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Street Children´s Farewell

von

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Kapitel 1

Titel : 1. Kapitel
 

Autor : Himeka & Shirokko
 

Disclaimer : ist selbst geschrieben. Charaktere und Orte sind selbst ausgedacht. wer irgendwas mit der story machen möchte, sollte sich vorher bitte bei mir melden. Danke schön^^
 

Warnungen : Diese Geschichte enthält Shonen-Ai. Wem das nicht gefällt, der soll einfach umdrehen! Andererseits...

Man soll immer offen sein für seine Umwelt und neue Dinge kennen lernen...
 

Aber jetzt gehts los. Viel Spaß beim Lesen. Ich hoffe auf viele Kommentare! Sie helfen mir, meine Fehler und Macken auszubügeln!
 


 

Kapitel 1
 

Wind fegte durch die Hallen des großen Hauses und niemand, der nicht musste, war heute draußen. Es regnete und draußen liefen Polizisten durch die Gegend, da man eine Leiche aus dem Meer gefischt hatte. Es war einer ihrer Leute, von den Tigers ermordet. Er hatte nichts dagegen tun können, hatte zu spät gemerkt, dass sie ihn hatten. Es war ihm erst am nächsten Tag aufgefallen. Zu schade, denn Tama war ein guter Kämpfer und ein umgänglicher Mensch gewesen. Aber was machte das schon? Was sollte er schon groß dagegen tun können...? Was geschehen war, war geschehen...

Ernst sah er auf den Hof ihres Hauptquartiers hinab. Er stand auf dem Dach, beobachtete die Männer der Polizei, wie sie alles durchsuchten. Sie würden nichts finden, denn sie waren gut darin, nicht gesehen zu werden. Tatsächlich war draußen alles still. Alles ruhig. Abgesehen von dem ewigen Toben des Sturmes.

Wie er ihn liebte. Das Gefühl, wie er ihm durch die Haare peitschte, wie er an seinem Körper zerrte.

Er stutzte. Er hatte da unten jemanden gesehen. Einen Unbekannten. Jemanden, der nicht zu ihnen gehörte! Einen Fremden! Das war doch wohl... dreist! Genau, das war es!

Ein böses Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als er sich umwandte. Mal sehen, was dieser Jemand zu seiner Verteidigung zu sagen hatte…
 

Nun war er also geflogen. Das musste irgendwann ja passieren. Tachi, der Anführer der "Storms", hatte es ihm prophezeit, als er in die Gang eingestiegen war, und nun hatte es sich bewahrheitet. Da Kira im Augenblick niemanden hatte, sprich zu keinem Clan gehörte, lief er einfach so durch die Straßen. Er achtete gar nicht darauf, wo ihn seine Schritte hintrugen und landete bei einem leeren Fabrikgebäude. Er sah sich um, und bemerkte die vielen Polizisten. Und er hasste Polizisten. Wie die Pest.

Er zog sich seine Kapuze noch ein Stück tiefer ins Gesicht und lief an den Polizisten vorbei, seine Waffe unter dem Sweater verborgen. Es würde ihm gerade gar nicht in den Kram passen, wenn er jetzt von irgendwelchen Bullen hochgenommen werden würde. In der nächsten Querstraße bog er ein, in der Hoffnung, irgendwo zu landen, wo er vielleicht die Nacht verbringen könnte. Ein Blick an den Himmel zeigte ihm nämlich, dass die Dunkelheit sehr bald kommen würde und dass auch der Regen nicht so schnell wieder aufhören würde.
 

Als er aus einem der Fenster des Gebäudes sprang und schon zu der Stelle gehen wollte, wo der andere gerade gewesen war, da nahm er wahr, wie einige seiner Jungen eine Gasse entlangliefen. Ja, waren die denn völlig meschugge? Was, wenn die gestellt wurden? Wollten die im Knast landen?

Den Fremden vergessend, leise und wild vor sich hinfluchend machte er kehrt und lief ihnen nach. Er musste sie, wie es schien, zusammenstauchen. War doch nicht zu fassen!

Gerade dachte er, er hätte sie eingeholt, da blieben sie alle stehen. Sackgasse. Das hätten sie doch wissen müssen. War doch bekannt, das Gelände, sollte man meinen…

Der Grund wurde ihm offenbart, als er sah, dass vor ihnen ein Junge war. Eingesperrt in der Sackgasse. Der Fremde von vorhin. Pech, dass er sich hier nicht auskannte.

"Sieh mal, was wir hier haben!", rief einer plötzlich und die Gruppe begann zu lachen.

"Der ist ja winzig!", grinste ein anderer. Wieder Gelächter.

Zero schnaubte. Konnte er nicht finden. Der andere war kaum kleiner als er und ihn nannten sie auch nie klein! Was war daran so lustig? Die waren doch lebensmüde!
 

Er schaffte es gerade mal ein paar Meter in die Straße, als auf einmal ein paar Jungs vor ihm standen. Wahrscheinlich aus einer anderen Gang. Na Klasse. Wenn er sich jetzt mit denen prügeln müsste, würde das nicht gut sein. Weder für ihn noch für die anderen.

Kira sah sie sich genauer an. Der eine war so ein Typ, den man wahrscheinlich umgangssprachlich als bullig bezeichnen würde, die beiden anderen waren eher dünn und drahtig.

Kira unterdrückte jede Art von Regung, als er nach der Waffe unter seinem Sweater tastete. Währenddessen wurde der Regen immer extremer und Kiras Sachen wurden immer mehr durchweicht.

"Was wollt ihr, Jungs?" Seine Stimme klang eisig, genervt. Er hatte wirklich keine Lust mit irgendwelchen kleinen Jungs Streit anzufangen, nur weil diese ihre Kräfte nicht im Zaum halten konnten.
 

"Oh, das Kätzchen ist mutig!", höhnte der eine.

"Und nass!", der andere.

"Und er will kämpfen!" Der Bulle lachte. "Ich will auch. Ein kleiner Kampf kann mir nur gut tun! Danach werden wir sehen, aus welcher Gang der kommt!"

Das war genug. Zero verdrehte die Augen, drängte sie zwischen ihnen hindurch, gab im Vorbeigehen dem Dicken eine Kopfnuss, was eine kleine Kraftanstrengung war, denn dieser war fast zwanzig Zentimeter größer als er.

"Du bist ein Idiot, Mara!", sagte er, als er hinter sich hörte, wie noch einige seiner Leute kamen. Den Glöckchen nach zu urteilen waren es die Zwillinge. Zwei Mädchen, die so perfekt aufeinander eingestimmt waren, dass sogar er Schwierigkeiten hatte, sie zu besiegen. Einzeln waren sie sogar ziemlich schwach.

"Du könntest ihn einfach fragen. Erspart Knochenbrüche. Davon kannst du doch ein Lied singen!" Er schickte ihm ein abfälliges Grinsen, das den Größeren zurückweichen ließ.

/Waschlappen!/, murrte Zero in Gedanken, dann wandte er sich an den anderen. Er blickte ihn herablassend an. Blaue Augen, wie niedlich. Aber definitiv Bandenmitglied. Nicht sein Clan, fremder Clan… "Wer bist du? Du trägst dein Symbol nicht!" Er deutete auf sein Stirnband, das man unter seinen nassen Haaren kaum erahnen konnte. "Bist du lebensmüde oder ein Überläufer?"
 

"Warum willst du das wissen, hä?" Ein dezentes Knurren wich über Kiras Lippen. "Falls es dich interessiert: Ich bin weder das eine noch das andere. Aber bevor wir hier weiter ein Kaffeekränzchen halten: Wer bist du eigentlich?" Er war gereizt. Mittlerweile standen mindestens sechs Leute um ihn rum und wenn sie alle angreifen würden, hätte er keine Chance.

Die Zeichen der Storms, das blaue Stirnband und den kleinen Kreis, den er auf der Schulter hatte, hatte er entfernt. Vor kurzem erst. Und er spürte seine Schulter immer noch nicht. /Man sollte nie mit Feuer spielen.../, schwirrte es durch seine Gedanken.

Aber äußerlich ließ er sich nichts anmerken. Er war stark, und er hatte einen unzerstörbaren Willen. Er würde sich von diesen Jungs nicht unterbuttern lassen.
 

Ach nein? Kein Überläufer?

"Aber einer Gang gehörst du an?", fragte er, ignorierte geflissentlich die Aufforderung, dass er sich vorstellen sollte.

Dieser Junge gefiel ihm irgendwie. Die blauen Augen leuchteten vor Kampflust, die Haltung angriffslustig, nicht so verkrampft. Er wollte doch tatsächlich gegen sie alle kämpfen. Nein, wie niedlich.
 

Da dieser Neue, der allem Anschein nach der Anführer war, sich nicht vorstellte, hielt es Kira auch nicht für nötig, sich weiter mit ihm zu unterhalten. Er setzte sich in Bewegung und lief langsam an dem anderen vorbei. Als er auf dessen Höhe war, bemerkte er schräg vor sich eine Bewegung, zog dabei seinen Stock hervor und rammte ihn dem großen Typen in den Bauch. Es war feige, jemanden angreifen zu wollen, wenn dieser es nicht erwartete.
 

Im gleichen Moment schlang sich eine Kette um seinen Hals und er wurde zur Seite gerissen.

"Pech für dich!", grinste Zero. Er hatte mit dieser Aktion klar gemacht, dass er es war, der diesem Jungen die Leviten las, dass sich die anderen raushalten mussten. Er erwartete das, sie wussten darüber bescheid. "Jetzt hast du es nicht mehr so leicht!"

Er zog die Kette zurück, stellte erfreut fest, dass rote Striemen an dem weißen Hals zu sehen waren, ließ die Kette leicht und locker drehen.
 

Kira konnte gar nicht reagieren, so schnell wurde er von den Füßen gerissen und an die Wand geschleudert. Er landete direkt auf seiner verletzten Schulter und bemerkte, dass eine warme weiche Flüssigkeit seinen Pullover durchtränkte. Ein gellender Schmerz durchzuckte ihn und fuhr durch jede Faser seines Körpers.

Er rappelte sich auf, ließ die Schulter hängen. Dann sprach er leise, so leise, dass kaum jemand ihn verstehen konnte: „Ich wäre bereit, dir ein paar Fragen zu beantworten, wenn du deine ganzen Wachhunde zurückpfeifen würdest, und wir unter vier Augen reden könnten."
 

Oha. Wie erfreulich. Oder auch nicht. Das bedeutete, dass er schon gewonnen hatte. Andererseits. Entweder spielte der wirklich gut oder er war bereits angeschlagen. War der vielleicht aus seiner alten Gruppe rausgeflogen?

Ein kurzes Nicken, dann wandte er sich an seine Gruppe. „Was tut ihr eigentlich hier? Wollt ihr Knastbrüder werden? Wenn euch Tsubasa hier erwischt, dann habt ihr ein gewaltiges Problem, das ist euch schon klar, oder?“

„Bist du dir sicher, dass du mit dem alleine fertig wirst?“

„Willst du mit mir tauschen?“

Das Mädchen verstummte, schüttelte den Kopf, dann machten sie alle stumm, dass sie fort kamen.

Zero blickte den Jungen an. „Wie heißt du?“
 

"Kira. Und du?" Er lehnte sich völlig außer Atem an die Wand und hielt sich die immer noch schmerzende Schulter.

Ohne viel nachzudenken zog er dann seinen Sweater aus, riss ein Streifen seines T-Shirts ab, was er drunter trug und band es sich so um den Arm, das er über der Wunde abgeschnürt wurde. Es war ihm egal, dass der andere ihn beobachtete.
 

Zero ließ ihn tatsächlich nicht aus den Augen. Was sollte das werden?

Als er dann sah, was Fakt war, verstand er. „Kein Überläufer.“, stellte er leise für sich fest. Also auch keine Gefahr. „Du bist also verbannt worden…“, sagte er immer noch leise. „Darf man fragen, warum?“ Es musste schon einiges passieren, damit man aus einer dieser Gangs rausflog. Und von der Größe der Wunde her, war er bei den Storms gewesen. Alle anderen Zeichen waren größer.
 

Kira blickte sich um und dachte einige Sekunden nach. Sollte er diesem Fremden wirklich seine ganze Geschichte erzählen? Na ja, vielleicht nicht alles.

"Ich hab Scheiße gebaut. Einer meiner Ex-Bandenmitglieder hat meinen kleinen Bruder auf dem Gewissen. Sagen wir es so, ich habe gleiches mit gleichem vergolten. Dafür wurde ich aus dem Clan geschmissen." Hm, warum hatte er ihm jetzt doch alles erzählt? Abgeneigt war Kira seinem gegenüber jedenfalls nicht gerade.
 

Er hatte also jemanden aus seiner Gruppe gekillt. Aus Rache. Und deshalb hatten sie ihn verbannt? Seltsam… wirklich. Er selbst hatte schon für nichtigere Dinge getötet. Auch seine Leute, aber na ja.

„Kira, ja?“ Er trat auf den Jungen zu. Ohne auf ihn zu achten, nahm er ihm den Stab aus der Hand und ließ ihn zu Boden fallen. Gutes Ding, aus Metall, wie ihm der Aufprall verriet, aber darum würde er sich später kümmern, nicht jetzt. „Wenn du könntest, würdest du dann mich töten?“

Sein Grinsen war breit und bösartig, als er sich mit der einen Hand an der Wand hinter dem anderen abstützte und sich zu ihm hinabbeugte, und ihm in die Augen sah. Er war wirklich nur ein klein wenig größer als der Junge. Wie alt der wohl war? Seine zweite Hand strichen über das schmale Gesicht, zum Kinn hin, über die Lippen.

„Ja? Würdest du mich töten, wenn du könntest?“ Ganz langsam wanderte seine Hand zu der Schulter hinunter, drückte leicht auf die sie verdeckende Hand, so dass es einfach wehtun musste. „Sag schon!“
 

Kira war klar, dass er ihn sowohl mit der Geste als auch mit der Frage erniedrigen wollte. Er könnte sie einfach beantworten, aber warum brachte er zuerst keinen Ton heraus? Die Hand des anderen fuhr über sein Gesicht, und leichte Anspannung machte sich in ihm breit. Was sollte das, diese Geste?

Dann berührte er seine Schulter und erneut durchzuckte ihn ein zerstörerischer Schmerz. Gepackt von dem Gefühl der Wut, schleuderte Kira ihm ein eiskaltes "Ja!" entgegen. Dann dachte er noch einmal darüber nach. Er fühlte sich von dem anderen an der Nase herumgeführt. Was sollten denn diese Fragen?

Sich wieder fangend antwortete er noch energischer. "Ja, ich würde dich töten, wenn du mir einen Grund dafür gibst!"
 

Ein böses Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Das war mutig. Und ihm gefiel die Antwort. Nur sehr selten hatte ihm jemand ins Gesicht gesagt, dass er ihn töten würde, hätte er dazu die Möglichkeit, während er in der überlegenen Position war. Und selbst wenn nicht, die meisten hatten Angst vor ihm. Aus gutem Grund.

"Gut." Er richtete sich auf. "Test bestanden." Er bückte sich, hob den Stab auf und reichte ihn dem Jungen vor sich. "Willkommen im Club. Natürlich erstmal inoffiziell, um richtig dazuzugehören, wirst du noch den offiziellen Test bestehen müssen, wenn du das überhaupt willst, aber so lange... Gute Nacht."

Ein wirklich freundliches Lächeln, als der Junge nach seinem Stab griff, da flog auch schon die Handkante Zeros gegen seinen Hals und der Junge brach in die Knie. Zero fing ihn auf, bevor er sich weiter verletzen konnte. Leicht war er. Irgendwie. Vielleicht lag es auch daran, dass er immer davon ausgegangen war, alle Menschen in seiner Größe wären so schwer wie er. Immerhin hatte er sich noch nie dazu herabgelassen, jemanden zu tragen. Das hier war eine Ausnahme und es tat ihm eigentlich auch leid, dass das jetzt sein musste mit dem K.O., aber das hier war nun wirklich ein Fall für ihren Doktor. Und dem begegnete man am besten nicht unvorbereitet in wachem Zustand.

Schweigend katapultierte er mit dem Fuß den Stab in die Luft und fing ihn ungeschickt auf, hätte Kira fast fallen gelassen, doch schließlich schaffte er es, sich auf den Weg zu machen.

Leise klopfte er an der niedrigen Tür und ihm wurde direkt geöffnet. Ein Mann, so um die Vierzig, begrüßte ihn mit einem schiefen Grinsen, warf einen kurzen, irritierten Blick auf den Jungen in seinen Armen, dann trat er zurück und ließ ihn lautlos lachend eintreten. Klein, eine Seite mehr oder weniger steif, eine wulstige Narbe über dem europäischen Gesicht. Er war hässlich und woher er kam, wusste keiner, aber er war freundlich und nett mit einem ungewöhnlichen Hang zum Sadismus. Dabei würde er niemals jemandem wehtun, wenn es vermeidbar war. Aber das musste ja keiner wissen, so dass irgendwie jeder Angst vor ihm hatte. Zero nicht. Er und Tsubasa waren von dem Sensei aufgepäppelt worden, als sie ihre Eltern im Kindesalter verloren hatten, und im Zuge dessen hatten sie ihre Angst vor ihm verloren. Zero mochte ihn sogar sehr gerne... und zudem war er ein wirklich fähiger Arzt.

Eine Geste zeigte ihm, wo er ihn hinlegen sollte, und so bettete er ihn wortlos auf eine niedrige Pritsche.

Der Mann ging zu einem Schrank, zog Handschuhe an und wie immer begann Zero zu beschreiben: "Äußerlich eine Wunde an der Schulter, rührt davon her, dass man ihm ein Tattoo entfernt hat." Ruhig und sachlich hallte seine Stimme in dem kahlen Raum wider. "Innere Verletzungen nicht bekannt. Ohnmacht rührt von mir her, ich fand es besser so."

Wieder erklang das heisere Lachen, dann holte der Mann aus einer Schublade ein Skalpell, eine Schere und noch andere Dinge, die er wohl brauchen würde.

Zero lehnte sich gegen die Wand. Würde sicherlich interessant werden.

Und dann bekam er plötzlich ein Handtuch ins Gesicht, fing es verblüfft auf. Eine Geste zu dem Jungen und er machte sich seufzend an die Arbeit, Kira abzutrocknen... Das war der Preis fürs Zuschauen: Er musste mithelfen.

Der Sensei begann Kira abzutasten, seine Miene ernst, machte seine Sache gewissenhaft und ordentlich. Und nach einer Viertelstunde nickte er zufrieden und endlich wusste Zero auch, dass dem Jungen nichts wirklich Schlimmes passiert war.

Kurz rührte sich Kira, wollte offensichtlich aus der Bewusstlosigkeit erwachen, doch das ließ der Sensei nicht zu. Ein einziger Druck am Hals und er lag wieder still. Dann begann die Versorgung der Wunde: auswaschen, einsalben (selbst gemachte Salbe, natürlich chinesisches Spezialrezept), verbinden, dann nahm er aus einem kleinen Schrank eine Tablette und reichte sie Zero. Sollte der Junge Schmerzen haben, würde er sie ihm geben.

Dann der letzte Handgriff: ein kurzer Druck am Hals. Und schon begann Kira sich zu bewegen. Der Doc grinste, beugte sich über ihn. Das war der letzte Test...
 

Die Rückkehr in die Realität kam plötzlich, um nicht zu sagen sehr plötzlich. Er spürte einen leichten Druck an seinem Hals und öffnete die Augen, hielt sich eine Hand davor, da ihn das Licht blendete. Als sich seine Augen langsam an die Helligkeit gewöhnt hatten, ließ er die Hand sinken… und blickte mitten in das Gesicht eines Monsters.

Kiras erste Reaktion war vielleicht etwas übertrieben, er konnte es aber nicht verhindern. Er zuckte zurück und wollte sich seinen Stab nehmen, tastete über seinen Oberkörper. Noch bevor ihm auffiel, dass er gar keine Kleidung anhatte, durchzuckte ihn ein Schmerz, der eindeutig von seiner Schulter ausging.

Den Fremden vergessend drehte er seinen Kopf zur Seite und besah sich die Wunde. Er war erstaunt, als er nichts sah. Kein Blut. An der schmerzenden Schulter prangte nur ein kleiner Verband. Er sah wieder auf, sah den Fremden an, dann fiel ihm der Junge auf, der an der Wand lehnte und ihn anzuschauen schien.

„Wo bin ich hier? Und was seid ihr für Typen?“
 

Der Doc nickte bei den Worten zufrieden, wandte sich ab. Jetzt musste Zero übernehmen. Seine Arbeit war getan.

Dieser stieß sich von dem Schrank ab. Das Nicken bedeutete soviel wie: Der ist wieder in Ordnung. Es war sein Test: Erschraken die Menschen nicht vor ihm, wenn sie aus der Bewusstlosigkeit erwachten, war definitiv etwas nicht mit ihnen oder mit ihrer Wahrnehmung in Ordnung. Fazit: Kira ging es gut.

"Du bist hier im Lager der Dragons." Er hob das Kinn etwas und deutete dann mit seinem Finger demonstrativ auf das Drachentattoo, das sich offen sichtbar über seinen Hals bis hin zu seiner Wange schlängelte, wo das Gesicht des Drachen dem Betrachter finster entgegenblickte. "Ich gehe davon aus, du weißt, was das heißt und wer wir sind. Da du von den Storms kommst, hast du mit Sicherheit schon einmal Bekanntschaft mit einem oder auch mehreren unserer Jungs geschlossen, negativer Art, versteht sich. Mein Name ist Zero. Ich bin hier der Vize." Seine Tonlage drückte überdies aus, dass man sich besser mit ihm gut stellte, wenn man hier überleben wollte.

Mit einem sachten Schwung seines Armes drehte er sich um, sein nasser Mantel klatschte unbeachtet gegen die Pritsche, auf der Kira lag, verwies auf den hässlichen Kerl hinter sich, der gerade die blutigen Tücher von der Operation dazu benutzte, seine Gerätschaften zu säubern. "Das ist der Doc oder Sensei, je nachdem. Er ist derjenige, der dich wahrscheinlich vor einer Blutvergiftung oder schlimmerem bewahrt hat. Bedanke dich nachher am besten bei ihm… wenn du dich traust."

Der Sensei schickte ihnen einen irren, fanatischen Blick und begann zu grinsen und Zero grinste innerlich ebenfalls. Wie er erwartet hatte: Der Doc wollte gar nicht, dass die Menschen ihn für freundlich hielten. Aber das war sein gutes Recht.

Er strich sich eine Strähne schwarzen Haares zurück, richtete sich noch ein wenig auf, dass er größer, offensiver wirkte, sein kalter Blick richtete sich wieder auf den Jungen vor sich. „Frage an dich: Was sind deine Pläne? Hattest du vor, bei uns vorzusprechen, oder hast du genug vom Bandendasein und warst gerade auf der Flucht. Bist du vielleicht eher noch froh, dass du endlich keinerlei Verpflichtungen mehr hast, keinen Kodex, den du einhalten musst?" Sein Gesicht war drohend und nicht wirklich einladend. Im Grunde klang das alles eher nach: Sag jetzt das Falsche und du bist schneller tot, als du denken kannst. Aber so war er halt. Es war seine Art.
 

Kira sah Zero einige Sekunden in die Augen und wandte sich dann ab. Er hatte keine Lust mit dem Jungen zu reden, weil dieser irgendwie eigenartig war. Er hatte ihm bisher kaum etwas gesagt und er war... ein wenig seltsam. Wenn man den Doktor betrachtete, war dieses Wort allerdings noch eine gut gemeinte Untertreibung.

Er richtete sich auf, hielt kurz inne, da es ihm schwarz vor den Augen wurde. Er schloss sie und konzentrierte sich auf einen Punkt. Nach einigen Sekunden ging es wieder und er stand auf. Schleppend bewegte er sich in Richtung Tür, warf noch einmal einen kurzen Blick auf den Jungen und den Doktor, die ihm mit ausdruckslosen Gesichtern hinterher sahen…

Und dann, kurz bevor er die Tür erreichte, bemerkte Kira, dass irgendetwas nicht zu stimmen schien. Ihm wurde warm, er begann am ganzen Körper zu schwitzen und seine Schulter begann eigenartig zu pochen. Schleppend hielt er sich an der Türkante fest, die andere Hand auf die Schulter gepresst. Er atmete in kurzen, abgehackten Stößen, bevor er das Bewusstsein verlor.
 

Zero blickte den anderen lange an, wie er da am Boden lag, dann zuckte er plötzlich mit den Schultern. Dann halt nicht, hieß das. Konnte ihm doch egal sein, dann wurde das Kerlchen eben entfernt. War ja nicht so, dass sie unbedingt neue Leute brauchten.

Gerade machte er Anstalten, zu dem Jungen zu gehen, da wurde schwungvoll die Türe geöffnet. Und der Schädel des Kleinen um Haaresbreite verfehlt. Tsubasa machte kein schlechtes Gesicht.

„Huch? Wer ist das denn?“ Er war schneller in der Hocke, als jeder andere es für möglich gehalten hätte. „Der sieht ja lustig aus! Blonde Haare. Das ist selten hier!“

„Die sind gefärbt, du Pflaume.“, murrte Zero und lehnte sich, die Arme verschränkend, gegen den Tisch. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, den Jungen unauffällig loszuwerden. So ein Dreck. „Oder glaubst du, Japaner sind blond?“

„Vielleicht waren seinen Vorfahren ja nicht-Japaner.“, zuckte der fröhliche junge Mann mit den Schultern. „Ich meine, das kann doch vorkommen, dass diese Information in seinen Genen vorhanden ist!“ Wieder lachte er, dann hob er Kira hoch und kam mit ihm zu seinem Bruder. „Aber du solltest dich was schämen. Den Kleinen hier einfach liegen zu lassen!“

Zero trat zur Seite, rollte mit den Augen und beobachtete, wie Tsubasa seinen Fund auf die Pritsche zurücklegte. „Klasse, Ta-chan! Wirklich. Ich habe ihm doch die Wahl gelassen, er will nicht hier bleiben!“

„Ach, hast du ihn gefragt?“ Das Lachen wurde ausgelassen, als sich der junge Mann umdrehte und ihm glücklich auf die Schulter schlug. „Und dann sagst du, er will nicht? Ich würde auch nicht wollen, wenn du so schaust wie jetzt!“ Er schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. „Du bist wirklich nicht nett, dabei ist er doch wirklich niedlich.“

„Kannst ihn ja fragen, ob er bleiben will.“, gab Zero murrend zurück und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Wenn du das so machst, dann sagt er mit Sicherheit Ja!“, spielte er auf die Umarmung an.

Tsubasa verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Wie gemein, Rei-chan!“ Er ließ ihn los, umarmte dann den Doc, der ihm grinsend ein Bonbon in den Mund steckte, dann drehte er sich einmal im Kreis. „Aber du hast Recht, ich werde ihn fragen, denn er scheint was draufzuhaben! Er hat Mara getroffen!“

„Ist ja nicht schwer.“

„Oh doch, es ist schwer, wenn man bedenkt, dass der wirklich gut ist!“ Tsubasa kam zurück zu seinem Ziehbruder und schlang erneut die Arme um dessen Taille. Er war etwas größer, sein Gesicht weniger rund, sein Körper aber etwas schmächtiger, was seiner Kraft allerdings keinen Abbruch tat. Seine Augen waren lebendiger, hatten mehr Feuer als Zeros kalte Seelenspiegel. „Du bist nur viel zu gut, weil du mehr Übung hast.“

Ja, er hatte ja Recht. Zero begann zu grinsen und strubbelte Tsubasa dann durch die ebenfalls hüftlangen Haare, dass dieser vergnügt zu kichern begann und ihm schließlich einen Kuss gab.

„Ich werde ihn wecken, dann kann ich ihn fragen.“

„Und wenn er dann immer noch Nein sagt, dann werde ich ihn ins Meer schmeißen!“

„Du bist echt unmöglich!“, lachte Tsubasa und ließ ihn dann los, um zu dem schlafenden Kira zu gehen. „Wie heißt er?“

„Kira.“

Ein kurzer, belustigter Blick. „Du hast dir seinen Namen gemerkt?“ Er lachte, dann schüttelte er den Bewusstlosen leicht an der unverletzten Schulter. „Hey, Schlafmütze, aufwachen!“

Zero verzog sich murrend an die Wand, um dem Gespräch möglichst unbemerkt beizuwohnen.
 

Kira merkte den Druck an seiner Schulter und schlug die Augen auf. Über sich sah er das Gesicht eines Mannes. Seine Ausstrahlung war allerdings alles andere als typisch für diese Gegend. Er schien ein richtiger Sonnenschein zu sein.

"Was bist du denn für einer?", fragte Kira, in der Hoffnung gleich eine Antwort zu bekommen, und nicht wieder abgewiesen und übergangen zu werden.
 

"Hallo!", grinste der Schwarzhaarige und strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. "Ich bin Tsubasa Kaji. Ich bin hier der Chef." Er hielt ihm die Hand hin. "Du bist also Kira. Hat zumindest Zero-chan gesagt."
 

Kira sah die ausgestreckte Hand einen Moment skeptisch an, bevor er langsam seinen Arm hob und seine Hand in die von Tsubasa sinken ließ.

"Aha... Dann heißt der ewig Unbekannte also *Zero-chan*." Ein Blick fiel zu dem Jungen, der lässig an der Wand lehnte.
 

Ein Blick aus Eis schoss zurück. "Das. Hast. Du. Nicht. Gesagt!" Die Stimme nicht minder eisig.

Tsubasa lachte erfreut. "Immerhin ist er nicht tot!", sagte er.

"Das wird er sein, wenn er das noch einmal sagt!"

"Aber warum? Ich nenne dich doch auch so!"

"Was nicht heißt, dass er das darf!"

"Langweiler!", murrte Tsubasa und wandte sich von ihm ab, dem Jungen auf der Pritsche zu. "Und, was hat dich nun hierher verschlagen?"
 

"Probleme in meiner letzten Gang..." Er deutete leicht auf seine Schulter. "Die Storms sind ziemlich radikal was Verbannte betrifft. Ich kann froh sein, noch zu leben."

Ein Brennen, was sich rasant in seiner Schulter ausbreitete, veranlasste Kira dazu, sich aufzurichten und sich die verletzte Stelle anzusehen. "Sag mal, hast du irgendetwas gegen den Schmerz?", fragte er an Tsubasa gewandt.
 

Der blinkte kurz, dann drehte er sich zu Zero um, ging auf ihn zu. Fordernd streckte er ihm die Hand entgegen. Seine schwarzen Augen bohrten sich wie Dolche in die grünen seines Bruders, Vorwurf lag darin.

Zero ging in Abwehrhaltung. War doch nicht auszuhalten, dieser Blick. Und genau aus diesem Grund, rückte er schließlich mit dem Medikament heraus. Widerwillig und sichtlich unglücklich mit der Situation. "Das hat er nicht verdient!", murmelte er.

"Du bist ein Sadist!", grinste Tsubasa, während aus dem Hintergrund ein heiseres Lachen ertönte. Er kam zu Kira zurück, gab ihm die Tablette und kurz darauf ein Glas mit Wasser.
 

Kira war nicht entgangen, dass Zero ursprünglich das Medikament hatte, und es ihm, wie es schien, nur widerwillig geben wollte. Die Tatsache, dass Tsubasa ziemliche Kontrolle über Zero zu haben schien, überraschte ihn sehr.

Er nahm es von Tsubasa entgegen und schluckte es zusammen mit einem Schluck Wasser herunter. Sofort hatte er das Gefühl, dass die Tablette anschlug. Sein Geist wurde ein bisschen nebelig und die Schmerzen seiner Schulter wurden weniger intensiv.
 

"Besser?", fragte Tsubasa freundlich und lächelte, als er das Glas wieder zurücknahm. "Hoffentlich, denn dann kannst du mir sicher endlich die Fragen beantworten, die ich brauche, damit ich weiß, wo ich an dir bin. Das ist sehr wichtig, musst du wissen, denn ich kann als Anführer schwerlich das Risiko eingehen, die ganze Gruppe zu gefährden und dich ohne Fragen bei uns lassen. Ich meine, das ginge schon, wenn du diesen Raum hier nicht mehr verlässt, aber damit wäre Zero-chan wohl nicht einverstanden, zumal du ihm anscheinend die Antworten versagt hast. Was du im Übrigen in Zukunft vielleicht lieber nicht tun solltest, da er mein Vize ist und damit ebenso viel Macht hat..." Er lächelte entschuldigend. "Er ist ein bisschen eigen. Tut mir wirklich leid, aber..."

"Wieso tut es dir leid? Ich habe nie gehört, dass du dich darüber beschwert hättest!", warf der Chinese ein.

"Hätte es denn was gebracht?"

Die Augen wandten sich missmutig zur Wand und der Schwarzhaarige fing zu lachen an.
 

Ein leichtes Lächeln huschte über Kiras Gesicht. /Wie typische Geschwister!/, schoss es ihm durch den Kopf. Die beiden waren wirklich lustig anzusehen.

Für Kira wäre es am besten, jetzt die ganzen Fragen Tsubasas zu beantworten und vielleicht eine neue Gang zu finden als auf stur zu schalten, den Zorn der beiden zu provozieren und gleich hier sein Leben auszuhauchen, nachdem er gerade erst den Angriff seiner eigenen ehemaligen Gang überlebt hatte.

Mal schauen was kam, er würde gegenüber Tsubasa jedenfalls nicht abblocken.
 

Das Lachen hielt ein paar Sekunden an, bevor Tsubasa wieder ernst wurde... soweit das bei seinem Charakter überhaupt möglich war.

"Und: Willst du bleiben?"
 

Kira dachte einige Sekunden nach und antwortete dann "Ich hätte nichts dagegen. Dann hätte ich wieder eine Aufgabe..." Ein leichtes Lächeln flog über sein Gesicht.
 

"Super! Na dann, willkommen!" Er grinste. "Dann fehlt jetzt nur noch die Mutprobe, dann ist alles klar. Dann werde ich mal Kimi sagen, sie soll dir einen Platz zu Schlafen frei räumen, wir brauchen noch Geschirr für dich und wir müssen herausfinden, welche Talente du hast, damit du uns auch nützlich bist... und dann..."

"Ist ja gut!" Zero kam, wuschelte ihm einmal durch die Haare. "Lass den Kleinen erstmal schlafen. Wie der drauf ist, steht der doch nicht mal den Weg ins Haupthaus durch!" Damit ging er an ihnen vorbei, ohne Kira noch einmal eines Blickes zu würdigen, dann war er auch schon verschwunden. Tsubasa hatte gesagt, was er zu tun hatte, also würde er sich dann mal an die Arbeit machen.

Tsubasa grinste. "Er hat schon Recht.", sagte er. "Schlaf erstmal. Ich hol dich dann ab, wenn der Morgen graut." Frech stupste er Kira gegen die Nase. "Und wenn nicht ich, dann halt er!", deutete er auf die bereits ins Schloss gefallene Tür.
 

Sobald Tsubasa ausgesprochen hatte, dass Kira sich ausschlafen sollte, wurden auch schon seine Augen schwer und er legte sich wieder auf die Pritsche. Da er kein T-Shirt an hatte und durch die offene Tür, die sowohl Zero als auch Tsubasa geöffnet hatten, ein eisiger Wind hereingefegt war, wurde es ihm kalt und er schaute sich im Zimmer um. Es war nur noch der Doktor zu sehen. Er machte zwar immer noch keinen besseren Eindruck auf Kira, aber was sollte es. "Sagen Sie, könnten Sie mir eine Decke oder ein Shirt geben??? Oder machen Sie bitte die Heizung an..."
 

Schon im nächsten Moment flog eine raue Wolldecke auf ihn zu, klatschte ihm ins Gesicht. Wieder erklang das heisere Geräusch, das mit viel Phantasie ein Lachen sein konnte, aber eher ein Grunzen war.

Dann ging das Licht aus und der Doc verschwand durch die Hintertür in seinem persönlichen Bereich.

Kapitel 2

Kapitel 2:
 

Da der Behandlungsraum kaum bis gar keine Fenster hatte, wurde Kira nicht durch Licht geweckt, sondern durch Kälte. Und diese Kälte war beißend. Er richtete sich auf und schlang sich die Decke enger um den Körper, bis er eine Bewegung aus der Ecke des Raumes eine Bewegung wahrnahm.

Kira drehte sich herum, tastete seinen Körper ab, bis ihm wieder einfiel, dass ihm der Stab ja abgenommen wurde.

"Hallo?"
 

"Na sieh mal einer an." Schneidend zerriss die Stimme die Stille. "Der Krümel ist wach."

Zero ließ das grelle Neonlicht aufflackern. "Steh auf, Tsubasa erwartet dich!"
 

Kiras Gesicht wurde sofort abweisend. Die Umgebung wurde gleich um noch 10°C kälter. Eine Ader an seiner Schläfe begann gefährlich zu pochen. Dann noch der Befehlston…

"Sag, was hast du eigentlich für ein Problem mit mir??? Du behandelst mich die ganze Zeit wie eine Made, die dummerweise bei dir aufgetaucht ist und die dich total nervt."
 

Oh, passend beschrieben... unglaublich.

Zeros Gesicht drückte genau das aus. Er war überrascht. Und wie. Seit wann konnte ihn jemand so genau durchschauen, der nicht Tsubasa hieß?

"Problem würde ich nicht sagen.", kam es dennoch von ihm und er begann böse zu lächeln. "Es ist viel eher so, dass ich dich nicht leiden kann. Jemand, der nicht weiß, was er will, hat es nicht verdient zu leben."
 

Kira war kurz davor sich die Haare zu raufen. Was wollte dieser Kerl eigentlich von ihm??

"Soll ich etwa meine ganze Seele vor dir ausschütten?? Willst du meinen Therapeuten spielen?" Ein fieses Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Du warst, gelinde gesagt, nicht gerade nett zu mir. Warum also hätte ich dir alles von mir sagen sollen?"
 

"Wer hat denn gesagt, dass ich einen Therapeuten spielen will?", schoss Zero zurück. "Es ist ja nicht so, als wüsste ich besser, was du willst als du! Wär ja auch traurig, dann müsste ich mir meinen Kopf ja mit deinen Problemen zerbrechen..."

Er klatschte ihm ein Hemd entgegen, blau und kurzärmelig, aber genau seine Größe. Es würde reichen fürs erste. "Los, komm mit, dann bist du mich auch endlich los! ... und ich dich auch..." Missmutig drehte er sich wieder zur Tür.

Er war um seinen Spaß gebracht worden. Eigentlich hatte er sich schon sehr darauf gefreut, den 'Winzling' wecken zu dürfen. Er hatte da einige böse Methoden, die er noch nicht ausprobiert hatte... Aber der hatte einfach einen zu leichten Schlaf...

Dann blieb er noch mal stehen, überlegte kurz. Schließlich seufzte er. "Eigentlich will ich nicht, aber Ta-chan wird böse, wenn ich es nicht tue, also... Hier!" Und er warf ihm noch eine der kleinen Tabletten zu.
 

Kira fing sie auf und schob sie sich in den Mund. Tsubasa hatte gestern ja erwähnt, dass er eine Mutprobe bestehen müsste. Ohne Tablette würde er das allerdings nicht schaffen.

Dann besah er sich das Hemd und zog es schließlich an. Es passte einigermaßen. Etwas groß, störte aber nicht weiter.

Dann machte er sich mit Zero auf den Weg. Unterwegs kamen sie an einigen Mitgliedern der gang vorbei, die Kira mit verstohlenen Blicken musterten.
 

Sie folgten ihnen in gewissem Abstand, umrundeten sie, gingen schweigend wie auf einer Prozession weiter, Kira und Zero in der Mitte. Bis sie einen Hof erreichten, dort strebten sie auseinander, stellten sich im Kreis an die Wände, warteten immer noch schweigend, während Zero den Neuling in die Mitte führte, dort stehen blieb. Als er sich umdrehte, waren seine Augen vorfreudig funkelnd.

"Kurz die Regeln: Du wirst gegen Chibi-chi und Chibi-chan antreten." Hinter ihm erschienen zwei Mädchen, die sich bis aufs Haar glichen, nur halt spiegelverkehrt. Schwarze Haare, schwarze Augen, schmaler Körperbau und sichtlich begeistert. Sie freuten sich definitiv. "Ihre Aufgabe ist es, dich auf ihre Art zu besiegen. Viel Vergnügen." Damit deutete er eine spöttische Verbeugung an und überließ den Ring Kira und seinen beiden Kontrahentinnen.

Die beiden Mädchen kicherten unablässig, warfen sich zwischendurch immer wieder Blicke zu, die sie in Verzückung geraten ließen. "Du bist so süß!", quietschten sie glücklich.
 

Kira konnte seinen Ohren nicht trauen. Er sollte gegen zwei Mädchen antreten??? Mädchen? Er hatte zwar nicht, wie manch andere, den Vorsatz keine Mädchen zu schlagen, aber trotzdem gefiel es ihm nicht sonderlich.

Nachdem sie ihn auch noch mit "süß" betitelten, drehte sich Kira zu Zero um, und sah ihn mit einem fragenden Blick an. "Was soll das? Ich meine..." Sein Blick glitt zu den Mädchen. Diese sahen sich immer noch an und warfen sich verzückte Blicke zu.
 

Dessen Grinsen wurde breiter. „Deine Probe. Besiegst du sie, bist du aufgenommen. Und frag mich nicht nach dem Grund. Das ist einzig und allein auf Tsubasas Mist gewachsen. Wäre es nach mir gegangen…“

Der junge Mann neben ihm grinste fröhlich, winkte einmal, dann deutete er auf die beiden Mädchen hinter ihm. „Sie warten.“, flötete er, dann ging ein Raunen durch die Gruppe. „Ach ja, den hier wirst du wohl brauchen.“ Er warf ihm seinen Stab zu, doch bevor er auch nur die Möglichkeit hatte, danach zu greifen, waren die Zwillinge da. Jede einen Fächer in der Hand. Von zwei Seiten griffen sie an, der Fächer der rechten streifte seinen Haarschopf, als hätte sie nicht weiter gezielt, und während er noch zu ihr sah, um auf weiteres zu reagieren, bekam er von der anderen einen Kuss auf die Wange.

Das war ihre Technik, wenn sie spielen wollten. Nicht verletzen, aber schmusen, knuddeln.

„Herzchensalve!“, schrieen die Zuschauer begeistert.
 

Kira taumelte kurz zurück, geplättet von der Kampftaktik der Mädchen. Dann besann er sich allerdings und hechtete nach vorn zu seinem Stab. Mit diesem in den Händen fühlte er sich schon viel besser und sicherer. Jetzt musste er nur noch einen guten Gegenangriff finden.

Als die beiden Mädchen erneut zum Angriff ausholten, duckte sich Kira unter ihnen weg und stellte sich mit flinker Gewandtheit genau hinter Chibi-chi oder Chibi-chan - das konnte er im Moment nicht sagen. Er hob seinen Stab und schlug sie seinem Gegner gegen die Kniekehlen, damit dieser das Gleichgewicht verlor. Gleichzeitig griff allerdings der zweite Zwilling an und zwang Kira so zum Rückzug. Vorerst.

Nachdem sich Chibi-chan von dem Angriff erholt hatte, stellten sich die Geschwister wieder vor ihn und begannen erneut, sich mit Blicken zu bedenken. Kira rollte genervt mit den Augen, als ihm mal wieder ein "Du bist so niedlich!" entgegen tönte.
 

Die beiden grinsten. „Ich will ihn knuddeln!“, rief Chibi-chi.

„Ich will durch seine Haare wuscheln!“, schloss sich Chibi-chan an.

„Ich will ihn kitzeln!“

„Ich will ihn umarmen und nie wieder loslassen!“

„Ich auch!“

„Er ist so niedlich!“, quietschten plötzlich beide los und lagen sich dann gegenseitig in den Armen. Und dann wurden sie ernst, als sie beide zu ihm sahen.

„Dann wollen wir doch mal dafür sorgen, dass er sich nicht mehr wehren kann.“, begann wieder Chibi-chi.

„Genau, damit wir ihn herzen können, ohne dass er wegläuft!“, erwiderte Chibi-chan.

„Und dann…“

„… werden wir ihn nie mehr loslassen!“ Wieder das Gequietsche und im nächsten Moment griffen sie wieder an. Jede langte nach einem Ende des Stabes, denn wenn der erstmal weg war, dann hätten sie freie Bahn!
 

Kira hatte die Absichten der Mädchen im Gespür und warf in einem plötzlichen Einfall seinen Stab in die Luft. Noch während die Mädchen auf ihn zustürmten, sprang er seinem Stab hinterher, fing ihn auf und versuchte ihn einem der Mädchen über den Kopf zu ziehen.

Leider ohne Erfolg.

Als er wieder auf dem Boden stand, hatte er kaum Pause, da die Zwillinge sofort wieder angriffen. Kira duckte sich, um dem einen Fächer auszuweichen, als ihn der andere unsanft in der Bauchgegend traf. Er spürte einen heftigen Schmerz, bevor sich Chibi-chi mit ihrem Fächer auf Kiras Schulter stürzte. Dieser wusste nicht sich anders zu schützen, als den Stab wie einen Rotor vor sich kreiseln zu lassen, sodass die Mädchen vorerst nicht in seine Nähe konnten.
 

Zero nickte bedächtig. Er war gut. Unerwartet gut. Und wider erwarten freute es ihn, was ihm nicht einmal bewusst war. Seine Augen folgten dem geschmeidigen Körper, der trotz Verletzung wirklich beweglich war. Jede Bewegung saß perfekt, auch wenn die Zwillinge wirklich schwer einzuschätzen waren. Tabletten waren eben doch Gold wert.

