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Vampire - oder die etwas andere Art zu leben

von

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Kapitel 1

~ Kapitel 1 ~
 

Ich schätze die Zeit so auf 2 Uhr als ich endlich ein vertrautes Geräusch wahrnehme. Das leise Knirschen von Turnschuhen auf dem Kies. Nun ist er also doch noch gekommen, Jason hat meine Herausforderung also angenommen. Ich grinse. „Da bist du ja endlich, ich hatte schon nicht mehr mit dir gerechnet“, rufe ich ihm spöttisch zu und bekomme ein Knurren als Antwort. „Also, was willst du von mir?“ Jason sieht mich herausfordernd an.

„Spielen“, hauche ich ihm ins Ohr, nachdem ich an ihn herangetreten bin. Jason zuckt zusammen, dreht mir den Kopf zu und sieht mich verstört an. Versteht er etwa immer noch nicht? Ich seufze und genau in dem Augenblick in dem der Mond durch die Wolkendecke bricht, lache ich ihn hämisch an und gebe mich zu erkennen. Meine spitzen Eckzähne blitzen auf und ich sehe zufrieden das pure Entsetzen in seinem Gesicht. Wie gelähmt steht er vor mir und rührt sich nicht. Mit meiner rechten Hand fahre ich ihm durch die schulterlangen schwarzen Haare.

„Du wirst doch nicht etwa Angst haben?“, hauche ich ihm zu. Sprachlos starrt er mich an. Unbeweglich, erstarrt. „Lauf“, flüstere ich ihm ins Ohr. „Lauf so schnell du kannst. Oder dies wird dein Ende.“ Es dauert einen Augenblick bevor er zu begreifen scheint. Doch schon bald scheint er realisiert zu haben, was ihm bevorstehen könnte und Jason jagt davon. So schnell habe ich ihn noch nie laufen sehen. Voller Genugtuung schlendere ich zur Friedhofsmauer, schwinge mich hinauf und setze mich. Hoffentlich hat er nun endlich gelernt, dass er mit mir auf der Arbeit nicht so umspringen kann.

„Ja, das konntest du schon immer gut. Unschuldige Menschen verängstigen und quälen. Verflucht sollst du sein, elender Dämon!“ Die raue Stimme kommt mir bekannt vor, ich habe sie schon einmal gehört, vor langer Zeit.

„Was willst du von mir, Vampirjäger Thorn?“ Ich versuche meine Stimme ruhig klingen zu lassen, obwohl es in meinem Inneren brodelt. Eine leise Stimme in mir ruft laut Flucht, doch ich muss bleiben, ich kann nicht anders. Zu lange schon bin ich vor ihm davongelaufen. Eine Entscheidung ist fällig, er oder ich, Mensch oder Vampir.

Ein Lachen durchbricht die Stille, die friedliche Stille dieses Ortes der letzten Ruhe. „Du weißt genau warum ich hier bin Jeanne. Du bist deinen letzten Tag auf dieser Erde gewandelt.“ Langsam drehe ich mich zu ihm um. Thorns Augen blitzen gefährlich, zu allem entschlossen, bereit zu töten. In der einen Hand hält er einen Speer, vielleicht zwei Meter lang, und in der anderen ein Kreuz aus Silber. Ein flaues Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Er ist nicht einfach nur einer dieser größenwahnsinnigen, todesmutigen Vampirjäger, wie ich sie schon zu hunderten getötet habe. Dieser Mensch verfolgt mich schon seit etwa zwanzig Jahren und er weiß genau was er tut, berechnend, jeden Schritt im Voraus planend. Ein Kampf würde nicht einfach werden, doch ich muss es riskieren.

Als könne er meine Gedanken lesen stürmt Thorn mit einem Kampfschrei auf mich zu, in der rechten Hand seinen Speer mit dem er genau auf mein Herz zielt. Mit einem Sprung von der Mauer weiche ich seinem Angriff aus und lande auf einem nahe stehenden Grabstein. „So wird das aber nichts Thorn!“ rufe ich und im gleichen Augenblick springe ich auf ihn zu. Doch ich habe nicht aufgepasst. Der Vampirjäger reißt seinen Speer genau in dem Moment nach oben, als ich in Reichweite bin. Das blanke Metall bohrt sich in meine Schulter und ich schreie auf. Weniger vor Schmerz, denn den habe ich gelernt zu unterdrücken, mehr jedoch vor Wut über meine eigene Dummheit. Unsanft lande ich auf der kalten Erde des Friedhofs.

