Grief von Psychopath ================================================================================ Kapitel 2: 2 ------------ Mein erster Schultag begann damit, dass ich allein ins Sekretariat in meiner neuen Schule ging. Es war eigentlich eine neue Erfahrung für mich, denn vorher war ich auf einer reinen Jungenschule gewesen und jetzt liefen hier und da Mädchen herum und tratschten. Mein Klassenlehrer begrüßte mich und brachte mich in meine neue Klasse. Ein Haufen von neuen Gesichtern. Alle sahen mich gespannt an. „Das ist also der neue Schüler von dem ich euch erzählt habe. Ich hoffe, dass ihr ihn nett aufnehmt und ihm das Leben hier in der Klasse leicht macht. Ich denke, dass du dich selbst mal vorstellst.“, sagte der Lehrer. „Mein Name ist Toshimasa Hara und bin 17 Jahre alt.“, sagte ich. Was sollte ich sonst noch sagen? Dass ich Angst davor hatte, dass diese Klasse nicht viel anders war als meine alte? „Du kannst dich da hinten neben Kyo setzen. Ach ja, wieso sitzt du eigentlich da hinten? Du bist einer der Kleinsten! Du solltest dich nach vorne setzen.“, sagte der Lehrer zu einem kleinen blonden Jungen. „Ich will aber nicht immer vorne sitzen! Unser Erdkundelehrer hat eine feuchte Aussprache und da sitze ich genau in der Schusslinie. Darauf hab ich echt keinen Bock. Es reicht mir wirklich einmal pro Morgen zu duschen und wenn ich meinen Regenschirm aufspanne, dann sagt er immer, dass ich ihn zumachen soll, weil es schließlich nicht regnet und dann muss ich das ja machen, weil ich schon mal einen Verweis bekommen habe, nur weil ich einen Lehrer darauf aufmerksam gemacht habe, dass er gelbe Zähne hat.“ Kyo holte tief Luft, denn die ganze Beschwerde hatte er runtergerappelt ohne ein einziges Mal Luft zu holen. Ich musste grinsen. Er schien ein netter Kerl zu sein. Ich hoffte, dass ich mich nicht irrte. „Na schön, dann bleib da eben sitzen, aber beschwer dich nicht, wenn du nichts sehen kannst.“ “Dann schieb ich es auf meine nicht vorhandene Sehschwäche. Also Neuer: Setz dich. Ich beiße auch.“ Gesagt, getan. Ich setzte mich zu ihm und saß somit ganz hinten, was für mich kein Problem war, weil ich nicht besonders klein war. Die erste Stunde verbrachte ich damit, den Stundenplan aufzuschreiben und gesagt zu bekommen, was in dem Halbjahr anstand: Sporttag und Herbstball. In der Pause stand Kyo auf und machte ein paar Schritte nach vorne. Dann blieb er plötzlich stehen und drehte sich um. Er sah mich an und ich schaute kurz zurück. Aber dann sah ich doch lieber die Tischplatte an. „Ich will ins Schülercafé.“, sagte Kyo. Das war mir eigentlich ziemlich egal und ich fragte mich deshalb, wieso er mir das erzählte. Er würde also weggehen. Ich hatte schon befürchtet, dass ich meinen ersten Tag allein verbringen würde. „Willst du mit? Dann siehst du schon mal ein bisschen von der Schule. Den Rest siehst du so oder so nach ein paar Tagen. Außer natürlich, du willst hier rumsitzen und vor dich hingammeln… das ist natürlich auch eine sehr gute Beschäftigung. Aber tu mir nen Gefallen und denk schneller nach, weil ich noch einen Stuhl erwischen will.“ Ich sah ihn erstaunt an. Eben hatte ich noch gedacht, dass er mich allein lassen würde und dann bot er mir sogar an, ihm zu folgen. Natürlich stand ich auf und folgte ihm schweigend. Was sollte ich auch sagen? Im Schülercafé setzte sich Kyo an einen Tisch und ich setzte mich neben ihn. „Wen hast du denn da mitgebracht?“, fragte jemand. Ich hatte die ganze Zeit über den Tisch angesehen und sah kurz nach oben. Gegenüber von mir saß ein rothaariger Junge. Ein wirklich hübscher rothaariger Junge. Für mich war es nichts Neues, dass ich Interesse an Jungen hatte, schließlich hatte ich eine Menge Jahre nur mit Jungs verbracht. Aber mich wunderte trotzdem, wieso ich ihn so plötzlich interessant fand. Er hatte einen Satz gesagt und mich einmal angesehen und schon hoffte ich, dass er mich mögen würde. „Das ist der Neue. Ich hab seinen Vornamen vergessen. Aber Hara ist der Nachname.“, antwortete Kyo. „Aha. Und? Magst du mir sagen, wie dein Vorname ist, wenn Kyo schon zu blöd ist sich deinen Vornamen zu merken?“ Ich fühlte mich wie ein kleines Fangirlie und stotterte: „To..Tosh…Toshi…Toshimasa.“ Na toll. Ich dachte er würde mich für einen Idioten halten, der zu schüchtern war seinen eigenen Namen zu sagen. „Aha. Sind das drei oder ein Name?“, lachte er. Er lachte mich aus. Ein großer Dorn bohrte sich in mein Herz. Wie konnte ich mir denn auch einbilden, dass er mich vielleicht irgendwann mögen würde? „Jetzt hör aber auf!