Gerade griffen sie wieder an. Chibi-chi warf ihren Fächer, sprang gleichzeitig in die Luft auf ihn zu, doch es war nicht sie, die tat, was sie andeutete. Chibi-chan warf sich ihm um den Hals, während die Schwester den Stab an sich nahm, ihn freudig-ausgelassen herumhüpfend über dem Kopf schwenkte. Und dann geschah das, was jeder hier erwartete: Chibi-chan gab ihm einen Kuss. Auf den Mund. Der Kampf war vorbei. Kira hatte verloren.

Zero warf einen Blick auf Tsubasa, der seinerseits auf die Uhr blickte, dann glücklich zu grinsen begann. „Zweiundzwanzig Minuten!“, rief er in die Runde und schwenkte die Großvatertaschenuhr über dem Kopf. „Neuer Rekord! Kira ist aufgenommen!“

Zero grinste. Das war doch gut. Das war sehr gut. Obwohl er eigentlich zu der Überzeugung gekommen war, dass er ihn gar nicht mochte. Komischer Gedanke…

Jugendliche stürzten jubelnd in die Mitte, wo Kira jetzt endgültig in den Klauen der Zwillinge war, beglückwünschten ihn, klopften ihm auf die Schulter, gratulierten ihm. Es war eine reine Freude. Richtig gruselig, aber so war es bei jedem Neuling, der bestand.
 

Kira bemerkte genau, wann er die Kontrolle über den Kampf verlor. Er passte einen Moment nicht auf, da wurde er von den Zwillingen überwältigt und entwaffnet. Mutig, oder bescheuert - wie man’s nahm - sah er entschlossen in ihre Augen, als sie sich ihm um den Hals warf und ihn küsste. Entsetzt riss er die Augen auf und erschrak noch mehr, als er hörte: "Kira ist aufgenommen!"

Nicht fähig die Situation zu begreifen, starrte er ins Leere. Sein Herz machte einen Sprung, innerlich froh, die Aufnahmeprüfung bestanden zu haben. Die anderen Mitglieder beglückwünschten ihn und Kira entschied, dass er hier nicht mehr weg wollte. Er kannte die Gruppe zwar kaum, aber sie gefiel ihm. Sehr sogar.

Nachdem sich die Jugendlichen beruhigt hatten, drehte sich Kira zu Zero und warf diesem einen Blick zu, der deutlich sagte: Ich kann etwas. Genau wie du. Hoffentlich akzeptierst du mich jetzt ein bisschen mehr. Dann huschte ein Grinsen über seine Lippen. Er stellte sich einen lächelnden Zero vor. Er hoffte, irgendwann mal in den Genuss zu kommen, diesen Anblick, den er nun vor seinem geistigen Auge hatte, auch mal in Natura sehen zu können.
 

Doch dazu kam es nicht. Den Blick erwidernd wurden seine Augen abschätzig und höhnisch. Er bildete sich was drauf ein? Konnte er, aber das hieß nichts. Ihn selbst hatten die beiden auch nicht besiegt…

Ohne eine weitere Regung wandte er sich ab, während Tsubasa zu dem Neuling rannte und ihn überglücklich in die Arme schloss. Er brauchte jetzt nicht mehr soviel zu sehen. Jetzt hatte er ja die Gewissheit, dass der andere bleiben würde, dass er ihn im Auge behalten und irgendwann mal gegen ihn kämpfen konnte. So mutige Antworten bekam man eben nicht häufig.

Zero ging zum Meer, wie immer, wenn er bewegt war. Heute war er es auf eine seltsam beruhigende Art und Weise. Sein Herz war gelöst, seine Seele baumelte. Es war irgendwie angenehm, wieder ein Ziel vor Augen zu haben. Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnte: Er wollte einen Gegner, der nicht vor ihm zurückschreckte, und genau das würde er aus diesem kleinen Kira machen. Genug Mut hatte er schließlich!
 

Als Tsubasa ihn wieder losließ, nachdem er ihn fast erdrückt hatte, suchten Kiras Augen Zero, fanden ihn jedoch nicht mehr. Der andere war verschwunden. Irgendwohin.

Mit einem leichten Schulterzucken setzte sich Kira in Bewegung, den anderen folgend, die nun eine kleine Willkommensfeier für ihn geben wollten. Schnell wurden ihm von hinten die Augen verbunden und er wurde an je einem Arm von Chibi-chi und Chibi-chan geführt. Als ihm die Binde wieder gelöst wurde, erblickte er einen großen, überdimensionalen Raum. Mit einer Treppe ging es sogar noch eine Etage höher. Dieses Loft wurde ihm als Zentrale und Wohnung der beiden Chefs und als Versammlungsraum der Gruppe vorgestellt.

Mara, der dicke Kämpfer aus der Gasse, trat während der Einführung leise und heimlich hinter ihn und flüsterte ihm eine gut gemeinte Warnung ins Ohr. Sollte Kira je die obere Etage betreten, wäre er ganz sicher einen Kopf kürzer. Ein leichter Schauder lief ihm über den Rücken. Na das konnte ja heiter werden!
 

Zero kam nach ein paar Stunden zurück, da waren sie alle noch am Feiern. Bier und Wein floss, wie man deutlich roch, wie er mit deutlichem Missfallen registrierte, als ein paar Jungen lallend auf ihn zukamen. Klasse.

„Lasst mich doch in Ruhe!“, murrte er, stieß sie weg, was sie lachend kommentierten:

„Er hat mich angefasst!“

„Ui, lass mal riechen!“

Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. Oh man, die Gruppe würde zugrunde gehen. Früher oder später. Wütend darüber machte er sich auf den Weg hinauf. Besser allein sein als diese Idioten um sich herum!
 

Kira feierte ausgelassen seinen Eintritt in die Gang. Er hielt sich mit dem Alkohol allerdings zurück, da er noch immer unter Medikamenten stand, man konnte ja nie wissen, was noch passieren könnte.

Nach einiger Zeit kam auch Zero wieder zurück, wie Kira aus den Augenwinkeln bemerkte.

Als ihm die Luft zu stickig wurde und ging er vor die Tür, wo er sich gleichzeitig von dem Wind der herrschte ein wenig abkühlen ließ. Er lief ein paar Schritte auf und ab und musterte das Gebäude von außen. Es war unauffällig. Das war gut. Kaum jemand, der nicht wusste, was es war, würde es für ein Gang-Quartier halten, sondern einfach für eine abgehalfterte, baufällige Fabrik.
 

Zero stand oben auf dem Dach, als unten zum x-ten Male die Tür aufging. Und wie jedes Mal sah er nach, wer herauskam. Es erstaunte ihn halb, dass es Kira war. Er hätte nicht gedacht, dass er es schaffte, die Neugierigen heute schon abzuhängen. Oder hatte er ihnen einfach nur deutlich gemacht, dass er nicht wollte? Vielleicht hatte er ihre Neugier ja auch schon befriedigt?

Blieb noch die Frage, was er hier machte. Musste er sich etwa auch wegen übermäßigem Alkoholkonsum übergeben? Wie die anderen? Hatte er sich doch geirrt, was den Kleinen betraf?

Doch Kira lief nur hin und her. Scheinbar ging es seiner Schulter wieder besser. Er hatte jedenfalls nicht mehr nach einer Tablette verlangt, sonst wäre Tsubasa längst hier aufgetaucht. Oder er selbst… wäre wohl besser wenn nicht, dann würde sein Leben nicht schon heute enden…

Desinteressiert wandte er sich ab. Es hatte wieder zu regnen begonnen…
 

Als Kira die ersten Tropfen des Regens auf seiner Haut spürte, streckte er den Kopf gen Himmel. Es war schön... und so entspannend. Er liebte den Regen, auch wenn er ein dunkles Kapitel seiner Vergangenheit beleuchtete. Als sein Bruder damals gestorben war, hatte es auch geregnet... in Strömen.

Als der Regen stärker wurde und langsam seine Klamotten durchtränkte, entschloss er sich wieder nach drinnen zu gehen. Er war zwar schon wieder relativ fit, und seine Schulter schmerzte kaum noch, aber er musste sich ja nun nicht noch eine Grippe einfangen.

Als er wieder in den Innenraum kam, schlug ihm der Geruch nach Alkohol und Zigaretten nur so entgegen. Sobald die anderen ihn wieder ausmachten, waren Chibi-chi und Chibi-chan wieder an seiner Seite, um ihm nicht noch mal die Gelegenheit zu bieten, heimlich zu verschwinden. Auch Mara gesellte sich nach einiger Zeit zu ihnen. Sowohl die Zwillinge als auch der Hüne hatten schon ne Menge getrunken, so dass sich ihre Wangen leuchtend rot von den Gesichtern abhoben.

Kira lächelte in sich hinein, als er versuchte, einem plötzlichen Redeschwall von Chibi-chan hinterherzukommen. Es war wirklich lustig mit anzusehen, was der Alkohol aus manchen Leuten machen konnte.
 

Plötzlich übertönte ein zorniger Schrei die laute Musik. Wut und lodernder Hass klangen darin. Ein zweiter Schrei, ängstlich, dann ein unsicheres Lachen der gleichen Stimme. Der Raum versank im Schweigen. Selbst die Musik hatte gerade beschlossen, ein leiseres Lied zu beginnen, dass kaum zu hören war.

„Z…Zero?“, hörte man die Stimme durch den Raum flattern, dünn, zaghaft, entschuldigend. Und sie kam definitiv von oben.

Tsubasa sprang auf, gerade als die Musik mit einem Knall schneller und lauter wurde. „Zero!“, schrie er. „Lass es sein!“ Seine Augen waren weit aufgerissen, die Augenbrauen vor Vorahnungen tief in die Stirn gezogen. „LASS ES SEIN!“

Es war definitiv zu spät. Zero erschien an der Treppe oben, hinter sich her schleifte er ein Mädchen an den Haaren. Sein Hemd war blutbespritzt und auch an seinem rechten Arm und an seinem Hals über der Tattoowierung lief Blut herab. Es war deutlich zu erkennen, dass es nicht seines war.

„Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr es nicht wagen sollt, hier heraufzukommen, aus welchen fadenscheinigen Gründen auch immer!“, grollte er und Angst machte sich in den Gesichtern breit, als er den Körper die Treppe hinunter warf. Das Mädchen schlug mehrere Male mit dem Kopf auf die Stufen, kam erst am unteren Ende zum Liegen. „Ich habe euch gewarnt!“

Tsubasa rannte zu dem Mädchen hin, beugte sich über sie und fühlte ihren Puls. Ein kurzes Zeichen und zwei Jungen kamen, hoben sie hoch und trugen sie eilenden Schrittes aus dem Zimmer. Sie war nicht tot, aber sie brauchte dringend ärztliche Behandlung! Der Anführer richtete sich auf, sein Gesicht ernst, blickte er zu seinem Pflegebruder hinauf, der den Blick aus irren Augen erwiderte. Vorwurf lag darin.

Und Verständnis, tief verborgen…
 

Kira war gerade dabei mit den Zwillingen zu reden, als ein Schrei die Stimmung zerriss und Ruhe, beinahe völlige Ruhe, in dem Loft hervorrief. Kira hob sofort den Kopf, um den Verursacher des Schreis zu suchen, als er Zero mit einem Mädchen am oberen Ende der Treppe stehen sah. Seine Augen weiteten sich, als er das Blut an ihm sah.

Kira besah sich das Mädchen genauer und entdeckte eine Platzwunde an ihrem Auge und eine geschwollene Wange, ihr Bein stand seltsam ab. Im Grund hing sie wie ein Schluck Wasser in seiner Hand. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Zero etwa eines seiner eigenen Mitglieder geschlagen?? Und dieser Blick in seinen Augen: gerade zu bizarr und fanatisch, nicht gerade positiv.

Ein leichter Schauder kroch über seinen Rücken.

Dann fiel ihm wieder Maras Warnung ein. Das hatte das also zu bedeuten. Jetzt verstand er. Aber das hieß nicht, dass er es guthieß!

In der allgemeinen Aufregung, die nun entstand, entschloss sich Kira dazu, Zero zur Rede zu stellen. In seinem Inneren begann etwas zu brodeln, das sehr tief saß. Er starrte noch einige Sekunden wütend nach oben, bis er sich abrupt umdrehte und das Loft verließ. Er brauchte frische Luft und zwar dringend.

Draußen ging er halb um das Loft, sodass ihn von der Tür niemand mehr hören konnte. Er ließ sich mit dem Rücken gegen die noch vom Regen nasse Wand gleiten. Mit seiner Faust begann er den Boden unter sich zu traktieren.
 

Währenddessen ging Tsubasa die Treppe hinauf auf den Jungen zu, der noch immer dort stand und ihn herausfordernd ansah. Hier wusste jeder, sollte es zu einem wirklichen Kampf kommen, würde einer daraus als Leiche hervorgehen. Es war also klar, dass Tsubasa nicht kämpfen würde, aber was sonst?

„Los, ins Zimmer!“, erklang die Stimme des Größeren, woraufhin Zero sich umdrehte und wortlos ging. Tsubasa folgte ihm, warf noch einen Blick in die Runde, der besagte, dass sie gehen sollten, dass sich einer gefälligst um den Neuzugang und dessen Unterbringung kümmern sollte, dann schlug die Tür zum Obergeschoss hinter ihnen zu.

„Was hast du dir schon wieder dabei gedacht?“, rief er wütend. „Zaara gehört zu unserer Bande! Du kannst sie doch nicht einfach zusammenschlagen! Sie ist dem Tode nahe!“

„Das war beabsichtigt!“, kam die zischende Antwort, als sich Zero in den Sessel am Fenster fallen ließ. „Ich habe sie alle gewarnt!“

„Das gibt dir nicht das Recht, sie umzubringen!“, schrie der Junge mit den schwarzen Augen, doch er bekam keine Antwort. Zero erwiderte nur trotzig seinen Blick und schließlich seufzte er, ließ sich auf der Armlehne seines eigenen Sessels nieder. „Was wollte sie denn überhaupt?“

Der Junge gegenüber schnaubte verächtlich. „Besoffen war sie!“, knurrte er. „Hat in einem Anflug von Größenwahn gedacht, ich würde ihr Eindringen verzeihen, wenn sie mir ihre Liebe gesteht!“ Er überzog das Wort gnadenlos.

„Sie hat dir ihre Liebe gestanden und du hast sie dafür geschlagen?“, fragte Tsubasa stirnrunzelnd.

„Nein, ich habe sie dafür bestraft, dass sie meine Warnung ignoriert hat!“, stellte der Chinese richtig. „Wenn sie mich liebt, ist das ihre Sache, nicht meine.“

Auf Tsubasas Gesicht legte sich ein mitleidiges Lächeln. „Du tust mir leid. Du verkriechst dich hier oben, schneidest dich von der Außenwelt ab und gibst den kalten Mann. Dabei bist du nur einsam.“

Zero lachte leise, fast schon verächtlich. Langsam stand er auf, kam zu seinem Bruder und setzte sich dann auf dessen Schoß, legte die Arme um seine Schultern. „Warum, ich hab doch dich. Mehr brauche ich nicht.“

Tsubasa seufzte erneut, gab ihm eine Kopfnuss. „Du bist ein Depp. Du sehnst dich nach Nähe und begreifst es nicht mal!“ Lächelnd zog er ihn in die Arme, wiegte ihn leicht hin und her. „Aber das, was du wirklich suchst, wirst du bei mir niemals finden.“, sagte er traurig. „Und ich kann nichts weiter tun, als zu warten, bis du das erkennst…“

Zero erwiderte nichts. Wusste gar nicht, was. Manchmal, da redete sein kleiner, großer Bruder halt so was Komisches. Wenn er nicht verstand, was er damit meinte, dann war das nur normal.
 

Kira saß noch einige Zeit auf dem Boden, bis einer aus der Gang zu ihm kam. Er stellte sich ihm als Ren vor und bot ihm an, Kira zu seiner Wohnung, beziehungsweise zu seinem Schlafplatz zu führen.

Er studierte Ren einige Sekunden, bevor er dessen Hand ergriff, um aufzustehen. Er schien einer der älteren Mitglieder zu sein, vom Alter würde Kira ihn auf 19 schätzen. Seine Gesichtszüge und sein Auftreten waren energisch und entschlossen, allerdings erkannte man trotzdem, dass eindeutig Zero und Tsubasa die Chefs waren.

Sie liefen auf die andere Seite des Lofts, wo noch einige kleine Lagerhäuser standen. An manchen waren Zahlen oder Zeichen, an anderen kleine Bilder. Kira ließ seinen Blick über einige Türen schweifen und sah Zeichen wie Sterne oder Zahlen-Buchstaben-Kombinationen.

Ren stoppte dann vor einer eher unauffälligen Tür. Sie war wirklich weder verziert noch bemalt. „Darf ich vorstellen? Meine bescheidene Behausung.“ Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ich würde dir vorerst erst einmal anbieten, bei mir zu wohnen, bis dir der Chef ein eigenes Zimmer zuteilt. Einverstanden?“

Kiras Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Danke für das Angebot… aber wieso bietest gerade du mir einen Schlafplatz an?“

„Ich weiß nicht, aber mein Haus ist ziemlich groß… und ich hätte nichts gegen einen Mitbewohner.“, antwortete der Junge lächelnd.

„Okay“ Kira hielt dem anderen seine ausgestreckte Hand hin. „Dann auf eine gute Wohngemeinschaft.“

Dieser nahm sie sogleich und nickte grinsend mit dem Kopf. Dann schloss Ren die Tür auf und sie betraten endlich das Zimmer. Kira staunte nicht schlecht. Es war groß, um nicht zu sagen wirklich riesig. Von außen betrachtet hätte er höchstens einen 18m²-Wohnraum erwartet, aber es stellte sich heraus, dass in dem Zimmer noch eine Treppe in ein höher gelegenes Zimmer führte, was noch mal locker 14m² hatte. Also tatsächlich groß genug für zwei.

Ren zeigte mit seiner Hand nach oben. „Wenn du magst, kannst du den oberen Teil nehmen, ich hab bisher hauptsächlich unten gewohnt, daher…“

Kira nickte. Da er keine Sachen aus seiner alten Gang mitgenommen hatte, hatte er auch nicht viel, was er hier auspacken konnte, also ging er erstmal nach oben, um sich alles anzuschauen. Das ganze Gebäude hatte einen ähnlichen Aufbau, wie das Quartier von Zero. Allerdings viel kleiner. Oben war es ziemlich spartanisch eingerichtet, was nicht weiter verwunderte, da Ren ja nur unten wohnte. In der einen Ecke stand ein kleiner Tisch mit einer Lampe. In der anderen stand ein Sofa. Mehr brauchte man hier ja eigentlich auch nicht.

Als ihn plötzlich starke Müdigkeit überfiel, warf er einen Blick auf die Uhr. Es war spät. Schon weit nach Mitternacht. Es wäre wahrscheinlich das Beste, dem offensichtlichen Verlangen seines Körpers nachzugeben. Also ging er in Richtung Sofa und ließ sich einfach darauf fallen. Um den restlichen Kleinkram würde er sich morgen kümmern. Dann könnte er sich irgendwo ein paar Dinge besorgen, mit denen er das Zimmer ein wenig gestalten konnte.

Kapitel 3

Kapitel 3:
 

Der nächste Morgen war schöner. Es hatte aufgehört zu regnen, die Polizisten waren endgültig weg, in den Pfützen spiegelte sich die Sonne und Spatzen zwitscherten laut und aufdringlich auf den Wegen, stritten lautstark um die ertrunkenen Regenwürmer. Zero hatte sich beruhigt, genoss das friedliche Ensemble. Noch war keiner wach, noch hatte er seine Ruhe, noch war nichts dabei, wenn er sich gehen ließ, denn es würde keiner mitbekommen.

Langsam hob er die Hand und wartete. Es lagen Krümel drauf. Jeden Morgen kam er her, fütterte die Vögel, bevor die anderen kamen. Und er hatte es tatsächlich schon geschafft, dass einige zu ihm auf die Hand geflogen kamen.

Da, da war der mutigste von allen. Sein Muster war markant, weshalb er ihn immer wieder erkannte. Er hatte ihn Jun getauft. Lächelnd dachte er an den Tag, an dem Jun das erste Mal gekommen war. Er hatte ihm damit etwas gegeben, was unersetzlich für ihn war. Jun vertraute ihm. Außer Tsubasa und dem Doc tat das keiner. Und selbst die beiden vertrauten ihm nicht vollständig. Jun war da anders. Er kam immer. Auch wenn er schlechte Laune hatte. Und seine Füßchen fühlten sich auf seinen Fingerspitzen lustig an, es kitzelte ein bisschen…
 

Als Kira am nächsten Morgen erwachte, hätte er am liebsten sofort weitergeschlafen. Er fühlte sich grauenvoll. Sein Kopf schmerzte und alles abwärts seines Halses spürte er kaum. Woher kam das nur? Dabei hatte er sich mit dem Alkohol extra zurückgehalten.

Er machte ein paar Entspannungsübungen, in der Hoffnung danach wieder einigermaßen fit zu sein. Schon nach einigen Minuten spürte er Erfolge, die garantieren ließen, dass er den Tag doch noch gut nutzen konnte. Er wollte schließlich einkaufen gehen. Danach sollte er sich auch einen Job suchen. Er hatte nicht mehr viel Geld.

Nachdem er sich vollends wach fühlte, ging er nach unten, um nach Ren zu schauen. Dieser war allerdings nicht da – oder auch noch nicht wach. Schade, aber nicht zu ändern.

Also ging Kira vor die Tür. Um frische Luft zu schnappen und sich die Beine zu vertreten. Er lief einfach in irgendeine Richtung, sah sich die Umgebung an. Nach einer Weile geriet er in Trab, bevor er richtig anfing zu rennen. Das mochte er. Einfach nur Laufen und sich den Wind ins Gesicht blasen lassen.
 

Zero war zusammengezuckt, als er die Tür hatte gehen hören, war in einer Nische verschwunden, damit ihn niemand sah. Und er hatte sich wirklich gewundert, wer da kam. Das war doch…

Kira lief an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. So früh? Wo wollte er hin? Was hatte er vor? Wollte er etwa… War er vielleicht ein Spion?

Wut flammte in seinem Bauch hoch und er beschloss ihm zu folgen. Unauffällig, wie er es gewohnt war, schnell, leise. Und als Kira zu rennen begann, hielt er mit. Auch wenn das schwer war, der Junge war schnell. Unglaublich! Wo wollte er nur hin?
 

Kira legte noch einen letzten Sprint ein, bevor er schlagartig stoppte und seine Arme auf die Knie stützte. Das war entspannend gewesen.

Während er die Ruhe genoss, hörte er hinter sich ein Geräusch und fuhr erschrocken herum. Sein Blick schwang hin und her, aber er sah niemanden. Mit einem leichten Schulterzucken wand er sich um, bereit wieder zu laufen. Diesmal begann er gleich mit dem Sprint und eh er sich versah, war er wieder bei Rens Wohnung angekommen. Er öffnete die Tür und lugte kurz herein, bevor er ganz hineinging. Ren saß auf dem Boden und studierte eine Karte oder ähnliches. Sobald er Kira bemerkte, ließ er sie unauffällig verschwinden.

"Hallo! Wo bist du denn gewesen? Ich hatte mir schon sorgen gemacht..."

"Ich war laufen... so eine Macke von mir." Verlegen kratzte Kira sich am Kopf.

Ren sah ihn noch kurze Zeit perplex an, bevor er Aufstand und seinerseits nach draußen ging. "Falls es dich interessiert, Kira: Wir haben Sonntags das Ritual, dass wir alle gemeinsam Frühstücken!" Und mit einem leisen Lächeln verließ er den Raum.

Kira sah ihm einige Sekunden nach, bevor er sich unter die Dusche schwang und dann in den Party-Raum von gestern ging. Wo sonst sollten so viele Leute gemeinsam Frühstücken?
 

Zero war enttäuscht. Er hatte ihn bemerkt. War dann ja klar, dass er die Aktion abbrach. Auch wenn er nicht glaubte, dass er gemerkt hatte, wer da hinter ihm war. Toll. Kein Grund, den Kleinen herauszufordern…

Missmutig starrte er ihm nach, bevor auch er sich auf dem Rückweg machte, langsam. Gedanken stromerten durch seinen Kopf. Er musste wieder einmal arbeiten. Er brauchte Geld, um sie zu versorgen. Und das hieß, dass er morgen wieder in die Stadt ging. Den Neuen würde er Chibi-chi und Chibi-chan anvertrauen. Die zwei waren doch eh in ihn vernarrt… und wenn sich sein Verdacht bestätigte…

Viel zu spät kam er in den Gemeinschaftsraum zurück. Die meisten waren fertig und im Grunde nur noch da, um Tsubasas Schlachtpläne für die kommende Woche zu erfahren.

Sie standen noch immer im Krieg mit den Tigers, wie sie sich alberner Weise nannten. Alle paar Tage trafen sie aufeinander, immer wieder mit neuen hinterlistigen Tricks der Gegner. Das letzte Mal hatten sie scharfe Hunde dabei gehabt, was würde wohl diesmal kommen?

Ach ja, und dann stand natürlich noch die Einführung Kiras an, nicht wahr? Der Doc war schon gerufen worden. Das konnte wahrlich lustig werden!

Ohne ein Wort gesellte er sich zu seinem Ziehbruder, der ihn angrinste und ihm frech in die Seite piekte. Etwas, was außer ihm niemals jemand wagen würde. Dafür hatte er gesorgt.
 

Nach dem Essen wurde Kira zu Tsubasa bestellt. Er hatte keine Ahnung was vorgefallen war. Hatte er vielleicht irgendwas angestellt?

Angekommen teilte dieser ihm mit, dass er, da er ja nun ein vollwertiges Mitglied der Dragons war, auch das Tattoo tragen müsste, welches jeder hatte. Mit einer leichten Geste zeigte er auf Zero, bei dem man das Tattoo genau sehen konnte.

Kira schluckte kurz und nickte dann. Er würde sich dieser Kennzeichnung wohl oder übel unterziehen müssen. Tsubasa gab ihm eine Stunde Zeit, um sich zu überlegen, wie das Tattoo aussehen sollte und wo er es gestochen haben wollte. Mit einem leichten Kribbeln im Bauch ging Kira zu seiner und Rens Wohnung zurück. Dort ging er direkt nach oben, hoffte, dass Ren ihn nicht ansprach, da er augenblicklich keine Gesellschaft wollte. Er legte sich auf die Couch und dachte darüber nach. Wo sollte er sich das Tattoo bloß stechen lassen? Wieder auf dem Arm? Oder auf dem Rücken?

Ja, Rücken ist gut!, entschied er für sich, quer über den ganzen Rücken. Das Aussehen war auch schon ziemlich genau klar: Der Drache sollte Flügel haben. Ganz sicher. Er sollte Stärke ausdrücken und Augen haben, die einem Angst einjagten. Es sollte ein richtig gefährlicher Drache sein.

Kurz bevor die Zeit abgelaufen war, schwang sich Kira von der Liege und ging wieder zu Tsubasa zurück. Er teilte ihm seine Entscheidungen mit: „Also, ich würde das Tattoo gern auf den Rücken haben wollen. Es soll ein großer, mächtiger Drache sein, vor dem man sich fürchtet, hauptsächlich dunkle Farben. Er soll große Flügel haben, je einer soll über ein Schulterblatt gehen.“ Er hielt Tsubasa noch eine kleine Zeichnung ins Gesicht, die er kurz vorher gemalt hatte. „Ich hoffe, das ist möglich.“

Tsubasa nickte kurz und stellte die letzte Frage: „Und wo möchtest du, dass wir es dir stechen?“

„Im Aufenthaltsraum!“ Ja, das wäre das beste. Dort würden alle zuschauen können.

Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen erhob sich Tsubasa und führte Kira an den gewünschten Ort. Dort wurde schnell eine Liege aufgebaut, auf die er sich später legen sollte. Nach einigen Minuten war auch der Doktor mit seinen Hilfsmitteln vor Ort. Kira zog sein T-Shirt aus und legte sich mit dem Bauch auf die Liege. Dann wischte ihm der Doktor mit einem Desinfektionsmittel über den Rücken. Der beißende Geruch schoss Kira sofort in die Nase. Dann hörte er ein leises Summen und ein pickender Schmerz begann sich auf seinem Rücken auszubreiten. Er biss die Zähne zusammen, um keinen Ton von sich zu geben. Er hatte diese Prozedur ja schon einmal überstanden, damals bei den Storms, aber der Schmerz war trotzdem noch der gleiche. Und diesmal würde es länger dauern, da die Tattoowierung um Längen größer war.

Nach einiger Zeit begann sich ein leichter Schweißfilm auf Kiras Stirn zu bilden, der bald darauf in kleinen Tropfen über sein Gesicht lief. In Gedanken begann er langsam zu beten, dass es bald vorbei sein würde. Nach etlichen Minuten mehr, Kira kam es wie Stunden vor, erlosch das leise Summen und der Schmerz wurde erträglicher. Etwas Kaltes wurde ihm auf den Rücken gelegt und er stöhnte leise auf. Seine Haut wurde gekühlt und der Schmerz war kaum noch mehr, als ein leichtes Brennen. Als nächstes bekam er eine der kleinen, weißen bekannten Tabletten vors Gesicht gehalten, die er auch sofort mit dem dazu gereichten Wasser hinunterspülte. Dann begann sich sein Geist zu verschleiern und er driftete langsam in eine andere Welt ab.
 

Zero hatte der Prozedur schweigend zugesehen. Mutig, der Kleine. Außer ihm gab es nur drei, die eine ähnlichgroße Tattoowierung hatten. Und natürlich ihn selbst, das Vorzeigeobjekt, wenn es um die Identifikation ihrer Bande vor anderen ging. Aber das war schon beeindruckend, vor allem, weil er die Schmerzen schweigend ertrug. Aus Erfahrung wusste er, dass es wehtat, mehr als es sollte und er hatte damals Tränen in den Augen gehabt, auch wenn er nichts gesagt hatte. Nun, er war jünger gewesen, erst zehn, aber das sollte nichts entschuldigen.

Der Doc gab ihm schließlich die Tablette, eine Art Belohnung und augenblicklich schwanden dem anderen die Sinne. Die Augen wurden trübe und seine Muskulatur entspannte sich… hätte er auch nur einen Ton gesagt, hätte er das Teil auch schon eher haben können, aber solange er sich nicht beschwerte…

Zero ging zu seinem Ziehvater und hielt ihm seinen Arm hin, worauf der Arzt leise und böse grinste und den Ärmel zurückschob. Ein einziges Mal senkte er die Nadel in die Haut, direkt am Unterarm, genau platziert. Dort entstand, mit jedem weiteren Mitglied der Dragons, ein weiteres Bild. Das Bild eines Babydrachens, der gerade aus dem Ei geschlüpft war. Und Kiras Punkt hatte soeben das Auge vervollständigt. Schon jetzt konnte man die Umrisse genau erkennen, aber außer dem Kopf und dem rechten Vorderbeine war das Bild noch unvollständig. Es würde mit der Zeit mehr werden.

Zero streifte den Ärmel wieder herunter, blickte dann auf den schlafenden Jungen nieder, der jetzt nach und nach von jedem begutachtet wurde. Es kamen Unmengen von bewundernden Rufen und Zero konnte leuchtende Augen sehen. Sie waren beeindruckt, damit hatte sich Kira schon jetzt eine hohe Stellung erobert, ohne das überhaupt zu erahnen, schließlich resultierte die Macht in diesem Clan aus der Anzahl der einen bewundernden Leute. Nur aus diesem Grund war Tsubasa der Anführer, denn die Menschen bewunderten ihn ausnahmslos für sein trotz der harten Umstände freundliches, nachsichtiges Wesen. Jeder andere Clan hätte ihn längst verstoßen, aber hier war halt alles anders, seit sie beide eingetreten waren.

Tsubasa trat an seine Seite. „Er ist mutig.“, sagte er und lächelte. „Nachdem er erfahren hat, wie es ist, wenn man das wieder entfernt, so ein großes Symbol zu wählen…“

Zero nickte. „Vielleicht hat er seine Gründe und glaubt einfach nicht daran, dass er die Dragons so einfach wieder verlassen kann wie die Storms.“, meinte er und zuckte mit den Schultern.

„Soso.“ Tsubasa lachte. „Würde mich nicht wundern, wenn du daran schuld wärst, aber ich glaube einfach, dass er beschlossen hat, hier zu bleiben. Wäre doch nicht das schlechteste, nicht wahr?“ Er lächelte ihn an.

Misstrauisch erwiderte Zero den Blick aus schwarzen Augen. „Was willst du damit sagen?“

„Nichts.“, grinste der schwarzhaarige Anführer und piekte ihm in die Seite. „Ich finde es nur schön, dass wir endlich wieder Nachwuchs haben. Es sind zu viele gestorben und zu wenige nachgekommen.“

„Ich glaube dir nicht, Ta-chan.“ Zero bedachte ihn mit einem Blick, dass Tsubasa sich lachend verdrückte. „Das war anders gemeint!“ Doch das hörte der Anführer längst nicht mehr, denn er hatte sich lachend aus seinem Dunstkreis verdrückt, bevor er wirklich noch dahinter kam, was gemeint war. Nun, Zero hatte nicht die Lust, sich der Muße des Nachdenkens hinzugeben, deshalb kam er auch nicht auf den Gedanken, dass Tsubasa eine mögliche Verbindung zwischen ihm und dem Neuzugang gemeint hatte. Tsubasa hoffte ernsthaft, dass Zero in dem Neuzugang die Chance auf etwas finden würde, dass er bisher unwissentlich immer von sich gestoßen hatte. Und allein die Tatsache, dass er Kira zum Doc gebracht hatte, anstatt ihn gleich der Polizei auszuliefern, war allein die Hoffnung auf diesen Möglicherweiseumstand schon wert.
 

Als Kira aus seinem tranceartigen Zustand erwachte, schmerzte ihm der gesamte Rücken. Er fühlte sich, als würde gerade jemand ein Lagerfeuer dort veranstalten.

Stöhnend richtete er sich auf, besah sich seine Umgebung. Er lag immer noch im Gruppenraum, hatte immer noch ein Handtuch auf dem Rücken, das nun allerdings warm statt kalt war. Er setzte sich auf die Liege und sah sich im Raum um. In der einen Ecke entdeckte er ein Waschbecken. Er schlurfte langsam dorthin, und hielt das Handtuch darunter. Als es richtig kalt durchtränkt war, warf er sich es mit Schwung auf den Rücken. Da war es wieder! Dieses entspannende Gefühl, das er vorhin schon gespürt hatte. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand und schloss die Augen.

Als die Kälte wieder zu verschwinden begann, wiederholte er die ganze Prozedur. Nach zwei weiteren Malen ging es ihm schon wieder so gut, dass er relativ normal laufen konnte. Ein T-Shirt konnte er vorerst allerdings noch nicht tragen.
 

Zero beobachtete ihn dabei aus seiner Nische. Er hatte dort gelesen, ein chinesisches Buch, während alle anderen heute ihren Ausflug machten. Und dann nicht mal einen vernünftigen, um ihre Stellung in der Gegend geltend zu machen, nein, sie gingen schwimmen. Gab es denn noch was Langweiligeres? Kotz, würg. Bloß nicht, da hingen doch wieder nur die Mädchen an ihm wie Schmeißfliegen… darauf konnte er ganz gut auch verzichten.

Kira war taumelig. War auch nicht verwunderlich. Die Schmerzen mussten höllisch sein.

Sein Blick glitt kurzzeitig auf den Tisch neben sich, wo er ein kleines Fläschchen mit Tabletten hingestellt hatte, das ihm der Doc noch gegeben hatte, aber er sagte nichts. Die Methode mit dem Handtuch gefiel ihm. Kiras Körper war schön. Schmal, nicht so muskulös, aber trotzdem nicht schwach. War ja auch leicht, der Junge, zu leicht… Seine Schultern hatten es ihm am meisten angetan. Wer hatte schon so schmale Schultern? Sie waren zierlicher als die von dem Mädchen gestern… dessen Leben noch immer im Argen schwebte, aber was kümmerte es ihn? Lieber betrachtete er noch ein bisschen den Körper vor sich.

Wie er sich bewegte. Ganz vorsichtig, um seiner gereizten Haut bloß nicht die Möglichkeit zu geben, sich zu verziehen, was die Schmerzen noch verstärken würde. Aber trotzdem so leicht, als wäre er es gewohnt, unscheinbar zu bleiben. Anmutig, würde man vermutlich in seiner Heimat sagen. Die Tochter des Mannes, für den er gelegentlich arbeitete, bewegte sich auch so weich…
 

Kira lief wieder zurück zur Liege, setzte sich darauf und starrte das Shirt an, welches neben ihm lag. Er hatte es als Kopfkissen während der Behandlung genommen. Was sollte er jetzt machen??? So Oberkörperfrei rausgehen? Nein, eigentlich nicht. Es reizte ihn nicht sonderlich, wie die Mädchen auf ihn reagieren würden. Die andere Möglichkeit wäre noch, das T-Shirt wieder anzuziehen. Kira wollte sich die Schmerzen gar nicht erst vorstellen, die das T-Shirt an seinem Rücken hinterlassen würden, da es nicht gerade weit war. Er dachte noch kurz über diesen Zwiespalt nach, bis ihm auffiel, dass es draußen ziemlich ruhig war.

Wo waren denn die anderen?? Er hatte in den letzten beiden Tagen noch nie solche Ruhe hier erlebt.

Er sprang von der Liege und lief Richtung Tür. Diese öffnete er einen Spalt breit und sah nach draußen. Stille. Es war niemand zu sehen. Mit ein paar schnellen Schritten lief er hinaus, in Richtung seines Zimmers. Dort könnte er sich auf seine Couch legen und versuchen die Schmerzen bis zum nächsten Tag zu vergessen oder zu hoffen, dass sie bis dahin wenigstens etwas besser waren.
 

Zero war regelrecht verwirrt, als er plötzlich fortlief. Tat es ihm denn gar nicht weh? Nein, das war es wohl nicht. vielleicht wollte er sich einfach nicht vor den anderen mit dem schmerzerfüllten Blick zeigen. Das war nicht sehr glorreich, aber es würde zu den meisten Mitgliedern dieser Bande passen…

Seufzend erhob er sich, griff missmutig nach dem Fläschchen. Jetzt durfte er ihm auch noch hinterherlaufen. Toll. Wo war der Kerl nur hin? Suchte er die anderen? Da konnte er lange suchen? Wo wohnte der überhaupt momentan? War doch bei einem der anderen untergekommen, nicht? Komisches Haus… wenig Graffiti… Da war er zumindest rausgekommen heute Morgen. War er tatsächlich bei Ren untergekommen? Erstaunlich. Tsubasa musste tatsächlich eine Menge von ihm halten, wenn er ihn unter Rens Schutz stellte.

Nur hatte er jetzt das zweifelhafte Vergnügen, zu Ren zu gehen. Er dachte mit Grauen an den letzten Besuch. Ren war so aufdringlich gewesen, dass er ihn mit einem Messer davon hatte abhalten müssen, ihm sein Shirt auszuziehen. Die Narbe zierte noch heute Rens Schulterblatt und einen Teil seines Halses.

Ein zweiter Gedanke machte sich in ihm breit. Was, wenn Kira diesem Mann gefiel? War er bei ihm dann nicht in Gefahr? Was, wenn sich Ren an ihm vergriff.

Ohne sein Zutun beschleunigten sich seine Schritte und er öffnete ohne zu klopfen die Tür, blickte sich kurz um. Hatte sich nichts verändert. Also oben?
 

Kira beeilte sich noch ein bisschen mehr, um zu seinem Zimmer zu gehen, öffnete die Tür und stellte mit einem leichten Seufzen fest, das auch Ren mit den anderen weggegangen war. Wohin auch immer.

Er lief nach oben, schmiss das T-Shirt in eine Ecke und holte sich ein Handtuch aus dem Schrank. Dieses befeuchtete er mit Wasser und packte es sich auf den Rücken. Dann ließ er sich auf seine Couch fallen und schloss die Augen. Ja, Schlaf wäre das beste. Seine Lider begannen schwer zu werden, dann hörte er unten die Tür klappern.

Augenblicklich spannte sein Körper sich und er fegte in die Senkrechte. Seine Ohren wurden schärfer, bereit, jeden Laut aufzunehmen.

In die Stille fragte er hinein: "Ren?! Bist du wieder da? Wo bist du gewesen?"

Im gleichen Moment wurde ihm allerdings klar, dass Ren sofort etwas gesagt hätte, wenn er zur Tür hereingekommen wäre. Also musste es jemand anderes sein. Kiras Herzschlag begann sich zu beschleunigen, als er langsam aufstand und in Richtung Treppe ging...
 

In Zero versteifte sich etwas. Wieder da? Wartete er auf ihn? Auf Ren? War er wirklich…

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als oben der Junge erschien. Zeros Gesicht wurde richtig kalt. Hatte er gerade Mitleid empfunden für die Schmerzen? War er denn bescheuert?
 

Als er oben auf der letzten Stufe stand, blickte er nach unten... und sah genau in Zeros Gesicht. Ein leichter Schauder jagte über seinen Rücken. Wie sah der andere denn aus?

Wütend!, schoss es Kira durch den Kopf.

"Oh... Hallo Zero. Ich habe dich gar nicht bemerkt..."
 

Der Schwarzhaarige starrte nur finster hinauf, dann stellte er das Fläschchen auf die Ablage, drehte sich um und verließ den Raum, ließ die Tür hinter sich zuschlagen.

Was regte er sich überhaupt so auf? Er war halt neu hier und konnte über jegliche Zuneigung froh sein, aber dass er sich auf Ren einließ… Es ärgerte ihn. Tief in sich war er wütend darüber.
 

Kira wusste nicht was geschah, als im nächsten Augenblick ein Knallen zu hören war und Zero nicht mehr vor ihm stand.

"Was...?"

Kira fasste sich an den Kopf. Versteh einer diesen Jungen. Sollte er ihm nach??? Nein, besser nicht...

Dann fiel sein Blick auf die Flasche mit den Tabletten. Er ging nach unten, holte sie sich und nahm sie in die Hand. Das Glas war warm, er konnte noch immer Zeros Wärme spüren.

Kira nahm eine der Tabletten und begab sich dann wieder in sein Bett. Schon ein paar Minuten später fielen ihm die Augen zu und er driftete ab.
 

Zero war wütend abgezogen. So schnell er es in beherrschter Art und Weise konnte, lief er zurück ins Haupthaus, dort die Treppe hoch und krachend schlug auch diese Tür ins Schloss.

Was hatte er bitte erwartet? War doch verständlich, wenn sich der Kleine jemanden suchte, an den er sich hängen konnte. Aber… das war ja nicht einmal das Problem. Das Problem bestand darin, dass es Ren war! Dieser Casanova war einfach nur…

„Aaaaaaaaarg!“, brüllte er, warf zornentbrannt seinen Mantel auf das Bett, ging dann auf und ab. Er war wütend. Und das völlig ohne Sinn. Denn es war ja nicht so, als hätte er den Kleinen gern oder so. Es war einfach nur…
 

Vier Stunden später waren die anderen wieder da. Sie kamen lachend und lärmend zurück vom Schwimmen, die meisten mit noch immer nassen Haaren. Zero jedoch erwachte erst, als seine Tür aufflog und Tsubasa hereinstürmte, sich auf sein Bett hechtete und seine nassen Haare über ihm ausschüttelte.

„Hey!“, protestierte er schwach. „Was soll das? Lass das gefälligst bleiben!“ Er drückte den anderen fort von sich und der junge Mann fiel lachend aufs Bett.

„Du hättest mitkommen sollen!“, lachte Tsubasa. „Wir hatten einen Wettkampf und ich habe gewonnen!“

„Im Schwimmen? Und das wundert dich?“, fragte Zero, setzte sich auf und zog eine Augenbraue hoch. Es war bekannt, dass Tsubasa ein Fisch hätte werden sollen und nur den falschen Körper erwischt hatte.

„Ja, im Schwimmen. Mit den Füßen voran!“

Zero rollte mit den Augen. So was Albernes. Schlimm! „Das ist schön für dich.“

„Und wie ist es mit dem Neuen gelaufen?“, fragte Tsubasa und blickte ihn endlich wieder an.

„Du machst mein Bett nass.“

„Weich mir nicht aus. Was war?“

„Nichts.“, gab Zero missmutig zurück. „Er ist irgendwann aufgewacht und in sein Zimmer gegangen.“

„Du hast ihm die Tabletten doch gegeben?“ Zero nickte und Tsubasa wurde neugierig. „Was hat er gesagt?“

„Nichts.“

Der Anführer seufzte theatralisch. „Du hast ihm nicht die Gelegenheit gegeben, etwas zu sagen, nicht wahr?“, fragte er und als Zero nichts sagte, wälzte er sich herum und krabbelte zu ihm hin. „Dabei interessiert er dich…“ Seine Augen waren ganz nach bei seinen und seine Nase nur Zentimeter entfernt.

„Tut er nicht.“

„Warum warst du dann heute Mittag da, als der Doc gestochen hat? Normal siehst du dir das nicht an.“

Wieder antwortete der Schwarzhaarige nicht, blickte unwillig in Tsubasas schwarze Augen. Dieser hob eine Hand und strich ihm sachte über die Wange, dann küsste er ihn sachte.

„Du bist seltsam.“, sagte er, als er sich wieder ein Stück zurückzog. „Du reagierst nie darauf, aber bei ihm war dein Blick anders. Wie würdest du reagieren, wenn er dich küssen würde?“

Zero blickte ihn stur nur weiter an. „Ich würde ihm das Genick brechen.“, sagte er ernst.

Und es brachte Tsubasa zum Lachen. „Du brauchst Sex!“, stellte er fest. Dann wich er geschickt zurück und flüchtete lachend mit einem: „Wir essen gleich Abendbrot!“ aus dem Zimmer.

Murrend stand Zero auf, nahm seinen Mantel, auf dem er gelegen hatte und der von Tsubasas Haaren ein wenig feucht geworden war, ging zur Tür. Dann würde er dieses lästige Ritual mal hinter sich bringen… essen. Wozu bitte? Was hatte man davon?

