Total verrückt von Rolly ================================================================================ Kapitel 1: Das Mädchen ist verliebt ----------------------------------- Autor: Rolly E-Mail: viktoria.wiebe@web.de / hush-hush@gmx.com Teil: 1/1 Abgeschlossen: jap ^^ Disclaimer: Alles meins *harhar* (außer der Liedtext am Anfang v.v) Kommentar: Ja, ich hab mich mal an einer eigenen Story versucht und tatsächlich was zustande gebracht... ob es gut ist, sei mal dahingestellt xD Ich weiß, dass hierzu nicht viel kommen wird, weil Originale nun mal nicht wirklich oft gelesen werden, was ich ziemlich schade finde, aber ich wollte der Story hier mal eine Chance geben ^^" Vielleicht bekomme ich ja doch Feedback mit Verbesserungsvorschlägen *_* *hoff* *** ~Der Junge ist verliebt Den hats bös’ getroffen Und wenn einer so schielt Wenn er küsst Bleibt keine Frage offen~ (Der Junge ist verliebt - Pohlmann) Ich habe nie richtig begriffen, was er eigentlich an mir findet. Wirklich. Ich finde es sogar ziemlich seltsam, dass er sich für mich interessiert. Normalerweise schenken mir alle Leute nur einen kurzen Blick und ignorieren mich dann wieder. Darüber bin ich sogar ziemlich froh, denn ich bin recht schnell angepisst und würde alle nur hasserfüllt anstarren und alles und jeden dumm anmachen. Ich erinnere mich an ein Ereignis, das gar nicht mal so lange her ist. Um genau zu sein, es war gestern. Da sah mich eine ältere Frau etwas zu lange mit diesem 'Was-ist-das-denn-für-ein-Outfit'-Blick an, dass ich ziemlich sauer wurde und als mich auch noch ein Typ ausversehen anrempelte, war ich auf hundertachzig und habe ihn erst einmal zur Schnecke gemacht. Das hat dem Ladenbesitzer offensichtlich nicht gefallen, also hat er mich kurzerhand einfach rausgeschmissen. Der Typ, den ich fertig gemacht habe, sah ziemlich erleichtert aus. Tja, das wäre ich auch gewesen. Tja, so kann das gehen, so bin ich nun mal. Aber warum er sich für mich interessiert, das will mir einfach nicht in den Sinn. Na ja, normalerweise fällt mir nichts in den Sinn, ich bin eben denkfaul, aber wenn ich mich anstrenge, dann fällt mir alles ein! Nur eben diese eine Sache nicht. Was kann man denn an so jemandem wie mir finden? Das einzige, das ich kann, ist sich prügeln, Scheiße bauen, Unterricht schwänzen ohne ein schlechtes Gewissen zu kriegen, ab und zu mal einen dämlichen Spruch ablassen, dekorativ in der Ecke stehen und sich Ärger einhandeln. Ach ja, nicht zu vergessen, dass ich perfekt Taschentücher anzünden kann. Das ist mir nämlich schon mindestens zehn Mal in den letzten zwei Wochen passiert, wenn auch unabsichtlich. Sprechen bekomme ich auch noch gerade so hin. Mit Sprechen meine ich so richtiges, zivilisiertes Sprechen, nicht die Ghetto-Sprache, die die meisten von uns anwenden, auch bekannt unter "Umgangssprache". Er hingegen könnte alles, nein, er kann alles. Er ist der Streber schlechthin, jedoch keinesfalls uncool oder ein Schleimer. Er braucht ja noch nicht einmal für seine Leistungen zu lernen! Die kommen bei ihm von ganz alleine. Er hat viele Freunde. Gute Freunde, nicht nur irgendeine Clique, die sich etwas mehr als flüchtig kennt - so wie bei mir. Er sieht gut aus - nicht, dass ich das nicht tun würde, aber als Top-Model würde ich mich nicht bezeichnen. Er kriegt sich nie mit jemandem in die Haare (außer mit mir) und ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Alle Mädchen schmachten ihm hinterher und beladen ihn jeden Tag mit einem Berg aus Schokolade. Er könnte wirklich jede haben, jede. Aber komischerweise, gegen alle Gesetze der Natur und völlig unerwartet, hat er sich für mich entschieden. Man könnte meinen, er sei irre geworden, vollkommen durchgeknallt, aber er beteuert immer wieder, dass er weder in die Irrenanstalt muss, noch dass ihn ein Marsmännchen entführt hatte und nun an seiner Stelle auf Erden wandelt. Eigentlich sollte er mir vollkommen am Arsch vorbeigehen, eigentlich sollte mich das alles nicht interessieren. Ich sollte ihn damit aufziehen, so wie ich ihn immer mit etwas Peinlichem aufziehe. Aber leider - leider - ist es nicht so. Er geht mir nicht am Arsch vorbei und ist mir nicht egal und ich ziehe ihn nicht auf. Und jetzt stehe ich in dieser verdammten Küche und versuche, einen Kuchen zu backen. Für ihn. Weil er in zwei Tagen Geburtstag hat. Warum mache ich mir eigentlich die Mühe und kaufe ihm nicht einfach einen im Supermarkt? Genau, weil ich ganz zufällig herausgefunden habe, dass er selbstgebackene Kuchen liebt. Und selbstgebackene Kuchen schmecken