Generation³ von -Apple- ================================================================================ Kapitel 1: Bis zu jenem Tag... ------------------------------ Kapitel 1 – Bis zu jenem Tag… Shigeru gähnte ein letztes herzliches Mal, als er seine Schule betrat. In diesem Moment klingelte es, er würde abermals gerade rechtzeitig kommen, wahrscheinlich wieder der letzte, der in die Klasse kam. Er schlenderte die Treppen hinauf und bog um die Ecke, ein langer Flur lag vor ihm bis zu seinem Klassenzimmer, das sich im letzten Raum befand. Angeregt unterhielten sich noch zwei Mädchen vor ihrer Klasse, ein ‚Zuspätkommer’ schob sich an Shigeru vorbei und eilte in seine Klasse. Der Jugendliche betrat sein Klassenzimmer in dem, wie immer, der reinste Trubel herrschte, noch war kein Lehrer da, aber wie vermutet, war er der letzte, der in die Klasse kam. Er ging zu seinem Platz, dritte Reihe Fensterseite, setzte sich und räumte seine Tasche aus. „Hey, guten Morgen!“, wurde er von seinem Nebenmann begrüßt. „Guten Morgen, Yamamoto!“, grüßte er die bekannte Stimme zurück, ohne von seiner Tasche aufzublicken. „Wie geht’s deiner neuen Festplatte?“ „Ich hab noch ein paar Probleme, aber die krieg ich schon noch hin.“, grinste der rothaarige. Er war der größte Computerfreak, den Shigeru kannte. Mathe und Elektronik waren sein Gebiet, bevor man jemand anderes fragte, fragte man den guten Yamamoto. Allerdings hatte er aufgrund seiner Interessen auch wenig für Mädchen übrig. Gut, er hatte schon die ein oder andere Freundin, aber wirklich was längerfristiges mit Schwärmerei und so war da nie dabei. Obwohl er eigentlich ein hübscher Kerl war, ziemlich groß gewachsen, leuchtend rotes Haar, tiefdunkle Augen, dazu noch intelligent, sympathische Ausstrahlung…ein richtiger Typ zum Anlehnen und Beschützen eben. Darauf stehen doch die Mädchen!? Aber eine feste Freundin oder zumindest eine Flamme hatte er trotzdem nicht. Obwohl sich doch in diesem Alter fast alles nur um das andere Geschlecht dreht. „Na, wenn du schon Probleme damit hast, wie würde das dann bei mir aussehen!?“, lachte Shigeru. „Tjaaaa-“ „Hey, Shigeru!“ Takato schlug seine Hände auf den Tisch des blonden. „Hast du heute Zeit? Ich wollte vorbeikommen, wir könnten ja mal wieder ne Runde zocken!?“ „Rei ist heute nicht da.“, bemerkte Shigeru nur knapp und gelangweilt. Er hatte heute einfach keinen Bock auf ihn und Takato würde nie merken, dass ihn der blonde gerade schamlos anlog. „Oh.“ Der dunkelhaarige war sichtlich enttäuscht. „Na dann…ein ander’ Mal!“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging zu seinem Platz. Yamamoto fing an ungläubig zu lachen. „Oh, mein Gott, was war das denn?“ „Er ist in Rei verknallt und kommt ständig am Tempel vorbei.“, antwortete er etwas genervt. „Zuerst hat er wenigstens noch Glücksbringer gekauft oder hat so getan als würde er beten, aber dann hat er herausgefunden, dass er, wenn er zu mir kommt, viel länger da bleiben und sie ansabbern kann.“ Yamamoto lachte lauthals. „Und ich dachte, ich wär’ ein Freak!“ Shigeru nickte übereifrig. „Ich habe nichts gegen ihn, aber wenn er mich einzig und allein nur wegen ihr besucht, komm ich mir schon etwas verarscht vor. Er macht ja nicht mal so, als würde er mit mir Zeit verbringen wollen.“ Immernoch ungläubig schüttelte Yamamoto den Kopf. „Ruhe! Setzt euch!