Ein höhnisches Lachen dringt an meine Ohren. „War das etwa schon alles? Du bist schwach geworden Jeanne.“ Ein bis zwei Meter vor ihm kniend blicke ich auf. Er wird unaufmerksam, leichtsinnig schießt es mir durch den Kopf. Ein hämisches Grinsen fliegt über mein Gesicht, als ich auf ihn zuspringe, den Speer noch immer in meiner Schulter. Damit hat er nicht gerechnet. Das letzte was ich von ihm höre ist ein Fluchen und ein gurgelndes Geräusch, als ich meine Zähne in seinem Hals versenke.
 

Ein entferntes Keuchen reißt mich aus meinem Blutrausch. Irgendjemand ist noch hier. Ich lasse von meiner „Beute“ ab und ziehe den Speer aus meiner Schulter. Noch während ich aufstehe lasse ich meinen Blick über den Friedhof schweifen. Jason. Er ist also doch noch hier.

„Verschwinde von hier, wenn du sein Schicksal nicht teilen willst!“ rufe ich ihm zu ohne mich zu ihm umzudrehen. Doch ich erschrecke, meine eigene Stimme kommt mir fremd vor und meine Erinnerungen schweifen ab. Sie fliegen zurück in eine von mir längst verdrängte, vergessene Zeit.
 

Es war eine warme Herbstnacht als ich durch die Straßen des kleinen Dorfes schlich in dem ich bis dahin gelebt hatte. Ein Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit. Es erinnerte mich wieder einmal daran etwas Verbotenes zu tun. Doch das kümmerte mich nicht, ich genoss dieses Gefühl. Nicht lange und ich hatte endlich den kleinen Fluss erreicht, der sich an unserem Dorf vorbeischlängelte. Es war einfach herrlich hier bei Mondlicht zu sitzen und dem fließenden Wasser zuzusehen.

Doch der Schein trog, es war bei weitem nicht so friedlich wie ich annahm. Meine Gedanken waren weit entfernt, als er plötzlich vor mir stand. In schwarze Gewänder gehüllt und das Gesicht unter einer Kapuze verborgen stand er einfach nur da und bewegte sich nicht. Warum ich nicht weglief? Ich wusste es nicht. Vielleicht wusste ich bereits, dass weglaufen nichts gebracht hätte, dass dies meine Bestimmung war.

Er schlug die Kapuze zurück und lächelte mich an. Zwei spitze Eckzähne zeigten sich mir im Mondlicht und bevor ich etwas sagen konnte versank alles um mich herum, als er seine Zähne in meinem Hals versenkte.

Ich hatte das Gefühl zu fallen, doch bevor ich irgendwo aufschlug wurde ich aufgefangen. Ich lag ihn seinen Armen und als ich wieder zu mir kam, sah ich nur, wie er sich selbst ins Handgelenk biss und den Arm über mein Gesicht führte. Sein Blut floss mir über das Gesicht und instinktiv begann ich zu trinken. Gierig griff ich nach seinem Arm und vergrub meine Zähne darin. Ich spürte wie mir das Blut Kraft gab und als ich meinen ersten Durst gestillt hatte, ließ ich von ihm ab und fiel in einen tiefen Schlaf.
 

Als ich erwache spüre ich die weiche Matratze eines Bettes unter mir. Ich bin verwirrt, meine letzten Erinnerungen führen mich zurück auf den Friedhof... und zu Jason. Entsetzt fahre ich hoch und sehe mich um. Ich bin Zuhause, in meinem eigenen Bett, allein. Er muss mich hergebracht haben, doch woher weiß er wo ich wohne? Ich habe ihn nie auch nur eines Blickes gewürdigt, bin immer nur von ihm schikaniert worden, also, woher kann er es nur wissen? Hat er mich etwa verfolgt? Ich schüttele den Kopf, als würde ich diesen absurden Gedanken so abschütteln können. Ich hätte es doch bemerkt, wenn er mich beobachtet hätte.

