Götterträne von 1810 (Die Zeit der Dämonen und Magie) ================================================================================ Kapitel 5: Das Fallen der Göttertränen -------------------------------------- Der Berg Skarrokkai befindet sich im ewigen Gebirge. Er gilt als der höchste Berg auf Erden, ihm vorgelagert ist ein Gebirge, dass sich in vielen Jahrtausenden überhaupt nicht verändert hat. Er hat in drei Himmelsrichtungen so steile und scharfe Kanten, dass er wie ein unverwüstlicher Turm erscheinen mag, der in einen noch größeren Berg gehauen wurde. Von Süden her aber ist er über ein großes Tal zugänglich, dass die Größe einer Hauptstadt der Menschen hat. Viele Legenden ranken sich um ihn, denn dieser Ort ist von jeher mit Magie durchströmt wie kein anderer. Legenden, die vielleicht noch aus der Zeit der Dämonen stammen, denn es heißt, hier hätten die Götter einst mit der Erschaffung der Welt begonnen- und einiges Flüstern erzählte sogar davon, dass einst der erste Dämon in einer Höhle, tief unter dem Berg gelegen, sein Leben eingehaucht bekommen hatte- irgendwo hier sollte Luzifer vom Willen der Götter geboren worden sein. Doch so legendär dieser Ort auch war, und so sehr die Magie hier pulsierte, so karg und ungastlich war er. Als wir Magiermeister Ranledas das ewige Tal erreicht hatten, gab es keine Spur von Leben, ja keine Spur irgendeiner Art von Leben: selbst Regen und Schnee schienen dieses Gebirge zu meiden. Skarrokkai war von Anfang an kalt, leblos und monoton gewesen und das hat sich auch kaum geändert: Kaum eine Pflanze, höchstens ein Farn oder ein trockener Busch hatte seine Wurzeln durch den granitenen Boden gegraben. Doch kein Vogel zwitscherte oder kreischte auch nur am Himmel, keine Ratte, keine Maus quiekte am Boden, selbst Ameisen suchte man umsonst. Und auch Menschen grauste es davor, in die Nähe Skarokkais zu kommen. Doch ungeachtet dieser Umstände wanderten wir immer weiter, Richtung Skarokkais, Zaphod entgegen. Im vergangenen Jahr hatte sich die anfängliche Neugier, den ultimativen Magieverstärker in Händen zu halten in einen Rausch der Vorfreude verwandelt, der sich auch meiner bemächtigt hatte. Gier hatte ihn jetzt abgelöst und trieb uns den eisigen Weg durch das Tal entlang. Nach drei Tagen Wanderung durch das Gebirge, als gerade die Dämmerung hereinbrach, hatten wir endlich den Fuß des Berges erreicht. Zaphod erwartete uns bereits. Er hatte ein Lagerfeuer heraufbeschworen und bot uns, bevor es weiter ging, starken Tee und sehniges Fleisch an. Schweigend nahmen wir das Mahl ein, während der kalte Höhenwind unablässig an unseren Roben zog. Danach führte uns Zaphod den Berg hinauf, bis zum Eingang eines langgezogenen Höhlenganges. Die Sonne war fast untergegangen und die Höhle war nur durch das ferne Flackern einer Flamme im inneren auszumachen. Zaphod führte uns immer Tiefer in den Berg hinein, die Fackeln die den Stollen nur unzureichend beleuchteten warfen grausige Schattenspiele an die Wände. Doch dann wich die Kälte langsam einer Wohligen wärme und ein lauer Luftzug umfing uns, während sich der Stollen langsam verbreiterte und immer mehr von Licht durchflutet wurde. Endlich erreichten wir das Ende des Stollens, und strahlend Hell lag eine riesige, kreisrunde Halle vor uns, beleuchtet von Tausenden in der Luft hängender Feuer. Die massive Felsendecke wölbte sich über den etwas zur Mitte hin abfallenden Boden. Genau in der Mitte des Raumes, an der tiefsten Stelle, war ein beingroßes Loch zu sehen. Erst als ich es genauer betrachtete, wurde mir klar, dass der ganze Boden seltsam unruhig wirkte. Und als ich an mir herab auf den granitenen Grund sah, schluckte ich schwer. Der ganze Boden dieser Halle, sogar die Kanten des Lochs... nein... auch die runden Wände! Und sogar die Decke waren lückenlos mit kleinen, akkurat gezogenen Runen bedeckt. Ich sah mich nach einem Anhaltspunkt um, wo wohl dieser gewaltige Runenzauber seinen Anfang nahm, doch ich konnte ihn nirgends entdecken- Einen Moment lang wurde die Stille durch das Knistern und Rascheln der Umhänge der anderen Meister gebrochen, die es mir gleich zu tun schienen. Doch eine vertraute Stimme ließ alle inne halten: „Zaphod, sei nicht so grausam und sag ihnen, dass die Runen im unterirdischen Kessel ihren Anfang und ihr Ende hat!“, Jaina schritt mit belustigt- tadelndem Blick auf uns zu, „Du bist sowieso der Einzige, der genau weiß, was dort drinnen steht, schließlich konnte ich sie nicht ziehen, ohne dem Kessel seinen Sinn zu nehmen.“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu und umarmte mich dann zur Begrüßung herzhaft. „Unterirdischer Kessel?“, fragte Tal-Rasha verwirrt und blickte sich um. „Sie wird wohl kaum den Raum unter diesem Loch dort meinen, oder?“, flüsterte Decard Kain, der jüngste Meister unter uns, mit unverhohlenem Sarkasmus. Zaphod grinste Tal an und nickte dann. „War eine Heidenarbeit, diesen Hohlraum zu schaffen, ohne den Boden zu weit aufzureißen.“, seufzte er. „Aber für diesen Zauber ist ein Magietrichter nötig. Fast das ganze letzte Jahr haben wir damit zugebracht, diese Höhle aus dem Stein zu schlagen, doch es wurde einfacher, sobald wir den Stollen weit genug in den Berg hineingetrieben hatten.