Hawk's Quest von propheiy (Die Legende von Nevermore) ================================================================================ Kapitel 2: Akira ---------------- >Kapitel 2: Akira< Die Sonne war bereits hinter dem Horizont und die Dunkelheit begann einzubrechen, als Java auf der großen Wiese erwachte. Er blinzelte ein paar Mal und wunderte sich. Was war passiert? Warum lag er Seelenverlassen inmitten der großen Wiese, auf der er früher als kleines Kind immer mit den anderen Kindern von Coudy gespielt hatte? Doch dann viel es ihm wieder ein und er schoss mit einem Satz wie ein Pfeil in die Höhe. Der Adler war da gewesen! Und er hatte ihn außerwählt. Nicht Sumi, den Shicho; nicht Elda, der zwar noch ein Jahr jünger, dafür aber um ein vielfaches stärker war als er und auch nicht Tanaka, der durch seinen ausgeprägten Verstand bestach, nein, er hatte nur Java erwählt. Er drehte sich um und betrachtete Coudy. Auf den ersten Blick war alles dunkel; kein einziges Haus schien bewohnt zu sein. Es war ein ungewohnter Anblick seiner ihm so vertrauten Heimat. Noch nie, zumindest konnte er sich nicht mehr daran erinnern, hatte er Coudy so verlassen gesehen wie jetzt, was ihn sichtlich beunruigte. Der Hauptgedanke jedoch, der unaufhörlich durch seinen Kopf ging war die Frage nach seiner Schwester, aber auch die, nach seinen Mitmenschen. Langsam und ohne sich länger Gedanken über die Logik dieses Szenarios zu machen näherte er sich seinem Haus. Er musste eine beachtliche Entfernung zurücklegen; er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, so eine Strecke am Beginn des Tages um Mitternacht gegangen zu sein. Bevor er sein Haus erreichte, bemerkte er, dass das Versammlungshaus in der Mitte Coudys von Innen hell erleuchtet war. Er änderte seine Richtung und begann nun zu rennen. Als er die große hölzerne Tür des Gebäudes erreichte, wartete er, um zu lauschen, was im Inneren vor sich ging. Von außen konnte man bereits ein ungeordnetes Stimmengewirr vernehmen, welches allerdings wenig später von Jemandem unterbrochen wurde. Java konnte eine durchdringende, aber warme Stimme identifizieren. Er wusste, dass es nur Sumi sein konnte. „...müssen wir eine Entscheidung treffen, welche Schritte wir als nächstes einschlagen werden. Sicherlich fragen wir uns alle dasselbe: Was ist geschehen, nachdem der Adler eingetroffen ist? Nun, um diese Frage zu klären, gibt es nur die Möglichkeit, weiter nachzuforschen und Indizien zu sammeln.“ Und wieder begann eine Unruhe von den Menschen auszugehen. Java überlegte, ob er die Halle betreten sollte, oder ob es eher ratsam wäre noch eine Weile abzuwarten, um vor dem Eintritt besser informiert zu sein. In seinem Kopf war alles durcheinander. Erst die Ankunft des Adlers und dann... Ihm wurde wieder ganz heiß, als er an die Worte des weisen Adlers dachte: Er würde gegen Zowan kämpfen müssen, den wahrscheinlich mächtigsten dunklen Herrscher, der jemals bekannt war. Sollte er sich seiner Aufgabe entziehen? Nein das wäre nicht in seinem Sinne, dachte Java sich. Er selbst hatte nicht die geringste Ahnung, wie er es fertig bringen sollte, einen mächtigen Unterweltler wie Zoran mal so eben zu besiegen. Java war nur einfacher Sohn eines Farmers, welcher mitten in den unendlichen Weiten eines Landes namens Nevermore lebte und keinerlei Erfahrungen mit kämpfen hatte. Wäre er Schüler eines Klosters, in dem Kämpfen auf dem Tagesplan steht, hätte er sicherlich weniger Angst gehabt. Zwischenzeitlich versuchte er sich eine Vorstellung des Szenarios im Inneren zu machen. Seine Schwester war bestimmt inmitten der Versammlung und wunderte sich genau wie alle anderen Bewohner Coudys, warum sie kurz nach der Ankunft des Weisen plötzlich außer Gefecht gesetzt wurden, ganz zu schweigen davon, ob sie das überhaupt noch wussten. Warum aber hatte ihm keiner Beachtung geschenkt? Er hielt sein Ohr nun noch näher an die Tür, um auf keinen Fall irgendetwas vom Geschehen zu verpassen. Nach einer Weile ergriff einer der Bewohner das Wort. „...warum waren wir nach der Ankunft alle bewusstlos? Wenn der Adler uns wirklich etwas zu sagen gehabt hätte, so würde er doch nicht veranlassen, das wir alle den Verstand verlieren!