Verwirrt stehe ich auf und gehe zum Fenster. Die Sonne würde bald aufgehen, Zeit für die Arbeit. Warum ich tagsüber ohne jegliche Probleme unter den Menschen wandeln kann? Ich weiß es nicht, wie so vieles in meinem Leben, oder besser Unleben, ist mir auch dies ein Rätsel. Lange habe ich nach meinem Schöpfer gesucht um eine Antwort zu bekommen, doch vergeblich. In all den Jahrhunderten habe ich auch nicht einen weiteren Vampir gefunden wie mich, doch ich habe auch nie ein Problem damit gehabt. So bin ich einzigartig, etwas Besonderes unter den Kindern der Nacht, wie wir von den Menschen oft genannt werden.

Ich ziehe mein T-Shirt aus, begutachte zunächst meine Verletzung und schmunzele - sie ist komplett verheilt. Also hüpfe ich schnell unter die Dusche, ziehe mir frische Klamotten an und verlasse meine kleine Zweizimmerwohnung.
 

Es brennt bereits Licht, als ich den kleinen Buchladen erreiche, in dem ich seit einigen Monaten arbeite. Also stoße ich die Tür auf und trete ein. Zu meinem Entsetzen steht Jason plötzlich vor mir.

„Was willst du noch hier?“ Sein Blick ist eiskalt. „Du hast hier nichts mehr verloren. Verschwinde aus dieser Stadt bevor ich das mit dir anstelle, was er nicht geschafft hat.“ Langsam kommt Jason auf mich zu, bis er direkt vor mir steht. Ich kann seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. All seinen Hass auf mich legt er in seinen Blick mit dem er mich nun durchbohren zu wollen scheint. So stark ich auch all die Jahrhunderte gewesen sein mag, dieser Blick zwingt mich nun in die Knie, ich kann ihm nicht standhalten und sinke zu Boden.

„Verschwinde!“ Bevor ich reagieren kann holt er bereits aus und seine Hand trifft mich hart im Gesicht. Ich falle zur Seite und finde mich kurz darauf auf dem Boden liegend wieder. Normalerweise würde ich mir ein solches Verhalten von einem Menschen nicht gefallen lassen, doch meine Kraft hat mich verlassen. Irgendetwas an ihm beraubt mich all meiner Macht, lässt mich schwach werden. Doch noch während ich begreifen kann was hier geschieht trifft mich sein Fuß auch schon im Magen. Ich keuche auf, damit habe ich nicht gerechnet.

„Warum?“ Fragend blicke ich zu ihm hinauf, Tränen laufen über mein Gesicht. Ich habe sie nicht mehr zurückhalten können, obwohl ich mir geschworen habe nie wieder zu weinen.

„Wenn du das nicht weißt.“ Jason schnaubt verächtlich. „Ich habe dir nichts getan“, würge ich unter Tränen hervor. „Noch nicht solltest du wohl eher sagen. Was hättest du getan, wäre ich nicht davongelaufen? Du hättest mich doch genauso abgeschlachtet wie ihn.“ Jason wendet sich ab und geht in den hinteren Teil des Ladens.

Meine letzten Kraftreserven sammelnd stehe ich auf und folge ihm. „Ich hätte es wohl besser getan.“ Traurig drehe ich mich wieder um und will gehen, doch Jason scheint noch lange nicht zufrieden. Ich habe ihm gerade den Rücken zugewandt, als ich auch schon einen stechenden Schmerz in meinem Rücken spüre, gerade auf der Höhe, auf der einmal mein Herz geschlagen hat. „Stirb!“ höre ich Jason noch schreien bevor alles um mich herum schwarz wird.
 

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„Hey, wach auf.“ Ein leichtes Rütteln holt mich zurück aus der Dunkelheit und ich schlage die Augen auf. Zwei leuchtend grüne Augen blicken mich erleichtert an. „Na endlich. Alan, komm her, sie ist wach.“ Kurze Zeit später starrt mich ein weiteres grün leuchtendes Paar Augen an. „Wer seid ihr? Wo bin ich? Was ist passiert?“ flüstere ich, zu mehr reicht meine Kraft noch nicht aus.