“ Auf Geheiß des Lehrers war es augenblicklich still und alle begaben sich auf ihre Plätze. Manchmal sollte man Schule einfach verbieten, dachte sich Shigeru, als er dabei war das Schulgelände zu verlassen. Mit Sicherheit war er kein schlechter Schüler, aber momentan nervte ihn die Lernanstalt einfach nur. Er entdeckte eine kleine Gruppe Schüler, an denen er vorbei musste. Der blonde beschleunigte seine Schritte und hoffte inständig, dass er ihn nicht bemerkte. Als er an ihnen vorbei war atmete er schon auf, doch zu früh gefreut. „Shigami!!“ Er reagierte nicht und ging einfach weiter, hoffte er würde von ihm ablassen, wenn er so tat, als würde er ihn nicht hören. „Hey, Shigami!“ Hartnäckig, der Kerl. „SHIGAMI!“ Shigeru hasste es, wenn er meinte, dass er einen Spitznamen aus seinem Vor- und Nachnamen basteln müsste. Er wirbelte herum. „NENN MICH NICHT SO!“ Verdammt, jetzt hatte er es doch geschafft. Der Rufer kam auf Shigeru zugelaufen. „Na, du hörst ja gar nicht gut, Alter!“ Alter? „Was ist?“, fragte Shigeru genervt. „Ich wollte mit dir über unser Projekt reden.“, begann sein gegenüber. „Ahja…über was solltest du sonst mit mir reden wollen?“ Er knatschte mit dem Kaugummi und blickte Shigeru mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Shigeru verfluchte seinen Lehrer dafür, dass er ausgerechnet ihn, Takeshi Ishida, ihm zugeteilt hatte. Der größte Playboy und Herzensbrecher der Schule und wahrscheinlich der ganzen Stadt. Er war einen ganzen Kopf kleiner als Shigeru, sehr sportlich, hatte einen frischen gepflegten Kurzhaarschnitt und strahlend blaue Augen, sein goldblondes Haar schimmerte in der Sonne. Dazu hatte er die ‚Gabe’, wenn er mit Mädchen redete, so zu lächeln, dass diese reihenweise umfielen. Er spielte in der schuleigenen Fußballmannschaft und war dort erfolgreicher Stürmer. Wahrscheinlich deswegen so beliebt, da nahezu alle der Schule, vor allem die Mädchen, Fans der äußerst gutaussehenden und mehr als nur oft siegreichen Spieler waren. „Naja, ich kann heute jedenfalls nicht kommen, um an dem Projekt zu arbeiten, mir kam kurzfristig was dazwischen.“, erklärte Takeshi. Ach ne, dachte sich Shigeru und warf einen Blick an Takeshi vorbei auf das kleine Grüppchen, bei dem er zuvor stand. Ein paar Mannschaftskameraden inklusive Yanagiba, alle vermutlich mit Freundinnen unterwegs. Katsuja Yanagiba war der Mannschaftskapitän, ebenso beliebt bei dem anderen Geschlecht, ein Klassenkamerad von Shigeru und Takeshi und mit einem reichen, vermutlich verwöhntem, Püppchen zusammen, die bei der Schülerzeitung war. Ja, der angeblich beste Freund von Takeshi, jedenfalls ließ dieser alles darauf hinauslaufen, wenn nicht jeder, außer Yanagiba selbst, wüsste, dass er einfach nur hinter seiner Freundin her war und ihm deswegen den Honig um den Mund schmierte. „Was dazwischen.“, wiederholte Shigeru tonlos. „Kurzfristig.“ „Ja, weißt du, es ist wichtig für das Turnier nächste Woche.“, erklärte er. Nächste Woche war zwar wirklich ein Turnier, aber Shigeru glaubte kaum, dass die alle eine Besprechung darüber halten werden, wenn die Freundinnen und Dates dabei waren. „Na toll, Übermorgen ist Abgabe und ich habe morgen keine Zeit.“, erwiderte der blonde genervt. Er dachte sich schon, dass es so ausgehen würde. „Wir haben es bis heute aufgeschoben, weil du dauernd trainieren musstest!