besser, als diese seltsamen, hässlichen Fertigkuchen zum sofort Essen, richtig? Richtig. Und deshalb starre ich auf das vor mir liegende Kochbuch meiner Mutter und versuche nicht nur ihre Schrift, sondern auch diese Sprache zu entziffern. Sonst kann ich den Kuchen ja nicht backen. Verdammt soll meine Mutter sein! Warum, um alles in der Welt, ist sie so ein Sprachgenie und schreibt in allen nur erdenklichen Sprachen - nur nicht in ihrer eigenen Muttersprache?! Ich seufze und beschließe, erst einmal herauszufinden, was das überhaupt für eine Sprache ist. Schade, dass ich andere Sprachen noch nie auch nur gehört habe, außer Englisch, Lateinisch und etwas Französisch. Jetzt wünsche ich mir, ich hätte wenigstens Französisch dazugewählt. Aber das da vor mir kann unmöglich Französisch sein. Die Buchstaben waren ganz anders. Ist das vielleicht Griechisch? Nach einem weiteren Seufzen nehme ich das Rezeptbuch und gehe damit rüber zum Computer. Gut, dass es Internet gibt. Also kann ich munter alle Sprachen dieser verdammten, viel zu großen Welt durchchecken. Wie viele Sprachen gibt es eigentlich? Hundert? Tausend? Hunderttausend? Millionen davon? Viel zu viele! Das muss ich auch feststellen, als ich die verdammte Liste bei Wikipedia durchgehe. Ich scrolle und scrolle und scrolle und scrolle immer noch. Wie lang kann so eine Seite eigentlich sein? Warum können nicht alle Menschen einfach eine Sprache lernen, dann könnte man sich überall und zu jeder Zeit verständigen! Wozu solche Hieroglyphen wie Arabisch oder Chinesisch? Das ABC ist doch viel einfacher. Einfach 26 oder dreißig Zeichen insgesamt (je nachdem, ob Englisch oder Deutsch), wozu irgendetwas mit 5000? Ah! Da! Da ist es! Die gleichen Zeichen! Okay, fast die gleichen, die im Rezeptbuch meiner Mutter sind geschwungener und sehen irgendwie seltsam aus. Erinnern mich an das, was ich mit drei Jahren mal gekritzelt habe. ... Russisch. Russisch? Warum kommt die Sprache erst so weit unten? Ich sehe nach und muss feststellen, dass die verdammten Sprachen nach Alphabet geordnet sind. Super. Hätte mir das nicht jemand früher sagen können? Ich hasse Wikipedia. Aber, Russisch? Meine Mutter kann Russisch? Ich sollte vielleicht mal mehr über die Arbeit meiner Mutter in Erfahrung bringen. Wäre ganz nützlich das nächste Mal. Egal, ich hatte ja, was ich brauchte - na ja, fast. Was zum Kuckuck soll das heißen? Außer den paar Buchstaben, die es im ABC auch gibt, verstehe ich nichts, aber auch rein gar nichts, was da steht! In den PC tippen kann ich die Buchstaben auch nicht, um sie mit einem Onlineübersetzer zu übersetzen. Wo soll ich auch so plötzlich russische Buchstaben herbekommen, ich kann sie schließlich nicht aus dem Arsch ziehen! Verdammt sollte er sein, dafür, dass er selbst gemachten Kuchen so mag! Verdammt sollte ich sein, dafür, dass ich mir überhaupt die Mühe mache! Verdammt soll dieser dämliche Computer sein, dafür, dass da keine russischen Buchstaben existieren! VERDAMMT! Okay, ganz ruhig. Habe ich nicht eine Freundin, die Russisch kann? Hey, stimmt! Die kleine blonde, die immer so lustig drauf ist. Ja, ich glaube, Natalie ist genau die richtige. Sie hat doch sogar mal erwähnt, dass ihr Name eigentlich Natalia ist, aber die Deutschen hätten einfach zu wenig Grips, es auch so zu belassen, also wurde Natalie draus. Gut, sie ist meine einzige Option für den Moment, aber irgendwie will ich sie nicht anrufen. Jedenfalls nicht wegen so was! Schließlich muss ich mich dann rechtfertigen. Und was soll ich ihr dann sagen? 'Der beliebteste Typ der Schule hat mich zum Geburtstag eingeladen und ich habe rein zufällig herausgefunden, dass er selbstgebackene Kuchen mag. Leider ist das Rezept hier aber auf Russisch. Aber eigentlich geht er mir am Arsch vorbei' oder was? Das kauft sie mir nie ab! Auch wenn ich bauchtanzend auf einer Tischtennisplatte 'Sex Bomb' singe! Somit scheint meine einzige Option ziemlich schlecht zu sein, um es noch freundlich auszudrücken. Hey, aber vielleicht glaubt sie mir ja, wenn ich ihr erzähle, dass der Kuchen für einen Verwandten ist, weil der bald Geburtstag hat? Und selbst wenn nicht, es ist ja meine Sache, wem ich einen Kuchen backen will! Also, nichts wie zum Hörer greifen und anrufen... wenn ich ihre Nummer finde. Sie müsste doch auch so etwas wie ein Handy besitzen, oder? Und wenn, dann müsste ich ihre Handynummer haben, weil wir die ja alle ausgetauscht hatten. Also greife ich nach meinem Handy, das ich in der Hosentasche habe, und suche ihren Namen. Martin... Hey, den gibt's