Substitute von Alibear (GeneXOcelot-Story) ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Zusammentreffen --------------------------------- Das erste Mal, dass wir voneinander hörten, war am Telefon. Ich war sofort von deiner Stimme fasziniert. Sie strotzte nur so von Stärke und Wissen, und doch war da noch etwas anderes. Eine winzige Facette nur, kaum wahrnehmbar für den ungeübten Hörer, doch berufsbedingt hörte ich es heraus. Was mich dort fesselte, war eine Aura von Einsamkeit. Ja, deine Stimme hatte es mir verraten. Du warst damals einsam. Stark zwar nach außen hin, doch da war etwas, tief in dir, dass sich nach jemanden sehnte. Warst du mit deinen Fähigkeiten doch einzigartig auf der Welt, geschaffen nur zu einem Zweck. Einem Zweck, weit von Gefühlen entfernt. Du sehntest dich nach Zuneigung, deine Stimme hatte dich verraten. Es war nur ein kurzes Gespräch, doch all dies konnte ich hören. All dies führte mich dazu, dass zu tun, was ich getan hatte. Bis auf eine Person zuvor hatte ich mich noch niemand so fasziniert. Doch diese Person war unerreichbar. Vielleicht warst du am Anfang nur ein Trost für mich, eine Möglichkeit, zu vergessen. Dennoch wollte ich dich kennen lernen, egal, was es mich kosten würde. --------------------------------------------------------------------------------- Ein Krankenzimmer, typisch eingerichtet. Steril. Zweckmäßig. Nichts, was einem das Gefühl geben könnte, dass man hier hingehörte. Das bemerkte auch der Mann, der gerade eben seine Augen aufschlug und jetzt die Decke dieses Zimmers betrachtete. Von Rissen zerfurcht, an einigen Stellen fehlte schon der Putz, der anscheinend schon vor Jahren abgebröckelt war. An anderen Stellen zeugten dunkle Flecken von zahlreichen Regengüssen, deren Wasser durch das anscheinend marode Dach bis zur Decke dieser Etage gekrochen war. Der Geruch von Desinfektionsmitteln hing schwer in der Luft und stach ihn in der Nase. Wo war er nur? Er versuchte, sich an etwas zu erinnern. Ein Mann tauchte dort auf, ein Mann, der mit ihm, so schien es damals, um Leben und Tod gekämpft hatte. Eigentlich mehr um den Tod, denn es war beschlossene Sache, niemand von ihnen, egal ob er gewonnen hätte oder nicht, hätte mit dem Leben davonkommen können. Ihr Schicksal war besiegelt, es ging nur noch um ihren Stolz als Kämpfer. Wer der Bessere war. Wer es verdiente, als der Beste bezeichnet zu werden. Wer den Titel des Boss verdiente. Er selbst, der er aus ihren Zellen geschaffen wurde? Oder dieser Mann, ein einfacher Mensch aus Fleisch und Blut, ein einfacher Kämpfer…aber doch der Bezwinger von The Boss. Es war ein erbitterter Kampf. Sie schenkten sich nichts. Egal, wie er vorging, der Mann ließ sich nicht von ihm bezwingen. Er kämpfte wie ein Raubtier, schien nur darauf bedacht, zu überleben. Ein wildes Tier, dass, wenn in die Enge getrieben, seine Zähne zeigte und ohne Rücksicht auf Verluste kämpfte. Jedem Angriff auswich, jedem Messer, dass nach ihm geworfen wurde. Hielt sogar der Stimme stand, ließ sich nicht von seinen Reden beeinflussen, zückte nur immer wieder seine Pistole, richtete den Lauf auf seinen Feind und drückte ab. Dieser Mann war einfach nur unglaublich… Er verdiente seinen Titel wirklich, dachte der Mann im Bett und versuchte, sich etwas im Zimmer umzusehen. Doch gab es eigentlich