Kurz bevor er den Raum verließ, strich er noch einmal über seine Lippen. Ja, er reagierte nie darauf. Weil Tsubasa es nicht ernst meinte. Weil er damit Scherze trieb. Genau wie alle anderen. Wobei, bei seinem Bruder würde er vielleicht reagieren, wenn dieser ihm signalisierte, dass er es ernst meinen würde, aber so nicht. Reiner Sex kam nicht in Frage. Und eine Beziehung auch nicht, denn es würde zuviel über ihn verraten. Auch aus diesem Grund kam eigentlich nur Tsubasa in Frage, weil der ihn eh in- und auswendig kannte.

Er öffnete die Türe und ging hinaus, wanderte langsam die schmale Metalltreppe hinunter, blickte in die freudigen, ausgelassenen und vom kalten Wasser noch immer geröteten Gesichter hinunter, die ihn ehrerbietig begrüßten. Ein kurzes Nicken waren sie ihm wert, bevor er sich an seinen Platz begab.
 

Er wurde erst durch einen fröhlichen Schrei erneut geweckt. Diesmal war es aber eindeutig Ren. "Kira!!! Wie gehts dir?", hallte es durch die Wohnung und schon kurze Zeit später stand der andere vor ihm und durchbohrte ihn mit seinem Blick.

"Hallo. Mir geht’s ganz gut. Wieder da? Wo bist du gewesen?" Langsam erhob er sich und wischte sich mit einer schnellen Bewegung den Schlaf aus den Augen. Er sollte wieder auf die Beine kommen...

Ren grinste ihn an. "Wir waren Schwimmen gewesen! Und es war echt lustig. Schade, dass du nicht dabei warst, aber nach der Einweihung geht das wohl schlecht..." Prüfend musterte er den kleineren. "Du siehst wirklich schon wieder besser aus als vorhin. Komm mit Essen, das Abendbrot ist gleich fertig."

Mit diesen Worten schnappte er sich Kiras Hand und zog ihn zum Gemeinschaftsraum.
 

Zero sah auf, als die Tür aufging. Jedes Mal. Und dieses eine Mal erstarrte er und seine Augen wurden schmal. Tsubasa hatte sie doch nicht mehr alle! Als ob er den küssen würde! Der war doch schneller im Freunde finden als Ren!

Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass es an Ren liegen könnte, da wandte er auch schon den Blick ab.

Kurz darauf kam Tsubasa und hüpfte mit einem einzigen Satz in den Sessel neben Zero, der andere… „Hey, Kira-kun!“, rief er happy. „Du bist neu, du sitzt hier!“

Das war so klar gewesen. Zero tat seinem Ziehbruder nicht den Gefallen aufzublicken, als dieser zu ihm sah, denn das erwartete dieser garantiert. Er wollte immer sehen, wie er reagierte. Pech gehabt. Als ob er ihm eine Gelegenheit geben würde, ihn aufzuziehen…
 

Kira betrat zusammen mit Ren den Raum und wurde sofort von allen begrüßt. Vor allem Tsubasa versuchte so gut es auch nur ging, sich um ihn zu kümmern. Als er ihm seinen Sitzplatz zuwies, sah er ihn einen Moment etwas erschrocken an und drehte sich dann zu Ren.

"Soll ich das wirklich machen? Ist das wirklich normal bei euch?"

"Aber klar!", lächelte dieser und schob ihn in Richtung des Sessels. Kira ließ sich darauf sinken und blickte sich dann um. Er saß genau neben Zero. Na wunderbar. Und das nach der Szene vorhin.

Nicht wissend wie er reagieren sollte, beachtete er Zero zuerst nicht und nahm sich etwas zu Essen. Nach einiger Zeit warf er immer mal einige Blicke aus den Augenwinkeln zu ihm, und beobachtete ihn genau. Er schien immer noch wütend zu sein. Tja, was sollte man da machen?
 

Tsubasa amüsierte sich königlich. Die beiden waren erfrischend albern. Zero weigerte sich strikt zu akzeptieren, dass der Neue da war, und Kira hatte offenbar Angst vor dem Vize. War doch lustig.

Die anderen aßen laut lachend, fröhlich…

„Und, Kira, was hast du heute den ganzen Tag so gemacht?“, versuchte er die Stimmung am Tisch ebenfalls ein bisschen aufzulockern.
 

Erschrocken von der Frage, die plötzlich an ihn gestellt wurde, zuckte er zusammen. "Ich habe geschlafen...", sagte er dann wahrheitsgemäß, von den Schmerzen die ihn geplagt hatten, sagte er allerdings nichts.

Wieder und wieder wanderten seine Blicke in Richtung Zero. Warum konnte er diesen Jungen nicht wenigstens für ein paar Minuten ignorieren? Irgendetwas schien Kira anzuziehen, wie ein ewig glühendes Licht.
 

„Geschlafen. Nette Art, die Zeit totzuschlagen, nicht wahr, Zero-chan?“

„Nenn mich nicht so.“, murrte dieser und Tsubasa lachte, ignorierte ihn freundlich.

„Und sonst? Tut es noch sehr weh? Hat er dir die Tabletten gegeben?“ Mit einer nachlässigen Geste zeigte er auf seinen Ziehbruder. Es war amüsant, dass Kira tatsächlich an Zero interessiert schien. Das sollte er ihm demnächst mal unter die Nase reiben! Von allein kam der eh nie drauf!
 

"Ja, hat er...", stotterte Kira und sah zu Boden. Er konnte weder Tsubasa noch Zero in die Augen sehen. Aber warum nur??? Es war ja eigentlich nichts Schlimmes gewesen.

Augenblicklich wurde es Kira warm, um nicht zu sagen heiß. Sein Atem ging schneller und er wusste nicht, was mit ihm geschah. Er erhob sich langsam und nuschelte eine kurze Entschuldigung in Richtung Zero und Tsubasa. Dann beeilte er sich, um nach draußen zu gelangen. Dort wurde er sogleich von einer ihn neu belebenden Kälte empfangen.

Warum schien er nur von Kälte so angezogen zu werden? Er liebte kaltes Wetter, Schnee und... ja, auch Zeros kalte Art mochte er irgendwie.
 

Kira ging. Eine fadenscheinige Entschuldigung und er verschwand.

„Du hast ihn vertrieben.“, beschwerte sich Tsubasa, erntete einen Blick von Zero.

„Hab ich ihm die Fragen gestellt?“

„Du bist Schuld, weil du ihn nicht beachtet hast!“

„Du bist verrückt.“

„Geh ihm nach und entschuldige dich!“

Zero verschluckte sich fast. „Bitte was?“

Entschuldige dich!“, wiederholte Tsubasa ernst.

„Bei dir piepts wohl!“, rief Zero und stand auf, dass in dem Raum augenblicklich Stille herrschte. Dass die beiden sich stritten, kam nicht so häufig vor, und jetzt war das schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen! Der schwarzhaarige Chinese rauschte davon, die Treppe hinauf.

Und Tsubasa freute sich einen Keks, dass er seinen Bruder so kalt erwischt hatte.
 

Er wollte die angenehme Kühle nur ungern wieder verlassen, musste aber wohl oder übel. Mit einem wehleidigen Blick und einem noch viel zu warmen Gefühl, ging er wieder nach drinnen und sofort rauschten alle Köpfe in seine Richtung.

Perplex starrte er zurück. "Was ist los?"

Ein paar Mitglieder, die Kira noch nicht mit Namen kannte, fingen an zu tuscheln und er setzte sich langsam in Bewegung in Richtung Tsubasa. Als er den leeren Platz neben Tsubasa sah, begriff er. Das war es also gewesen. Zero war das Problem...
 

Der schwarzhaarige junge Mann grinste ihn an. „Er lässt sich entschuldigen. Es ist ihm höchst unangenehm, einfach gegangen zu sein, aber es ließ sich nicht vermeiden!“ Er log ohne rot zu werden und mehr als einer der anderen begann zu grinsen. Sie trauten sich aber nicht, wirklich zu lachen, denn auch Tsubasa konnte ärgerlich werden, wenn man ihm seinen Spaß nahm.
 

"Aha..." Was wollte er dann noch hier?

Nachdem er noch einige Sekunden dort stand, meldete sich leise aber sicher sein Rücken zu Wort. "Na ja, ich geh dann. Habt noch viel Spaß." Und mit schnellen Schritten war er auch wieder aus dem Raum verschwunden. Draußen wurde ihm klar, wie dämlich er sich gerade benommen hatte.

Ach, verdammt!

In der Wohnung ging er schnurstracks in sein Bett, ohne noch irgendetwas zu machen. Er wollte jetzt niemanden sehen. Nicht mal Ren!
 

Tsubasa lehnte sich zufrieden zurück, grinste in die Runde und schon brach lautes Gelächter aus. Das war auch ein Grund, warum Tsubasa Anführer war und nicht Zero. Er war beliebt und ließ das Lachen zu. Und er machte mit allen ohne Ausnahme Scherze. Aber vor allem mit Zero. Und das gefiel den Dragons. Sie mochten das und amüsierten sich immer darüber, wenn dem Chinesen wieder mal ein Schnippchen geschlagen wurde…

Kapitel 4

Am nächsten Morgen wurde er durch unglaubliche Hitze geweckt. Ihm war warm. Und er schwitzte. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass sein Rücken sich nicht entzündet hatte. Daran schien es also nicht zu liegen.

Vielleicht bekam er ja einen Virus oder so... Hoffentlich nicht, eine Krankheit konnte er jetzt nicht gebrauchen!
 

Ren betrat zur Mittagszeit wieder den Raum, den er sich inzwischen mit dem Neuen teilte. Tsubasa hatte ihm mitgeteilt, dass er nicht vorhatte, dem Jungen eine andere Wohnung zu überlassen, also würde er wohl bleiben. Ren hatte nichts dagegen. Kira war nicht laut, sehr umgänglich und außerdem hübsch anzusehen. Und vielleicht…

Er kletterte die Treppe hoch. „Ah, du bist wach?“, fragte er gut gelaunt? „Dann solltest du aufstehen. Drüben gibt’s Mittagessen für die, die da sind. Die Zwillinge kochen heut!“ Er grinste ihn an.
 

"Mittagessen?" Ein Blick zur Uhr ließ ihn hochschrecken. "Was? Es ist schon um eins? Mittags?" Kira war völlig in Gedanken gewesen und hatte völlig die Zeit vergessen.

Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er sich das T-Shirt über den Kopf gezogen und wirtschaftete durch die Gegend, um ein neues Shirt zu finden.

"Verdammt, wo ist es denn? Gestern war es doch noch hier..." Kira durchwühlte die gesamte Couch auf der Suche nach dem anderen T-Shirt.
 

Ren beobachtete das amüsiert. „Plag dich nicht, ich leih dir eins von meinen!“, sagte er grinsend, auch wenn er es schade fand. Die Aussicht gefiel ihm. Schöner Körper, da tat auch die leichte Rötung des Rückens und der Verband an der Schulter keinen Abbruch. Aber es war natürlich klar, dass er ein Hemd brauchte. Sonst könnte es ja sein, dass ihm jemand etwas wegschaute…
 

"Danke." Ein Lächeln huschte über Kiras Gesicht. Ren war wirklich nett zu ihm. Erst hatte er ihn unter seine Fittiche genommen und nun half er ihm auch noch bei seinen Problemen, und das, obwohl sie sich kaum kannten.
 

Der junge Mann mit den grün gefärbten Haaren lachte. „Wieso denn. Du gehörst jetzt zum Clan, da ist Hilfe angemessen!“ Er kletterte nach einem frechen Augenzwinkern die Stufen hinab und ging zu seinem eigenen Schrank, holte dort ein rotes Hemd heraus, das er ihm zuwarf.

„Zieh das hier an, dann gehen wir rüber! Die warten nicht und sie heben auch nichts auf, wie die Hyänen!“
 

Kira fing das Shirt und streifte es sich über. Es war ein bisschen groß, aber nicht der Rede wert.

Dann ging auch er die Treppe nach unten, um Ren zu folgen und vielleicht doch noch etwas von dem Essen abzubekommen. Mit einem leichten Knurren machte sich sein Magen deutlich bemerkbar. Er war leer und wollte dringend gefüllt werden.
 

Ren lachte, nahm ihn wieder bei der Hand und zog ihn mit sich aus der Wohnung. Doch was Kira nicht sehen konnte, war das Glimmen in seinen Augen. Der Junge war naiv, deswegen sicherlich…

Er änderte seine Richtung ein wenig, führte den Jungen in eine Seitengasse.
 

Kira wunderte sich einen Augenblick, wo Ren ihn hinbrachte, dachte aber nicht weiter darüber nach. Dieser war schließlich lieb und nett. Kira hatte bisher kaum die Erfahrung machen müssen, dass es auch Leute gab, die weniger nett waren.
 

Plötzlich blieb Ren stehen, ohne ihn loszulassen, blickte zu Kira zurück. „Du bist hübsch.“, sagte er leise, lächelte, dann trat er auf ihn zu und beugte sich sacht vor, um ihm die Lippen auf seine zu legen. „Wirklich schön!“
 

Kira sah Ren fragend an, bevor er jedoch etwas erwidern konnte, spürte er etwas Warmes auf seinen Lippen. Erschrocken wollte Kira ihn von sich stoßen und zurückweichen, schaffte es aber nicht. Alle Muskeln, sein ganzer Körper schien gelähmt zu sein. Seine Augen weiteten sich und er starrte Ren entgegen.
 

Dieser kicherte, als er das Offensichtliche erkannte. „Und du bist noch jungfräulich, oder?“ Sanft strich seine freie Hand über die feine Haut der Wange, zeichnete die Linie am Kinn nach, über die Lippen. „Wie alt bist du? Sechzehn? Und dann noch Jungfrau? Oder nur, weil ich ein Kerl bin?“

Er drängte ihn langsam zurück. „Glaub mir, es kann auch zwischen Kerlen schön sein! Und jetzt… jetzt sind sie alle beim Essen…“
 

Zero kam erst gegen Mittag er zurück. Er war arbeiten gewesen. Schon früh, noch bevor die Sonne aufging, hatte er sich am Hafen gemeldet, hatte dort für einen Mann gearbeitet, der bei ihnen als Schmuggler bekannt war, aber was kümmerte es ihn, was er von einem Schiff zum anderen trug? Er bekam Geld dafür, das zählte, denn mit Geld konnte er seine Lieblinge versorgen und das war wichtig. Sie waren ihm wichtig.

Gerade bog er in den Hauptweg des verlassenen Fabrikgeländes ein, als er sie dort stehen sah… Ren und Kira. In einem der Nebenwege. Das war doch…

Schnell trat er in den Schatten einer einsamen Birke. Wut flammte in seinem Inneren auf, aber er sagte nichts, das wollte er jetzt mal sehen… Er wusste, dass er sich damit wehtun würde, aber genau aus diesem Grunde blieb er. Er wollte sich beweisen, dass Zuneigung, zu wem auch immer, nichts weiter war als Illusion. Seine Augen starrten voll Abneigung auf das traute Pärchen.
 

"Nein..." Mehr als ein Wimmern kam nicht über Kiras Lippen. Jede Berührung Rens brannte sich auf seine Haut wie Feuer. Jede einzelne Faser seines Körpers wehrte sich gegen Ren. Aber dieser dachte nicht mal im Entferntesten daran, aufzuhören.

Kira verzog das Gesicht, als Rens Hand immer weiter nach unten wanderte. Heiße Galle begann in seinem Hals aufzusteigen.
 

Zeros Gesicht war ausdruckslos. Ren war der perfekte Verführer. Wie er ihm jetzt etwas ins Ohr flüsterte, was er nicht verstand, wie seine Hand den schlanken Hals liebkoste. Er hatte ihn fast an der Wand. Jetzt hatte er sie erreicht. Kira war gefangen. In einer Mischung aus Festhalten und leichter Erotik.

Er konnte sehen, wie Ren ihn erneut küsste und seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Augen wurden zu Schlitzen…
 

Kira taumelte nach hinten und stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Nun war er endgültig gefangen. Ren küsste ihn immer weiter, auch als ein leichter Schweißfilm Kiras Haut überzog, dachte er nicht an diesen. Er war nur dabei seinem eigenen Verlangen nachzugehen, ohne Rücksicht auf Verluste oder auf andere.

Kira merkte wie ihm die Augen zu brennen begannen und wie sich einige Tränen den Weg nach draußen bahnten. "Hör auf!", schluchzte er. "Hör auf..." Seine Stimme wurde jedoch von Ren verschluckt, indem dieser erneut seine Lippen auf die Kiras presste.
 

Irgendwie… hatte Zero nicht den Eindruck, dass es Kira gefiel, er weinte sogar, aber das konnte auch ein Irrtum sein, schließlich war Ren wirklich gut.

„Hey, entspann dich.“, konnte er vernehmen, konnte sehen, wie Ren Kiras Nacken kraulte, wie seine Hand Kiras Arm losließ und sich um dessen Taille wand. „Glaube mir. Wenn du dich darauf einlässt, ist es wunderschön.“ Ganz weich war seine Stimme, voller Verführung…

Zero hörte auf zu atmen. Wenn das so weiterging…
 

Nein. So hatte er es sich nicht gedacht. Nie. Warum hatte er Ren vertraut? Warum nur? Warum hatte er diesen Fehler begangen?

Als Ren immer fordernder auf ihn einredete und seine Hand immer weiter über seinen Körper führte, begann Kira zu zittern. Er versuchte seinen Arm zu heben und den anderen wegzustoßen, scheiterte aber, weil er keine Kraft hatte und Ren einfach zu groß war. Er startete einen zweiten Versuch, doch auch dieser schlug fehl. Seine Stimme hatte mittlerweile ihren Dienst versagt.
 

Zero sah sie, seine Augen brannten sich in den Rücken von Ren. Als plötzlich eine schwache Bewegung von Kira seine Aufmerksamkeit bannte. Seine Hände drückten gegen Rens Brust. Immer wieder.

Zu schwach!, ging es ihm auf, da war er auch schon auf dem Sprung. Fließend rasselten die Ketten aus ihrem Versteck, seine Beine trugen ihn auf die beiden zu, dann war er bei ihnen, legte dem Grünhaarigen fast verschwörerisch die Kette um den Hals. Ganz sanft.

„Wenn du überleben willst, dann lässt du ihn jetzt los.“ Zuckersüß die Worte, sein Gesicht von einem Lächeln erhellt, doch seine Augen blieben dunkel, kalt und unendlich tief. Wahrscheinlich hätte Ren ihn allein an der Stimme nicht erkannt, doch die Kette verriet Zero, war er doch der einzige, der eine solche Waffe besaß.

„Zero, du…“

„Ja, ich.“, kam die liebliche Stimme zurück, während ein leiser Zug an der Kette dafür sorgte, dass der Größere einen Schritt zurück machte und Kira losließ.
 

Dieser sank augenblicklich in sich zusammen und rutschte die Wand hinunter. Er zog seine Knie an die Brust und klammerte sich verzweifelt daran fest. Seine Augen waren starr auf den Boden gerichtet, schreckgeweitet.

Immer und immer wieder spielte sich die Szene vor seinem inneren Auge ab, und er bekam nichts von seiner Umwelt mit. Das einzige, was Kira sah, war Rens Gesicht.
 

„Was tust du hier, Vize?“, fragte Ren inzwischen erstickt, seine Augen zeigten eine Angst, die für ihn nicht unbedingt normal war. Selbst bei Kämpfen war er normal einer der wenigen, der immer ein überlegenes Grinsen zeigte.

Das Lächeln Zeros verschwand. „Was geht es dich an, Ren?“, knurrte er. „Ich habe das Recht überall zu sein, wo ich will. Die Frage ist, was tust du hier?“

„Ich… er hat es auch gewollt!“, verteidigte sich der Ältere verzweifelt und versuchte sich loszumachen, doch Zero zog die Kette zu, so dass er erkannte, dass es zu seinem Ende führen könnte, sollte er sich weiterhin wehren. Er gab auf.

Zero warf einen Blick auf den Jungen an der Wand. „Das sieht ganz so aus.“, gab er gefühllos zurück. „Hör zu, Wanderfalke: Ich beanspruche ihn für mich. Wage es nie wieder, ihn auch nur anzusehen!“

Rens Augen weiteten sich noch ein bisschen mehr, doch er wagte es nicht, seiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen. Zero hatte noch niemals Interesse an jemandem gehabt! Nie! Nicht mal ihn hatte er akzeptiert! Und jetzt wollte er…

„Und wenn du es wagen solltest, hierüber auch nur ein Wort zu verlieren, wirst du noch etwas anderes verlieren. Wenn du Pech hast, dann den Teil, den du heute zu nutzen gedachtest.“

Kalte Worte, wie Eis gesprochen und Ren war zu nichts anderem fähig, als zu nicken. Seine Augen quollen ein wenig aus ihren Höhlen, seine Lippen zitterten.

„Geh essen!“ Damit ließ er ihn frei und Ren flüchtete, stolperte einmal, sah zu ihnen zurück, dann war er endgültig fort. Er würde sich an seine Anweisungen halten, sonst war er tot, das wusste er auch, ob nun hochgestellter Vertreter der Dragons oder nicht.

Zero blickte auf den Jungen an der Wand herab, ließ die Kette verschwinden, ohne dass ein untrainiertes Auge gewusst hätte, wohin. „Du bist echt ein Idiot.“, sagte er abschätzig, seufzte einmal. „Warum gehst du mit ihm mit, wenn du gar nichts von ihm willst?“
 

Von weiter Ferne vernahm Kira eine Stimme, konnte sie aber nicht zuordnen. Er hob leicht seinen Blick und sah einen Jungen. Er hatte das Gefühl ihn zu kennen, aber es wollte ihm nicht einfallen.

"Nein... Nicht...", stammelte er noch immer wie von Sinnen. Sein Geist wurde von etwas anderem umnebelt. Schmerz... Großer Schmerz, von seinem Rücken. Kira besah sich seine Hand und ließ sie dann über seinen Rücken gleiten. Der Schmerz durchfuhr ihn wie eine Welle und er zuckte zusammen.
 

Zero rollte mit den Augen. Also ab zum Doc. Der Kleine hatte sich übernommen.

Er hockte sich vor ihn hin. „Hör zu, Ren ist weg, es keiner mehr da, der dir was tun will.“ Dass er noch da war, verschwieg er, es war offensichtlich. Tsubasa hätte es ihm gesagt. „Und du solltest zum Doc gehen.“ Irgendwie war seine Stimme weicher geworden, ohne dass er das bemerkt hätte. „Hörst du?“

Er hob die Hand, griff nach Kiras und zuckte im nächsten Augenblick zusammen. Er war heiß. Fieber? Wovon? Doch nicht von dem Tattoo! Der Doc machte das immer ordentlich! Dann von…

Die Wunde an der Schulter!, durchfuhr es ihn. Sie war genäht worden, also konnte es auch sein, dass sie eiterte… Verdammt!

„Los, aufstehen, Kleiner! Ab zum Doc!“ Wieder griff er nach seiner Hand und zog ihn mit sich in die Höhe.
 

Kira spürte, wie jemand ihn nach oben zog und ihm half. Wackelig auf den Beinen setzte er sich in Bewegung, hatte aber keine Ahnung, wohin er lief. Neben sich spürte er immer wieder einen Druck, der ihn auf den Beinen hielt, sonst wäre er wohl zusammengebrochen.

Nach ein paar Metern roch er Desinfektionsmittel. Arzt..., schoss es ihm durch den Kopf. Dann wurde es ihm schwindelig und er spürte eine Leere seinen Geist umnebeln.
 

Gerade hatte Zero ihn über die Schwelle gezogen, da brach der Junge endgültig zusammen. Toll. Das würde Ren ihm büßen! Doppelt und dreifach.

Ein tiefes Seufzen, dann zog er ihn mühsam hoch, legte ihm den zweiten Arm um die Hüfte und trug ihn zu der Pritsche.

„Doc!“, rief er in den hinteren Teil der Behausung. „Der Knirps ist wieder zusammengebrochen! Du hast gepfuscht!“ Es war eine Beleidigung, eine Herausforderung, damit der andere sich beeilte.

Es wirkte. Der kleine, hässliche Mann eilte aus dem hinteren Teil und funkelte ihn böse an, schob ihn kurz darauf zur Seite und drehte den Jungen um, um sich die Schulter anzusehen. Sie hatte sich entzündet. Definitiv. So rot wie sie war. Der Doc schimpfte murmelnd und ohne Worte vor sich hin, dann blickte er auf. Eine harsche Geste zu dem Regal und Zero holte dort einen Besteckkasten heraus, der alles enthielt, was der Doc benötigen könnte. Er stellte ihn vor ihn, dann zog er sich zurück.

Schweigend arbeitete der weiße Mann, dann, als er fertig war, nahm er sich seine Handschuhe und schmiss sie dem Schwarzhaarigen um die Ohren. Seine Augen drückten deutlich aus, was er meinte: Er hatte nicht gepfuscht. Nein, das wusste Zero auch. Es war Kiras Schuld, weil er sich nicht geschont hatte, Rens, weil er…

Mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen drückte der Chinese seinen Ziehvater an sich. „Danke. Ich muss noch etwas erledigen.“, flüsterte er ihm ins Ohr, dann ließ er ihn los und ging aus dem Raum. Im Hinausgehen griff er nach dem Stab, der an der Wand lehnte. Einer seiner beiden, immer hier deponiert, falls er ihn brauchte… Jetzt brauchte er ihn.

Sein Weg führte ihn ins Haupthaus, dort wo die meisten ihr Mittagessen bereits beendet hatten und wieder unterwegs waren. Ren war nicht dort. Kurz fiel sein Blick auf Tsubasa, der stirnrunzelnd in seine Richtung sah, doch dann drehte er sich wieder um, ging hinaus und zu Rens Quartier. Auch dort war er nicht. Also zum Meer. Und dort fand er ihn. An einer der Klippen der Mole. Zero stellte sich hinter ihn.

„Spring nur.“, sagte er ruhig. „Niemand hindert dich.“

Der junge Mann fuhr herum, als er den Jüngeren hörte. Er wurde kreideweiß. „Zero, ich… hör zu, ich… es tut…“

„Wolltest du nicht springen?“

„Nein, ich…“

„Du hast ihm Schaden zugefügt.“ Noch immer war Zero ruhig, er lächelte sogar ruhig, als würde er mit einem guten Freund einen Kaffeeklatsch halten, doch unter der Oberfläche brodelte es.

„Nein, ich… Er wollte es doch auch…“ Panik verschleierte die schwarzen Augen.

„Sah das für dich so aus?“, erwiderte Zero leise, trat neben ihn, um aufs Meer hinaus zu schauen.

„Ja, er hat doch…“

„Er hatte Schmerzen, Ren.“, unterbrach er die Rechtfertigung, die schon wie eine solche anfing. „Große Schmerzen, die du ignoriert hast. Er hat sich gegen dich gewehrt.“

„Das stimmt nicht!“, rief der andere aufgebracht, doch der Chinese konnte riechen, dass es nichts weiter als Angst war. Oft genug hatte er die Flucht nach vorn erlebt. „Er wollte das au…“

„Seine Schulter ist wieder aufgerissen.“ Zeros Blick streifte über das Meer, blieb an einem weit entfernten Schiffkutter hängen. „Und sein Rücken ist noch wund vom Stechen.“

Ren wich einen Schritt zurück.

„Du hast es gewusst und hast ihn gegen seinen Willen nehmen wollen… Wie weit wolltest du gehen?“

Wieder ein Schritt, jetzt hatte er den richtigen Abstand…

„Du hast gewusst, dass er verletzt gewesen ist, denn du hast es gesehen, wie alle anderen auch. Und du hast es von Mara erfahren.“

Es war der Moment, wo Ren die Initiative ergriff. Er war schnell, für seine Schnelligkeit berühmt, für seine unvorhersehbare Technik und Präzision im Karate bekannt… doch sein Tritt verfehlte den Vize seines Clans um Millimeter. Im nächsten Moment traf ihn ein tödlich kalter Blick. Und er wusste plötzlich mit übernatürlicher Klarheit: Der Chinese hatte den Angriff kommen sehen. Er hatte ihn erwartet.

Dann hatte er keine Zeit mehr zum Denken. Er musste sich wehren. Gegen einen Stab, der von einer Hand geführt wurde, die seit ewigen Zeiten nicht mehr besiegt worden war. Die er noch nie besiegt hatte.

„Er hat es gewollt, ja?“ Ein Schlag von rechts. „So wie damals ich!“ Ein Schlag quer über die Brust, den er nicht blocken konnte. „Genauso wie Kaoru! Und wie Kimiha!“ Der nächste Schlag traf sein Ohr, dass das Gleichgewicht litt. „Niemals hast du irgendjemanden gezwungen! Deswegen haben sie sich auch nicht umgebracht! Sie waren einfach lebensmüde, nicht wahr, du Held? Du Weiberheld! Casanova!“

Ein Schlag ging über das Gesicht und er konnte die Nase brechen hören, es befriedigte ihn auf fast angenehme Weise und das irre Funkeln in den Augen, das er bisher zurückgehalten hatte, trat in seine jadegrünen Augen. Das Funkeln, das jeden bisher dazu gebracht hatte, sich zu fürchten. Ren machte da keine Ausnahme. Er konnte die Angst riechen. Sie hing verflüssigt in seiner Hose.

„Du wolltest das gleiche mit ihm machen. Du hast ihn verletzt in deiner blinden Gier. Du bist Abschaum. Nichts weiter. Du bist es nicht einmal wert, dass ich mich mit dir beschäftige, aber ich muss mich behaupten. Das ist wie bei den Wölfen. Der Leitwolf darf keine Sünde ungestraft lassen, denn dann würde seine Autorität untergraben werden. Das verstehst du doch?“
 

Dreißig Minuten später kehrte Zero ins Hauptquartier zurück und suchte nach Tsubasa, den er mit den Chibi-Zwillingen bei einer Runde Menschärgeredichnicht fand, die er zu verlieren drohte. Ohne ein Wort stellte er sich direkt neben ihn und starrte auf ihn hinunter. „Der Neue braucht ein neues Zimmer!“ Und damit drehte er sich um und ging.

Tsubasa starrte ihm nach, sein Gesicht nicht mehr annähernd so fröhlich wie vorher, als er den Stab in seiner Hand sah. Er stand auf.

„Chibi-chi. Die Jungen mit der Trage. Chibi-chan. Nimm ein paar Leute und suche…“

Sie nickte, bevor er sagen konnte, dass er den Namen nicht kannte, denn sie wusste selbst, dass es nicht vorhersehbar war, wer Zeros Zorn auf sich zog, denn er handelte sofort und augenblicklich nach einem Vergehen. Blieb nur zu hoffen, dass sein diesmaliges Opfer es überlebt hatte… Die beiden Mädchen rannten los, während Tsubasa Zero hinterherlief, der schon in seinem Apartment angekommen war, die Türe zugeknallt und verrammelt hatte. Verdammt! Was hatte ihn denn so aufgeregt? Gerade war er doch…

Nun ja, wenn er es recht bedachte, dann war Zero sauer gewesen, auf seine ihm eigene, unterdrückte Art und Weise. Und er hatte es einfach nur nicht gesehen. Oder nicht sehen wollen. Und jetzt hatten sie das Desaster. Wen er wohl diesmal wieder dem Tode einen Schritt näher gebracht hatte? Man konnte ihn wirklich keine Sekunde lang allein lassen!

„Zero?“ Zaghaft klopfte er gegen die Tür. „Hey, mach auf, ich will mit dir reden!“

Von drinnen ertönte ein leises Ploff, sonst nichts.

Tsubasa rollte mit den Augen. „Ein Kissen kann die Tür nicht öffnen!“, rief er. „Steh gefälligst auf und mach sie selber auf!“

Stille. War es vielleicht wirklich so schlimm? Hatte er die Grenze zum Töten diesmal vielleicht wieder überschritten?

„Zero!“

Von drinnen ertönten leise Schritte, dann wurde ein Schlüssel im Schloss rumgedreht und die Türe öffnete sich. Zero starrte mit kalten Augen zu ihm auf und Tsubasa wusste, dass er wirklich sauer war. Und jetzt wusste er auch, wen Chibi-chan suchen musste. Zero selbst hatte ihm diesen Hinweis gegeben. Der Neue braucht ein neues Zimmer… Es ging um Ren, den er eh schon hasste. Verdammt!

„Was hast du nur getan?“, fragte er leise, hob eine Hand und strich seinem Bruder eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. „Rei, du musst wirklich langsam aufpassen, was du tust. Dein Leben ist eh schon nicht mehr so einfach, mach es dir nicht noch schwerer.“ Ren würde sich rächen wollen. Wenn sie Pech hatten, würde er innerhalb der Gang weitere unzufriedene suchen, die dann gemeinsam gegen den Vize vorgingen. „Ich kann dich nur zu einem gewissen Grade schützen. Verstehst du das denn nicht?“

Zeros Blick veränderte sich nicht, als er plötzlich doch die Augen schloss und seufzend zur Seite trat. „Ich brauche keinen Schutz.“, erklärte er, schloss hinter dem eintretenden jungen Mann die Tür. „Von dir nicht und von niemandem sonst.“

Tsubasa entwischte ein höhnischer Laut, der fast an Resignation grenzte. „Warum tust du das?“

„Ich habe ihn dabei erwischt, wie er ihn vergewaltigen wollte.“, zuckte der Schwarzhaarige mit den Schultern. „Ich habe ihm lediglich klar gemacht, dass es nicht das ist, was ich von einem Mitglied dieser Gruppe erwarte.“

„Vergewaltigen?“ Tsubasa war geschockt.

„Wie er es mit Kaoru und Kimiha gemacht hat.“

„Aber…“

„Ich weiß, dass ihr nicht wusstet, dass er es war, denn das wusste nur ich!“ Wie vorhin leuchtete in den grünen Augen der Wahnsinn auf. „Denn bei mir hat er es ebenfalls versucht!“

„Rei?“

„Er musste aufgeben.“

„Rei, hör auf!“

„Denn ich war stärker!“

„Rei! Hör auf dich damit zu quälen! Vergiss es endlich!“

„Ich habe ihm gesagt, was ich davon halte, weil er sonst nie damit aufhört!“

„Es war nicht deine Sache!“

„Hätte ich zuschauen sollen?“ Zero war herumgefahren.

„Nein, aber…“

„Da siehst du es! Er hatte es verdient!“

„Zero, er wird dich dafür jagen. Und er ist gefährlich!“

„Ich brauche keinen Schutz!“ Stur wandte er sich wieder nach vorn und trat an eines der großen Terrarien heran. „Ich kann mich selber schützen!“

Zwei Arme schlangen sich um seine Mitte und Tsubasa drückte ihn gegen sich. „Das weiß ich, aber das macht es nicht besser. Er wird sauer sein.“

„Wenn er sich noch dran erinnert.“

„Was hast du mit ihm gemacht?“

Endlich ließ sich Zero in die Umarmung fallen, entspannte sich und lehnte den Kopf zurück auf Tsubasas Schulter. „Ich habe ihm den Schädel eingeschlagen.“

Der größere Junge sagte nichts daraufhin, denn er konnte es nachvollziehen. Vielleicht hätte er auch so gehandelt, wenn er die gleiche Wut empfunden hätte wie Zero… Wenn ihn jemand hätte vergewaltigen wollen… Inzwischen wusste er, was passiert war, konnte sich denken, was da draußen vorgefallen war und warum keiner der drei zum Essen erschienen war, obwohl sie erwartet wurden: Ren hatte den Kleinen in der Mangel gehabt und Zero hatte ihn dabei gesehen. Der Rest war denkbar einfach konstruierbar.

„Wie geht es ihm?“

„Schlecht. Was erwartest du?“

„Ich meinte Kira.“

„Ich auch.“

Wieder schwieg Tsubasa, wiegte den Jungen in seinen Armen leicht hin und her. Es verlief im Grunde alles richtig, Kira hatte es tatsächlich geschafft, Sympathie bei Zero zu erwecken, aber die Umstände gerieten außer Kontrolle. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass sein Ziehbruder endlich jemanden fand, den er lieben, dem er vertrauen konnte, hatte sich wohl auch in der Person nicht geirrt, aber die Faktoren, die hier zusammentrafen, waren zu heftig. Vielleicht würde es noch Probleme geben. Vielleicht…

Kapitel 5

Als Kira erwachte, sah er den vertrauten Raum des Doktors und kurze Zeit später auch sein Gesicht über sich. Sowohl seine Schulter als auch sein Rücken sagten ihm mehr als deutlich, dass er sich in der nächsten Zeit ausruhen sollte, um nicht irgendwann den Löffel abzugeben.

Vorsichtig wollte er sich aufrichten, resignierte aber, als er seinen Körper nicht mal einen Millimeter von der Liege hochbekam. Seufzend entspannte er sich wieder und sah den Doktor an. "Sorry, dass ich so blöd war. Ich hab Ihnen sicher viel Arbeit bereitet..."
 

Der Doc grinste ihn an, zwinkerte und hob demonstrativ eines der noch nicht gesäuberten Skalpelle hoch. Nein, er hatte seinen Spaß gehabt. Dann stellte er ihm ein Glas hin, kurz darauf legte er eine Tablette daneben, wandte sich ab.

Und schon flog die Tür auf und Chibi-chi stürmte herein. „Doc!“ Sie blieb abrupt stehen. Auch sie fand den Arzt der Gruppe gruselig, auch wenn er ihr eigentlich keine Angst machte. Nur, mit dem Skalpell in der Hand… Sie schüttelte sich demonstrativ. „Wir haben Arbeit für dich!“, fing sie sich wieder, blickte dann zu Kira, der auf der Liege lag, lief zu ihm. „Komm, ich helf dir, du musst da runter!“
 

Überrascht sah er das Mädchen an, ließ sich dann aber unter Ächzen und Stöhnen dabei helfen, aufzustehen. Chibi-chi half ihm hoch und ging dann mit ihm bis zur Wand. Dort ließ er sich erst mal sinken. Er hatte keine Kraft, und alles tat ihm weh.

Kurze Zeit später flog die Tür erneut auf und...

Kiras Augen weiteten sich und er schnappte hörbar nach Luft. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass das Ren auf der Trage war, aber den Sachen nach zu urteilen, war er es. Er sah schlimm aus, um nicht zu sagen grauenvoll. Sein Kopf war eine einzige Wunde und der Rest seines Körpers sah auch nicht gerade intakt aus.

Kira krallte sich mit der einen Hand an den Arm von Chibi-chi und versuchte sich an ihr hochzuziehen. Mit Mühe und viel Kraft schaffte er es, und schwankte dann mehr, als dass er ging, nach draußen. Er wollte raus. Auch wenn er sich fühlte, als würde sein Körper bei jedem Schritt verglühen. Er musste aus diesem Raum raus!
 

Chibi-chi half ihm dabei, wurde schon nach kurzer Zeit von Chibi-chan dabei unterstützt, die die Nachhut für Ren bildete. Ein fragender Blick traf ihre Schwester, doch diese zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, warum er es so eilig hatte, wo ihn doch auch einer der Jungen hätte tragen können.

„Wo willst du, dass wir dich hinbringen?“, fragte Chibi-chan und legte sich seinen Arm um die Schultern.

„Willst du in den Gemeinschaftsraum?“, fügte Chibi-chi noch hinzu und zog ihn endlich ein wenig höher, damit er zumindest einigermaßen aufrecht stand. Sie waren beide in etwa so groß wir er, so dass es ihm nicht so schwer fallen würde zu gehen, wenn er sich auf sie stützte.

„Du weißt, dass es dir nicht gut tut, wenn du soviel herumläufst.“

„Du siehst schrecklich aus!“

Sie blickten einander an. „Vielleicht sollten wir ihn zu uns bringen?“, fragten sie unisono und nickten, denn die Frage der anderen war für sie genug. Sie wandten sich nach rechts.
 

Es war Kira egal wohin er ging, Hauptsache weg von Ren! Er stützte sich leicht auf die beiden Mädchen und sah nach einigen Sekunden Chibi-chan an.

"Könntet ihr mich vielleicht in irgendein Bett bringen? Ich möchte schlafen... und ich will Ruhe." Leicht schloss er die Augen, fiel es ihm doch schon die ganze Zeit über schwer, sie offen zu halten.

Die beiden gingen in Richtung ihrer Unterkunft, kamen dabei an dem von Ren vorbei. Kira spannte sich merkbar an und wandte den Kopf ab.

Warum... Warum hat er das nur getan? Ich hatte... ich hatte ihm doch vertraut.

Es war nicht wichtig. Nicht jetzt. Erstmal sollte er wieder gesund werden, dann könnte er über diese Sache nachdenken und einen Schlussstrich ziehen. Das musste er auch tun, sonst würde es ihn nie wieder loslassen…
 

Die Zwillinge nickten schweigend, als sie zu ihrem Raum kamen, einigten sich still, dass er ihr Bett haben konnte, solange es keinen anderen Ort für ihn gab. Ihr Bett war groß, weil sie immer zu zweit darin schliefen. Selbst vier von ihnen hätten hineingepasst. Allerdings lag dieses Bett im obersten Stockwerk des ehemaligen Bürogebäudes, also weit oben, und es war mit gewissen Anstrengungen verbunden, ihn da hinauf zu bekommen. Aber sie schafften es.

Chibi-chi keuchte, stieß die Türe auf und zog Kira dann weiter, ihre Schwester folgte. Sie erreichten das Bett, da war Kira schon fast wieder am Schlafen. War wohl wirklich müde, der Junge. Armer Kerl. Was war nur mit ihm passiert? Wieso war er ständig verletzt.

„Du bist ein Pechvogel, weißt du das?“, fragte Chibi-chan leise, als sie ihm half, sich zu setzen.
 

Sobald Kira etwas Weiches, Festes unter sich spürte, versank er vollends in Schlaf und holte sich somit die nötige Kraft und Ruhe, die er brauchte. Selbst die Frage Chibi-chans überhörte er. In seinen mehr oder weniger ruhigen Träumen begegnete er immer wieder Ren. Und dann war da noch diese Person, die ihn gerettet haben musste. Wer das wohl gewesen war? Es war eine eindeutig männliche Stimme… aber genau konnte Kira sie trotzdem nicht zuordnen.

Dann verschwammen die Bilder und er sah jenen grauenvollen Tag erneut vor sich.

Er. Klitschnass. Im Regen.

Vor ihm, sein kleiner Bruder. Tot.

Um ihn herum standen die Mitglieder der Storms und er kauerte vor der Leiche seines Bruders. Wut und heiße Tränen stiegen in ihm auf und sein Wille nach Rache wurde erneut geweckt. Sein Blick ruhte starr auf dem kleinen, leblosen Körper, nicht fähig zu denken.

Dann begannen Blitze um ihn herum zu zucken, unter ihm öffnete sich ein großes, endloses, schwarzes Loch. Und Kira fiel. Er konnte nicht sagen, wie lange, es schien ihm endlos. Er blickte nach oben, zur einen Seite, zur anderen Seite und sah nichts als endlose schwarze Leere. Als er jedoch nach unten blickte, sah er einen Lichtpunkt, der mit der Zeit immer größer wurde.

Er strebte ihm entgegen, hoffte etwas zu finden was er suchte.

Als er schon Angst hatte, auf dem Boden aufzuschlagen, verlangsamte sich seine Geschwindigkeit, bis er schließlich sanft wie eine Feder auf dem Boden aufkam. Er blickte sich um. Überall um ihn herum war erneut Dunkelheit. Das Licht war verschwunden, sobald er den Boden berührt hatte.

Er lief blindlings in eine Richtung, Panik begann ihn zu ergreifen. Was machte er hier? Warum war es so dunkel?

Kira konnte sich keine Antwort darauf bilden, lief einfach immer weiter. Ein Lichtblitz vor ihm erhellte für einige Augenblicke die Umgebung und er blieb stehen. Es sah aus, als wenn er in einem riesigen übergroßen Zimmer wäre. Er hatte das Zimmer noch nie gesehen. Das einzige, was er zuordnen konnte, war die Treppe, die auf der einen Seite nach unten führte.

Kira schluckte kurz und entschloss sich dann, den Weg nach unten zu nehmen. Er wusste zwar nicht, wo er ankommen würde, aber das wusste er hier nirgendwo. Er hielt sich an dem Geländer fest und lief langsam nach unten. Sein Herzschlag ging schneller. Die Treppe schien endlos und er setzte einfach einen Fuß vor den nächsten, hoffte, dass die Treppe nicht einfach endete. Es kam ihm wie Stunden vor, die er lief, eine Gänsehaut legte sich über seinen Körper und er hoffte, dass er bald aus diesem Labyrinth herausfand.

Die Erlösung kam schneller als erhofft und traf ihn wie ein Schlag, als Kira plötzlich eine Person vor sich ausmachte. Ohne nachzudenken stürmte er auf den unbekannten zu, in der Hoffnung, dass er ihm helfen würde.

„Warte! Bitte!“

Sein Rufen wurde von der Dunkelheit verschluckt und Angst trieb ihn dazu, seine letzten Kräfte zu mobilisieren und den Fremden einzuholen. Kira legte ihm eine Hand auf die Schulter und zog ihn in seine Richtung.

Er sah ihm ins Gesicht, seine Augen weiteten sich und im nächsten Augenblick spürte er Kühle auf seiner Stirn…

Langsam öffnete er seine Augen. Um ihn herum war es dunkel. Es schien Nacht zu sein. Er bewegte seinen Arm und bemerkte, etwas Nasskaltes neben sich. Mit der anderen Hand griff er danach und spürte, dass es ein kaltes Tuch war. Jemand schien es ihm auf die Stirn gelegt zu haben. Bei seinem Albtraum war es dann weggerutscht…

Albtraum…

Kira setze sich auf, stützte die Ellenbogen auf die angewinkelten Füße und versuchte sich an alles zu erinnern. Da war sein Bruder gewesen und ein Junge. Wer war der Junge nur gewesen? Kira kannte ihn. Da war er sich sicher. Aber er konnte die letzten Sekunden einfach nicht rekonstruieren. Er versuchte angestrengt nachzudenken, besann sich aber eines besseren, als sein Kopf unheilvoll zu Pochen begann. Wenn es etwas Wichtiges gewesen war, würde es ihm schon wieder einfallen. Da war er sich ganz sicher.