“ Tal-Rasha ließ den Finger über die saubere Kante von Eingang zu Halle fahren und pfiff beeindruckt. Selbst für Jaina und Zaphod war es bestimmt kein leichtes gewesen, in der Feindlichen Atmosphäre Skarrokkais eine solche Halle aus dem Granit zu hauen. Kinara machte eine den Raum umfassende Bewegung und fragte: „Wer hat denn die ganzen Runen gezogen?“ „Natürlich Jaina. Zumindest hatte sie schon den Grossteil der Runen gezogen, bevor ich die Halle und die Schlafgemächer fertig stellen konnte.“, die Beiden wirkten müde, aber überaus stolz und glücklich. Doch verdrängte die Gier nach den Magieverstärkern, die uns Meister gepackt hatte, das Staunen schnell wieder. „Also, du Runenzieher und Metallschmelzer“, sagte Kinara aufgeregt, „wobei können wir dir helfen? Wann werden wir endlich das Metall, von dem du uns erzählt hast, sehen können?“ Zaphods Antwort war damals selbst für mich erschütternd gewesen: „Wenn ihr euch ausgeruht und vorbereitet habt, können wir beginnen und dann dürfte es nur noch einen Monat dauern, bis wir genug Material für die zehn ersten Waffen zusammen haben.“ „Einen Monat für zehn Waffen?“, wiederholten wir aufgebracht. Wusste Zaphod eigentlich, wie grausam solch eine Aussage war? Wieso ließ er uns diesen langen, beschwerlichen Weg auf uns nehmen, wenn nach unserem Beitrag noch ein ganzer Monat ins Land ziehen musste? „Was ist denn eigentlich dieser unglaublich wichtige Beitrag, den wir hier zu leisten haben?“, sprach Tal-Rasha die Frage aus, die uns allen durch den Kopf gegangen war. „Reicht denn dieser gewaltige Runenzauber nicht aus? Wir sind gekommen, um so schnell wie möglich dieses sagenhafte Metall zu sehen.“ Viele Meister, auch ich, benickten lebhaft Tal-Rashas Worte. „Ihr Narren!“, fuhr uns Zaphod an, während Jaina uns kopfschüttelnd anstarrte als seien wir Kinder, die nicht begriffen, dass Feuer heiß ist. „Denkt ihr etwa, Jaina und ich wollen dieses Metall nicht sehnlicher zu Gesicht bekommen als ihr alle zusammen?! Hier geht es schließlich um den Abschluss meines Lebenswerkes!“, er ging erzürnt vor uns auf und ab, während er weiter grollte: „Ihr scheint zu denken, dass ein Zauber, wie wir ihn vorhaben, keine große Sache ist! Als hätte man ihn innerhalb eines Tages beendet und könnte sich über sein Ergebnis freuen!“, er blieb vor uns stehen und funkelte uns an, dann schrie er: „Seht euch doch einmal UM! Denkt ihr wirklich ein solch gewaltiger Runenzauber könnte mit Jainas Blut allein aktiviert werden? Dieser Zauber ist so phantastisch, dass er die Macht eines Tropfen Blutes von jedem einzelnen Runenmagier auf Erden benötigt, um wirken zu können! Und so mächtig die zwanzig Runenmeister, die sich am heutigen Morgen hier eingefunden haben, auch sein mögen, so kommt die Macht ihres Blutes nicht so ganz an das von uns benötigte Ausmaß heran.“, bei diesen Worten winkte er in Richtung einer zweiten Öffnung in der Halle, hinter der sich die Schlafgemächer verbargen. „Du hast uns immer noch nicht erklärt,“, sagte Decard Kain scharf, „was für eine Rolle wir hier spielen.“ Wieder nickten viele Meister bekräftigend. Selbst Kinara meldete sich zu Wort: „Es klingt ganz so, als hättest du uns ohne jeden Grund hierher beordert, Zaphod. Bitte sag uns, was unsere Aufgabe sein soll, wegen der wir hier einen ganzen Monat verbringen müssen.“ Zaphod sah so müde aus, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. „Ihr übernehmt die Aufgabe, die Runenmeister bei guter Gesundheit zu halten und den Runenzauber zu unterstützen.“ Jetzt lachten einige von uns auf. „Ach so, die gesprochene Magie soll einem Runenzauber das Wasser reichen, ja? Ich sehe ja ein, dass man für lange Opferzeremonien ein paar Heiler braucht, aber dass du uns alle hierher beordert hast, ist dann doch zu viel des guten gewesen!“, platzte Decard aufgebracht heraus. „DENKST DU ICH RUFE EUCH OHNE GRUND?!“, donnerte Zaphod und das Echo von den runden Wänden prasselte auf uns ein. „Natürlich ist die Macht unserer Magie bei weitem nicht so groß wie die der Runenmagie, doch kann sie noch immer etwas ausrichten! Wenn ihr uns eure Hilfe gewährt, verkürzt ihr das Ritual durch das Heilen der Runenmeister von sechs auf drei und durch die Unterstützung der Runenmagie von drei auf einen Monat!“, sagte Zaphod aufgebracht. „Außerdem“, fügte er ausgelaugt hinzu, „wer hätte denn entschieden, wer der Geburt des mächtigsten Materials aller Zeiten beiwohnen darf und wer nicht?“ Dieser Satz fegte sofort jede Spur von Widerspruch aus unserem Geist. Kinara fragte tapfer in die bedrückende Stille hinein: „Also, Zaphod... wie verläuft dieses Ritual genau?“ Diese Frage schien Zaphod ein wenig aufblühen zu lassen- endlich ging es um das, was er uns von Anfang an hatte mitteilen wollen. „Nun, die einundzwanzig Runenmagier haben sich in vier Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe wird jeweils zwölf Stunden lang Blutopfer darbringen- immer ein Magier nach dem anderen, damit die Runenmagie niemals zum stillstand kommt. Wir sollten uns auch in vier Gruppen aufteilen, jeweils ein Magier sollte den Runenmagier heilen, während die anderen die Runenmagie unterstützen...“ Ich hob die Hand und Zaphod brach ab und sah mich fragend an: „Ja, Arthas?“ „Nun“, sagte ich, „als erstes wüsste ich gern, wie genau wir Runenmagie unterstützen können. Und außerdem wüsste ich gern, wie Jaina und du aufgeteilt werden.