Die Suche von Taroru ================================================================================ Kapitel 2: Erinnerungen ----------------------- Wir saßen in einem Zug, der uns ans Meer bringen sollte. Dort wollten wir uns ein bisschen umschauen und sehen, wie es weiter geht. In einer rauschenden Geschwindigkeit ziehen die Bäume und Felder an uns vorbei. Am Horizont konnte man die Berge erkennen. Wir fuhren zu schnell um wirklich Details erkennen zu können. Im Grunde wollten wir das aber auch gar nicht. Mein Blick war in die Ferne gerichtet, ich achtete nicht wirklich auf das, was um mich geschah. Mein Begleiter fragte mich nach ein paar Stunden stillen Schweigens: „Kannst du dich eigentlich erinnern was davor war, ich meine, bevor man dich fand?“ Zögernd nickte ich, auch wenn ich mich im Stillen fragte, wie er jetzt auf dieses Thema kam. Eigentlich wollte ich es niemandem erzählen, aber ich hatte das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich konnte nicht mal mit Bestimmtheit sagen warum ich ihm vertraute, aber irgendwie hatte ich den Wunsch, ihm alles zu erzählen. Schließlich musste ich noch eine Weile mit ihm durch die Welt ziehen. Dann flüsterte ich ganz leise: „Ja, ich kann mich an bestimmte Sachen erinnern.“ Er drehte seinen Kopf zu mir und sah mich fragend an. Also begann ich zu erzählen: „Ich kann mich an ein Mädchen erinnern, das vielleicht ein oder zwei Jahre älter war als ich. Sie hat mir geholfen. Sie zeigte mir eine Menge Dinge und sie sagte mir, dass sie mich adoptiert hätte. Ich wusste damals noch nicht, was das heißen sollte, aber ich wollte bei ihr bleiben. Sie erzählte mir ihren Traum, denn sie wollte zur See fahren, wenn sie älter wäre. Doch dann kam ein Mann, der uns trennte. Ich tat alles, um bei ihr zu bleiben, doch ich schaffte es nicht. Der Mann sagte, dass ich von richtigen Eltern adoptiert werden müsste. Nach ein paar Tagen kam dann auch eine Meldung aus einem anderen Land, dass da jemand wäre, der mich haben möchte. Damals war ich so wütend, dass ich das ganze Büro zerstörte. Ich habe nur daran gedacht und schon fiel es in sich zusammen! Einen Tag später wurde ich abgeholt und musste mit einem Mann fort gehen. Er hat mich jedes Mal geschlagen, wenn ich etwas tat, was er nicht wollte. In der Stadt gab es einen alten Hund, Bun, mit dem ich mich angefreundet hatte. Er hatte ihn einfach erschossen. Dann bin ich weggelaufen. Ich hatte nicht darauf geachtet wohin ich lief und stürzte einen Abhang herunter. Dann sah ich nur noch bunte Lichter, bis ich das Bewusstsein verlor und bei euch aufwachte.“ Ich plapperte einfach drauf los, ohne auf ihn und seine Reaktionen zu achten, redete ich ohne Punkt und Komma. Nachdem ich alles erzählt hatte, fühlte ich mich befreiter, als wenn eine Last von mir genommen wurde. Taro hatte mich nicht einmal unterbrochen. Dafür war ich ihm auch sehr dankbar. Er legte zögernd seine Hand auf meine Schulter und fragte: „Was willst du jetzt machen?“ Seine Hand auf meiner Schulter war wie eine vertraute Geste und es war auch nicht unangenehm, seine Wärme zu spüren. Langsam hob ich meinen Kopf und sah in seine fragenden grünen Augen. Da erst sagte ich: „Ich möchte sie wieder finden. Ich will Satomi wieder sehen!“ „Satomi? Ist das ihr Name?“ flüsterte er. Ich nickte nur und nach einer Ewigkeit, so schien es mir, äußerte ich dann: „Warum, bist du mitgekommen? Ich meine es ernst! Du kannst doch nicht einfach mitkommen, nur weil du etwas Neues sehen willst!“ Diese Erkenntnis kam ganz schön spät. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Er drehte seinen Kopf zum Fenster und nahm wieder seine Hand von meiner Schulter. Mein Blick wanderte in seine Blickrichtung. An uns zogen die verschiedensten Bäume vorbei. Erst dachte ich, ich hätte ihn verärgert, doch er antwortete leise: „Weil ich wissen will, wer oder besser was du bist!“ Ich schaute ihn total perplex an, schließlich fragte ich ebenso leise: „Wie meinst du das?“ Jetzt schaute er mich wieder an und sprach aufgebracht: „Weil du ganz andere Sachen an hattest als du zu uns kamst. Diese Art von Kleidern gibt es auf der ganzen Welt nicht.“ „Mei...meinst du, ich komme gar nicht von dieser Welt?“ stotterte ich zögernd. „Es könnte sein, dass du aus einer parallelen Welt kommst“, antwortete er. Erst dachte ich, jetzt sei er total verrückt. Aber dann fing ich an, ihm zu glauben. Ich war mir schon immer sicher, dass es noch andere Welten gibt. So langsam kam mir der Gedanke, dass er wirklich zu ahnen schien, auf was er sich da eingelassen hatte. Er schien doch irgendwie besser mit alledem umgehen zu können, als ich selbst. Meine Gedanken wurden durch einen Lautsprecher an der Wagondecke unterbrochen, eine blecherne Männerstimme rief: „Die nächste Haltestelle ist der Hafen von Tysos.“ Tysos ist eine große Hafenstadt, direkt am Meer. Hier trafen sich alle Fähren und tauschten ihre Waren aus, die in die ganze Welt verschifft wurden. Es war immer ein großes Treiben am Hafen. Eigentlich konnte man sagen, dass hier die Zeit nie stehen bleiben würde, denn hier passiert immer was. Kräne schwangen über unsere Köpfe hinweg und verluden schwere Container. Hier war also unser erstes Ziel. Taro und ich stiegen aus. Ich lief voran zum Gepäckwagen um unseren Sachen zu holen. Als ich unsere Taschen erreicht hatte, drehte ich mich zu ihm um und rief: „Was ist, wenn du Recht hast? Wie soll ich denn da hinkommen? Wie soll ich wieder nach Hause kommen?“ „Das ist eine gute Frage! Ich denke, so wie du hierher gekommen bist, kommst du auch wieder zurück“, entgegnete er und nahm seine Tasche. Wir gingen zum Ausgang und standen dann auf der Straße. Menschenmassen zogen an uns vorbei. Sie alle hatten das gleiche Ziel, auch wir hatten es. Wir wollten weiter reisen und andere Länder sehen. Wir ließen uns weiter nach hinten fallen. In den Massen wollten wir nicht mit hineingezogen werden. Auf einmal kam mir ein Gedanke, den ich auch Taro mitteilte: „Hey, warte mal! Ich weiß doch gar nicht, wie ich hier her gekommen bin! Soll ich vielleicht den Abhang runter springen, wie damals?!“ Er guckte mich total entsetzt an und schrie fast: „Bloß nicht! Wenn das schief geht, brichst du dir den Hals!!“ „Da stimme ich dir zu. Ich bin auch nicht scharf drauf, es zu testen!“ meinte ich grinsend. „Aber was machen wir denn jetzt? Ich meine, wie willst du denn Satomi finden?“ erkundigte er sich. Mit diesen Worten setzten wir uns wieder in Bewegung, Richtung Hafen. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich wusste, dass ich sie finden konnte, wenn ich das wirklich wollte. Aber wie sollte ich ihm das sagen? Irgendwie war ich mir sicher, dass er mich verstehen würde. Doch fehlten mir einfach die Worte, um nicht irgendwie lächerlich zu klingen. Also gingen wir schweigend weiter und er fragte nicht noch mal nach. Er war kaum merklich weiter vorgegangen, sodass ich ihn von hinten gut erkennen konnte. Die Tasche schwang locker auf seinen Schultern. Ihm schien die Reise nichts auszumachen und irgendwie war ich wirklich froh, nicht alleine reisen zu müssen. Es musste schon reichlich spät geworden sein, denn die Sonne versank langsam am Horizont. Es war Zeit, sich ein Nachtlager zu suchen. Ohne Worte stapften wir weiter und genossen einfach nur diesen herrlichen Anblick aufs Meer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)