Regen von Vanillaspirit (Challenge-Antwort) ================================================================================ Mutter und Kind --------------- Der laute Knall eines Blitzeinschlages zerriss die Stille und zerstörte einen angenehmen Traum. Ruckartig schlugen die Lider hoch und die noch blinden Augen starrten dorthin, wo er die Zimmerdecke vermutete. Er seufzte genervt und fuhr sich mit den Fingerspitzen durch die zerzausten Haare. Die gesamte Situation war nervend. Der starke Regen trommelte unentwegt gegen Dach und Fensterscheibe und ständig zuckte ein Blitz, gefolgt von lautem Donner. Stöhnend zog Shikamaru das Kissen unter seinem Kopf hervor und drückte es auf Gesicht und Ohren. Dieser verdammte Krach stand zwischen ihm und seinem wohlverdienten Erholungsschlaf. Irgendwann gab er auf und warf das Kissen zur Seite. Es polterte laut und sein Gedächtnis erklärte ihm, dass an dieser Seite des Bettes die Bilder aus seiner Ge-nin-Zeit standen. Mendoukusai. Ino würde ihm wieder schmollend einen Vortrag halten, wenn er soeben eine dieser wichtigen Erinnerungen ihres Teams beschädigt hatte. Blind tastete er nach seiner Nachtischlampe. Seine Fingerspitzen tappten über den Lampensockel bis zum Schalter, legten diesen um und warteten. Nichts. Verdammt, das war also der laute Knall von vorhin gewesen. Wider besseren Wissens probierte der Chu-nin es noch einmal und auch ein drittes Mal. Die Stromleitungen waren tot, definitiv. Er verdrehte die Augen. Es war ja auch kein Wunder. Nur dieses Dorf konnte auf die Idee kommen die Hauptstromleitung durch einen Platz laufen zu lassen, der förmlich danach schrie von einem Blitz getroffen zu werden, mitten durch einen flachen Teich, umgeben von wundervollem, flachem Grasland. Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten: weiterhin hier liegen und darauf hoffen, dass er bei dem permanentem Krach des Regens doch noch einschlief oder sich in die Küche tasten und seinen momentanen Durst stillen. Ein Blitz erhellte das Zimmer, ließ die Schatten einen Herzschlag lang die Wände hoch kriechen und erschreckte Shikamaru zutiefst. Er atmete tief ein und aus, fuhr sich wieder durch die Haare und schlug letztendlich die Decke zur Seite. Seine Zehen erklärten ihm, wie der Boden aussah. Ein Hausschuh, Kleidung und etwas was sich wie ein Kunai anfühlte. Der plötzliche Schmerz und das Gefühl einiger warmer Tropfen auf dem großen Zeh sagten ihm, dass es garantiert ein verdammter Kunai war. Fluchend suchte und fand er dann doch noch den zweiten Pantoffel und schlüpfte hinein. Leicht humpelnd machte er sich schließlich auf den Weg in die Küche, wobei er noch so einige Gegenstände am Boden auf eine eher schmerzvolle Art und Weise entdeckte. Eine kleine Stimme im Hinterkopf war der Meinung, dass seine Mutter vielleicht Recht hatte und er wirklich einmal sein Zimmer aufräumen sollte, wurde aber sofort vom gewaltigen inneren Schweinehund mit mentalen Kopfnüssen zum Schweigen gebracht. Soweit kam es noch, dass er für diese mühselige Frau auch noch sein bisschen Freizeit opferte. Schlurfend kämpfte er sich zu der Stelle durch, an der er den Kühlschrank vermutete. Gelegentliche Blitze, welche die Küche durch das recht große Fenster erhellten, machten dies etwas leichter. Das war vermutlich der einzige positive Aspekt dieses Wetters. Er zog die Kühlschranktür auf und starrte in eine dunkle Tiefe. Es war schon schwer am helllichten Tag etwas darin zu erkennen, aber im Dunkeln? Nahezu unmöglich. Blind tastete er in den Regalen in der Tür herum. Flasche, noch eine Flasche, Butter, Eier und schließlich etwas, das sich wie eine Milchtüte anfühlte. Shikamaru zog die Packung heraus und führte sie an seine Nase. Durch die kleine Öffnung erschnüffelte er den Geruch von Milch. Bingo! Das Zufallen der Tür wurde vom Donner übertönt und mit einem leisen Seufzen lehnte er sich gegen den Kühlschrank. Gierig begann er zu trinken. Es war eiskalt und schmerzte etwas an den Zähnen, aber es war ein genießbarer Durstlöscher. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht aus der Packung trinken sollst?“ Shikamaru riss die Augen auf und verschluckte sich fast. Sein Blick wanderte durch die dunkle Küche und blieb schließlich an einem Schatten, mitten im Raum, stehen. Es war ihm gar nicht aufgefallen, dass sie auch im Raum war. „Solltest du nicht schlafen?“ fragte er seine Mutter monoton. „Ich könnte dich das gleiche fragen.“ Zischend stieß er etwas Luft aus. Diese Frau war einfach mühselig. Er stellte den halbleeren Getränkekarton auf die Arbeitsfläche und konnte förmlich spüren, wie ihr Blick ihn durchbohrte. Die Küche war ihr Bereich und sie hasste Unordnung darin. Anscheinend bestand ihr ganzes Leben nur aus Haushalt und andere Leute zum Haushalten „überzeugen“. Ein Blitz fiel durch das Fenster mit seiner Vorstadtkitschgardine und tauchte den Raum in gleißendes Licht. Nur ein kurzer Moment, kaum länger als ein Atemzug, aber er reichte aus, um Shikamaru erkennen zu lassen, dass sie keineswegs wie immer war. Sie saß auf einem Küchenstuhl und schaute zu, wie dicke Regentropfen gegen das Fenster schlugen. Ihre Haltung war verkrampft, als würde sie sich selbst zur Ruhe zwingen. Mit verengten Augen und kritischem Blick betrachtete er seine Mutter. Es blitzte erneut und er konnte deutlich sehen, wie sie zusammenzuckte. Eine seiner Brauen zuckte hoch. Diese laute, beängstigende Frau fürchtete sich vor Gewitter. Er hätte schmunzeln können, sich innerlich freuen, doch stattdessen stellte er nur eine simple Frage. „Was machst du hier?“ Yoshino drehte ihren Kopf leicht über ihre Schulter, um dort hin zu sehen, wo sie ihren Sohn erahnte. „Ich hab nachgesehen, ob die Tür noch offen ist. Dein Vater vergisst immer den Schlüssel.“ Shikamaru blinzelte. Ungläubig starrte er die Frau an. Er wusste, dass seine Eltern eine merkwürdige Beziehung führten und mehr als einmal fragte er sich, was seinen Vater bei ihr hielt. Anscheinend Situationen wie diese. Kleine Gesten. Er blickte auf den Tisch und erkannte Schatten. Es sah aus wie die Silhouetten eines Glases und einer Reisschüssel. Große Gesten. „Wollte er heute wiederkommen?“ Yoshino verkrampfte kurz, als wieder ein Blitz die Nacht zerriss. Sie atmete einmal tief ein und aus, bevor sie antwortete. „Er sagt nie, wann er wiederkommt oder dass er wiederkommt. In der Hinsicht war er immer ehrlich genug keine Versprechungen zu machen.“ Irritiert runzelte Shikamaru seine Stirn. Wie konnte sie dann…? Es traf ihn wie ein Donnerschlag. Lautlos formten seine Lippen ein mehr als erstauntes Oh. Er hatte sich bisher nie Gedanken darum gemacht, warum sie immer mehr als zwei Portionen kochte, selbst dann, wenn Shikaku abwesend war. Verdammt große Gesten. Einen Moment kämpfte er mit sich selber, bevor er sich vom Kühlschrank abstieß und zu ihr ging. Er murrte ein leises „mendoukusai“, allein aus Gewohnheit, bevor er einen Stuhl zurechtrückte und sich darauf niederließ. Seine Hand tastete nach ihrer; dankbar griff sie danach und drückte sie fast schon zu fest, als das Gewitter einen neuen Höhepunkt erreichte. Schweigend lauschten sie dem trommelnden Gewitterregen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)