“ Zaphod lächelte mich an- endlich eine Frage, die er erwartet hatte. „Nun, Runenmagie unterstützt sich recht leicht. Wiederholt einfach wieder und wieder die Grundformel der Runenmagie, nur in den Worten der Magie: Doch sind die NenRu erst MalEin GenZoGe und DenBil TeWor im LichGött BetPhaAl, DenWer Licht und KelDun schnell BenWoVer. DeJe NungOrd vor des TesBlu Macht GehtVer. Blut und Runen sind selbst ideale Magieleiter, die selbst die schwächliche Magie, die wir zu bieten haben, gierig aufnehmen.“ Wir starrten ihn an. Einen solch langen Zauberspruch einen ganzen Tag lang zu wiederholen würde unglaublich Anstrengen und das wusste Zaphod auch. Dessen ungeachtet fuhr er ruhig fort: „Jaina und ich werden euch jeden Tag sechs Stunden lang helfen. Den Rest der Zeit sorgen wir dafür, dass ihr während des Rituals nicht erfriert, verhungert oder verdurstet.“ Die letzten Sätze gekonnt ignorierend warf Decard ein: „Wir sollen einen Monat lang solch einen Zauberspruch durchhalten? Das schaffen nicht einmal wir Meister!“ Zaphod sah ihn mitleidig an: „Du hörst nicht zu. Nachdem ihr zwölf Stunden lang den Zauber gesprochen habt, werdet ihr anderthalb Tage Zeit haben zu Ruhen. Sicher, es wird kein angenehmes Leben sein. Doch so bekommt ihr von mir vier der ersten zehn Waffen geschenkt, die allein durch meine Hand gefertigt wurden. Damit hatte er uns endgültig in seiner Hand, die Gier flammte erneut in den Augen der Meister und in meinem Herzen auf und verschlang die letzten zögernden Gedanken. Kinara sah sich nach ihren Schützlingen um und nickte dann knapp. „Nun gut, dann lasst uns beschließen, wer in welcher Gruppe wirkt und uns dann den letzten entspannten Schlaf dieses Monats genehmigen. Zaphod grinste und wies uns in Richtung der zweiten Höhlenöffnung der Halle. „Dann lasst mich euch die Räumlichkeiten zeigen.“ Am nächsten Morgen begann das Ritual, als Jaina sich als erste die Hand aufschnitt und ein blutiges Rinnsal in den mit Gold, Eisen und Holz gefüllten Kessel fließen ließ. Zaphod übernahm die Aufgabe sie zu heilen. Währenddessen stimmte die Gruppe um Kinara einen achtstimmigen, synchronen Singsang an, während dem sie immer und immer wieder die selben Worte sprachen. Während Zaphod leise Stärkungszauber murmelte, vergrößerte Jaina in regelmäßigen Abständen die Wunde, damit der Blutstrom nicht abriss. Die erste Stunde starrten zwanzig Runenmagier und achtundzwanzig Magiermeister gebannt auf das Schauspiel, doch dann wandten sich die ersten ab, um sich noch ein wenig zu schlafen oder um sich auf die kommenden Stunden, in denen sie selbst an dem Ritual teilnehmen würden, vorzubereiten. Auch ich fühlte die Müdigkeit in mir aufkeimen. Weder der Singsang noch die Szene trugen dazu bei, einen Unbeteiligten lange Zeit wach zu halten. Doch hielt ich aus, genau wie Kel-Thusad, dessen Gruppe als nächste an der Reihe sein würde, und Decard Kain, der jedoch sehr unzufrieden wirkte. Erst als Zaphod einem zweiten Runenmagier winkte, dass er Jainas Platz einnehmen solle, und sich dann auch von einem der acht Meister vertreten ließ, bemerkte ich, dass ziemlich viel Zeit vergangen war: Einige Flammen in der Halle waren erloschen, meine Beine schmerzten vom langen Sitzen und ich konnte erste Anzeichen der Erschöpfung auf den Gesichtern der anderen Meister erkennen. Und dann fiel mein Blick auf das Loch, in das seit nun mehr sechs Stunden ein dünner Rinnsaal von Jainas Blut gefallen war. Vielleicht war es schon länger da gewesen und mir erst durch die Dunkelheit aufgefallen oder aber es hatte gerade angefangen. Aus der Schwärze des Kesselloches drang ein leichter gelblicher Schimmer. Zaphod und Jaina schienen es auch bemerkt zu haben, denn kurz bevor sie gingen, hatten sie noch einen Blick in den Kessel geworfen, bevor sie mir winkten und auf die Wohnhöhlen zu liefen. Ich folgte ihnen und mit mir kam auch Decard, der nun scheinbar vor Wut bebte. Was ihm auf dem Herzen lag, teilte er uns lautstark mit, sobald wir außer Hörweite der Magier in der Halle waren: „Was war das denn für eine Vorstellung?!“, brüllte er Zaphod an. „Kein Wunder, dass dieses Ritual einen Monat benötigt!“, er deutete auf Jainas Hand, aus der noch Momente zuvor das Blut geronnen war. „Was wäre denn so schlimm daran, wenn mehr Blut verwendet würde?“, herrschte er Zaphod an, „Würde dann nicht die ganze Erschaffung des Metalls schneller voran gehen?!“ Jaina sah ihn vorwurfsvoll an. „Ich habe eben innerhalb von drei Stunden gut über zwei Liter Blut verloren.“, sagte sie und ein gewisses Zittern konnte sie nicht vermeiden, sie sah tatsächlich etwas blass aus. „Ich fiele mit Sicherheit in Ohnmacht, wenn ich mehr Blut verlieren würde.“ Zaphod nahm sie in den Arm, küsste sie auf die Stirn und sah Decard ernst an. „Natürlich könnten wir mehr Blut auf einmal Opfern, doch dann bräuchten auch die Runenmagier mehr Zeit, um sich wieder zu erholen. Dadurch würde der Blutstrom zwangsläufig versiegen und die gesammelte Macht würde dadurch deutlich abgeschwächt werden. Deshalb habe ich die Zeiten so gewählt. Und nun geh schlafen, du hast einen langen Tag vor dir.