“ „Ich würde es ja morgen machen, aber leider liegt das ganze Zeug bei dir.“ Takeshi schaute mitleidig drein, grinste wie ein kleiner Welpe und zuckte die Achseln. Natürlich lagen alle Unterlagen bei Shigeru, da er sie ja auch rausgesucht hatte. Allein! „Und morgen Abend haben wir ein internes Übungsspiel und du wohnst so weit weg…“ Shigeru rollte die Augen. Natürlich, der Stadtteil war ja auch so riesig, es gab keine Busse und auch keine Haltestelle direkt vor dem Tempel. Takeshi erschlug ihn gerade mit einem Zaunpfahl, der danach schrie, dass er die ganze Arbeit alleine machen sollte, da ja der tolle Sportler keine ‚Zeit’ dafür hatte. „Sicher.“, schnaufte er. „Danke, Alter!“ Takeshi boxte Shigeru an die Schulter und lief zu den anderen zurück, machte mit einigen einen Handschlag, legte seinen Arm um die Hüfte eines Mädchens und lachte siegessicher, woraufhin die meisten einstimmten. Nur Yanagibas Freundin schaute etwas mitleidig zu Shigeru. „Danke?“, murmelte der blonde und glaubte sich verhört zu haben. Er hatte kein Wort darüber gesagt, dass er das verdammte Projekt allein machen wollte. Genervt trat er weiter seinen Heimweg an. Er fühlte sich wie der letzte Streber, obwohl es einige in der Stufe gab, die weitaus bessere Noten wie er hatten. Yamamoto, zum Beispiel. Shigeru stieg die ewig lange Treppe hinauf zum Hikawa-Tempel. Er würde wahrscheinlich völlig außer Atem oben ankommen, wenn er diese nicht schon jahrelang täglich hinauf und hinab stieg. Yuuichiro kehrte gerade den Tempelvorplatz. Shigeru begrüßte ihn und ging ins Haus. Als er sich noch die Schuhe auszog, konnte er schon Reis Freundinnen hören. Den Gedanken an Takeshi erfolgreich verdrängt, grinste er über deren Lerngruppe, die wohl eher lustig und albern als effektiv war. Ab und zu leistete Shigeru ihnen Gesellschaft, dann legte er sich auf Reis Bett und durchforstete ihre Mangas. Rei regte sich dann immer furchtbar auf, wenn er es sich in ihrem Bett gemütlich machte. Shigeru fand es nur immer komisch, dass Minako und Bunny ihre Katzen mitbrachten. Selbst in der Schule sah er die Katzen oft umherstreunen. Der Weg zu seinem Zimmer führte an Reis Zimmer vorbei. Dieses stand offen und man konnte hören, wie die Mädchen lauthals diskutierten. Kurz warf er ein ‚Hallo’ in den Raum und ließ den Blick von einer zur anderen schweifen. Die Mädchen saßen alle an dem mit Schulkram voll beladenen Tisch und blickten ihn an. „Hallo, Shigeru!“, begrüßte ihn Bunny freundlich lachend. Dieses Mädchen war einfach immer gut gelaunt. „Hast du dich für nächste Woche eingetragen?“ „Öhm, nö. Ich ziehe es vor an dem Tag zu faulenzen und einfach nichts zu tun.“, grinste Shigeru zurück. „Du machst nicht mal Dienst?“, fragte Minako etwas erstaunt. „Nein…keine Lust. Ich streune lieber auf dem Schulgelände rum oder in der leeren Schule und langweile mich, wenn alle auf dem Sportplatz oder in der Sporthalle sind und die Mannschaften anfeuern. Macht eine von euch Dienst?“ „Nein, ich habe mich für Volleyball gemeldet.“, antwortete Minako. Shigeru nickte verstehend. Er lehnte sich in die offene Tür. „Makoto, Ami und ich machen Dienst.“, meldete sich Bunny zu Wort. „Wir haben es extra so gelegt, dass wir das Fußball-Turnier nicht verpassen.“ Wieder nickte der blonde und zog eine Augenbraue hoch. „Hey, Rei, willst du nicht auch kommen und dir verschwitzte Jungs beim Ball-Hinterherrennen ansehen?