kaum etwas zu sehen. Was ihn umgab, war ein fast vollständig leerer Raum. Dennoch hörte er Geräusche. Ein stetes Tropfen. Etwas stach in seinem Arm. Hab ich vielleicht noch eine Kugel dort stecken? Er schaut seinen Arm hinab, doch statt einem Einschussloch fand er dort eine Nadel, halb in seinem Arm vertieft, die andere Hälfte außerhalb und mit einem dünnen Schlauch verbunden. Der Mann folgte dem Verlauf dieses Schlauches und sah, dass er an einem Tropf hing. Die dort herunterfallenden Tropfen einer Kochsalzlösung störten die Ruhe mit einem leisen, aber steten Tropfen. Irgendwie musste der Mann grinsen. Bin ich nicht gestorben? Sollte ich nicht tot sein? Das Grinsen ging in ein leises Lachen über. Er hatte doch die Kugeln gespürt, sie schlugen immer wieder auf seinen Körper ein. Das dürfte doch wohl genügt haben, um ihn von dieser Welt zu schaffen. Um ihn zu erlösen, denn insgeheim hatte er auf den Tod gewartet. Was gab es denn auf dieser Welt, was ihn gehalten hätte? Seine Augen wurden wieder schwer. Er wollte schlafen, sich im Schlaf vor dieser Welt verstecken, einfach nichts mehr damit zu tun haben. Dem Ganzen am liebsten ein Ende setzen. Warum war er noch hier? „Kaum bist du aufgewacht, willst du wieder schlafen. Hah, als hättest du noch nicht lange genug geschlafen in diesen drei Monaten, die du im Koma lagst.“ Eine Stimme! War da doch noch jemand in diesem Raum? Aber, er hatte sich doch gerade umgesehen und niemanden entdeckt, er war allein im Zimmer. Aber, wenn dem wirklich so war, woher kam dann diese Stimme? Er riss die Augen wieder auf und versuchte, sich weiter umzusehen. Versuchte, seinen Kopf nach links zu drehen. Dort sah er nur eine kahle Wand, fleckig und braun vom Zahn der Zeit. Eine Tür war in sie eingelassen, die auch schon ihre besten Tage hinter sich hatte. Von dort kam die Stimme aber nicht. Zu seiner Rechten, zu der er jetzt seinen Kopf drehte, war zwar wieder eine dieser braunen Wände, diesmal aber kurz unterbrochen von einem Fenster, dass sich regelrecht danach sehnen musste, mal wieder gründlich geputzt zu werden. Doch nicht nur der Dreck von mindestens zwei Jahren verdeckte dieses Fenster. Dort war eine Gestalt. Er kniff kurz die Augen zusammen, öffnete sie wieder und versuchte, sich auf die Person, die dort am Fenster war, zu konzentrieren. Sie schienen ihm irgendwelche Medikamente gegeben zu haben, denn er sah alles ziemlich verschwommen. Doch je länger er sich konzentrierte, desto deutlicher wurde die Gestalt. Sie saß auf der Fensterbank. Der Körper halb zu ihm gewandt, der Kopf zum Fenster hin. Er musterte die Kleidung. Sein Blick wanderte dabei von den Schuhen bis zum Hals und blieb nicht einmal stehen. Die Schuhe, schwarzes Leder, sehr elegant, aber nicht auffällig. Achtete man nicht allzu sehr auf sie, schien man sie kaum für so teuer zu halten, wie sie wohl schlussendlich waren. Die Hose war aus feinstem dunkelblauem Stoff, das blaue kaum noch wahrzunehmen. Ähnlich wie bei den Schuhen sah man auch ihr nicht an, zu welch hohen Preis sie erstanden wurde. Der Blick wanderte höher und fiel auf ein dunkelblaues Sakko, ordentlich gebügelt und geknöpft. Durch den Sakkoausschnitt sah man eine dunkelblaue Krawatte auf einem weißen Hemd aufblitzen. Alles in allem schien, zumindest von der Kleidung her, ein berechnender