“ Er nickte mir freundlich zu und geleitete Jaina dann in ihre gemeinsamen Gemächer. Die Tage vergingen und die Stimmung wurde gedrückter. Schon am dritten Tag, als Kinaras Gruppe zum zweiten Male das Ritual begehen musste, war die Euphorie der Meisten verflogen. Müdigkeit regierte schon jetzt alle Beteiligten, nur Kinara, Tal-Rasha. Decard Kain und ich begingen in den nächsten Tagen das Ritual ohne Murren. Wie Zaphod und Jaina es allerdings aushielten, das gleiche Arbeitspensum wie wir anderen zu absolvieren und zusätzlich noch all die verlöschenden Feuer wieder anzufachen, Nahrung vorzubereiten und Wasser zu beschwören, war mir ein Rätsel. Beide wirkten nach der ersten Woche recht angeschlagen, doch standen sie damit ganz und gar nicht alleine da. Selbst in Kinaras Gesichtszüge war mittlerweile eine ständige Müdigkeit gezeichnet und einige Runenmeister waren noch Stunden nach dem Ritual sehr zittrig und blass, bei einigen verfärbten sich die Lippen sogar ein wenig ins Blaue. Doch so sehr es uns auch anstrengte, wir wussten uns reich damit belohnt. Das schwache Schimmern, dass ich nach den ersten Stunden zu erahnen gemeint hatte, war bereits deutlich sichtbarer geworden, als ich das erste Mal das Ritual anführte. Und nach einer Woche hatte der goldgelbe Schein schon auf die Runen im direkten Umkreis zum Kesselloch übergegriffen, während der Kessel selbst bereits taghell zu uns herauf schien. Mit jedem Wort der Magiermeister pulsierte das Licht ein wenig, als reagiere es lediglich auf unsere Stimmen. Und dann, wie Zaphod es vorher gesagt hatte erleuchteten vier Wochen nach dem ersten Ritual auch die letzten Runen im goldenen Schimmer. Wir alle sahen abgekämpft und elend aus, doch wichen wir nicht mehr aus der Halle und schliefen nur äußerst ungern ein. Zaphod und Jaina dagegen hatten dadurch erheblich weniger Arbeit und wirkten sogar recht frisch- zumindest im Vergleich zu den Gesichtern aller anderer Beteiligten. Dann endlich, lösten Zaphod und Jaina die vierte Gruppe allein ab. Zaphod hatte seinen Zauberstab gezogen und rezitierte allein die uns allen mittlerweile so Vertrauten Verse, während Jaina sich überschwänglich eine recht ernst aussehende Schnittwunde zufügte. Jaina lächelte Zaphod grimmig an und dieser hatte ein Glitzern in seinen Augen, dass nur von Freudentränen stammen konnte. Da geschah es auch schon. Der Raum erstrahlte in gleißendem Licht, taghell wurde die Halle von jeder einzelnen Rune beleuchtet. Zaphod schrie den letzten Vers ins Glühen der Runen hinein und dann folgte nur noch ein hallendes Echo. Als das Licht erlosch hatten sich Zaphod und Jaina bereits über den Kessel gebeugt und starrten ehrfürchtig hinein. Dann, ganz langsam, während alle anderen zweiundvierzig Anwesenden den Atem anhielten, griff Zaphod in das Loch hinein. Und was er aus dem Loch herauszog war ein wunderbarer Barren Metall, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Vorsichtig legte er es zu Boden und sofort scharten sich alle anwesenden um den Barren. Auch ich war einer derjenigen, die es unbedingt berühren, streicheln, mussten. Unterdessen zog Zaphod tatsächlich acht weitere Barren aus dem Kessel und legte sie klackernd auf den Boden. Dann erhob er sich, ging zu Jaina und wandte sich dann zusammen mit ihr dem letzen, dem zehnten Metallbarren zu, den er noch in der Hand hielt. Ich hatte derweil meinen eigenen Barren ergattern können und sah Zaphod stolz lächelnd dabei zu, wie er sein Werk betrachtete. Die Farbe des Barrens war faszinierend. So ungreifbar wie ein Stern funkelte das Metall und doch hatte es auch ein wenig die Farbgebung von Gold. Sobald man es berührte, floss einem die Magie wie ein warmer Strom durch die Adern und man vergaß vor Glück, überhaupt etwas in der Hand zu halten. Denn auch das Gewicht dieses Barrens war sensationell- hätten Eisen oder gar Gold von meinen alten Händen nicht lange gehalten werden können, war dieses Metall von kaum spürbarem Gewicht. Ich musste Zaphod vollkommen Recht geben: Dies war ein rundum perfektes Metall. Nachdem wir alle das Metall für einige Stunden glücklich betrachtet hatten, verkündete Zaphod, dass er gleich am nächsten Tage mit dem Schmieden beginnen würde. Bis dahin, sagte er, sollten wir uns entschieden haben, welche Insignie oder Waffe er für wen schmieden solle. Diese Aussage entfachte neuerliche Diskussionen, die bis Spät in die Nacht andauerte. Keiner wollte Leer ausgehen und so wurde Argumentiert, geflucht und wieder argumentiert. Am Ende lief es darauf hinaus, dass vier Runenmeister eine Axt, eine Hellbarde, ein Schwert und einen Dolch bekommen sollten. Kinara dagegen hatte, nach allgemeiner Abstimmung, für die Magier des Turms Ranleda eine Rüstung aus Harnisch, Handschuhen und Helm bestellt. Mir allerdings gewährten alle Magiermeister einen eignen Gegenstand. Ich wünschte mir einen mannshohen Schlagstab, in den ein Juwel eingesetzt sein sollte. Kaum war Zaphod davon informiert, verschwand er mit Jaina und den Barren in seinen Gemächern und auch wir legten uns zum ersten Mal seit einem ganzen Monat zu einem geruhsamen Schlaf nieder. So beendeten die Menschen, die ihre ganze Rasse verdammt hatten, den Tag, an dem die Göttertränen fielen. Doch davon sollten wir erst sehr viel später erfahren. Zaphod arbeitete über zwei Wochen lang an den Waffen, aus seinen Gemächern drang ein stetiges Klingen und Klirren. Wir verbrachten die ersten Tage damit, uns zu erholen und ein wahres Festessen zu veranstalten. Mich zog es bereits am zweiten Tag an die frische Luft, unter die Sonne oder unter die Sterne- solange denn die Unendlichkeit über mir läge! Doch als ich den langen Stollen entlanggewanderte, hörte ich etwas, von dem ich wusste, dass ich es nicht hätte hören dürfen. Ich beschleunigte beunruhigt meine Schritte und als ich am Ausgang der Höhle stand, da spürte ich den Regen auf meiner