwas Schreckliches geschehen. Oben gerät alles aus dem Gleichgewicht“, eröffnete Asbar seinen Bericht und allen war klar, das mit „oben“ die Menschenwelt gemeint war. „Es geht um Rod. Er…“ Asbar hielt inne. Obwohl er tausendmal in Gedanken durchgespielt hatte, wie er Laures das Geschehene erklärte, steckten die Wort nun wie ein Kloß in seinem Hals fest. „Was ist mit unserem strahlenden Helden? Hat er keine Lust mehr auf die Heldennummer und will mir Konkurrenz machen?!“ hakte Laures, dem diese Pause zu langwierig wurde, mit einem freudlosen Lächeln nach. „Wenn du wüsstest wie ernst die Lage ist! Rod ist völlig außer sich, er benutzt seine Kräfte nun, um Menschen zu töten!“ „Das ist überhaupt nicht möglich!“ rief Hilda nun, „Wie kann das sein, wir sprechen hier von Rod!“ Funkelnde Augen schickten ihr tausend Dolche entgegen. „Er ist am Ende, Hilda! Hast du auch nur eine Ahnung, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen ist? Er hat jeden Lebensmut verloren, er hat aufgegeben. Ja, Rod ist sehr stark und vor Jahren hätte ich es mir auch nicht vorstellen können, aber im Laufe der Jahre scheint er langsam den Glauben an das Gute im Menschen verloren zu haben. Zu viele Kriege, zu viel Leid. Jetzt glaubt er, der einzige Weg, dem Einhalt zu gebieten ist, alle Verantwortlichen aus der Welt zu schaffen.“ Hildas presste die Lippen aufeinander. Sie hörte sehr wohl den stillen Vorwurf, der ihr gemacht wurde. Asbar sah also zum Teil in ihr die Verantwortliche für all das? Nein, sie war mit Rod in Frieden auseinander gegangen, er hatte es akzeptiert. Natürlich tat es ihr nach wie vor Leid, diesen ihren wertvollsten Freund verletzt zu haben, aber die Entscheidung die sie getroffen hatte, würde sie immer wieder treffen. Sie liebte Laures, heute wie damals und sie war ehrlich zu sich und Rod gewesen. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen! „Ich kann es dennoch nicht glauben! So etwas würde er niemals tun!“ „Ach nein, dann sie es dir an! Sieh dir an, wie viele Burgen er in den letzten Tagen in Brand gesteckt hat! Er reitet durchs Land und bestraft jeden, bei dem er es für richtig hält, auf grausame Art und Weise.“ Laures, für den das Gespräch eine unangenehme Richtung einschlug, da er seiner Frau ansehen konnte, wie es sie emotional mitriss, mischte sich nun zum ersten Mal ein. „Nun, dann hat Rod ja endlich begriffen, das die Menschenbrut sich im Großen und Ganzen keineswegs besonders von den Dämonen unterscheidet. Eine weise Erkenntnis! Auch ich bin zugegebenermaßen ein wenig überrascht von seinem Verhalten und das ganze ist mit Sicherheit keine erfreuliche Situation für die Menschen, aber was habe ich damit zu tun? Ich habe seit den Vorkommnissen damals die Dämonen aus der Menschenwelt ferngehalten, wofür ihr mir dankbar sein solltet. Es geht mich nichts an, was von nun an dort oben vorgeht.“ „Laures!“ Seine Gemahlin hatte sich ihm nun zugewandt und starrte ihn ungläubig an. „Glaub mir, ich habe mir lange genug überlegt, überhaupt hier her zu kommen und mich dermaßen zu erniedrigen dich um Hilfe zu bitten, aber die Situation lässt mir keine andere Wahl. Rod ist zu stark, niemand kann ihn aufhalten. Das einzige Wesen, das ihm ebenbürtige, wahrscheinlich sogar überlegene Kraft besitzt, bist nun mal du Laures!“ Asbar holte einmal tief Luft, er hasste sich in diesem Moment, er hasste Laures und die blonde Frau neben ihm, aber er musste alles tun was er konnte. Und so sank der nun auf die Knie vor dem Dämonenherrscher, senkte seinen Kopf und bat noch einmal: „Bitte, halte Rod auf. Bitte.“ Einen Moment lang herrschte Stille im großen Thronsaal… Bis sie nach einigen Sekunden von einem monotonen „Nein“ von Laures unterbrochen wurde. „Aber Laures! Wir können doch nicht einfach hier sitzen und zusehen, wie Rod alle anderen und sich selbst zerstört!“ wandte Hilda sich nun energischer an ihren Gemahl. „Damit habe ich nichts zu tun. Im Grunde haben die Menschen es ohnehin nicht anders verdient. Sie sind nun einmal zerstörerisch und wertlos. Vielleicht sollte es ja so kommen. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Menschheit durch ihren einst größten Retter ausgelöscht wird.“ „Ach ja? Ich bin auch ein Mensch und du warst auch einmal einer, vergiss das nicht!“ rief Hilda nun zornig, aber dann geschah das mit ihr, was in solchen Momenten immer passierte. Ratlosigkeit und Verzweiflung wandelten sich bei ihr in Stärke und Entschlossenheit. Trotzig reckte sie ihr Kinn. „Nun gut, aber es ist ohnehin nicht wichtig, was du tust oder nicht, denn ich werde gehen und mit ihm reden. Bestimmt lässt er sich wieder zur Vernunft bringen.“ „Nein!“ Nun war der sonst so zynische Laures aufgesprungen, mit einem Mal gar nicht mehr so ruhig. „Nein, du wirst nicht gehen! Das ist viel zu gefährlich!“ „Rod ist mein Freund. Er wird mir zuhören. Ich weiß dass Rod kein Böser Mensch ist, ich werde ihn wieder zur Vernunft bringen.“ „Nein, das werde ich nicht zulassen!“ Auch Asbar protestierte mit gepresster Stimme: „Ich glaube in der Tat, dass dein Erscheinen die Sache unter Umständen noch verschlimmern könnte…“ Titius, der sich die ganze Zeit zurückgehalten hatte, beobachtete alle Gesprächsteilnehmer nach wie vor kritisch. Grundsätzlich stimmte er Laures zu; die Vorgänge in der Menschenwelt gingen sie wirklich nichts an, die Welten waren getrennt und das sollte auch so bleiben. Aber er wusste, wie Laures dachte und was geschehen würde. Bei Gott, er wusste es. Hilda schien den Einwand Asbars zu akzeptieren. Sie sah ihren Gemahl ernst an, ihre Stimme hatte nun keinen streitsüchtigen Ton mehr, sondern war eindringlich und bittend zugleich. „Laures, er ist mein bester Freund. Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt. Das hat er nicht verdient, er hat soviel für mich getan. Bitte hilf ihm.“ Einen stillen Moment lang tauschten die beiden Blicke aus, dann nickte Laures, endlich wieder völlig ruhig. „Wenn es dein Wunsch ist. Nun gut, ich werde mir die Sache einmal ansehen.“ Titius seufzte kaum hörbar. Es war vorherzusehen gewesen. Laures würde alles tun, um seine Gemahlin nicht traurig zu machen. Und das, obwohl ihm diese Sache mehr als zuwider sein musste. Rod war sein Rivale, er hätte Hilda damals fast an ihn verloren. Bekämpft hatten sie sich, bis aufs Blut. Und natürlich musste es ihn zusätzlich verstimmen, das Hilda noch immer Gefühle für Rod hegte, wenn auch freundschaftliche. Aber im Gegensatz zu Zadei war Laures in der Lage, seine Eifersucht unterzuordnen und sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. Titius musste unwillkürlich fast ein wenig lächeln. Ja, Zadei hätte das auch für ihn getan, wenn er ihn so darum gebeten hätte, wie Hilda gerade den Dämonenfürsten, nur hätte Zadei die Sache erledigt, indem er Rod einfach den Kopf abgerissen hätte. Problem gelöst. Hilda und Asbar schienen gleichermaßen erleichtert. Und auch wenn letzterer einen tiefen Groll gegen Hilda hegte, so wusste er, dass er es ihr zu verdanken hatte, dass Laures sich dazu bewegen ließ, ihm zu helfen und das er Rod nicht einfach angreifen würde, wenn sie sich begegneten. Und offenbar hatte der Dämonenfürst auch nicht vor, Zeit zu verschwenden. „Asbar, wir brechen zusammen in die Menschenwelt auf. Zeig mir, wo ich ihn finden kann.“ Damit brachen die beiden Männern, die in der tat eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit aufwiesen, auf und Hilda und Titius blieben allein in der riesigen Halle zurück. Hilda blickte den beiden mit leerem Blick hinter her und als sie verschwunden waren, sagte sie nach einer Weile: „Er hasst mich. Hast du diesen Blick gesehen?“ „Ist mir nicht entgangen“, antwortete Titius. „Was habe ich denn getan? Ich bin meinem Herz gefolgt, kann man mir das vorwerfen? Wäre es anders gewesen, hätte ich mich für Rod entschieden, wäre Laures der Verletzte gewesen. Egal was ich tue, ich bin die Schuldige…“ „Nein, dass seid Ihr nicht, Lady Hilda. Was auch immer dort oben mit dem armen Teufel vor sich gehen mag, Euch ist nichts vorzuwerfen. Nicht einmal denken solltet Ihr das.“ Hilda warf dem Mann einen Blick zu, der ihr einst selbst nach dem Leben getrachtet hatte, weil er in ihr die Wurzel allen Übels gesehen hatte. Titius verstand diesen Blick und sah etwas verlegen zur Seite. Leise sagte er: „Die Liebe stellt seltsame Dinge an mit einer Seele. Man neigt sehr schnell zu vorschnellen Schlüssen, ohne die Sache genauer zu betrachten. Und manche gebärden sich unter ihrem Einfluss toller als andere. Wir glauben, immer die Entscheidung getroffen zu haben, die wir für richtig hielten, aber haben wir eigentlich wirklich die Wahl?“ Das „wir“ war nicht so allgemein gemeint, wie es klang. Titius räumte hiermit ein, dass er und Hilda in dieser einen Sache etwas gemeinsam hatten. Auf sie beide wirkte jemand ein, dessen Liebe etwas sehr Dominantes und Besitzergreifendes hatte. Aber das war nicht alles, worauf er hinaus wollte: „Ich meine, die Frage ist, wäre es nicht früher oder später ohnehin so gekommen? War es nicht vielleicht weniger Eure Entscheidung, sich Laures und nicht Rod zuzuwenden, als vielleicht Schicksal? Vielleicht ist es so vorbestimmt gewesen, hätte niemals anders verlaufen dürfen.