Engelsblut von -Say- (Tenshi Noir) ================================================================================ Kapitel 1: Aufbruch ins Ungewisse --------------------------------- Asira zuckte verängstigt zusammen. Ihr weißes Kleid, welches ihr bis knapp zu den Knien reichte, war vom kalten Regen völlig durchnässt und klebte an der Engelshaut. Die kleinen weißen Schwingen hingen ebenso schlaff herunter wie die rötlich schimmernden Haare. Ihre Freundin Senebi, ein Halbengel, kniete neben Asira und klammerte sich an ihr fest. Sehr zierlich wirkte das Mädchen. Ihre Mutter war ein Mensch, ihr Vater ein Engel. Was da gerade geschah, verstanden sie beide nicht. War Asira doch gerade mal 14 Jahre alt und ihre beste Freundin Senebi gar erst 12. Ihr sonst so friedliches Reich in den Wolken war in Feuer gehüllt, bloß, weil Asira's 19 jährige Schwester Vanpaia vor etwa 10 Jahren aus dem Himmelsreich verschwand und angeblich einen Pakt mit dem Blutgott geschlossen hätte? Die anderern Engel behaupteten, dass sie Vanpaia dabei beobachteten wie sie auf der Erde ganze Häuser niederbrannte, indem sie lodernde Flammen aus ihren Händen emporsteigen ließ. Nun bekamen die Engelswesen Angst, dass Vanpaia ihre kleine Schwester holen und ihr zeigen würde, wie man am besten Unheil über die Menschen bringt. Asira glaubte daran jedoch nicht. Sie glaubte fest daran, dass Vanpaia eines Nachts entführt und sicherlich von einem Dämon ermordet wurde. Seit 23 Tagen, das Engelsmädchen hatte in ihrer Angst mitgezählt, herrschten Streit und Krieg zwischen ihrer Familie und den anderen. War es für ihre Eltern vielleicht besser, wenn sie fortgehen würde? Dann würden die Streitereien bestimmt aufhören, oder? Einen Versuch war es zumindest wert! Außerdem wollte sie ihre Schwester suchen - Vielleicht lebte sie ja doch noch! Asira's Mutter und ihr Vater waren nicht sonderlich angetan von ihrer Idee, das Himmelsreich zu verlassen und die Schwester zu suchen. Sie wollten nicht ihre jüngere Tochter auch noch verlieren... Schließlich willigten sie jedoch ein und führten ihre Tochter in der folgenden Nacht zum großen Himmelsportal. Schluchzend fiel Asira ihren Eltern in die Arme und bat sie mitzukommen. Die beiden warfen sich traurige Blicke zu und schüttelten den Kopf. Sie wollten versuchen, das Verschwinden des Mädchen gemeinsam zu vertuschen. Ihre Mutter warf einen Blick zur Erde... Der Vater folgte ihrem Blick und meinte dass sie im Schutz der Dunkelheit fliehen solle und nun diese Zeit gekommen war. Asira und ihre Eltern versprachen sich, sich in genau einem Jahr am Himmelsportal wiederzusehen. Ihre Mutter blickte in die traurigen Augen des Mädchens und nickte lächelnd. Dann schob sie ihre Tochter langsam durch das Portal. Asira’s rötliches Haar glänzte im sanften Mondschein. Schweren Herzens winkten die besorgten Eltern Asira zu während diese langsam im Dunkeln verschwand... Kapitel 2: Flucht vor dem Tod... -------------------------------- Auf der Erde angelangt versteckte sie sich in einem dichten Wald vor eventuellen Verfolgern. Hinter Asira knackte es plötzlich. Angespannt drehte sie sich um. Was war das? Hatte sie tatsächlich jemand entdeckt und ist ihr gefolgt? Angst stieg in ihr empor. Was immer es auch war, es kam ihr immer näher, zu nah für ihren Geschmack. Doch woher kam das Geräusch? Sie rannte tiefer in den dichten Wald...immer weiter, und weiter. Völlig außer Atem fiel sie irgendwann hin, blieb liegen. Ihr Verfolger war sicher gleich da, doch sie konnte