„Ich heiße Johnny und das hier ist Alan. Du bist hier in unserer Wohnung. Wir haben dich hergebracht, du hast ja schrecklich ausgesehen. Wer um Himmels Willen hat dich so zugerichtet?“

Langsam kehrt meine Erinnerung zurück. >Jason hat dich niedergestochen< hämmert es in meinem Schädel. „Jason.“ Ich schließe die Augen um mich auf meine Verletzungen zu konzentrieren. Jason muss noch öfter zugestochen haben. Die Wunden sind noch nicht alle geschlossen. Trotzdem versuche ich aufzustehen, werde aber durch einen leichten Druck auf meine Schulter daran gehindert.

„Deine Wunden sind noch nicht verheilt“, sagt Alan und sein durchdringender Blick zwingt mich zunächst zur Resignation. „Na also, geht doch. Wer ist dieser Jason und wo können wir ihn finden?“ Alan schaut mich fragend an, doch ich habe keinesfalls vor zu antworten. Das geht die beiden nichts an. Wer sind die überhaupt, dass sie sich einbilden mir helfen zu müssen? Also versuche ich ein zweites Mal aufzustehen, doch ich werde wieder zurückgehalten.

So langsam werde ich sauer, aber ich spüre wie meine Kräfte zurückkehren. „Was fällt euch eigentlich ein!“, herrsche ich die beiden an und mit einem Schwung springe ich auf und stehe nun vor ihnen. „Das geht euch nichts an, also lasst mich in Ruhe.“ Ich atme einmal tief durch, eine alte Angewohnheit aus meiner menschlichen Vergangenheit die ich wohl nie aufgeben werde, und spüre wie die Wut in mir langsam zurückweicht. Also drehe ich mich um und will gehen, als ich auf halbem Wege erneut aufgehalten werde. Johnny hat sich mir in den Weg gestellt.

„Wie kannst du es wagen!?“, zische ich. Die Wut in mir kocht erneut hoch und ohne nachzudenken hole ich aus und erwische Johnny mit meinem Handrücken im Gesicht. Ich habe ihn völlig unerwartet getroffen und er hat Mühe sich auf den Beinen zu halten. Ohne weiter auf die beiden zu achten gehe ich zur Tür, verlasse die Wohnung und finde mich einer kleinen Seitenstraße wieder. Eine kalte Brise weht mir ins Gesicht als ich auf die Hauptstraße abbiege und ich frage mich wie spät es wohl ist. Die Schaufenster sind bereits dunkel und nur die Straßenlaternen erhellen meinen Weg.

Ich seufze leise. Wo bin ich hier überhaupt? Hier bin ich noch nie gewesen und ich habe keine Ahnung wie ich nach Hause finden soll. Dazu gesellt sich noch die Tatsache, dass die Straßen menschenleer sind. Ich habe den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gebracht, als ich auch schon einen enormen Durst verspüre. Als ob ich nicht schon genug Sorgen habe. Wie soll ich hier dann auch noch ein passendes Opfer finden? Doch wie um meine Gedanken ins Lächerliche zu ziehen tritt nicht weit vor mir ein junger Mann auf die Straße.

„Was macht eine junge Dame wie Sie zu dieser Stunde in solch einer Gegend?“, ruft er mich zu, nachdem er mich bemerkt hat und blickt mich fragend an. Also beschleunige ich meine Schritte ein wenig und bleibe vor ihm stehen. Doch er kommt mir zuvor. „Um Gottes Willen, was ist mit ihnen passiert?“, fragt er mich entsetzt und da fällt es mir wieder ein und ich sehe an mir hinab. Ich trage noch immer die blutdurchtränkten und zerstochenen Klamotten von heute Morgen. Moment, ich weiß ja gar nicht mal wie lange ich weg war. „Ach, es ist alles in Ordnung“, winke ich ab und setze gleich meine Frage hinterher: „Aber es wäre echt nett von ihnen wenn Sie mir verraten könnten, welchen Tag wir heute haben.“ Ich lächele ihn so charmant an, wie es mir möglich ist. „Donnerstag meine Dame. Aber kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ Wieder dieser fragende Blick zu dem sich noch etwas Verstörung gesellt, als sich mein Blick verdunkelt. Drei Tage, kein Wunder, dass ich durst habe. „Ach, ich habe mich verlaufe, könnten Sie mir nicht verraten, wie ich zum Park komme.“, säusele ich und unterstreiche meine Bitte mit einem Wimpernschlag. „Nichts lieber als das“, lächelt der Fremde.