“ Hilda lächelte ein wenig. „Nun, das ist eine sehr interessante Art, jegliche Schuld von sich zu weisen. Wenn alles Schicksal ist, sind wir für nichts verantwortlich. Wir haben gar keine echte Entscheidungsfreiheit. Ist es das, was du sagen willst?“ Titius überlegte. „Ich weiß es nicht. Ich denke nicht, dass wir auf nichts Einfluss haben. Vieles liegt mit Sicherheit in unserer Hand, aber anderes wiederum vielleicht nicht unbedingt. Ich… wie sonst hätte es dazu kommen können, dass Zadei und ich uns zusammen tun. Ich habe das nicht gewollt und es war niemals logisch. Und dennoch ist es so. Wenn das nicht so etwas wie das Schicksal ist… eine andere Erklärung habe ich nicht.“ Hilda schwieg einen Moment, während Titius noch immer etwas betreten und nachdenklich zur Seite blickte. Selten gab der Engelsdämon etwas von seinen Gedanken preis, noch dazu etwas so Persönliches. Die junge Frau legte eine Hand auf seinen Arm. „Vielleicht sollten wir uns nicht immer die Frage nach dem „Wie“ und „Warum“ stellen. Letztendlich zählt doch, ob man mit der Situation zufrieden ist oder nicht? Ich bin sehr glücklich wie es ist… Ja, es ist sehr gut so. Letztendlich ist es doch eigentlich egal, warum es so gekommen ist, ob nun Schicksal oder eigene Entscheidung. Du hast recht, ich brauche mir nichts vorzuwerfen, was auch immer Asbar oder der Rest der Welt denkt. Ansonsten…was mir nicht egal ist, ist wie es Rod ergeht. Er bedeutet mir viel und auch wenn Asbar es mir nicht glauben würde, ich habe sehr oft an ihn gedacht, nur hielt ich es für das richtige, mich nicht bei ihm blicken zu lassen, auch wenn ich den Wunsch danach hatte. Und jetzt, wo es im so schlecht geht, will ich ihm helfen. Zumindest einen Teil von dem, was er für mich getan hat, will ich wieder gut machen. Es fällt mir nur sehr schwer, die Sache Laures zu überlassen, am liebsten würde ich selbst…“ „Kommt nicht einmal auf den Gedanken, Lady Hilda!“ „Ja ja, ich werde schon nichts tun. Ich werde brav hier bleiben und warten, was Laures zu berichten hat.“ Endlich wieder fröhlich, zwinkerte sie Titius zu. Auf dessen Lippen zeigte sich ein leichtes Lächeln, das leider nicht ganz echt war, denn plötzlich war ihm seltsam schwer ums Gemüt. Aber dennoch freute er sich, Hilda aufgemuntert zu haben. Er nickte ihr zu und dann setzten sie sich in Bewegung, verließen zusammen den Thronsaal. Kapitel 4: ----------- Titel: Longing – Just for you Teil: Kapitel 4 Autor: Tsugumi Email: jennybreidenbach@yahoo.de Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 18 Warnung: limone, angst, gewalt Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Disclaimer: Die Welt und Charaktere von Seimaden gehören nicht mir, diese Fanfiction dient nur der Unterhaltung und ich will damit keinen Profit machen. Kommentar: Meine Güte, die story hab ich ein wenig zu groß angelegt wie ich finde. Ich bin jetzt bei Kapitel 7 und scheinbar werden es um die zehn, dabei waren ursprünglich nur etwa 50-60 Seiten geplant. Das hat man dann von zu vielen Handlungsfäden! >.< Kapitel IV Asbar und Laures erreichten schließlich die Menschenwelt. Laures hatte ein Portal errichtet, mit dem sie ohne weitere Umschweife auf die andere Seite kamen. Mit jeweils einem Drachen ausgerüstet, die Laures jedoch unsichtbar gemacht hatte, überflogen sie nun den blauen Himmel der Menschenwelt. Laures schauderte ein bisschen, als er die andersartige Luft einatmete. Wie lange war er nicht mehr hier gewesen? So unendlich lang schien es ihm her zu sein. So entfremdet war er dieser Welt. Sie mussten nicht lange suchen. Asbar konnte seinen Gefährten aufspüren, ein Ausdruck der geringen magischen Kräfte, die er besaß. Aber diese Kräfte wären vermutlich nicht einmal nötig gewesen… Man musste nur den Spuren folgen, die aus aufgeregten Tumulten und schreckensbleichen Gesichtern bestanden. Schnell hatten sie herausgefunden, dass Rod sich zurzeit eine weitere Burg vorgenommen hatte. Sie sahen die rauchende Ruine schon von weitem und der Dämonenkaiser seufzte innerlich, als sie in einiger Entfernung die Drachen landeten und abstiegen. Wäre Laures nicht er selbst gewesen, er wäre einfach reinmarschiert, hätte ein paar Worte mit Rod gewechselt, vielleicht mit ihm gekämpft, wäre wieder abgezogen und hätte behauptet alles getan zu haben, was in seiner Macht stand. Aber Laures war niemand, der etwas nur halb tat oder gar zum Schein. Er hatte es versprochen. Er hatte versprochen den anderen zu stoppen –und das ohne ihn umzubringen- und das würde er auch nach bestem Gewissen tun, denn so war er gestrickt. Natürlich machte es keinen Sinn. Er, der er den Menschen den Rücken gekehrt und seine eigene Gattung bekämpft hatte, wie sollte gerade er jemanden überzeugen, sich nicht gegen die Menschen zu wenden? Ganz davon abgesehen, dass er und Rod Feinde waren. Sie hatten einen Waffenstillstand gehabt, aber niemals wirklich Frieden. Nein, es machte keinen Sinn, dass ausgerechnet ihm diese Aufgabe zuteil wurde und dennoch… Asbar schien in ihm die einzige Rettung zu sehen. Der Mann, der seit ihrem Aufbruch kein einziges Wort mehr gesprochen hatte, wirkte nun sichtlich nervös. „Komm ja nicht auf die Idee, ihm irgendwie zu schaden, hörst du? Ich will, dass er wieder zur Vernunft kommt, nicht mehr und nicht weniger!“ bellte Asbar ihn an, als er seinen Blick bemerkte. Laures nickte nur und sie erreichten die Burg, oder das, was davon übrig war. Die Ruine roch erdrückend nach verkohltem Holz und zerschmetterten Träumen. Einige Menschen hatten fliehen können, aber die meisten waren der Flammenhölle nicht entkommen, ihre Körper pflasterten den Boden bis hin zu der kleinen Kapelle, in der Rods Aura auszumachen war. Bis auf die Grundmauern und einige Dachbalken, die wie nacktes Gerippe wirkten, war allerdings auch hiervon nicht mehr viel übrig. Asbar verharrte: „Geh du allein hinein. Wenn er merkt, dass ich dich geholt habe, wird sein Zorn nur noch mehr steigen. Ich werde indes nach Überlebenden suchen.“ Laures sah ein, das Asbar wohl Recht hatte und so nickte er. Er wusste, was er zu tun hatte. Mit emotionslosem Gesicht stieg er ein paar Stufen hinauf und ohne sie zu berühren räumte er einige Trümmer und die heraus gefallenen Türflügel zur Seite. In dem Moment drehte sich Rod, der sich inmitten der kleinen Halle befand, zu ihm um und erstarrte für einen Augenblick, wie er Laures da so in der Tür stehen sah. Unverändert seit so vielen Jahren. Der Mantel umfing die ganze Gestalt rabenschwarz und das Haar floss schnurgerade seinen Rücken hinab. Keinen Tag schien er gealtert zu sein. Kleine Ketten und Edelsteine klirrten an den schimmernden Rüstungsteilen. „So so… auf diese Art sieht man sich also wieder. Ich muss zugeben ich bin überrascht“, sagte Laures mit einem süffisanten Lächeln. „Was willst du hier?!“ schleuderte Rod ihm entgegen. Laures musste zugeben, dass er wirklich ein wenig erschrocken war über den Ausdruck in den Augen des jungen Helden. Das es selbst mit so einem wie Rod von den Azeel so weit kommen konnte… „Nun ja, ich habe gemerkt, dass hier oben eine Party stattfindet, da wollte ich nicht fehlen. Ich muss gestehen, ich finde es nicht ganz fair, dass mir solche Späße untersagt werden, während du dich einfach austoben kannst. Vor Jahren hättest du mich für solches Verhalten bekämpft. Aber wie ich das jetzt so sehe, hätten wir uns doch von vornherein zusammentun können und den Spaß geteilt.“ „Spar dir deinen Zynismus. Was willst du wirklich?“ knurrte Rod. Laures seufzte. „Ich bin hier, um dich zu stoppen Rod. Weil es im Interesse vieler liegt. Im Interesse der Menschheit allen voran vermutlich, aber auch dem deiner Freunde… wobei ich leider auch Hilda nennen muss. Du kannst dir vorstellen, wie sie reagiert hat, als sie hörte was du tust.“ „Hilda…“ murmelte Rod traurig, „Wie geht es ihr?“ „Gut…“ Laures sparte sich an dieser Stelle die Information, dass sie ihr zweites Kind mit ihm geboren hatte. „Sie macht sich Sorgen.“ Und schon flammte Rods Zorn wieder auf. „Das geht sie nichts an, das hier geht niemanden etwas an und dich erst recht nicht. Verschwinde von hier!“ „Warum tust du das, Rod? Frustriert? Das war doch abzusehen! Bei deinem Lebensstil und deiner Einstellung. Immer nur Gutes tun wollen, alles Böse der Welt abwenden, alles und jeden beschützen… Dass das alles nicht möglich ist, hast du doch gelernt. Aber du hast weiter an dieser festgefahrenen Vorstellung von einer perfekten Welt festgehalten und als du dann doch irgendwann aus deinem Traum aufgewacht bist, warst du enttäuscht. Du bist es selber Schuld Rod, was aber nicht heißt, dass es jetzt so bleiben muss.“ Ohne Rod in den letzten Jahren gesehen zu haben, ohne eine einzige Nachricht von der Menschenwelt empfangen zu haben, wusste Laures ganz genau, was in Rod vorging und hatte es treffsicher und ohne Umschweife formuliert. „Spar dir dein Geschwätz, Dämon! Das Ganze hier hat dich nicht zu interessieren, geh zurück in die Makai und kümmere dich um deinen Dreck!