fear von Oceanwhirl (past - present - and no future to be seen) ================================================================================ Kapitel 4: session I :: low voiced ---------------------------------- Jun klopfte sehr, sehr leise an die weiße Holztür, aber zu seiner Enttäuschung wurde es nicht überhört, sondern mit einem sehr freundlichen „Herein bitte“ beantwortet. Zögerlich zog er den Türgriff herunter und trat unsicher ein. Das Sprechzimmer war relativ groß, durch das riesige Fenster an der linken Wand sehr hell und die Frau hinter dem großen Schreibtisch davor passend dazu sehr gutaussehend und freundlich. Sie war mittleren Alters, nicht sehr groß und hatte welliges Haar, das ihr leicht um ihr schönes Gesicht bis auf die Schultern fiel. Sie trug eine hellgraue Bluse und ein schwarzes seidenes Halstuch. Sie wünschte einen Guten Tag, bot ihm mit einer eleganten Handbewegung Platz auf dem schwarzen Ledersofa gegenüber der Tür an, stellte sich als Doktor Murata vor und erkundigte sich nach seinem Namen, bevor sie sich kurz an ihrem PC zu schaffen machte, während Jun den Mantel abnahm und sich setzte. „Was führt Sie hier her?“, fragte sie mit ihrer sehr angenehmen Stimme und Jun schluckte. „Ein Freund von mir hat mir den Termin gemacht“, murmelte Jun und sah unsicher auf den Boden, nicht sicher, was er als Nächstes sagen sollte. Doktor Murata ersparte ihm unangenehmes Schweigen. „Richtig, er hatte mich heute Morgen angerufen“, erinnerte sie sich und kam um den Schreibtisch herum, um sich auf einen Sessel Jun gegenüber zu setzen. „Wir haben nur kurz über Ihr Problem gesprochen“, fuhr sie fort. „Er sagte, Sie hätten schlimme Alpträume.“ Jun nickte und kratzte nervös an seinem Handgelenk herum. „Wohnen sie zusammen?“ Jun sah, ein wenig überrascht über den Themenwechsel, auf und nickte. „Zusammen mit noch ein paar Anderen. Wir spielen alle in einer Band.“ Sie lächelte. „Einer die ich kenne?“ „Ich glaube nicht. Wir haben uns erst vor ein paar Monaten gegründet.“ „Was für eine Richtung, wenn ich fragen darf?“ Jun lächelte unsicher. „Visual Kei.“ Sie lachte leise auf, aber es war kein spottendes Lachen. „So etwas dachte ich mir“, meinte sie und strich ihr seidiges Haar zurück. „Davon hört man immer mehr in letzter Zeit. Es scheint immer populärer zu werden, auch außerhalb Japans, wie mir scheint.“ „Ja, vor allem in Europa werden immer mehr Sachen veröffentlicht“, bestätigte Jun und wunderte sich, dass sie tatsächlich etwas von Musik zu verstehen schien. Und gleichzeitig, dass seine Unsicherheit immer mehr verflog. „Welches Instrument spielen sie?“, fragte sie als nächstes. „Bass.“ „E-Bass, nehme ich an.“ Jun nickte. „Verstehen Sie etwas von Musik?“ Sie lächelte die ganze Zeit über. „Ich habe auch einmal in einer Band gespielt. Damals, in meiner Studienzeit.“ „Was haben Sie gespielt?“ „Ich war Jazz-Pianistin.“ Juns Augenbrauen zuckten. „Jazz...“ „Ja“, lachte sie auf und interpretierte seine Reaktion richtig, „Jazz muss man mögen und wer das nicht tut, kann nichts damit anfangen.“ Jun senkte betreten den Blick. „Entschuldigen Sie bitte.“ Sie tat es mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Ich kann es Ihnen beileibe nicht verübeln. Aber ich war jung und experimentierfreudig und hatte die Nase gestrichen voll von Chopin.“ „Yuuki spielt auch Klavier“, murmelte Jun und blickte auf das Parkett. „Yuuki? Ist das Ihr Freund, der mich angerufen hat?“ „Ja.“ „Ein sehr netter junger Mann, hatte ich den Eindruck. Und er hat eine sehr angenehme Stimme.“ Der Schwarzhaarige nickte. „In der Band singt er“, erklärte er. „Sie scheinen ihm sehr nahe zu stehen, wenn er von Ihren Alpträumen weiß.