„Mein Name ist übrigens James. Wäre es unhöflich Sie nach ihrem Namen zu fragen und ihnen das Du anzubieten?“ Ich bin erstaunt. Dieser Mann ist echt unglaublich. Wie schafft er es bloß eine solche Frage nicht schleimig klingen zu lassen? „Natürlich nicht, ich heiße Jeanne“, antworte ich ihm also. „Also dann Jeanne, gehen wir.“ Ich hake mich bei ihm ein und wir ziehen los.

Zweifel schießen mir durch den Kopf. Zweifel wie ich sie seit Jahrhunderten nicht mehr gehabt habe. Zweifel, ob ich diesen einen Menschen töten kann. >Du musst< ruft eine Stimme in meinem Hinterkopf. Wie ich es hasse, wenn sie mal wieder Recht hat. Ich schüttele den Kopf um die Gedanken fortzuscheuchen und gehe weiter schweigend neben James her.

Wir sind bereits etwa zehn Minuten unterwegs als wir endlich den Park erreichten. Ich bedanke mich bei ihm und er fragt erneut, ob er noch irgendetwas für mich tun könne. Als ich verneine sieht er mich traurig an und verabschiedet sich von mir. >Jetzt oder nie, wer weiß, wann du das nächste Mal einen solchen Leckerbissen zwischen die Zähne bekommst< schreit die Stimme wieder. Ok, ich nicke mir in Gedanken zu, mit dem Zusatz, dass ich ihn nicht töten werde.

James ist nun schon einige Meter entfernt als ich ihm hinterher schleiche und meine Zähne in seinem Hals versenke, ständig darauf bedacht, dass er mich nicht erkennt. Ich spüre wie sein Körper bewusstlos zusammensackt und lege ihn behutsam auf den Boden. Nachdem ich meinen ersten Durst gestillt habe verschwinde ich und lasse James in der Dunkelheit zurück. Er wird schon bald wieder aufwachen und nicht mehr wissen was geschehen ist. Für ihn wird es nichts weiter sein als eine Ohnmacht.

Kapitel 2

~ Kapitel 2 ~
 

Zuhause angekommen will ich gerade die Tür aufschließen, als ich von drinnen ein Geräusch höre. Meine Augen verengen sich und ich spanne meinen Körper an. Vorsichtig stecke ich den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn herum. Langsam öffne ich die Haustür, ständig darauf bedacht keine Geräusche zu machen, und betrete meine Wohnung.

Es ist alles dunkel. Nein, war da nicht eben ein Licht? Und das Geräusch als würde eine Schublade aufgezogen werden. Ich horche auf. Licht und Geräusch kommen aus dem Wohnzimmer. Lautlos bewege ich mich durch den Flur und stelle mich in den Türrahmen. Doch was sich hier meinem Blick eröffnet lässt mich alles andere als vor Freude strahlen. James, bewaffnet mit einer Taschenlampe, durchwühlt meine Schränke. „Was hast du hier zu suchen?“, zische ich ihm verärgert zu. Ich sehe wie Jason zusammenzuckt, er hatte wohl nicht mehr mit mir gerechnet. „Du... du... du lebst.“, stottert er. Mein Anblick hat ihm die Sprache verschlagen.

„Ja, ich lebe noch, oder wie man es auch immer bezeichnen will“, sage ich ruhig, doch in meinem Inneren kocht und brodelt es gewaltig. Ich muss mich zusammenreißen um nicht auszurasten. Ich bin drauf und dran mir Jason zu schnappen und ihn rauszuschmeißen, allerdings nicht zur Tür hinaus. Nein, mein Balkon bietet sich doch viel mehr an und den dritten Stock würde er wohl auch nicht so einfach wegstecken. Und nun höre ich sie wieder, die Stimme in meinem Kopf. >Tu es doch einfach, oder hat er etwas anderes verdient?< hallt es gehässig und ohne jede Bedenken oder jegliches Gewissen durch meinem Kopf. Ja, das ist wahr, antworte ich stumm, er hat es nicht anders verdient. Grimmig blicke ich zu James. Wie eine Made im Dreck kauert er auf dem Boden meines Wohnzimmers und ich beginne zu lachen. Mit einer gewissen Genugtuung beobachte ich wie jegliche Farbe aus Jasons Gesicht verschwindet.