“, fragte Shigeru mit leicht sarkastischem Unterton und verschränkte die Arme. „Wir hatten es vor, ja.“, erwiderte diese knapp. „Ihr hattet es vor??“ Er hatte irgendwie nicht mit einem ‚ja’ gerechnet und war leicht überrascht. „Wer ist ‚wir’?“ „In meiner Klasse gibt es kein anderes Thema mehr, als das Spiel.“, grinste Rei. „Natürlich kommen wir uns das Spiel anschauen.“ „Wieso sind alle so versessen darauf dieses verdammte Spiel zu sehen?“ Shigeru verstand die Welt nicht mehr. Er hatte das Gefühl, alles drehte sich nur noch um diesen bescheuerten Sport. „Ein Name:“, antwortete Minako in schwärmerischem Ton. „Takeshi Ishida!“ Makoto und Bunny quietschten. Shigeru schaute sie mit undefinierbarem Blick an, der eine Mischung aus Ekel, Verwunderung und das-ist-nicht-euer-Ernst-? war. „Hey Bunny, du hast doch einen Freund!“, bemerkte Ami empört. „Na und, man darf doch wohl noch träumen.“, lachte Bunny. „Ishida??“, wiederholte Shigeru angewidert und ungläubig. „Ihr steht auch alle auf diesen ekelhaften Kerl?“ „Ich nicht!“, kam es von Ami. „Jaaa, er ist so süß und sportlich und sein Lächeln ist der helle Wahnsinn!“, schwärmte Minako. Makoto stimmte ihr mit geröteten Wangen zu. „Und seine Augen erst!“ „Sein durchtrainierter Körper!“ „Und seine tollen Haare!“ Shigeru fuhr sich unweigerlich durch seine chaotische Frisur. „Ihr wisst gar nicht was das für ein übler Typ ist.“, murmelte dieser und schüttelte nur den Kopf. Wieder vier potentielle Opfer. Er war froh, dass zumindest Ami noch bei Verstand war und setzte an, den Raum zu verlassen. „Wo willst du hin?“, fragte Bunny. „Bleib doch noch hier.“ „Ach, ich hab’ noch ein Projekt zu machen.“, seufzte Shigeru und ging in sein Zimmer. Er hatte keinen Nerv den Mädchen beim Schwärmen zuzuhören, die wissen gar nicht, auf was sie sich bei Takeshi einlassen würden. Ächzend ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Shigeru hatte wohl noch eine lange Nacht vor sich, wenn er das verdammte Projekt fertig kriegen wollte. Ein seltsames Geräusch ließ ihn hochfahren. Es kam von draußen, wo es mittlerweile stockdunkel war, nur die Schreibtischlampe erhellte den Raum. Shigerus müder Blick wanderte zu seinem Wecker, auf dem Nachttischschrank. Punkt drei Uhr. Er war über dem Projekt eingeschlafen. Auf seinem Schreibtisch herrschte das reinste Chaos und fertig war er noch lange nicht. Shigeru fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht, streckte sich und gähnte herzhaft. Er überlegte gerade schlafen zu gehen, als er im Augenwinkel plötzlich jemanden vor seinem Fenster stehen sah. Erschrocken fuhr er herum, sprang von seinem Stuhl auf und glaubte erst, seine Müdigkeit hätte ihn getäuscht, doch dort stand tatsächlich jemand. Noch bevor Shigeru überhaupt nur versuchen konnte zu erkennen, um wen es sich handelte, drehte sich die männliche Person, so viel konnte er vorab sehen, um und lief in das dunkle Waldstück. Die Nacht verschluckte ihn schnell. Shigerus Herz schlug ihm bis zum Halse, er war wie erstarrt. Eine riesige Gänsehaut lief ihm den Rücken herunter. Wer zur Hölle streunte hier herum und glotzte in sein Fenster? Trocken schluckte er und starrte immer noch aus dem Fenster. Seine Müdigkeit war wie weggeflogen. Der blonde lauschte. Nur das Ticken seines Weckers drang an sein Ohr. Einen Moment lang überlegte