keinen Schritt mehr laufen... Aus ihrer Angst wurde Panik...Ein Schnaufen...ihr Verfolger war nun dicht hinter ihr...Asira schloss die Augen und schrie, schrie so laut sie konnte...Sie hatte Todesängste. Als sie durch ihre geschlossenen Augen helles Licht wahr nahm vernahm sie einen lauten Schmerzensschrei!!! Dieser schien von ihrem Verfolger zu kommen...Der Schrei klang jedoch wie von einem Mädchen...Eine Verfolgerin? Dann herrschte plötzliche Stille...Hatte sie etwa ihre eigenen Schreie gehört und geglaubt, sie seien von ihrem Verfolger oder ihrer Verfolgerin gewesen? Sie nahm ihren restlichen Mut zusammen und öffnete die Augen. Im sonst so dunklen Wald war das Licht immer noch da...Woher kam es? Was war mit ihrem Verfolger? Langsam besah sie sich ihre Hände...Licht...Ging es etwa von ihr aus? Immer noch ängstlich wendet sie den Blick von ihren Händen ab und wollte zu ihrem Verfolger sehen...Ihr Verfolger war tatsächlich ein Mädchen - sie lag regungslos auf dem Boden...Fast so, als sei sie....tot? Bei näherem Hinsehen erkannte sie das Mädchen, die sie für einen mordlustigen Verfolger gehalten hatte... "Senebi...?" Wie konnte das nur sein? Ihre beste Freundin...tot...? Tränen stiegen ihr in die Augen...Warum war sie tot? War Asira selbst dafür verantwortlich? Mit diesem merkwürdigem Licht aus ihrem Körper?...Aus der Ferne drangen Rufe von fremden Engeln durch den Wald, beschimpften das junge Engelskind als Mörderin und Biest. Mörderin? - Sie? Senebi machte sicher nur Scherze...Sie würde gleich wieder aufstehen...oder? Sie blieb reglos liegen... Die Stimmen kamen näher. Asira musste fort. Aber Senebi...Sie musste doch erst noch aufstehen...Was sollte sie jetzt bloß tun? Die Gedanken kreisten wirr in ihrem Kopf...Immer wieder riefen die Fremden grausame Beschimpfungen. Ihre grünen Augen ließen vom Anblick der toten Senebi nicht ab. War sie etwa wirklich die Mörderin ihrer Freundin? Entsetzt von diesem Gedanken sprang sie auf. Rannte erneut. Ihr eigenes Leben hing von dieser Flucht ab. Die Engel brüllten auf, als sie den Leichnam von Senebi sahen, riefen wieder Schimpfwörter in die Richtung, wo sie Asira verschwinden sahen. Asira aber lief und lief weiter. Voller Angst, sie könnte gefangen genommen und getötet werden. Immer tiefer und tiefer in den dichten Wald hinein. Dunkelheit umgab sie, die fremden Stimmen konnte sie längst nicht mehr hören und sie hatte die Orientierung bei ihrer Flucht verloren. Wäre sie doch nur Zuhause geblieben. Sie schluchzte, erneut liefen ihr Tränen an ihrer kleinen Stupsnase entlang. Asira konnte schließlich vor Dunkelheit nichts mehr sehen. Sie musste sich ihre Wege ertasten, anders wäre sie nicht vom Fleck gekommen. Schließlich riss sie sich von einem Busch mit äußerst großen Blättern zwei davon ab. Eines Legte sie auf den Boden, breitete es möglichst weit aus. Auf jenes Blatt legte sie sich zusammen gekauert hin und nutzte das andere Blatt als Decke und Schutz vor Mücken oder ähnlichem Getier in dieser endlos Langen Nacht. Als sie wieder erwachte, war es merkwürdig hell um sie herum. Wie sie merkte, kam dieses Licht wieder von ihr. Doch da war noch ein anderes Licht im Wald - und es kam ihr immer näher. Und es schien etwas vor sich hin zu murmeln... Das Licht nahm Gestalt an...Die Gestalt eines Menschen...Nein, jene eines Engels..."Senebi?..." Tatsache...dieses leuchtende Wesen war ihre Freundin Senebi? Wie konnte das sein? Vor wenigen Stunden lag sie doch noch tot im Wald?! Asira's Blick fiel auf