auch noch? Dem sollte ich mal eine SMS schicken, vielleicht erinnert er sich noch an mich... oder auch nicht, es ist schließlich schon ein Jahr her, seit ich ihm meine Nummer gegeben habe und weder ich noch er haben sich ein einziges Mal gemeldet... Monika... uninteressant, die dumme Tuse hat auf keine einzige SMS geantwortet, die wird nachher gelöscht! Mal weitersehen... ah, da! Natalie! Am besten, ich rufe sie sofort an, bevor mich der Mut wieder verlässt. "Ja?", meldet sich ihre süße, helle Stimme zu Wort. Ich muss schmunzeln, weiß ich doch genau, warum sie gerade jetzt so glücklich klingt. Eigentlich ist sie ja immer glücklich, aber auf andere Art und Weise, als wenn sie bei ihrem Freund ist - oder der bei ihr. "Hey, Natalie! Ich bin's, Kathy", melde ich mich und suche nach passenden Worten. Ich kann sie doch jetzt unmöglich hier hinbestellen, wenn sie doch gerade mit ihrem Freund zusammen ist! "Hi, was gibt's? Ist irgendwas passiert?", fragt sie mich besorgt, als ich nach einigen Sekunden immer noch nichts gesagt habe. "Nein, nein... sorry, ich wollte dich nicht stören. Vielleicht kann ich dich ja spä-" Eigentlich will ich noch weiter sprechen, aber Natalie hat da so eine Art Magie an sich, die sie immer zu Wort kommen lässt, wann immer sie es will - und das nutzt sie schamlos aus! "Ich komme sofort zu dir, warte auf mich", sagt sie und legt auf. Klasse. Jetzt habe ich es auch noch geschafft, Natalie von ihrem eigentlichen Plan (ihrem Freund) abzubringen. Ich fühle mich gerade ziemlich dämlich, als hätte ich ein riesiges Leck in meinem Hirn, aus dem mein ganzes Wissen ausläuft. Natalie verabredet sich an diesem Tag doch IMMER mit ihrem Freund! Der arme Daniel. Wie wird er sich jetzt wohl fühlen? Hoffentlich nicht wie bestellt und nicht abgeholt! Oder wie ein Welpe, der von seinem Herrchen allein gelassen wird! Hoffentlich trennen sich die beiden nicht wegen mir! Ähm, okay, ich glaube, so weit wird es nicht kommen. Also, bloß nicht hyperventilieren. Seufzend lege ich mein Handy auf den Küchentisch. Vielleicht hätte ich einfach nur meine Mutter anrufen sollen. Dann hätte ich Natalie nicht belästigen müssen, dann wäre sie jetzt immer noch bei Daniel, meine Mutter hätte mich damit aufgezogen, dass ich einen Kuchen backen will - und das auch noch für einen Typen - und Natalie und Daniel hätten sicher etwas Unanständiges getan... Okay, Kathy, nicht daran denken! Vielleicht ist es auch ganz gut, dass ich die beiden unterbrochen habe. Bei was auch immer sie gerade getan haben. Nach weiteren fünf Minuten, in denen ich versucht habe, mir auszureden, an Natalie und Daniel zu denken, klingelt es. Wie von der Tarantel gestochen springe ich vom Küchenstuhl, auf den ich mich gesetzt habe, als mir das Stehen auf den nicht vorhandenen Sack ging, und - wie sollte es anders sein - stoße mit meinem Schienbein gegen das verdammte Stuhlbein. Laut fluchend humpele ich zur Tür und öffne sie. "Hi", begrüße ich Natalie durch zusammengepresste Zähne. Natalie schaut mich skeptisch an. "Was hast du wieder angestellt? Und seit wann trägst du SO was?", fragt sie mich und deutet auf meine mit großer Anstrengung umgebundene Snoopy-Schürze. "Ähm... Seit ich Kuchen backen will?" Ich weiß ja auch nicht, wieso bei mir immer alles schief läuft, wie ich es immer wieder schaffe, wichtige Sachen zu vergessen oder andere Leute zu belästigen. Das einzige, das ich weiß ist, dass Natalie hier ist. Und Natalie kann mir helfen, jawohl! "Also, du hast mich angerufen, weil du einen Kuchen backen willst", stellt Natalie belustigt fest. "Und ich dachte schon, es wäre was ernstes und hätte mit Nico zu tun!" Haha, ich lache mich tot. Warum glauben immer alle sofort, dass wenn ich Probleme habe, diese mit Nico zusammenhängen? Und warum haben sie dann immer Recht?! Das ist unfair! Bin ich so durchschaubar? "Hab ich ins Schwarze getroffen? Es hat also mit Nico zu tun?" Natalie grinst mich an. Ich würde sie jetzt gerne totkitzeln. "Es hat mit Nico zu tun, okay? Aber bitte, bitte, sag Nichts dazu, ja? Ich brauche nur ganz kurz deine Hilfe! Dann kannst du auch wieder zu Daniel oder so, aber bitte, hilf mir!", flehe ich verzweifelt und sehe Natalie abwartend an, obwohl ich doch eigentlich genau weiß, dass sie mir auf jeden Fall helfen wird. Gerade sie. Ich sollte in der Hölle schmoren. Verdammt sollte ICH sein! Wo ist denn mein Stolz, meine Würde hin? Haben die etwa die weiße Fahne geschwenkt und haben sich demütig ergeben? Natalies Lächeln verlässt ihr Gesicht. Sie sieht mich plötzlich todernst an. "Hat