die Erste
1. Der Beobachter
Ich öffne das Fenster.
Konnte nicht schlafen.
Also, nichts wie eine rauchen.
Es ist Arschkalt, trotzdem: das Fenster muss auf sein.
Es ist still, klar es ist auch eine komische Zeit.
Plötzlich.
„LASS ES“, schreit wer durch die Nacht.
Ich spähe woher der Ruf kam.
DA vorn läuft ein Kerl.
„NEIN“, schreit er.
Jetzt erkenne ich auch eine zweite Person die ihm hinterhergeht. Irgendwie kenne ich die beiden, mir fällt aber nicht ein woher. Langsam kommen sie näher und im Schein einer Straßenlaterne kann ich die beiden recht gut erkennen.
„Es.. ich war.. NEUGIERIG!“, sagt der eine der vorher rumgeschrieen hat. ER hat dunkle Locken. Ist dunkel gekleidet.
„Du warst aber OFT Neugierig“, antwortet der blonde Kerl.
Sie senken die Stimmen. Ich kann kaum was verstehen. Der Blonde weint. Das erkenne ich. Er kommt seinem Gegenüber immer näher. Sehr langsam. Erhascht sich einen Kuss.
Ein kurzer Moment und der Lockenschopf stößt ihn schroff weg. So schroff das der Blonde zu Boden fällt. Er sitzt dort.
Erschrocken.
Und sein Gelieber, so vermute ich, dreht sich um und geht. Es dauert einen Moment, dann steht er auf und verschwindet in die andere Richtung.
So was ist traurig.. aber diese Schwuchteln sind immer so übertrieben dramatisch.
Kippe aus.
Bett.
2. Der Zurückgelassene
Ich renne ihm hinterher.
„Lauri.. bitte!“, bettle ich. Nicht zum ersten Mal.
„Ich hab dir nichts zu sagen“, antwortest du.
„Was soll die scheiße? Red mit mir!“
„LASS ES!“, das ist der Moment. Du verlierst die Nerven. Schreist mich an.
„Lauri..“, versuche ich es noch einmal.
„NEIN!“
„Ich... wir müssen wirklich reden!“
Du drehst dich zu mir um.
„Es war.. ich war NEUGIERIG!!“, das sagst du einfach so.. und weißt das es weh tut.
„Du warst OFT Neugierig!“, antworte ich. Ich heule.
Geb mir schon wieder die Blöße die du nicht verdient hast. Du siehst mich an. Du konntest mich noch nie weinen sehn. Du bist plötzlich ruhig.
„Was erwartest du Jonne, hn?“
„Ich hab.. hab mich verliebt.“
„Sag das nicht so leichtfertig.“
„Es ist so. Und als es ums ficken ging warst du auch nicht so engstirnig!“, ich schluchze. Schaue besser woanders hin.
Du bist still.
Guckst mich nur an. Ich komm dir näher. Schon wieder arbeitet mein Verstand wegen dir nicht mehr richtig. Ganz langsam.
Immer näher.
Bis ich dich küsse. Du erwiderst den Kuss.
Irgendwo ein Hoffnungsschimmer. Für wenige Sekunden, denn dann stößt du mich mit aller Kraft weg und ich falle zu Boden. Starre zu dir hoch. Du drehst dich um und gehst, weil du weinst.
Ich hab’s gesehen Lauri. Du weinst. Warum?
Nachdem dich die Dunkelheit verschluckt hat, steh ich auf. Gehe zurück. Dichtsein. Das will ich jetzt.
3. Der Auslöser
Du läufst mir nach, verdammt.
Ich schreie dich an.. du kommst weiter mit.
FUCK!
„Ich .. wir müssen wirklich reden!“, sagst du. Ich drehe mich um. Muss ich dich denn ganz kaputt machen bis du es vergisst? Ich hätte mich nicht drauf einlassen sollen.
„Es war.. ich war NEUGIERIG!“, sage ich. Meine ich nicht, doch du bist verletzt. Getroffen.
„Du warst OFT Neugierig.“, sagst du und Tränen finden ihren weg über dein Gesicht. Der Anblick ist schrecklich. Ich hasse wenn du weinst. Immer wenn dich wer zum weinen gebracht hat war ich der, der dich getröstet hat. Weißt du wie Leid mir das tut?
„Was erwartest du Jonne?“
„Ich.. ich hab mich verliebt.“
„Sag das nicht so leichtfertig.“, erwidere ich, muss mich bemühen damit meine Stimme fest klingt.
„Es ist so. Und als es ums ficken ging warst du auch nicht so engstirnig.“
Darauf kann ich nichts antworten, denn du hast recht.
Ich hab dich nicht benutzt.
Ich hab nur zu spät verstanden, dass zu viel auf dem Spiel steht wenn wir uns verlieben.
Und wie lange sind wir es schon?
Es war an mir dass jetzt sofort kaputt zu machen, bevor es zu schwer wird, bevor alles auf dem Spiel steht.