er, ob er sich nicht schlafen legen, und den Vorfall einfach vergessen sollte, aber als er sein Bett betrachtete, das unter seinem breiten Fenster stand, verging ihm dieser Gedanke schnell wieder. Shigeru schluckte hart und stand immer noch regungslos im Zimmer, aus dem Fenster starrend. Wieso musste sich auch ein verdammtes Waldstück auf dem Gelände befinden? Es hatte keinen Zweck, er würde nicht eher Ruhe finden, bevor er nicht nachgesehen hatte, wer da draußen rumstreunte. Leise schlich er sich aus seinem Zimmer, vorbei an Reis, zum Besenschrank im Eingangsbereich, aus dem er sich einen Besen nahm und ihn kurzerhand zur potentiellen Waffe umfunktionierte. Shigeru stahl sich aus der Haustür. Der Mond schien hell vom Himmel herab und ließ sein Haar silbern leuchten. Er begab sich, den Besen kampfbereit vor sich haltend, zu seinem Fenster. Es schien alles normal zu sein, in seinem Zimmer brannte noch immer das Licht und vor seinem Fenster ließen sich keinerlei Spuren, außer den seinen von jetzt, feststellen. Shigeru seufzte schon erleichtert auf. Alles doch nur ein Hirngespinst. „Shige-RU!“ Er fuhr herum. Eine Stimme rief ihn, sie kam eindeutig aus der Richtung, in die die Person von eben gelaufen war. Sein Herz schlug wild in seiner Brust, seine Knie zitterten. Shigeru begriff erst jetzt, dass Mut bedeutete, wenn man sich seiner Angst stellt. Er schluckte und schritt langsam in das Waldstück. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, den Besen schützend vor sich haltend, und suchte wachsam nach dem Typen. Hier wollte ihm ein Scherzbold wohl unbedingt tierische Angst einjagen. „Ok, genug amüsiert, das reicht jetzt! Es ist nicht mehr witzig!“ Shigeru hoffte, dem Kerl den Spaß zu nehmen. „Ich…kann Karate, ich würde dir nicht raten, dich mit mir anzulegen!“ Natürlich konnte er kein Karate, aber das wusste dieser Bursche ja nicht. Hoffte er. Naja, er kannte zwar seinen Namen, aber mit Sicherheit wusste er sonst nichts über ihn. Hoffte er. Es sei denn, wenn er ihn schon länger beobachtet und viele Informationen über ihn gesammelt hatte, wusste er mit Sicherheit, dass er keinen Kampfsport macht. Shigeru schüttelte den Kopf. „Ich sollte mir nicht selbst den Mut nehmen.“, murmelte er sich selbst zu und schritt weiter wachsam voran. Plötzlich huschte ein Schatten zwischen den Bäumen vor ihm hindurch. Erschrocken blieb er stehen. „HE…HEY!!“, rief er mit etwas zittriger Stimme. Verdammt, du darfst keine Angst zeigen, fluchte er. „SHIGERU!!“, schrie ihm plötzlich jemand ins Ohr. Der blonde sprang zur Seite und presste sich geängstigt mit dem Rücken gegen den nächsten Baum, wobei er aus Schreck den Besen fallen ließ. Dieser lag nun außer Reichweite neben einem Kerl, vielleicht 18 Jahre alt, etwa so groß wie Shigeru selbst und sehr stämmig gebaut. Na toll, wozu hatte er sich den verdammten Besen mitgenommen, wenn er ihn eh im erstbesten Augenblick verliert? „W-Was…Wer zur Hölle bist du?