es doch nicht mit dem Kuchen zu tun? Was ist passiert?" Du machst mir Angst, das ist passiert. Hey, ich habe nie gesagt, dass irgendwas Ernstes passiert ist! "Ähm, doch, es hat mit dem Kuchen zu tun. Du kannst doch Russisch..., oder?" Dumme Frage, natürlich kann sie Russisch. Ich könnte mir glatt gegen die Stirn hauen, aber das unterlasse ich lieber, bevor das Leck, in dem mein ganzes Wissen sowieso schon verschwindet, noch größer wird und bald sogar noch mein logisches Denken verschlingt. Außer, es hat mein logisches Denken schon verschlungen. Dann ist mir gar nicht mehr zu helfen. "Ja, kann ich", antwortet Natalie und atmet erleichtert aus. Dann sieht sie mich jedoch misstrauisch an, nach dem Motto 'Bist du jetzt verrückt geworden? Muss ich in Deckung gehen?'. "Ähm, komm am besten erst einmal rein. Wir gehen gleich in die Küche", schlage ich nervös vor und gehe voran. "Du bist heute wirklich seltsam. Na gut, eigentlich bist du das immer. Das größte Mysterium seit mindestens sechzehn Jahren", meint Natalie und schließt die Tür hinter sich, bevor sie mir folgt. "Was soll das heißen? Hey, ich bin genauso normal wie ihr alle!", widerspreche ich und bleibe vor dem Küchentisch stehen. Mit verschränkten Armen drehe ich mich zu Natalie um. Ich bin normal, wirklich! Okay, vielleicht bin ich manchmal etwas seltsam, aber nut ganz selten! "In etwa so normal wie Sabrina, meinst du", sagt Natalie und grinst. "Ihr beide würdet die Forscher sicher Jahrelang, nein Jahrzehnte lang beschäftigen. Man könnte ganze Bücher über euch schreiben und würde euch dann trotzdem nicht verstehen", erklärte Natalie grinsend. Immer dieses Dauergrinsen! Wie macht sie das? Kein Mensch kann so lange grinsen wie Natalie! Die grinst ja ohne Pause, vierundzwanzig Stunden lang, rund um die Uhr! Außerdem irritiert mich das. Und Sabrina und ich sind nicht so undurchschaubar, wie sie meint. Jedenfalls weiß Natalie immer, was mit uns los ist. Und wenn wir so undurchschaubar wären, würde doch niemand wissen, dass meine Probleme mit Nico zu tun haben. "Also, wobei brauchst du Hilfe?", fragt mich Natalie, bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann. Ich seufze und halte ihr das Buch vor die Nase. Ihr Gesicht hellt sich auf, als sie die Buchstaben sieht. So, als sei ihr gerade ein Licht aufgegangen. Man kann mit viel Fantasie sogar die Glühbirne über ihrem Kopf sehen - oder sie sich zumindest einbilden. "Ach, Kathy! Darum ging es! Und ich mache mir auch noch Sorgen...", sagt sie kopfschüttelnd. Hey, sie hat sich Sorgen zu machen! Immerhin steht hier mein Geburtstagsgeschenk auf dem Spiel! "Also, ich übersetze es dir, okay?", meint Natalie und überfliegt schnell alles. "Hast du einen Zettel und einen Stift?" Ich nicke erleichtert und gehe zur Komode im Flur. Dort angel ich mir einen schwarzen Kulli aus der Schublade und bringe ihn zurück in die Küche. Wenigstens fragt Natalie nicht weiter nach. Oder weiß sie etwa schon, um was es sich hier handelt? Vielleicht hätte ich ihr wirklich nichts von Niko erzählen sollen. Natalie setzt sich sofort an die Arbeit, als ich ihr den Stift gebe, und beginnt zu schreiben. Manchmal wunder ich mich, wie gut sie russisch eigentlich noch kann. Ich meine, die meisten vergessen doch schnell etwas und haben später Probleme mit der Sprache, weil sie doch wirklich schwer ist, oder? "Das ist für Niko, nicht wahr?", fragt Natalie plötzlich, ohne jede Vorwarnung und ich wäre aus den Latschen gekippt, hätte ich welche an gehabt. In meinem Kopf rattert es, bis ich schließlich wieder alle Hirnzellen eingesammelt habe, die abhanden gekommen sind, und wieder klar denken kann. So etwas ohne Vorwarnung zu sagen ist auch eine Frechheit! Okay, sie hat gewusst, dass es für Niko ist. Verdammt! Was soll ich tun? Was soll ich ihr sagen? ARGH! Ich bin doch nur ein kleines, dummes Mädchen, mit schwarzem Loch im Gehirn! "Ähm, äh... weißt du... ja..." Na toll. So viel dazu, ihr eine tolle Lüge aufzutischen. Gibt's hier irgendwo einen 'Wie-lüge-ich-richtig-Kurs? "Das wird ihm gefallen! Er liebt diesen Kuchen. Sag mal, war das Zufall oder wusstest du das?", will Natalie wissen. Immer muss sie so neugierig sein und Fragen stellen! Ich hasse Fragen, jawohl! Fragen sollten verboten werden. "Ja, das war Zufall - denk' ich", antworte ich stattdessen. Warum kann ich zur Abwechslung nicht mal das sagen, was ich denke? Gut, es gibt jetzt wichtigeres, zum Beispiel, woher Natalie weiß, dass Niko diesen Kuchen - was auch immer das für einer ist - mag. "Woher weißt du, dass er diesen