Geschäftsmann dort zu sitzen. Doch von seinem Sitzstil ausgehend war diese Möglichkeit völlig ausgeschlossen. Die Beine lässig übereinander geschlagen, einen Arm leicht in die Hüfte gelegt, der andere leicht angewinkelt, um mit dessen Hand den Kopf zu stützen, der halb gedankenverloren aus dem Fenster zu blicken schien. Der Mann wandte seinen Blick höher und musterte nun den Hinterkopf seines Besuchers. Kurzgeschorene, blonde Haare. Nein, eigentlich kein blond mehr. Es war so blond, dass es schon wie weiß wirkte. Wie bei einem Albino…. Plötzlich hörte er seinen Besucher auflachen. „Hast du mich jetzt genug gemustert?“ Sein Besucher wandte den Blick nun zu ihm und grinste ihn an. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihn zu kennen. Kannte er nicht seine Stimme von irgendwo her? Das Grinsen wurde breiter. „Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheinst du gerade darüber nachzudenken, wer ich eigentlich bin.“ Er machte eine kleine Pause. „Liege ich damit richtig?“ Der Mann im Bett nickte schwach. Er kannte ihn, doch woher? „Meine Stimme solltest du eigentlich noch kennen. Wir hatten damals miteinander gesprochen. Es war zwar nur ein kurzes Gespräch, aber…“ Mit diesen Worten wandte er sich abermals halb ab und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht bist du noch nicht wach genug, um mich erkennen zu können…du warst ja einige Zeit weg, da hast du meine Stimme sicher vergessen.“ Etwas Trauer umspielte seine Gesichtszüge, dann jedoch wandte er sich wieder dem Mann zu. „Aber das soll uns erst mal egal sein…“ Er erhob sich von der Fensterbank und näherte sich dem Bett, die Arme immer noch verschränkt und den Kopf zu Boden gerichtet, ganz langsam einen Fuß vor den anderen setzend. „Was ich mich momentan eher frage…“ Mit diesen Worten blieb er jäh stehen, keinen halben Meter mehr von der Bettkante entfernt. Er hob seinen Blick und grinste den anderen Mann leicht an. „Wie geht es dir denn, Gene?“ Gene grinste schwach. „Bescheiden, wenn ich ehrlich sein soll.“ Er hob schwach eine Hand an die Stirn und führte seinen Blick wieder zur Decke. „Wo…wo bin ich?“ „In einem Krankenhaus in einem kleinen Provinznest von Südamerika.“ Sein Gesicht versuchte einen entschuldigenden Ausdruck, der aber durch das immer noch vorhandene leichte Grinsen eher wie eine Verhöhnung wirkte. „Leider konnten wir dich nicht über die Grenze und in eine moderneres Krankenhaus in den U.S.A. bringen, aber warum dem so ist, brauch ich dir ja nicht weiter zu erklären, dass solltest du besser wissen.“ Und wie er das besser wusste! Schließlich war er es gewesen, der den U.S.A. mit dem atomaren Schlag gedroht hatte. Es hätte alles so perfekt laufen können. Doch ‚er’ funkte dazwischen, vereitelte seinen ganzen Plan, zerstörte alles, was er sich dafür in all den Jahren erarbeitet hatte. Alles zerstört durch einen einzelnen Mann. „Was ist mit ihm geschehen?“ fragte Gene. Der andere Mann schien etwas überrascht zu sein von dieser Frage, schien einen Moment zu überlegen und antwortete dann ganz langsam. „Wenn du mit ihm Big Boss meinen solltest…ihm wurde das Kommando über eine eigene Einheit übergeben.