Die Chronik der Alpträume - 1. Buch - Das Biest von -HarleyQuinn- ================================================================================ Kapitel 3: Schwarze Witwe ------------------------- Nun befand ich mich also pausenlos auf der Flucht. Rastlos irrte ich bei Tag und bei Nacht durch meine Heimatstadt und weilte nie länger an einem Ort, als es tatsächlich Not tat. Die Wochen zogen dahin und ich übte mich in Selbstkontrolle, ertrug das Drängen des Hungers, bis zum Unerträglichen. Nur dann konnte ich sicher gehen, dass ich mein Opfer ganz verschlingen würde, ohne auch nur einen Knochen unabgenagt zu lassen. Ich wollte keine neuen mehr erschaffen, denn die Welt war aus den Fugen geraten. Unseresgleichen hatten die Welt überschwemmt, genau wie Ihresgleichen. Und die Zahl der Lebenden schwand bedrohlich dahin. Die Menschheit tat gegen uns und gegen Sie, was sie nur konnten, aber nichts glückte. Die Toten waren zu stark. Zu widerstandsfähig und sie kannten unseren Schwachpunkt nicht. Gefressen werden bis auf den letzten fetzen Fleisch. Mittlerweile hatte ich das Rauschen in meinem Kopf, dass den Hunger ankündigte recht gut unter Kontrolle. Gute genug, dass ich mich in der Lage fühle, mehr oder minder bedenkenlos mit den Menschen zu kommunizieren. Und die Sehnsucht nach meinem alten Leben trieb mich nach Hause, zum Haus meiner Eltern. Des Nachts schlich ich leise durch den Garten, gehüllt in schwarze Kleider und einen langen Mantel, um wie ein Schatten mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Ich ging um das Haus herum und stieg über den kleinen Zaun, der den Garten von der Terrasse trennte. Die Terrassentür stand leichtsinnig offen und die weißen Gardinen wehten im Nachtwind. Kein Licht brannte um Haus. Ich schlüpfte leise durch die Tür und in dem Moment, als ich meinen Fuß über die Schwelle setzte, wusste ich, dass meine Eltern nicht mehr da waren. Das ich sie nie wieder sehen würde, weil ich zu spät gekommen war. Einen Moment stand ich in dem mir so vertrauen Wohnzimmer. Ja, langsam kehrten meine Erinnerungen an mein Leben zurück. Bruchstückhaft und voller Lücken, aber ich kannte jeden Winkel dieses Hauses, als wäre ich nie weg gewesen. Und ich war nicht allein. Ich roch, dass hier noch jemand lebte, den ich kannte. Der Geruch wurde immer stärker, kam auf mich zu. Ich hob den Kopf und sah zur Wohnzimmertür. Leichenblass und mit vor den Mund geschlagener Hand stand dort meine Großmutter. „Kind, oh Gott, Kind! Du lebst! Du bist hier! Komm herein!“ Die alte Frau eilte auf mich zu und schlang die Arme um mich. Doch ich löste mich energisch aus ihrem schwachen Griff, aus Furcht, der Geruch ihres Fleisches könnte meinen Willen brechen. Und da bemerkte sie es. Sie sah es an meinen Händen, die nicht aussahen, wie die Hände eines Lebenden. Und an meinen Augen, die trotz größer Anstrengung Mordlust und Heimtücke widerspiegelten. Doch zu meiner Überraschung wich sie nicht vor mir zurück, sondern lächelte nur verstehend. „Also bist du eine von Ihnen, ja? Nun, das macht nichts. Du wirst mich nicht verschlingen, oder? Komm, setz dich.“ Sie deutete auf die Couch. Ich schüttelte zögernd den Kopf: „Es tut mir leid. Ich kann nicht bleiben. Ich sollte nicht einmal hier sein. Und du auch nicht. Die Tür ist nicht einmal verschlossen. Du solltest besser auf dich achten, wenn…“ Doch ich kam nicht dazu, meinen Satz zu beenden, denn ich wurde von der Türklingel unterbrochen. Immer noch Lächelnd entschuldigte sich meine Großmutter und hob eine Hand. „Gleich, wir reden gleich. Warte nur hier. Ich öffne schnell die Tür.