“ „Sein Zimmer ist direkt neben meinem“, antwortete Jun ausweichend und befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. „Er sagte, dass er von Ihrem Weinen oft wach wird.“ Der Satz schwebte einen Moment lang im Raum, bevor sie schloss: „Sie erinnern sich nicht daran, was nachts passiert.“ Jun schüttelte den Kopf. „Bis heute morgen hatte ich nicht mal eine Ahnung, dass er davon weiß.“ „Laut seiner Aussage geht das schon seit Wochen, ja, Monaten so.“ „Mit den Alpträumen, ja“, erwiderte er nach kurzem Überlegen. „Erinnern Sie sich, wann es etwa angefangen hat?“ Jun schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Vielleicht vor einem halben Jahr oder so. Ich weiß es nicht genau.“ „Das ist schon ein sehr guter Anhaltspunkt“, kommentierte sie und irgendwie beruhigten ihn ihre Worte. „Was haben Sie gemacht, bevor Sie Mitglied dieser Band wurden?“ „Ich hab in einer anderen Band gespielt“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Bei jemand anderem wäre er sich wie ein Freak vorgekommen, bei ihr irgendwie nicht. „Ihnen bedeutet Musik sehr viel“, vermutete sie und er nickte. „Schreiben Sie auch?“ „Nein. Yuuki schreibt die Lieder. Er ist ein ziemlich begabter Komponist.“ Sie nickte. „Haben Sie es einmal versucht?“ „Ich hab mal ein paar Lyrics getextet. Aber die waren nicht so besonders gut. Yuuki ist da viel talentierter als ich.“ „Wie kommen Sie darauf?“ Jun sah etwas irritiert auf. „Wie meinen sie das?“ Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und sah mit einem Mal sehr viel überlegener aus. „Ich möchte wetten, dass Sie niemals jemand anderen als sich selbst haben die Texte beurteilen lassen.“ Der Dunkelhaarige legte die Stirn in Falten. Sie sah nicht nur überlegen aus… „Woher wollen Sie das wissen?“ Sie lächelte bezaubernd, aber irgendwie traute er ihr dennoch nicht mehr so richtig über den Weg. „Es ist mein Job, solche Dinge herauszuhören“, antwortete sie. „Und Sie scheinen mir nicht der Typ, der seine Gefühle offen zur Schau trägt. Nicht zuletzt darum sind Sie doch hier.“ Jun wich ihrem freundlichen aber durchdringenden Blick aus. Bei Gott, wie viel wusste diese Frau schon über ihn? Egal, wie professionell sie sein mochte, er konnte sich doch unmöglich schon nach so kurzer Zeit verraten haben. „Rauchen Sie?“ Jun schreckte auf und starrte sie einen Moment verwirrt an, bevor er schweigend nickte. „Das trifft sich“, lachte sie und klatschte in die Hände, bevor sie aufsprang, regelrecht euphorisch zum Fenster ging, es öffnete und auf dem Rückweg einen Aschenbecher und ein sehr teuer aussehendes Zigarettenetui mitbrachte. „Sie haben lange keine Sprechstunde mit einem Raucher mehr gehabt, nicht wahr?“, meinte Jun mit einem schiefen Grinsen, fand er ihr momentanes Auftreten im Vergleich zum Vorhergehenden doch recht befremdlich, da fast kindlich. Sie lachte auf, ließ sich neben ihm auf die Couch fallen, stellte den Aschenbecher neben sich und öffnete dann das Etui, aus dem sie eine Zigarette nahm, sie Jun anbot, der sie dankend annahm, und dann eine zweite für sich selbst. „Ich bin durchschaut“, sagte sie charmant lächelnd und fügte dann noch hinzu: „Außerdem habe ich all meine Streichhölzer verbraucht.“ Jun kramte aus seiner Manteltasche ein schwarz-goldenes Plastikfeuerzeug hervor und gab ihr Feuer. *** Schnuffi... *herz* Nette Frau Doktor, benannt nach Shingo Murata, falls das jemandem was sagt. ^^ Das ist doch mal jemand, dem man sich gerne anvertraut. Mal sehen, was noch so rauskommt.... *g* Der Teil war kurz, ich weiß, aber über Kommentare freue ich mich trotzdem, wie zum letzten Kapitel ja auch *verneig* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)