“ Laures schüttelte leicht den Kopf. Leider war es nicht so. Was Hilda anging, ging auch ihn etwas an. Und das war nicht alles, wie ihm inzwischen klar geworden war. Rods Macht stellte ein Kräfteungleichgewicht dar, es gab in der Menschenwelt niemanden der ihm etwas entgegenzusetzen hatte. Ein solcher einzelner Machtpol war niemals gut, erst recht nicht wenn er plötzlich zu extremen Handlungen neigte. Es war zudem auch durchaus in Betracht zu ziehen, dass er sich früher oder später gegen die Makai wandte und dann würden sie sich ohnehin gegenüber stehen. Es ging ihn also sehr wohl etwas an, mehr als er zunächst gedacht hatte. „Tut mir leid, aber ich kann dich nicht weiter Massaker veranstalten lassen und meine Gründe sind hier uninteressant. Ich sage dir etwas, ich selbst habe die Menschen bis aufs Blut bekämpft. Ich bin kein Freund der menschlichen Rasse, wie man mir auch sehr deutlich ansieht. Aber inzwischen sehe ich keinen Anlass mehr, sie zu bekämpfen. Sie sind mir zuwider, aber ich habe kein Interesse mehr an ihnen. Sollen sie tun und lassen was sie wollen, es geht mich nichts an. Warum denkst du nicht genauso? Lass sie tun was sie wollen und konzentrier dich auf dein eigenes Leben, anstatt dich immer einmischen zu wollen… Sei es zum Guten oder zum Bösen.“ „Aber ich kann sie nicht einfach walten lassen. Das was sie tun führt ins Chaos!“ „Und das was du tust etwa nicht?! Willst du sie alle auslöschen? Gute Idee, dann ist keiner mehr da, der sich bekämpfen kann… Nur bist du dann ganz alleine!“ „Das… bin ich sowieso…“ flüsterte Rod kaum hörbar und hob im gleichen Moment die Hand. Sofort reagierte Laures und errichtete eine magische Barriere, die die Energiewelle des anderen abprallen ließ. Dennoch schwankte er ein wenig. Er hatte völlig vergessen welche enormen Kräfte der andere besaß. „Wage es nicht mich anzugreifen Rod! Komm endlich wieder zu Verstand! Das hier führt zu nichts!“ Doch Rod ließ sich nicht zur Raison bringen. Er schickte einen weiteren Energiestoß, diesmal so heftig, dass er um Laures Schutzschild herum die ganze Mauer wegsprengte. „Rod was tust du? Du sollst ihm zuhören! Er ist nicht hier um gegen dich zu kämpfen!“ ertönte plötzlich Asbars Stimme, der von dem lauten Knall höchst alarmiert herbeigeeilt war. „Asbar?“ rief Rod außer sich, als er sofort eins und eins zusammen zählte, „Was hast du damit zu tun?!“ Laures hob eine Hand zum Gesicht. „Verdammter Idiot“, murmelte er vor sich hin. Jetzt würde es richtig lustig werden. „Rod ich… ich habe keinen anderen Weg mehr gesehen… Ich will dir helfen, bitte sieh das doch!“ „Du hast meinen Erzfeind hier her geholt um mir zu helfen?! Du bist ein Verräter!“ „Nein, Rod“, Asbar war völlig verzweifelt, „Ich will dir helfen!“ „Du bist ein Verräter! Verräter!“ brüllte Rod und die knisternde Luft um ihn bündelte sich erneut. Laures konnte selbst kaum glauben, was er tat. Er bewegte sich vor Asbar und errichtete erneut seine Barriere, um auch den anderen zu schützen, den diese Kraftwelle mit Sicherheit zerrissen hätte. „Asbar, verschwinde du Idiot! Der will dich umbringen!“ rief er ihm zu, doch dieser stand nur noch da und starrte ins Leere. „Verdammt noch mal…“ fluchte Laures leise vor sich hin. Das wurde langsam wirklich unangenehm. Zeit, dass er andere Seiten aufzog, mit Worten war Rod offenbar nicht mehr beizukommen. „Rod hör mir genau zu, wenn du nicht augenblicklich damit aufhörst werde ich dich mit Gewalt stoppen! Ich werde dich kampfunfähig machen und in einen Kerker in meinem Schloss schmeißen, wenn das der einzige Weg ist, dich von deinem Tun abzuhalten!“ Das war die Notlösung, die Laures sich parat gelegt hatte. Sie war nicht das, was Asbar und sich vorgestellt hatte, aber es würde seinen Zweck erfüllen. Davon abgesehen war Asbar offenbar ohnehin nicht mehr in der Lage, irgendwelche Einwände zu äußern. „Das wollen wir doch einmal sehen“, war Rods Antwort und nun eröffnet er erst richtig das Feuer auf Laures. Aber dieser hatte es satt, sich passiv zu verteidigen. Nun begann auch er zu kämpfen, schleuderte zwischen der Errichtung seiner Barrieren zwei Energiewellen auf den anderen. Die erste konnte Rod abwehren, die zweite ergriff ihn und schleuderte ihn meterweit über den Boden. Auch dieser schien im ersten Moment überrascht, hatte wohl auch vergessen, wie groß Laures Kraft war. Aber das war bei weitem nicht sein erster Kampf gegen einen Dämon und so stand er in sekundenschnelle wieder auf den Beinen. Und nun entbrannte das Gefecht. Held und Dämon bekämpften sich mit allem was sie hatten. Dutzende Explosionen vernichteten auch die letzten Mauerreste des ehemaligen Schlosses, bis kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Und obwohl Laures nebenbei noch darauf achtete, das der unbewegliche Asbar nichts abbekam, zeichnete sich bald ab, dass er die Überhand hatte. Rod war stark, in seinen Körper hatte sich die freigesetzte Macht der Azeel ergossen. Aber Laures war derjenige, der sie freigesetzt hatte und in ihr überlebt hatte. Ihre Kräfte waren nach wie vor ungleich. Rod registrierte dies mit wachsender Verzweiflung. Wandte sich denn alles und jeder immer gegen ihn? Selbst sein einziger, bester Freund, sein Bruder, hatte ihn verraten. Und nun sollte er von seinem Erzfeind besiegt und gefangen genommen werden? Nein, das durfte nicht geschehen! Er verteidigte sich mit allem was er hatte, aber schließlich gab es kein Entrinnen mehr. Der Kampf zeichnete immer deutlich eine Tendenz ab. Schließlich war Rod zusammen gebrochen, kauerte auf den Knien und hielt sich eine seine vielen blutenden Wunden. Sein Atem ging hastig und sein ganzer Körper kribbelte von den Energieentladungen. Seine Hände zitterten so, dass er die Finger kaum bewegen konnte. „Nun, ich denke, das war es jetzt oder?“ Auch Laures musste zugeben, dass er sehr angestrengt war, aber das war nichts im Vergleich zu Rods Erschöpfung. „Lass mich in Ruhe, verschwinde endlich! Ich möchte nur in Ruhe gelassen werden!“ keuchte Rod noch einmal verzweifelt, aber Laures ließ sich nicht beirren. Er hob die Hand, um Rod einen letzten Schlag zu verpassen, der ihn ohnmächtig werden lassen sollte, damit er ihn mitnehmen konnte. Dieser hob die Hand um sich zu wehren und schrie, aber in dem Moment, als Laures die Welle losschicken wollte, gab es plötzlich ein grelles Aufblitzen, welches Laures sich mit einem Schrei abwenden und seine Augen verdecken ließ, bevor er von einem Energiestoß gefasst und nach hinten geschleudert wurde. Völlig verwirrt und mit tausenden Lichtern, die vor seinen Augen tanzten, rappelte er sich wieder auf und versuchte zu verstehen, was geschehen war. Aber das würde sich ihm nicht erschließen, denn Rod war nicht mehr da, wo er eben noch gekniet hatte. Fassungslos blickte Laures um sich und versuchte, die Aura des anderen aufzuspüren. Nichts. Rod war verschwunden. ~*~ Hilda kam ihm entgegengelaufen, als Laures die Eingangshalle betrat. Sie umarmten sich stumm für einen Moment, dann beantwortete er die Frage in ihrem Blick. „Es ist nicht ganz so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte.“ Hilda atmete einmal zitternd aus, in dem Bewusstsein, dass es schlechte Nachrichten gab. „Ich habe versucht mit ihm zu reden, aber er wollte nicht hören. Ich hab ihm gedroht, es hat nichts genützt. Und schließlich griff er mich an und ich hatte keine Wahl mehr. Ich wollte ihn gefangen nehmen und hier her bringen, aber dann… war er plötzlich verschwunden.“ Hilda blickte ihn verständnislos an und Titius, der sich unauffällig im Hintergrund gehalten hatte, formulierte ihre Frage aus: „Wie kann es sein, dass er einfach verschwunden ist? Konntet Ihr ihn nicht verfolgen?“ Laures schüttelte langsam den Kopf. „Er war von einer Sekunde auf die andere weg. Keine Aura, nichts mehr.“ Er wandte sich müde von seiner Gemahlin ab und machte Anstalten, die riesige Wendeltreppe hinaufzusteigen. „Ach ja. Gebt Asbar einen Raum wo er sich ausruhen kann. Er wird eine zeitlang bleiben.“ Alle Blicke flogen in Richtung Tür, wo Asbar mit versteinerter Miene stand. „Aber was tun wir jetzt wegen Rod?“ rief Hilda hinter ihm her. „Ich werde Späher ausschicken, die die Menschenwelt –natürlich unauffällig- durchsuchen. Wegen dem Feldzug sind wir momentan etwas knapp an Leuten, aber früher oder später muss Rod ja wieder auftauchen und dann werde ich wieder zu ihm gehen.“ „Und was wirst du dann tun?“ Seine Frau kam hinter ihm her geeilt und stieg mit ihm die Stufen hinauf. „Das weiß ich noch nicht“, murmelte der Dämonenfürst und dann senkten sich die Stimmen der beiden, was sie weiterhin zu sagen hatten war nur für sie und offenbar nicht mehr für die Ohren anderer bestimmt. Da Titius das einsah, wandte er sich nun Asbar zu. „Kommt. Ich bringe Euch in ein Zimmer, in dem Ihr ruhen könnt.“ Asbar schenkte ihm nur einen unfreundlichen Blick, aber schien auch gleichzeitig unendlich kraftlos zu sein. Somit quittierte Titius den Blick nur mit seinem typischen eiskalten Gesichtsausdruck und wandte sich um, in der Annahme, dass der andere ihm folgen würde, was auch wirklich geschah. Sie gingen schweigsam durch die Gänge und Titius ärgerte sich ein wenig, das Laures dem anderen gestattet hatte, hier zu bleiben. Manchmal war er einfach zu gutmütig! Und Asbar schien keineswegs besonders dankbar zu sein, er brütete still vor sich hin. Schließlich hatte er ihren Besucher in einem angemessenen Raum untergebracht und schloss gerade die Tür hinter sich, als er auch schon in den vermeintlich leeren Flur hineinrief. „Komm raus.