“ Der Kerl antwortete nicht, sondern blickte ihn nur finster an. Shigeru fiel auf, dass er ein Schwert auf dem Rücken trug und presste sich noch mehr an den Baum. Die harte Rinde drückte sich in sein Kreuz. Der blonde fürchtete nun ernsthaft um sein Leben, ein scheinbar Verrückter streunte nachts durch den kleinen Wald, war bewaffnet und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm Angst einzujagen. Shigeru hielt die Luft an. Sein gegenüber rührte sich nicht. Angsterfüllt starrte Shigeru in seine Augen. Er fragte sich, was wohl Takeshi sagen würde, wenn er morgen erfährt, dass er das Projekt selbst fertig machen müsste. Der Typ kam einen Schritt auf den blonden zu. Shigeru presste sich noch fester an den Baum, am liebsten würde er in diesen hineinkriechen. Erst jetzt bemerkte er, dass etwas seltsam war. Shigeru traute erst seinen Augen nicht, doch er bemerkte, dass er wirklich durch den Kerl hindurchschauen konnte, deutlich zeichnete sich die Umgebung hinter ihm in seinem Körper ab. „Du-du bist ein-“ Mit einem Mal schnellte er zu Shigeru und fuhr scheinbar in diesen. Dem blonden blieb die Luft weg, er würgte und hustete, schnappte nach Sauerstoff und brach zusammen. Noch immer hustend lag er auf dem Boden krümmte und wälzte sich durch das Gras, bis er sich schließlich immer mehr beruhigte und letztendlich still im feuchten grün lag. Mit trübem Blick starrte er in die Baumkronen, durch die der Mond und die Sterne schimmerten. Er rollte sich zur Seite und versuchte sich aufzurichten, doch in seinem Kopf drehte sich alles, sein ganzer Körper zitterte und kalter Schweiß rann ihm die Stirn herunter. Shigeru stützte sich an einem Baum ab und fuhr sich mit der Hand an seine Stirn. Er atmete sehr schwer und hatte das Gefühl, dass er vor Schwäche keinen einzigen Schritt mehr gehen könnte. Langsam versuchte er sein Glück, doch seine Beine zitterten so stark, dass er sich nicht halten konnte und er schließlich wieder im Gras landete. Ohne Vorwarnung drehte sich sein Magen um und er ergab sich mit Leib und Seele… Als der Wecker klingelte war sie schon längst hellwach und sich am Anziehen. Mit einem gezielten Schlag verstummte das Gerät und sie widmete sich weiter ihren langen Strümpfen, die sie bis über die Knie zog. Durch die Wand drang noch immer das Alarmgeräusch aus dem Nebenzimmer. Wie konnte man nur so schwer zu wecken sein? Aber Bunny schlief auch immer wie ein Stein. Gut gelaunt schnappte sich Rei ihre Schultasche, verließ das Zimmer und hämmerte im Vorbeigehen an Shigerus Zimmertür, in der Hoffnung, dass er vielleicht heute Morgen davon aufwachte. Wider erwarten hatte sie tatsächlich Erfolg damit, Shigeru regte sich und legte sich rum, stellte seinen Wecker aus und richtete sich auf. Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, rieb sich sein Gesicht und stand auf. Was für ein bekloppter Traum… Im Halbschlaf zog er seine Schuluniform an, nahm seine Schultasche und schlurfte in die Küche zum Frühstücken. „Guten Morgen…“, murmelte er. „Mein Gott, wie siehst du denn aus?“, ertönte es von Rei, die sich die Frage nicht verkneifen konnte. „Ich hab nicht gut geschlafen.“, brummelte Shigeru während er sich an den Tisch setzte und Cornflakes in eine Schüssel purzeln ließ. „So siehst du auch aus.“, erwiderte die dunkelhaarige, während sie das Pausenessen zubereitete. „Du bist wieder wirklich sehr aufbauend.“, grummelte er mit vollem Mund, während Rei summte. „Übrigens werde ich Takato heute nicht wieder hinhalten können.“ Irgendwie musste er sich ja rächen. „Soll er doch kommen, wenn er will.“ Shigeru hielt inne und beäugte sie mit seltsamem Blick. „Sag bloß, du magst ihn!? Das ist doch wohl nicht dein Ernst?“ Rei schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das nicht.