Haut. Doch Regen auf dem Berge Skarrokkai hatte es noch nie gegeben. Die wenigen Pflanzen, die hier wuchsen, bezogen ihr Wasser aus der Luft. Skarrokkai war ein Gebiet, an dem etwas so natürliches wie Regen nicht hätte existieren dürfen! Dieser Regen konnte nicht natürlichen Ursprungs sein- und ob nun die Götter verrückt spielten oder Dämonen sich näherten dieser Regen war ein sehr schlechtes Omen. Nachdem ich den Regen einige Minuten auf mich hatte niederprasseln spüren, wurde ich mir der Kälte gewahr, die in diesem Gebirge trotz des Regens noch immer allgegenwärtig war und floh in die Halle. Dort aber berichtete ich nur Kinara von den beunruhigenden Neuigkeiten, ich wollte nicht für unnötige Panik sorgen. Kinara aber tat meine Neuigkeiten mit einer Handbewegung ab: „Ihr glaubt zu sehr an die Märchen der Dämonen. Warum sollte es hier denn nicht schon früher geregnet haben? Und selbst wenn der Regen da Werk eines Dämonen sein sollte, er träfe hier auf die stärksten Menschen dieser Zeit.“ Sie klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und flüsterte: „Ein wenig Paranoia ist bei solcher Erschöpfung normal, legt euch noch ein wenig schlafen und erholt euch.“ Doch in den nächsten Tagen verließen immer mehr von uns die Höhlen um einen kleinen Spaziergang zu machen, kehrten aber bald darauf durchnässt und beunruhigt zurück. Die zuvor entspannte Feierstimmung wich mehr und mehr einem grimmigen Warten: Wir alle wollten diesem verfluchten Ort so schnell wie möglich entfliehen. Einzig die unermüdliche Gier nach Zaphods Magieverstärkern band uns mit festen Seilen an den Berg Skarrokkai. Die bedrückte Stimmung, die sich unter uns ausbreitete wie eine Krankheit, wurde erst von Zaphod fortgewischt. Denn endlich verkündete er, dass er nun die Herstellung der Gegenstände abgeschlossen hätte. Feierlich führte er uns durch Jainas und seine Gemächer und in einen langen, steil abfallenden Stollen hinab. Beim heruntersteigen spürte ich mein Herz schneller pochen: mich hatte die Vorfreude auf meinen Stab, gefertigt von Zaphods meisterlicher Hand, gepackt. Außerdem wollte ich wie alle anderen auch das Metall wieder zu Gesicht bekommen. Nach Ewigkeiten, so schien es, erreichten wir Zaphods Schmiede. Das Feuer des Hochofens verbreitete seine Hitze, die uns den Schweiß auf die Stirn trieb. Doch schweiß war mir egal, dunkle Vorahnung aus meinem Geist fortgewaschen, zusammen mit dem Rätseln über den Regen, der sie überhaupt erst ausgelöst hatte. Vor mir lag ein langer, faustdicker Stab, verziert mit filigranen Ornamenten. An seine Spitze vom Metall in Komplizierten, dünnen Strängen umflochten, war ein gewaltiger Diamant eingefasst. Ich nahm ihn in die Hand und fühlte erneut eine unbeschreibliche Wärme durch meine Finger erst in die Hand, dann den Arm und schließlich in den ganzen Körper floss. Als ich den Stab anhob, um ihn auf den Boden zu setzen und mich auf ihn zu stützen, brachte mich die Kraft, die ich zum Hochheben verwendet hatte, fast aus dem Gleichgewicht: Der Stab war viel leichter als man es vom metallenen Aussehen erwartet hätte! Ich besah ihn mir genauer und bemerkte, dass auch in ihm die Runenmagie von Zaphod eingraviert worden war, die auf Wunsch Runen zog. Und tatsächlich: Kaum hatte ich an ‚Feuer’ gedacht, zierte schon die entsprechende Rune den Stab- alle anderen waren verschwunden. Mich auf dem Stab stützend sah ich mich nach Zaphod um. Er stand bei den Runenmeistern, deren Waffen vor Runen nur so starrten. Auch bei ihnen musste seine Runenmagie eingraviert worden sein, denn die Runen tanzten nur so auf den Waffen, ein Zauberspruch jagte den nächsten. Ich lehnte mich ein wenig vor, und hörte Zaphod noch sagen: „... Ich habe auch noch einen Zauber gewirkt, der die ewige Schärfe dieser Klingen garantiert- Macht euch keine Sorge ums Schleifen.“ Fasziniert besahen sich die Runenmeister die Klingen und die kunstfertigen Verzierungen. Jede Waffe wäre eine Kostbarkeit gewesen, selbst wenn sie nicht aus dem Metall bestanden hätte. Mit einem lauten Getöse dankten die zwanzig Runenmeister Zaphod stürmisch- ich weiß bis Heute nicht, ob sie alle sich so überschwänglich über die Waffen freuten, oder einfach nur darüber, nicht länger ihr Leben im ewigen Gebirge verbringen zu müssen. Zaphod brauchte einige Zeit, bis er sich losgeeist hatte und die Runenmeister ihren neuen Waffen überlassen konnte. Er ging zu Kinara und den anderen Meistern von Ranleda, die gerade die Handschuhe begutachteten. Ich wusste nicht für wessen Pranken Zaphod diese entworfen hatte, denn für die zierliche Hand Kinaras waren sie um einiges zu groß. Sie waren unterteilt in einen innen liegenden, feinmaschigen Kettenhandschuh und einen äußeren Plattenpanzer, dessen Scharniere über dünne Ketten mit dem inneren Handschuh verbunden waren. Als sich Zaphod ihnen genähert hatte und sie ihn fragend ansahen sagte er zu Kinara nur: „Probier sie doch einmal an.“ Und kaum hatte sie ihre Hand in den Handschuh gleiten lassen, ging ein Zittern durch die Ketten. Im nächsten Moment war Kinaras Hand vollkommen von dem Plattenpanzerhandschuh eingehüllt- nur unter den Scharnieren der Gelenke war der Kettenhandschuh noch zu erahnen. „Er passt sich durch Runenmagie der Größe der Hand an.“, Zaphod deutete auf winzige Gravuren an den Fingerkuppen des Handschuhs. „Den gleichen Zauber habe ich auf den Brustharnisch und den Helm graviert.