“ Er grinste wieder. „Ich finde ihren Namen sogar recht passend, wenn man überlegt, was er in seiner letzten Mission gemacht hatte…“ Doch Gene interessierte das nicht. Vorerst nicht. Erst wollte er endlich erfahren, wer dieser Mann war, der neben seinem Krankenbett stand. Er wollte wissen, wer er war, und er wollte wissen, was er von ihm wollte. Seine Stimme kam ihm bekannt vor, und je länger er ihm zuhörte, desto näher schien auch sein Name an sein Bewusstsein zu treten. Meinte er nicht, sie hätten damals ein Gespräch geführt? Welches damals meinte er nur? Gene versuchte, sich zu erinnern. Damals…San Hieronymo…hatte er da nicht mit jemandem am Telefon geredet? Er zwang sich regelrecht dazu, sich zu erinnern. Eigentlich war es gar nicht so lange her, zumindest dann, wenn man seinem Besucher trauen konnte. Es waren nur drei Monate. Ihm kam es wie Jahre vor. Er hatte mit jemandem telefoniert…nein, nicht mit jemandem, er hatte mit diesem Mann telefoniert…doch…der Name... Gene wandte seinen Blick noch mal zu seinem Besucher, der sich zu amüsieren schien. „Immer noch dabei, mir einen Namen zuzuordnen?“ Er grinste und fuhr sich lässig mit einer Hand durch die kurzen Stoppeln seiner Haare. „Vielleicht erinnerst du dich, wenn ich einen bestimmten Laut von mir gebe?“ Mit diesen Worten grinste er noch mehr, blickte Gene tief in die Augen. Atmete tief ein. Machte den Mund auf. Und Miaute. „Meeeooow.“ Dieser Laute schien von allen Wänden des Raumes zurückzuschallen. In Genes Ohren dröhnte er wie tausend Trompeten. Er kannte diesen Laut, er kannte diesen Mann, seine Stimme… …und nun auch seinen Namen. Er versuchte ein schwaches Grinsen. „Ich…ich erinnere mich wieder…du bist ein Spion der amerikanischen Regierung. Dein Codename…lautet Ocelot.“ Er machte eine kurze Pause, als ob er noch nach dem letzten Bruchstück des Namens suchen würde. „Revolver Ocelot. Was…was willst du von mir? Warum wurde ich gerettet?“ Ocelot seufzte auf. Er hob eine Hand, führte sie zu seinem Kopf und rieb sich mit zwei Fingern die Schläfe. „Langsam kann ich diesen Namen nicht mehr hören. Für alle bin ich nur Revolver Ocelot.“ Sichtlich genervt blickte er wieder Gene an, behielt seine Finger aber noch an der Schläfe. „Also klären wir erst mal eines, bevor ich dir erkläre, warum sich jemand die Mühe gemacht hat, einen Versager wie dich zu retten…“ Er zeigte mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf Gene. „Nenn mich ADAM“, meinte Ocelot nur und grinste dabei wieder. Gene seufzte nun seinerseits auf. „Wenn du meinst, dass dieser Name eher zu dir passt…“ Bedächtig hob er den Kopf und starrte Ocelot wütend und genervt zugleich in die Augen. „Jetzt, wo wir diesen Punkt geklärt hätten…“ Gene machte eine kurze Pause und sammelte seine Kräfte. Irgendwie hatte er das seltsame Gefühl, dass dieser Junge dort ihm selbst jetzt nichts erklären würde, dass er irgendwelche Ausflüchte finden würde, um sich aus dieser Situation herauszuwinden. Also gab es für ihn jetzt nur noch eine Möglichkeit, dass er von Ocelot wirklich eine Antwort bekäme. Gene grinste in sich hinein. Ja, so würde er eine Antwort bekommen, endlich eine Antwort auf seine Fragen. Diesem kleinen Jungen da neben seinem Bett würde gar keine andere Möglichkeit offen stehen, als ihm eine Antwort zu geben. Es wird geradezu aus ihm heraussprudeln. Gene konzentrierte sich. Seine Stimme würde ihm Zugang zu dem Wissen beschaffen, nach dem es ihn verlangte. Er blickte Ocelot finster und überlegen an. „Und jetzt hätte ich gerne Antworten! Du fängst sofort damit an, zu reden!