Er legte sich wieder zurück und verfiel fast augenblicklich erneut in tiefen, diesmal traumlosen Schlaf.
 

Chibi-chi und Chibi-chan nur ein paar Zentimeter weiter auf dem großen Bett hatten das schweigend beobachtet. Die Albträume des Jungen, dem sie Unterschlupf gewährten, hatten sie geängstigt. Sie hatten nicht gewusst, was zu tun war, hatten ihn nicht wecken können. Das feuchte Tuch war ein Versuch gewesen, hatte aber im Grunde nichts gebracht. Wasser half nicht gegen Träume. Es half nur gegen Müdigkeit im Allgemeinen.

Als er sich wieder hinlegte, kuschelte sich Chibi-chi gegen ihre Schwester. „Er hatte es wohl nicht leicht.“, murmelte sie leise gegen ihre Brust.

Das andere Mädchen legte die Arme um sie. „Er hat viel erlebt… So wie wir.“, erwiderte sie noch leiser, dann schlossen beide die Augen. Da Kira diesmal ruhig blieb, schliefen sie auch recht schnell ein.
 

„Kiraaaaaaaaaa-kuuuuuuun!“, quietschte Chibi-chan am nächsten Morgen gut gelaunt, hopste neben ihm auf dem Bett auf und ab. Sie und ihre Schwester waren schon fertig angezogen, die Sonne war gerade aufgegangen! „Aufwachen! Frühstück!“

Sie hopste vom Bett und Chibi-chi brachte ein paar frische Kleider für den Neuzugang. „Tsubasa will dich sehen.“ Ihn hatten sie getroffen, als sie das Essen für die Gruppe zubereitet hatten.
 

Kira erwachte durch Geschrei und ein wackelndes Bett. Chibi-chan saß neben ihm und teilte ihm mit, dass er sich beeilen sollte, um noch etwas von dem Frühstück abzubekommen. Er lächelte sie an und versuchte seine Müdigkeit zu vertreiben. Dann nahm er dankend die Kleider von Chibi-chi entgegen und ging ins Gemeinschaftsbad, um sich anzuziehen und zu waschen. Im Spiegel begutachtete er sich. Er hatte zwar Ringe unter den Augen, sah aber lange nicht so krank aus, wie er sich gestern gefühlt hatte. Er drehte sich kurz, um seine Schulter und den Rücken zu begutachten und bemerkte mit Freuden, dass der Verband noch saß und beides auf dem Weg der Besserung zu sein schien.

Als er fertig war, ging er wieder zu Chibi-chi und Chibi-chan und machte sich kurze Zeit später mit den beiden auf den Weg zum Frühstück.
 

Die Zwillinge waren ausgelassen wie immer. Sie hakten sich jeweils bei ihm ein, kicherten und unterhielten sich in ihrer ganz eigenen Sprache miteinander, nicht verbal sondern irgendwie auf eine Art, die über menschliches Verständnis hinausging.

Kaum betraten sie den Raum, wurden sie mit Gejohle und Applaus empfangen. Immer wenn sie das Frühstück machten oder anderweitig kochten, war das so, sie galten in der Gruppe als die besten. Winkend und grinsend gingen sie direkt durch den Pulk, zogen den Jungen mit sich, der ebenfalls Applaus bekam, weil er es geschafft hatte, die Zwillinge eine ganze Nacht lang zu ertragen - das war schließlich nicht gerade selbstverständlich – und blieben erst vor dem Tisch stehen, an dem Tsubasa und Zero saßen. Letzterer warf ihnen einen vernichtenden Blick zu, gegen den sie glücklicherweise immun waren.

„Hier ist er.“

„Bestellt und abgeliefert!“

Sie quietschten, drückten jeder noch einmal sachte ihren neuen Freund, dann drehten sie hüpfend und glücklich ab, um sich endlich ein Frühstück zu genehmigen.

„Wie geht es dir?“, fragte Tsubasa freundlich und deutete auf den Stuhl vor sich. „Hast du gut geschlafen?“
 

Lächelnd setzte er sich. "Na ja, es geht so."

Sein Blick schlich kurz zu Zero, beobachtete ihn. Er hatte so ein komisches Gefühl, was ihn betraf. Aber warum nur?

Nachdem sich alle wieder hingesetzt hatten, begannen sie mit dem Frühstück. Es war wirklich lecker. Es gab Ei, Reis, einige westliche Speisen und alles war sehr gut zubereitet worden.

Kira schaufelte das Essen nur in sich hinein, konnte er sich doch nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas Nahrhaftes zwischen den Zähnen hatte.
 

„Das freut mich.“ Tsubasa begann nach einem Augenzwinkern ebenfalls zu essen, denn es bedeutete, dass er immerhin etwas geschlafen hatte.

Zero schob sich etwas Reis in den Mund, als er das erste Mal Kira ansah, seit dieser sich gesetzt hatte. Er war blass. Aber er zitterte augenscheinlich nicht mehr. Gut. Und er bewegte sich heute auf jeden Fall sicherer als gestern noch.

Zufrieden nahm er etwas Ei von seinem Teller, als Tsubasa wieder zu sprechen begann.

„Was war gestern, dass du wieder zum Doc musstest?“ Er wusste es ja, aber er wollte es gerne von Kira hören. Es war ihm wichtig, denn es würde darüber befinden, wie er mit Ren verfahren musste.
 

Kira wollte gerade nach dem Reis greifen, als er mitten in der Bewegung innehielt. Er sah Tsubasa an und blickte dann durch den Raum. Es waren fast alle Mitglieder da. Kira wollte es nicht noch mal erzählen, aber noch weniger wollte er, dass alle darüber Bescheid wussten.

Nach einigen Sekunden haftete sein Blick wieder an dem Anführer und er sah ihn mit einem leidenden Blick ins Gesicht. "Warum willst du es wissen? Weißt du es nicht schon längst?"
 

Zero rollte mit den Augen. „Klar weiß er es!“, murrte er, bekam im nächsten Moment eine Kopfnuss von Tsubasa, der ihn böse anfunkelte.

„Sei still, Zero-chan!“, sagte er, wandte sich dann wieder Kira zu. „Ich brauche die Information aus deinem Mund, sonst kann ich nichts tun. Wenn dir die anderen Sorgen machen… Kein Problem. Sie hören nicht zu. Wenn du hier an diesem Tisch leise sprichst, dann kann es keiner hören, darauf hat Zero wirklich peinlich genau geachtet, als er ihn für uns bestimmt hat.“

Der Chinese schnaubte verächtlich.
 

Kira sah von Zero zu Tsubasa und noch mal zurück, bevor er seinen Kopf senkte, und alles erzählte. Vor seinen Augen spielte sich alles erneut ab, wie schon so oft seit gestern… "Ren... wollte mit mir zum Mittag gehen und hat mich in diese Seitenstraße geführt." Seine Muskeln begannen sich zu spannen und die Worte kamen immer schwerer über seine Lippen. „Er hat mich an die Hand genommen und dann plötzlich hat er… mich geküsst. Ich war überrascht, wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte ihn wegstoßen, hab es aber nicht geschafft. Als er dann weiter gehen wollte, bekam ich Angst. Ich wollte schreien, konnte aber nicht. Ich hab keinen Ton mehr über die Lippen bekommen. Dann… habe ich schon fast die Hoffnung aufgegeben, bis mich doch noch irgendwer gerettet hat. Ich weiß allerdings nicht wer. Als nächstes bin ich dann im Zimmer des Docs aufgewacht und das war´s. Mehr gibt es eigentlich nicht zu erzählen.“

Zwischenzeitlich hatte Kira Tsubasa immer mal wieder angeschaut, hatte dies aber nicht lange durchgehalten.
 

Tsubasa sah seinen Ziehbruder bedeutungsvoll an, als Kira erzählte, er könne sich an seinen Retter nicht mehr erinnern, doch der zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. War doch gut so, dann war sein Ruf doch noch nicht ruiniert! Dann wandte er sich an Kira.

„Du bist aber auch eine Pflaume!“, stellte er fest. „Mara hast du geschlagen, dass er in die Knie gegangen ist und diese Niete kannst du nicht mal angreifen, obwohl er drauf und dran ist, dich über die hohe Kante zu brechen!“

Mit diesen Worten schob er sich erneut etwas Reis in den Mund, aber seine grünen Augen blieben unerbittlich an Kira hängen.

Tsubasa blickte ihn wieder an, seufzte resigniert. Das war leider schon zuviel… Da würde er sich für Ren wohl etwas überlegen müssen. Vielleicht sollte er ihn einfach fortschicken, auch damit ihn Zero nicht doch noch killte…
 

"Das war doch was völlig anderes!", fuhr er auf, leicht gereizt von Zeros Aussage, bevor er sich eines besseren besann und sich wieder beruhigte. "Sorry, aber… das war etwas anderes. Mara kannte ich nicht... Ren aber habe ich vertraut." Es fiel ihm schwer, das so herauszusagen, aber es entsprach nun einmal der Wahrheit.

Kurz sah er dem Vize noch in die Augen, bevor er sich dann weiter seinem Essen zuwandte. Komischerweise hatte er immer noch Hunger, und das, obwohl er schon einige Mengen verschlungen hatte.
 

Zero nickte. Hatte er sich doch gedacht. Zu leichtgläubig der kleine Kerl. Aber das würde ihm vielleicht eine Lehre sein, nicht gleich jedem zu vertrauen, der freundlich zu ihm war.

„Ren zu vertrauen grenzt ebenfalls an geistige Umnachtung.“, zuckte er die Schultern, dass Tsubasa zu lachen begann und ihm schon die zweite Kopfnuss an diesem Tag gab.

„Sei nicht so fies zu Kira!“, sagte er, nahm einen Schluck von seinem Orangensaft und hob dann die Augen wieder auf Kira. „Nimm den nicht so ernst.“, erklärte er. „Der hatte auch schon seine Differenzen mit Ren. Da kann er natürlich viel sagen.“ Er lachte. „Ansonsten scheint es dir wieder besser zu gehen. Wir zwei…“ Er deutete auf Zero und sich. „…wir werden gleich in die Stadt gehen. Möchtest du vielleicht mitkommen? Du brauchst neue Klamotten, Zeros sind dir zu groß!“ Mit dem Kinn deutete er auf die Kleider, dir er anhatte.

Zero fuhr zu ihm herum, dann zu Kira, blickte an diesem hinunter und sein Blick wurde eisig, als er sich wieder zu Tsubasa herumdrehte, langsam, aufreizend langsam. „Kannst du mir mal erklären, wie du es wagen kannst, ihm Klamotten von mir zu geben, ohne mich zu fragen?“

Tsubasa grinste ihn an. „Ich war der Meinung, du hättest nichts dagegen!“, erwiderte er unschuldig.

„So, du warst der Meinung? Ist ja toll! Er stand auf, kam dem Gesicht seines Ziehbruders ganz nahe. „Dann solltest du nie wieder versuchen, meine Meinung zu erahnen, denn du bist dazu einfach zu unfähig!“

„Ach was!“ Tsubasa lachte, nahm seine Hand und zog ihn zu sich herunter, um an seine Haare zu kommen, die er durchstrubbelte, als wäre er ein kleines Kind. „Tu nicht so böse!“

„Ich bin böse!“, rief Zero und schlug die Hand zur Seite. Er wollte gehen, doch Tsubasas Griff schloss sich um einen Zipfel seines Mantels und mit einem Ruck riss er ihn zurück, sodass Zero auf seinem Schoß landete. Weiche Arme wanden sich um seine Mitte und hielten ihn eisern fest.

„Zwangskuscheln!“, grinste Tsubasa, als Zero sich zu wehren begann und dann knuddelte er ihn so heftig durch, dass der Jüngere einfach keine Chance hatte. Immerhin gelang es ihm irgendwie, sich halb in diesen Armen zu drehen, damit er sich revanchieren konnte, doch das brachte ihm auch nicht so viel. Tsubasa war nun einmal stärker! Und er hatte ihn im Schwitzkasten.

Dann wurde er stocksteif. Er bemerkte Tsubasas herausfordernden Blick, den er Kira schickte, der ja noch immer an diesem Tisch saß. Noch bevor es kam, wusste er es bereits, dann spürte er auch schon die Lippen seines Bruders auf seinen. Weich und wie immer verlangend. Und seine Arme klemmten zwischen Tsubasas an seinen Seiten.
 

Er hatte also Zeros Sachen an. War ja mal interessant. Aber eigentlich auch logisch, wo sonst sollten Chibi-chi und Chibi-chan die Sachen her haben.

Kiras Gesicht zierte ein Lächeln, als er den beiden Jungen bei ihrem Spielchen zusah. Zeros Anblick, wie er sich wehrte, war schon lustig. Als Tsubasa Zero jedoch küsste, verkrampfte Kira sich und wandte seinen Blick schnellstens ab. Was sollte das… warum gerade jetzt?

Kira wurde warm, erdrückend warm, aber er schaffte es nicht, sich zu rühren. Er saß einfach da und blickte starr in eine andere Richtung, versuchte an gar nichts zu denken.
 

Zero begann zu knurren und im nächsten Moment zuckte der schwarzhaarige Japaner zurück und ließ ihn los – Zero hatte ihm auf die Zunge gebissen.

„Wage es ja nicht, das noch einmal zu tun!“, grollte der Vize. Er hatte in seiner Hand seinen Dolch und jeder hier im Raum wusste, dass der einzige Grund, dass er ihn noch nicht benutzt hatte, die Tatsache war, dass sie wie Brüder zusammen aufgewachsen waren. Die grünen Augen waren dunkel vor Wut.

Sein Blick huschte zu Kira. Was dachte der jetzt? Es interessierte ihn in diesem Moment wenig, dass es ihn unter normalen Umständen nicht kümmerte, was andere über ihn und seinen Bruder dachten. Und es fiel ihm auch nicht auf, dass Kiras Meinung irgendwie etwas zählte…
 

Die Stimmung im Raum wurde augenblicklich zum Zerreißen gespannt und alle Augen waren auf die beiden Chefs gerichtet. Auch Kira ließ sich dazu hinreißen, die beiden zu beobachten. Man sah ganz genau, dass Zero alles wollte, bloß das nicht. Er richtete sogar eine Waffe gegen seinen Freund!

Kira staunte nicht schlecht. Er glaubte nicht, dass er den Mumm dazu hätte, einem bekannten ein Messer an den Hals zu halten, wenn es nicht einen wirklich schweren Grund dafür gäbe.
 

Leises Gekicher wurde in dem großen Raum laut und es wurde von einigen Applaudiert. Es war schon bekannt, dass es ab und zu derlei Vorführungen der beiden gab. Und genau aus diesem Grund war es auch nur selten, dass Zero Besuch von denen bekam, die etwas von ihm wollten.

Zero erkannte Kiras Erstaunen, ohne auf die anderen zu achten. Erstaunen. Nicht Abscheu. Interessant.

Er wandte sich seinem Bruder zu. „Ich bin oben, wenn du losgehst!“, sagte er immer noch murrend, aber längst nicht mehr so drohend wie gerade eben noch, dann wandte er sich ab und stieg die Treppe neben dem Tisch hinauf.

Tsubasa wandte sich Kira zu. „Hast du gesehen, wie man sich verhalten muss, wenn man etwas nicht will, was einem aufgezwungen wird?“, fragte er freundlich, tastete im nächsten Moment auf seiner noch immer schmerzenden Zunge herum. „Mistkerl.“, fluchte er leise. „Hat der tatsächlich zugebissen!“ Und dann lauter: „Das kriegst du zurück, Zero!“

Von oben kam nur ein abfälliges Schnauben. „Da bin ich ja gespannt.“
 

Kira nickte knapp und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Deswegen also... Sie hatten es nur wegen ihm gemacht. Nur um ihm zu helfen, falls er noch mal in solch eine Situation geraten sollte.

Schnell stand er auf und verbeugte sich kurz vor Tsubasa. Dann ging er in die Wohnung, welche er mit Ren bewohnt hatte. Er rannte den Weg entlang und hielt dann vor besagter Tür. Langsam näherten sich seine Finger der Tür. Sein Herzschlag begann sich zu beschleunigen. Er öffnete sie leise und vorsichtig und horchte einen Augenblick, ob von drinnen etwas zu hören war.

Nichts. Stille.

Schnell lief er nach oben, packte schnell die paar Sachen zusammen, die er dagelassen hatte, und war dann auch wieder weg. Draußen lehnte er sich an die Wand.

Das wäre geschafft! Damit hatte Kira einen ersten Schritt getan, um die Sache zu verarbeiten.

Mit den Sachen in den Händen ging er zu Chibi-chis, Chibi-chans und nun auch seinem Zimmer und legte sie dort ab. Dann ging er wieder zum Gemeinschaftsraum zurück. Tsubasa und Zero wollten schließlich in die Stadt. Und Kira verspürte auch den Wunsch, dorthin zu gehen.

Kapitel 6

Kapitel 6:
 

Die beiden Brüder waren noch nicht wieder da. Stattdessen kamen Chibi-chi und Chibi-chan zu ihm gehüpft und fielen ihm beide gleichzeitig um den Hals, drückten ihn glücklich.

„Tsubasa hat erlaubt, dass du bei uns bleiben kannst!“, verkündete Chibi-chi und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Und das solange du willst!“ Chibi-chan küsste seine andere.

„Warst du entsetzt wegen dem Kuss?“, wollten sie synchron wissen.

„Du brauchst dir keine Gedanken zu machen! Das passiert öfter!“

„Aber wir glauben nicht, dass sie zusammen sind!“

„Dazu stehen sie sich zu nahe!“

Die Zwillinge plapperten glücklich durcheinander.

„Wenn du mit willst, dann sollst du hier auf sie warten.“

„Wenn du nicht willst, dann kannst du auch mit uns gehen!“
 

Überrascht von dieser Neuigkeit tat er gar nichts, um die beiden Zwillinge an ihren Knuddelattacken zu hindern. Das war gut. Sehr gut sogar. Hier würde ihm nichts passieren. Und es wäre bestimmt lustig mit Chibi-chi und Chibi-chan. Die beiden schienen wirklich nur lieb zu sein und Kira glaubte nicht, dass ihn seine Menschenkenntnis zweimal hintereinander so täuschen konnte.

„Danke für die Infos. Ich werd dann mal auf die beiden warten. Wieso kommt ihr nicht auch mit? Je mehr wir sind, desto lustiger wird es werden.“

Die beiden sahen sich gegenseitig kurz an und fingen dann an zu kichern. „Wir wollen nicht stören. Ihr hättet zu dritt bestimmt mehr Spaß.“ Und mit einem Grinsen auf dem Gesicht knuddelten sie Kira noch einmal zum Abschied und machten sich dann auf und davon.
 

Tsubasa hatte das von der Treppe gerade noch mitbekommen, genau wie Zero, der ein paar Stufen weiter oben stand. Aber bei diesem Anblick regte sich nicht die Wut von gestern. Die Chibi-Schwestern waren nicht ernst zu nehmen. Sie hatten einander, das genügte ihnen. Und sie waren noch am besten zu ertragen.

„Wir sind fertig.“, erklärte Tsubasa und kam auf Kira zu, der noch im Eingang stand. „Sollen wir dann los?“

Zero blieb hinter ihm stehen. „Na los! Komm!“ Nicht besonders freundlich, aber auch nicht besonders gemein. Es war das Höchste, was er zustande brachte. Und schon ging er weiter, denn sie waren ja jetzt schon zu spät.
 

Kira grinste die beiden Jungen an und folgte ihnen, als sie sich auf den Weg machten. Sie liefen über das Gelände der Gang nach draußen, an den alten Fabrikgebäuden vorbei, in denen jetzt die Mitglieder der Gruppe wohnten, in den belebteren Teil der kleinen Stadt. Schnell erreichten sie die Metro, die sie ins Zentrum bringen würde.

"Sagt mal, wo wollt ihr eigentlich genau hin?" Bisher war Kira den beiden einfach hinterhergelaufen, aber es würde ihn doch schon interessieren, was sie vorhatten.
 

Zero blickte ihn an. „Besorgungen machen.“, erklärte er, ging nicht näher darauf ein, aber immerhin hatte er möglichst freund… neutral geantwortet. Und es hatte ihm kaum Mühe bereitet…

„Das ist Zero-chans Grund mitzugehen.“, erklärte Tsubasa, während sie einstiegen. „Ich wollte mit dir shoppen gehen. Neue Klamotten und so… und da du wahrscheinlich kein Geld hast, haben wir eine Spendenaktion im Clan gemacht. Und er…“ Er deutete grinsend auf Zero. „…muss mit, weil ich es gesagt habe. Also werden wir ihn zu seinem Geschäft begleiten und dann muss er dir dabei helfen, Kleider zu finden, die dir angemessen sind.“

Er grinste breit, als Zero ihm einen bitterbösen Blick zuwarf.

„Wobei mir einfällt, dass ich zwischendurch noch etwas Dringendes zu erledigen habe, weswegen ihr wohl einen großen Teil der Zeit allein sein werdet…“ Das Grinsen wurde breiter, als Zero stehen blieb und sich zu ihm umdrehte.

„Was bitte?“ Er war wohl ehrlich aufgebracht, vielleicht auch nur überrascht, Tsubasa konnte das nicht so genau sagen, aber es freute ihn, dass er nicht von vornherein ein ‚Vergiss es!’ herausgelassen hatte.

„Ist doch nur für ne Stunde oder so…“, sagte er und hob beschwichtigend die Hände, schwankte leicht, als die Bahn anfuhr.
 

Auch Kira reagierte nicht viel anders als Zero.

"Häh? Mit ihm? Alleine?" Ein Fingerzeig in Richtung Zero verdeutlichte, wen er meinte.

Schnell ließ er sich noch auf einen der leeren Plätze fallen, als sich die Türen schlossen, damit er bei der Anfahrt nicht umgeworfen wurde. Still dachte er in sich hinein, ließ den Gedanken freien Lauf in seinem Kopf. Es war wirklich nett vom Clan, sogar Geld für ihn zu sammeln. Er sollte sich vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft bei allen bedanken. Bloß wie?

Vielleicht sollte er mal kochen... In seiner alten Gang hatte er ziemlich oft die Aufgabe gehabt zu kochen. Und man konnte nicht sagen, dass die damaligen Mitglieder seiner Kochkunst abgeneigt waren. Sie waren schier begeistert und hofften inständig, dass er öfter kochen würde… Selbst Tachi hatte mit seinem Essen keine Probleme. Und das musste was heißen, denn der Chef der „Storms“ war sehr wählerisch, was das Essen anging. Selten war er mit dem ganzen Menu zufrieden.

Tachi… Kira hatte seinen alten Anführer sehr gemocht. Für andere hatte es sogar den Anschein, als hätte er ihn vergöttert. Aber auch das hatte Kira nicht davor bewahrt, schlechte Erfahrungen mit ihm zu sammeln. Denn Tachi war es gewesen, der Tetsu umgebracht hatte. Einfach so. Er hatte seinen kleinen Bruder solange geschlagen, bis er keinen Ton mehr gesagt hatte. Und das alles vor Kiras Augen. Alles nur, weil er Kira dazu zwingen wollte, den Auftrag zu erfüllen.

Einige Wochen vorher war ein Überläufer zu den „Storms“ gestoßen und hatte ihnen offenbart, dass der „Tsuru-Clan“ einen Putsch gegen ihren Clan plante. Tachi hatte dann spontan entschieden, dass Kira seinerseits zum „Tsuru-Clan“ überlaufen sollte und ausspionieren sollte, was sie denn genau geplant hatten. Kira weigerte sich jedoch, schon allein, weil er seinen Bruder nicht allein lassen wollte. Dieser war schließlich noch klein.

Noch in der gleichen Nacht hatte Tachi seinerseits die Mittel ergriffen, die er für nötig hielt, Kira zu überzeugen. Aber dadurch hatte Kira erst recht abgelehnt und gleichzeitig auch die Gang verlassen. Einige der Mitglieder hatten ihn zwar noch aufhalten wollen, aber Tachi war dagegen gewesen und hat seine Meinung ganz klar geäußert. Er hatte Kira ein Messer vor die Füße gelegt und war dann gegangen. Ohne etwas zu sagen.

Nachdem Tachi gegangen war, zerstreuten sich auch einige der Mitglieder des Clans, jedoch nicht alle. Einige blieben um Kira auszulachen und ihn zu demütigen, indem sie die Leiche seines Bruders weiter misshandelten.

Ohne über seine Situation nachzudenken, war die Wut in ihm aufgestiegen und ehe er sich versah, hatte er das Messer in der Hand gehabt und zugestochen. Es war ihm egal gewesen, wer ihm vor die Klinge lief. Er hatte einfach zugestochen. Solange, bis der Kerl vor ihm sich nicht mehr rührte. Er hatte ihn nicht mal gekannt…

Nachdem er sich wieder beruhigt hatte und wieder klar denken konnte, waren auch die restlichen Mitglieder des Clans verschwunden. Er hatte immer noch das Messer in der Hand. Er blickte es einige Sekunden an, ließ sich dann auf die Knie sinken und rammte sich mit einer schnellen Bewegung das Messer in die Schulter.

/Weg! Weg! Weg!/ Einzelne Tränen liefen ihm aus den Augen, als er mit Gewalt versuchte, das Tattoo verschwinden zu lassen…
 

Tsubasa hatte gelacht auf die Worte hin, doch Kira hatte dann nicht mehr reagiert. Ein Blick zu Zero und dieser hatte nur den Kopf geschüttelt. Ihm war klar, dass sie in eines der Randgebiete der Storms fuhren, doch damit hatte er trotz der offensichtlichen Lage seines Tattoos niemals Probleme gehabt, denn die Mitglieder dieses Clans fürchteten ihn noch mehr als die seines eigenen… Selbst zu dritt würden sie es nicht wagen, ihn anzugreifen. Aber Kira hatte schon ein Problem. Wenn sie erfuhren, dass er übergelaufen war…

„Lass ihn.“, sagte er leise und Tsubasa nickte. Auch er hatte verstanden. „Er muss damit klarkommen…“
 

Natürlich hatte Kira bemerkt, wohin sie unterwegs waren. Angst kroch in ihm hoch und lähmte ihn. Was sollte er machen, wenn er einen der "Storms" traf? Wie würden sie reagieren?

Unsicher warf er einen Blick zu Zero, dann zu Tsubasa. Er war nicht allein. Er hatte Freunde, die ihm helfen würden. Er hatte sich den "Dragons" angeschlossen, war ein Mitglied des Clans. Der Drachen...

Langsam wanderte seine Hand über den Rücken. Es machte Kira wirklich glücklich, endlich mal eine richtige Familie gefunden zu haben, die sich um ihn zu kümmern schien und ihn mochte. Bei den "Storm" hatte er dieses Gefühl selten verspürt, wenn man von Tachi absah.
 

Zero und Tsubasa hatten sich gegenüber niedergelassen und während der Chinese aus dem Fenster schaute, beobachtete der Japaner sein neustes Schäfchen. Er schien ein bisschen unsicher geworden. Anscheinend hatte er Angst. Wenn er wüsste, dass er das nicht haben brauchte… Als ob Zero zulassen würde, dass man Kira etwas tat… Er hatte genau gesehen, dass er seine Ketten eingepackt hatte.

Er blickte zur Seite, piekte seinem Ziehbruder frech in die Seite, was ihm einen bösen Blick einfing, dann stand er auf. „Ich erwarte euch um 16 Uhr am Bahnhof. Viel Spaß!“ Und schon war er weg. Einfach ausgestiegen.

Zero blickte ihm perplex nach. „Was…?“ Ein kurzer Blick zu Kira, dann wieder hinaus, auf den verschwindenden Bahnsteig. Was war denn das gewesen? Hatte er nicht gesagt, er wolle zwischendurch mal verschwinden? Das war nicht zwischendurch! Das war die ganze Zeit!

„Mistkerl!“, fluchte er leise, dann sah er wieder Kira an. In seiner Miene lag Trotz.
 

Auch Kira blickte dem verschwindenden Tsubasa nach. In seinem Magen begann es zu grummeln und mit einem Kloß im Hals, mindestens so dick wie ebendieser, sah er Zero an.

„Und jetzt?“ Jetzt war er mit Zero allein. Nun waren sie nur noch zu zweit…. Wenn jetzt ein paar Leute aus der Gang kamen, hatten sie nicht sehr große Chancen, aber Kira würde nicht aufgeben, egal was passierte.

Für nichts in der Welt würde er die Dragons verlassen. Selbst über die Sache mit Ren würde er hinwegsehen, in der Hoffnung, dass er dem anderen nicht ständig über den Weg laufen würde.
 

„Tun wir, was er will.“, brummte Zero. „Gehen wir einkaufen, damit du ein paar ordentliche Sachen bekommst, dann sehen wir weiter. Aber vorher noch ein kleiner Abstecher zum Takari.“

Er seufzte. „Schau nicht so. Ich fress dich schon nicht.“
 

Auch Zeros Ausspruch brachte Kira nicht dazu, seine Sorgen loszuwerden. Aber vielleicht sollte er die Zeit einfach wirklich genießen.

Sie fuhren noch einige Stationen bis sie ins Zentrum der Stadt kamen und die Bahn wieder verließen. Kira blickte sich um, bestaunte die vielen Läden und Straßen. "Wo ist denn das Takari? Und was ist das eigentlich?" Ein fragender Blick wanderte zu Zero. Er hatte ganz vergessen, den Vize danach zu fragen, aber nun fiel es ihm wieder ein.
 

Zero warf ihm einen Blick zu, der von Misstrauen und versteckter Unsicherheit zeugte. Genau das sollte eigentlich niemand wissen! Niemand! Denn es zeugte von Schwäche, die er nicht haben wollte! Und dennoch... Kira würde es gleich erfahren, schließlich begleitete er ihn dorthin... Toll...

Er hob die Hand und deutete auf ein kleines Geschäft, das mehr einem Tante-Emma-Laden ähnelte. Tierfutter und -zubehör stand groß darüber. Seine Augen hingen an Kiras Gesicht, denn er wollte dessen Reaktion sehen. War sie auch nur annähernd abfällig, höhnisch oder in anderer Weise negativ, dann konnte sich Tsubasa wirklich freuen, denn dann würde er Schuld am Tod des Neuen haben...
 

Kira folgte Zeros Hand und erblickte einen kleinen schäbigen Laden, der schon drohte auseinanderzufallen. An der Tür sah man ein paar Bilder von Tieren. Hatte er etwa ein Haustier? Das überraschte ihn total. Er hatte Zero bisher als übelgelaunten, strengen Chef gesehen. Aber scheinbar schien auch er eine weiche Seite zu haben. Dass diese gerade in Tieren zu finden war, schien eigentlich nicht weiter erstaunlich.

Lächelnd blickte Kira kurz zu Zero zurück, nur um dann vor ihm in den Laden zu gehen.
 

Ungläubig blickte der Schwarzhaarige ihm nach. Wie bitte? Er wollte mit hinein? Mit rein? Damit er auch noch erfuhr, was für Tiere er sich hielt? Klasse! Super!

„Soweit kommt es noch!“, brummte er missmutig, folgte dann aber. Irgendwie… konnte er ihm gar nicht böse sein. Auch wenn er es wollte. Kira gab ihm einfach keinen Grund dazu. Nach ihm betrat er den Laden und eine ältere Frau trat aus dem hinteren Teil und begrüßte sie. Als sie Zero sah, begann sie zu strahlen. „Hallo, Zero!“, rief sie. „Wieder Futter für deine…“

Er brachte sie mit nur einem Blick zum Schweigen und sie grinste sich halb zu Tode, wusste sie doch um seine Bemühungen, seine Tiere geheim zu halten.

„Und was ist es diesmal? Wieder das gleiche?“

„Wie immer.“, antwortete der Schwarzhaarige und sie nickte.

„Ich lass es dann anliefern.“

„Vielen Dank.“

„Ach, wofür denn? Ist doch selbstverständlich!“

Er lächelte, legte ihr einen Umschlag auf den Tresen, den sie nur mit einem kurzen Blick betrachtete. Sie wusste, dass es wieder mal viel zu viel war, denn es war immer so. Er unterstützte sie mit Spenden… die sie nicht haben wollte, die er aber auch nicht zurücknahm. Und sie konnte sie wirklich gebrauchen.

„Wir gehen dann wieder.“, sagte er und warf Kira einen Blick zu. „Los, komm!“

„Viel Spaß noch!“, flötete sie und winkte, als er sich schon umdrehte und den Laden verließ. Ein bisschen schade war es, dass er nicht allein gekommen war, denn dann wäre er sicherlich länger geblieben…
 

Kira war in den Laden getürmt und blickte sich nun um. Wie es schon von außen den Anschein machte, war der Laden wirklich nicht groß. Im inneren war gerade mal Platz für drei, vier Regale, die von oben bis unten mit den verschiedensten Arten von Tierfutter gefüllt waren.

Kira folgte angeregt dem Gespräch zwischen Zero und der Besitzerin, verzog aber enttäuscht das Gesicht, als er nicht erfuhr, was für Tiere Zero hatte. Als sie wieder draußen waren, war Kiras Neugier geweckt, und er konnte sich nicht länger zurückhalten. "Sag schon, was für ein Tier hast du denn? Ein Hund?" Kira überlegte kurz, und entschied dann, das es unwahrscheinlich wäre, weil man den Hund sowohl hören als auch sehen müsste. "Eine Katze?? Oder einen Vogel?"
 

Da sah man’s mal wieder… Es war wirklich besser, keiner erfuhr, wo er hinging, wenn er mal einkaufen ging. Das führte zu Fragen und Fragen und Fragen, die er eh nicht beantworten würde. „Am besten vergisst du es einfach.“, sagte er betont gleichgültig. „Und es wäre wohl auch besser, wenn es sonst niemand erfährt.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Er bedeutete: Schweig, oder du bist dran.

Dann wechselte er das Thema: „Wohin jetzt? Hast du einen bestimmten Laden im Kopf?“
 

Zero machte Kira unmissverständlich klar, dass er aufhören sollte. Resigniert zuckte er mit den Schultern. Schade, er hätte es wirklich gerne gewusst, aber wenn er es ihm nicht sagen wollte, konnte man das auch nicht ändern. Irgendwann würde er es schon rausbekommen, ja, irgendwann.

Kira machte sich im Stillen eine Notiz, dass er zu diesem Thema noch Nachforschungen anstellen musste. Die Frage Zeros, riss ihn total aus seinen Gedanken. Da er bisher selten in der Stadt war, hatte er keine Ahnung, was es für Läden gab. Er drehte sich einmal im Kreis, um einen Überblick über seine Umgebung zu bekommen. Er sah einige Imbiss-Stände, ein Spielzeuggeschäft und Läden, die eindeutig zwielichtige Dinge verkauften.

Ohne ein Wort zu sagen, lief er die Straße entlang. Es fuhren keine Autos, da es eine Einkaufstraße war und somit Fahrverbot herrschte. Im Laufen warf er immer mal einen Blick nach hinten, um sich zu versichern, dass Zero ihm folgte.

Schon nach einigen Metern entdeckte er einen Laden, der Herrenmode verkaufte, aber nach einem Blick auf die Preisschilder, ging Kira ziemlich schnell weiter. Erst nach etlichen Minuten Weg erreichten sie einen Laden, der von außen ein wenig schäbig wirkte, aber sobald er ihn betreten hatte, revidierte er seine Meinung sofort. Die Inneneinrichtung war spartanisch, passte aber super zum Image des Ladens. Die Mode, die verkauft wurde, war auch in einer akzeptablen Preisklasse angesiedelt, sodass Kira gleich auf das nächstbeste Regal zuging und sich beschaute, was darin zu finden war.
 

Zero hätte fast zu lachen begonnen, als er Kiras Blick bezüglich der Preise in dem Laden seiner ersten Wahl gesehen hatte. Wie er sich plötzlich aufgerichtet hatte und dann auf dem Absatz kehrt gemacht hatte, war einfach zu nett gewesen.

Und der zweite Laden… nun ja. Es war sein Geschäft. Hier kam er her, um einzukaufen, wenn er neue Sachen brauchte. Sie hatten immer das, was er haben wollte, und der Besitzer hatte in etwa den gleichen Geschmack wie er. Und… er stand auf ihn, weshalb er ihm häufig Rabatt gewährte, obwohl er genau wusste, dass er niemals eine Chance haben würde.

Aber diesmal erlebte er eine Überraschung. Der Mann kam heraus, offensichtlich erfreut, ihn wieder zu sehen, da blieb sein Blick auf Kira hängen. Ein kurzes Grinsen, dann zuckte er entschuldigend mit den Schultern und ging auf den Blonden zu. Soso. Das war mal ein Wechsel.

Zero legte einen Zahn zu, erreichte Kira gleichzeitig mit dem Mann. Lächelnd stellte er sich schräg hinter seinen Schützling und deutete auf ein Hemd, das ihm schon immer aufgefallen war, was ihm aber nie gepasst hatte. Ein Ladenhüter, aber schönes Stück. Vielleicht passte es ja Kira, er würde es zumindest gerne an ihm sehen… Und gleichzeitig war das Messer in seiner Hand direkt auf die Kehle des Mannes gerichtet, dessen Absicht so klar gewesen war, dass man sie getrost auf seinem Gesicht hätte ablesen können. Die Warnung war unmissverständlich: Meiner!
 

Schon schnell wurde er von Zero auf ein Hemd aufmerksam gemacht. Kurz besah er sich es. Es sah eigentlich nicht schlecht aus. Es schillerte in Silber und war aus bunten Stofffetzen zusammengestickt worden. Wenn man es einen Weile anschaute, machte es den Eindruck, als wäre es mit Öl übergossen worden. Gewöhnungsbedürftig, aber schön. Kira nahm es in die Hand. Es war weich! Wie flüssiges Silber glitt es durch seine Hände.

Kurz sah er nach hinten zu Zero, dann ging er in die Umkleidekabine, die ihnen am nächsten war. Er streifte sich sein Shirt über den Kopf, und zog das Hemd über. Es war ein atemberaubendes Gefühl! Der Stoff glitt über seinen Körper, und Kira hatte das Gefühl, als würde er gar nichts tragen.

Kurz besah er sich noch einmal im Spiegel, dann trat er nach draußen, um sich Zero zu zeigen.
 

Zero hatte gelächelt, als er den unsicheren, kritischen Blick bemerkt hatte und Yuhi wären bald die Augen aus dem Kopf gefallen. Noch nie hatte er Zero lächeln sehen! Er begriff, hier hatte er nichts zu melden. Das hier war absolut verbotene Zone!

Und als Kira wieder aus dem Ding namens Umkleide herauskam, wurden seine Augen groß. Es passte tatsächlich. Wie angegossen. Und... es stand ihm. War es vielleicht ein bisschen bunt und schwer mit anderen Kleidungsstücken kombinierbar, sah es dafür absolut gut aus. Sexy... was er ihm nichts sagen würde. Es betonte die schlanke Taille und den zierlichen Rücken.

Er nickte anerkennend. "Dreh dich mal."
 

Kira tat wie ihm geheißen und drehte sich einige Male um die eigene Achse. Er fühlte sich wohl in dem Hemd, würde es am liebsten gar nicht mehr ausziehen. Aber er müsste schon noch nach anderen Sachen suchen.

Dass er das Hemd nehmen würde, stand allerdings schon fest und niemand würde ihn in dieser Entscheidung umstimmen können.
 

Zero war zufrieden. Erst recht, als er den Blick seines 'Freundes' sah. "Das nehmen wir. Das ist gut.", sagte er. "Reicht aber nicht. Du brauchst schon ein bisschen mehr als das Ding." Er wandte sich ab, denn ihm war da der Gedanke gekommen, dass er noch zwei Teile kannte, die ihm Tsubasa einige Male vorgeschlagen hatte, die ihm aber nicht in seinen Stil passten. Kira würden sie stehen. Und so schillernd bunt, wie die waren, würde es ausgezeichnet zu ihm passen. Nur... wo waren die doch gleich...

Yuhi hielt ihm etwas unter die Nase. Wortlos und mit einem Blick, der eindeutig alles sagte. Irritiert sah Zero auf, betrachtete das Bündel... Genau, was er gesucht hatte.

"Danke." Er hob eine Augenbraue. Sagte das nicht schon alles, wenn sogar der Experte davon ausging, dass es ihm stehen würde? "Hey, Kira, hier!" Er hob das Bündel in die Luft.
 

Er war gerade dabei gewesen, das nahegelegene Regal zu durchstöbern, als Zero ihn rief. Langsam drehte er sich um, blickte direkt auf das Bündel in Zeros Hand. Fragend wandte er sich um, ging auf ihn zu. Prüfend nahm er ein Teil hoch. Es war wieder ein Hemd. Es sah so ähnlich aus, wie das, das er bereits trug, nur etwas dunkler, hauptsächlich in den Tönen silbern, schwarz und rot gehalten.

Kira besah es sich genau, nahm es in die Hand. Es war genauso schön wie das Hemd, was er bereits trug, nur gefielen ihm die Farben besser. Er hatte nichts gegen bunte Hemden einzuwenden, aber dieses hier war eindeutig schöner.
 

„Los, probier es an. Ich such dir ne Hose.“ Zero drückte ihm auch das zweite Teil in die Hand, maß ihn dann mit einem Blick. Eine Nummer schmaler als er, aber von der Länge her gleich. Sollte doch zu finden sein. Konnte doch nicht so schwer sein. Und hier gab es massenweise hübscher Teile.

Er wandte sich um und ging zu einem Regal. Immer wieder zog er eine der Hosen heraus, hängte sie dann unzufrieden wieder zurück. Er wollte ihm eine Hose suchen, kein Outfit für einen Stricher. Seit wann war dieser Laden so dürftig bestückt? War das sonst auch immer so?

Er sah an sich herab. Lederhose mit Schnallen… saß tief auf der Hüfte, eingebauter Gürtel mit Ketten… Okay… vielleicht schon. Aber das war doch etwas… viel. Wie gesagt, es sollte nicht provozieren, dass noch mal jemand wie Ren kam…

Schnell holte er ein neues Stück aus der Reihe. Es war passabel. Aber es gefiel ihm nicht. Vielleicht war es bieder, aber dafür auch nicht schön. Resignierend nahm er das Teil, das er ganz am Anfang gesehen hatte. Es war schön. Auffällig, weil schwarz mit rot, aber egal. Und dazu fand er recht schnell noch drei andere. Alle drei unauffällig, aber schön…
 

Kira machte sich mit den neuen Shirts auf in die Kabine. Er zog das alte Shirt aus und schlüpfte gewandt in das neue. Er besah sich im Spiegel von allen Seiten. Ja, es war toll. Zero hatte einen interessanten Modegeschmack, der dem von Kira größtenteils ähnelte.

Nachdem er sich für akzeptabel erachtet hatte, begab sich Kira nach draußen und sah sofort Zero mit einem Arm voll Hosen auf sich zu kommen. Kurz schluckte er, lächelte ihm dann allerdings entgegen. Es war ja schon nett von ihm, wie sehr er sich bemühte. Aber Kira hasste es, lange shoppen zu gehen. Das war eine Sache für Mädchen. Ein Glück, dass der Laden, in dem sie waren, nicht so voll war, sonst hätte er schon längst die Flucht ergriffen.
 

Zero nickte anerkennend, ließ dann den Finger kreisen, um ihm anzudeuten, dass er sich drehen sollte. Aber warum sollte es denn nicht passen? War der gleiche Schnitt, nur anderes Design.
 

Überrascht ließ er Zeros Reaktion über sich ergehen. Was war denn das jetzt? Dieses Lächeln auf seinem Gesicht....

Kira konnte seine Gedanken kaum verstecken. Nach einigen Augenblicken fiel ihm auf, dass ihm der Mund offen stand. Schnell klappte er ihn zu und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Schön... Zero stand dieses Lächeln. Es machte ihn gleich viel hübscher... und lieber...
 

Erwartungsvoll zog der Schwarzhaarige seine Hand wieder zurück, blickte ihn an und legte schließlich den Kopf schief.

„Gefallen sie dir nicht?“
 

„Nein, nein. Die Sachen sind schön...“ Schnell drehte Kira sich in Richtung Spiegel, besah sich darin von allen Seiten. Er versuchte den Kopf unten zu behalten, wollte er schließlich nicht, dass Zero sah, dass urplötzlich kleine rote Flecken auf seine Wangen getreten waren.
 

Zero war etwas verwirrt ob dieser Reaktion. Konnte es sein, dass er überhaupt nicht genau mitbekommen hatte, welche Sachen er meinte?

„Kira... die Hosen auf deinem Arm. Das Hemd, das du anhast, passt wirklich gut und wird gekauft, wenn du nichts dagegen einzuwenden hast.“
 

Überrascht blickte Kira auf seinen Arm und erblickte dort mehrere Hosen. Wie...?

Dann hörte er Zeros Absicht, dass dieser das Hemd kaufen wollte. „Ja, das ist schön...“

Ohne dass er wusste, wohin er lief, ging er in die Umkleidekabine und zog die Sachen aus, warf sie in die nächste Ecke und spähte auf die Hosen. Die eine hatte Schnallen und sah ziemlich herausfordernd aus, eine andere war wirklich unauffällig, nur schwarz und die letzte war schwarz mit roten Streifen an den Seiten.

Kurz sah er zwischen den Hosen hin und her, nahm schließlich die einfarbig Schwarze und zog sie an.