“, erklärte er. „Die Rüstungsteile tragen außerdem allesamt die Rune ‚Schutz’ “, sagte er und deutete auf kleine, kaum sichtbare Runen in den Handflächen. „Die Magie des Metalls speist diese Runen, daher können selbst wir sie benutzen. Leider ist die Kraft der Schutzrune nur dann wirkungsvoll, wenn man alle drei Teile trägt, sonst ist man lediglich vor magielosen Angriffen geschützt.“ Beeindruckt blickten die anderen auf die drei Rüstungsstücke, die vor ihnen ausgebreitet lagen. „Und noch etwas.“, fügte Zaphod hinzu, „Ihr dürftet auf jeden Gegenstand noch einen weiteren Runenzauber eingravieren können, ohne dass ein Blutopfer für dessen Aktivierung nötig ist. Ich wollte es euch überlassen, diese letzten Runen zu ziehen.“ Er lächelte in die Runde. „Wir haben es geschafft. Die perfekten Magieverstärker!“, sagte er feierlich. Auf diese Worte folgte auch von uns Magiern tosender Beifall und überraschender Weise war Decard Kain einer der lautesten Jubelnden. Doch mein Blick war bereits auf die letzte Waffe gefallen, die Zaphod für sich und Jaina geschmiedet hatte: Ein langes, mit komplizierten Runenzaubern verziertes Schwert, so lang, dass man es, egal wie leicht es auch sein mochte, nur mit zwei Händen schwingen konnte. Der Griff des Schwertes war ein sich um sich selbst schlängelnder Schlangenleib, und der Schaft war mit einem Drachenkopf verziert, der scheinbar in die Klinge biss. Von diesem Schwert, dass noch meisterlicher geschmiedet war, als alles andere in diesem Raum, ging eine beeindruckend Magische Aura aus. „Ja, das ist mein Meisterstück.“, sagte Zaphod, der meinem Blick gefolgt war, leise. „Das Schwert der Unsterblichen, geschmiedet aus zwei Barren des Metalls, versehen mit einer so gewaltigen Zauberbrechermagie, dass seine Klinge sogar den mächtigsten Lebewesen alle Magie entziehen kann. Schwierig ist nur eines...“, er nahm das Schwert in die Hand und hielt es gegen das Licht einer Fackel. „... man muss ein großer Magier sein, um es zu beherrschen- nur wenige Runen oder Magiermeister werden es je bändigen können.“, er schwang es gelenk hin und her, und machte dann einen kurzen Stoß in Richtung des Hochofens. Kein Flackern, kein Zischen erfolgte- das Feuer erlosch ohne jeden Hinweis darauf, dass es eben noch gelodert hatte. „Die Runenmagie dieses Schwertes ist einmalig, sie wird gespeist von dem Metall- und entweder wird sie durch den Willen eines Magiers oder durch das Blut eines Runenmeisters aktiviert- beide Varianten liefern genug Kraft um selbst den Zauber aufzuheben, den wir erst vor ein paar Tagen vollendet haben.“ Jeder im Raum starrte Zaphod an. Zauberbrecher vermochten viel, doch so mächtig war bisher noch keiner gewesen. „Was meinst du damit, es ist schwer, es zu kontrollieren?“, fragte Kinara verwirrt. Doch noch während sie sprach erstrahlte das Schwert in taghellem Licht und als ich es wieder erkennen konnte, war es nicht länger ein Zweihandschwert. Zaphod hielt ein sehr viel kleineres, aber noch immer mit Runen überzogenes Schwert in der rechten Hand. Doch in der Linken ruhte lediglich eine Kugel aus dem sagenhaften Metall, die völlig eben wirkte. „Das hier meine ich damit, Kinara.“, grinste Zaphod. „Um das Schwert der Unsterblichen zu erschaffen muss man alle vier Elemente und die Schwertmagie beherrschen- etwas das für Runen und Wortmagier sehr schwierig ist. Ohne diese Kontrolle ist es nichts weiter als Karzid", er hob das Schwert in die Höhe, „und Draco.“, er hob die Kugel in die Höhe. Hier bricht der Bericht Arthas’ ab. Es ist der letzte zusammenhängende Bericht aus der Zeit der Göttertränen. Doch kann die Geschichte durch die letzten Informationsfetzen und durch Zuhilfenahme von alten Legenden vervollständigt werden. Nachdem die mächtigsten Männer und Frauen auf Erden die Waffen aus dem Metall an sich genommen hatten, verließen sie beinahe fluchtartig das ewige Gebirge. Von den Runenmeistern hat man danach nie wieder etwas gehört. Die Magiermeister allerdings kehrten nach Ranleda zurück und erlebten eine grausige Überraschung. Tal-Rasha, dem der Brustharnisch anvertraut worden war, schreibt folgendes über die Verhältnisse bei seiner Rückkehr: Schon auf dem Weg zurück war mir aufgefallen, dass die Menschen der Dörfer noch ärmlicher und hilfloser wirkten als sonst. Nur selten sah man überhaupt ein Feuer in den Dörfern brennen und in jedem Dorfe bat man uns, eines für sie zu beschwören. Seltsamerweise fiel auch einigen Meistern diese simple Magie so schwer, dass sie von Worten gebrauch machen mussten. Damals hatte ich das noch auf die mangelnde Übung nach einem Monat ohne jede andere Zauberformel geschoben. Doch als wir am Turm von Ranleda ankamen, konnte niemand mehr leugnen, dass die Menschen durch irgendetwas verändert worden waren. Kaum ein Lehrling brachte noch irgendeine Art der Magie zustande und selbst Gesellen taten sich mit den Grundübungen unglaublich schwer. Nur wir Meister waren noch zu einigermaßen schwieriger Magie fähig- wohlgemerkt spürten nur Arthas, Kinara, Decard Kain und ich keine Veränderung. Was auch immer uns Wortmagiern zugestoßen sein mag, jetzt sind wir beinahe wehrlos gegenüber den Dämonenarmeen. Dass auf einmal alle Menschen der bekannten Welt, selbst die Magieschüler des Turms von Ranleda, beinahe über keinerlei Magie mehr verfügten, wollte Arthas nicht wahr haben. Trotz seines hohen Alters machte er sich auf eine Reise, um der