Kuchen mag?" Mist, das klingt jetzt so, als hätte ich ein Problem damit, dass sie mehr über Niko weiß, als ich. Aber das stimmt nicht! Es mag sein, dass er mir nicht egal ist, aber eifersüchtig auf jemanden, der schon einen Freund hat, bin ich bestimmt nicht! So weit kommt’s noch! Und als nächstes laufe ich in Pink durch die Stadt. "Daniel", erinnert Natalie mich. Daniel... Daniel... Daniel? Daniel! Stimmt! Der ist ja der beste Kumpel von Niko! Hab' ich ja total vergessen! Daniel ist eigentlich ganz okay, nur macht er nie bei dem Mist mit, den wir aushecken. Ist auch verständlich, bei den strengen Eltern, die er hat. Ich bin ziemlich erstaunt gewesen, dass er überhaupt eine Freundin haben darf. Eigentlich hab' ich erwartet, seine Eltern seien auf dem 'Führerschein-erst-mit-zwanzig-und-Freundin-erst-mit-dreißig-Trip'. Na ja, jedenfalls hat es uns alle gefreut, als Natalie ihn uns auf dem Präsentierteller serviert hat (ergo: sie hat ihn zu uns gezerrt und gleich vorgestellt). Nur zu gut, dass unsere Clique sehr tolerant ist. So manch einer würde den Typen als Müttersöhnchen bezeichnen und ihm den Rücken kehren, dabei ist er gar kein Muttersöhnchen. Er ist sogar sehr - sehr - selbstständig. Ich meine, welches Kind weiß von sich selbst aus immer ganz genau, was gut für es ist? Er kann immer einkalkulieren, wann und was er zu tun hat und ob es sich später negativ oder positiv auswirkt. Er hat uns ja sogar mal vor unserem Hausmeister gerettet. Weil er unsere Schule und die tausend Gänge in und auswendig kennt. Wahrscheinlich hat Daniel Niko auf mich aufmerksam gemacht. Bei aller Sympathie, damit ist er zu weit gegangen! Denn jetzt habe ich den Salat! Niko kann sich doch selbst ein Mädchen aussuchen, wenn die kreischenden Girlies ihm sowieso reihenweise zu Füßen liegen. Schade, dass ich nicht mehr sagen kann, dass es mir am Arsch vorbei geht. Wäre zu schön gewesen. "Ich bin fertig", lächelt Natalie und gibt mir den Zettel. Zurück zu meinem Kuchenproblem. Ich sehe drauf und entdecke - oh Wunder - richtige deutsche Buchstaben! Okay, lateinische, wenn man's genau nimmt, aber wir sehen das ja alle nicht so eng. Egal, nix fremdländisch, nix Hieroglyphen, nix russisch. Deutsch! 3 Eier | 3 яйца 1 Tasse Zucker | 1 чашку сахара 1 Tasse Mehl | 1 чашку муки 1 runde, kleine Backform | 1 круглую, маленькую форму для кекса | - bei 180°/200° im Backofen backen | - при 180 °/200 ° в духовке выпекают - nach ca. 30 Minuten rausholen | - через примерно 30 минут вынимать "Hat dieser Kuchen auch einen Namen?", frage ich skeptisch. So etwas hatte doch immer einen Namen, der meist dämlich klingt, oder? Wenn ich mal im Supermarkt bin, dann lese ich überall nur solche dummen Namen. Brigitte, Anna-Theresa oder Käthe. Ja, Käääääääääthe. Hört sich an wie Käse. Schöner Name. Wo kann ich gleich meinen Sarkasmus wegwerfen? "Es müsste ein Charlotte-Kuchen sein", überlegt Natalie. Ich sehe den Zettel entgeistert an. Charlotte. Igitt. Warum Charlotte? WARUM? Dieses Miststück von Charlotte Webers, das sich immer an Niko ranschmeißt, dass es fast schon zu eindeutig ist, dass sie was von ihm will! Ich hasse dieses Weibsstück! Sie lauert Niko überall auf und nervt ihn mit ihren tollen Storys, die eh niemanden interessieren! Selbst Niko kann sich nirgendwo mehr verstecken, denn leider kennt Charlotte sich ebenso gut in der Schule aus wie Daniel. Also, warum mag er ausgerechnet diesen Kuchen? "Ich weiß, was du jetzt denkst", sagt Natalie und grinst mich an. Was gibt's da zu grinsen? Entweder weiß sie es, weil sie gemerkt hat, wie schlecht ich Charlotte immer behandle, oder sie sieht es daran, dass ich den Zettel gerade lynche. Vielleicht sollte ich aufhören, immerhin brauche ich den Zettel noch. Glänzende Idee! "Hör mal, er mag Charlotte nicht, keine Sorge. Es ist nur Zufall, dass gerade dieser Kuchen so lecker schmeckt und so einen Namen hat" Ja, Natalie, der Kuchen schmeckt super lecker und Charlotte auch, ne? "Hör mal, Kathy... Niko will wirklich nichts von Charlotte. Ich meine ja nur, er versteckt sich andauernd vor ihr. Und bei wem? Richtig! Bei dir! Weil Charlotte sich nicht traut, zu dir zu kommen, du weißt schon, warum. Du brauchst doch nicht eifersüchtig sein", versucht sie mich zu beruhigen. Und tatsächlich - es klappt! Allerdings nur wegen ihrem letzten Satz... und der Tatsache, dass ich Charlotte mal voll eine gescheuert habe. Man, DAS war ein Erlebnis! Aber, eifersüchtig? Auf so jemanden wie Charlotte? Nie und nimmer! "Hey, wie wär's, wenn wir den Kuchen zusammen machen?", schlägt