“ Mit diesen Worten eilte sie schon in den Flur hinaus. Unschlüssig stand ich wie festgenagelt mitten im Wohnzimmer und horchte angestrengt, wer wohl die Besucher sein mochten. Ich kannte ihre Stimmen. Es waren alte Freunde meiner Großeltern. Ein Ehepaar, dass ich selbst nur flüchtig kannte, aber gut genug, um zu entscheiden, dass sie harmlos waren und ihr nichts antun würden. Also verschwand ich so leise, wie ich gekommen war und flüchtete mich ins Dunkel des Gartens hinaus. Mit den Augen des Jägers streifte mein Blick durch die Nacht. Doch ich war nicht auf der Suche nach Menschenfleisch, um meinen Hunger zu stillen. Ich suchte wachsam nach Ihnen, die mich jagten und nach meinesgleichen, die sich vermehrten wie die Karnickel. Mit einem Satz sprang ich über den Gartenzaun auf das angrenzende verwilderte Grundstück. Und da sah ich schon einen von uns. Seine Augen blitzten Drohend, als er mich bemerkte und seiner Kehle entrang sich ein Knurren. Unbeeindruckt schritt ich nah an ihn heran und zischte:“ Wage es, der Alten ein Leid zuzufügen und deine Tage sind gezählt.“ Blitzschnell ergriff ich seinen Arm und verdrehte ihn bis der Knochen splitterte. Er jaulte kläglich und flehte:“ Ich tu ihr nichts, ich schwöre ich tu ihr nicht. Laß mich los, ich habe solchen Hunger. Laß mich gehen. Ich werde sie nicht fressen. Ich schwöre! Ich schwöre!“ Widerwillig ließ ich dieses Häuflein Elend ziehen. Ich befand das er es nicht wert war, sich um ihn zu kümmern. Mein Leichtsinn, zog jedoch umgehend Folgen mit sich. Ich hatte das Grundstück noch gar nicht ganz überquert, als Schritte hinter mir erklangen, die sich rasch näherten. Ich drehte mich um und sah das Ehepaar auf mich zu rennen, dass eben noch bei meiner Großmutter im Haus war. Sie hatten mich noch gar nicht ganz erreicht, als mich die erschreckende Erkenntnis traf, das sie zu den Meinen gehörten. Fassungslos starrte ich beide an und realisierte im ersten Moment nicht, was die Frau, deren Namen ich einfach nicht mehr wusste, mir zu sagen versuchte. Der Kerl, den ich laufen ließ, war ins Haus eingedrungen. Er hatte sein Versprechen nicht gehalten. Ich rannte los, dicht gefolgt von den beiden, setzte mit Leichtigkeit über den Gartenzaun und da rannte er mir auch schon in die Arme. Kein Zögern, keine Gnade, kein Erbarmen. Meine Zähne Borten sich in seinen Hals und ehe er wusste, wie ihm geschah, fielen auch der Mann und seine Frau über ihn her. Wir zerrissen ihn. Zerrten ihm die Därme aus dem Leib, badeten in seinem Blut und labten uns an seinem Fleisch, bis nichts mehr von ihm übrig war. Als ich den Kopf hob und zur Terrassentür hinüber sah, sah ich die weißen Vorhänge im Wind wehen. Schwermut erfasste mein totes Herz, und ich wendete den Blick ab, wusste ich doch genau, was sich gerade hinter dem Vorhang abspielte. Er hatte sie nicht ganz gefressen und sie erhob sich unter Qual und Schmerz in mein verfluchtes Leben. Diesen Anblick konnte und wollte ich nicht ertragen, stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Garten meines Elternhauses, um nie wieder hierher zurück zu kehren. Mein Entschluß war gefaßt. Nachdem was ich in dieser Nacht gesehen hatte, stand für mich fest, dass wir nicht weiter existieren durften. Und so kannte ich nur einen Weg. Mich mit denen zu verbünden, die meiner Hilfe bedurften. In der Hoffnung vor uns sicher zu sein, hatten sich die Menschen, die glaubten, noch etwas zu sagen zu haben, diejenigen auf deren Schultern die Hoffnung der Menschheit schwer lastete, in einem Bunker aus Stahl und Beton verschanzt. Wie leichtsinnig. Wären wir hier erst einmal eingedrungen, säßen sie fest, wie in einer Mausefalle. Sie ließen mich ein, umringt von einer Horde bis an die Zähne bewaffneter Männer. Lächelnd Schritt ich zwischen Ihnen vor Ihren Anführer, der mich aus sicherer Entfernung von oben bis unten musterte. „Sie wollen uns also helfen? Wie? Es gibt keinen Weg, Sie zu töten. Keinen den wir nicht schon gegangen wären.“ Ich sah ihm fest in die Augen und erwiderte: “Ich bin eine von Ihnen. Ich weiß, wie man uns tötet.“ „Und warum sollten wir Ihnen vertrauen, meine Liebe? Wer sagt uns, dass Sie uns nicht in den Rücken fallen?“ Ich grinste ein breites Haifischgrinsen, trat nah an ihn heran, dicht gefolgt von seinen Wachhunden, beugte mich zu ihm vor und flüsterte: „Weil ich Sie, Sir, bis jetzt noch nicht gefressen habe.“ Ende? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)