“ Seine Stimme klang, als würde sie von den Wänden eines riesigen Saals reflektiert werden. Wie ein Echo wurde seine Aufforderung immer wieder und wieder zurückgeworfen. Ocelot würde seiner Stimme nicht widerstehen können. Er würde reden, reden und nochmals reden. Kein Detail auslassend. Jede noch so winzige Kleinigkeit würde aus seinem Munde kommen, soviel, bis er vor lauter Reden ausgelaugt wäre. Das alles würde geschehen, selbst wenn er es nicht wollte. Eine kurze Pause entstand. Warum antwortete er noch nicht? Gene wurde ungeduldig. Dann plötzlich zog sich eine Grimasse durch Ocelots Gesicht, und er fing schallend an zu lachen. Er krümmte sich regelrecht vor Lachen, konnte sich nicht mehr beherrschen. Wie? Was? Was soll das? Warum lacht er auf? Warum…sollte er jetzt nicht eigentlich losreden? Sollte er nicht das unwiderstehliche Verlangen haben, ihm alles zu erzählen? Nicht das Gefühl haben, wenn er ihm jetzt nicht alles erzähle…dass er ihn betrüge? Stattdessen stand er nun vor ihm und lachte sich dumm und dämlich. Er schien gar nicht mehr aufzuhören. Wie? Wie konnte er nur? Gene war sichtlich verwirrt. Dieser Junge verwirrte ihn. Noch…noch niemand zuvor hielt seiner Stimme stand. Niemand zuvor…Nein, halt, es gab jemanden, aber das war was anderes. Dieser Jemand war anders. Aber dieser Junge dort…Dieser Junge war doch sicherlich noch nicht einmal halb so alt wie er selbst, wie konnte er es also wagen, sich ihm zu widersetzen? Oder…vielleicht…? Zweifel machten sich in Genes Gedanken breit. Vielleicht widersetzte er sich ja gar nicht. Vielleicht reichte auch einfach seine Kraft nicht mehr aus. Vielleicht…war er zu schwach… Langsam hörte Ocelot auf zu lachen und wischte sich schnell eine Lachträne aus den Augen. „Ahahaha, das hat Spaß gemacht.“ Keine Sekunde später hatte er sich auch schon wieder gefasst und grinste Gene wie zuvor auch schon an. „Na ja, wie auch immer...“, sagte er und winkte ab. „Deine beiden Fragen beantworte ich das nächste Mal, wenn wir uns wieder sehen.“ Die Türklinke bewegte sich und eine Krankenschwester, keine 1,50m groß, um die vierzig und mit einem ungesunden braunen Teint betrat das Zimmer. Sie trug ein Tablett mit mehreren Tellern und Schüsseln herein. Wahrscheinlich das Essen. Das Geschirr war mit undurchsichtigen Hauben verdeckt, um wohl den Patienten den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich auf etwas freuen könnten. Ocelot ergriff wieder das Wort. „Ich war vorhin so frei und habe dem Personal ein Zeichen zukommen lassen, dass du wieder wach seist. Nach all der flüssigen Nahrung willst du doch sicher wieder etwas bissfestes zu dir nehmen“, grinste er Gene an, gab der Krankenschwester ein kleines Handzeichen und machte sich auf den Weg zur Tür. Als er die Hand auf der Klinke hatte, blickte er sich noch einmal zu Gene um. „Wir sehen uns bald wieder.