„Und weißt du was?“, fahre ich fort, nachdem mein Lachen verstummt. „Ich sollte dich zerquetschen, zertreten wie eine Made, dich endgültig vernichten. Du bist es nicht Wert zu leben. Du hast mich lange genug gequält.“ Verächtlich sehe ich auf Jason hinab, ein hämisches Grinsen in meinem Gesicht. „Aber vorher werde ich noch meinen Spaß mit dir haben.“ Wieder fange ich an zu lachen. >Richtig so, gib ihm was er verdient hat.< höre ich schon wieder einmal die Worte in meinem Kopf. Blitzschnell stehe ich vor Jason, packe ihn am Hals und hebe ihn hoch. Mit einem Schwung werfe ich ihn durch die Balkontür nach draußen. Das Glas zerbricht mit einem lauten Klirren in tausend Einzelteile und Splitter bohren sich in Jasons Haut. Doch es ist mir egal, ich will ihn leiden sehen, so wie er mich die ganzen Monate hat leiden lassen.

Zusammengekauert liegt er auf meinem Balkon und starrt mich an. In seinen Augen sehe ich pure Angst, Angst vor mir, Angst vor dem Tod. Ich trete hinaus auf den Balkon und hocke mich vor ihn hin. „Oh, mach dir keine Sorgen, es wird nicht lange dauern.“, flüstere ich ihm zu. Doch zu spät bemerke ich die Veränderung in seinem Blick, das Grinsen das sich in seinem Gesicht breit macht und wirbele herum. Zu spät. Ein stechender Schmerz in meinem rechten Arm lässt mich aufschreien und bevor ich realisiere wer da vor mir steht spüre ich das kalte Metall eines Schwertes, wie es sich in meinen Oberkörper bohrt und mein Herz nur um haaresbreite verfehlt. Ich keuche auf und einige Sekunden später falle ich. Doch der erwartete Aufschlag auf dem harten Betonboden des Fußweges bleibt aus. Kraftlos öffne ich die Augen. Ich schwebe. Mein Fall wurde gestoppt und nun hänge ich in der Luft. Aber meine Kraft reicht nicht mehr aus um mir eine logische Erklärung dafür zu liefern und ich werde bewusstlos.
 

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Dunkelheit umgibt mich und ich fühle mich frei. Frei von allen Gedanken, frei von jeglichen Erinnerungen, frei von jeder Last die einmal auf mir gelegen hat. Hier fühle ich mich wohl, habe keine Verpflichtungen. Ich wünsche mir, ich könnte ewig hier bleiben. Leicht wie ein Vogel schwebe ich ziellos durch die Dunkelheit, wie durch eine sternenlose Nacht. Einfach an nichts denken. >Armes naives Ding< dröhnt es in meinen Ohren und ich schaue mich um. Ich kenne die Stimme. Aber woher? Angestrengt überlege ich, aber meine Erinnerungen sind weg, verloren. Vielleicht für immer? Immer mehr Fragen schießen mir durch den Kopf. Wo bin ich hier überhaupt? Warum bin ich hier? Und werde ich nun für immer hier bleiben? Doch plötzlich spüre ich, wie ich fortgezogen werde. Ich wehre mich dagegen, will nicht gehen, will in dieser friedlichen Welt bleiben, will nicht zurück, wohin auch immer.
 

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Wie eine Seifenblase zerplatzt diese Welt um mich herum und ich öffne die Augen. Um mich herum stehen Johnny, Alan und noch zwei weitere Personen, deren Namen ich nicht kenne, und schauen mich erwartungsvoll an. Glauben die jetzt, dass ich aus dem Bett springe und anfange zu tanzen? Habe ich was im Gesicht? Oder warum starren die mich jetzt so an? Kraftlos schließe ich die Augen wieder. Ich will nicht mehr, warum können die mich nicht einfach in Ruhe lassen. Ich werde meines Lebens (oder Unlebens) überdrüssig, will lieber sterben.

Jeder Atemzug schmerzt. Moment... warum atme ich? Sofort höre ich auf mit dem unnötigen Heben und Senken meines Brustkorbes, was lediglich dazu dient die Menschen zu täuschen, und die Schmerzen werden schwächer. Erleichtert öffne ich die Augen und noch immer werde ich von vier Augenpaaren angestarrt.