Er warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel, um sicher zu gehen, dass sein Gesicht wieder normal war und die roten Flecken auf seinen Wangen verschwunden waren. Er sah sich durch den Spiegel selbst in die Augen, schluckte einmal kurz und ging dann wieder vor die Kabine.
 

Als Kira verschwunden war, kam Yuhi zu Zero und stellte sich zu ihm. „Ihr seid nicht zusammen.“, stellte er fest und blickte den Dragons-Leader von schräg unten an. „Wer ist er?“

„Neuling.“ Antwortete Zero knapp. Sein Lächeln, das durch Kiras rote Wangen sein Gesicht vor Freude erhellt hatte, war wieder verschwunden. Stattdessen hatte Düsternis sich über seine Augen gelegt.

„Aber er scheint dich zu mögen. Ist er wegen dir dabei?“

Was sollte die blöde Fragerei? „Er mag jeden und er ist gewiss nicht wegen mir dabei!“, gab er bissig zurück. Es war die Wahrheit, auch wenn es ihm nicht gefiel. Kira hatte Hilfe gebraucht, die er ihm geboten hatte, und die er nur deshalb angenommen hatte, weil Tsubasa ihm begegnet war und ihn überredet hatte. Weiter war nichts.

Drinnen erstarb die Bewegung.

„Aber du hast ihn gern.“

„Was willst du eigentlich von mir?“, zischte Zero leise, damit Kira nichts mitbekam.

Yuhi lachte ebenso leise. „Ich lote nur meine Chancen aus.“

„Nicht vorhanden.“

Der junge Mann seufzte theatralisch. „Das hab ich schon fast befürchtet.“

Als Kira den Vorhang öffnete, verfielen sie wieder in Schweigen. Nicht nur, weil der nichts von diesem Gespräch mitbekommen sollte, sondern auch, weil sich etwas geändert hatte: Kira ganz in Schwarz sah verboten gut aus. Wenn schon das Hemd seine Figur betont hatte, dann das hier erst recht.

Ohne sich daran hindern zu können, pfiff Zero durch die Zähne. Schick.
 

Kira stand nun draußen vor der Kabinentür und sah den Verkäufer des Ladens neben Zero stehen. Langsam ließ er seinen Blick von einem zum anderen schweifen, sah dann Zero intensiver an. Ein leises Pfeifen ertönte und mit Erstaunen stellte Kira fest, dass Zero überrascht schien. Das sagte zumindest sein Gesichtsausdruck. Diese Kombination von Hemd und Hose schien ihm zu gefallen.

„Gefällt´s dir?“ Die Frage war zwar überflüssig, aber Kira musste unbedingt etwas sagen, sonst hätte er wahrscheinlich andere, eigentümliche Geräusche von sich gegeben.
 

„Frag nicht.“, gab er zurück und drehte sich weg. Yuhis Fragen hatten ihm vor Augen geführt, wie er sich gerade benahm: absolut kindisch. Schrecklich uncool. Und seinem Image so überhaupt nicht angemessen.

„Los, probier die anderen Sachen an, damit wir fertig werden. Ta-chan wartet.“ Mit einem wieder verschlossenen Blick lehnte er sich gegen die Theke und verschränkte die Arme desinteressiert vor der Brust. Was war denn nur mit ihm los? Schulmädchen-Fieber. Schrecklich.
 

Kira gefror das Lächeln auf dem Gesicht. Was war denn jetzt los?

Er sah Zero an, aber nachdem dieser sich abgewandt hatte, ging er in die Kabine zurück und ließ sich dort auf den kleinen Hocker sinken. Was hatte Zero denn? Hatte er, Kira, sich irgendwie falsch verhalten?

Nachdenklich zog er sich die Sachen über den Kopf und warf sie zu den vorigen in die Ecke. Dann nahm er sich den restlichen Stapel vor. Er warf einen kurzen, abschätzigen Blick auf jedes der Stücke und sortierte eine der Hosen gleich aus. Die Schnallen und all der Schnickschnack störten ihn sehr. Die übrig gebliebene Hose probierte er mit dem letzten Shirt an.

Die Hose an sich war größtenteils schwarz, wie schon die davor, hatte an der Seite allerdings einen roten Streifen, der am Ende in einem Schlag endete. Das Oberteil dazu war einfarbig weiß und eher ein Hemd, als dass es ein T-Shirt war. Es sah edel aus und Kira zweifelte einige Sekunden daran, ob er wirklich nach draußen gehen und Zero diese Kombination vorführen sollte. Am Ende entschied er sich doch dafür, da es schließlich Zero war, der die Sachen bezahlte und Kira nicht undankbar erscheinen wollte.

Er schob die Kabinentür auf und zeigte sich Zero...
 

Diesmal blieb Zeros Gesicht starr. Ihm gefiel, was er sah, ohne Frage. Kira wirkte in diesem Hemd so zerbrechlich, fast feminin, dass er, wären sie allein gewesen, einfach nur geschmolzen wäre. Dummerweise waren sie nicht allein. Yuhis Blick brannte auf seiner Haut, machte ihm bewusst, dass er einen Ruf zu wahren hatte und sich eh schon viel zu weit diesem streunenden Katerchen geöffnet hatte. So nickte er nur, fragte anschließend:

„Hast du noch etwas gesehen, das dir gefällt?“ Nur mit Mühe verbannte er die Freundlichkeit aus seiner Stimme. Mit Schrecken stellte er fest, dass es ihm richtig schwer fiel, kalt zu ihm zu sein. Das durfte nicht sein. Nie!

Ganz bewusst verschloss er diese Tür in seinem Herzen, die von Kira schon ein gutes Stück geöffnet worden war... begabter Junge. Ein echter Sonnenschein...

„Wenn nicht, nehmen wir das und suchen Tsubasa. Der kennt Läden für Unterwäsche und Strümpfe besser.“
 

Keine Reaktion. Kira beobachtete Zero einige Sekunden, doch dieser zeigte weiterhin keine merkbaren Veränderungen, so dass Kira nicht ahnen konnte, ob diesem die Sachen gefielen oder nicht. Nach einer Weile zog er sich in die Kabine zurück und entledigte sich der Sachen. Die, die sie nehmen würden, packte er getrennt von den anderen auf einen separaten Stapel. Nach ein paar Minuten drang Zeros Stimme zu ihm herein.

„Nein, das war alles. Ich bin gleich fertig. Dann könne wir los...“

Kira zog sich fertig an, ging dann nach draußen. Zero stand an der Kasse, wartete auf die Sachen. Er gab sie ihm, stellte sich dann etwas abseits und wartete, dass Zero fertig war, so dass sie gehen konnten.

In seinem Inneren grübelte er über eben diesen nach. Seine Launen waren die Zeit über schneller gewechselt als die Farben einer Ampel. Einerseits war er offen gewesen, hatte Kira gegenüber erstmals überhaupt eine andere Reaktion als Wut oder Gleichgültigkeit gezeigt, andererseits war er danach von einer Sekunde zur nächsten wieder griesgrämig gewesen.
 

Einscannen, Geld auf den Tisch, Wechselgeld zurück, Tüte nehmen.

„Komm bald wieder, Sweetheart!“

Zero, der gerade hatte gehen wollen, schoss herum, wutsprühende Augen erfassten den Eigentümer dieser Worte, der gerade seinen Fehler zu erkennen schien. Die Tüte fiel zu Boden, schon glitten die Ketten aus ihren Verstecken an seinem Körper. Dieser Frevel musste bestraft werden. Blutig!

Erster Schritt. Die Ketten schwangen zurück. Yuhi wich nach hinten.

Zweiter Schritt. Das Ausholen. Yuhis Blick wurde panisch.

Dritter Schritt. Die Ketten...

„Zero, lass den Scheiß!“ Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn zurück, eine andere packte die eine Kette und hielt den Schlag auf.

Zero sah in schwarze, vorwurfsvolle Augen.

„Du hattest mir versprochen, dass du ihm seine Dummheit nachsiehst!“ Tsubasa.

„Was soll das? Lass mich gefälligst los!“, knurrte Zero bedrohlich. Seine Zähne blitzten unter zornverzerrten Lippen hervor, als wäre er ein Wolf.

„Damit du mir hier Probleme bereitest? Aber klar!“ Tsubasas Stimme troff vor Ironie. „Krieg dich wieder ein, kleiner Bruder. Der ist es nicht wert.“

„Ist er wohl!“ Kaum mehr als ein Zischen. „Dann bin ich ihn endlich los!“

„Und den Laden gibt es auch nicht mehr. Komm schon, raus hier!“ Und schon setzte er seinen Bruder vor die Tür, warf dem ungläubig dreinblickenden Yuhi noch einen alles sagenden, warnenden Blick zu und drückte daraufhin Kira seine Tüte in die Hand und schob ihn ebenfalls hinaus.

„Schön, dass ich euch so schnell gefunden hab! Ich suche gerade mal zehn Minuten!“,1 freute sich Tsubasa glücklich, wieder mal der Sonnenschein, der er war. „Alles erledigt! Was fehlt euch noch?“ Er wandte sich an Kira, denn ein einziger Blick auf seinen Bruder sagte ihm, dass Zero schmollte. Mit den Händen in den Hosentaschen ging er bereits die Straße hinunter.
 

Noch während Kira über Zeros vorhandenen oder nicht vorhandenen Reaktionen nachdachte, eskalierte die Situation im Laden. Noch ehe er wusste, was geschah, blitzte Metall durch die Luft, ein Rasseln erklang und im nächsten Moment stand Zero mit den Ketten in der Hand da.

Er hatte keine Ahnung, was vorgefallen war, hatte er doch die ganze zeit am anderen Ende des Ladens gewartet. Sein Blick schwang zwischen dem Verkäufer und Zero hin und her. In Zeros Augen spiegelte sich der blanke Hass und eiskalte Wut.

Kiras Herzschlag beschleunigte sich, auf seinem Gesicht sammelten sich kleine Schweißperlen. Was war nur passiert?

Doch bevor er eingehender über diese Frage nachdenken konnte, zischte ein Schatten an ihm vorbei und im nächsten Augenblick sah man die Ketten stoppen. Zero wurde herumgerissen und sah sich direkt mit Tsubasa konfrontiert. Kira atmete aus. Die Situation war vorerst gerettet. Jetzt, da Tsubasa da war, würde Zero nichts mehr unternehmen. Das schien auch der Verkäufer zu merken und sackte ohnmächtig hinter dem Tresen zusammen. Kira sah eine Tüte sein Blickfeld versperren und griff sogleich danach, gerade noch bevor er von Tsubasa aus dem Laden bugsiert wurde.

Um dessen Frage dann auch endlich zu beantworten, brauchte Kira lange, musste er erst einmal seine Sprache wieder finden. „Eh... Unterwäsche und Socken fehlen noch, den Rest haben wir schon...“, brachte er nach Ewigkeiten hervor.

Langsam wandte er den Blick von Tsubasa ab, ließ ihn zu Zero schweifen und sah gerade noch, wie er am Ende der Straße verschwand. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augen.

„Was ist nur los mit ihm? Sein Gemüt scheint ja ziemlich aufgewühlt zu sein...“ Kira sprach leise, eher zu sich selbst, als dass es an jemand bestimmten gerichtet war.
 

Tsubasa lachte.

„Aufgewühlt?“, wiederholte er amüsiert. „Das ist der falsche Ausdruck. Er war wütend.“ Er hob die Hand und wuschelte dem Jungen durch die Haare. „Hat er dich erschreckt?“
 

„Erschreckt? Weil er gerade so wütend war?“ Kira schüttelte leicht den Kopf. „Nein, das nicht. Eher sein Verhalten beim Einkaufen. Seine Stimmungen sind schneller umgeschlagen als bei... Frauen...“
 

Überrascht blickte Tsubasa ihn an. „Frauen?“ Ein anzügliches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Hat da etwa jemand schon Erfahrungen?“

Und gleichzeitig fragte er sich, was da eigentlich passiert war. Ein einzelner Wutausbruch hätte diese Aussage ja wohl kaum hervorgerufen.
 

Kurz erschien ein roter Schimmer auf Kiras Wangen, bevor er sich Tsubasa zuwandte. „Nein, aber...“ Er zuckte mit den Schultern. „Er hat sich benommen wie die typischen Weiber in den typischen Klatsch-Serien im Fernsehen. In der einen Sekunde war er total gut drauf und dann...“ Kira versuchte ein mürrisches Gesicht zu machen.

„Das ist wirklich zum Verzweifeln...“
 

Welch Worte... Tsubasa war nachdenklich geworden. In der kurzen Zeit, die die beiden gemeinsam verbracht hatten, schien etwas zu viel passiert zu sein. Jedenfalls mehr, als er gehofft hatte.

„Hat er... dir etwas angetan?“, fragte er ernst. Eigentlich glaubte er daran nicht, aber andererseits war Zero auch für ihn häufig unberechenbar.
 

Verdutzt blickte Kira sich zu Tsubasa um. „Angetan“? Hatte er gerade richtig gehört? „Wie bitte? Was meinst du denn damit?“ Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, kroch Angst in ihm hoch.
 

„Was ist in dem Laden passiert?“ Tsubasa blieb stehen und brachte Kira dazu, ihn anzusehen. Die Reaktion gerade war nicht gerade... positiv zu benennen gewesen.
 

Kira sah Tsubasa kurz in die Augen, dann senkte er den Blick und begann zu reden. „Wir sind in den Laden gekommen und wurden von diesem Verkäufer förmlich überfallen. Wir haben dann ein paar Sachen entdeckt, die ich anprobieren sollte...“ Er deutete auf die Tüte ins seiner Hand.

„Ich hab Zero dann alle Stücke vorgeführt, dummerweise war dieser Verkäufer die ganze Zeit dabei. Teilweise schien Zero von den Klamotten einfach nur im Positiven überrascht zu sein...“ Erneut bildete sich ein roter Schimmer auf Kiras Wangen. „Er sah mich einfach nur an und sagte nichts, sein Gesicht hat das auch so getan... Was mich allerdings am meisten überrascht hat, war...“ Es fiel Kira sehr, sehr schwer darüber zu reden, es überhaupt anzusprechen, aber er hatte das Gefühl, dass es wichtig war, und vielleicht würde Tsubasa ihm ja helfen können.

„Er hatte einen wahren Gefühlsausbruch... und hat mir durch die Haare gewuschelt. Das kam so total unerwartet, ich weiß selbst jetzt noch nicht, wie ich darüber denken soll.“ Kurz stoppte er in seinem Redefluss, dann hob er den Blick, wandte sich direkt an Tsubasa. „Kannst du mir was dazu sagen? Ich hab keine Ahnung was ich denken soll...“ Bittend blickte er den Älteren an.
 

Dieser blickte absolut perplex zurück.

Zero-chan... Nein, Rei Chang... hatte... Überraschung gezeigt? Rei Chang hatte jemandem außer ihm selbst durch die Haare gewuschelt? Er hatte wirklich und wahrhaftig Gefühle der positiven Art gezeigt?

Halleluja! Wunder gibt es immer wieder.

Ein weiches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er dem flehenden Jungen eine verirrte blonde Strähne aus dem Gesicht strich. „Du hast einen Weg in sein Herz gefunden.“, sagte er leise. „Mach dir keine Gedanken. Der Ausbruch galt nicht dir. Und wenn er jetzt so sauer ist, dann liegt das an Yuhi und seiner großen Klappe.“
 

Nun war es an Kira, perplex zu schauen. Stimmte das, was Tsubasa gerade gesagt hatte? Hatte er wirklich Gefühle in Zero geweckt, die dieses Verhalten hervorgerufen hatten? Aber… wahrscheinlich hatte der Schwarzhaarige Recht. Wer anders konnte auch sonst über Zeros Gefühle urteilen? Kein anderer in der Gang stand Zero auch nur ansatzweise so nah, kein anderer redete überhaupt normal mit ihm!

Kira blickte gen Himmel, ließ die neuen Erkenntnisse und Informationen erst mal sacken.

Sein Kopf war geradezu überfüllt, nicht mehr in der Lage, überhaupt an irgendwas zu denken. Am Besten sie tätigten schnell die restlichen Einkäufe und fuhren dann nach Hause. Das einzige Verlangen, was nun in Kira erwachte, war Müdigkeit und der Wille, ins Bett zu kommen und zu schlafen.
 

Der restliche Tag verging recht schnell. Tsubasa schleifte Kira genau in zwei Läden und verpasste ihm eine Grundausstattung Nutzwäsche. Das dauerte genau eine halbe Stunde, denn der Dragons-Chef wusste genau, was er wollte. Als es dann daran ging, nach Hause zu fahren, war Zero wieder in Sichtweite. Noch immer kam er nicht zu ihnen, sah nicht einmal in ihre Richtung. Tsubasa beachtete ihn gar nicht, sondern quatschte fröhlich Kira mit Banalitäten zu, als wolle er austesten, ab welchem Zeitpunkt bei diesem Blut aus den Ohren kam.

Die Bahn hielt an ihrer Haltestelle und schon war Zero wieder fort. Hier waren sie in seinem Revier, hier kannte er sich besser aus als alle anderen, er würde den Weg auch allein finden.

Tsubasa lieferte Kira noch bei den Chibi-Schwestern ab, die sie fröhlich und überdreht wie immer begrüßten. Er überließ es ihnen, Kira noch zum Essen zu bewegen, da es erst sechs Uhr abends war.

Wenig später erfuhr er von Mara, dass das Mädchen, das vor wenigen Stunden so wagemutig gewesen war, Zero ihre Liebe zu gestehen, ihren Verletzungen erlegen war.
 

Kira verabschiedete vor der Tür des Gemeinschaftsraums von Tsubasa und musste sich nun ganz allein den beiden Chibis stellen. Schon in der Bahn hatte sein Kopf zu schmerzen begonnen und nun, da die Chibi-Schwestern wie verrückt um ihn herumschrieen, wurde es nicht gerade besser.

„Du bist wieder da!“ Die erste hing an Kiras Hals und knuddelte ihn.

„Wir freuen uns ja so!“ Die zweite kam von der anderen Seite, tat das gleiche wie ihre Schwester. Kira hatte keine Chance gehabt zu flüchten oder etwas entgegenzusetzen. Schweigend ertrug er die beiden, obwohl sein Kopf schmerzhafter zu pochen begann.

„Kira-chan, was wollen wir machen?“

„Volleyball spielen?“

„Federball spielen?“

„Karten spielen?“

„Was anderes spielen?“

Kira bewegte seine Hand an die Stirn, der Schmerz vernebelte ihm die Sinne.

„Leute, ich fühl mich nicht so gut...“ Seine Stimme war eher ein Flüstern und kaum zu hören. „Könntet ihr vielleicht allein etwas spielen?“

Die Chibi-Schwestern ignorierten ihn, schienen nichts von dem mitbekommen zu haben, was er gesagt hatte. „Monopoly?“

„Armer Teufel?“

„Verstecken?“

„Und wir müssen Abendbrot essen gehen.“ Jede der beiden schnappte sich einen Arm Kiras und zusammen wollten sie ihn zur Tür ziehen, aber mit wenigen Schritten nach hinten hatte er den beiden Mädchen seine Arme entzogen und sah sie nun mit finsterem Blick an.

„Ich fühle mich schlecht. Ich habe keinen Hunger. Und ich will schlafen! Ich bin müde! Also lasst mich in Frieden und spielt gefälligst allein!“ Mit schnellen Schritten hatte Kira sich auf dem Absatz umgedreht und rannte nun aus der Tür. Sein Kopf schien kurz davor, zu explodieren. Er rannte über das Gelände zum Zimmer der Chibi-Schwestern. Dort legte er sich in sein Bett, schloss die Augen.

Der Schmerz ließ augenblicklich nach, verschwand aber nicht völlig. Er versuchte an nichts zu denken, wollte er doch einfach nur schlafen.
 

Die Chibi-Schwestern blickten ihm etwas verblüfft nach, dann sich gegenseitig an, dann fielen ihre Blicke synchron zu Boden auf die Tüten, die Kira hatte fallen lassen, als sie nach seinen Armen gegriffen hatten. Beute...

Fließend gingen sie in die Knie und öffneten die erste Tüte.

„Unterwäsche!“, quietschte Chibi-chan begeistert.

„Alles schwarz!“

„Und ebenso schwarze Socken!“

„Ui, das ist toller Stoff, ganz weich!“

„Was ist in den anderen Tüten?“ Schon pflückte sich Chibi-chi die zweite Tüte, riss sie auf...

Ein langer Pfiff. „Wow, der Junge hat Geschmack!“

„Ja? Lass sehen!“ Gerade wollte das Mädchen die Hose aus der Tüte holen, da war plötzlich Minoru da und nahm sie ihnen freundlich lächelnd ab.

„Nicht so neugierig.“, sagte er. „Wir alle haben Geld gespendet. Da wollen wir uns die Überraschung der Premiere nicht entgehen lassen.“ Seine Erklärung rief laute Zustimmung hervor. „Ihr werdet die Sachen also hübsch brav in den Tüten lassen und sie ihm ins Zimmer bringen, verstanden?“

Pikiert und in ihrem Spaß unterbrochen blickten sie den jungen Mann mit der roten Wuschelmähne an. „Langweiler!“, kam es wie aus einem Mund und er lachte.

„Wie ihr meint. Aber die Tüten werden trotzdem nicht geplündert!“

Beleidigt zogen die beiden schließlich ab und überließen es Minoru, die Tüten in ihr Zimmer zu bringen.
 

Mittlerweile drehte Kira sich nun schon seit Stunden von der einen zur anderen Seite und Schlaf schien immer noch nicht kommen zu wollen. Der Tag schien so unendlich lang gewesen zu sein, dabei waren sie gerade mal 4 Stunden in der Stadt gewesen.

Aber es war mehr passiert als bei der Gang, mehr, das Kira zu denken gab. Zeros Verhalten ließ ihn einfach nicht los. Als er gelacht hatte, hatte sich irgendetwas verändert. Aber was? Er konnte es irgendwie nicht sagen. Zero war ein anderer Mensch geworden... und er hatte so hübsch ausgesehen...

Dieses Lächeln hatte ihn auch selbst verändert. Seine Sichtweise auf Zero. Entgegen seinem ersten Eindruck, schien dieser doch etwas netter zu sein, als man auf den ersten Blick sah. Dummerweise will er das niemandem zeigen... Seufzend fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Er konnte wirklich Stolz auf sich sein, erreicht zu haben, dass Zero wenigstens ihm seine andere Seite gezeigt hatte. Und das nach noch nicht einmal ganz vier Tagen! Es war alles genauso, wie Tsubasa es gesagt hatte...

Jetzt, wo seine Gedanken ein wenig mehr geordnet schienen, wurden seine Augen endlich schwer und die Müdigkeit senkte sich über seinen Geist.
 

Es war bereits dunkel, als Tsubasa in Zeros Gemächer trat. Es war stockfinster. Abgesehen von einer Kerze in einer hinteren Ecke und einem paar leuchtend gelber Augen, das ihm entgegenblickte, war die Dunkelheit beinahe erdrückend. Zero hatte sogar die schweren, schwarzen Vorhänge geschlossen, sodass kein Licht von außen eindringen konnte. Er machte die Lampe an.

Zero saß ganz hinten, ganz weit von der Kerze entfernt, am Boden und streichelte Jo. Der blaue Vogel hockte auf seinen Knien und knabberte mit seinem scharfen Schnabel liebevoll an den Fingern, die unkoordiniert seine Federn zausten. So wie es aussah, war Zero weit fort mit seinen Gedanken.

Tsubasa kam zu ihm. „Sie ist tot.“, fiel er mit der Tür ins Haus. „Zaara hat den Sturz von der Treppe nicht überlebt.“

Zeros Reaktion war nur wenig befriedigend. Er ließ Jo für sich antworten. „Wasser ist nass!“

„Rei! Das ist nicht witzig!“ Mit einem unbefriedigten Knurren ließ er sich neben ihm an der Wand hinabrutschen. „Zaara war Mitglied in unserer Gang. Die anderen haben Angst vor dir! Sie sind wütend auf dich! Auch wegen Ren! Er ist angesehen!“

„Sie haben es verdient.“ Tonlos, kalt, gefühllos.

„Das kann nicht dein Ernst...“

„Sie haben meine Regeln missachtet.“ Seine weiße Hand fuhr sachte über den gelben Bereich an Jos Gefieder, was dem Ara einen zufriedenen Gurrlaut entlockte. „Diesen Raum darf niemand betreten. Zaara kannte die Konsequenzen.“

„Sie ist tot!“

„Ich hab dich lieb.“

Tsubasa warf dem Vogel einen kritisch-bösen Blick zu. „Danke, Jo, das ist sehr hilfreich.“, murrte er, da antwortete Zero doch noch:

„Es ist nicht meine Absicht gewesen, sie zu töten.“, meinte er, aber er klang zu gleichgültig.

„Und was war mit Yuhi?“

Schweigen. Zero zeigte keine Regung.

Und Tsubasa verstand. „Du gerätst außer Kontrolle.“, sagte er leise und ließ sich schwer gegen ihn fallen. „Rei, ich mache mir Sorgen um dich.“ Er drückte seine Nase gegen den Ärmel seines Bruders.

„Seit du ihn verschont hast, bist du gereizter als je zuvor. Als müsstest du das verstecken, was dich dazu bewogen hat, ihm zu helfen...“

Wieder herrschte Schweigen und die einzige Bewegung ging von Zeros Hand aus, die noch immer Jo streichelte. Wie mechanisch.

„Wovor hast du Angst?“, flüsterte Tsubasa schließlich die Frage, die ungesagt in der Luft schwebte. „Was befürchtest du?“

„Er sollte hier weg.“

„Er gehört jetzt hierher. Er wird nicht verschwinden. Oder willst du ihn auch töten? Wie Zaara. Damit er nicht dein Herz erreicht, dich nicht verletzten kann, dich nicht verletzlich macht?!“

Zero schwieg und wandte den Kopf ab. Damit Tsubasa nicht sah, dass er mit seiner Vermutung direkt ins Schwarze getroffen hatte. Und er wusste gleichzeitig, dass es gar nichts brachte, da der Japaner ihn eh längst durchschaut hatte. Tsubasa kannte ihn einfach zu gut...

„Rei... du hast ihn verwirrt.“

„Das ist besser so.“ Seine Stimme klang dunkel und rau. „Vielleicht sucht er sich dann andere Freunde.“

„Und das würdest du zulassen?“, erklang belustigt Tsubasas Antwort. „Nachdem du Ren so fertig gemacht hast?“

„Das hatte damit nichts zu tun. Zwangsprostitution ist hier nicht. Nicht in dieser Gang!“

„Ich weiß doch.“ Tsubasas Arme schlangen sich plötzlich um seinen Körper. „Das ist auch der einzige Grund, warum die Älteren dich noch akzeptieren.“

„Es ist mir egal, ob sie mich akzeptieren. Sie sollen mich nicht mögen, sie sollen mich in Ruhe lassen.“

Tsubasa lächelte ob dieser Aussage nur. „Genau diese Einstellung kann ich nicht nachvollziehen.“, murmelte er.

„Genau aus diesem Grund bist du Anführer und nicht ich.“

Wieder ein leises Lachen. „Das liegt eher daran, dass du dich vor der Verantwortung drücken willst. Der Doc hatte da andere Pläne.“

„Dumm nur, dass er nichts zu sagen hat.“ Es war der erste Moment, dass Zeros Lippen ein Lächeln zierte.

„Ja, weil er nichts sagen kann.“

„Das kommt aufs gleiche raus.“, murrte Zero. Dann lächelte er wieder. „Warum bist du hier?“, fragte er. „Wolltest du mir nicht die Leviten lesen wegen Zaara?“

„Du hast doch schon gesagt, dass du es nicht wolltest.“, erwiderte Tsubasa. „Und eigentlich ging es mir mehr um eine Info.“

„Die da wäre?“

„Wenn er hier heraufkommen würde, würdest du ihn ebenfalls töten?“

Zero starrte ihn perplex an. „Was bitte?“

„Kira-kun. Würdest du ihn töten?“

„Nein, ich...“ Der Schwarzhaarige verstummte und seine Augen weiteten sich leicht bei der Erkenntnis.

„Das ist gut.“, murmelte Tsubasa leise und drückte sich gegen ihn.

„Was willst du damit sagen?“ Misstrauisch verengten sich die grünen Augen. „Du wirst ihn nicht hier rauf schicken, Ta-chan, hast du verstanden?“

„Hm?“

„Hey, penn hier nicht ein! Ich will dich nicht ins Bett tragen müssen!“ Empört versuchte er Tsubasa von sich zu schieben, doch da dieser seine Arme umklammert hielt, wurde das doch immens erschwert. „Ta-chan!“

„Hm...“

“Jo, beiß ihn!” Doch das war tatsächlich sinnlos. Jo schlief auch schon. Der Vogel hatte seinen Kopf unter den Flügel gesteckt und balancierte mühelos auf seinen schwankenden Knien. Na toll...

Kapitel 7

Zero erwachte am nächsten Morgen davon, dass ihm jemand in die Zehen biss. Murrend trat er nach dem Störenfried, woraufhin Federrascheln ertönte.

„Wasser ist heiß. Feuer ist nass.“

„Hm.. Josie gib Ruhe!“ Zero drehte sich auf die andere Seite, doch das war ein Fehler, denn Jo kletterte auf seine Waden und begann an seiner Ferse zu knabbern.

„Jo!“ Zero saß senkrecht. „Verdammtes Viech! Du weißt genau, dass ich das da nicht ertrage!“

„Ich hab dich lieb!“

Seufzend bot der Schwarzhaarige seinem Vogel den Arm, den dieser vertrauensselig annahm. „Ich dich auch, Josie.“, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss auf die Brust. „Aber wecken musst du mich deswegen nicht.“

„Sauerkraut mit Wurst!“

„Ganz toll, Süße! Wo hast du nur diesen Schwachsinn her?“ Verpennt erhob er sich, lud Jo auf ihrer Stange ab und verschwand im Bad. Er wusste, dass sie folgen würde, denn sie duschte gern. Und ausgiebig.

Und kaum war er fertig, bestätigte sich seine Vermutung. Jo hockte unten in der Dusche und spreizte ihre Flügel ab.

„Na dann...“

Nach zehn Minuten trug er den triefenden, flugunfähigen Papagei auf seine Stange, stellte die Heizung höher und zog sich dann an, um hinauszugehen. Auf halbem Wege ließ er die Reste des gestrigen Mittagessens mitgehen und ging dann zur Mole. Sie warteten bereits. „Na, ihr Monster?“, begrüßte er sie mit einer Art Wehmut in der dunkeln Stimme. „Hunger?“
 

Kira erwachte schon früh am Morgen, von beiden Seiten durch die Chibi-Schwestern eingekesselt. Er öffnete die Augen, blieb aber vorerst liegen und überlegte, warum er so plötzlich erwacht war. Noch während seine Gedanken kreisten, hörte er es neben sich Rascheln und im nächsten Moment hatte er einen Arm mitten im Magen.

Kurz keuchte er auf und schnappte nach Luft. Chibi-chi hatte ihn im Schlaf geschlagen! ... Oder war es doch Chibi-chan? Auch egal. Nun war er allerdings erst recht wach.

Vorsichtig stand er auf und sprang aus dem Bett. Als er sich noch einmal zu den Chibi-Schwestern drehte, konnte er gerade noch erkennen, dass sie sich genau an der Stelle enger aneinander kuschelten, an der Kira noch bis vor ein paar Sekunden gelegen hatte. Es sah fast so aus, als wollten sie ihn weghaben...

Ein Lächeln flog über sein Gesicht, bevor er sich seine kurze Hose schnappte und das Zimmer verließ.

Es war noch früh am Morgen, die Luft war frisch. Diese Umstände luden geradezu zu einem Morgenspaziergang ein. Oder besser gesagt zu etwas Frühsport. Kurz dehnte er seine Beine, dann sprintete er los. Schon nach wenigen Metern waren alle Gedanken aus seinem Kopf verschwunden. Das Einzige was nun zählte, war das Laufen und die frische, reine Luft am Morgen. Kira suchte sich einen Weg durch die Lagerhäuser, achtete nicht weiter darauf, wohin er genau lief. Wichtig war einzig und allein die Freiheit, die er gerade spürte.

Ehe er sich versah, merkte er den salzigen Meer-Geruch stärker werden und kurze Zeit später sah er auch schon eine dunkle Fläche am Horizont erscheinen. Mitten auf der Straße blieb er stehen, verschnaufte kurz und blickte sich dann um. Langsam ließ er seine Augen um die Umgebung schweifen, entdeckte niemanden. Nach einigen Sekunden drehte er sich nach links, lief weiter. Mittlerweile klebte das Shirt schweißnass an seinem Körper, störte Kira aber nicht weiter.

Er lief die betonierte Straße entlang, erhöhte sein Tempo leicht. Sein Blick war auf das Ende, das sichtbare Ende, der Straße gerichtet. Kira war kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren, aus vollem Halse zu schreien, da erblickte er eine Person am Meer. Schnell drosselte er sein Tempo, versteckte sich hinter dem nächstbesten Betonblock. Nachdem er wie aus einem Reflex diese Bewegungen ausgeführt hatte, stutzte er. Was machte er hier eigentlich? Es war legitim zu laufen und es war auch kein Verbrechen, dass ihn andere dabei sahen, bzw. auch zu früher Stunde unterwegs waren.

Nach einigen Sekunden der Überraschung kam Kira aus seinem vermeindlichen Versteck hervor, fixierte den Punkt, der die Person darstellte, mit den Augen. Langsam, noch bevor er bemerkte, dass er etwas tat, lief er auf den Unbekannten zu. Seine Füße schienen ihn allein zu tragen.
 

Zero hatte sich zufrieden auf einen größeren Felsblock gesetzt und beobachtete jetzt die Streunerkatzen um ihn herum, die sich um das Essen balgten. Es war traurig, dass es so viele waren, aber immerhin gab es hier genug, die sie fütterten; er allein könnte sie nicht am Leben erhalten. Das bewies allein das Ausbleiben des grauen Schmusekaters. Dabei war er sonst immer da. Offensichtlich war er nicht mehr dazu in der Lage...

Wo er wohl war? Ob er schon tot war?

„Wisst ihr was? Ich hab vor kurzem noch einen Streuner gefunden. Deswegen war ich auch lange nicht mehr da. Blond ist er. Wie ein Europäer. Aber die Haare sind nur gefärbt, glaube ich. Steht ihm trotzdem. Auch wenn ich nicht verstehe, warum er da ist.“

Eine weiße Katze kam zu ihm und drückte ihr Köpfchen gegen ihn. „Du willst ihn kennen lernen?“, fragte er. „Das wirst du ganz sicher. Der ist wie ihr. Eine Katze. Sagt doch schon das Sprichwort: Gleich und Gleich ge...“

Erschrocken fuhr sein Kopf herum. Er hatte aus den Augenwinkeln eine Bewegung gesehen. Und als er die sich nähernde Person bemerkte, bildete sich eine böse Falte zwischen seinen Augenbrauen. Fließend erhob er sich, dass der Wind seine Haare und seinen Mantel erfasste und flattern ließ.

„Ich komme morgen wieder.“ Und schon ging er. Er wusste nicht, warum er es jedes Mal versprach. Vielleicht wünschte er sich einfach, dass auch sie wieder da sein würden. Jedenfalls warf er noch einen kurzen Blick auf den morgendlichen Jogger und erkannte im Licht der aufgegangenen Sonne einen Schimmer blonden Haares.

Ein Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit, bevor er in der winzigen Gasse verschwand, die zu einer noch kleineren, unauffälligen Tür führte. Kira war also ein Morgenmensch...
 

Kira näherte sich dem Schwarzhaarigen, bevor er jedoch mehr als die Haarfarbe erkennen konnte, war der Fremde verschwunden. Langsam lief er auf die Stelle zu, an der der andere noch bis vor kurzem gestanden hatte.

Wer war denn das?, ging es ihm durch den Kopf. Dann blickte er auf den Boden vor sich und erblickte dutzende Katzen. In allen erdenklichen Farben. „Wer seid ihr denn?“ Überrascht blickten ihn einige der Katzen an, ein paar andere stritten sich immer noch um Essbares. Eine der kleinsten lief nach einigen Sekunden des Musterns auf Kira zu. Sie war sehr klein, drahtig und ihr Fell war von hellem eichhörnchenschwanzbraun. Vorsichtig ging Kira in die Knie, streckte langsam eine Hand aus, um die Katze weiter zu locken. Kurz hielt sie inne und beobachtete ihn aus ihren gelbgrünen Augen. Kira sah ihr in ebenjene und nach einigen Sekunden kam sie weiter auf ihn zu, rieb ihren Kopf an seiner Hand. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht.

„Du bist ja süß...“ Und mit langen Bewegungen begann er der Katze übers Fell zu streichen.

Nach Ewigkeiten erhob er sich, bekam dafür einen vorwurfsvollen Blick von dem Tier. „Tut mir ja leid. Aber ich muss gehen. Ich komm bald mal wieder.“ Nach einem letzten Blick auf die Katzen setzte er sich in Bewegung und lief zu seinem Zimmer zurück.
 

Chibi-chan und Chibi-chi waren nicht im Zimmer, als er hereinkam, aber das änderte sich schlagartig, als sie ihn hörten. Die beiden Schönheiten waren unter der Dusche gewesen, aber diese Tätigkeit war unwichtig, sobald sie wussten, dass er es war. Die Tür schlug auf, und im nächsten Moment hingen sie um seinen Hals.

„Onii-chan!“

„Wo bist du gewesen?“

Sie hatten ihn adoptiert.
 

Kira hatte kaum das Zimmer betreten, als eine Tür aufflog und er im nächsten Moment von zwei tropfenden und triefenden Chibi-Schwestern belagert wurde. Kurz stieg ihm die Röte ins Gesicht, dann besann er sich eines Besseren. Er war 18! Achtzehn! Und die beiden Mädchen erst 16! Außerdem hatten sie ihn Onii-chan! genannt.

Bevor er allerdings weiter über die Situation nachdenken konnte, hatten die beiden kurzerhand mit ins Bad gezerrt und begannen nun, ihn auszuziehen. Chibi-chan begann mit dem Shirt, wollte es ihm über den Kopf ziehen.

„Hey... Was habt ihr vor?“ Erschrocken griff Kira nach seinem Shirt.

„Wie wollen mit dir duschen!“, quiekte Chibi-chi.

„Das wird lustig!“, setzte Chibi-chan nach.

´Lustig´ war wirklich die treffende Beschreibung. Das Bad war klein, um nicht zu sagen winzig. Er allein schaffte es leicht sich im Bad zu bewegen, sich fertig zu machen. Aber was war nun mit den Schwestern zusammen?

Plötzlich piekste ihm Chibi-chi in die Seite. Überrascht und erschrocken zugleich erstarrte er in der Bewegung und hatte im nächsten Moment, seine gesamten Klamotten verloren. Egal. Was soll´s... Jetzt konnte man eh nichts mehr ändern. Zu dritt quetschten sie sich in die kleine Duschkabine. Nach einigen Sekunden spürte Kira Hände und eine Waschbürste über seinen Rücken gleiten, zum Glück die Naht seiner Wunde aussparend. Das war ein schönes, angenehmes Gefühl. Entspannt schloss Kira die Augen.
 

„Kopf runter!“, befahl Chibi-chan dann plötzlich und schon zog sie ihn herab, drückte eine wirklich übertriebene Menge Shampoo auf seine Haare, bevor sie die Flasche einfach zur Seite warf und die Finger in seinem Haar vergrub, um die Seife einzumassieren. „Du musst nachher ganz toll aussehen mit deinen neuen Kleidern!“

Währenddessen strich Chibi-chi die Konturen des Drachen nach. „Schön!“, schwärmte sie. Ihrer und der ihrer Schwester waren spiegelverkehrt auf ihren Oberschenkeln zu sehen.
 

Kira ließ das alles mit sich geschehen, war es doch wirklich niedlich. Und sie hatten Recht. Er hatte neue Sachen und er sollte schon hübsch aussehen, wenn er sie trug.

Noch während eine der beiden ihm die Haare wusch, hob er den Arm und formte mit den Fingern ein Peace-Zeichen, zeigte den beiden so, dass sie freie Hand hatten und sich an ihm auslassen konnten. Erst im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass er eventuell einen Fehler gemacht haben könnte... Aber das würde sich noch zeigen.

Sobald Chibi-chi und Chibi-chan seine ganze Ergebenheit sahen, quietschten sie vor Freude los und sahen sich an. In ihre Augen war ein irres Funkeln getreten, welches Kira glücklicherweise aber nicht sehen konnte.
 

Sie drehten das Wasser auf, duschten ihn und sich ab, bevor sie wie irre mit Handtüchern über ihn herfielen. Kurz darauf schleiften sie ihn ins Zimmer, schütteten einfach sämtliche Tüten auf dem Bett aus und einigten sich mit lautem, begeistertem Gequietsche auf das rotschwarze Hemd, die Hose mit dem roten Schlag und nachdem sie ihn dazu genötigt hatten, das anzuziehen und sich zwischenzeitlich selbst in ihre chinesische Tracht geworfen hatten, farblich natürlich passend, schnappte sich Chibi-chi den Föhn und Chibi-chan die Schminktasche.

15 Minuten später war Kira fertig: Sein Haar fiel locker-leicht in sein Gesicht, seine Augen waren mit schwarzem Kajal stark betont worden, immerhin hatten sie dank der Blässe seiner Haut auf jegliche andere Schminke verzichtet. Dafür hatte er ein doppelt fingerbreites schwarzes Lederband um den Hals, schwarze Manschetten an den Handgelenken und eine silberne Kette als Gürtel.

Wie die Zwei es nebenbei noch geschafft hatten, sich selbst herzurichten und die Haare so kunstvoll hochzustecken, blieb ihr Geheimnis. Heute sahen sie sich noch ähnlicher als sonst.
 

Kira kniff die Augen zusammen, wollte er doch erst am bitteren Ende sehen, was sie aus ihm gemacht hatten. Durch das aufgeregte Gequietsche ertönte dann endlich der Schrei, der das Ende ankündigte. „Fertig!“, ertönte es von Chibi-chi, hatte es Kira doch langsam tatsächlich geschafft, die beiden auseinanderzuhalten.

Er wollte allerdings noch nicht die Augen öffnen. Weiter kniff er sie zu, hoffte, dass die Chibis bald fertig waren. Dann wurde er vom Stuhl gerissen und in eine Richtung geschubst.

„Schau dich an!“, ertönte die Stimme Chibi-chans neben ihm.

Und Kira war wirklich so mutig, oder auch dumm, und öffnete die Augen. Was er sah, ließ seinen Puls aussetzen. Er sah eine Person vor sich, hauptsächlich in schwarzen Sachen, zu denen auch die Accessoires farblich passten. Seine Augen waren dunkel betont und seine Haare fielen ihm sanft ins Gesicht.

„Wow...“ Noch bevor er sich weiter begutachten konnte, wurde er von den Schwestern je an einer Hand genommen und zum Gemeinschaftsraum gezogen.
 

Das Frühstück war schon in vollem Gange, als die Chibi-Schwestern Kira in den Raum stießen. Doch trotz lebhafter Themen war es schlagartig still in dem großen Raum. Totenstill. Jeder starte zu ihnen hinüber.

"Also ist Kira jetzt da?" Zero saß heute mit dem Rücken zur Tür, weil er den Kampf zwischen Mara und Akao nicht hatte mit ansehen wollen, die sich gegenseitig Ketchup und Mayonaise in die Haare schmierten.

Tsubasa antwortete nicht. Sein Gesicht war fassungslos. Dann stand er plötzlich auf, kam zu Zero und drehte dessen Kopf rigoros um fast 180 Grad.

"Hey, was soll... das..." Zeros Widerstand erstarb, als er Kira sah. Schön, wie ein dunkler Engel. Fehlten nur noch die Flügel, damit... Seine Gestalt, sein schüchternes Auftreten, die blasse Haut...

Weg hier! Ein einziger Gedanke, dann verschaffte ihm ein Schlag in Tsubasas Bauch die nötige Freiheit. Kaum drei Wimpernschläge später stand er, warf seinem Bruder noch einen strafenden Blick zu, bevor er das Poker-Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Flucht war Schwäche. Also Flucht nach vorn, dass es niemand als solche wahrnahm.

Mit sicherem Schritt kam er auf sie zu, so dass die Chibi-Schwestern sich aufgeregt an Kira klammerten. "Er kommt!", freuten sie sich.

"Er hat dich bemerkt!"
 

Kira wurde von beiden förmlich in den Raum gedrängt, obwohl er lieber nach ihnen gegangen wäre. Sobald er einen Fuß hinein gesetzt hatte, erstarben die Geräusche, alle Köpfe flogen in seine Richtung und eine erdrückende Stille legte sich über den Raum. Er sah sich um, spürte jeden Blick auf sich. Er wusste nicht, was er mache sollte, so versuchte er es mit einem Lächeln, was ihm allerdings nicht so ganz gelang.

Erst als Zero sich rührte und auf sie zukam, hörte man Geräusche. Einerseits das leicht überraschte, schmerzhafte Keuchen Tsubasas und andererseits das aufgeregte Getuschel der Chibi-Schwestern neben ihm. Kira sah Zero an, tat oder sagte aber nichts. Er sah ihn einfach nur an.
 

Weich berührte Zero ihn an der Wange, beugte sich zu ihm hinab, als er ihn erreicht hatte. "Haben die Chibi-Schwestern eine neue Puppe gefunden? Prinz Kira, sie scheinen Euch zu mögen." Sonst sähe er sicherlich nicht so unverschämt gut aus.

Sein Lächeln war hintergründig, als er sich aufrichtete, dann ging er an ihnen vorbei, als wäre nichts passiert. Draußen, außerhalb des Blickfeldes der anderen, begann er zu laufen. Ohne nachzudenken. Flucht. Flucht. Flucht. Einfach nur weg von hier, bevor er noch etwas tat, was in seinen Augen absolut unverzeihlich war oder seine Autorität bei den Mitgliedern untergrub.