“ Sofort schaute hinter einer Säule Sherrils schwarzer Lockenkopf hervor. „Du hast mich bemerkt?“ „Wie könnte ich nicht, wenn du schon in der Halle auf der Lauer gelegen und uns nun die ganze Zeit verfolgt hast. Warum bist du nicht gleich heraus gekommen?“ „Hm, ich weiß nicht. Ich hab Angst vor dem Mann da.“ Interessant, so etwas von jemandem zu hören, der Zadei nach Belieben auf der Nase rumtanzte und bei dessen Wutausbrüchen nicht einmal mit der Wimper zuckte. Titius schloss für sich, dass Asbar auf Sherril befremdlich wirken musste, und seine Feindseeligkeit war ja auch nicht zu übersehen. Aber Laures sah offenbar keine Gefahr in ihm. „Er ist gar nicht so verschieden, im Gegenteil Sherril, er ist ein Halbdämon wie du und….“ Titius stockte. Er hatte es beinahe vergessen. Tatsächlich hatte Asbar mit Sherril so einiges gemein. Asbar war das Ergebnis einer unbedeutenden Affäre seines Herrn, so viele Jahre war es her. Laures hatte sich damals zum Zeitvertreib mit einer Hohepriesterin der Azeel eingelassen, dieselbe Frau, die nachher ironischer weise Rod gebären sollte. Titius kannte die Geschichte, nämlich dass sie anschließend verrückt geworden und sich das Leben genommen hatte. Laures hatte das nie interessiert und Asbar hegte vor allem deswegen einen tiefen Groll gegen ihn. Aber er verschwieg Sherril, dass sie im Grunde verwandt waren. „… er war früher ein Freund deiner Mutter.“ „Aber ist uns feindlich gesinnt. Vater scheint viele Feinde zu haben, nicht wahr? Ist dieser Asbar auch der Ansicht, dass Vater den Thron nicht verdient?“ Titius zog eine Augenbraue hoch. „Ähm, nein, dass ist es nicht unbedingt… aber was meinst du mit ‚auch’?“ „Na ja, weil Zadei so etwa sagte…“ Titius wurde hellhörig. „Was hat Zadei denn gesagt?“ „Hm, er hat sich sehr aufgeregt und sagte, dass Vater den Thron nicht verdienen würde, dass es nicht recht wäre, dass ein dahergelaufener Mensch ihn sich unter den Nagel reißt. Stimmt das?“ Der Engelsdämon seufzte. Zadei würde sich niemals ändern. Aber Töne dieser Art hatte er lange nicht mehr verlauten lassen. „Natürlich war es recht, dein Vater ist der rechtmäßige Nachfolger, den Mallion gewählt hat. Es passt lediglich einigen nicht, dass er einmal ein Mensch war. Aber mach dir darüber keine Gedanken, Herr Laures ist der stärkste Dämon in der Makai und somit ist die ganze Sache keine Diskussion wert. Und was Asbar angeht, das hängt alles mit einer alten Geschichte zusammen und er hatte deinen Vater um Hilfe gebeten. Er ist also nicht mit feindlichen Absichten hier.“ „Hm.… du Titius?“ „Ja?“ „Ich glaube ich muss dir etwas sagen. Ihr sprecht im Zusammenhang mit Asbar die ganze Zeit von einem Rod. Ich glaube…äh… ich hab den Namen schon mal gehört.“ Sherril wurde kleinlaut, denn schließlich machte sie ja gerade ein Geständnis. Rod war der Name, den ihr neuer Freund vom See genannt hatte. Charon… sie hatte ihn zwar kein zweites Mal gesehen, er war nämlich damals einfach verschwunden, nachdem er sich an seinen alten Freund erinnert hatte. Aber zudem war Sherril auch nicht mehr an den See gekommen, weil man sie mal wieder nicht aus den Augen ließ und sie keine Gelegenheit gehabt hatte, nachzuschauen. Es kam ihr schon seltsam vor, dass dieser Name nun wieder auftauchte, es musste sich zweifellos um die gleiche Person handeln. Das war vielleicht wichtig und sie sollte es besser beichten. Allerdings wusste sie, dass sie dann auch ihr Geheimnis preisgeben musste, wie sie aus dem Schloss entkam und dann würde man es ihr verbieten und sie daran hindern es wieder zu tun. Sherril rang mit sich, was sie tun sollte, doch noch während sie zögerte, legte Titius ihre Worte auf eine andere Art und Weise aus. „Das wundert mich nicht, dass du den Namen schon gehört hast, so wie du rumschnüffelst. Ich weiß, was du jetzt fragen willst, nämlich was genau passiert ist, aber das werde ich dir nicht erzählen. Du weißt schon mehr als für ein Mädchen von neun Jahren gut ist. Und nun geh zurück zu deiner Amme und Prinz Makaze halte dich von Asbars Raum fern.“ Selten hatte Sherril Titius so streng sprechen hören. Sie zog eine Schnute. Nun, dann war es klar, wenn der andere ihre Geschichte nicht hören WOLLTE… „Na gut, dann eben nicht!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und rauschte davon. Etwas verwundert sah Titius ihr nach. Was war das jetzt für ein Auftritt gewesen? Aber er hatte nicht die Muße, sich jetzt über Sherril Gedanken zu machen, es gab mehr als genug anderes. Die ganze Sache, Rods Gesinnungswechsel, sein plötzliches Verschwinden… Er hatte das Gefühl, dass etwas vor sich ging, was sie noch nicht richtig einschätzten. Wieder bekam er ein Unwohles Gefühl im Magen und zudem ärgerte ihn auch, was Zadei zu Sherril gesagt hatte. Er wusste, dass er es nicht so meinte, Zadeis Antihaltung gegen Laures war nun mal etwas, was zu ihm gehörte wie seine Dämonenklaue. Zwar war die tiefe Feindschaft mit Laures längst begraben, das wusste Titius und... nun zumindest war Titius die ganze zeit davon ausgegangen, dass dem so war. Aber wusste er es wirklich? ~*~ Als Rod wieder zu sich kam, fand er sich in feuchtem Gras wieder, das mit würzig-nassem Geruch seine Nase füllte. Er setzte sich auf und blickte in den Himmel, der ein tiefes Dunkelblau zeigte. Es war noch nicht ganz Nacht, aber es tanzten bereits tausende Glühwürmchen durch die schwüle Luft. Es waren nur zwei Dinge zu hören, das Zirpen von Grillen um ihn herum im Gras und das leise Plätschern von kleinen Wellen, das von dem See kam, an dessen Ufer er lag. Einen Moment lang überlegte er, wie er hier hingekommen war, befand aber, dass seine Kräfte sich im Selbsterhaltungstrieb von alleine in dieser Weise gezeigt und ihn aus der Gefahr entfernt hatten. Er hatte seine Macht ohnehin zum ersten mal in völlig neuer Art und Weise benutzt, da war es vermutlich kein Wunder, wenn er ganz neue Aspekte daran kennen lernte. Kraftlos zog Rod die Knie an und legte sein Gesicht darauf. Noch immer war er mit Wunden übersäht und ausgelaugt, aber das war nichts im Vergleich zu der Leere, die er in seinem Inneren fühlte. Er konnte nicht mehr. Was hatte das ganze für einen Sinn? Seine Wut war verraucht. Er hatte sich in einem intensiven Rausch befunden, hatte sich einfach in der Wut treiben lassen und sich ihr hingegeben. Es hatte gut getan, seinen Kopf einmal auszuschalten und sich einfach seinen Emotionen zu überlassen. Aber das bittere Erwachen hatte kommen müssen, war unvermeidlich. Jetzt stand er vor einem Trümmerhaufen, denn er hatte sein eigenes Leben in Schutt und Asche gelegt. Laures Erscheinen hatte durchaus seinen Effekt gehabt. Jetzt wo sich jemand eingemischt, ihm Grenzen aufgezeigt und ihm vor Augen geführt hatte, dass er sich nicht ungestraft einfach seiner Wut hingeben konnte, setzte das vernünftige Denken plötzlich wieder ein. Aber er wollte nicht weiter darüber nachdenken, wollte nicht mit Moral über das urteilen, was er getan hatte. Ob richtig oder falsch, was spielte das für ihn noch für eine Rolle? Er hatte den Punkt überschritten, an dem irgendetwas noch eine Bedeutung hatte. Es gab nichts auf der Welt, für das es sich zu kämpfen, für das es sich zu leben lohnte. Langsam stand er auf und begab sich ans Wasser. Mit den Händen schöpfte er etwas von dem frischen Nass und kühlte sein Gesicht. Was sollte er jetzt tun? Sollte er diesem ganzen Irrsinn nicht ein Ende bereiten? Aufhören zu denken, aufhören zu fühlen, einfach nur Erlösung von all dem suchen? Er betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. Welchen Weg sollte er wählen um sich selbst aus der Welt zu schaffen? „Rod?“ Der junge Mann schreckte hoch und blickte verwirrt neben sich. Ein paar Mal blinzelte er, wandte den Blick dann wieder ab, während sich seine Augen mit Tränen füllten. „Rod?“ sagte die Gestalt nun ein zweites Mal und ging in die Hocke, kniete sich neben ihn ins Gras. „Verschwinde…“ murmelte Rod leise und schlug dann die Hände vors Gesicht. Dem anderen wurde erst jetzt klar, dass Rod glaubte, er halluziniere. „Ich bin echt, Rod. Ich bin hier. Sieh mich an, ich bin wieder da.“ Langsam löste der junge Azeel die Hände von seinem Gesicht und sah die Gestalt neben sich wieder an. Unverändert, mit den silbrig- blauen Haaren, der weißen Haut und den kummervollen Augen, kniete der Herr des Hades neben ihm im Gras. „Nein bist du nicht. Du bist Einbildung. Um mich steht es schlecht, weißt du. Das ist nur ein weiteres Zeichen dafür, dass ich den Verstand verliere. So lebhaft sollte man keine Tagträume haben“, erklärte Rod. Charon zeigte ein trauriges Lächeln. „Ist das so? Das Gefühl kenne ich. Dieses Gefühl, zu zerfließen, sich aufzulösen. Wahnsinn…“ Einen Moment schwieg er und schien abzuschweifen. Dann konzentrierte er sich wieder und sein Blick fand den Rods. „Ich bin echt; ich bin wieder ins Leben zurückgekehrt. Und ich habe mich erinnert an alles, was geschehen ist. Und ich wollte dich sehen.