“, sagte Kyo. „Er ist doch so oder so neu, dann darfst du ihn nicht verarschen. Das war wirklich gemein. Also Die, entschuldige dich bei Toto.“ “Toto?“, fragte Die. „Ja… Ich kann mir seinen Namen doch so oder so niemals merken, also kürz ich ihn einfach ab. Ist das okay für dich?“ Kyo sah mich an. Ich nickte. „Und hör doch mal auf, ständig auf den Tisch zu gucken. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede, sonst hab ich das Gefühl, dass ich mit der Wand und mit dem Stuhl oder mit sonst was rede.“ Ich hob den Kopf ein bisschen und sah Kyo in die weißen Augen. Moment? Weiß? Erst jetzt merkte ich, dass er weiße Kontaktlinsen, eine auffällige Frisur und ausgefallene Klamotten trug. „Interessant“ war das erste Wort was mit einfiel. „Also? Darf ich dich Toto nennen?“ Ich nickte. “Rede!“ „Okay.“, sagte ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstand. Die grinste mich an. „Also? Darf ich dich auch Toto nennen? Ich find deinen Namen zwar ganz hübsch, aber ich bin ne faule Sau, also mach ich’s mir gerne leicht. Darf ich?“ „Klar.“ Ich sah ihn an. Dieses Mal länger als eine halbe Sekunde. Er hatte wirklich wunderschöne braune Augen und auch er war interessant gekleidet und seine Haare waren krass rot und hatten so einen Look, dass ich am liebsten durchwuscheln wollte. Seine Haare sahen so wunderbar puschig aus. „Und?“, fragte Die. „Auf was für einer Schule warst du vorher?“ “Auf einer Jungenschule.“ „Ah… stimmt es, dass jeder dritte schwul wird?“ Ich sah ihn erstaunt an und fing dann an zu lachen. Noch nie hatte mich jemand so etwas gefragt. Die Pause war viel zu kurz. 10 Minuten vergingen sehr schnell, wenn Die und Kyo ständig rumalberten und Witze machten. Ich war ihren Humor nicht gewohnt und lachte über alles, was sie sagten. Das schienen beide toll zu finden, denn sie versuchten die ganze Pause über mich zum Lachen zu bringen. Sie schnitten zum Teil sogar blöde Grimassen, wenn ich sowieso schon keine Luft bekam. Es klingelte und Kyo und ich machten uns auf den Weg in die Klasse. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. „Du lachst gerne oder?“, fragte Kyo. „Ich kam im letzten Jahr nicht wirklich zum Lachen.“ “Wieso?“ “Ist doch egal.“ “Nein ist es nicht. Wenn man ein ganzes Jahr über nicht lachen kann, dann muss es was Ernstes sein.“ “Dann möchte ich vielleicht nicht darüber reden.“ Wir erreichten unseren Klassenraum und ich setzte mich auf meinen Platz. „Schade. Aber du musst eins wissen: Wenn du mal mit jemandem reden willst, dann kannst du ruhig zu mir kommen.“ Ich war erstaunt, dass Kyo sich anscheinend so sehr für mich interessierte… oder eher für meine Probleme. Er war eine der Personen, die ich nie verstand. Schon nach ein paar Wochen saßen wir draußen auf dem Schulhof und er fragte mich ob ich einen besten Freund hätte. Wahrheitsgemäß antwortete ich mit „Nein.“ Dann grinste er mich an. „Hast du einen?“, fragte ich. „Nein.“, war seine Antwort. „Aber wenn ich mir einen aussuchen dürfte, dann wärst du’s.“ Er grinste mich immer noch an. Und ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte. Ich hatte nie einen guten Freund auf der alten Schule gehabt und dann wechsle ich die Schule und habe gleich einen besten Freund. Am liebsten hätte ich angefangen zu heulen, aber das wollte ich nicht. „Also? Willst du mein bester Freund sein?“, fragte Kyo. „Na klar.“ Ich lächelte ihn an. Auf dieser Schule fühlte ich mich wesentlich wohler. Niemand hatte mich blöd angelabert oder sonst etwas Schlimmes mit mir gemacht. Beim Sport war ich einer der Ersten, die gewählt wurden und auch sonst bei irgendwelchen Gruppenarbeiten fand ich schnell eine Gruppe. Ich hatte meine alte Klasse verdrängt. Ich hatte beschlossen meine Vergangenheit irgendwo in meinen Hinterkopf zu verbannen und mich nur auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. „Du solltest öfter lächeln und lachen. Am Anfang hab ich echt gedacht, dass du ein komischer Typ bist. Aber du hast mich positiv überrascht. Eigentlich hätte ich anfangs noch nicht mal damit gerechnet, dass wir überhaupt soooo gute Freunde werden würden. Aber du bist voll okay. Ich mag dich. Und ich denke, dass Die dich auch mag. Wir drei sind ja gar nicht mehr zu trennen.“, sagte Kyo und lachte. Vermutlich war ihm nicht einmal klar, wie wichtig es für mich war, dass er so etwas gesagt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)