„Was soll das werden wenn’s fertig ist?“, zische ich die vier an. „Verschwindet gefälligst! Ich habe euch nicht um eure Hilfe gebeten. Lasst mich in Ruhe!“ Vorsichtig suche ich mit meinen Armen Halt und drücke meinen Oberkörper hoch. Ich habe das Gefühl mein Brustkorb zerspringt, doch ich lasse mir nichts anmerken. Pah, nicht vor denen. Also versuche ich aufzustehen, schwinge meine Beine über die Bettkante und stemme mich nach oben. Noch im gleichen Moment stürze ich laut fluchend zu Boden. Verdammt, was soll der scheiß? Was ist mit meinen Beinen los?

Aus den Augenwinkeln sehe ich wie Alan die zwei Fremden zurückhält. Entsetzt starren mich die beiden kann. Na wenigstens einer der begriffen hat. Also auf ein Neues. Dieses Mal schaffe ich es mich aufzurichten und sogar stehen zu bleiben, auch wenn ich das Gefühl habe, meine Beine beständen aus Gummi. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen und bewege mich auf die bereits bekannte Haustür zu.

„Das könnte dir so passen. Dich niederstechen lassen und dann einfach abhauen wenn man dir helfen will.“ Johnnys Stimme dröhnt in meinen Ohren. Mein Kopf rebelliert gegen die aufkommenden Schmerzen und mich überkommt ein Schwindelgefühl, welches mich erneut in die Knie zwingt. Tränen schießen mir in die Augen. Tränen der Wut. Tränen der Verzweiflung. Tränen vor Schmerzen die meinen Körper peinigen. „Ich habe dich nie gebeten mir zu helfen“, würge ich hervor, während sich Tränen ihren Weg über mein Gesicht suchen. „Sag mal, spinnst du? Du erwartest ernsthaft, dass wir dich schwer verletzt und halbtot auf der Straße liegen lassen?“ Johnnys Worte hallen immer und immer wieder in meinem Kopf wider. Ich will sie nicht hören und halte mir die Ohren zu, doch es ist sinnlos. Seine Worte haben sich schon in mein Gedächtnis eingebrannt.

Verzweifelt schreie ich meine Wut, meinen Hass, all meine Emotionen der letzten Jahrhunderte hinaus. Doch ich fühle mich nicht besser… noch nicht. Erst muss noch etwas erledigt werden. Entschlossen wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und versuche erneut aufzustehen, als sich auch schon ein Arm um meine Schultern legt und ich an einen Körper gedrückt werde. Eine Wärme breitet sich in mir aus. Eine Wärme die ich zuletzt gespürt habe, als noch etwas Menschliches in mir gewesen ist.

„Du wirst dir jetzt gefälligst helfen lassen.“, höre ich Johnny mit einer Bestimmtheit sagen, die keine Widerworte zulässt. „Und nun wirst du uns erstmal deinen Namen verraten.“ Erstaunt blicke ich ihn an und mein Gehirn beginnt zu arbeiten. Tatsächlich, bei unserer ersten Begegnung bin ich einfach abgehauen. „Jeanne“, verrate ich ihm meinen Namen leise. „Na also, geht doch“, grinst er mich an und hilft mir aufzustehen. „Und nun gibt’s erstmal was zu essen, du musst ja schon völlig ausgetrocknet sein.“ Wie zur Bestätigung knurrt mein Magen.

„Ich werde uns erstmal ein paar Leckerbissen besorgen.“, höre ich Alan sagen und schon schließt sich bereits die Tür hinter ihm. „Ok, dann will ich dir schon mal unsere Gäste vorstellen. Das sind Kim und Nina.“, verkündet Johnny auf die beiden Mädchen zeigend. Freundlich werde ich von den beiden angelächelt und begrüßt. Ich nicke ihnen nur kurz zu und schaffe es mit Johnnys Hilfe zurück zum Bett. Kraftlos setze ich mich auf die Bettkante und schaue mit Kim und Nina etwas genauer an.