“ Eine der schmalen Hände hob sich und legte sich auf den Arm des menschlichen Helden. „Siehst du? Fleisch und Blut. Und meine Aura müsstest du doch auch fühlen, oder nicht?“ Rod erschrak, diesmal richtig. Wenn Charon, der ganz ruhig neben ihm kniete, wirklich echt war, dann… Schnell zog er seinen Arm zurück und sprang auf. Wenn es wirklich keine Einbildung war, dann taten sich tausend Fragen auf. „Wie kann das sein? Du bist tot, der Koloss hat dich ermordet, ich sah es mit eigenen Augen! Und warum bist du jetzt hier? Was…“ Charon erhob sich mit einem traurigen Seufzen. Dann streckte er eine Hand aus und eine Blume materialisierte sich darin. „Meine Lebensblüte“, erklärte er „Mein Körper war tot, das ist richtig. Aber ich bin weder Mensch noch ein normaler Dämon. Ich bin ein Wesen, geschaffen um eine Aufgabe zu erfüllen und mein Geist ist dazu verdammt, diese Aufgabe für immer fortzuführen. Und das hat er auch getan. Doch dann kam jemand mit starken magischen Kräften und hat meine Lebensblüte wieder belebt. Und nun… bin ich wieder hier. Ich habe das nicht gewollt, aber nun kann ich es nicht mehr ändern. Und dann wollte ich dich sehen. Außer dir gibt es für mich niemanden mehr auf der Welt. Du bist mein Freund, das hast du gesagt.“ Charon blickte Rod mit einem fragenden Blick an, als erwarte er dringend eine Bestätigung. Der nickte wie in Trance. Wie seltsam, dass jetzt, in seiner dunkelsten Stunde, wo er sich von allen, selbst von Asbar verlassen und verraten fühlte, dass ausgerechnet jetzt Charon wie aus dem Nichts auftauchte. Und ihm wurde bewusst, wie oft er in den letzten Jahren an ihn gedacht hatte, unfähig sich einzugestehen, dass er, obwohl er Charons Taten verfluchte, sich insgeheim wünschte, es hätte anders geendet. Charon wäre nicht gestorben. Nun erkannte er, wie vorsichtig man mit Wünschen sein sollte, denn sie bargen immer die Gefahr in Erfüllung gehen. Was sollte er von all dem halten? „Was ist geschehen Rod? Du scheinst mir ein wenig wie ein anderer Mensch. Irgendetwas hat sich verändert“, bemerkte Charon nachdenklich. Beide standen sie nebeneinander und starrten auf die im Mondlicht schimmernde Wasseroberfläche. Doch nun sprudelte es aus Rod heraus. „Ich habe es satt. Jahre lang habe ich für die Menschen gekämpft, alles umsonst. Egal wie viel Böses ich versuche aus der Welt zuschaffen, irgendwo anders entsteht im gleichen Moment doppelt soviel. Die Menschen bekämpfen und massakrieren sich aus nichtigen Gründen. Als sie Dämonen noch hier in diese Welt kamen, hatten die Menschen etwas, auf das sie ihre Aggressionen richten konnten. Aber da sie nicht mehr da sind, richten sie nun die Waffen gegeneinander. Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. All jene, die glauben anderen nach dem Leben trachten zu können, um sich selbst zu bereichern, müssen bestraft werden. Das dachte ich mir. Und so bekämpfte ich sie.“ Charon hob ungläubig eine Augenbraue. Er betrachtete Rods Profil und sah den harten und zornigen Blick, aber als er genauer hinsah, wurde ihm klar, dass er vor allem gebrochen war. „Asbar versuchte mich aufzuhalten, denn er versteht es nicht. Ich habe ihn ignoriert, aber dann… dann ist er in die Dämonenwelt gegangen und hat Laures auf den Plan gerufen. Was mischt sich dieser Bastard eigentlich ein? Jahrelang hat er sich nicht mehr um die Menschenwelt gekümmert und das ist gut so. Warum mischt er sich jetzt ein?“ Plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Er wandte den Blick und sah sich direkt eisblau schimmernden Augen gegenüber. „War es nicht das, was ich immer gesagt habe? Du hast das begriffen, was ich erst in Jahrhunderten beobachtet habe. Die Menschen sind schlecht. Sie sind unvernünftig und dumm. Sie werden sich gegenseitig auslöschen, wenn man sie walten lässt.“ „Aber was kann man tun? Rein gar nichts? Sie alle zu beschützen ist unmöglich, sie alle zu vernichten macht keinen Sinn, nur die Bösen unter ihnen zu bekämpfen wird man mich nicht lassen. Es hat keinen Sinn, ich gebe auf…“ „Nein!“ plötzlich legte Charon beide Hände auf seine Schultern und drehte ihn zu sich. Seine Augen schienen plötzlich zu sprühen. „Nein. Überleg doch mal. Wozu hast du deine Kräfte bekommen? Doch nicht umsonst oder? Diese ungeheuren Kräfte, die in die schlummern… das hat vielleicht alles seinen Sinn. Was ist, wenn du zu etwas größerem auserkoren bist? Warum sollst du nicht eine Welt schaffen können, die besser ist als die jetzige? Du hast die Macht dazu!“ Charon redete mit einer unglaublichen Leidenschaft und in seine Augen trat ein fast fiebriger Glanz. Er sprach die gleichen Worte, die damals Maruka zu Rod gesagt hatte. Doch damals war es anders gewesen, damals war er stark gewesen. Jetzt war er schwach und ausgebrannt. Rod hatte das Bedürfnis, etwas zurückzuweichen, verharrte aber. Charon machte ihm ein wenig Angst, er sprach so große Worte und war so überzeugt. Fast so, als könne es stimmen, was er sagte. „Macht? Nein, so viel Macht besitze ich nicht, dass wurde mir heute klar. Ich habe Laures nichts entgegenzusetzen.“ „Doch, es ist zu schaffen! Ich bin jetzt bei dir. Verstehst du nicht, Rod? Alles fügt sich zusammen! Das ich ausgerechnet jetzt wieder auferstehe, zu diesem Zeitpunkt… kann es Zufall sein? Das ist Schicksal, Rod! Ich werde dir helfen, ich steh an deiner Seite. Zusammen sind wir nicht aufzuhalten. Das ist der Grund, aus dem wir uns begegnet sind!“ Rod zögerte. Charon hatte viele schreckliche Dinge getan, in diesem jungen Mann steckte irgendwo ein Monster, ein Wesen, das sogar die eigene Schwester getötet hatte. Aber aus irgendeinem Grund hatte er das Herz dieses Wesens erreicht. Er hatte ihn gemocht, von Anfang an. Charon war ihm immer wie ein Freund erschienen, selbst als er erfahren hatte, dass die anfängliche Freundlichkeit nur geheuchelt gewesen war. Charons Worte grenzten an Wahnsinn, ein Teil von Rod wusste dies. Aber er selbst hatte jede Grenze bereits überschritten. Er hatte es allein getan, und nun war da jemand, der sich auf seine Seite schlug, das einzige Wesen auf der Welt, das dies tat. Damals hatte Charon die ganze Welt vernichten wollen, aber scheinbar wurden seine Gefühle nun in eine andere Bahn gelenkt. Er schien begeistert von der Idee, sich mit Rod zusammentun zu können. Und vielleicht hatte er Recht. Sie beide zusammen…. Das wäre eine Macht, der sich unter Umständen nicht einmal Laures widersetzen konnte. In Rods Glieder kehrte die Kraft zurück, in seinen Augen glühte die Ahnung eines Lebensfunkens wieder. „Du hast mich vor Laures gerettet nicht wahr?“ „Ja, das war ich.“ „…Zusammen… zusammen könnten wir es wirklich schaffen. Wir formen die Welt so, wie es richtig sein sollte. Wir geben den Menschen einfach nicht mehr die Möglichkeit, mit diesem Irrsinn fortzufahren.“ Auf Rods Lippen erschien ein Lächeln und er ergriff eine von Charons Händen. „Dann ist es beschlossen. Ich werde acht geben, dass dir nichts geschieht“, sagte Charon. „Nein, niemand wird sich uns in den Weg stellen können…“ ~*~ Kapitel 5: ----------- Titel: Longing – Just for you Teil: Kapitel 5 Autor: Tsugumi Email: hinadorichan@googlemail.com Fanfiction: Seimaden Rating: PG- 18 Warnung: limone, angst, gewalt Pairing: Zadei xTitius, Charon x Rod? Disclaimer: Die Welt und Charaktere von Seimaden gehören nicht mir, diese Fanfiction dient nur der Unterhaltung und ich will damit keinen Profit machen. Kommentar: Hehe, den Teil hier mag ich, ich nenne ihn persönlich „Chaos in der Menschenwelt“. Ihr werdet sehen warum…^^ Kapitel V Zur allgemeinen Aufregung im Schloss der Dämonenwelt erschienen zwei Boten am selben Tag. Und beide mit schlechten Nachrichten. Der Erste war von der Kampftruppe geschickt worden und mit dem was er sagte hatte keiner gerechnet. Er berichtete, dass die Sache mit den Glakyr sich als unerwartet kompliziert erwiesen habe. Als man nachfragte, wurde er sichtlich nervös und scheute sich sehr, die Worte auszusprechen aber schließlich sagte er. „Sie sind weg. Alle.“ Es war ihm alles sichtlich peinlich, als er erklärte, als die Drachentruppe an dem Ort angekommen sei, an dem die Glakyr bisher gehaust hatten, wäre nichts mehr da gewesen. Das in den Bergen lebende Dämonenvolk war spurlos verschwunden. Daraufhin hätte die Drachenkompanie angefangen das Gebiet zu durchkämmen, aber es habe sich keine Spur vom Verbleib der Glakyr finden lassen. Es sei also beschlossen worden, dass man noch ein wenig suchen und dann zum Schloss zurückkehren würde. Als Titius dem Bericht mit den anderen zusammen lauschte, legte er unwillkürlich eine Hand vor die Stirn. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Zadei getobt haben musste, als sie diesen Umstand festgestellt hatten. Aber auch wenn der Gedanke ein wenig amüsant war, das Thema war weitaus ernster. Die Frage, die sich auftat war, wenn die Glakyr nicht mehr dort waren, wo waren sie dann? Es war offensichtlich, dass sie von dem bevorstehenden Angriff gewusst haben mussten. Das war erschreckend genug, aber dass sie sich derart spurlos aus dem Staub machen konnten und niemand wusste, was sie eigentlich vorhatten, war sehr besorgniserregend. Da hast du deine du es, Zadei, soviel zu deiner tollen Vorgehensweise, dachte Titius bei sich. Als der Bote entlassen worden war, eilte Titius ihm hinter her und sprach ihn noch einmal an. „Haben sie denn wirklich gar keinen Anhaltspunkt, wo die Glakyr sich befinden könnten?