Ursache dieses ungeheuren Verlustes auf den Grund zu gehen. Aus dem Tagebuch seiner Reise finden wir einige vergilbte Notizen. Ich bin Heute auf einen ehemaligen Runenmagier gestoßen, der ausgehungert und krank war. Er berichtete mir, dass innerhalb der letzten Monate immer mehr Runenmagien erloschen waren und selbst die mächtigsten Magier seines Dorfes für das entfachen einer banalen Feuerrune so viel Blut benötigten, dass es in Tropfen nicht mehr zu zählen sei. Auf meine Frage, wann genau das angefangen habe, antwortete mir der Mann, dass die ersten Runen kurz nach dem Beginn des zwei Wochen währenden Regens erloschen seien. Ich weiß jetzt, dass ich nicht unter Paranoia gelitten hatte, als mir dieser Regen unheimlich vorgekommen war. Jeder, den ich frage, bestätigt mir, dass es einmal zwei Wochen lang in Strömen geregnet habe- und zwar immer während über die immer gleichen zwei Kalenderwochen hinweg. Auf der ganzen Welt scheint es genau in der Zeitspanne geregnet zu haben, während der Zaphod das Metall geschmiedet hat. Langsam verfluche ich diesen Stab, der mir die Illusion gibt, ich sei nicht von der merkwürdigen Magielosigkeit der Menschen betroffen. Arthas scheint nach großen Sehern gesucht zu haben, denn immer wieder finden sich Notizen vor, die immer gleich Lauten, obwohl die Namen derer, die es verkündeten, immer wieder wechseln. Die Nachricht, die sie, wie Arthas glaubte, von den Göttern eingeflüstert bekamen, lautete immer: Die Menschen haben der Götter Träne empfangen. Die Macht der Menschen habt ihr eingesetzt, um sie heraufzubeschwören, mit der Macht eures ganzen Volkes müsst ihr für das Ergebnis bezahlen. Wir wenden uns von euch ab und waschen euch unsere Macht aus den Adern, so gut wir es vermögen! Die Macht der Menschen habt ihr an einem Frevel vergeudet! Nur Dämonen hättet ihr mit ihr bekämpfen dürfen, doch vertautet ihr unserem Geschenk nicht und wolltet Macht, die über eure Grenzen geht. So verliert denn alle das, dem ihr nicht trauen konntet, ihr Narren!“ Und auf seiner Suche scheint Arthas auch auf Spuren eines einst berühmten Zirkus getroffen zu sein, doch nur noch ein einziger der Zigeuner war am Leben, um zu berichten. „Luzifer!“, hatte er gestammelt. „Luzifer hat uns alle im Stich gelassen!“, er hustete erbärmlich und ich wusste, dass er mir unter Zornestränen seinen letzten Worte mitteilte. „Als die ersten Tropfen dieses langen Regens angefangen hatten zu fallen, hat er noch wilder und verrückter gelacht als je zuvor. Er sagte immer wieder: ‚Dieser Narr hat es tatsächlich getan! Er hat einen gefangen! Ich frage mich nur, welchen! Oh, vom ersten Moment an wusste ich, dass dieser Bursche ein Talent fürs Chaos hatte! Ihr dummen Menschen habt einen von ihnen in ein Gefängnis gesperrt und ihn angekettet! Sterbt, ihr närrisches Pack! Mich konntet ihr von Anfang an nicht ersetzen!’ Dann sagte er noch, dass wir mit diesem Einen auch unsere eigene Macht in Ketten gelegt hätten. Dann ist er über den Runenkreis getreten und ist davon geflogen. Aus der Luft hatte er uns noch einige Feuerbälle entgegen geschleudert.“, er hustete noch schlimmer als zuvor und war danach nicht länger ansprechbar. Doch jetzt weiß ich, dass Zaphod auf eine List dieses gefallenen Engels hereingefallen ist. Doch Arthas gab nicht auf, auf der ganzen Welt suchte er hinweise, wie er die Menschen vor den immer brutaleren Dämonenangriffen bewahren, die alten Zustände wieder herstellen könnte. Die Zeit drängte, denn immer mehr Menschen wurden in die großen Hauptstädte zurückgedrängt oder aber von den Dämonen unterworfen. Und dann, als er sogar wieder in Richtung Skarrokkai wanderte, fand er jemanden, der ihm Auskunft geben konnte: Tassadar, der große Seher. „Ich weiß, weshalb du hier bist.“, begrüßte mich der Mann. Er war beinahe so alt wie ich es war. An diese Wichtigtuerei hatte ich mich inzwischen gewöhnt- die meisten Seher sagten das zu einem und erwarteten, dass man es ihnen trotzdem erklären würde. Doch Tassadar war von Anfang an anders, denn ohne auch nur meine Reaktion abzuwarten, fuhr er ruhig fort, während er mich mit seinen glänzenden Augen anstarrte: „Du bist einer derjenigen, die uns Menschen die Magie nahmen. Und du bist einer der Wenigen, die versuchen wollen, diesen Fehler rückgängig zu machen.“ Das irritierte mich schon ein wenig- so verdächtig konnte ich gar nicht gewirkt haben. Doch unbeirrt fuhr Tassadar fort. „Vor einigen Monaten kam eine Runenmeisterin, deren Ruf mindestens so weit verbreitet ist wie eurer, Arthas vom Turm Ranleda. Jaina ist die Einzige, die außer euch dieses außerordentliche Metall, dass ihr in Händen haltet, wieder zu vernichten.“ „Jaina war hier? Woher weiß sie denn, dass wir dieses Metall vernichten müssen?!“, ich hatte gedacht, sie wäre noch immer mit Zaphod zusammen auf Reisen. Der Seher sah mich lange an. dann antwortete er bedächtig: „Es scheint, dass sie den Anfang des Zaubers gelesen hat, den ihr beschworen habt und den bis dato nur Zaphod der Dämonentöter kannte. Und erst dann erkannte sie den schrecklichen Fehler, die Torheit, die ihr Gefährte begangen hatte: Er hatte niemanden Wissen lassen, dass er beabsichtigte, den Gott der Metalle zu erschaffen.“ Ich starrte in die noch immer so grässlich glänzenden Augen. „Er... er wollte einen Gott erschaffen?