Kim scheint die ältere der beiden zu sein, zumindest was das menschliche Äußere betrifft, doch etwas ist anders an der jungen Frau mit den langen braunen Locken und dem weisen Gesicht. Ihre Aura… sie ist eindeutig kein Vampir. Aber was macht sie hier? Weiß sie nichts um die Umstände ihrer Freunde? Oder ist es ihr einfach nur egal? Nina hingegen ist das genaue Gegenteil. Nicht nur, dass sie ein Vampir ist, nein, auch ihr Äußeres grenzt sich klar ab von dem Kims. Ihre kurzen blonden Haare hat sie versucht in einem Zopf zu bändigen, doch einige Strählen fallen ihr immer wieder neckisch ins Gesicht. Ihr Gesicht strahlt eine gewisse Unbedarftheit aus, gerade so als könne sie kein Wässerchen trüben.

Durch ein lautes „Hey Jeanne!“, werde ich von Johnny aus meinen Gedanken gerissen. In der einen Hand Mullbinden und Verbände, in der anderen Hand eine Schere kommt er auf mich zu. „Zeit für ‚nen Verbandswechsel.“, meint er grinsend zu mir. Seufzend fange ich an mein T-Shirt auszuziehen, doch das ist gar nicht so einfach wie ich mir gedacht habe. Der Verband reicht von meinem Bauch über meinen Oberkörper und die Schultern fast bis zu den Ellenbogen, was meine Bewegungsfreiheit doch extrem einschränkt.

„Moment, ich helfe dir.“ Kim kommt auf mich zu und beginnt vorsichtig meinen rechten Arm von dem Stoff zu befreien. Fast schmerzfrei werde ich so mit ihrer Hilfe meines T-Shirts entledigt und Johnny kann seine Doktorspielchen beginnen. Langsam wickelt er Verband um Verband ab und legt so meinen doch etwas zerschundenen Körper frei. Als ich an mir hinabblicke erschaudere ich. Das sieht echt schlimmer aus als gedacht. >Gratulation, eine echte Glanzleistung< höre ich es in meinem Kopf. Die Stichwunden sind noch nicht ganz geschlossen und entlocken Johnny ein grimmiges „Das hab ich mir schon gedacht.“.

Verwirrt schaue ich ihn an, doch Johnny beachtet mich nicht. „Kim, Nina, holt James her, das muss genäht werden.“ Sofort setzen sich die beiden in Bewegung und verschwinden durch die Tür. Erst jetzt dreht sich Johnny wieder zu mir. „Das sieht mehr als schlimm aus Jeanne.“ Habe ich mich gerade verhört oder ist da wirklich ein Zittern in seiner Stimme gewesen? Als ich ihm ins Gesicht sehe, bemerke ich ein Glitzern in seinen Augenwinkeln. Er wird doch nicht etwa weinen? Und schon gar nicht wegen mir? Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und so warten wir schweigend auf Kims und Ninas Rückkehr.

Etwa fünf Minuten später öffnet sich die Haustür und ich bekomme den Schock meines Lebens. Im Türrahmen steht James, genau DER James, den ich noch vor einigen Tagen zum Teil ausgesaugt habe. Er scheint mich ebenfalls wieder zu erkennen und lächelt mich verschmitzt an.

„So sieht man sich wieder. Das war aber nicht gerade die feine Art“, ruft er mir zu und deutet auf zwei kleine punktförmige Narben an seinem Hals. Johnny starrt zunächst James und dann mich erstaunt an. „Ihr kennt euch?“, war alles was er sagen konnte. Ich grinse ihn an und nicke. „Oh, aber sicher doch.“, antwortet nun auch James. „Nur habe ich wohl nicht den richtigen Tag erwischt.“, fährt er fort und streicht sich über den Hals. „So, aber nun wollen wir uns mal die Verletzungen anschauen.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Cistus
2007-07-19T16:16:31+00:00 19.07.2007 18:16
Scheint ja eine aufregende Zeit für Jeanne zu sein! Ich bin sehr gespannt wie diese Begegnung weitergeht und wer dieser James ist und natürlich die anderen die sich so um Jeanne bemühen.
Kann es sein das du am Anfang des 2 Kapitel mit den Namen von James und Jason etwas durcheinander gekommen bist? Es hört sich etwas irritierend an.
Ich hoffe es geht bald weiter!
mfg
Cistus
Von:  Cistus
2007-07-12T08:56:19+00:00 12.07.2007 10:56
Hört sich alles in allem nach einer sehr interessanten Geschichte an mit einem guten Hauptcharakter! Ich hoffe es geht weiter!
mfg
Cistus


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