Zumindest einen Vorteil hatte es, dass er so ins kalte Wasser gestoßen worden war gerade: Das nächste Mal war er darauf vorbeireitet.
 

Sanft spürte Kira Zeros Atem an seinem Ohr, vernahm die geflüsterten Worte.

Nachdem er alles verstanden hatte, oder auch nur die Hälfte, dass konnte er nicht genau sagen, legte sich ein deutlicher Rotschimmer auf seine Wange und seine Füße waren gerade dabei, ihm ihren Dienst zu versagen. Hilfesuchend klammerte er sich an die Schulter von Chibi-chi, ließ Zero an sich vorbeigehen und blickte sich nicht noch einmal zu ihm um. Sein Herz hämmerte. Schneller, viel Schneller als sonst!
 

Tsubasa grinste vor sich hin. Seinen kleinen Bruder hatte es kalt erwischt. Fröhlich winkte er Kira und die Chibi-Schwestern heran. „Hierher!“, rief er. Jetzt, wo ihm sein Tischnachbar abhanden gekommen war, brauchte er wieder eine neue Unterhaltung.
 

Nachdem sich die Chibi-Schwestern angeschaut hatten und sich zugegrinst hatten, schoben sie Kira weiter in Richtung Tsubasa, der laut nach ihnen gerufen hatte. Langsam ließ er sich neben dem Schwarzhaarigen nieder und atmete tief aus. Zero verwirrte ihn... und das nun schon die ganze Zeit.
 

Tsubasa grinste ihn an. „Volltreffer, Kira-kun. Du hast eine Breitseite gelandet!“, freute er sich und schenkte den Neuankömmlingen Saft ein. Dass Zero sich so hatte gehen lassen, war vielleicht keinem aufgefallen, aber ihn konnte er nicht täuschen. Dazu kannte er ihn zu gut und zu lange.

Die Chibi-Schwestern blinkten verwirrt, nahmen dann aber zufrieden ihren Saft entgegen und begannen mit Frühstücken. Ihr Meisterwerk war gelungen. Selbst der Chef schien zufrieden.

„Was hat er gesagt?“, wollte Chibi-chan da plötzlich wissen.
 

Erneut legte sich ein Rotschimmer auf Kiras wangen, diesmal dunkler.

"Nicht so wichtig...", nuschelte er, und griff nebenbei nach einem Brötchen. Wenn er etwas im Mund hatte, musste er nichts erzählen! Das ist zwar nur eine temporäre Ausflucht, aber besser als gar keine.
 

Tsubasa lächelte hintergründig, als er diese Röte sah. Wie er vermutet hatte: Volltreffer.

Und während er die Zwillinge in ein Gespräch verwickelte, war Zero beim Kai angelangt, wo er schon recht bald die ersten Katzen sah. Er hatte nichts für sie dabei, aber sie kamen trotzdem, um gestreichelt zu werden. Und wie er schon vermutet hatte, war der graue Kater nicht mehr dabei.
 

Nachdem sie alle noch eine Weile am Tisch gesessen und geredet hatten, stand Kira auf, wandte sich zu Tsubasa und den Chibi-Schwestern um. "Ich geh jetzt. Ich wollt mir heute einen Job suchen." Vorsichtig lächelte er. "Ich bin heut Abend irgendwann zurück, wenn ich vorher was finde, vielleicht auch eher." Dann verließ er den großen Raum und ging zu dem Zimmer von ihm und den Chibis zurück.

Vielleicht sollte er sich was anderes anziehen. Er wollte keinen eigenartigen Eindruck auf Leute machen, die ihn nicht kannten. Zumindest noch weniger kannten, als die Jungs und Mädchen aus der Gang. Schnell zog er sich Hose und Shirt aus, schminkte sich die Augen ab. Dann besah er sich die Tüte mit den Sachen. Am normalsten wäre wahrscheinlich das weiße Hemd mit der schwarzen Hose. Es war schlicht und sah gut aus. Er schlüpfte in die Sachen, besah sich dann noch einmal genau im Spiegel, ob er alles Unpassende aus seinem Gesicht verbannt hatte. Ja, er sah wieder normal aus. Natürlich normal eben.

Nachdem er die Sachen wieder ordentlich weggepackt hatte, verließ er das Zimmer wieder und machte sich auf den Weg zum Hafen. Erst einmal würde er dort fragen, ob sie nicht einen Job hatten, bei dem er beim Verladen der Schiffe helfen konnte. Er fragte jeden der Fischer, die gerade Anker warfen und einige Minuten Zeit hatten, jedoch erteilte ihm jeder eine Absage, da er entweder niemanden brauchte oder schon jemanden hatte. So etwas würde er also nicht bekommen. Dann müsste er vielleicht in der Stadt mal fragen.

Gedacht, getan. Kira lief zur U-Bahn, überlegte, nach welchen Jobs er in der Stadt Ausschau halten könnte. Er könnte in Lebensmittelläden arbeiten und die Regale einräumen. Ja, solch eine Arbeit würde er ganz sicher annehmen. Oder er würde Kellnern!

Kiras Augen begannen bei diesem Gedanken zu leuchten. Er liebte das Kellnern. Er wusste nicht warum, aber immer wenn er an Cafés vorbei gegangen war, fiel sein Blick auf die Kellner und er musste Lächeln. Ja, er würde sich einen Kellner-Job suchen.

Kira stieg in der Stadtmitte aus der Bahn und lief die Treppen zur Hauptstraße nach oben. Die Stadt war groß… Wo sollte er hier nur anfangen mit suchen? Wenn man bedachte, dass er den ganzen Tag Zeit hatte, sollte er einfach in die Läden gehen und persönlich nachfragen. Das erste Café was er sah, machte von außen einen ordentlichen Eindruck, wirkte allerdings ziemlich leer. Er öffnete die Tür und ging hinein. Der Inhaber des Ladens lächelte ihm freundlich entgegen.

„Darf ich Ihnen etwas bringen, junger Mann?“

„Nein…“, antwortete Kira leise. „Ich hab nur eine Frage.“ Entschuldigend sah er sich um. „Sagen Sie, haben Sie noch einen Job als Kellner zu vergeben?“ Hoffnungsvoll blickte Kira den älteren Mann an.

Dieser seufzte und schüttelte dann leicht den Kopf. „Nein mein Junge, leider nicht. Der Laden ist nicht mehr so gut besucht, und ich habe schon zwei Angestellte. Einen dritten könnte ich mir nicht leisten.“

Enttäuscht atmete er aus. Wer hätte schon erwartet, dass Kira gleich beim ersten Laden fündig werden würde?? „Ok, da kann man nichts machen. Auf Wiedersehen.“ Er verließ den Laden und lief dann die Hauptstraße in Richtung Norden entlang. Voller Elan ging er in das nächste Café, welches nicht mal zwei Querstraßen vom ersten entfernt war. Dieses sah etwas schmuddelig aus, schien aber gut besucht. Man sollte halt nicht vom Äußeren aufs Innere schließen. Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat er das Café und ging auf die Theke zu.

„Entschuldigen Sie die Frage, aber ich suche einen Job und wollte fragen, ob sie noch einen als Kellner zu vergeben hätten?“

Der Mann hinter der Theke musterte Kira kurz und rief dann etwas nach hinten, wonach kurze Zeit später eine Frau nach vorne kam. Sie nahm Kira ein Stück zur Seite, damit der Mann die Gäste bedienen konnte und stellte ihm einige Fragen. Sie hatte eine feine, melodiöse Stimme. „Hast du vorher schon mal als Kellner gearbeitet?“

„Nein, leider nicht.“ Kira konnte einfach nicht lügen.

„Und warum bist du gerade hier, und fragst nach einer Arbeit?“

Überrascht sah er die Dame an. „Ehm, Zufall. Ich bin die Straße entlang gegangen und hab dann diese Café gesehen und dachte, dass ich ja mal nachfragen könnte.“

Abschätzend musterte die ältere Frau den Jungen und seufzte dann kurz. „Nein, Junge, tut mir leid. Ich hab hier nichts für dich.“ Mit einem letzten Blick auf Kira verschwand sie wieder im hinteren Teil des Cafés und ließ Kira vorn zurück. Verwirrt blickte dieser ihr nach. Hatte er irgendwas falsch gemacht?

Bevor er begann, Zeit zu verschwenden, verließ er den Laden und machte sich auf, einen neuen Versuch zu starten. Das nächste Café, welches er sah, ließ er aus, wusste selbst nicht warum.

Während er die Straße entlanglief, dachte er über die Jobsuche nach. Eigentlich brauchte er ja so etwas wie einen Lebenslauf. Das hatte ihm mal einer seiner Freunde gesagt. Die Tatsache, dass er eben dieses nicht hatte, erschwerte ihm die Suche beträchtlich. Bisher hatte zwar noch niemand danach gefragt, aber es würde bestimmt unerlässlich sein. Sonst müsste er schwarzarbeiten. Auch das würde er unter den gegebenen Umständen tun, die Frage wäre nur, ob sein Arbeitgeber das auch akzeptieren würde.

Während Kira sich über weitere Probleme Gedanken machte, kam er an einem Café vorbei, das ein großes Rotes Schild >Aushilfe gesucht< in der Tür hatte. Er atmete einmal tief durch, bevor er die Tür öffnete und eine Glocke sein Betreten ankündigte. Von innen war der Laden kleiner, als er auf den ersten blick vermutet hatte. Er blickte sich um.

Die Einrichtung war sehr einfach gehalten und bestand hauptsächlich aus Holztischen, -stühlen und -bänken. Nach einigen Minuten hörte er Schritte und blickte zur Theke. Ein Mann, maximal in den Vierzigern, blickte ihm entgegen. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“

Kira beeilte sich, zu dem Mann zu kommen. „Ja, ich hab den Zettel in der Tür gesehen, dass sie eine Aushilfe suchen und würde mich gerne bewerben.“ Entschlossen blickte er den Mann an.

Dieser blickte zurück, schien ihn zu taxieren. „Aha. Hast du schon Erfahrungen in diesem Bereich gemacht? Oder wäre das dein erster Job als Kellner?“

Kira überlegte, ob er die Wahrheit ein wenig umändern sollte, entschloss sich dann dagegen. „Nein, noch nicht. Aber ich bin begeistert von diesem Job, schon seit langem. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen.“

Ein weiterer taxierender Blick des Eigentümers überflog Kira. Überzeugend. Er musste überzeugend wirken. Gerade, als er noch überlegte, was er sagen könnte, hörte er ein seufzen des Mannes.

„Ok, ich nehm dich. Aber erst mal nur zur Probe. Für einen Monat. Danach entscheide ich, ob ich dich weiter behalte.“

Kira konnte nicht glauben was er hörte. Er war angenommen. Er hatte den Job!

Schnell verbeugte er sich. „Vielen dank! Ich werde Ihr vertrauen nicht enttäuschen.“

„Das will ich auch hoffen!“, kam es als antwort. Der Mann lächelte nun. „Du kannst nächsten Montag anfangen. Deine Arbeitszeit wird von 10 bis 17 Uhr sein. 13-14 Uhr hast du Pause.“

„Ok, dann werde ich Montag halb 10 hier sein.“ Noch einmal verbeugte sich Kira, dann verließ er den Laden. Seine Jobsuche war ja wirklich schnell gegangen. Nie hätte er gedacht, dass er so schnell Glück haben würde und was fand, was ihm gefiel.

Nachdem er nun sein Soll für den Tag erfüllt hatte, stieg er wieder in die U-Bahn und fuhr zu seinen neuen Freunden zurück.
 

Zero war irgendwann auf sein Zimmer zurückgekehrt und hatte sich dort eingeschlossen. Irgendwann letzte Nacht war seine Bestellung gekommen und er jetzt musste er dafür sorgen, dass seine Lieblinge auch versorgt waren.

Mit einem liebevollen Lächeln setzte er die weiße Maus ins Terrarium und beobachtete die Bewegungen der kleinen Schlange dahinter. Langsam waren sie, nicht gerade interessiert an der Störung. Aber sie würde im Laufe des Tages sicherlich zuschlagen…

„Guten Appetit.“, flüsterte er weich und wandte sich dann dem nächsten Glaskasten zu, in den er ebenfalls eine Maus setzte. „Ich hoffe, ihr habt eure Freude dran.“
 

Als er das Fabrikgelände betrat, ging Kira schnurstracks auf sein Zimmer zu. Er öffnete die Tür, war nicht wirklich überrascht, dass die Chibvischwestern nicht da waren. Er entledigte sich der Sachen, kramte sein altes Shirt und die kurze Hose, die er am vergangenen Morgen achtlos in eine Ecke gepfeffert hatte, hervor und zog sie an.

Ja, bevor er Abendessen würde, würde ein wenig laufen gehen. Danach könnte er allen von seiner Jobsuche berichten. Gesagt, getan, lief Kira zehn Minuten später vor der Tür los, den gleichen Weg, den er beim letzten Mal gelaufen war. Er wollte das Versprechen den Katzen gegenüber halten und hoffte, dass er die Braune sehen würde.

Er lief die Straße an der Mole entlang, versuchte auch erstmals bis zu den Leuchttürmen zu kommen. Es war vielleicht gar keine schlechte Übung, über die Steine zu laufen, musste er nebenbei noch auf jene achten.

Auf dem Rückweg stoppte er für einige Minuten an dem Felsen, wo sich einige Katzen versammelt hatten, unter ihnen auch die Braune. Langsam ging Kira in die Knie, streckte seine Hand aus. Sofort kam die kleine auf ihn zu, schnupperte an ihr und stellte dann ihre Pfötchen in einer bettelnden Botschaft auf seine Knie. Lächelnd sah er sie an.

"Sorry, Kleines, aber ich hab im Moment nichts für dich. Beim nächsten mal vielleicht."

Und nachdem er ihr ein letztes Mal durch das Fell gestrichen hatte, erhob er sich und lief zu den Gebäuden der Gang zurück.

Als er sein Zimmer erneut betrat, sah er diesmal die Chibis auf dem Bett sitzen. Sie unterhielten sich flüsternd und blickten auf, als Kira den Raum betrat. Kurz sahen sie sich an, sprangen dann auf und liefen auf ihn zu. Ehe er einen weiteren Ton sagen konnte, hatte er ein süßliches Parfüm in der Nase und zwei Mädels, von denen die eine um ihn herum sprang und die andere an seinem Hals hing.

Kurz ließ er die Knuddelei über sich ergehen, bevor er sie sanft von sich schob und sich das Shirt über den Kopf zog. "Ich geh eben kurz duschen." Und schon war er im Bad verschwunden, die Chibis blickten ihm hinterher.

Eine halbe Stunde später machte er sich mit den beiden Mädels auf zum Abendessen. Sein Laufen hatte relativ viel Zeit in Anspruch genommen, sodass die Sonne nun langsam am Horizont verschwand.
 

Zero hatte eigentlich gar nicht kommen wollen und dennoch saß er jetzt hier auf seinem Platz und wurde gefüttert… Von Tsubasa, der einen Heidenspaß dabei hatte. Und er ließ es über sich ergehen, weil diese Drohung in der Luft schwebte…

Tja, das war etwas gewesen. Tsubasa hatte vor zehn Minuten einfach oben in seiner Tür gestanden und gemeint, dass er mit hinunter kommen sollte. Und als er sich weigern wollte, war er ihm mit seiner Aversion gekommen: Schwimmen. Er sollte mit ihnen schwimmen gehen, oder mit zu Abend essen. Und weil er im Grunde noch immer keinen Appetit hatte, fütterte Tsubasa ihn. Klasse. Mami…

„Das ist gut für dich, Zero-chan. Vitamine!“, lachte sein älterer Bruder gerade. „Mach A!“

„B!“, knurrte Zero, machte dann aber gehorsam den Mund auf. „Warum kann ich nicht selber essen?“

Tsubasa lachte. „Nichts da, du hattest deine Chance und Ungehorsam will bestraft werden!“, piekte er ihn in die Seite. „Hier, Fisch für die Augen.“

„Meine Augen sind gut genug.“

„Ja, aber das soll ja auch so bleiben, nicht wahr?“

„Milch?“

„Vertrag ich nicht, du Nervensäge!“

„Lieber Orangensaft?“

„Gib schon her!“

„A-a. Finger weg!“

„Tsubasa…“

„Schwimmen?“

„Mistkerl!“ Aber immerhin ließ er es zu, dass Tsubasa ihm das Glas an die Lippen setzte und trank. So abgefüllt zu werden hatte was Erniedrigendes… und dann auch noch vor all den anderen, die lachten… Super. Zero wünschte sich gerade ans Ende der Welt. … Aber immer noch besser als schwimmen gehen und Mädchenblicke an sich kleben fühlen…
 

Auch Kira beobachtete ebenjene Prozedur mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war ja schon niedlich, was Tsubasa da mit Zero anstellte...

Er selbst hatte seinen Fisch vor der Nase und stocherte lustlos darin rum, hatte irgendwie keinen Hunger. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er den Fisch in ein Tuch gepackt und es sich in die Tasche gesteckt. Das würde er den Katzen mitbringen... Sie würden sie freuen.

Bevor noch irgendjemand mitbekam, dass Kira keinen Appetit hatte und ihn vielleicht genauso fütterte wie Tsubasa Zero, stopfte er sich selbst den Reis und das Gemüse in den Mund, schluckte es krampfhaft runter und spülte mit einem Schluck Wasser nach.

Kapitel 8

Nachdem ein Großteil der Mitglieder fertig mit Essen war, erhob sich Kira, flüsterte eine kurze Entschuldigung in Richtung Tsubasa und der Chibis und lief dann nach draußen. Langsam schlenderte er zu den Katzen, ließ sich auf einem der Steine nieder und packte den Fisch aus.

Sofort war er von scharen von Katzen umzingelt und musste peinlicherweise erkennen, dass ein Fisch wohl kaum reichen würde. Kurz atmete er aus, bevor er sich nach der braunen umsah und sie schließlich auch zu sich heranlockte. Schnell brach er ein Stück des Fisches ab und hielt ihn ihr hin. Kurz beschnupperte sie ihn, stürzte sich dann jedoch begierig darauf.

Nachdem der ganze Fisch vertilgt war, stand Kira wieder auf und machte sich auf, zurück in den Gemeinschaftsraum. Mittlerweile hatten sich alle zerstreut. Nur noch Mara saß mit den Chibis am Tisch und spielte Karten. Kira ging zu ihnen, zögerte kurz, ob er sie Fragen sollte, öffnete dann aber den Mund.

"Wisst ihr wo Zero ist? Ist er oben?" Leicht senkte er den Blick, wollte er nicht, dass sie seine leicht geröteten Wangen bemerkten.
 

Die Chibi-Schwestern blickten ihn an. „Ja!“, kam es unisono.

Und dann von Mara: „Aber du solltest da nicht hingehen. Du hast mitbekommen, wie er reagiert. Das Mädchen, Zaara, ist daran gestorben.“
 

Kurz blickte Kira nach oben, wo sich Zero aufhalten sollte, dann wieder zu Mara und den Chibis. Er hob die Hand zum Gruß und lief dann an ihnen vorbei, langsam auf die Treppe zu. Er hatte keine Ahnung, warum er solch ein Verlangen danach hatte, Zero von seinem Job zu erzählen.

Er atmete noch einmal tief durch, bevor er den ersten Fuß auf die Treppe setzte, kurze Zeit später den nächsten. Als er bei der Hälfte angekommen war, schluckte er und öffnete den Mund, war erstaunt, dass Worte seinen Mund verließen.

"Zero? Kann ich kurz mit dir reden?" Innerlich begann Kira zu zittern, blieb äußerlich aber völlig ruhig auf der Treppe stehen.
 

Zero hörte das Rufen. Er hatte gelesen, aber das war ja wohl unmissverständlich an ihn gerichtet. Er hatte keine Lust. Zumal es wieder der Kleine war… Katze…

Er erhob sich und hatte plötzlich einen Einfall. Bevor er hinausging, griff er noch in diese eine, bestimmte Kiste. Langsam öffnete er die Tür, trat hinaus und schloss sie sorgfältig wieder hinter sich.

„Weise Entscheidung, nicht ganz raufzukommen.“, gab er von sich, blieb oben allerdings stehen. „Was willst du?“
 

"Mit dir reden...?" Die Antwort war eher eine Frage als eine klare Feststellung. Zeros Blick war mörderisch, genau wie seine Stimme. Angst kroch in ihm hoch, er versuchte ihr aber zu widerstehen. Er wollte mit Zero reden. Er wollte es!

Und er würde es schaffen!
 

Na das war doch mal eine Antwort. Noch immer verwegen genug, um sich notfalls auch mit ihm anzulegen… Nett.

„Dann mal los, Kleiner.“ Irgendwie freute er sich richtig darauf. „Worüber willst du reden?“
 

Wie ins kalte Wasser gestoßen hielt er sich kurz am Geländer neben sich fest, bevor er antwortete: "Ehm... Über heute. Aber ich fände es echt ungemütlich hier auf der Treppe zu stehen..."

Mit der Angst, dass Zero ihm seine Ketten entgegenschleudern würde, ging er einen Schritt weiter nach oben.
 

Dessen Blick wurde zu Eis. „Keinen Schritt weiter, Kira.“, sagte er leise. „Du kannst dir einen Platz aussuchen, aber nicht hier oben.“

Uh, das war schon mehr Zugeständnis, als jeder andere bei diesem Wagemut bekommen hätte, aber er hatte nun mal eine Schwäche für den Kleinen. Zu blöd aber auch.
 

"Gut, dann nicht hier. Aber lass mich bitte den Platz entscheiden!" Entschlossen blickte er Zero an, wich keinen Millimeter zurück, ging aber auch nicht weiter nach vorn.
 

„Na dann.“ Zero wurde allmählich neugierig. Was wollte er ihm mitteilen? Was war so wichtig, dass er nahe dran war, sich mit ihm anzulegen? „Geh vor, ich folge.“

Und noch immer umschloss seine Hand das kleine Mitbringsel in seiner Tasche. Ob er sich freuen würde? Oder würde er schreien?
 

"Okay." Unsicher wandte Kira sich um, lief die Treppe wieder herunter und aus dem Raum raus. Er blickte nicht nach hinten, hoffte einfach, dass Zero ihm folgte. Draußen lief er durch die Straßen, an den Fabrikhäusern vorbei, wieder auf den Weg zum Meer. Er mochte das Meer und erst recht die Katzen, die da sein würden!
 

Zero war etwas überrascht, als er erkannte, was das Ziel sein würde. Kira hatte wirklich einen seltsamen Geschmack, was den Ort für Gespräche anging. Weit weg von anderen, an einem Ort, der nur schwer belauscht werden konnte… Langsam aber sicher wurde die Neugier brennend. Was war es, das er sagen wollte?

Und… ob sein Mitbringsel von dem Ziel begeistert sein würde?
 

Als er bei den Katzen ankam, blieb er stehen, sah sich das erste Mal nach hinten zu Zero um.

"Ich hoffe du erwartest jetzt nicht, dass ich dir was Wichtiges sage... Ich wollte halt nur nicht, dass uns jeder zuhören kann..." Vorsichtig lächelte er den Schwarzhaarigen an.
 

Dieser blinzelte irritiert. Etwas Unwichtiges, das niemand hören sollte? Das gab es? Interessant. Das hatte er auch noch nicht gewusst. Aber okay, man lernte ja nie aus. Und dieses Gespräch würde er sich jetzt nicht mehr entgehen lassen. Kira war lustig und er war gespannt. Was war so unwichtig, dass niemand es hören durfte, aber gleichzeitig das Risiko wert, ihn zu provozieren?

„Dann mal los…“, meinte er.
 

Als er sich Zeros Aufmerksamkeit gewiss war, ließ sich Kira kurz auf den Boden sinken, nahm die braune Katze in den Arm und begann sie zu streicheln.

"Ich war heut nach dem Frühstück in der Stadt, um mir einen Job zu suchen. Vorher hab ich es hier am Hafen versucht, sie hatten aber nichts für mich. In der Stadt hatte ich anfangs nichts Genaues im Sinn, hab mich dann allerdings auf Kellnerjobs spezialisiert und ich hatte bereits nach einer Stunde das Glück, jemand passenden gefunden zu haben." Während er all das erzählte, schnurrte die Katze glücklich in seinem Arm. "Er hat mir ein paar Fragen gestellt und am Ende hat es sich so ergeben, dass ich bereits Montag den Job beginnen kann. Vorerst zwar auf Probe, aber das würde schon werden." Zuversichtlich blickte Kira in Richtung des Horizonts.

"Und ich werde dir auch das Geld für die Sachen zurückgeben, sobald ich genug hab..."
 

Perplex starrte Zero den blonden Jungen an. Bitte? Das war die großartige Nachricht, die keiner wissen durfte? Was war daran bitte so geheim, dass keiner davon erfahren sollte, außer ihm? Das würden bis spätestens Montag alle wissen. Hundertprozentig! Oder glaubte er im ernst, er könnte hier als Neuling auch nur einen Schritt machen, ohne dass einer dabei war? Wie süß! Naivität in Reinstform!

Er begann zu lachen, ließ sich auf einen der Steine fallen und stützte den Kopf auf eine Hand, die er wiederum mit dem Ellbogen auf dem Knie ausbalancierte. Und dafür der ganze Aufwand… Das Lachen wollte gar nicht mehr aufhören.

Vielleicht hatte Tsubasa ja Recht mit dem, was er vorhin gesagt hatte: Es war längst zu spät zur Flucht. Vielleicht hatte er es erst jetzt erkannt, aber diesem Jungen war es gelungen, ihn zu fangen. Jeder andere hätte für diese Dreistigkeit mit einem Angriff rechnen müssen, aber er…

„Einmalig…“, keuchte er unter Lachtränen.
 

Kira glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als er hinter sich Lachen vernahm. Ungläubig blickte er zu Zero. Als das Lachen dann stärker wurde und er gar nicht mehr aufhören konnte, wurde Kiras Gesicht noch ungläubiger.

Zero... lachte? Und das so stark, dass ihm die Tränen kamen? Kira hätte geglaubt, dass die Hölle zufrieren würde, bevor so etwas passierte.

Aber, dieses Lachen war rein und kristallklar. Es hörte sich unglaublich schön an…

Nachdem es ihm allerdings zu bunt wurde, räusperte er sich einmal kurz und schaute dann leicht pikiert in Zeros Richtung.
 

Dieser beruhigte sich nur langsam wieder. „Oh Mann.“ Er holte einmal tief Luft und blickte dann zu ihm. Seine Augen glitzerten vor Amüsement. „Du hattest nicht zufällig vor, mich umzubringen, oder?“, fragte er.

Dann hob er die Hand, um eine der nahenden Katzen von seiner Hosentasche fernzuhalten und sie leicht zu kraulen. Weiches Fell, das leise Geräusch von Schnurren… hier gab es keine Katze, die ihn nicht mochte. Aber das war nicht unbedingt verwunderlich. Tiere mochten ihn immer. Und er mochte sie. Sie waren nicht so durchtrieben wie Menschen.

Leicht begann er zu lächeln, als die Katze ihren Kopf gegen seine Hand drückte und dann das Kinn anhob, damit er sie dort kraulte. Er tat ihr den Gefallen.

„Deine Attacke war beinahe schon tödlich.“
 

"Schön, wenn du das so siehst..." Schmollend kraulte er die braune Katze.

Was tat er hier eigentlich?? Nachdem Zero solch einen Lachanfall hatte, würde er das alles wohl kaum für sich behalten. Aber das war ja auch gar nicht Kiras Absicht gewesen, musste er sich eingestehen. Er hatte von Anfang an nicht gewollt, dass Zero das niemandem erzählte. Es war ihm egal gewesen, und innerlich hatte er auch schon geglaubt, dass bald alle davon wissen würden.

Aber trotzdem wollte er es Zero als erstem gesagt haben. "Ich dachte nur, dich hätte es vielleicht interessiert..." Kurz zuckte er mit den Schultern, besah sich dann wieder die Katze, die nun aus seinem Arm gesprungen war und seine Beine umschlängelte.
 

„Oh, das tut es. Als Wächter dieser Gang bin ich gerne über jeden Job und jede Aktivität meiner Leute informiert. Danke, dass du es von dir aus gesagt hast, das erspart einige Zeit der Recherche.“, erwiderte Zero und wechselte die streichelnde Hand zu einer anderen Katze. Inzwischen wurden sie regelrecht belagert. Er begann zu schmunzeln.

„Hey, Kira-chan. Hand auf!“
 

Wie war das bitte? Überrascht, aber zu perplex, um anders zu reagieren, öffnete Kira die Hand und hielt sie dem Schwarzhaarigen hin. Hatte er ihn gerade wirklich Kira-chan genannt?

Dieser Junge steckte voller Geheimnisse, Rätsel und unerforschter Charakterzügen. Und er wollte sie alle entdecken und kennen lernen. Das schwor er sich. Hier und jetzt. Mit den Katzen als Zeugen!
 

Zeros Grinsen wurde breiter, als er die Hand aus der Hosentasche zog und sie geschlossen in Kiras legte. „Schenk ich dir. Aber Vorsicht, gut festhalten, sonst haben die Katzen mehr Freude dran als du.“

Er ließ Kira nicht aus den Augen, als er das flauschige Pelzbällchen losließ.
 

Kurz weiteten sich seine Augen, bevor er vorsichtig die Hand leicht schloss, als er merkte, dass er etwas Lebendiges bekommen hatte. Vorsichtig winkelte er die Arme an, besah sich die kleine weiße Maus, die aufgeregt in seiner Hand schnupperte und quiekte.

Nach einigen Sekunden stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. "Eine Maus... wie niedlich. Danke schön!" Ein Grund auf ehrliches Lächeln zierte Kiras Lippen, als er Zero anblickte. Er stand kurz davor, Zero zu umarmen, ließ es dann aber doch bleiben. Langsam streichelte er mit einem Finger über den Rücken des Tieres in seiner Hand, freute sich, als dieses sich langsam wieder beruhigte.
 

Zero beobachtete das mit Amüsement. Er hatte erwartet, dass er erschrocken war, so wie es die Zwillinge gewesen waren, wie es Mara gewesen war, aber nein, er mochte das Tier.

Und die braune Katze ebenso. Mit hungrigen Augen kam sie näher, stellte ihre Pfoten auf Kiras Knie und reckte den Kopf zu seiner Hand hinauf. „Aufpassen, sonst ist sie gleich weg!“, sagte er noch einmal, langte nach der Braunen und zog sie auf seinen Schoß. Es freute ihn. Jetzt, wo er ihn nicht mehr ansah, konnte er seinem Gesicht auch erlauben, diese Freude durch ein Lächeln zu zeigen. Er hatte ja bei Tsubasa schon häufiger die Entdeckung gemacht, dass es schön war, Menschen glücklich zu machen, aber irgendwie… war es hier anders.

Die Braune wollte aus seinen Armen fliehen, eindeutiges Ziel: Kiras Hand. „Hey, Mitsuki. Schön still sein. Die Maus ist nicht für euch, außer er gibt sie euch, ja?“

Die Katze murrte unzufrieden und versuchte abermals aus seinen Armen zu entkommen. Sie hatte keine Chance.
 

Voller Faszination beobachtete Kira das Tier, scherte sich keinen Deut um die Katzen. Nein, diese Maus würde keiner von ihnen bekommen. Niemand! Sie gehörte ihm. Und sie war ein Geschenk von Zero.

Immer noch lächelnd drückte er ihr einen Kuss aufs Fell, hielt sie dann mit beiden Händen bedeckt, damit die Katzen ja nicht rankamen.
 

Zero lachte wieder. Na, da hatte er ja was angerichtet. Das schien ihm wie Liebe auf den ersten Blick. Dabei war sie vorher Futter gewesen…

Das Lachen wurde zu einem weichen Lächeln. „Du magst Tiere wohl sehr…“
 

"Ja... leider hatte ich bisher kaum welche." Sachte lächelte er die Maus an. "Aber ich verspreche dir, dass ich mich gut um sie kümmern werde. Egal was passiert!" Nun strahlte er Zero an, freute sich wie ein kleiner Junge über das für ihn kostbare Geschenk.
 

Zero lächelte noch immer. „Na dann.“ Irgendwie war ihm das schon fast peinlich. Aber immerhin war diese Maus jetzt dem Fresstod entkommen und würde ein nettes Leben an der Seite einer Katze haben… Pure Ironie.

Langsam versank die Sonne über dem Meer, tauchte alles in helles Rot und später in fast schwarzes Grau. Es wurde Zeit zurückzugehen. Die Katzen waren auch schon gegangen, jetzt begann ihre Jagd.

Zero erhob sich. Es war unerwartet angenehm gewesen. Kiras Nähe war schön, wirkte beruhigend auf ihn. Im Grunde wäre er lieber noch hier geblieben, aber das konnte er nicht machen. Nachts waren die Felsen gefährlich und es war nicht ratsam darauf herumzuklettern. Noch dazu musste er Tsubasa nicht noch einen Grund mehr geben, damit er ihn verarschen konnte, das Abendessen hatte echt gereicht.

Er lächelte. „Ab zurück zum Hauptquartiert.“, befahl er sachte.
 

Kira beobachtete seine Maus, bekam nicht viel von seiner Umwelt mit. Sie brauchte einen Namen, die Kleine. Hm... sie hatte rote Augen und weißes Fell, weiß wie Schnee... Sollte er sie Yuki nennen? Der Name hatte auf jeden Fall einen schönen Klang. Ja, Yuki!

"So, ab heute sind wir Freunde, Yuki-chan!", flüsterte er der Kleinen zu, streichelte sie dann wieder sanft mit dem Finger. Erst als Zero bemerkte, dass sie langsam ins Hauptquartier zurück sollte, bemerkte Kira, dass es schon dunkel war. Die Zeit war wirklich schnell vergangen...
 

Zero hielt ihm eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Der Junge sah echt so aus, als hätte er völlig vergessen, dass um ihn herum noch etwas war. Faszination konnte wohl aus jedem Menschen ein Hirngrufti machen. „Na los.“
 

Lächelnd nahm Kira die Hand entgegen und zog sich mit Zeros Hilfe nach oben. "Danke."

Als er stand, begann die Maus in seiner Hand unruhig zu zappeln, und damit er sie nicht versehentlich zerquetschte, öffnete er kurzerhand seine Faust und setzte sich die Maus auf die Schulter. Er mochte das Tier und glaubte, dass es ihm nicht anders ging, also würde es schon nicht weglaufen.
 

Gottvertrauen!, schoss es Zero durch den Kopf, aber er sagte nichts, sondern machte sich auf den Weg zum Hauptgebäude. Gleicher Weg, den sie vorhin gekommen waren. Unter normalen Umständen wäre er seinen Weg gegangen und über die Feuerleiter in seine Wohnung gekommen, aber diesen Weg würde er Kira nicht zeigen. Wenn der dreist genug war, über die Treppe zu kommen, dann würde er womöglich auch das tun.
 

Kira achtete beim Laufen darauf, dass ihm das kleine Tier nicht abhanden kam. Alle paar Minuten hob er die Hand, kraulte der Maus übers Fell, nur um dann ein Fiepen zuhören und zu lächeln. Ja, sie schienen sich gut zu verstehen.

Zwischendurch heftete er kurzzeitig den Blick auf Zeros Rücken, der einen wenig vor ihm lief und machte sich so seine Gedanken über den Anführer.
 

Sie erreichten die Tür und da Zero wenig Lust hatte, vor den anderen den guten Freund zu markieren, beschloss er, einfach hinaufzugehen. Doch bevor er ging, meinte er noch: „Und wenn du es wagst, das Geld zurückzugeben, dann gnade dir Gott.“ Noch immer ganz sanft und weich. „Gute Nacht, Kira-chan.“ Dann ging hinein und schnurstracks in sein Zimmer.

Das war doch ein schöner Abend gewesen. Wenn es nach ihm ging, dann konnten sie das durchaus noch mal wiederholen.
 

Perplex starrte Kira Zero hinterher. Da war es schon wieder gewesen! Und was hatte er noch gesagt... er brauchte das Geld wirklich nicht zurück zu geben? Hm, dann müsste er wirklich kochen, um sich bei ihnen allen zu bedanken. Gut, dann könnte er ja schon mal anfangen zu planen.

Langsam schlenderte auch Kira zu seinem Zimmer zurück. Als er hereinkam, sah er die Chibi-Schwestern schon im Bett liegen. Scheinbar schliefen sie schon... aber es war ja auch wirklich spät geworden.

Leise, ohne einen Mucks von sich zu geben, setzte Kira die Maus auf das Bett, zog sich dann seine Sachen über den Kopf und verschwand im Bad. Als er wieder herauskam, saß die Maus immer noch da, wo er sie abgelegt hatte und schaute ihn an.

"Na denn, lass uns schlafen gehen, Yuki-chan.", flüsterte er und legte sich dann zwischen das kleine Tier und die Zwillinge, schloss es zärtlich in seine Hand. Nachdem er es noch einige Minuten gestreichelt hatte, fielen ihm die Augen zu und er glitt sanft ins Reich der Träume.
 

Als Zero das Zimmer betrat, blickte ihm vom Bett Tsubasa entgegen, der Jo auf dem Knie sitzen hatte und grinste frech. „Hey, hey, der Schürzenjäger ist wieder da!“, begrüßte er ihn mit einem frechen Funkeln in den Augen.

„Danke, Ta-chan.“, knurrte Zero.

„Schürzenjäger! Schürzenjäger! Ich habe Kira lieb!“

Zero starrte den Papagei ungläubig an, dann wechselte sein Blick plötzlich zu böse und finster sah er zu Tsubasa hinüber. „Jetzt bist du fällig!“ Drohend kam er näher. „Ihr das beizubringen… Josie, ab auf die Stange!“

Der Vogel flatterte auf und kaum war er aus der Bahn griff Zero auch schon an. Tsubasa, der das vorausgesehen hatte, wehrte ihn ab, allerdings hatte selbst er dabei Mühe. Diesmal war er wohl zu weit gegangen.

Keine fünf Minuten später lag er völlig fertig unter Zero, der auf seinem Bauch hockte und ihn gnadenlos durchkitzelte. Und weil er jede Schwachstelle seines Bruders kannte, verfehlte auch nicht eine Attacke die empfindlichen Stellen. Tsubasa blieb nichts anderes übrig als zu lachen. Wehren war längst nicht mehr möglich.
 

Kira wurde am nächsten Morgen nicht gerade sanft aus dem Schlaf geholt. In seinen Träumen war er gerade dabei, sich mental auf seinen bald beginnenden Job vorzubereiten, als ihn eine Welle eiskalten Wassers und hohe Kreischtöne weckten. Zu Tode erschrocken stand Kira im Bett und blickte sich um. Links von ihm war niemand aber rechts von ihm standen die Chibis, mit einem nun leeren Eimer in den Händen.

Chibi-chi kreischte gerade, wie sehr sie diese Krabbeltiere doch hassen würde, als Chibi-chan in ihr Gejammer einstimmte.

"Und seit wann sind die Viecher so gemein und kriechen sogar ins Bett?"

Ungläubig blickte Kira die beiden an, bevor er auf das Bett schaute und Yuki bei unfreiwilligen Schwimmstunden erblickte. "Yuki-chan!", rief er und fischte seine Maus aus der Wasserpfütze, setzte sie sich eilig auf die Hand und versuchte sie abzutrocknen.

"Yuki-chan?", echote es neben ihm synchron.

"Du hast dem Vieh einen Namen gegeben?", fragte Chibi-chan mit einem mehr als ungläubigen Gesichtsausdruck.

"Ja, sie ist schließlich meine Maus. Ich habe sie gestern bekommen." Kira war immer noch dabei den Kleinen trockenzurubbeln, wobei dieser nun anfing zu fiepen und sich aus seiner Hand zu winden versuchte. Der ganze Lärm hatte ihm nicht gut getan. Und das Wasser auch nicht. Kira sprach ruhig auf ihn ein, wollte er nicht, dass die Kleine Maus gleich an ihrem ersten Tag bei ihm an einem Herzinfarkt starb. "Hey, jetzt bleib doch mal ruhig. Es ist ja alles gleich vorbei." Aber seine Worte halfen nicht, sondern verschlimmerten alles noch. Kira schloss die Hand noch ein bisschen, um Yuki zu beruhigen, aber die Maus versenkte nur ihre kleinen spitzen Zähne in Kiras Hand was darin gipfelte, dass dieser seine Hand öffnete und die Maus sich vorerst unter dem Bett verkroch. Und Kira saß da wie ein begossener Pudel.

Nun meldeten sich die Chibis wieder zu Wort. "Ehm... willst du die… Maus hier lassen?" Es schien Chibi-chan einige Überwindung zu kosten, das Wort Maus auszusprechen.

"Ja, hatte ich vor. Irgendwas dagegen?" In seiner Wut antwortete Kira heftiger als nötig und der Blick, den er den beiden schickte, war auch nicht ganz ohne.

Die beiden sahen sich kurz an und gaben dann ein Wimmern von sich, was wohl so viel zu heißen schien wie: Na gut, wenn’s sein muss.

Dann stand Kira auf, nahm sich ein paar Klamotten mit uns Bad und duschte. In Gedanken grübelte er darüber nach, wie er Yuki wieder unter dem Bett hervorholen konnte.
 

Die Chibi-Schwestern sahen sich an, dann schluchzte Chibi-chi auf und verließ weinend das Zimmer. Chibi-chan rannte hinter ihr her.

Als sie in den Gemeinschaftsraum kamen, waren sie völlig aufgelöst. Sie rannten die Treppe hinauf und während Chibi-chi sich ganz klein machte, begann ihre Schwestern heftig gegen Tsubasas Tür zu hämmern. Dieser steckte reichlich verschlafen seinen Kopf aus seinem Zimmer und musterte die beiden Störenfriede am frühen Morgen mit verklärter Miene. Und dann hatte er zwei heulende, in weiß-rosa Rüschennachthemden gekleidete Mädchen um den Hals hängen, die irgendetwas Unzusammenhängendes von Mäusen im Bett und Kira von sich gaben.

Etwas überfordert mit der Situation blickte er von einer zur anderen und tätschelte ihnen die Köpfe und den Rücken. Was nun? Das hatte er das letzte Mal erlebt, als Zero seine kindische Phase gehabt hatte und sich an den beiden hatte rächen wollen, weil sie ihm sein Hassessen vorgesetzt hatten. Und damals waren auch Mäuse im Spiel gewesen… Wenn jetzt Kira eine Maus hatte… und Zero gestern mit ihm zusammen gewesen war… dann war die Maus höchstwahrscheinlich aus der letzten Lieferung für seine Lieblinge… Er hatte ihm ein Geschenk gemacht!

Überglücklich drückte er die beiden Mädchen an sich, die noch immer weinten. „Das ist doch wunderbar!“, freute er sich. „Dann legt ihr vielleicht endlich eure Angst vor den possierlichen Tierchen ab.“

„Aber… aber… aber… sie hat ihn gebissen!“

„Sie wird… wird uns auch beißen!“

„Und er hat ihr einen Namen gegeben!“

„Sie hat bei uns im Bett geschlafen und hat… hat uns…“

„Sie hat uns berührt, Ta-chan!“, jammerten sie schluchzend und daraufhin brauchte Tsubasa glatte zwei Stunden, bis er sie beruhigt hatte. Längst war unten das Frühstück im Gange und er hockte noch immer in seinem viel zu großen schwarzen Schlafanzug auf der Treppe und wiegte die beiden Puppenschwestern hin und her. Und Zero hatte natürlich nur einen Das-geschieht-dir-recht-Blick für ihn übrig gehabt. Das mit Jo hatte er ihm wohl noch immer nicht verziehen…
 

Nachdem sich Kira abgetrocknet und seine frischen Sachen angezogen hatte, legte er sich vor das Bett auf den Boden und warf einen Blick darunter. Auf den ersten Blick sah er nichts, nur ein paar Staubflusen, die vor seiner Nase herumflogen. Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, kroch er weiter unter das Bett, in der Hoffnung, die kleine, verschreckte Maus zu finden.

Er musste tatsächlich bis in die hinterste Ecke krauchen, bevor er Yuki fand und ihm seine Hand darbot. Die Maus blickte ihn einige Sekunden an, bevor sie auf ihn zugelaufen kam und sich auf seine Hand setzte. Vorsichtig und nicht zu schnell schloss Kira sie und kroch wieder unter dem Bett hervor. Toll. Jetzt sah er noch dreckiger aus als vorher. Es hatte gar keinen Sinn gehabt überhaupt duschen zu gehen.

Mit ein paar schnellen Handschlägen klopfte er sich den gröbsten Staub von der Kleidung und lief dann in den Gemeinschaftsraum, hatte das Frühstück doch schon längst begonnen. Dass Chibi-Schwestern aus dem Zimmer geflohen waren, bekam er erst jetzt mit, als er sie neben Tsubasa auf der Treppe sah. Es tat ihm leid, sie so erschreckt zu haben, aber woher sollte er denn wissen, dass sie Angst vor Mäusen hatten? Okay, er würde wegen ihnen Yuki auch nicht wieder weggeben, so viel war klar, aber trotzdem sollte er sich bei ihnen entschuldigen.

Vorsichtig ließ er die Maus in die Tasche gleiten, beachtete, dass sie nicht zerquetscht wurde. Dann lief er auf Tsubasa und die Zwillinge zu.

"Mädels, tut mir wirklich Leid wegen vorhin. Ich wusste nicht dass ihr solch panische Angst habt..."
 

Sie sahen ihn an. Ihre Wangen waren ganz rot vom Weinen und ihre Blicke wanderten hastig über seine Hände. „Du… du hast sie nicht dabei?“, fragte Chibi-chan ängstlich.