Natalie auch gleich enthusiastisch vor. Das hat was. Das könnte von Vorteil sein, ich habe schließlich noch nie gebacken. "Ja, wieso nicht?", stimme ich zu und wir fangen auch gleich an. Okay, wir fangen an, die Utensilien zu suchen. Wo war noch die Backform? Habe ich überhaupt irgendwann schon mal gewusst, wo die war? "Ich habe das Mehl, den Zucker und die Eier", informiert mich Natalie. Ja, sie findet immer alles, was sie braucht. Ich leider nicht. "Ich weiß nicht, wo die Backform ist", gebe ich wütend zu und blicke ein Regal, das mir gerade auf Augenhöhe ist, giftig an. Das gibt's nicht! Ich glaube langsam, selbst ein Einbrecher würde sich in unserem Haus besser zurechtfinden als ich. Vielleicht lege ich mir mal einen Hausplan an, damit ich mich nicht noch verlaufe. "Hier", meint Natalie und hält die Backform triumphierend in die Höhe. "Natalie, bist du sicher, dass ich hier wohne? Habe ich mich irgendwie in der Tür geirrt, als ich nach Hause gegangen bin?" Das würde vielleicht auch das russische Rezept erklären. Leider aber nicht die Tatsache, dass ich schon auf meinem Zimmer war und dort alles so war, wie ich es zurückgelassen habe. "Ganz sicher sogar", Natalie verdreht die Augen, "und jetzt fangen wir einfach an, okay?" Ohne meine Antwort abzuwarten, schnappt sie sich eine Schüssel und schlägt die Eier auf. "Hey, Kathy, du könntest schon mal das Mehl und den Zucker vorbereiten. Und den Backofen vorheizen" Das ist ja überhaupt nicht viel, nein. Grummelnd befolge ich ihren Anweisungen. Aber nur dieses eine Mal, weil ich einfach keinen Plan vom Kuchenbacken habe. Wie war das noch? Auf hundertachzig oder zweihundert Grad? Hm, nehmen wir mal zweihundert! Je mehr, desto schneller geht's. Backform habe ich, jetzt Mehl und Zucker. Wirklich schwere Aufgabe. "Hast du hier irgendwo einen Schneebesen?", fragt mich Natalie, die die Eier bereits perfekt pulverisiert hat. "Ja, Moment", sage ich, schütte den Rest Zucker in eine Tasse und flitze schnell zur Schublade unter der Spüle. Immerhin weiß ich, wo sich dieses dumme Ding namens Schneebesen versteckt! Wenigstens etwas. Ich krame den Schneebesen heraus und trete wieder zu Natalie und den Matsch-Eiern. Und so etwas soll später Nikos Kuchen werden? "Okay, damit du auch mal etwas tust, kannst du das ganze ja mit dem Schneebesen rühren", fordert Natalie und kippt das Mehl und den Zucker in die Schüssel. Damit ich auch mal etwas tue? Soll das heißen, ich hätte nichts gemacht? Und was ist mit dem Backofen und mit dem Zucker und mit dem Mehl? Und WER hat den Schneebesen geholt? Boah! Und jetzt soll ICH auch noch rühren? Aber wenn ich das mache, dann kann doch nur der größte Mist, den die Welt je gesehen hat, dabei herauskommen. So etwas kann Natalie doch nicht verantworten! ... Kann sie doch. Sie schiebt mich lächelnd vor die Schüssel und drückt mir den Schneebesen in die Hand. Ähm, was genau soll ich jetzt tun? Natalie scheint wohl das riesige Fragezeichen, das quer über mein Gesicht geschrieben ist, bemerkt zu haben, denn sie verdreht wieder einmal die Augen. Tut sie oft, wenn ich anwesend bin. "Pass auf, das geht so" Selbstsicher schnappt sie sich die Schüssel und den Schneebesen und fängt kräftig an zu rühren. Dann stoppt sie wieder und sieht mich an. "Jetzt du" Ich seufze. Na schön, was sein muss, muss sein, nicht wahr? Vielleicht sollte ich mir einfach eine Scheibe Selbstbewusstsein von Natalie abschneiden? Nötig hätte ich es. Vorsichtig erfasse ich die Schüssel, stelle sie vor mich auf den Tisch und nehme Natalie den Schneebesen aus der Hand. Einen Moment lang sehe ich die zermatschten Zutaten in der Schüssel herausfordernd an. "Tse, euch zeig ich's!", sage ich siegessicher und fange an. Gar nicht so einfach, zu rühren. Nach einiger Zeit tut ja der Arm weh. Scheiß Zutaten! Aber deswegen gebe ich nicht auf! "Kathy, nicht so hart, gleich läuft alles über", korrigiert mich Natalie, wofür ich ziemlich dankbar bin. Wenn der heiligen Küche meiner Mutter etwas passiert wäre, wäre ich die längste Zeit lebendig gewesen. "Das reicht, du brauchst den armen Teig nicht mehr zu massakrieren", meint Natalie skeptisch und ich könnte ihr um den Hals fallen - nachdem ich ihn ihr umgedreht habe, weil sie mich dazu gezwungen hat, diese hartnäckigen Zutaten zu verrühren. "So, und jetzt gießt du das in die Backform", sagt Natalie und stellt die Backform vor meine Nase. Da rein? Wirklich da rein? Ist das überhaupt genug Teig? Hat Natalie was mit der Optik? Achselzuckend gieße ich die seltsame Brühe, die keineswegs in