“ Der Bote schüttelte den Kopf. „Nein. Obwohl die Suche recht gut voran ging, weil Herr Zadei die Gegend ja sehr gut kennt, haben wir bis sie mich losschickten nichts gefunden…“ Titius war für einen Moment verwirrt. „Moment, was soll das heißen, Zadei kennt das Gebiet?“ „Na, Herr Zadei ist doch dort aufgewachsen. Er gehört einem Stamm an, der ebenfalls oben in den Bergen gelebt hat, darum kennt er die Glakyr recht gut. Wir dachte dass wäre ein großer Vorteil, aber es hat leider nichts genutzt.“ Titius hörte nicht weiter zu. Er fühlte sich ein wenig vor den Kopf gestoßen. Warum hatte Zadei das nicht erwähnt, als sie bei der Planung gewesen waren? Und vor allem, warum hatte er es ihm, Titius gegenüber nicht erwähnt? Bei dem Gedanken fiel ihm auf, dass er eigentlich praktisch gar nichts über ihn wusste. Zadei redete nie von seiner Vergangenheit. Dies hier war die erste derartige Information, die Titius über ihn erhielt. Er war also im südwestlichen teil der Makai aufgewachsen… Vermutlich wäre es gut gewesen, wenn sie an diesem Tag Zeit gehabt hätten, die ganze Sache zu durchdenken und sich zu besprechen, aber schon bald traf ein weiterer Bote ein und seine Nachricht war weitaus erschreckender als die erste. Er kam aus der Menschenwelt. „Es ist schwer zu beschreiben… allein der Schutzschild. Herr Rod hat einen derart starken Schutzschild, dass ich an seinen Aufenthaltsort nicht nah genug herangekommen bin, um etwas zu erkennen“, berichtete er, „Aber er scheint sein Werk fortzuführen, die Menschen sind völlig in Panik. Zudem scheint er durch Dörfer und Städte zu ziehen und den Menschen zu drohen. Er will das Böse aus der Welt treiben und sagt er würde jede weitere Gewalttat verfolgen und jene bestrafen, die sich seinen neuen Regeln widersetzen. Das ist es, was ich gehört habe.“ „So ein Narr!“ entfuhr es Laures, „Wie kann er einfach damit weitermachen, wo er weiß, dass ich an der Sache dran bin? Er will neue Regeln aufstellen? Mit scheint er ist völlig übergeschnappt…“ „Nein, das kann alles nicht sein! Das muss ein Missverständnis sein“, Hilda schüttelte den Kopf, das die goldenen Haare nur so flogen. „Das reicht jetzt, ich werde selbst hingehen und mit ihm sprechen.“ „Nein, das wirst du nicht!“ „Laures, du kannst nicht erwarten, dass ich mir das weiterhin ansehe. Rod ist weder übergeschnappt noch ist er in irgendeiner Weise gefährlich. Ich glaube kein Wort mehr von dem was ihr sagt. Ich kenne ihn, Rod ist ein guter Mensch und er wird mir zuhören. Er ist vielleicht etwas verwirrt im Moment, er braucht jemandem zu reden. Und nach allem sind wir immer noch Freunde!!“ Hilda drehte sich um und wollte gehen, aber Laures machte einen langen Schritt und hielt sie am Arm fest. „Ich sagte: Nein!“ Laures Stimme hallte an den Wänden des steinernen Thronsaals, indem sie versammelt waren, wider und Titius schauderte ein wenig. Gleichzeitig gab er dem Boten, der alles berichtet hatte, was er wusste, ein Zeichen zu verschwinden. Zwischen Laures und Hilda entbrannte ein zorniger Streit. „Du kannst mich nicht davon abhalten, Laures! Ich hätte schon beim ersten Mal mitkommen sollen. Was auch immer da gewesen ist, es hat ja wohl rein gar nichts gebracht! Ich habe mir gleich gedacht, dass die ganze Idee unsinnig ist. “ Sie warf dabei einen kurzen Blick auf Asbar, der auch zugegen war, seit der neuen Nachricht allerdings kreidebleich. „Das gerade du auftauchst, wenn es Rod schlecht geht, das konnte doch nicht funktionieren. Das ihr keine besten Freunde werden könnt, weiß ich, aber das ändert nichts daran, dass er mein Freund ist und ich ihm helfen will.“ „Aber das ist viel zu gefährlich! Wie kann ich zulassen, dass du zu ihm gehst, wenn ich weiß wie unberechenbar und zornig er ist! Ich habe ihn gesehen Hilda, ich weiß zu was er fähig ist! Und ich bin nicht sicher, ob er dir noch freundlich gesinnt ist.“ „Wie er mir gesinnt ist, ist egal, ich werde ihm helfen, das bin ich ihm schuldig! Und du lässt mich allein aus Eifersucht nicht gehen. Aber ich lasse mich nicht einsperren, das habe ich dir bereits gesagt. Ich kann gehen wohin ich will!“ Sie entwand entschlossen ihren Arm seinem Griff. Wieder folgte Laures ihr und stellte sich nun vor sie, versperrte ihr den Weg. Aber anstatt noch zorniger zu werden, umfasste er ihr Gesicht sanft mit beiden Händen und flüsterte. „Ich will dich nicht einsperren, das weißt du. Ich will dich nur vor Gefahr bewahren, denn die droht dir, wenn du jetzt zu Rod gehst. Davon bin ich überzeugt. Natürlich bin ich eifersüchtig auf Rod. Dass du dich so für ihn einsetzt, macht mich wütend, aber ich weiß, dass es deine Art ist. Du lässt niemandem im Stich und letztendlich gehört das zu den Dingen, die ich an dir liebe, aber ich kann das hier nicht zulassen. Ich werde dich nicht in die Menschenwelt gehen lassen.“ Damit ließ er ab von ihr und wandte sich um. Ohne ihre Antwort abzuwarten, die vermutlich aus Widerworten bestanden hätte, rief er Titius mit plötzlich wieder schneidender Stimme zu: „Keine Drache, kein Portal. Wonach immer sie fragt, sie bekommt keine Möglichkeit in die Menschenwelt zu gelangen! Weise alle Männer an, sie nicht aus der Burg zu lassen und du Titius, du wirst sie persönlich im Auge behalten! Du trägst die Verantwortung, dass sie die Burg nicht verlässt! Ich werde jetzt in die Menschenwelt gehen und mich um die Angelegenheit kümmern.“ Titius wurde bleich. Er sollte zu Hildas Gefangenenwärter werden? „Du willst mich also tatsächlich einsperren Laures?“ rief Hilda fassungslos hinter her. „Es mag sein, dass du mich dafür hasst, aber selbst das ist mir lieber als der Gedanke, dass dir etwas geschehen könnte.“ Das waren die letzten Worte, bevor Laures davon schritt. Unnachgiebig, unbeugsam. ~*~ Mehrere Stunden waren Laures und Asbar nun wieder verschwunden, auf der Suche nach Rod. Hilda wanderte rastlos durch den Palast, machte den Eindruck eines eingesperrten Raubtiers, das in seinem Käfig immer an den Stäben hin und her läuft und diese Bezeichnung passte auch zu ihrer Gemütslage sehr gut. „Titius, nun hör auf, mir immer hinter her zu laufen! Du machst mich nervös!“ fuhr sie den Diener an, der verlegen die Hände ineinander legte. „Es tut mir leid, Lady Hilda. Glaubt mir, dass mir das auch nicht gefällt, aber ich habe keine Wahl. Ich muss Euch im Auge behalten.“ „Weil das seine Befehle sind? Was ist mit mir, bin ich nicht genauso deine Herrin? Ich kann dir ebenso befehlen, mich in Ruhe zu lassen.“ Titius schwieg verlegen. Wäre er Hilda gegenüber zynisch und wäre sein Mundwerk etwa loser, hätte er jetzt darauf hingewiesen, dass es nicht Hilda, sondern Laures war, der ihn mit einem Wink in Stücke reißen konnte und daher seine Prioritäten festlagen. Aber natürlich war das nicht Titius Denkensweise, seine uneingeschränkte Loyalität gehörte Laures und auch wenn er Hilda akzeptiert hatte und sogar mochte, würde er sich niemals gegen den Befehl seines Herren stellen. Wo er ihm noch dazu recht gab: Es wäre Irrsinn, Hilda in die Menschenwelt zu schicken, so wie die Dinge lagen. Nachdem er eine Weile verlegen zu Boden gestarrt hatte, gab Hilda es auf, auf eine Antwort zu warten; sie kannte sie. „Ja, ja, ich versteh schon. Du bist Laures ergebener als mir. Und ich dachte wir wären Freunde.“ Titius befürchtete, sie würde ihn weiter auf dieser Schiene bearbeiten und sein schlechtes Gewissen noch weitaus verschlimmern, aber zum Glück drehte sie sich um und steuerte ihr Gemach an. „Aber auf mein Zimmer werde ich noch alleine dürfen oder? Oder glaubst du, ich knote mir ein Seil aus Bettlaken und seile mich aus zehn Metern Höhe ab?“ Für einen Moment zog Titius das in Betracht, überlegte aber dann, dass das Fenster direkt in den Innenhof führte, wo die halbe Dienerschaft hin und her lief. Allein der Versuch würde wohl kaum unbemerkt bleiben. „Natürlich könnt ihr in Eurem Zimmer allein sein. Glaubt mir, mir gefällt das auch nicht, aber es ist nur zu Eurem Besten.“ Ein verächtliches Schnauben war die Antwort und so zog Titius sich verstimmt zurück. Froh, somit eine kleine Pause zu haben, postierte er zwei Wachen vor der Tür, die ihn sofort holen lassen sollten, sobald die Frau des Dämonenfürsten ihre Gemächer verließ. Drinnen im Zimmer schmetterte Hilda den ersten Gegenstand, den sie ergreifen konnte, an die Wand. Leider war es ein Silberteller und er zerbrach nicht. Sie fluchte laut und verharrte dann mitten im Raum, stützte ihr Gesicht in einer Hand und weinte leise. „Mama?“ Die Stimme hinter ihr ließ sie zusammenzucken, aber bevor sie sich umdrehte, wischte sie sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. „Sherril? Ich hab dich gar nicht bemerkt…“ Das Mädchen saß hinter hier auf einem Hocker an der Wand und blickte sie mit großen Augen an. „Ich habe hier auf dich gewartet. Ich dachte, irgendwann kommst du hier her, wenn du etwas ruhiger bist. Wegen dem Streit meine ich.