Und dann? Dann küsst du mich. Einen schwachen Moment steige ich darauf ein. Doch dann weiß ich’s wieder. Das darf nicht sein...
Mit aller Kraft, mit viel zu viel Kraft stoße ich dich weg. Du fällst hin. Eine Sekunde muss ich mich beherrschen, um dir nicht zu helfen. Es tut mir leid. Es tut weh. Ich spüre die Träne auf meiner Haut die da nichts verloren hat. Schnell weg. Ich drehe mich um und lasse dich liegen. Das ist das schlimmste was ich jemals getan habe. Ich weiß es. Und ich schmore zurecht in der Hölle für diese große fette Lüge.
die Zweite
4. Der Beobachter die zweite
Wie Gestern kann ich nicht schlafen. Geraucht hab ich schon. Ich schalte den Fernseher an. Die Glotze wird mich schon zum schlafen bringen. Ein Promimagazin. Herrlich! Kann es was langweiligeres geben?
Irgendwas von nem Rockstar der dank gepanschter Scheiße im Koma liegt. Hinter der Moderatorin erschein ein Bild. Jonne Aaron steht darunter.
Und ich erkenne ihn. Der Bonde von Gestern.
Koma? Drogen?
Scheint wohl ein Herz kaputt gegangen zu sein.
Mit der Geschichte ließe sich Geld verdienen, denke ich.. geh dann aber doch ins Bett und bin irgendwie traurig.
5. Der Zurückgelassene die zweite
Ich steh in de Bar.
Sehe den richtigen Menschen.
Ab ins nirgendwo. Um so mehr ich nachdenke umso mehr tuts weh..
Der Kerl gibt mir Liquid, später Koks, später LSD.. und ich bekomme nen Horrortrip.
Ich dreh durch.
Weiß nicht mehr wo ich bin.
Irgendwas lässt mich nicht los.
Hab Angst davor.
Renne.
Auch wenn ich nicht weiß wohin.
Irgendwas lenkt mich.
Und dann.
Hier.
Ein bekannter Ort. Vertraut...
Ich erinnere mich.
Hier haben wir uns geküsst nicht wahr?
Hier hat es angefangen, oder?
Das ist dein Haus.
Oder?
DOCH DOCH!
Ich stehe vor deiner WOHUNG!
Drücke alle Klingelknöpfe.. die eh unter meinen Händen schmelzen.. Moment mal.. ich schmelze auch.
Mein Körper ist Matsch. Verärgerte Stimmen im Gegensprechding, das eh mit mir zu Boden geht.
„Lauri..“ murmle ich hinein.. bis ich vom Boden angezogen werde.. schlafen.
Dunkle.
WEG.
Nirgendwo.
6. Der Auslöser die zweite
Ich sitze in meinem Zimmer. Betrinke mich.
Scheiße. Heilige Scheiße. Ich hätte nicht damit gerechnet das es mich so mitnehmen würde.
War es doch falsch?
Wäre es das Risiko nicht wart?
So jemanden wünscht man sich!
Eine treue Seele, jemanden der einen liebt und zwar genauso wie man ist.
Ich weiß nicht wo mir der Kopf steht.
Aus alle scheiß Weiber lass ich mich ein, auch wenn keine vergleichbaren Gefühle da sind.
Und dann?
Dann hats mich mit Haut und Haaren, doch das versau ich dann mutwillig.
Scheiße.
Wer sagt denn das alles dran kaputt gehen hätte müssen?
Es klingelt Sturm. Gedankenende.
Ich gehe zur Gegensprechanlage. Stille.
„Hallo?“
Stille.
Ich gehe zum Fenster.
Gucke raus.
Da steht der Kerl der unter mir wohnt über irgendwas gebeugt. Und da.. da kommt jetzt auch der Hausmeister. Angestrengt mustere ich was da vor sich geht.
Da liegt wer am Boden.
Die Jacke.. die Hose.. das kenne ich..
Das kann nicht sein.. oder doch?
DOCH!
Ich renne aus der Wohnung, die Treppen runter.
So schnell wie ich nur kann.
Und wirklich. Da unten vor der Tür. Da liegt Jonne.
Was zum..?
„ist das nicht ein Freund von Ihnen?“, fragt der Hausmeister unnötiger weise..
Ich nicke.
Sie sagen mir dass er auf nichts reagiert.
Sie keinen Puls fühlen.
ER aber atmet.
Der Notarzt gleich da ist.
Ich starre ihn nur an.
Regungslos.
Jonne. Ich weiß was du getan hast.. Ich weiß es. WARUM? Hab ich dir nicht erklärt dass das niemand wert ist. Das du viel zu gut dafür bist? Du weißt doch dass diese Leute dir DRECK verkaufen, die wollen nur einen Teil deines Rums und deines hübschen Gesichts haben!
Morgen früh mach ich dir die Hölle heiß!
Verlass dich drauf.
Fassungslos!