irgendeiner Weise appetitlich aussieht, in die Backform und siehe da - es passt nicht! Viel zu wenig! "Das ist doch viel zu wenig!" Natalie verdreht schon wieder die Augen. Hey, was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? "Das ist richtig so, Kathy. Der Kuchen geht noch auf" Oh, der Kuchen geht auf. So wie eine Blume, ja? Der öffnet sich und zum Vorschein kommen ganz viele bunte Farben. Woher sollte ich denn das wissen? Ich glaube, ich weiß jetzt, warum ich nie Kuchen gebacken habe. Viel zu hinterhältig, die Dinger. "Los doch, die Backform in den Ofen, Kathy", drängt Natalie ungeduldig. "Hey, wer macht hier für wen einen Kuchen? Warum bist du so hibbelig?", frage ich misstrauisch. Natalie sieht mich empört an. "Dir ist schon klar, dass wir auch alle eingeladen sind und sehen werden, was du ihm schenkst?" Ich blinzle. Und blinzle noch einmal. Und noch einmal. HEILIGE SCHEIßE, MUTTER MARIA, WAS TUST DU MIR DA AN? Verdammtverdammtverdammtverdammtverdammt! "Warum?", bringe ich verzweifelt heraus und sehe Natalie mitleidserregend an. "Weil", sie macht eine kurze Pause, die zwar total unnütz ist, mir die Situation aber verschlimmert, "ich mit Daniel zusammen bin, Sabrina mit Niko befreundet ist, Anna sogar seine Schwester ist und Sophie mit einem von Nikos besten Freunden verwandt ist. Tja, und in dich hat er sich verliebt, also wirst du natürlich auch eingeladen. Und was wäre eine Party ohne uns Mädels?" Nix gut. GAR nix gut! Überhaupt nix gut! Das ist doch totaler Mist! Wie soll ich denn irgendwas zu Niko sagen, wenn da eine Meute von hinterhältigen Freundinnen ist, die alles beobachtet? "Ich werde elendig zu Grunde gehen, ich werde kein Wort rausbekommen, ich werde in einer dreckigen, verstaubten Ecke vergammeln, ich werde-" "Hör auf mit deinen Selbstmitleidstriaden, Kathy. Was ist denn so schlimm daran?", unterbricht mich Natalie sauer. 'Selbstmitleidstriaden'? Von wegen! Ich ertränke mich doch nicht in Selbstmitleid. ... Okay, vielleicht doch. "Einfach... alles! Ich kann ihm doch nicht einfach diesen Kuchen geben! Vor euch! Das geht nicht, nein nein nein!", erkläre ich, heftig mit den Armen gestikulierend. Ich würde mich doch total blamieren, wahrscheinlich von allen ausgelacht werden und vor Nervosität auch noch irgendwo gegenknallen und umfallen! "Hör zu, willst du das einzige Mädchen dort sein? Ist das nicht noch schlimmer?", fragt Natalie gereizt. "Ja, ich meine, nein, äh" Irgendwo hat sie ja Recht. Aber vor den anderen den Kuchen zu übergeben ist doch auch schlimm, oder etwa nicht...? "Glaubst du wirklich allen Ernstes, dass wir dich auslachen oder uns über dich lustig machen?" Liegt das an meinen Augen oder sieht Natalie wirklich beleidigt aus? "Ähm... ja?", antworte ich wahrheitsgemäß. Da war doch noch etwas mit dem Lügen... "Na herzlichen Dank auch! Natürlich tun wir das nicht, Dummchen", widerspricht sie mir und lächelt. Ich bin so doof. Ich bin so blöd. Ich bin einfach nicht zu toppen, wenn es um Dummheit geht. Ich Idiotin. "Du brauchst wirklich keine Angst zu haben! Wir unterstützen dich. Wir lachen dich doch nicht aus! Sowas tun Freunde nicht, Kathy. Und jetzt halte den Kuchen nicht ewig in den Händen, als wärst du zur Salzsäule erstarrt, tu ihn in den Backofen!", befiehlt Natalie und signalisiert damit, dass das Thema geschlossen ist. Ich stecke den Kuchen hastig hinein, mache den Ofen zu und warte. "So, jetzt haben wir eine halbe Stunde Zeit, um uns zu überlegen, was du ihm sagst", grinst Natalie. Ich hätte es wissen müssen! Natalie ist die Personifizierung der Hinterhältigkeit! Erst lässt sie einen glauben, sie sei lieb und nett und dann, völlig aus dem Hinterhalt, greif sie dich mit einer unmöglichen Frage an! "Also, hast du überlegt, ihm endlich eine Chance zu geben?" Ich soll Niko eine Chance geben? Niko? Wozu denn, wenn der mich sowieso schon in seinen Fängen hat, wie ein Fischer seine Fische. Niko schafft es doch jede abzuschleppen. Jede. Bei mir dauert's halt nur länger. Eigentlich weiß er ja schon längst, dass es nicht mehr lange dauert. Aber die Genugtuung kann ich ihm nicht tun! Das ist gegen meine Würde! "Wozu?", frage ich und ziehe meine Augenbrauen in die Höhe. "Jetzt komm nicht mit der Nummer, dass er es bereits weiß. Du musst es ihm sagen, Kathy. Jungs wollen es hören. Sie sind zu gefühlsstumpf, als dass sie so etwas wie 'Die Liebe spüren' kennen würden", erklärt Natalie wissend. So so, Jungs haben also ungefähr die Hälfte unserer Gefühlswelt, dafür aber das doppelte an Stumpfheit und Trieb. Sehr interessant. Tolle