Tsubasa grinste. „Du meinst im Ernst, dass er sie nicht dabei hat?“, gab er die nicht ihm gestellte Frage zurück. „Ich glaube, ihr müsst euch mit der Maus abfinden.“ Er lachte und drückte sie erneut. Kurz warf er Zero einen Blick zu, der unten ungerührt seinen Tee trank und sie nicht beachtete. „Gewöhnt euch dran. Diese Maus ist etwas Besonderes. Sie ist nicht böse! Ihr kennt doch sicher die Geschichte von Gomera, nicht? Das ist wie bei ihm. Er war doch auch nicht böse, dabei hielten ihn doch immer alle dafür, nicht wahr?“

Die beiden blickten ihn an. „Gomera?“

„Gomera.“, bestätigte er.

„Die Maus ist ein Held?“

Tsubsa lachte. „Nun, in gewisser Weise ist sie das wohl.“, sagte er. Wenn auch eher in eine andere Richtung. Sie verbindet den Eisblock mit dem Sonnenschein… „Könnt ihr denn mit ihr zusammen leben?“

„Sie ist wirklich ein Held?“, hakte Chibi-chi noch einmal nach. „So richtig?“

Tsubasa nickte ernst. „Ich schwöre.“

Die beiden sahen sich an, dann Tsubasa, als wollten sie wirklich sicher sein, anschließend Kira. „Zeig sie uns.“, forderten sie unisono.
 

Kira musste sich ein Lachen verkneifen, als er Tsubasas Story von der Gomera-Maus hörte. War das wirklich sein Ernst? Keiner würde auf solch einen Mist reinfallen... außer den Chibi-Schwestern natürlich!

Grinsend schob Kira eine Hand in die Tasche und wollte Yuki hinausziehen, als er bemerkte, dass seine Tasche leer war. Hastig durchsuchte er beide Taschen, fand jedoch nichts. Dann blickte er sich auf dem Boden um, sah jedoch auch dort nichts. Erst als er ein leises Fiepen an seinem Ohr hörte, wurde er wieder ruhiger. Als er dann einen Seitenblick auf seine Schulter warf, sah er Yuki dort ruhig sitzen.

"Hey, nicht abhauen, Freundchen." Während er das sagte, bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen und mit einem schnellen Handgriff hatte er die Maus von seiner Schulter geholt. Dann streckte er sie den Chibis entgegen. "Seht ihr? Sie tut nichts..."
 

Die beiden waren beeindruckt.

„Wow. Tatsächlich.“, sagte Chibi-chi mit offenem Mund und großen Augen.

„Sie kann sich sogar teleportieren!“, vollendete Chibi-chan den Gedanken und unten an seinem Tisch verschluckte sich Zero an seinem Tee.

Tsubasa grinste nur vor sich hin. Das lief ja alles ausgezeichnet.

Chibi-chan streckte nun vorsichtig die Hand aus, um ihn zu berühren. Sie zuckte quietschend zurück. „Ihhh, ganz weich!“

„Ja? Ich will auch mal!“ Aber Chibi-chi traute sich dann doch nicht, sondern versteckte sich doch lieber ein bisschen hinter ihrer Schwester. Dennoch war sie es, die mit dem in Zeros Augen schrecklichen Gedanken anfing. „Wenn er wie Gomera ist, dann braucht Nezumi-Gomera auch einen menschlichen Freund. Und der braucht ein passendes Kostüm, wenn er die Welt rettet.“

„Ja!“ Chibi-chan war hellauf begeistert und ihre Augen leuchteten. „Das können wir doch machen, nicht wahr?“, fragte sie ihre Schwester, die daraufhin heftig nickte.

„Wir müssen sofort in die Stadt!“

„Ja, einkaufen!“

„Los!“

Schon drückten sie sowohl Tsubasa als auch Kira an sich, dann stürmten sie davon.

„Hey, zieht euch aber noch ordentlich an!“, rief ihnen Tsubasa nach, dann lachte er und stützte den Kopf in die Hand. „Das kriegt er wieder. Garantiert!“, murmelte er.

Und von unten, kaum hörbar. „Erschießt sie, bevor sie das tun können…“ Zero vermutete gerade ganz schreckliche Dinge… Und der schrecklichste Gedanke war: Sie wollen Kira wie Gomeras Freund einkleiden. Er sollte Recht behalten…
 

Nachdem die Chibi-Schwestern aus dem Raum gewuselt waren, blickte Kira ihnen verdutzt nach, schüttelte dann kurz den Kopf und setzte sich Yuki wieder auf die Schulter, um zu Frühstücken.

Er setzte sich neben Mara an den Tisch, und goss sich ein Glas Milch ein. Kurz trank er einen Schluck, bevor er sich ein Brötchen nahm und mit dem Essen begann.

Dann fiel ihm sein Vorhaben wieder ein. Er wollte ja heute Kochen! Und dieser Gedanke und die Planungen für dieses Vorhaben vertrieb die Chibis aus seinem Sinn. Nach ein paar Minuten wandte er sich Mara zu, wollte ihn fragen, wie der Kochdienst immer ablief.

"Mara, du sag mal wie läuft das mit dem Kochen eigentlich?? Ich hab da so ein Plan... weiß aber noch nicht, wie ich ihn umsetzen kann."
 

Mara war sofort begeistert. „Du willst kochen?“ Der bullige Junge hatte glänzende Augen. Er aß für sein Leben gern. „Was willst du denn kochen?“ Und wie üblich hatte er die Frage damit überhaupt nicht beantwortet.
 

"Hm, so genau hab ich mir das noch nicht überlegt. Ich wollte einfach einkaufen gehen und mal schauen, was sie da so haben..." Kurz zuckte er mit den Schultern. Er hatte wirklich noch nicht so genau darüber nachgedacht. Wahrscheinlich würde er ein Essen machen, zu dem es Fleisch gab, das man aber auch als Vegetarier ohne Probleme essen konnte. Irgendwas Westliches... Und er würde einen Nachtisch machen.
 

Mara blickte ihn an. „Klingt auch lecker!“, sagte er und neben ihm lachte einer der Jungen los.

„Beachte ihn gar nicht.“, sagte der. „Mara ist verfressen. Der isst alles.“ Wieder lachte er. „Wenn du was machen willst, meld dich einfach bei Tsubasa an.“
 

"Okay, mach ich." Und im nächsten Moment hielt er nach zu Tsubasa Ausschau und sah mit Schrecken, dass dieser genau neben Zero saß. Na toll, wie sollte er ihn denn jetzt fragen, ohne dass Zero etwas davon mitbekam? Das ging doch gar nicht.

Nachdenklich hob er ein Stück des Käses, den er gerade essen wollte an seine Schulter und merkte eine Sekunde später, wie es ihm aus der Hand genommen wurde. Lächelnd blickte er Yuki an und versank dann wieder in Gedanken.

Er würde warten müssen bis Zero ging. So wie er ihn bisher einschätzen konnte, würde er nicht den ganzen Morgen hier sein, also würde er schon noch die Zeit finden, mit Tsubasa reden zu können.
 

Der Schwarzhaarige tat ihm den Gefallen schon wenig später. Offenbar hatte er sich mal wieder mit Tsubasa gezofft, denn dieser grinste bis über beide Ohren während Zero missmutig machte, dass er hinauskam.
 

Kira schaute dem Anführer verblüfft nach, besann sich dann aber wieder und machte sich auf den Weg zu Tsubasa. Besser er klärte das schnell, bevor Zero es sich anders überlegte und zurückkam.

"Tsubasa, darf ich heute kochen?? Nachher zum Mittag??" Bittend blickte er ihn an, hoffte, dass er es ihm erlauben würde.
 

„Du willst heute kochen?“ Tsubasa war überrascht, aber… „Im Grunde spricht nichts dagegen. Die Chibis sind ja abgedüst. Die haben sicherlich vergessen, dass sie heute dran sind…“ Er grinste, als er daran dachte, weshalb. „Was möchtest du denn machen? Ist alles dafür da? Hast du dir das schon mal angesehen?“
 

"Ich hab gedacht, ich mach irgendwas Westliches... Ich werd mal in der Küche nachsehen und wenn was fehlt, kann ich ja einfach einkaufen gehen." Auch Kira hatte das Gefühl, dass die Chibis nicht so schnell wieder auftauchten würden, und bevor sie hungerten, war es noch besser, sein Essen zu essen. Auch wenn er bezweifelte, dass es sehr schlecht werden würde.
 

„Na dann, mach mal, Kira-kun.“ Tsubasa klopfte ihm auf die Schulter. „Ich verlass mich auf dich.“ Und er freute sich schon jetzt, immer wieder in die Küche zu stibitzen und sich etwas zu stehlen. Das machte er mit Freude, denn dahingehend waren fast alle Köche gleich: sie ließen sich nicht gerne etwas stehlen, das erlaubten nicht einmal die Chibis.
 

Kira lächelte Tsubasa noch einmal an und machte sich dann auf den Weg in die Küche, schaute, was sie zu bieten hatten. Er ging auf die Tür am Ende des Gemeinschaftsraums zu und lugte vorsichtig hinein. Sie sah ordentlich aus. Und sie war relativ groß! Langsam öffnete er die Tür weiter, betrat die Küche dann vollständig und sah sich um, durchstöberte die Regale.

Er war überrascht, hatten sie ja doch noch einige Vorräte im Kühlschrank. Kira verschaffte sich kurz einen Überblick über die ganzen Lebensmittel und begann dann, sich ein Menu zusammenzureimen. Sie hatten Soyasprossen und Bambus, Möhren und Salat, was die Beilagen betraf. Damit könnte man schon mal was anfangen. Im Tiefkühlschrank entdeckte er auch noch eine Tüte mit Putenfleisch, die er panieren könnte und als Schnitzel servieren könnte. Oder er ließe sie pur. Das konnte noch entschieden werden. Was das Hauptgemüse betraf, hatten sie allerdings nur Reis da. Und mit Reis wollte er nichts kochen. Also müsste er entweder Nudeln oder Kartoffeln kaufen gehen. Ja, so würde er es machen.

Als Vorspeise gab es einen kleinen Salat, dann als Hauptgericht Kartoffeln mit Möhren-Soya-Gemüse und Putenfleisch und als Nachtisch würde er Pudding machen. Ja, das konnte was werden! Er freute sich tierisch auf diese Arbeit, würde es aber auch viel werden. Sie waren schließlich nicht nur drei Mann in der Gang.

Grinsend verließ Kira die Küche wieder, machte sich auf den Weg zum Supermarkt. Unterwegs begegnete er Minoru, den er sogleich in seine Arbeit einspannte. Lächelnd ging er auf den anderen Jungen zu. "Kannst du mir beim Einkaufen helfen? Ich hab heut den Kochdienst übernommen."

Minoru sah ihn einige Sekunden an, bevor auch er grinste. "Ja, klar. Ich muss eh erst heut Nachmittag arbeiten gehen."

Dann liefen sie über das Gelände, nachdem Kira ein bisschen Geld aus seinen letzten Ersparnissen geholt hatte. Mit irgendwas mussten sie die Kartoffeln ja bezahlen. Der Verkäufer an der Mole, der Kira schon relativ früh aufgefallen war, verkaufte nur Obst und Gemüse, alles frisch geerntet.

Kira überlegte ein paar Minuten, bis er zwei 5-Kilo-Säcke Kartoffeln bestellte. Der ältere Mann sah ihn etwas verwirrt an, gab ihm dann aber das gewünschte. Minoru und Kira nahmen dann je einen Sack über die Schulter und liefen zur Küche zurück. Unterwegs versuchte Kira den anderen Jungen in ein Gespräch zu verwickeln.

"Wie lange bist du hier schon? Und wie alt bist du überhaupt?"

Minoru lächelte ihn kurz an, begann dann zu antworten. "Ich bin 17 und kenn die anderen seit..." Kurz blickte er überlegend gen Himmel. "...fast 4 Jahren. Seitdem hatte ich hier wirklich meinen Spaß. Ich hab wirklich gute Freunde gefunden."

Es hätte Kira interessiert, warum der Junge hier war, traute er sich jedoch nicht ihn zu fragen. Also freute er sich über die Antwort, die ihm gegeben worden war. "Wow, dann bist du ja wirklich schon lange hier. Gibt es welche die Länger hier sind als du?"

Kurz überlegte der andere Junge, bevor er Kira anblickte und zu grinsen begann. "Ja, Ren. Er ist schon seit fast 5 Jahren hier."

Bei der Erwähnung von Rens Namen lief Kira ein Schauer über den Rücken, versuchte er sich allerdings nichts anmerken zu lassen.

Als sie dann vor der Tür standen, ließ Minoru den Sack Kartoffeln schwer auf den Boden fallen. "Schwer...", keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Kira lächelte ihn an und öffnete galant die Tür. "Wir haben’s gleich geschafft. Nur noch ein paar Meter."

Als sie durch den Gemeinschaftsraum liefen sahen sie nur wenige Mitglieder dort sitzen. Zwei Mädchen, die Kira nicht beim Namen kannte, saßen in einer Ecke und lasen, und ein paar Jungs unterhielten sich angeregt in der anderen Ecke. Kurz verweilte sein Blick auf den beiden Mädchen, bevor er sich innerlich Mut zu sprach und auf sie zuging.

"Entschuldigung, kann ich euch kurz stören?" Überrascht, angesprochen zu werden, blickten die beiden Mädchen auf und sahen Kira an. "Möchtet ihr mir vielleicht beim Kochen helfen?"

Kurz sahen sahen sie sich gegenseitig an und nickten dann. "Klar, kein Problem. Du bist der Neue, nicht? Kira?" Freundlich gab ihm das eine Mädchen die Hand. "Ich bin Megumi und das ist..." Sie zeigte mit einer Hand auf das andere Mädchen. "...Satsuki."

Kurz Lächelte Kira die beiden an, bevor sie ihm in die Küche folgten. Dort legte er zuerst den Kartoffelsack neben den von Minoru. Dieser blickte kurz die beiden Mädels an und wandte sich dann fragend an Kira. "Brauchst du mich noch? Wenn nicht, geh ich mich fertig machen..."

Kira grinste ihn an. "Nein, ist ok. Viel Spaß und vielen Dank noch mal." Und schon war Minoru mit einer letzten verabschiedenden Geste verschwunden.

Nun war er mit den beiden Mädels alleine, die ihn erwartungsvoll ansahen. "Also, mein Plan ist folgendes: Ich wollte Kartoffeln mit Gemüse, Putenfleisch und Pudding machen. Könntet ihr schon mal anfangen die Kartoffeln zu schälen und sie dann in ungefähr gleichgroßen Stücken in diesen Topf machen?" Kira hielt den beiden einen Topf hin, der hoffentlich groß genug war.

Die beiden nickten und nahmen sich dann den Topf und je ein Messer. Satsuki drehte sich noch einmal zu Kira um. "Können wir Musik anmachen? Sonst wird es zu langweilig."

Kira nickte nur. "Ja, klar. Kein Problem." Dann machte er sich daran, die Milch in einen Topf zu schütten und zu erhitzen. Der Pudding sollte schließlich kalt sein, wenn sie ihn aßen, also sollte er diesen zuerst machen.

Während die Milch warm wurde, verrührte Kira das Puddingpulver solange mit ein bisschen kalter Milch, bis es keine Klumpen mehr hatte. Als die Milch endlich kochte, stellte er den Herd runter und rührte das gelöste Pulver mit einem großen Löffel unter die Milch. Er ließ den ganzen Topf erneut aufkochen und stellte ihn dann auf den Boden in eine Ecke des Raumes. So würde er keinen stören.

Dann machte er sich daran die Möhren zu waschen, schälen und sie schließlich in kleine Stifte zu schneiden und sie mit ein wenig Butter und Öl in einem Topf anzuschwitzen.

Während die Möhrenstifte eine leicht braune Farbe erhielten, machte sich Kira daran, die Soya-Sprossen zu waschen. Nachdem er das getan hatte, gab er sie zu den Mohrrüben und rührte alles gut durch. Jetzt müsste er noch ein wenig Brühe dazugeben und das ganze dann aufkochen lassen. Schnell suchte er in den Schränken nach Instantbrühwürfeln und fand sie auch bald. Einen der Würfel löste er in Wasser und gab es dann dem Gemüse bei. Dann regelte er den Herd soweit runter, dass es zwanzig Minuten ruhig vor sich hinkochen konnte.

Als nächstes räumte Kira das Putenfleisch aus dem Gefrierschrank und legte es in das Spülbecken. Langsam ließ er heißes Wasser einlaufen, um den Tauprozess zu beschleunigen. Langsam ging er zum Kühlschrank, holte Salat und knackiges Gemüse heraus. Kira wusch den Salat, zerschnitt ihn ein wenig und packte alles in eine große Schüssel. Dann widmete er sich Tomaten, Paprika und Zwiebeln, schnitt sie in feine Stücke und gab sie unter den Salat. Zum Schluss verfeinerte er ihn noch mit ein wenig Öl und stellte eine Flasche Dressing dazu. Wer mochte, konnte sich noch etwas drüber machen.

Jetzt wandte er sich den beiden Mädchen zu. Sie unterhielten sich gerade und waren fast fertig. Als sie die letzte Kartoffel geschält hatten und sie zu den anderen in den Topf gegeben hatten, nahm Kira den Topf an sich, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn auf den Herd. Sobald die Kartoffeln kochten, regelte er den Herd runter und stellte den Kurzzeitwecker auf 20 Minuten. So, jetzt müsste er nur noch das Fleisch machen, dann wäre er fertig.

Die beiden Mädchen sahen ihn an, fragten nach einigen Minuten, ob er noch eine Aufgabe für sie hätte. Kira schüttelte den Kopf und bedankte sich bei ihnen für ihre Hilfe. Die beiden winkten ihm noch einmal zu und gingen dann wieder nach draußen, um wahrscheinlich in ihren Zeitungen weiterzulesen.

Kira riss den Beutel mit dem Fleisch auf und legte den Brocken auf ein Brett, um es in feine Stücke zu schneiden. Nachdem dies geschehen war, erhitzte er ein wenig Butter in einer Pfanne und begann die Stücke nacheinander darin zu braten. Als alles fertig war, legte er es schön auf Platten und in Schüsseln, richtete es an. Nun kam er noch zum Pudding. Grinsend nahm er sich den größten Teller, den er finden konnte, und das längste Messer, er schnitt den Pudding einmal rundherum vom Rand des Topfes und drehte diesen dann vorsichtig um. Er konnte ein leises >Flatsch< hören und dann hatte er einen riesigen Pudding auf dem Teller stehen. Dann konnte das Essen ja losgehen!

Kurz blickte er zur Uhr, bemerkte, dass er genau pünktlich fertig geworden war. Im ersten Gang brachte er Teller, Besteck und Gläser nach draussen, deckte den Tisch, dann widmete er sich dem Essbaren und nach 10 Minuten stand der ganze Tisch voller Speisen.
 

Zero hatte auf der Treppe gesessen, als Kira das erste Mal aus der Küche gekommen war. Die ganze Zeit schon hatte er leises Gemurmel über ein Gerücht gehört, dass der Neue kochte, dass er etwas ganz Großes plane… aber natürlich kam keiner auf die Idee, ihm wenigstens etwas unter die Arme zu greifen… genauso wenig, wie er auf die Idee kam, zu fragen, ob sie ihm beim Decken und Tragen halfen. Was glaubte er? Dass er die schweren Töpfe alleine gehoben bekam? Oder hatte er so wenig gekocht?

Eine winzige Geste und ein böser Blick reichten aus, um die am nächsten sitzenden Jungen auf Trab zu bringen. Sie sprangen auf, rannten förmlich zu Kira. „Können wir dir helfen?“, fragten sie. „Tragen oder Decken oder was anderes?“

Zero lehnte sich zufrieden zurück. Er war gespannt, was Kira gemacht hatte, denn im Grunde… tja, es gab nur wenig Jungen in dieser Gang, die wirklich kochen konnten… ob er dazu gehörte? Ob es genießbar sein würde?
 

Nachdem Kira schon einen Topf nach draußen gebracht hatte kamen ein paar Jungs auf ihn zu, die in geradezu aufdrängendem Ton ihre Hilfe anboten. Naja, er musste noch etwas von dem Essen holen und der Tisch musste gedeckt werden. "Ihr könnt Teller und Besteck verteilen, dann hol ich den Rest des Essens."

Mit einem Nicken machten sich die Jungs auf zum Tisch, einer verteilte das Besteck, der andere die Teller und Schüsselchen.

Nach und nach kamen auch immer mehr Jungs und Mädels in den Gemeinschaftsraum, setzten sich an den Tisch. Kira warf einen blick zur Uhr und stellte fest, dass es schon kurz vor eins war. Also würde das Essen gleich beginnen.

Gut. Kira ging im Kopf noch einmal die Worte durch, mit denen er sich bei allen bedanken wollte.
 

Zero hatte das beobachtet. War ja klar, dass er sich nicht wirklich helfen ließ… sturer Kerl. Anstatt sich zu schonen und das zu tun, was der Doc gesagt hätte, hätte er sprechen können…

Die Jungen unten wurden fertig, die Halle füllte sich und es wurden mehrere Lobeshymnen ob des Geruchs laut. Zero musste zugeben, dass es gut roch, aber sein Gesicht war trotzdem finster, denn als Kira sich einmal so drehte, dass er die Schulter sehen konnte, sah er, wie der weiße Stoff sich an einem kleinen Punkt dunkel verfärbt hatte. Klasse. Er hatte es übertrieben. Typisch für diese Art von Mensch: immer fröhlich und niemals zeigen oder gar merken, dass etwas wehtat… Hatte er überhaupt noch den Verband an?

Wenn er sich recht erinnerte, dann war der ja schon beim Einkaufen vor zwei Tagen nicht mehr dran gewesen…

Und was hatte er seitdem alles getan? Er war gejoggt, war… von den Chibis sicherlich beim Anziehen ziemlich herumgeschubst worden, hatte gekocht, geduscht… war ja kein Wunder, dass das wieder aufging. Idiot!

Er erhob sich, da stand Tsubasa plötzlich hinter ihm. „Na, Zero-chan?“

Der Schwarzhaarige blickte seinen Bruder vernichtend an und wollte in seinem Zimmer verschwinden, da hatte Tsubasa ihn auch schon am Kragen gepackt und zog ihn rücklings die Treppe herunter. „Es gibt jetzt Essen! Da wirst du dich nicht verdrücken!“
 

Nachdem sich nun alle an den Tisch gesetzt hatten und Tsubasa mit Zero im Schlepptau als letzter gekommen war, wurde das Getuschel lauter. Kira beobachtete alle für ein paar Minuten, bevor er sich langsam erhob. Ein paar der Augenpaare richteten sich auf ihn, bis schließlich fast alle ihn anschauten.

„Ehm… Hallo. Ja, ich hab mir heute mal gedacht, dass ich koche. Es war einfach so eine Idee… Und gleichzeitig wollte ich mich bei euch bedanken, für die Sachen…“ Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen und Kira richtete seinen Blick zu Boden. Nachdem er ein paar Mal tief ein und aus geatmet hatte, richtete er den Blick wieder nach oben und lächelte in die Runde. „Ich wünsch euch einen guten Appetit und hoffe, es schmeckt.“ Dann setzte er sich wieder.
 

Zero erhob sich im gleichen Zuge, ging zu ihm hin und blieb wie ein Dämon vor ihm stehen. Er war sauer und die Leute, die mit an Kiras Tisch saßen, hielten mitten in ihren Bewegungen inne. Sie waren wie erstarrt vor Schreck.

„Bist du jetzt fertig?“, fragte der Schwarzhaarige dunkel.
 

Kira wollte gerade nach seinem Teller greifen, um selbst etwas zu essen, als sich ein dunkler Schatten über seinen Teil des Tisches legte. Er blickte auf und sah Zero. Dieser sah allerdings alles andere als nett aus.

Fragend blickte er den älteren an. "Ja... wieso?" Was hatte er denn? Was war denn geschehen? Hatte er irgendwas Falsches gesagt?
 

„Vollidiot.“, knurrte Zero, dann packte er ihn am Arm und zog ihn auf die Füße. Bewusst hatte er den Arm genommen, dessen Schulter kaputt war. Inzwischen war der rote Fleck auf dem weißen Tuch dreifingerbreit. Es war ganz offensichtlich, dass die Naht aufgegangen war. Und keiner hatte es bemerkt. Undankbare Bande. Da kochte er für sie und sie dachten gar nicht nach.

„Ab zum Doc. Essen kannst du später!“ Und schon zog er ihn mit sich.
 

"Au..."

Als Zero ihn packte, durchzuckte für ein paar Sekunden ein brennender Schmerz seine Körper. Was war denn mit ihm los?

Dann erinnerte sich an die letzten Tage. Die Tätowierung... und seine Schulter...

Seine Schulter!

Schnell blickte er zur Seite und nun sah auch er den roten Fleck auf seinem Hemd. Blut.

Seine Schulter schien wieder aufgegangen zu sein... und er hatte nichts davon mitbekommen. Na klasse! Wie weit konnte Verdrängung denn gehen? Sehr weit, wie man an seinem Beispiel sah…

Kira ließ sich willig von Zero nach draußen ziehen, wandte seinen Blick aber kaum von seiner Schulter ab. Sie schmerzte kaum, aber trotzdem schien nicht alles in Ordnung zu sein.
 

Wortlos zog Zero Kira über den Hof. Er war nicht mehr so brutal wie zu Anfang, ging auch etwas langsamer, damit der Blonde hinterherkommen konnte. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht ein bisschen mehr darauf geachtet hatte, dass er es vergessen hatte, sich von dem fröhlichen Gesicht hatte täuschen lassen und darüber alles Wesentliche aus den Augen verloren hatte… oder lag es einfach daran, dass es ihm bei den anderen immer egal gewesen war? War ja auch egal. Er war in gewisser Weise schuld, weil keiner freiwillig zum Doc ging, da war es seine Aufgabe auf so was zu achten. Tsubasa hatte viel zu viel um die Ohren, um sich darum auch noch zu kümmern…

Sie erreichten die Tür und Zero öffnete sie mit einem ungeduldigen Tritt. „Hey, Alter, bist du da?“ Stille. „Sensei? Doc? Alter!“

Schritte aus den hinteren Räumen, zwei gehende Türen, dann stand er vor ihnen. Direkt. So schnell… und er gab Zero eine warnende Ohrfeige. Nicht einmal doll genug, um wehzutun, einfach nur, um ihm zu zeigen, dass es ihm missfiel, wie er ihn nannte.

Der Junge lachte nur. „Was willst du dagegen tun? Außerdem… es ist nicht gut, wenn man die Wahrheit so lange vor sich selbst verbirgt.“

Ein unguter Blick, dann drehte er sich um und deutete auf die Liege. Er wusste schon, worum es ging. In dieser Hinsicht konnte er in seinem Ziehsohn hervorragend lesen. Wenn der mal mit einem anderen als Tsubasa hier auftauchte, dann ging es um diesen anderen. Und wenn es noch so selten passierte. Meistens war er dann von Tsubasa hergeschickt worden, damit die anderen nicht vor ihm davonliefen.

Zero schob Kira zu der Liege.
 

"Ich will nicht..." Kira hatte urplötzlich diese Worte aus seinem Mund gehört, als er zur Liege geschoben wurde. Und er wollte wirklich nicht. Was war denn so schlimm an ein wenig Blut? Es tat ja nicht mal weh...

Aber er konnte das wohl nicht ändern. Wenn er sich jetzt dagegen wehren würde, müsste er sich mit Zero anlegen, und das wollte er nicht. Nie.

Überraschend spürte er eine Bewegung in seiner Hosentasche und zog ein paar Sekunden später den in Vergessenheit geratenen Yuki daraus hervor. Er hatte geschlafen und war nun scheinbar aufgewacht. Langsam setzte er die Maus vor sich auf die Liege, setzte sich dann so hin, dass er die Maus beobachten konnte.

Langsam fuhr er mit den Fingern über ihren Rücken. Dann fing er an sein Hemd aufzuknöpfen, damit man endlich mal sehen konnte, was nun wirklich passiert war. Der Fleck hatte sich still vergrößert.
 

Zero murrte unzufrieden. Widerworte. Und dann tat er doch, was er sollte. Super, der Junge, kein Durchsetzungsvermögen… oder einfach doch Schmerzen.

Er lehnte sich gegen den Schrank und beobachtete, wie Kira sein Hemd auszog. Es war wie am gestrigen Tag: sein Anblick raubte ihm fast den Atem. Die schmalen Schultern, die blasse Haut, die langsam zum Vorschein kam, als einer nach dem anderen der Knöpfe ihren Dienst quittieren musste, die schüchternen Bewegungen… Schön. Fast anmutig auf seine Art…

Er senkte schließlich den Blick, als der Junge das Hemd von den Schultern streifte, dachte, er könne das nicht ertragen. Erst als der Doc plötzlich mit seinen Knöcheln auf den Tisch klopfte, hob er ihn wieder. Ein kurzer Blick und er ging zu den Schubladen, um die Geräte zu holen, die der Mann gebrauchen würde.

Als er wenig später wieder zu den beiden kam und die kleine Schale neben Kira absetzte, warf er einen Blick auf die Wunde… Sein Blick wurde dunkel. Die Wundränder waren aufgerissen und es blutete wieder, die Fäden hingen recht unschön daraus hervor.

„Vollidiot.“, wiederholte er leise, als er Yuki aufnahm, denn das würde sicherlich schmerzhaft genug für Kira werden, dass er sich daran nicht erinnern würde. Er kannte die Methoden des Arztes. Für Unvorsichtigkeit oder Missachtung seiner Anweisungen konnte er ziemlich ungehalten reagieren. Diesmal würde er wohl ohne Narkose arbeiten…
 

Kira versuchte den Blick auf seine Schulter zu vermeiden, schaffte es aber nicht. Langsam blickte er zur Seite... und schnell wieder zurück. Gelinde ausgedrückt, sah es wirklich eklig aus. Und irgendwie hatte er nicht das Gefühl, dass der Doc sehr sanft mit ihm umspringen würde, hatte er es doch nun schon zum vierten Mal in drei Tagen geschafft, hier bei ihm zu landen.

Als Zero an seiner Liege vorbeiging und Yuki mitnahm, blickte er ihn leidend an. "Was willst du mit ihm machen? Lass ihn hier, bitte." Er schaute dem Schwarzhaarigen direkt in die Augen. Er wollte Yuki hier haben. Ohne ihn würde er es nicht durchhalten. Er würde auch nichts gegen Zero persönlich sagen, wenn dieser bei ihm blieb, aber eher würde die Hölle gefrieren, bevor er diesen Wunsch aussprach und bevor Zero ihn auch erfüllen würde.

Also musste er sich mit der Maus zufrieden geben.
 

Dieser sah zurück, aber er war nicht gewillt, diesem Wunsch nachzukommen. „Willst du das Vieh zerquetschen?“, fragte er bissig. „Dann geh danach lieber zu den Katzen. Die freuen sich über so was Feines mehr, wenn es noch lebendig ist!“

Es war gemein, das wusste er auch, aber er hatte eine Ahnung, wie viel das Tierchen Kira wirklich wert war, und er wollte nicht riskieren, ihn traurig zu sehen. „Ich bleibe ja hier mit ihm, wenn du Angst hast, dass ich ihn platt mache. Im Übrigen: Ich esse keine Mäuse. Die sind zu haarig.“

Der Doc gluckste lautlos, dann begann er, schnitt mit einer Schere die übrigen Fäden durch, zog sie anschließend mit einer Pinzette heraus, was nicht mehr so einfach war, weil drei davon schon festgewachsen waren. Zero ließ die Maus auf seine Schulter fallen.

„Wehe, du verhedderst dich in meinen Haaren!“, warnte er. „Die schneid ich nicht ab, dann wirst du doch noch dran glauben müssen!“
 

Kira blickte Zero einige Sekunden an, bevor er nickte. „Ja, aber bleib wirklich hier. Ich will ihn sehen.“ Und er glaubte auch eigentlich nicht, dass er Yuki auch nur ein Haar krümmen würde. Kira sah, wie er ihn auf der Schulter absetzte und sofort richteten sich seine Augen auf Kira, beobachteten ihn.

Beruhigend blickte er die kleine Maus an, die über Zeros Schultern raste, und dabei versuchte, sich nicht in den Haaren zu verheddern.

Kira spürte ein heftiges Ziepen in der Schulter, biss aber die Zähne zusammen. Er hatte sich die ganze Sache selbst eingebrockt, also würde er sie auch auslöffeln müssen. Allein.

Es war schon eine Bereicherung, dass er wenigsten zwei mehr oder minder menschliche Wesen hatte, die hier an seiner Seite standen und sich um ihn sorgten. Zumindest glaubte Kira das.
 

Zero sparte es sich, darauf eine Antwort zu geben. Er würde nicht gehen. Warum auch? Damit er sich von Tsubasa auslachen lassen konnte, weil er das Plüschvieh auf der Schuler hatte? Ging’s denn noch? Außerdem erwartete der Doc, dass er blieb, um den Patienten, falls dieser doch zusammenbrach, aufzufangen.

Er hatte gerade begonnen, ein kleines Wattetuch mit Alkohol zu tränken. Uh, das würde wehtun. Armer Kira… Allerdings bedeutete das auch, dass er eine angehende Entzündung festgestellt hatte… Oh Mann, wie konnte man nur so dämlich sein, so eine Wunde mit Wasser zu bespritzen?
 

Kira sah dieses besagte Tuch nicht und hatte nur Zero und Yuki vor den Augen. Erst als es auf seine Schulter gelegt wurde, realisierte er es. Er zuckte zusammen, Sternchen tanzten vor seine Augen auf und sein Magen begann ungut zu rebellieren. Er gab allerdings keinen Ton von sich. Nicht, das er es nicht gewollt hätte. Kira hätte ohne Skrupel den ganzen Raum zusammenschreien können, allerdings bekam er keinen Ton heraus. Selbst als er versuchte, seine Mund zu öffnen, gelang ihm nicht einmal das. Zu tief steckte die Verdrängung des Schmerzes. Und gerade jetzt schien es, als käme jede vergessene Minute Schmerz doppelt und dreifach zurück.

Er hielt sich seine Hand vor die Augen, versuchte so die Aufsteigenden Tränen, die sich in seinen Augenwinkeln gesammelt hatten, zurückzuhalten.
 

Zero biss sich auf die Lippe. Wie immer half die Art des Docs ganz vorzüglich. Kira würde es sich in Zukunft doppelt und dreifach überlegen, ob er so eine Verletzung noch einmal ignorierte. Aber dass es ihn so sehr berührte, war selten. Selbst die Zwillinge waren ihm in dieser Hinsicht am Arsch vorbeigegangen, hatten es seiner Meinung nach verdient, aber hier…

Er fing einen Blick des Doktors auf, der das Abtupfen der Wunde beendet hatte und jetzt die gebogene Nadel und den Wachsfaden zur Hand nahm. Es würde nicht so einfach sein, diese zerfetzten Wundränder noch mal zusammenzunähen, aber der Doc konnte das schaffen. Allerdings würde dort wohl eine ziemlich hässliche Narbe zurückbleiben. Zu schade…

Ein Nicken und Zero stieß sich von dem Schrank ab, an dem er gelehnt hatte, ging zu einem Schrank, um eine der Tabletten herauszusuchen. Der Arzt hatte es erlaubt und er hatte ihm die Entscheidung überlassen. Normalerweise hätte sich Zero jetzt nicht einen Millimeter bewegt, aber heute… Es tat ihm selbst weh, das zu sehen…

Als er zurück zu Kira kam, hatte der Doc schon angefangen, hatte die Nadel bereits einmal vorsichtig durch die Haut geschoben. Sachte berührte er ihn an der Wange.
 

Kira saß wie versteinert auf der Liege und biss die Zähne zusammen. Als ihn jemand an der Wange berührte, zuckte er kurz zusammen, bevor er langsam die Hand sinken ließ... und seinen Tränen nun freien Lauf ließ.

Es tat weh und brannte höllisch. Der Schmerz sickerte geradezu in seinen Kopf. Er blickte nach vorn, um zu schauen, wer ihn berührt hatte, und sah dann Zero. Langsam hob er eine Hand, versuchte sich die Tränen von den Wangen zu wischen, was ihm allerdings misslang. Er konnte den Arm nicht mehr als zehn Zentimeter heben, auch wenn es der gesunde war. Es ging einfach nicht.
 

Zero lächelte milde. „Hast du es jetzt begriffen?“, fragte er leise. „Schmerzen zu ertragen führt nur zu noch mehr Schmerzen. Besser, du passt in Zukunft besser auf.“

Er hob die Hand und hielt ihm eine weiße Tablette hin. Ein schnell wirkendes Schmerzmittel, das leider nicht so stark war, wie es hier erforderlich gewesen wäre, aber wohl ausreichend. „Mach den Mund auf, hm?“
 

Kira nickte. Er hatte den Schwarzhaarigen verstanden. Auch wenn er nicht sicher war, dass er auf ihn hören würde. Aber das würde die Zukunft zeigen.

Er tat, wie ihm geheißen, und öffnete den Mund. Auch das fiel ihm schwer, aber er musste es ertragen, hatte er sich schließlich selbst in diese Situation gebracht.
 

Zero legte die kleine Tablette auf seine Zunge. „Brav lutschen.“, sagte er, während der Arzt gerade den ersten Knoten machte und sich nach außen hin keinen Deut um die beiden zu kümmern schien. Aber das Grinsen auf seinen Lippen sprach Bände. Zeros Verhalten war doch einfach nur noch eindeutig. Und Kiras viel zu naiv. Na, das würde er beobachten. Oder er fragte mal Tsubasa. Der würde sich wahrscheinlich einen Keks freuen, wenn er davon erzählen durfte…

Zero waren diese Gedanken gleichgültig. Der Doc würde auch andere Mittel finden, um ihn zu ärgern, da war das hier noch gelinde.
 

Wie ihm befohlen, lutschte Kira die Tablette, bis sie ganz verschwunden war. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Die Schmerzen rückten in den Hintergrund. Es war nicht so, dass er sie gar nicht mehr spürte, aber sie waren ertragbar geworden. Außerdem wurden seine Gedanken vernebelt. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und alles, an was er versuchte zu denken, löste sich in einem weißen Rauch auf.
 

Zero zog sich zu seinem Schrank zurück, als er bemerkte, wie Kiras Augen glasig wurden. Opium war schon ein Teufelszeug. Aber in der Dosierung war es in Ordnung, selbst für einen so kleinen Menschen wie Kira.

Jetzt beendete der Arzt seine Arbeit schneller, nahm weniger Rücksicht. Nach zwölf weiteren Stichen und sechs weiteren Knoten war er fertig und verband Kira. Ein scharfer Blick zu Zero, der mit den Augen rollte und nickte.

„Schon klar, ich pass auf.“, sagte er murrend, dann ging er zu Kira, warf ihm das Hemd wieder über… ob das noch mal sauber wurde? Wahrscheinlich nicht. Schade drum. Fast genauso schade wie die Narbe auf der weißen Haut… Langsam machte er die Knöpfe zu, bevor er ihn anstupste. „Aufstehen. Wir gehen wieder rüber, damit jemand auf dich aufpasst, solange ich dem Doc etwas von deinem Menü bringe.“ Das würde sonst keiner machen. Tsubasa war gerade zu beschäftigt, weil er Papiere wälzte, warum auch immer schon wieder, und die anderen hatten Angst. Das Essen würde nicht ankommen.
 

Aus weiter Ferne hörte Kira eine Stimme, die ihm etwas sagte. Allerdings verstand er nicht, was sie sagte. Wie in Trance erhob er sich, war erstaunt, dass er stehen konnte. Die Schmerzen in seiner Schulter waren immer noch da, aber kaum noch spürbar. Der Doktor schien wirklich etwas von seiner Arbeit zu verstehen.

Bevor Kira einen Schritt tun wollte, schloss er die Augen, konzentrierte sich auf seine Körpermitte und öffnete sie dann langsam wieder. Das verschwommene Bild um ihn herum wurde langsam klarer, bis er alles erkennen konnte.
 

Zero war zufrieden, als Kira reagierte. War ja doch nicht so schlimm mit dem Schmerzmittel. Einfache Befehle würden es tun.

„Mitkommen.“, sagte er und nahm ihn am Handgelenk, um ihm die Richtung zu zeigen.
 

Willig ließ er sich führen. Er konnte zwar alles erkennen, war aber trotzdem noch ein wenig wackelig auf den Beinen.

Als sie das Zimmer des Doktors verließen und die frische Luft einatmeten, blieb Kira kurz stehen. Erneut schloss er die Augen. Die Luft roch so... sauber. Richtig rein.

Langsam spürte er ein Krabbeln auf seinem Arm und als er dann nach unten blickte, sah er Yuki, der gerade seine Arm hinauf kletterte. Die Maus war an Zeros Arm hinab gelaufen, über ihre verbunden Handgelenke gewankt und dann schließlich bei Kira wieder nach oben geklettert. Lächelnd blickte er ihn an. "Hallo, Kleiner." Streicheln konnte er ihn noch nicht. So viel Koordination hatten seine Arme und Finger noch nicht zurückerhalten.
 

Zero beobachtete das etwas verwirrt. Das Vieh hatte er ja völlig vergessen. Kein Wunder, wo er wie immer den Ledermantel trug, da spürte er das kaum durch… Eigentlich hätte die Maus ja abstürzen müssen, weil das Leder ganz glatt war, aber die Falten hatten ihr wohl als Halt genügt.

Er zog Kira weiter. Es war ihm zu warm hier draußen. Heute war ein schrecklicher Tag. Viel zu warm, viel zu hell… Er wollte wieder rein.
 

Plötzlich wurde er wieder weitergetrieben, hatte er doch aber keine Lust. Er wollte viel lieber im Freien bleiben. Die Frage war nur, wie er Zero dazu brachte, bei ihm zu bleiben. Er könnte mit ihm zu den Katzen gehen... dafür war er aber noch eindeutig zu schwach auf den Füßen. Und mehr fiel ihm auch nicht ein.

Hunger... Sein Magen begann komische Geräusche zu machen und schnell presste er eine Hand darauf. Er hatte die ganze Zeit gekocht und nicht einmal genascht. Nur mal abgeschmeckt...

Fragend blickte er Zero von der Seite an. Würde er vielleicht mit ihm zusammen essen? Er hatte ja vorhin auch noch nichts zu sich genommen.
 

Zero grinste. „Hunger, Mieze?“

Er erstarrte. Hatte er das grade wirklich gesagt? Oh, oh, weich geworden. Viel zu weich. Er sollte unbedingt etwas dagegen tun. Schnellstens.

„Dann komm jetzt. Drinnen kannst du dich mit deinen Gummibeinen hinsetzen und etwas essen.“
 

Kira nickte. Ungläubig drehte es in seinem Kopf. Zero war wirklich eigenartig. Er konnte nicht direkt zeigen, dass er jemanden mochte, sondern tat es über den Umweg von Spitznamen. Kira hatte ihn noch nie einen der anderen Mitglieder irgendwie anders nennen hören, als ihre wirklichen Namen waren. Es war ja auch nicht so, dass es Kira nicht gefallen würde...

Mittlerweile freute er sich auf sein gekochtes Mahl und fragte sich, wie wohl die anderen darauf reagiert hatten. Hatte es ihnen geschmeckt? Er hoffte es.
 

Zero schob den Jungen durch die Tür und sofort erhob sich lauter Applaus für den Koch. Jubelschreie wurden laut, jemand forderte eine Zugabe, doch Zero ließ ihnen keine Zeit, sich an Kira zu wenden, sondern schob diesen zu seinem Bruder.

„Passt du auf ihn auf und gibst ihm was zu essen?“, fragte er und machte ihm ein Zeichen dafür, dass der Junge unter Drogen stand.

Tsubasa nickte sofort, sprang auf und wirbelte zu den Töpfen, wo er auf zwei Teller jeweils eine große Portion abfüllte und damit in der Küche verschwand, um sie kurz heiß zu machen. Als er wiederkam, stellte er den einen vor Kira ab und gab Zero den anderen und eine Gabel.

„Komm zurück.“, sagte er. „Du kannst nicht ewig hungern!“

Zero brummte nur etwas, dann ging er wieder, um seinem Ziehvater in seiner Einsamkeit etwas zu bringen. Tsubasa würde schon dafür sorgen, dass der Blondling sitzen blieb, bis er wieder da war.
 

Sobald Kira den Raum betrat, umfing ihn eine Wolke des Lärms. Ihm war klar, dass das nur heißen konnte, das sein essen gut angekommen war, aber sein Kopf schien das alles falsch zu verstehen, denn ob der lauten Geräusche schien er kurz davor zu platzen.

Nach ein paar Sekunden wurde er von irgendjemandem auf einen Stuhl gedrückt und ein paar Minuten später hatte er ein dampfendes, lecker duftendes Essen vor sich stehen. Langsam griff er nach seiner Gabel, schob sich ein Stück der Kartoffel in den Mund. Gemächlich kaute er, obwohl er großen Hunger verspürte und am liebsten alles in sich hinein gestopft hätte. Aber so einfach ging das natürlich nicht. Als nächstes probierte er ein Stück des Fleisches. Es war weich und zart und einfach nur lecker. Das musste selbst Kira zugeben. Nach ein paar Minuten des stillen Kauens ließ er die Gabel sinken und nahm sich ein Schluck des Tees, den ihm jemand neben den Teller gestellt hatte.

Noch während er aß, ließ das Opium nach und die Schmerzen kamen wieder. Seine Schulter begann zu stechen und Kira ließ die Gabel vollends sinken. Ihm war der Appetit vergangen.

Langsam lehnte er sich in den Stuhl zurück, schloss für ein paar Sekunden die Augen. Dann stand er vorsichtig auf, und blickte sich nach Tsubasa um. Er fand ihn schon bald, lief langsam zu ihm. "Ich bin fertig. Ich werd ins Bett gehen. Ist wahrscheinlich am besten für mich und meine Schulter." Dann nickte er ihm noch einmal zu, bevor er den Gemeinschaftsraum verließ und langsam in Richtung der Zimmer trottete. Er hoffte inständig, dass die Chibi-schwestern nicht wiederkommen würden, bis er endlich Schlaf gefunden hatte. Denn wenn sie kamen und er noch wach war, wäre daran garantiert nicht zu denken. Er hatte ihr eigentliches Vorhaben zwar noch nicht enträtselt, aber er war sich sicher, dass es für ihn garantiert nicht gut war.