“, stotterte ich fassungslos. Tassadar nickte schwer. „Auch Jaina erkannte, was ihr euch schon denken könnt. Nur ein Gott kann Götter erschaffen. Und somit hat Zaphod den Schmiedegott persönlich mit Magischen Ketten in das Metall gebannt. Er tat es so langsam und bedächtig, dass selbst der Gott selbst nicht bemerkte, dass sich seine Macht langsam in zehn Teile teilte. Und schließlich, als er es bemerkt hatte, war seine Macht nicht mehr groß genug, um sich gegen die gemeinsame Magie der Menschen hinweg zu setzen.“ Meine Beine wollten mich nicht mehr halten und ich rutschte langsam an dem Stab, den ich am liebsten nie besessen hätte, von dem ich aber schon abhängig geworden war, zu Boden. „Wir haben einen Gott gefangen genommen?“, stammelte ich fassungslos. Kein Wunder, dass sich die Götter abgewendet, und ihre Magie dabei gleich mitgenommen hatten. Tassadar nickte langsam. „Wegen dieses Metalls, an dem mittlerweile euer Leben hängt, hat ein Gott- der Schmiedegott, um genau zu sein- eine Träne der Verzweiflung, der Trauer und der Machtlosigkeit vergossen. Die Welt wird von diesen Waffen erfahren, die Zaphod geschmiedet hat. Und der Name des Metalls, wegen dem unser Volk an die Schwelle des Todes getrieben wird, wird einen simplen Namen erhalten: Götterträne.“ Ich betrachtete verzweifelt meinen Stab. Dieser goldene Schimmer, der von dem silberhellen Metall ausging... Götterträne war wahrhaftig ein guter Name für dieses grässliche Metall. „Was?“, fragte ich krächzend. „Was kann ich tun, um die Menschheit zu retten?“ Tassadar blickte mich lange an. Dann sprach er mit ungewohnt tiefer Stimme. „Die Götter haben sich nicht ganz von uns abgewendet. Wenn wir Reue zeigen und aus der Sünde versuchen eine Tugend zu machen, dann werden sie die Magie, die sie uns allen genommen haben, wieder auferstehen lassen, in drei Menschen, die den drei Mächtigsten der heutigen Zeit sehr ähnlich sind. Ein Magier, ein Krieger und ein Runenmeister werden dann aus den Rängen der Menschen emporsteigen und die Sünde tilgen, die ihr begangen habt.“ „Was für eine Tugend denn? Sollen wir die Dämonen mit der Macht der Götterträne vernichten?! Das war doch von Anfang an der Plan!“, schrie ich verzweifelt. Tassadar gestattete sich ein trockenes Lachen. „Wir wissen beide, dass wir Menschen das auch ohne diesen Sündenfall hätten bewerkstelligen können. Nein, die Götter und ich wissen bereits, dass ihr es tun werdet, wenn ihr auf den Berg von Skarrokkai zurückkehrt und dort Jaina die Runenmeisterin trefft. Doch wisst eines. Ihr, und viele Generationen von Menschen mit euch, werden die Gnade der Götter nicht erleben.“, er wandte seinen Blick ab. „Geht jetzt.“, fügte er hinzu, als ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen. Ich hatte verstanden. Jaina wusste bereits, was zu tun war und sie wartete im ewigen Gebirge auf denjenigen, den Tassadar zu ihr schicken würde. Und ich war entschlossen, die Erwartungen der Götter nicht noch einmal zu enttäuschen. Wir befinden uns nun am Ende unserer Reise durch Zaphods Zeit. Nur noch eine einzige Notiz trennt uns von der langen Dunkelheit der Zeit der Kriege. Diese Notiz ist in keiner Handschrift geschrieben, die wir bisher gesehen haben. Sie wurde wahrscheinlich in das Tagebuch eines Soldaten geschrieben, der einen aussichtslosen Kampf mit ansah. Vielleicht starb er wenige Minuten nach der Notiz... Doch seine Worte fangen ein letztes Wissen über Zaphods Schicksal ein. Ein Schicksal, bestimmt von der Rache der Götter. Ich spüre wie das Leben aus meinen Adern strömt. Und doch fühle ich mich verpflichtet, nicht mein Schicksal zu beklagen, sondern das des größten Magiers aller Zeiten. Wir zogen voller Zuversicht in die Schlacht, denn Zaphod der Dämonentöter und sein Göttertränenschwert Karzid zogen mit uns gegen ein Squidoheer, angeführt von Duriel selbst. Wir hatten uns gut geschlagen, doch dann wurde Zaphod eingekesselt- in einem Anfall von übermut hatte er sich auf Duriel gestürzt und ehe wir es uns versahen, waren wir von ihm abgeschnitten. Zaphod kämpfte gut- viele Male prallten Duriels Zauber von seiner Klinge ab, und oft schlug er tiefe Wunden in das Fleisch des Dämonenkönigs. Doch Zaphod, der trotz all seiner Macht dem Altern unterworfen war, verließ die Kondition. Immer öfter landete Duriel einen Treffer mit seinen sichelartigen Klauen. Schließlich hatte Zaphod nicht mehr die Kraft, einen Frostzauber Duriels abzuwehren. Er war wehrlos und ausgeliefert. Doch anstatt ihn als würdigen Gegner zu töten, würgte Duriel Zaphod ein paar Tropfen seines Dämonischen Blutes die Kehle herunter. Das letzte, was ich sah, bevor mir das Göttertränenschwert in den Bauch gerammt wurde, waren die roten Augen des ehemaligen Dämonentöters Zaphod, dem Squidogeneral. Nun also hat sich das Schicksal vom Zündholz Zaphod erfüllt. Es ist nun schwarz und verkohlt und verschwindet in der Dunkelheit. Der Scheiterhaufen, genannt Menschheit, brennt lichterloh und wird langsam von den Flammen verzehrt. Und erst viele Jahrhunderte später sollte die Weissagung Tassadars sich erfüllen und das Feuer durch langen, erfrischenden Regen gelöscht werden. Denn tatsächlich begann und endete die Zeit der Kriege am Berg Skarrokkai. Arthas und Jaina bereiteten eine so gewaltige Magie vor, dass selbst die Macht der Götterträne allein nicht ausreichte, sie zu erwecken... Doch all das ist eine andere Geschichte und soll in einem anderen Buch erzählt werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)