“ Diese Worte klangen fast wie eine Drohung. Er drückte nun endlich die Klinke durch, öffnete die Tür, trat hinaus auf den Gang und ließ sie hinter sich zufallen. Rotzbengel! , dachte sich Gene nur. Dieser Junge nahm sich einfach zuviel heraus. Wer dachte er eigentlich, wer er ist, dass er Gene so behandeln könne? Es schlauchte ihn merklich, dass Ocelot so herablassend zu ihm war. Versager…so etwas musste er sich von so einen kleinen Emporkömmling nicht bieten lassen. Sein Ruf als einer der besten Spione der Regierung eilte ihm zwar voraus, aber als Gott den Respekt verteilt hatte, war Ocelot anscheinend damit beschäftigt, sich bei der Schlange für Hochnäsigkeit vorzudrängeln. Beim nächsten Treffen würde er ganz andere Seiten ihm gegenüber aufziehen, da war Gene sich sicher. Obwohl er in Gedanken noch immer über Ocelot zeterte, verlagerte sich sein Interesse langsam zur Krankenschwester und er begann, sie zu beobachten. Sie war fleißig dabei, alles für seine Speisung vorzubereiten. Emsig wie eine Biene und mit kleinen Tippselschritten lief sie vom Bett zu dem einzigen Tisch im ganzen Zimmer. Eigentlich konnte man ihn kaum als Tisch bezeichnen, es war eher ein Brett, das an einem kleinen, auf Rollen verschiebbaren Gestell befestigt war. Sie stellte das Tablett dort ab und schob den Tisch zum Bett, und bald schwebte das Brett mit dem Essenstablett über Genes Hüften. Schnell machte sie sich daran, die Kopfseite des Bettes nach oben zu verstellen, damit Gene, nur um zu essen, nicht seine Kraft dafür verschwenden musste, sich aufrecht hinzusetzen, um überhaupt an die Teller zu kommen. Als sie damit fertig war, wandte sie sich dem Tablett und vor allem den Hauben auf den Tellern zu. Sie griff sich eine Haube und enthüllte somit die unter ihr befindliche Überraschung. Gene interessierte sich eigentlich nicht für das Essen. Er war jetzt ganz und gar mit der Beobachtung der Krankenschwester beschäftigt. Die enthüllte nach und nach die Geheimnisse seines Tabletts, schaut einmal kurz zu ihm und schenkte ihm eines dieser typischen Krankenschwesterlächeln. Er erwiderte es, aber bei weitem nicht mit soviel Elan, wie es ihm von ihr entgegengebracht wurde. Und in einem noch wichtigeren Faktor unterschieden sich ihres und sein Lächeln: Ehrlichkeit. In seinen Gedanken hatte er schon etwas anderes mit ihr vor. Sie machte sich währenddessen daran, die Gabel zu nehmen, die neben einem der vielen Teller lag, und auf einem ebendieser herumzustochern. Wollte sie ihn etwa füttern? Was für eine Unverschämtheit! Ich habe ja wohl noch genug Kraft, um alleine zu essen, dachte Gene wütend. Wie konnte sie es wagen, ihn damit nur noch mehr zu demütigen, als es Ocelot eh schon getan hatte… „Geben sie mir die Gabel und verschwinden sie! Ich bin dazu sehr wohl noch selbst in der Lage!“ Seine Stimme hallte wie ein Echo im Verstand der Krankenschwester wider. Schmetterte von allen Seiten auf ihren Verstand ein. Nahm langsam von ihr Besitz und steuerte ihr Verhalten. Ihre Augen verloren ihren Glanz, wurden stumpf. „Sì, Señor“, gab sie als einzige Worte von sich und reichte Gene die Gabel, die er ihr regelrecht aus der Hand riss. Sie verbeugte sich noch einmal. Drehte sich zur Tür. Öffnete sie und verließ schnellstmöglich das Krankenzimmer. Gene grinste triumphierend, als er die Tür hinter ihr zuschlagen hörte. Er hatte doch nichts von seinen Fähigkeiten eingebüßt, dieser Ocelot hatte vorhin einfach nur Glück gehabt. Das nächste Mal ist er dran! Mit diesem Gedanken auf den Lippen machte er sich daran, seine erste Mahlzeit nach drei langen Monaten des Schlafes zu sich zu nehmen. 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