Senebi's nackten Füße; Sie berührten den Boden nicht, Senebi schien ungefähr eine oder zwei Handbreiten über dem Boden zu schweben. Das Mädchen traute ihren Augen nicht. Senebi murmelte weiterhin etwas in einer für Asira unbekannten Sprache, sodass sie ihre Freundin nicht verstand. Es tat ihr weh, wie ihre Freundin sie mit ausdruckslosen Augen ansah und sie bat Senebi mit zitternder Stimme in ihrer gewohnten Sprache, ihrer Muttersprache zu sprechen. Als Asira sie ansprach, stockte sie, murmelte schließlich weiter als wäre sie nicht unterbrochen worden. Ganz langsam veränderte sich die Sprache, welche sie nutzte, bis sie letztendlich für Asira verständlich wurde... "Verbannte...des Lebens unwürdig...Verbannte...laufe nur, deine Vergangenheit wird dich einholen...Verbannte...ewig verfolgt...Verbannte...dem Tode stets nahe...Verbannte...Verbannte...Verbannte..." Kapitel 3: Schmerz... --------------------- Asira schrie, riss die Augen auf. Nervös blickte sie sich um. Sie befand sich in einem hellen Raum. Wie sie hergekommen ist, konnte sie nicht verstehen. Überall am Körper trug sie stabile, rote Schnallen, an welchen ebenso rote Bänder befestigt waren, offensichtlich als eine Art Fessel denn auch jene Bänder wirkten sehr stabil und reißfest. Ihre Füße schmerzten beim Versuch aufzustehen. Auf dem Boden lagen Glasscherben. Sie wusste nicht, wie viele Stunden sie nun schon an diesem Ort verweilte. Und es dauerte nicht mehr lange und sie konnte den fürchterlichen Schmerz an ihren Füßen nicht mehr aushalten oder gar so tun, als hätten ihr die Füße nie geschmerzt von den vielen kleinen Splittern. Sie fegte mit ihren Händen einige der Scherben beiseite, zog sich dabei einige leichte Wunden zu und setzte sich auf den fast splitterfreien Boden. Ihre Hände streichelten sanft die vor Schmerzen glühenden Füße. Asira gab jedoch keinen Ton von sich, kein Wimmern und kein Jammern. So sollte also ein Leben als Verdammte aussehen? Falls man so etwas überhaupt noch als „Leben“ bezeichnen konnte...Das Bild der toten Freundin wollte nicht aus ihrem Kopf, aus ihren Gedanken verschwinden. Wie ein Schwarm lästiger Stechmücken, die nur so auf Blut lauerten und ihr Opfer dann nicht mehr in Ruhe lassen, ehe sie ihr Ziel erreicht hatten, bliebt dieses Bild an ihr haften. Nur was das Ziel dieses grauenhaften Bildes sein sollte wollte Asira nicht einleuchten. Sie litt bei diesem Gedanken, konnte sie nicht mehr aushalten. Verzweifelt suchte sie nach einer Lösung, sah sich in dem kleinen Raum um. Helles Engelsblut tropfte von ihren Händen auf den Boden herab. In ihrer Angst vor der Erinnerung begann sie erneut zu schreien. Lauter, als je zuvor in ihrem Leben. So lange, bis sie hätte heiser sein müssen. Immer wieder schlug sie mit geballten Fäusten in die Scherben. Eine Stimme in ihrem Kopf fragte sie, was solch ein Leben für einen Sinn habe. Asira beantwortete sich diese Frage selbst. Sie sei des Lebens nicht mehr würdig, sei nutzlos... Die roten Bänder lösten sich auf. Einen Meter vor ihr öffnete sich ein Loch wie ein hungriges, gieriges Maul. Asira ging auf das Loch zu, sah noch einmal das Bild ihrer liebsten Freundin, Senebi, im Leben und sprang wie in Trance hinunter, fiel, fiel tiefer und tiefer und weinte bittere Tränen... „Es tut mir leid Mama, Papa...Schwester! Ich komme niemals wieder. Wartet nicht auf mich, weint nicht um mich. Denn ich habe ein Verbrechen begangen und erhalte nun die Strafe. Lebt Wohl“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)