Erkenntnis! Darüber sollte man ein Buch schreiben! "Na schön, aber nur, wenn er mich wieder fragt", erwidere ich schließlich und sehe auf die Uhr. Gerade mal fünf Minuten sind vergangen. "Sag mal, warum versucht er sein Glück nicht bei einer anderen? Ich meine, ich habe ihm erst einmal 'nein' gesagt... Also warum rennt er mir immer noch hinterher?" Das würde ich wirklich gerne wissen. Warum hat er sich denn für mich entschieden und nicht für irgendeine andere Tussi, die sofort ja gesagt hätte? Natalie sieht nachdenklich aus. Als sie antwortet, redet sie langsam, so als überlege sie sich genau, welche Worte sie sagen will. "Du bist anders, als die anderen Mädchen, die ihn immer anhimmeln. Du schenkst ihm keine Schokolade - die er wohlgemerkt hasst - und du bist keine Arschkriecherin. Du weißt meistens, was du willst und vielleicht auch, weil er deine Tollpatschigkeit süß findet und weil du so aufbrausend bist" Sie grinst. "Oh... da könnte was dran sein", bemerke ich. "Aber du hast ihm auch keine Schokolade geschenkt, bist ihm nicht in den Arsch gekrochen und du hast ihn auch nicht angehimmelt" "Ja, aber ich habe ihn ignoriert, im Gegensatz zu dir", sagt Natalie und tippt mir mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Ich habe ihn nicht ignoriert? Stimmt. "Du hast Recht, ich habe ihm immer irgendwas vorgeworfen" "Und ihn beleidigt", fügt Natalie rasch hinzu. "Und geärgert und ihm Streiche gespielt und ihn an Halloween sogar erschreckt und an Weihnachten hast du ihm eine Spielzeugbombe mit eingebauter Uhr geschenkt, damit es so klingt, als würde sie ticken und-" "Es reicht!", rufe ich gespielt wütend und werfe mich auf Natalie, um sie durchzukitzeln. "Ah, nein, Kathy, hihihihi, hör - haha - auf, bitte! Hihihi...", fleht Natalie und versucht sich mir zu entwinden. Schließlich lasse ich sie wieder frei, ich bin ja sozial. "Oh man, du kannst vielleicht kitzeln", meint Natalie atemlos und wir grinsen uns an. "Also, was ich damit sagen will, du hast ihn nicht ignoriert, also hat er beschlossen, dich auch nicht zu ignorieren und so... ist was größeres draus geworden" Plötzlich klingelt es und ich habe auch schon eine Idee, wer das sein könnte. Ich springe auf und laufe zur Tür. Natalie folgt mir. Als ich die Tür öffne, steht Daniel vor mir und sieht mich abwartend an. "Oh, hi", grüße ich ihn. Er erwidert nichts. Daniel redet sowieso nicht viel und schon gar nicht mit mir. "Du willst sicher Natalie abholen", rate ich und schiele zu dieser. Er nickt. "Sieht so aus", antwortet er mit ruhiger, tiefer Stimme. Er sollte Syncronsprecher werden. Mit so einer schönen Stimme. "Also, ich gehe dann, nicht? Schade, dann können wir ja gar nicht mehr besprechen, was du denn nun zu ihm sagst... Na ja, das kriegst du sicher auch alleine hin", meint Natalie und lächelt mich fröhlich an. "Ja, und nochmal danke für... alles", beende ich das Gespräch, wir verabschieden uns voneinander und ich schließe die Tür. Ein Seufzen entweicht meiner Kehle und ich laufe zurück in die Küche. Soll ich den Kuchen vielleicht noch mit Lebensmittelfarbe schmücken, wenn er fertig ist? Gute Idee. ... Es ist so verdammt ruhig, seit Natalie weg ist. Sie hat mich einfach so zurückgelassen, diese Verräterin. Aber immerhin weiß ich jetzt, warum Niko sich für mich interessiert. »Du schenkst ihm keine Schokolade« Ja, das tue ich nicht. Aber eigentlich nicht, weil er sie nicht mag, sondern weil all die anderen doofen Mädchen das taten und ich nicht so wie die sein wollte. Außerdem ist Schokolade nichts persönliches, finde ich. Dazu muss man doch nur kurz in den Supermarkt. »... und an Weihnachten hast du ihm eine Spielzeugbombe mit eingebauter Uhr geschenkt...« Ja, das war etwas persönliches. Ich habe sogar eine Karte beigelegt, auf der 'Boom' stand, was ich noch zackig umrandet hatte, wie eine Explosion in Zeichentrickfilmen. Darunter stand noch 'Schau nicht immer auf alle herab, dir könnte ein Vogel auf den Kopf kacken!'. Ja, das fand ich damals wohl lustig, heute allerdings ist das nur noch peinlich. Was mich besonders gefreut hat, ist, dass ich anders als die anderen Mädchen bin. Das hat mein Selbstwertgefühl, das normalerweise irgendwo im Minusbereich liegt, erheblich angehoben. Vielleicht, wenn ich gut drauf bin, gebe ich ihm eine Chance - aber nur vielleicht. Mit diesem Gedanken sehe ich auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten. Nur weil du Geburtstag hast... und ich endlich weiß, wieso du mich gewählt hast. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)