JA das bin ich jetzt mein lieber!
Der Notarzt.
Er kommt.
Einer untersucht dich. Dann laden sie dich auf... ins Krankenhaus.
Alle sagen ich kenne dich gut.. also darf ich mit.
Die Fahrt ist ganz schrecklich. Hektisches Treiben. Die Ärzte versuchen dich ins diesseits zu befördern. Und was machst du?
Du liegst da ganz ruhig. Schläfst.
Dreckiger Bastard.
Nichts beeindruckt dich.
Wo bist du denn gerade?
Ist es denn da so schön?
Komm zu mir.
Komm zu mir Jonne.
Bei mir ist es schöner, versprochen.
Der Wagen hält.
Sie karren dich raus.
Und jemand zieht mich weg vom Geschehen.
„Kommen sie.. sie müssen ein Formular ausfüllen“
Ein Formular? Aber. Jonne?
die Dritte, Vierte und Schluss
7. Der Auslöser die dritte
Es ist sieben Uhr.
Deine Brüder sind schon bei dir.
Nur ich sitze hier draußen und darf nicht zu dir rein.
Verfickte Scheiße, ich wird hier nicht weggehen.
Ganz bestimmt nicht.
Ich denke darüber nach was ich nachher zu dir sage. Wie ich dir sage das ich dich will. Das es mir Leid tut. Das du so was nie wieder machen darfst. Das alles einfach.
Es wird furchtbar kitschig sein.
Und du wirst dich drüber freuen, denn du magst es wenn man total kitschige Sachen sagt.
Das ist süß.
Wenn du dann rot wirst droht eine Überdosis Zucker.
Du kannst das auch gut.
Schöne Sachen sagen.
Wenn wir zusammen im Bett lagen hast du mir immer Geschichten erzählt. Träume.
Das war unheimlich schön.
Deine Naivität ist ansträngen, dämlich.. aber schön.
Ich schätze es an dir dass du an allem etwas gutes findest.
Gesten hab ich den Bogen überspannt.. ich hab dich in dieser Schönheit verletzt.
Das weiß ich jetzt.
DA kommen deine Brüder.
Zu mir rüber.
Sie sehen mitgenommen und blass aus.
Natürlich.
Ziemlich hart was ihm passiert ist.. was er sich angetan hat.
„Wie geht’s ihm?“
Sie gucken sich gegenseitig an.
„Larry... er liegt im Koma... Er hat aufgehört zu atmen.. ne.. maschine hält ihn am leben.“
„Was?“
„Sein Herz setzt immer wieder aus. Zuviel.. gift.“
„WAS? Ich.. will ihn sehen.“
„Da darf gerade keiner rein.“
Ich stehe. Hab gar nicht gemerkt dass ich aufgestanden bin.
„... Warum?“
„Gerade hat es wieder aufgehört zu schlagen.“
Also sitzen wir da jetzt zu dritt.
Ich bekomme von den anderen anrufe. Sage ihnen was ist. Sie wollen später kommen. Sobald sie können.
Es ist schon bald Mittag.
Dann dürfen seine Brüder wieder zu ihm.
Nur ich nicht.
Warum darf ich nicht?
Ich warte.
Eine weitere halbe Stunde.
Dann kommen sie wieder.
Bedrückter. Bleicher.
„Was?“, ich stehe schon wieder ohne das Aufstehen mitbekommen zu haben.
„Es.. .. es ... ist vorbei?“
„WAS?“
„Es hat aufgehört. Endgültig. Er.. ist tot.“
„WAS?? DAS.. das geht nicht.. das kann nicht sein.. kommt schon.. er hat gesagt ihr sollt mich schocken?? Oder?“
Stille.
Mein Hirn setzt aus.
Dann wieder ein.
Tot.
Ich hab doch alles kaputt gemacht. Ich hab ihn umgebracht.
Mir wird schwindlig.
Schlecht.
8. Der Beobachter die dritte
Ich kaufe mir die Zeitung.
Zeitung? Klatschblatt. Was auch immer.
Auf ihr die große Überschrift:
„Jonne Aaron an einer Überdosis gestorben!“
Ich lese den Artikel.
Die Spekulationen.
Und ich weiß..
Das ist shit.
Ich weiß was passiert ist.
Der Mörder wird nicht angeprangert. Er wird laufen gelassen. Wie kann man so leichtfertig ein Herz brechen?
Ich werfe die Zeitung weg.
Vor seiner Wohnung, die jeder kennt. Liegen schon Blumen.
Ich gehe weiter.
Zur Arbeit.
Ich hab was gelernt.
Die wichtigste Lektion.
9. Geklaut zum Schluss
«Es liegt ein Herz vor deiner Tür
Und es blutet
Und es ist von mir»
(geklaut von „die Elenden“)
»To buy the truth
And sell a lie
The last mistake before you die
So don't forget to breathe tonight
Tonight's the last so say good-bye«
(geklaut von “30 seconds to mars”)