“ Tanaka!, dachte Java. Tanaka war, wie bereits gesagt mit Abstand der Klügste in Coudy. Wenn er etwas sagte oder eine Vermutung konstruierte, schenkten ihm alle Beachtung, da diese fast immer stimmten oder zu Realität wurden. Doch Java wusste, dass er jetzt Unrecht hatte. Sumi erhob aufs Neue seine Stimme. „Wir alle wissen, wie mächtig der weise Adler ist. Er hat für alles seine Gründe; uns wurde nicht genügend Weisheit gegeben, um zu verstehen, was es damit auf sich hat...“ Ein weiterer Bewohner, den Java sofort als Dai identifizierte, unterbrach ihn. Er erkannte Dai an seiner kratzigen, verschleimte Stimme, die er noch nie ausstehen konnte. „Aber Java ist nun mal nicht unmächtig geworden. Und das als Einziger, Rai hat es uns ja berichtet...“ Doch da unterbrach Sumi rückzugs Dai. Seine Stimme klang bestimmend und es machte den Anschein, dass er sich seine Worte genau überlegte. „Und genau das ist ja die Sache, die uns beschäftigt: Warum gerade Java? –Der Adler muss etwas mit ihm ausgemacht haben, was aber nur für ihn bestimmt war. Wir dürfen aber keineswegs versuchen, ihm Informationen zu entlocken, das wäre nicht in seinem Sinne gewesen. Ob es darin um Zowan ging, wissen wir nicht, noch nicht.“ Java überkam ein Gefühl der Abgrenzung. Ob ihn die Bewohner Coudys in Zukunft anders behandeln würden, da er etwas wusste, was sie nur erahnen konnten? Doch plötzlich wurden seine Gedanken von einer ihm unbekannten, hohen Stimme unterbrochen: „Na, gut geschlafen?“ Java erschrak so sehr, dass er in die Höhe fuhr und sein Kopf an der Klinke donnerte. Daraufhin fluchte er ein paar Mal vor sich hin und drehte sich in Richtung der unbekannten Stimme. „Tut mir schrecklich leid, dass ich dich so erschreckt habe, aber man hat ja nicht ewig Zeit...“ Eine kleine Gestalt, die ungefähr bis zum Ellenbogen Javas reichte, ein regenbogenfarbiges Gewand trug und einen Hut, auf welchem ein eigenartiger Miniaturbaum befestigt war, blickte ihn mitleidig an. Java schaute etwas missmutig drein, überwund sich aber dennoch zu einem murmelnden: „Keine Ursache, wird schon besser.“ Einen kurzen Moment lang trat Stille ein und von der Innenseite der Versammlungshalle konnte man wieder ein Durcheinander von Stimmen vernehmen. Java drehte sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass Keiner den Schlag bemerkt hatte. „ Ich heiße Akira“, sagte die Gestallt und reichte Java die Hand. Java erwiderte dies und presste die Lippen zusammen. Danach fuhr Akira fort. „Ich komme von den weit entfernten Bergen des Mondes. Mein Auftrag ist es, dich zu begleiten. Noch Fragen?“ Java rieb sich an seinem Kopf, der immer noch schmerzte. Etwas ungläubig schaute er drein. „Nein... das heißt doch...ich...“ Daraufhin blickte er in den Himmel, als erwarte er eine Erneute Ankunft des Adlers. „Ich glaube nicht, dass ich der Richtige bin, um ihn zu besiegen.“ Akira klappte der Unterkiefer anscheinend vor Überraschung auf. „Doch, doch, aber selbstverständlich bist du der Richtige; der Weise irrt sich niemals! Außerdem bin ich seit Wochen unterwegs, um dich hier zu treffen und dich anschließend in das Neue Land zu bringen und...“ „Mir zu helfen?“; unterbrach Java ihn. „Nein, helfen kann ich dir nicht. Ich habe vom Adler einen klaren Auftrag bekommen, so wie du deinen bekommen hast.“ Java schien noch nicht recht zu begreifen. „Der Adler war erst heute Morgen bei mir, wie...“ „Ich glaube du weißt nicht wirklich viel über ihn, oder?“, unterbrach ihn Akira, den die Unwissenheit Javas genauso überraschte, wie seine Zweifel, er sei nicht der Richtige, um Zowan zu stürzen. Java lies bewusst ein überlegenes Lächeln in sein Gesicht gleiten. „Ich kenne ihn sehr gut. Wir alle hier kennen ihn sehr gut und wir wissen, welche Macht er besitzt. Aber das hier ist etwas anderes.“ „Was du wahrscheinlich noch nicht weist“, begann Akira, „ist, dass er sogar die Zeit beeinflussen kann. Dies tut er in gewissen Fällen, er würde sie aber niemals missbrauchen. Er setzt seine Fähigkeiten gezielt ein. Und auch du hast jetzt ähnliche, wenn auch nicht dieselben Fähigkeiten wie er.“ Java erinnerte sich wieder: Er hatte Fähigkeiten vom Adler bekommen, was er aber noch nicht wusste war, was das für welche waren und wie man sie einsetzt. Irgendwie überkam ihn das Gefühl, dass der Adler ihn hätte besser aufklären müssen, wenn er ihn schon beinahe sterben lies. Aber wie für so vieles hätte er auch dafür eine Begründung gehabt. „Wir müssen bald aufbrechen, es ist schon spät“, begann Akira. „Aber halt, beinahe hätte ich es vergessen! –Deine Schwester kommt mit.