“ Hilda seufzte und ging auf Sherril zu. Sie setzte sich in einen Sessel und zog das neunjährige Mädchen auf ihren Schoss, gab einen Kuss auf ihr Haar. Als die Mutter, die sie war, versuchte sie natürlich, vor dem Kind zu verbergen dass sie traurig war, noch dazu dass es einen Streit zwischen ihr und Laures gegeben hatte. Allerdings war ihr klar, dass Sherril mal wieder alles mitbekommen haben musste. „Mit deiner Schnüffelei treibst du alle in den Wahnsinn, Sherril. Solltest du nicht mit Makaze bei der Amme sein?“ „Joa, aber das war langweilig… Tut mir leid.“ Sie machte eine gespielt schuldbewusstes Gesicht, aber da erstaunlicherweise diesmal keine Schimpftirade folgte, hielt sie es nicht weiter aufrecht. „Was ist denn passiert Mama?“ fragte sie mit ernsthafter Besorgnis. Sie hatte nicht alles mitbekommen und verstanden. „Es ist nichts schlimmes, Sherril. Ich möchte nur einen alten Freund besuchen und Laures hält es für zu gefährlich. Dabei wäre es so wichtig.“ Der letzte Satz war gemurmelt und spiegelte unterdrückten Zorn wider. „Das heißt, du kannst nicht aus dem Schloss?“ fragte die Kleine erstaunt. Sie wusste, dass ihr Vater streng war, aber auch zu ihrer Mutter? „Nein kann ich nicht. Dabei ist es Humbug, es ist nichts Gefährliches dabei, wenn ich diesem Freund einen Besuch abstatte. Aber was soll alles Klagen, es lässt sich nun nicht ändern. Es gibt keine Möglichkeit in die Menschwelt zu gelangen.“ Eine zweitlang schwiegen Mutter und Tochter. Sherril beobachtete ihre Mutter genau. Sie hatte geweint, das sah man ihr an. „Mama?“ „Ja?“ „Dieser Rod… er ist ein sehr guter Freund nicht wahr?“ „Ja, das ist er. Er ist ein sehr guter Mensch, aber nun ist er in Schwierigkeiten.“ Wieder schwieg Sherril eine Weile nachdenklich. „Mama?“ „Ja?“ „Es gibt einen Weg, dass Schloss zu verlassen, ohne das irgendjemand etwas merkt.“ Hilda horchte sofort auf und sah ihre Tochter fragend an. „Wovon redest du?“ Sherril sah nachdenklich zu Boden. Wenn sie ihr Geheimnis jetzt preisgab, bedeutete das, dass sie es in Zukunft nicht nutzen konnte, aber… ihre Mutter hatte geweint! „Ich habe ein kleines Portal im Keller, das ich ganz allein öffnen und schließen kann. Ich benutze es manchmal, um aus dem Schloss zu kommen, ohne das ihr es merkt.“ Sie zog den Mund schief und blickte ihre Mutter abwartend an, in der Angst, sie könnte nun eine Menge Ärger bekommen. Aber Hildas Vernunft hatte aufgrund der neuen Möglichkeit plötzlich rapid abgenommen. „So, das erklärt natürlich, warum du manchmal wie vom Erdboden verschluckt warst. Aber wo führt das Portal denn hin?“ „Keine Sorge, es ist rein gar nicht gefährlich, wo ich hingehe! Es ist nur eine… eine große Wiese, weit und breit keine anderen Dämonen oder Ungeheuer!“ „So ist das… aber ich brauche ein Portal in die Menschenwelt.“ „Nun ja, ich denke ich könnte das einrichten. Ich habe sehr viel geübt in letzter Zeit. Ich glaube ich könnte es in die Menschenwelt versetzen…“ meint Sherril zögerlich. Das sie keinen Ärger bekam, war… interessant. In Hildas Augen trat ein Funkeln. Sie wusste zwar, dass es nicht gerade mütterliches Verhalten war, die eigene Tochter zu etwas Verbotenem anzustiften, aber… es waren besondere Umstände. Sie musste einfach in die Menschenwelt und mit Rod reden! Schon immer hatte sie Gefahren getrotzt, um anderen zu helfen, erst recht wenn es um das Wohlergehen ihres besten Freundes ging! Laures meinte es gut, ja, aber er sah die Sache nicht mit ihren Augen. „Sherril, würdest du das für mich tun? Das Portal öffnen?“ In Sherrils Augen trat ebenfalls ein Glühen hervor, Mutter und Tochter steckten sich gegenseitig mit ihrer Aufregung an. Das wäre ideal! Sie würde in die Menschwelt gehen können, zum ersten Mal in ihrem Leben! Sie würde diesen Rod kennen lernen, und dann auch Charon wieder treffen, der vermutlich bei ihm war! Eifrig nickte sie. „Ja, ja das werde ich!“ „Gut, dann geh jetzt und bereite alles vor. Wir treffen uns später im Keller. Ich muss noch etwas… erledigen.“ Sherril hopste eilig von ihr herunter und rannte auch schon zur Tür. „Bis nachher Mama!“ „Bis nachher!“ Mutter und Tochter kamen sich plötzlich wie ein eingeschworenes Team vor. Wahrscheinlich waren sie auch die einzigen beiden Menschen, die die gegenseitige Handlungsweise verstanden. ~*~ Ein paar Minuten später erhielt Titius die Nachricht, dass Hilda das Zimmer verlassen wollte und somit musste er zu ihr zurückkehren. Zum Glück war sie nun wesentlich besserer Laune… was Titius allerdings gleich seltsam vorkam. „Seid ihr nicht mehr wütend, Lady Hilda?“ „Wütend? Natürlich! Laures kann so etwas nicht mit mir machen, wenn er wiederkommt werde ich ihm das klar machen. Aber bis dahin kann ich nun mal nichts tun, außer hoffen, dass alles gut geht und Laures mit guten Nachrichten über Rod zurückkommt.“ Titius überlegte. Das klang sehr vernünftig. Hilda war im Laufe der Jahre doch reifer geworden, dass merkte man nun. Dennoch beschlich ihn ein seltsames Gefühl, irgendetwas an Hildas Verhalten kam ihm seltsam vertraut vor. Sie sagte sie wolle sich ein Buch aus der Bibliothek holen, also folgte er ihr dorthin. Dort angekommen, fröstelte sie ein wenig und ging in der kleinen Vorhalle zum Kamin. „Wer hat denn die Fenster aufgelassen, es ist so kalt hier!“ Sie schürte das Feuer ein wenig. Titius trat näher heran und beobachtete sie kritisch. An ihren Handlungen war nichts ungewöhnlich, aber ihr Blick, ihr Gesichtsausdruck; irgendetwas stimmte nicht… „Hilda, was ist los? Hier geht doch irgendetwas vor!“ Er kam näher und Hilda wurde mit einem mal ganz hektisch. Sie nestelte an ihrer Rocktasche und zog ein Tütchen hervor, nahm sich nicht mal die Zeit es zu öffnen und warf es samt Inhalt ins Feuer. Dann drehte sie sich um und schaute ihn mit großen Augen an, schien auf etwas zu warten. Titius erstarrte vor Schreck. Jetzt begriff er, sie agierte wie jemand, der mit aller Macht versuchte kühl und unbeteiligt zu wirken, während innerlich ein Orkan wütete… das erinnerte ihn an ihn selbst! „Hilda was war das?!“ rief Titius, eilte schnell zum Feuer, um nachzusehen und es zu löschen, aber es war zu spät. Dampf stieg plötzlich aus dem Feuer auf und er hatte bereits einen ganzen Atemzug davon genommen, bevor er sich besann. Ihm wurde schwindelig und ein Lähmungseffekt trat ein. Hilda wich zurück. „Verzeih mir, Titius. Ich habe keine Kräfte wie ihr alle, ich bin ein Mensch und muss mich auf meinen Verstand allein verlassen. Wusstest du, dass Silberranke, wenn man ein wenig davon abreibt und das Pulver verbrennt, einen lähmenden Effekt auf Dämonen hat?“ Titius sank bereits in die Knie, sein Sichtfeld verschwamm immer mehr. „Hilda, lasst den Unsinn! Das ist ein Fehler, damit treibt Ihr uns alle ins Unglück!“ versuchte er es noch, aber Hilda schüttelte traurig den Kopf. „Ich mag dich gern Titius, und ich will dir nichts Böses. Du wirst nur eine zeitlang ohnmächtig sein. Tut mir leid, ich muss…“ Mehr verstand Titius nicht mehr, da im nächsten Augenblick Dunkelheit ihn umfing. ~*~ „Mama?“ „Ja, ich bin es.“ Hilda betrat das hintere der riesigen Kellergebäude. Erstaunt erkannte sie den Raum, in dem Zadei so lange gelegen hatte. „Es gibt hier eine große Energieansammlung, weil Zadei hier so lange geschlafen hat“, erklärte Sherril den fragenden Blick ihrer Mutter, der auf den Altar gerichtet war. „Diese Energie hilft mir, allein würde ich es vielleicht noch nicht schaffen ein Portal zu erreichten.“ „Kannst du denn wirklich ein Portal in die Menschenwelt erschaffen?“ „Hm, ja, ich denke schon, aber... ich habe keine Ahnung, wo wir dann landen werden. Ich kann die Energiepfade von Papa zwar in etwa aufspüren, ich hoffe also dass wir zumindest im richtigen Gebiet landen, aber wo genau weiß ich nicht. Ich war ja noch nie da.“ „Was heißt hier eigentlich, ‚wir’?“ Sherril sah sie mit großen Augen an. „Na, ich komme doch mit, oder?“ „Natürlich nicht!“ rief Hilda. „Das ist zu gefährlich.“ „Ja, für dich, wenn ich nicht mitkomme! Ich kann auf uns aufpassen Mama, ich habe doch meine Kräfte. Was ist, wenn uns Banditen angreifen?“ „Sherril, ich bin in der Menschenwelt aufgewachsen und habe lange genug darin überlebt. Ich weiß mir zu helfen, glaub mir!“ Allmählich machte es Hilda wütend, dass sie die einzige ohne dämonische Kräfte hier war und deshalb von allen als hilflos abgestempelt wurde. Überhaupt hatte sie das Gefühl, eine Außenseiterin zu sein. Sie, die der einzige Mensch in dieser Welt war, sie, die einzige die, wenn auch nur sehr langsam, alterte. Alle arbeiteten gegen sie, nicht einmal auf Titius konnte sie sich verlassen. Aber sie würde es allen zeigen! Sie würde niemals klein beigeben. „Aber Mama, wie willst du denn ohne mich zurückkommen? Ich muss das Portal doch von der anderen Seite wieder öffnen!“ Das stimmte nicht ganz, sie konnte es auch von hier aus natürlich wieder öffnen, aber das war eine kleine Notlüge. Und es wirkte, Hilda überlegte. Laures würde sie umbringen, aber jetzt war es allemal zu spät zum umkehren, soviel stand fest. Und sie hatte wohl keine andere Wahl, als ihre Tochter mitzunehmen. „Aber Sherril, ich will nur mit Rod reden. Ich will ihn nur so schnell wie möglich finden, mit ihm reden und sofort wieder zurück. Ich will keinen Spaziergang durch die Menschenwelt machen, um sie dir zu zeigen.