“, antwortete sie und summte weiter, was Shigeru erst jetzt auffiel. „Wieso bist du so vergnügt?“ „Nur so.“, erwiderte sie wieder knapp. Shigeru verstand die Welt nicht mehr und wollte noch etwas erwidern, doch Rei stellte abschließend sein Bento auf den Tisch, verließ die Küche und ging ins Badezimmer. Der blonde fragte sich, ob Yuuichiro endlich ihr Herz erobert hatte und sich als ihren festen Freund bezeichnen durfte. Das war die einzige Erklärung, die er für ihre gute Laune hatte. Wer wäre nicht gut gelaunt, wenn man an einem schönen Frühlingstag eine neue Liebe fand? Shigeru löffelte schnell seine restlichen Cornflakes und folgte Rei ins Badezimmer. Diese kämmte sich gerade die Haare und schien in Gedanken zu sein. „Wie geht’s Yuuichiro?“, fragte er, während er seine Zahnbürste präparierte. Seine Neugierde war einfach viel zu groß, als dass er Rei so leicht davonkommen ließ. „Keine Ahnung, frag ihn doch.“, erwiderte sie erneut nur knapp ohne den Blick zu heben. Also doch nicht Yuuichiro. „Dann…hast du einen anderen Freund!?“, fragte Shigeru mit Zahnbürste im Mund und versuchte es ganz beiläufig klingen zu lassen. „Wieso anderer Freund?“ Rei legte die Bürste weg und ging wieder aus dem Badezimmer, in die Küche. Der blonde putzte schnell seine Zähne fertig und wollte ihr folgen, rannte fast in sie hinein, als sie mit ihrer Schultasche am Badezimmer vorbei in Richtung Eingangsbereich ging. „Aber-“, fing Shigeru an und wollte sich ihr anschließen, wurde aber von Rei unterbrochen. „Du solltest deine Haare kämmen.“, kicherte sie und wuschelte ihm durchs Haar, woraufhin er von der Tür aus einen Blick in den Spiegel warf und diese wieder etwas glatt strich. „Die sind doch gut so.“, murmelte er vor sich hin und vergaß fast, dass er Rei ausquetschen musste. Er schnappte sich sein Bento und seine Tasche und zog sich schnell seine Schuhe an. Rei war schon bei der Treppe, als Shigeru das Haus verließ. Er rannte quer über den Tempelvorplatz und holte sie erst in der Mitte der Treppe wieder ein. „Was hast du es heute denn so eilig?“, fragte Shigeru, die immer noch vergnügt summende dunkelhaarige. „Ist dir schon aufgefallen, dass wenn du mal nicht spät dran bist, mich morgens pausenlos mit Fragen löcherst?“, merkte Rei an. „Was, wie kommst du denn darauf?“, erwiderte er und fing sich von ihr einen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen ein. „Das ist gar nicht wahr! Ich will nur-“ „Guten Morgeeeen!“, rief Bunny, die mit den anderen am Fuße der Treppe wartete, den beiden zu. Auch die anderen grüßten sie. „Guten Morgen!“, begrüßte Rei alle fröhlich lächelnd und ging munter vor. „Hui, was ist denn mit der los?“, fragte Bunny. „Ist sie etwa mit Yuuichiro…?“ Sie grinste schelmisch. Shigeru nickte übereifrig. „Jaaa, genau, genau das meine ich auch, aber sie will ja nicht sagen was los ist!“, beschwerte er sich. „Heute ist so schönes Wetter, wer ist denn da nicht gut gelaunt?“ Makoto reckte sich der warmen Morgensonne zu. „Shigeru!“, antwortete Minako und alle begannen zu lachen. „Hey, das ist nicht witzig!“, wandte der blonde ein. Zusammen setzten sie ihren Weg zur Schule fort. Noch war der Morgen völlig normal, wie jeder andere auch. Und noch ahnte Shigeru nicht, welche weitreichenden Folgen die letzte Nacht für ihn haben wird… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)