“ Java hatte sie beinahe vergessen. Wenn sie mit sollte, so müsste er vorher die Versammlung betreten. Schließlich wusste sie ja auch nicht mehr als die Anderen, aber Java konnte sich an den Gedanken nicht gewöhnen, dass Sora sich solcher Gefahr aussetzen sollte. „Sie kann nicht mit, sie würde das nicht durchstehen. Außerdem ist das viel zu gefährlich.“ Er richtete seinen bestimmten Blick auf Akira. Dieser schien aber anderer Meinung zu sein. „Und weißt du was ich glaube? –Ich glaube, dass du viel zu viel Angst um deine Schwester hast und dass du ihr zu wenig zutraust. Sie wird mitkommen, der Adler hat das befohlen.“ Java machte bewusst ein fragendes Gesicht. „Warum hat er es dann nicht gleich mir gesagt?“, fragte er ihn ungeduldig. „Weil er für alles seine Gründe hat!“, erwiderte Akira und er deutete Java auf die Stirn wobei er sich bei seiner geringen Körbergröße ziemlich strecken musste. „Siehst du den Baum auf meinem Kopf? –Das ist der Baum der Weisheit. Er ändert sein Blätterkleid je nach Lage des Landes.“ Java, dem dieser seltsame Kopfschmuck schon aufgefallen war, bevor er Akira selbst erblickte, betrachtete ihn nun genauer. Die Äste waren dürr und ein paar vertrocknete Blätter hingen schlapp nach unten, sodass sie sich jeden Moment abwerfen würden. „Alle Anzeichen des jetzigen Zustand des Baumes deuten auf das nahe stehende Ende. Sobald das letzte Blatt des Baumes abgeworfen wird, ist jede weitere Bemühung umsonst, denn dann...“ Akira verstummte. Java ergänzte ihn. „...Ist es zu spät, ja, ich weiß“, sagte er und blickte in die Ferne. Akira machte eine wegweisende Andeutung und wies darauf hin, dass Java seine Schwester holen sollte. Java war sich zwar ziemlich unwohl bei der Vorstellung, wie gedrückt die Stimmung bei seinem Eintritt werden würde, aber er holte tief Luft und drückte die Klinke herunter. Doch im nächsten Augenblick wurde er zur Seite gedrängt. Vom Inneren schritten die Dorfbewohner, einer nach dem anderen ins Freie; offenbar war die Versammlung beendet. Java flüchtete schnellstmöglich hinter die Hauswand. Akira hielt aber weiterhin die Stellung. Dennoch schien ihn Keiner zu bemerken, was nicht zuletzt auch an der bereits weit fortgeschrittenen Dämmerung lag. Als Sora an der Reihe war, das Haus zu verlassen, zog Akira sie mit sich in Richtung Javas Versteck. „Da bist du ja!“, sagte Sora erleichtert. „Aber warum versteckst du dich? Und wer bist du überhaupt?“, fragte sie und blickte zu Akira. „Auf jeden Fall haben wir uns schon gewundert, wo du bleibst. Sumi wollte...“ Java unterbrach sie. „Nicht jetzt, später!“, zischte er durch die Mundwinkel und prüfte mit ein paar Blicken, ob ihn Keiner bemerkt hatte. „Wir müssen sofort aufbrechen!“ Akira bestätigte das. „Dein Bruder hat Recht. Es bleibt uns nur noch wenig Zeit!“ Sora verstand gar nichts mehr. „Wie? Für was Zeit? Hab ich irgendwas verpasst?“, fragte sie verwirrt. „Kann man so sagen, ja.“, sagte Java und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Die Zeit wird wirklich knapp“, drängelte Akira. Er fixierte Sora und gab ihr ein vertrauenvolles Zeichen, dass sie ihnen folgen sollte. „Wir werden es die doch rechtzeitig erklären“, gab er ihr zu verstehen. Und so zogen sie, gegen den Willen Soras in das Ungewisse. Keiner der Drei, ganz zu schweigen von ihr, hatte eine Ahnung was sie erwarten würde und wie sie vorgehen mussten. Der erste Weg war auf jeden Fall der in das Neue Land, welches bereits unter der Macht Zowans stand, da war sich zumindest Akira sicher. Java beschäftigte sich immer wieder mit der Frage, warum grade seine hilflose Schwester sie begleiten musste und wie er seine geheimnisvollen neuen Kräfte aktivieren konnte. Das weite Land, das sie durchstreiften war bereits in vollkommener Dunkelheit versunken. Das einzige, was ihnen jetzt noch den Weg wies, war ein Kompass, der natürlich auch nicht beleuchtet war, was die ganze Sache wiederum noch mehr erschwerte. Um sich nicht zu verlieren, blieben sie dicht beieinander. Wenn man zurückschaute, konnte man in der Ferne noch Coudy sehen, das wieder hell erleuchtet war. Das Abenteuer begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)