“ „Vollkommen klar, Mama, gar kein Problem. Wir sind in Null Komma Nichts wieder zurück und Vater wird sehen, dass wir das allein und völlig problemlos geschafft haben. Und dann wird er nicht so böse sein.“ Das sah Hilda etwas anders. Laures Zorn würde fürchterlich sein. Sie hinterging ihn schließlich, stiftete sogar Sherril mit an und hatte nicht zuletzt Titius betäubt. Aber damit würde sie sich später auseinandersetzen, jetzt gab es wichtigeres. „Nun gut, lass uns gehen Sherril. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ „Genau! Aber sag mal, wo ist eigentlich Titius? Der hat doch die ganze Zeit auf dich aufgepasst.“ „Ich ähm, habe ihn… abgeschüttelt. Nun mach schon das Portal auf.“ Sherril gehorchte. Sie konzentrierte sich und zeichnete mit dem Finger einen Kreis in die Luft, malte ein Zeichen hinein. Der Kreis fing plötzlich an in der Luft zu glühen, dann füllte er sich mit Licht und plötzlich war er wie ein Fenster, durch dass sie eine Landschaft sehen konnten. „Sehr gut, das ist die Menschenwelt!“ rief Hilda freudig. Aufgeregt schlüpften Mutter und Tochter hindurch. ~*~ Schmerz. Es fühlte sich an, wie kleine Dolche, die sich in seine Schultern bohrten. Sein Kopf fiel nach hinten, so weit in den Nacken, dass es wehtat. Sein Körper reagierte, die Muskeln spannten sich wieder an und die Glieder bewegten sich endlich. „Titius! Titius!“ Langsam drang auch das Rufen zu ihm durch und endlich konnte Titius die Augen öffnen. Er blinzelte ein paar Mal, erkannte zunächst nur einen unklaren Schatten, der immer deutlicher wurde. „Zadei?“ murmelte Titius ungläubig. Sein Gehirn kam langsam wieder auf Trab und meldete ihm als erstes, dass Zadei eigentlich gar nicht hier sein sollte, will er doch noch mit der Drachentruppe unterwegs war. Aber dennoch… „Endlich! Warum warst du ohnmächtig, was ist hier passiert?“ Aber Titius musste erst noch ein paar Gedanken ordnen. Langsam, mit Zadeis Hilfe, setzte er sich auf. Er befand sich noch immer in der Bibliothek, das Feuer war erloschen. Wie lange hatte er denn hier gelegen? „Zadei, was… warum bist du hier?“ „Der Bote hat euch doch mitgeteilt, dass wir zurückkehren würden, wenn wir die Glakyr nicht finden!“ rief Zadei ungehalten. „Jetzt sag mir was passiert ist, wir landen im Schlosshof und du bist nirgends aufzufinden. Laures ist nicht da und jeder Diener erzählt etwas anderes. Ich suche dich und finde dich bewusstlos hier auf dem Boden!“ „Und Hilda? Wo ist Hilda?“ fragte Titius plötzlich entsetzt, als ihm alles wieder einfiel. „Was weiß ich wo die ist, die hab ich auch noch nicht gesehen. Jetzt sag mir was passiert ist verdammt!“ Zadei war bereits zornig, weil Titius ihm seine Fragen nicht beantwortete. „Es ist nicht schlimm. Silberranke als Pulver, verbrannt. Es führte zu einer vorübergehenden Ohnmacht“, erklärte Titius, noch immer etwas benommen. Man sah Zadei regelrecht an, wie die Angst von ihm abfiel wie ein zentnerschwerer Felsbrocken. Das hieß, dass Titius in Ordnung war, er war nicht krank oder gar ernsthaft vergiftet worden. Er zog Titius Oberkörper nun endgültig in eine sitzende Position und in seine Arme. Er hielt ihn fest, als wolle er ihn nie wieder gehen lassen. „Gott, bin ich froh. Für einen Moment dachte ich du wärst tot…“ Titius schwieg und lag kraftlos in der Umarmung, realisierte erst jetzt, dass Zadei wirklich wieder da war. Für einen Moment überließ er sich ganz der plötzlichen Erleichterung, die ihm trotz der ganz und gar nicht erfreulichen Situation überkam. Zadei war wieder da… allerdings etwas zu spät. Schnell fand Titius wieder in die Realität zurück. „Aber wer hat das getan, Titius? Wer hat die Silberranke verbrannt?“ Der andere löste sich etwas und blickte ihm verzweifelt in die Augen. „Es war Hilda. Sie… es ist so viel passiert, wie kann ich das alles erklären? Wir müssen sie auf jeden Fall finden, ich denke sie will Laures hinterher, in die Menschenwelt.“ „Was, warum Menschenwelt?“ „Hilf mir auf!“ Als Titius wieder auf den wackeligen Beinen stand, machte er sich so schnell es ihm trotz Schwindel möglich war, auf den Weg um Hilda zu suchen. Währenddessen erklärte er Zadei, was in etwa vorgefallen war. Doch der nächste Schock sollte kommen, denn als Titius die Diener befragte, wo und wann sie Hilda das letzte mal gesehen hätten, stellte es sich heraus, das es Stunden her waren, seit man sie das letzte mal gesehen hatte. Allerdings hatte niemand daran gedacht, dass sie aus dem Schloss verschwunden sein könnte. Es fehlte kein Drache und an den Toren und sonstigen Schlossausgängen hatte man sie nicht gesehen. Und da man weder Hilda noch Titius sah, nahm man an, sie wären zusammen, vielleicht auf ihrem Zimmer oder sonst wo in dem riesigen Schloss. „Diese verdammte Weibsbild! Ich reiße sie in Stücke, wenn ich sie in die Finger bekomme! Was glaubt dieses Frauenzimmer eigentlich, was es tut?! Und überhaupt, wie kann es sein, dass du stundenlang bewusstlos in der Bibliothek liegst, ohne dass es jemand bemerkt? Ich reiß hier allen den Arsch auf, ich…“ zeterte Zadei, als sie einen Moment Rast machten, weil Titius eine kurze Pause brauchte. Immer noch von Schwindel gepackt, stützte er sich auf einen Fenstersims und überlegte verzweifelt. „Aber sie muss noch irgendwo im Schloss ein. Sie hat keines der Tore passiert. Vielleicht… vielleicht weiß ja Sherril etwas.“ Doch auch hier folgte eine böse Überraschung. Auch Sherril war nirgends aufzufinden und seit Stunden nicht mehr gesehen worden. Titius steuerte langsam auf das Limit von dem zu, was man an einem Tag aushalten konnte. „Was machen wir nur? Da stimmt doch etwas nicht…Dass sie beide wie vom Erdboden verschluckt sind… ihre Auren sind nirgendwo zu spüren. Zadei, ich glaube sie sind nicht mehr im Schloss.“ Titius war kreidebleich. Zadei fasste ihn an den Schultern. „Hey hey, jetzt verfall nicht in Panik!“ „Aber wie kann das sei? Wie können sie entkommen sein?“ Zadei überlegte. „Wenn Sherril dabei ist, hat Hilda doch ganz andere Möglichkeiten. Entweder die Kleine hat sie beide unsichtbar gemacht, oder sie hat ein Portal geöffnet. Ich bin sicher, dass die kleine Rotzgöre das schon kann.“ „Aber in die Menschenwelt? Wie soll sie das geschafft haben? Aber dass sie sich unsichtbar gemacht haben, macht noch weniger Sinn, denn die Drachen sind noch alle da und ohne die hat es keinen Zweck sich durch die Tore hinaus zu schleichen.“ „Also hatten sie vermutlich Portal. Hm, aber ich spüre keine derartige Energiequelle hier im Schloss. Es sei denn… Die Kellergewölbe! Dort unten ist alles so weitläufig und abgeschirmt, das wäre der ideale Ort um so ein Portal zu erschaffen, wenn es keiner merken soll.“ Titius zögerte keine Sekunde, sondern steuerte gleich die Kellergewölbe an. Zadei konnte Recht haben! Unten angekommen, stand er zunächst ein wenig ratlos im ersten Gewölbe, von dem unzählige Gänge und Hallen abgingen. Aber Zadei schien etwas zu bemerken. Gezielt ging er in eine ganz bestimmte Richtung. Titius schüttelte ungläubig den Kopf, als er dem anderen folgte. „Die Halle, in der du gelegen hast?“ Aber seine Frage klärte sich von selbst, als sie den großen Raum betraten. Hinten in der Ecke glühte tatsächlich eine kleine magische Manifestierung. Zadei grinste plötzlich völlig unangebracht. „Ah verstehe, es befinden sich noch Energiereste hier unten, die sich bei meinem Schlaf entladen haben. Sie ist gut, dass muss man ihr lassen.“ „Wie schön, dass du davon angetan bist.“ Titius trat vor das kleine Feld und hielt die Hand davor. Es wurde größer, öffnete sich und zeigte plötzlich das Bild der Landschaft, die sich auf der anderen Seite befand. „Das ist irgendwo in der Pampas“, meinte Zadei, der auch näher herantrat. „Ich wette, Sherril hat keinen bestimmten Ort angepeilt.“ „Na großartig. Lady Hilda und die Tochter des Dämonenfürsten irren irgendwo allein durch die Menschenwelt. Was machen wir nur? Bestimmt verschleiert Sherril sogar ihre Auren.“ Titius war völlig verzweifelt. „Na, mach dir mal nicht zu viel Sorgen. Sherril ist nicht ohne, die hat sich schon mit sieben Jahren gegen Riesenrochen behaupten können und Hilda ist sehr… durchsetzungsfähig. Ich glaube nicht, dass sie in akuter Gefahr sind.“ Titius nahm sich vor, Zadei zum geeigneten Zeitpunkt daran zu erinnern, wie hochtrabend er jetzt gerade von Sherril gesprochen hatte, aber ließ es für jetzt unkommentiert. Zadei begriff es offenbar noch nicht ganz, aber sie steckten bis zum Hals im Schlamassel. „Sie will zu Rod und genau das darf nicht passieren! Wir müssen sofort Herrn Laures finden und es ihm mitteilen. Und dann müssen wir sie suchen!“ Titius lief es mit einem Mal eiskalt den Rücken runter. Laures würde außer sich sein. Und es war seine Schuld. Er wusste, dass ihn Strafe erwartete und er schluckte hart, aber dennoch würde er zu ihm gehen. „Komm Zadei, lass uns einen Drachen bereit machen“, sagte er mit belegter Stimme. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)