Kira musste sich zwingen, nicht sofort auf das Bett zu fallen, als er sah und ging vorher ins Bad. Dann zog er sich nur die Hose aus und legte sich ins Bett. Er war erstaunt, dass er Yuki neben sich auf dem Kopfkissen sah, hatte er seinen kleinen Freund einige Zeit vergessen. Aber er würde es ihm bestimmt verzeihen.

Noch ehe er weiter über Probleme oder anderes nachdenken konnte, fielen ihm die Augen zu und er versank in einen unruhigen Schlaf, welcher von leisem Stöhnen oder kleinen Schreie durchzogen wurde.
 

Zero kam nicht mehr zurück, obwohl Tsubasa schon einen Teller für ihn vorbereitet hatte und dieser in der Mikrowelle auf ihn wartete. Im Grunde wäre er doch recht gerne gekommen, denn Hunger hatte er und das Essen der kleinen Katze hatte gut gerochen, aber als er bei seinem Ziehvater hereingeschneit war, war dieser in ziemlichem Aufruhr gewesen. Es hatte Probleme mit Ren gegeben und Zero hatte helfen müssen, obwohl er ihm am liebsten einfach das Essen ins Gesicht geklatscht und ihn dran ersticken lassen hätte.

Als der Kampf um das Leben des Jungen endlich vorbei war, war es weit nach elf Uhr und Zero todmüde. Er hatte keine Ahnung, was passiert war, aber offenbar hatte Ren beschlossen, sein Blut zu verdicken, und das war nicht ohne weiteres wieder weggegangen… Jetzt war es wieder in Ordnung, aber natürlich zu spät, um noch mit Kira zu essen… Selbst das Abendessen hatte er noch verpasst.

Erledigt rieb er sich über die Augen, als er in den Gemeinschaftsraum kam. Sein Mantel hing über seinem Arm, seine Haare waren unordentlich hochgesteckt, weil sie gestört hatten und er sich nicht die Mühe gemacht hatte, sie zu ordnen, weil er nur noch vorhatte, jetzt ins Bett zu gehen.

Es waren nur noch wenige im Gemeinschaftsraum und diese wenigen beachtete er nicht, als er auf die Treppe zuging, einfach nach oben verschwinden wollte. Er hatte nicht mit Tsubasa gerechnet, der mit seinem Laptop nach unten gezogen war. Der Japaner legte ihm beide Hände auf die Schultern und dirigierte ihn zu ihrem Tisch, ohne Widerspruch zu dulden, drückte ihn dort in den Sessel, wo er auch sitzen blieb. Gegenüber hatte er doch vorhin irgendwann Kira hingesetzt… war er noch da?

Zero blickte hoch. Seine Lider waren so schwer, dass sie das kaum zuließen, aber er schaffte es. Kira war natürlich nicht mehr da. War ja auch spät. Zu spät für jemanden, der solche Qualen hatte erleiden müssen. Hoffentlich hatte Tsubasa ihn in ein Bett gebracht, wo die Zwillinge ihn nicht malträtieren und als Mäusegomera verkleiden konnten. Oder er hatte denen eingebläut, dass sie den Jungen unbedingt in Ruhe lassen mussten. Hoffentlich hatte er Kira klargemacht, dass er nicht unter die Dusche sollte, dass er sich schonen musste und…

„Hör auf zu grübeln.“ Tsubasa war wieder da, stellte einen Teller vor ihn hin und setzte sich dann neben ihn. „Ihm geht es gut. Er schläft und wird, denke ich, brav sein. Bisher hat die Abschreckungsmethode des Docktors doch immer gewirkt.“

Zero nickte und begann lustlos zu essen. Hunger hatte er keinen, aber es schmeckte unerwartet gut. Gut gewürzt, wenn es auch ein bisschen an Schärfe fehlte. Sehr lecker… Der Kleine konnte kochen.

Schweigend aß er zu Ende, dann stand er auf, um seinen Teller in die Küche zu bringen. Er war kein Snob, der hinter sich herräumen ließ. Tsubasa klappte ebenfalls seinen Laptop zusammen und folgte ihm, als er nach oben ging, kam einfach mit zu ihm herein.

„Was ist passiert?“, fragte er ruhig. Er hatte sich ein wenig Sorgen gemacht.

Zero ließ sich rücklings aufs Bett fallen. „Diese Niete von Ren wollte abkratzen und der Doc hat mich gezwungen, das zu verhindern.“

Tsubasa lachte, dann setzte er sich neben ihn. „War anstrengend, was?“

„Nicht halb so anstrengend wie deine Arbeit.“, antwortete Zero, dann zog er den anderen zu sich hinab und schmiegte seine Nase gegen den roten Stoff von Tsubasas Hemd. Keine zwei Sekunden später war er eingeschlafen.

Der Anführer der Dragons lächelte still. „Offenbar war es anstrengender.“, murmelte er, schloss dann die Augen. Zero würde ihn jetzt nicht loslassen. Das kannte er schon von früher, auch wenn es recht lange nicht mehr vorgekommen war. Aber das war auch gut, dann schlief er heute eben hier. Zero ein wenig näher zu sich ziehend, schloss auch er die Augen und wartete darauf, dass der Schlaf kam.

Kapitel 9

Kapitel 9:
 

Wasser lief über seinen Körper, verbrannte ihm fast die Haut, aber er war zu schwerfällig, um es kälter zu drehen. Es war doch ohnehin recht angenehm… Seine Haare waren schwerer als sonst, zogen leicht an der Kopfhaut, verpassten ihm eine leichte Massage, wenn er den Kopf neigte und sie zu einer anderen Seite flossen.

Seufzend stellte er das Wasser schließlich ab. Verdammt. Geholfen hatte es nicht. Er war verspannt und fühlte sich scheußlich, aber es half ja nichts, sich deshalb hier zu verkriechen. Da er seine Aufgabe gestern schon hatte vernachlässigen müssen, war er heute eben dran. Kira beaufsichtigen, damit er keinen Blödsinn machte…

Langsam drückte er seine Haare aus, trocknete sich ab und stellte sich vor den Spiegel. Düsteres Bild, wenn er es recht bedachte. Er hatte offensichtlich nicht gut geschlafen. Bevor er da hinunterging, sollte er sein Erscheinungsbild noch um einiges steigern.

Mechanisch begann er seine Haare zu kämmen. Immer und immer wieder, bis sie fest und glatt an seinem Kopf anlagen, dann begann er sie zu flechten, streng nach hinten. Es würde die Müdigkeit wenigstens ein bisschen vertuschen. Eines der schwarzen Shirts übergezogen, die Hotpants an, Lederhose drüber, Strümpfe. Der silberne Ohrstecker folgte, kitzelte leicht am Hals, während er das Lederhalsband mit dem silbernen Anhänger umlegte. Der Drache schaute genauso böse wie der auf seiner Wange. Lächelnd strich Zero darüber.

„Hallo, mein Freund. Du siehst wieder munterer aus.“, meinte er, dann griff er beruhigt nach dem grünen Stirnband, das er sich umlegte und am Hinterkopf zusammenband. Heute, wo er die Haare so streng trug, wirkte das richtig gefährlich. Wie schön, da würde man ihn wohl wieder mal in Ruhe lassen, das war doch eine gute Aussicht.

Um dieses Bild der Unnahbarkeit zu vollenden, zog er sich einen Lidstrich, bevor er sich vom Spiegel abwandte, seine Stiefel anzog und sich den Mantel schnappend und Josie Auf Wiedersehen sagend durch die Hintertüre davonstahl. Wollte er doch mal sehen, ob Kira wieder auf dumme Gedanken kam und früh joggen ging…
 

Kira dachte nicht mal im Traum daran. Als er am nächsten Morgen erwachte, war er allein im Raum. Er wusste nicht, wo die Chibi-Schwestern waren, interessierte es ihn eigentlich auch gar nicht. Vorsichtig wollte er sich aufrichten, sank aber schon nach wenigen Sekunden zurück. Seine Schulter schmerzte immer noch. Schlimmer als zuvor.

Missmutig versuchte Kira den Kopf so weit zu drehen, dass er auf den Wecker schauen konnte. Es war zehn. Aha. Dann waren sie alle also beim Frühstück. Na toll... Das ist nun die Strafe für die anfängliche Missachtung… Kira war klar, dass er nun nur so starke Schmerzen hatte, weil er der Wunde keine Zeit zum Heilen gegeben hatte. Klasse! Also würde er in den nächsten Tagen auf alles verzichten müssen, was ihm Spaß machte...

Plötzlich begann es auf seinem Bauch zu kribbeln, überrascht hob er die Decke ein Stück nach oben, und sah dann eine kleine Beule das Shirt hinauf krabbeln, bis es aus dem Ausschnitt schaute. Yuki.

Langsam hob Kira die gesunde Hand, strich der Maus sanft übers Fell. Dann ließ er die Hand wieder sinken. Er fühlte sich nutzlos. So unglaublich nutzlos. Er schaffte es im Augenblick nicht mal, allein aufzustehen. Rufen konnte er auch nicht, war er viel zu weit von den nächsten Leuten entfernt. Er lag schließlich in dem kleinen Raum der Zwillinge. Bis zum Aufenthaltsraum waren es mindestens 200 Meter Luftlinie... Also würde er warten müssen, bis irgendjemand ihn vermisste und dann zu ihm kam...

Würde ihn denn überhaupt jemand vermissen? Doch, bestimmt... In Kira quoll etwas auf, das ihn an der Tatsache zweifeln ließ. Aber warum? Er hatte sich bisher bei keinem unbeliebt gemacht, geschweige denn irgendwen verärgert.

Die Sache mit Ren verdrängte er.
 

Zero hatte die Zwillinge um halb zehn das Haus verlassen sehen, dann waren immer mehr gekommen. Nur Kira nicht. Seltsam. Sehr seltsam. Der konnte doch schlecht noch immer schlafen. Tsubasa hatte doch gesagt, er wäre am gestrigen Tag schon am Nachmittag schlafen gegangen…

Es dauerte etwas, bis der Entschluss reifte, aber dann betrat er das Haus. Alle waren ausgeflogen, er hatte sie alle akribisch gezählt und wusste, dass keiner mehr drin sein konnte außer Kira. Und selbst wenn, würde er sie einfach böse angucken, dann blieben sie sicherlich still.

Die Zwillinge wohnten ganz oben in diesem Haus, auf der rechten Seite, das wusste er. Schließlich hatte er sich früher viel um sie gekümmert, weil sie trotz seiner frostigen Art niemals wirklich Angst vor ihm gehabt hatten, weil Tsubasa sie gemocht hatte… Jetzt kam ihm das zugute. Lautlos stieß er die Tür auf und betrat den kleinen Vorraum, ging direkt durch bis zum Schlafzimmer. Die Tür stand einen Spalt breit offen, gerade weit genug, um hineinzugehen. Er schlüpfte hinein.

Da lag er. Kira. Mit seiner kleinen Maus, die er sachte streichelte. Das blonde Haar zerwuschelt und wirr, die Augen noch immer auf Halbmast vom Schlaf, das Gesicht blass, wahrscheinlich von Schmerzen… Oh Mann.

Schweigend betrachtete er ihn weiter. Kira war schön. Ganz ehrlich, er konnte Ren ja verstehen, auch wenn er seine Methoden zutiefst verabscheute.
 

Kira lag noch einige Minuten im Bett, flüsterte Yuki ein paar Worte zu, bis es ihm mulmig zu Mute wurde. Er fühlte einen Blick auf sich. Ganz sicher. Dieses Gefühl kam nicht von seinen Schmerzen, bestimmt nicht. Und er spürte auch, dass dieser Blick ganz und gar nicht feindselig war. Langsam hob er den Kopf, strich sich dabei mit der gesunden Hand durch die Haare.

Dann ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Er wusste, dass es nicht die Chibis sein konnten. Die hätte er gleich gesehen und erst recht gehört. Kira bezweifelte, dass die beiden es schafften, auch nur einige Minuten leise zu sein. Sein Blick glitt über das Inventar, zeitweise wurde er verschwommen, und er musste die Augen für einige Sekunden schließen. Es war wirklich schrecklich, wenn man Krank war. Erneut ließ er den Blick umher wandern, machte nachdem er ein paar Mal über die Stelle geschaut hatte, eine Person in der Nähe der Tür aus.

Kira wollte den Mund öffnen, etwas sagen, doch das einzige was er hervorbrachte war erst ein heiseres Krächzen und dann ein Husten, weil ihm der Speichel in den Hals gelaufen war. Er streckte die Hand in Richtung des kleinen Tisches neben dem Bett aus, wollte sich das Wasser nehmen, was er kurz vorher dort gesehen hatte. Er schaffte es auch, dass seine Finger das Glas berührten, doch dann wurde er wieder von einem Hustenanfall geschüttelt, wobei das Glas zu Bruch ging. Er hörte ein deutliches scheppern, war der Boden schließlich mit Dielen verlegt.

Stöhnend zog er die Hand zurück, die Person im Raum war längst wieder vergessen.
 

Zero seufzte, ging dann zu dem Bett. Eine weitere Methode des Docs, seinen Patienten Gehorsam zu lehren. Er wollte gar nicht wissen, was er auf die Wunde getan hatte, damit Kira derartig krank wurde. Er hockte sich neben ihn und legte die Hand gegen die Stirn. Fieber. Eindeutig. Superklasse.

„Idiot.“, murrte er. Diesmal war der Doc seiner Meinung nach zu weit gegangen. Und das würde er ihm auch noch mitteilen. Jemandem Schmerzen verursachen, schön und gut, aber jemanden krank machen, dass dieser jemand dann von kaputte Schulter auf Grippe oder so was umsattelte… Oder war es einfach so, dass die Grippe das geschwächte Immunsystem ausgenutzt hatte?

„Du bist aber auch ein Pechvogel.“, sagte er schließlich und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. „Warte kurz, dann bekommst du etwas zu trinken. Und dann werden wir zu diesem Mistkerl gehen, damit er dich wieder zusammenflickt.“ Und schon stand er auf und ging in das Gemeinschaftsbad dieser Etage. Ein Glas und Wasser. Damit konnte man nicht so viel falsch machen…
 

Nach einigen Sekunden der Stille spürte er plötzlich etwas Kaltes auf seiner Stirn. Es war schön. Angenehm.

Gerade wollte er danach greifen, als es auch schon wieder verschwunden war. Kira versuchte umher zu blicken, aber er hatte kaum die Kraft, seine Augen offen zu halten. Ein plötzliches Gefühl von Müdigkeit überkam ihn, und er musste sich regelrecht dazu zwingen, nicht einzuschlafen.

Warum eigentlich? Warum konnte er nicht einfach schlafen, alles um sich herum vergessen. Ein mürrischer Gesichtsausdruck schob sich in seine Gedanken und mit einem letzten gemurmelten „Zero...“ fielen ihm die Augen zu.
 

Der Schwarzhaarige kam mit seinem Glas zurück, doch da schlief der Junge bereits wieder. Fieber war nicht so einfach zu ertragen, nicht wenn man schwach war und der Körper auf jedes noch so kleine Kinkerlitzchen reagierte.

Vorsichtig setzte er sich neben ihn. Blass… und wirklich unglaublich schön.

Sachte strich er die Haare aus der Stirn, dann hob er Yuki auf seine Schulter, bevor er Kira in die Decke wickelte und ihn hochhob. Sicherlich würde es dem Jungen nicht wirklich gefallen, wäre die Maus bei seinem Erwachen nicht mehr da. Aber hier bleiben war keine gute Idee. Wenn sich die Zwillinge nicht schon längst angesteckt hatten, würden sie es sicherlich in ihrer überbesorgten Art tun, wenn sie Kira helfen wollten.

Sein Weg führte ihn die Treppe hinunter und durch die Straße zum Doktor. Als Zero schließlich die Tür aufstieß, waren seine Augen nur dunkle, schmale Schlitze. Kiras Stirn an seinem Hals war heiß und diese Hitze hatte seine Wut angefacht. Momentan kam es ihm so vor wie damals… damals hatte man ihm auch das genommen, was ihm wichtig gewesen war. Damals… hatte man ihm alles genommen, weil man ihn unter Kontrolle hatte behalten wollen. Heute… kam es ihm so vor, als hätte der Doc vor, ihm Kira zu nehmen. Der einzige Mensch, der ihm neben Tsubasa und dem Doc etwas bedeutete. Der einzige Mensch… den er nicht töten würde…

Der bucklige Mann kam aus seinem Kabuff und allein Zeros Augen zeigten ihm, dass es jetzt gefährlich war. Er ging in Abwehrhaltung und deutete nur auf den Behandlungstisch. Seine Augen verrieten seine Gedanken nicht, aber er wusste, was gerade in Zero brodelte… und der Stab lehnte noch immer an der Wand neben dem Eingang, zudem hatte er die Ketten sicher auch dabei…

Er wartete, bis sein Ziehsohn den Jungen abgelegt hatte, begann dann ihn zu untersuchen. Und die ganze Zeit über war er sich der Anwesenheit des Jungens in seinem Rücken und dem Dolch in dessen Hand nur allzu deutlich bewusst. Er blieb ruhig. Gut, um Kira stand es gerade wirklich nicht gut, aber das hatte er nicht beabsichtigt, das war Zufall. Aber mit Sicherheit war es seine Schuld, dass es so schlimm war. Ohne seine Sonderbehandlung und das Opium hätte die Krankheit sich nicht so ausbreiten können… Sicherlich ahnte Zero das, war ja nicht dumm, der Junge.

Schweigen herrschte in der Luft, während der Doc das Fieber bekämpfte und Zero derweil jegliche Regung des blonden Jungens in dem Bettzeug beobachtete.

Dann ging plötzlich die Tür auf und Tsubasa stand im niederen Türstock, durch einen Pager vom Doc gerufen. Sein Blick war ernst, als er innerhalb von ein paar Augenblicken erkannte, was Sache war, schnurstracks auf Zero zuging und diesem mit roher Gewalt das Messer aus der Hand nahm. „Krieg dich wieder ein, verstanden?“, fauchte er ihn an.

Zero funkelte ihn an, schwieg.

„Rei! Du wirst dieses Spiel nicht durchziehen! Das hatten wir schon einmal! Du wirst dich jetzt gefälligst einkriegen und hier nicht wie ein Irrer alles ermorden, was ihm auch nur nahe kommt, klar?“

Noch immer keine Antwort, nur kalte Berechnung.

Tsubasa war der einzige, der diese Worte sprechen konnte. Er war der einzige, der darüber bescheid wusste und nicht stumm war. Er war der einzige, der begriff, was in Zero vorging. „Niemand hier hat vor, ihn zu töten. Niemand hier hat vor, ihn zu entführen! Und niemand hier wird dich mit ihm unter Druck setzen, hast du gehört? Er ist in Sicherheit! Und du auch!“

Die grünen Augen blitzen einmal mehr auf, da seufzte Tsubasa nur noch.

„Rei…“, flüsterte er leise. „Rei!“ Seine Hände legten sich auf Zeros Wangen und zogen seine Stirn gegen seine eigene. „Wir sind nicht gegen dich. Erinnerst du dich? Der Doc hat dir immer nur geholfen. Er hat uns gerettet. Er hat dich da rausgeholt, erinnerst du dich nicht?“

Der angespannte Körper begann zu zittern.

„Rei. Du bist in Sicherheit. Er ist in Sicherheit.“

Er lehnte sich leicht nach vorne gegen Tsubasas Brust.

„Es ist alles gut, ja?“

Nicken.

„Gut. Dann entspann dich.“

Zero atmete einmal tief durch, da ging plötzlich die Türe auf. So schnell konnte der Besucher gar nicht schauen, da flog auch schon der Dolch auf ihn zu und steckte direkt auf Augenhöhe neben ihm im Türstock.

„Raus!“, grollte Tsubasa, der den zusammengesunkenen Körper Zeros mit seinem vor den Blicken abschirmte, und das Mädchen nickte verschüchtert. Sie war Leichenblass, trat den einen Schritt zurück und die Tür war wieder zu. So etwas war man von dem Chef doch gar nicht gewohnt…

Der schwarzhaarige Japaner lächelte nur und strich über den Rücken seines Ziehbruders. Niemand würde ihn so schwach sehen. Niemals. Wenn sie dachten, er war schwach, dann war er in Gefahr, das war schon immer so gewesen. Schon früher. Weil er aus dem Ausland kam, weil er aus China war, weil seine Eltern ihn nicht hatten beschützen können. Also würde er dafür sorgen, dass man ihn auch in Zukunft für stark hielt, damit er in Sicherheit war, denn jemanden, der stark war, den griff man nicht ohne weiteres an…

Der Doc berührte Tsubasa am Ärmel und als der junge Mann aufblickte, deutete der gebeugte Mann mit einem Nicken und einem beruhigenden Funkeln in den Augen auf die Liege. Tsubasa lächelte und nickte.

„Rei?“

Der Junge in seinen Armen murmelte irgendwas Unverständliches.

„Er ist über den Berg. Er wird es überleben.“

Ein leises Schluchzen war zu hören und Tsubasa drückte seinen Bruder an sich, wiegte ihn hin und her. Offenbar hatte er wirklich Angst gehabt. Kein Wunder, dass er so ausgetickt war.

„Was willst du jetzt machen? Sollen wir ihn zurück zu den Chibi-Schwestern bringen? Oder in einen eigenen Raum? Den müssten wir dann aber erstmal einrichten und ich fürchte, dazu ist nicht genug Zeit und es fehlen uns Leute, die das tun würden.“

Ein Kopfschütteln folgte.

Tsubasa war überrascht. „Soll er hier auf der Krankenstation bleiben? Vielleicht neben Ren? Das wird ihm nicht gefallen…“

Wieder ein Kopfschütteln.

Der Japaner begann zu lächeln. „Rei, das bringt uns nicht weiter. Er braucht einen Raum, wo er Ruhe hat. Das weißt du auch. Wir können ihn nicht im Gemeinschaftsraum lassen.“

„Ich nehme ihn mit zu mir.“ Ganz leise. Ganz, ganz leise, aber gleichzeitig bestimmt.

Tsubasa starrte auf die schwarzen, in den Zopf gezwungenen Haare hinab. Hatte er das jetzt richtig verstanden? Zero ließ freiwillig jemanden in sein Heiligtum an Wohnung? Sein Rei? Sein kleiner, schüchterner, übervorsichtiger Bruder? Wow, der Junge hatte mehr auf dem Kasten, als er gedacht hatte… er hatte sich viel schneller in Zeros Herz geschlichen, als er sich ausgerechnet hatte. Begabtes Kerlchen…

„Okay. Dann bringen wir ihn zu dir hinauf.“, stimmte er weich zu und wiegte Zero noch ein bisschen hin und her. „Alles, was du willst.“
 

Es dauerte dann noch fast zwei Stunden, die Tsubasa Zero einfach nur hielt, bis dieser sich endlich wieder richtig unter Kontrolle hatte, aber dann brachten sie den Jungen gemeinsam durch die Hintertür und über die Feuertreppe in Zeros großen Raum. Ganz sachte bettete der Japaner Kira auf die schwarzen Laken, in denen er noch heller und zerbrechlicher wirkte als ohnehin schon. Er hatte Zero nicht zugetraut, ihn zu nehmen. Der Junge zitterte noch immer. Was musste in ihm nur abgegangen sein, als er erkannt hatte, was mit Kira war? Dabei war es im Endeffekt wirklich nichts weiter als Grippe. Harmlos mit den richtigen Medikamenten.

Josie kam, landete auf Zeros Schulter, der sie sachte zu streicheln begann. Ihre aufmerksamen Augen begutachteten die fremde Person, dann meinte sie völlig überzeugt: „Katzen sind weiß!“

Zero lachte zittrig. „Genau, Jo, ganz genau. Und diese Katze ist jetzt hier, um gesund zu werden, also musst du leise sein, wenn sie schläft, okay?“

„Schsch.“, machte der Vogel und die beiden Brüder lachten leise. Josie traf den Nagel immer auf den Kopf.

Etwas in Zeros Nacken bewegte sich und Josie war begeistert, als sie die weiße Maus erblickte. Schon wollte sie das Tier mit dem Schnabel aufnehmen und dahin bringen, wo sie ihrer Meinung nach hingehörte, da schüttelte Zero den Kopf und nahm sie selbst in die Hand. „Die gehört Kira.“, sagte er fest. „Die Schlangen dürfen sie nicht bekommen, klar?“

„Ich habe Kira lieb!“, bestätigte der Ara und Zero schoss Tsubasa einen bösen Blick zu, den dieser mit einem auffällig unauffälligen Pfeifen an sich vorbeischießen ließ. Das war Absicht gewesen. Ganz eindeutig. Dieser Satz…

„Ich bring dich doch um.“, murmelte der Chinese und Tsubasa begann zu lachen. Er stand auf, kam zu ihm und küsste ihn sacht.

„Oh, ich hab dich auch lieb, Rei-chan.“, flüsterte er, dann winkte er frech und verließ das Zimmer seines Bruders. Er hatte noch Arbeit, die getan werden musste. Kira war Zeros Aufgabe.
 

Das erste, was Kira wieder mitbekam, woran er sich auch danach noch erinnern konnte, war unendlich... und grün. Als er die Augen öffnete, sah er sich allein auf einer großen, grünen, weiten Wiese. Die Sonne strahlte hell vom klaren blauen Himmel und er fühlte sich in eine Märchenlandschaft versetzt. Sein Blick schweifte über den Horizont, drehte sich im Kreis. Es war niemand da... oder doch? War da nicht eine Bewegung gewesen?

Seine Augen fixierten sich auf einen Punkt am Horizont, klein und schwarz, aber gemächlich größer werdend. Als er nah genug bei ihm war, erkannte er kurze rote Haare und ein breites Lächeln auf dem Gesicht des Jungen, der nun laut lachend auf ihn zugelaufen kam. Auf Kiras Lippen bildete sich ein Lächeln und langsam breitete er die Arme aus. Der Junge sprang in eben diese und lächelte ihn an. Wie sehr er ihn doch geliebt hatte... Tetsu.

Gerade wollte Kira den Kleinen an sich drücken, als sich die Umgebung plötzlich änderte und nun kein lachender Junge mehr in seinen Armen lag. Statt der grünen Wiese war er nun umgeben von grauen Mauern und ein feiner, beständiger Nieselregen prasselte auf seine Haut nieder. Nachdem er ein Gewicht in den Armen gespürt hatte, blickte er nach unten, seine Augen waren schreckgeweitet. Das lächelnde Gesicht des kleinen Jungen hatte sich in eine grauenhaft verzerrte Fratze gewandelt und die ganze Liebe, die Kira eben noch gespürt hatte, wandelte sich in eine Mischung aus Wut, Trauer, Schuldgefühlen und Verzweiflung.

Es war seine Schuld, dass er tot war.

Erneut blitzte das Lächelnde Gesicht vor seinen Augen auf.

Er allein war Schuld. Nur weil er so egoistisch gewesen war.

Wieder das Lachen.

Nein. Er durfte nicht tot sein.

´Nii-chan!´

Das ging nicht.

´Ich hab dich lieb, Nii-chan!´

Warum er? Er war doch noch so klein gewesen. Tränen sammelten sich hinter Kiras Augen und er ließ ihnen freien Lauf. Was würde es ihm denn bringen, die ganze Wut, die Trauer, zurückzuhalten? Nichts. Nur noch mehr Schmerzen.

Mit verschwommenem Blick schaute Kira nach oben, sah vereinzelte Blitze am dunklen Himmel zucken. Um ihn herum war niemand. Nur er saß am Boden. Mit seinem toten Bruder in den Armen. Dann gab es ein heftiges Donnergrollen und im nächsten Augenblick erhellte ein gleißender Blitz die Umgebung. An der Wand, an die Kira zufällig geschaut hatte, spiegelte sich ein Schatten. Schnell ruckte sein Kopf herum, versuchte in der Finsternis eine Gestalt auszumachen. Erst als ein weiterer Blitz erflammte, sah er die Person genauer vor sich.

Sie war groß... hatte schwarze Haare... und ein grünes Band um die Stirn geschlungen... Ein Gangmitglied? Aber von wo? Kannte er diese Gruppe? Hatte er schon einmal mit ihnen Kontakt gehabt? Er wusste es nicht... Kira hatte es vergessen.

Und doch... bei dem grünen Band begann etwas in seinem Kopf Alarm zu schlagen.

Gerade wollte er die Hand nach dem Jungen ausstrecken, als ein erneuter Blitz alles erhellte und niemand mehr vor ihm stand. Als er wieder nach unten in seine Arme blickte, sah er auch dort nur Leere. Wo waren sie alle hin? Warum verließen sie ihn alle? Warum? Was hatte er getan? Hatte er etwas falsch gemacht?

Langsam und schwankend stand er auf, und lief einfach die Straße entlang, die vor ihm entlang führte. Was sollte er jetzt tun? Warum war er hier? Was war seine Aufgabe?

Kira wusste es nicht. Wusste gar nichts.

Langsam lief er die enge Seitengasse entlang, hörte in der Ferne das Hupen von Autos und quietschende Bremsen. Schon bald wurden die Geräusche lauter und er konnte die Fahrzeuge auch sehen. Starr lief er weiter die Gasse entlang, achtete nicht auf die Wagen, die ihm immer näher kamen. Er lief, lief weiter und erst als er auf der Straße stand, blickte er zur Seite und sah das herannahende Auto direkt an. Langsam knickten seine Beine ein. Er hörte das Quietschen der Bremsen nicht mehr und als er den Boden berührte, versank er in einer unendlichen Schwärze.

Panisch drehte er sich im Kreis, wollte einen Ausgang finden, sah jedoch nichts. Kira konnte nicht einmal seine eigene Hand vor Augen erkennen. Erst der kleine Lichtpunkt in der Ferne gab ihm den Mut, langsam auf ebenjenen zuzugehen und gerade als er hoffte, ihn zu erreichen, wurde er ganz und gar in das Helle gestoßen.

Langsam öffnete er die Augen, hob seine Hand und fuhr sich damit über das Gesicht.

Was.. was war das eben gewesen? Hatte er geträumt? War das wirklich nur ein Traum gewesen? Ja... Natürlich. Tetsu lebte schließlich nicht mehr. Langsam rollten ihm die Tränen aus den Augen, wurden mehr und mehr. Die Erinnerung an seinen Bruder ließ ihn einfach nicht los. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass es erst ein paar Wochen her war, dass er getötet wurde.

„Tetsu-chan.... Ich hab dich auch lieb...“ Die Worte waren weniger ein Flüstern als ein Hauchen. Er musste diese Sache endlich verarbeiten, durfte nicht länger so an ihr festhalten. Sein Bruder war tot, und würde auch nicht zurückkommen, egal wie sehr er sich es wünschte. Und... er hatte jemand anderen gefunden, den er mochte, den er gern hatte.
 

Zero blickte zu dem Jungen in seinem Bett. Schon seit geraumer Zeit war Bewegung in ihn gekommen. Seine Augen, seine Hände, seine Mimik… all das hatte sich bewegt wie im Traum, aber er hatte sich nicht gerührt. Nicht einen Millimeter. In der hintersten Ecke des Bettes hockte er, hatte das Kinn auf die Knie gestützt und ihn beobachtet. Seine Hände lagen ruhig und bewusst auf seinen Füßen, die ausnahmsweise nicht in den schweren Stiefeln sondern in weichen Socken steckten. Es war ihm egal. Kira bekam einen Einblick in alles, was er war, da machte diese Kleinigkeit auch nichts mehr aus.

Josie hockte auf ihrer Stange, blickte ebenfalls zu dem blonden Jungen hinüber, der da weinte wie ein kleines Kind… Er weinte oft, so kam es ihm vor. Wann hatte er selbst das letzte Mal geweint? Als er zehn gewesen war, oder? Als er die Tattoowierung bekommen hatte, danach hatte er es sich nicht mehr erlaubt. Heute… aber sonst… Kira… war noch dazu fähig, war noch mutig genug dazu… Zero begann zu lächeln, versteckte es hinter seinen Knien. Begabter Junge.

Eine einzige Handbewegung und leises Federrascheln ertönte, als der blaugelbe Ara aufflog und neben dem blonden Jungen auf dem Bett landete. „Katzen sind weiß!“, verkündete Josie glücklich und beugte sich über ihn, um ihn mit verdrehtem Kopf anzusehen. Und schon im nächsten Moment begann sie damit, ihm an den Haaren zu zupfen, seine Ohrläppchen zu untersuchen, ganz sanft, um ihm nicht wehzutun. Niemals hätte sie so etwas getan…

Yuki kroch aus dem Hemdkragen des Jungen heraus und Josie hielt in ihrer Untersuchung inne. „Katzen sind blau!“, erklärte sie jedem der wissen wollte, dass hier etwas ihrer Meinung nach nicht stimmte. Mäuse gehörten in die Glaskästen, nicht ins Bett!

Zero ließ es einfach geschehen. Jo das Reden überlassen war definitiv einfacher, als selbst zu ihm zu gehen und zu fragen, wie es ihm ging, wo so offensichtlich war, dass es ihm eben nicht gut ging.
 

Kira lag still weiter im Bett, versuchte sich wieder zu fangen. Er musste mit dieser Sache endlich fertig werden. Auch wenn es erst eine Woche her war. Er durfte sich nicht in Schuldgefühlen und Trauer verlieren. Ein letztes Mal strich er sich mit dem Arm über die Augen, wollte die letzten Tränen vertreiben, da hörte er eine Stimme und im nächsten Moment spürte er einen kleinen Windstoß neben seinem Kopf. Bevor er sich umdrehen und nachsehen konnte, was diese ungewohnten Geräusche verursacht hatte, spürte er ein sanftes Krabbeln an seinem Ohr, was zu einem Kitzeln wurde. Dann begannen seine Haare zu ziepen und schon hörte er die nächsten Worte, drehte sich nun endlich zur Seite und blickte in das Gesicht eines gelb blauen Papageis.

Kurz weiteten sich Kiras Augen, dann wollte er aufspringen und sich von dem Vogel wegbewegen, allerdings wollte sein Körper nicht das tun, was er wollte, das er tat. Bewegungslos lag er im Bett, ließ sich von dem Tier untersuchen. Als dieser dann allerdings seine Augen auf Yuki richtete, welcher an Kiras Hals entlang strich, langte er mit seinem gesunden Arm hoch zu seinem Kragen und zog die ängstlich quiekende Maus heraus, verschloss sie in seiner Hand.

„Nein, nicht...“ Sanft strich er Yuki über das Fell, seine Augen waren immer noch auf den Vogel gerichtet. Dieser starrte ihn allerdings nur weiter an. Langsam begann Kira sich aufzurichten, jeder Muskel in seinem Körper wehrte sich dagegen und schmerzte. Nach etlichen versuchen schaffte er es doch, lehnte sich atemlos mit der gesunden Schulter an die Wand hinter sich. Dann blickte er sich im Raum um, besah sich alles so weit es ging, so weit es bei der spärlichen Beleuchtung möglich war.

Neben sich sah er einen kleinen Nachttisch stehen, auf dem ein Glas stand, das mit Wasser gefüllt war. Vorsichtig griff er danach, wollte er doch nicht, dass es zerbrach. Nachdem er es in der Hand hatte, nahm er einen Schluck, ließ das kühle Nass seine ausgetrocknete Kehle hinunter gleiten. Langsam nahm er es wieder von den Lippen, drehte den Kopf noch ein wenig mehr. Neben dem Nachttisch sah man ein paar Meter leere Wand mit einem großen, verhangenen Fenster, davor ein Tisch mit Sofa und Sessel. Gegenüber eine Tür, die man allerdings nur schemenhaft erkennen konnte. Was dahinter und an der entgegen gesetzten Zimmerseite folgte, konnte Kira ob des wenigen Lichts im Zimmer nicht sagen. Nur eines der Fenster war ein wenig zaghafter bedeckt als alle anderen, und ließ so ein paar der Sonnenstrahlen durch. Langsam ließ er seinen Blick weiter in Richtung des Fensters wandern, sah die kahle Wand...

Dann blickte er auf die linke Seite des Bettes und wäre, wenn er nicht so geschwächt gewesen wäre, mit einem Satz aus dem Bett gesprungen. Neben sich sah er die Silhouette einer Person, konnte im ersten Moment allerdings nicht zuordnen, um wen es sich handelte. Dann blickte er genauer hin, bemerkte ein paar durchaus bekannte Merkmale: Das grüne Stirnband, schwarze Sachen... Noch ein wenig energischer fixierte er die Person, war ihm nun allerdings klar, um wen es sich handelte. Ein letztes Schlucken, dann kamen die Worte.

„...Zero.“ Wer auch sonst? Wer sonst würde sich um ihn kümmern?
 

Der Schwarzhaarige schwieg. Also hatte er ihn letztendlich doch noch bemerkt, war doch klar gewesen. Und er hatte sein Zimmer gesehen. Auch wenn es dunkel war, was würde er sagen? Würde er ihn… dafür verurteilen, ihn… für schwach halten?

Er bewegte sich sacht und hob den Arm, woraufhin der blaue Ara aufflatterte und zu ihm kam. Sachte knabberte sie an seinen Fingern, gurrte leise und schmiegte sich dann verspielt an ihn, zuppelte an seinem Ärmel.

Seufzend blickte Zero von ihr auf und Kira an. „Wie geht es dir?“ Einfache Frage, mehr traute er sich grade nicht zu. Noch immer hatte er gemischte Gefühle dabei, sich so zu öffnen. Es hatte etwas von Offenbarung. Er schauderte leicht.
 

Kira spürte einen leichten Wind über sein Gesicht streichen, als der Vogel die Flügel spannte und zu Zero flog. Kurz schloss er die Augen, dann erreichte die Frage des anderen seine Ohren.

„Nicht so gut... aber auch nicht schlecht. Ich hab ein wenig Kopfschmerzen, aber...“ Prüfend legte er sich seine Hand selbst auf die Stirn. „…ich hab kein Fieber mehr.“, endete er dann grinsend. Ihm ging es zwar nun nicht super toll, aber er war nicht mehr so schwach, dass er nichts mehr machen konnte. Also ging es ihm besser als vorher.
 

Zero nickte nur. Das Thermometer sagte da was anderes, aber wenn er das Fieber zumindest nicht mehr fühlte… War ja auch nicht mehr so hoch.

„Wasser ist lieb!“, gurrte Josie und Zero schloss einen Moment die Augen. „Ich hab Kira lieb!“

Zeros Kopf fiel auf seine noch immer angezogenen Knie. „Jo!“, jammerte er schon fast wehleidig… Dafür würde Tsubasa bluten.
 

Kira blickte den Vogel erstaunt an. Hatte er gerade wirklich das gesagt, was er glaubte, gehört zu haben? Dass er sprechen konnte war erstaunlich, aber was er sagte... Kira sah ungläubig zwischen Zero, der immer noch den Vogel auf dem Arm hatte und letzterem hin und her.

Er mochte den Vogel. Er war lustig. Auch wenn das, was er sagte, nicht annähernd so lustig war. Mit einem leichten Rosaton auf den Wangen blickte er sich um, versuchte von der Situation abzulenken, indem er interessiert das Wasserglas in seinen Händen beobachtete und einen Schluck nahm.
 

Zero seufzte. „Du solltest das nicht so ernst nehmen. Es war Ta-chan, der ihr das beigebracht hat.“, sagte er leicht drohend, seufzte dann erneut. „Josie, geh, mach Licht.“

Augenblicklich flog der Vogel auf und verschwand in der Dunkelheit neben der Tür. Es klapperte, dann flammte Licht auf. Josie kam zu ihm zurückgeflogen und Zero fing ihr Gewicht geschickt ab.

Im Grunde war Kiras Scham ja niedlich. Aber er wollte ihn auch nicht in Verlegenheit bringen, schließlich war er momentan wehrlos und er sollte sich hier wohlfühlen… soweit das ging.
 

Interessiert beobachtete Kira den Vogel. Er war wirklich erstaunlich. Er hörte auf alles, was Zero sagte und war wirklich hübsch. Das gelbblaue Gefieder schimmerte sanft, wenn er flog und sich einige der Lichtstrahlen reflektierten. Ein tolles Tier.

Nachdem die Röte seiner Wangen nun nachgelassen hatte, blickte er wieder auf zu Zero.

Einige Zeit blickte er ihn einfach nur an, ohne etwas zu sagen, dann begann sich Yuki aus seiner Hand zu kämpfen und flüchtete über seinen Arm in sein Shirt. Zitternd kauerte er sich auf Kiras Bauch zusammen. Kira besah sich die zitternde Beule einige Sekunden, bevor er sich besann, es für besser hielt, die Maus erst einmal in Ruhe zu lassen.
 

Zero schwieg ebenfalls, doch obwohl es ihm eigentlich nichts ausmachte, war es diesmal anders. Er hatte Fragen erwartet. Fragen, auf die er keine Antwort wusste, die er befürchtete, die er… Solange diese Dinge nicht geklärt waren, konnte er hier schlecht weg, konnte er sich schlecht seinem Buch widmen oder seiner Musik oder was auch immer. Solange Kira nicht… zufrieden und gut versorgt war, konnte er sich nicht entspannen oder zurücklehnen… Ein weiterer Grund, warum er Gäste verabscheute.

Schließlich hielt er die Stille nicht aus und auch wenn die kleine Maus mit Sicherheit sehr interessant war, war es nicht das, womit er sich gedanklich beschäftigen wollte. Er rutschte vom Bett, blickte auf den Jungen hinab, sekundenlang, abschätzend, berechnend. Dann:

„Willst du was essen? Du hast Abendbrot und Frühstück ausfallen lassen.“
 

Die Stimme, die die Stille zerbrach, kam plötzlich, allerdings nicht unerwartet. Vorsichtig sah Kira zu Zero, versuchte ihm in die Augen zu blicken, hielt diesen grünen Steinen aber nicht lange stand.

Langsam senkte er den Blick wieder, sprach dann. „Ja, gerne... Irgendetwas, ist mir egal was.“ Seine Augen blicken auf, lächelten den Vize seicht an.
 

Zero blickte zurück, ausdruckslos, erstarrt. Wenn Kira wüsste, was er mit diesem… Unschuldslächeln für einen Gefühlssturm in ihm auslöste… Seine Finger kribbelten, sein Mund wurde leicht trocken und seine Kehle zog sich zusammen. Und sein Magen fühlte sich an, als hätte irgendjemand einen ganzen Schwarm Schmetterlinge aufgeschreckt.

Abrupt drehte er sich um, kniff die Augen zusammen, einfach um sich von diesem schrecklichen Biest in seinem Bauch zu befreien, um sich von dem Anblick des Jungen losreißen zu können. Er ging zur Tür, öffnete sie, aber bevor er hinausging, blickte er zurück und lächelte ihn an.

„Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.“, erklärte er ihm warm, dann war er nach draußen verschwunden.

Und prallte direkt in Tsubasa hinein, der soeben sein eigenes Zimmer verließ. „Hey, hey, unser Herzensbrecher!“, lachte er und knuddelte den sich sträubenden Chinesen einfach ab. „Was war denn das für ein Geständnis? So einen süßen Blick hab ich bei dir ja noch nie gesehen!“

Zero keuchte auf, versuchte sich aus dem Klammergriff zu befreien und hatte schlichtweg keine Chance, weil seine Arme blockiert waren und Tsubasa seine Technik einfach zu gut kannte. „Lass los!“

„Das geht grad auf keinen Fall!“, erwiderte sein Bruder. „Ich hab dich so lieb, da muss ich so einen Blick einfach ausnutzen, auch wenn er nicht mir gegolten hat!“

„Tsubasa…“ Doch als der Japaner auf das Grollen nicht reagierte, biss er zu. Einfach in sein Ohr, dass der andere erschrocken doch von ihm abließ.

„Hey!“

„Was, hey?“, fauchte Zero dem empörten Anführer entgegen. „Wenn mich jemand angreift, dann werd ich mich doch wohl wehren dürfen!“

„Ich habe dich nicht angegriffen!“

„Dann eben sexuell belästigt!“

Gespielt enttäuscht blickte der junge Mann ihn an und Zero seufzte.

„Schau nicht so, das hält ja keiner aus.“

„Du magst mich nicht mehr.“

Eine Augenbraue hob sich. „Wie kommst du darauf, dass ich dich je gemocht habe?“

Tsubasa begann zu lachen und wuschelte ihm durch die Haare. Das war sein kleiner Bruder. Liebevoll bis ins Mark. „Darf man fragen, warum du dein Häschen…“

„Ta-chan, du spielst gerade ernsthaft mit deinem Leben!“, unterbrach ihn Zero böse, dass der Japaner nur noch mehr lachte.

„Okay, okay. Also, wie kommt es denn nun, dass der Süße da ganz allein im Zimmer hockt und du hier draußen bist? Hat er dich rausgeschmissen?“

„Sieht das so aus?“, murrte Zero, dann seufzte er. „Ich gehe in die Küche. Bis gleich!“

„Warte! Ich will mit! Vielleicht ist noch ein bisschen Kuchen da!“

Wieder verdrehte Zero die Augen. War ja klar. Die Naschkatze wollte wieder was essen. Dass Tsubasa trotzdem immer noch so schlank war, konnte man schon fast als Weltwunder verbuchen!

Es war kein Kuchen mehr übrig, aber sie überraschten ein paar ihrer Leute beim Kochen. Sie machten Suppe. Wow, wie passend. Da würde er wohl noch etwas warten, bis er wieder hochging. Suppe war für fieberkranke Menschen doch das Beste, was sie bekommen konnten, oder? Vor allem Hühnersuppe, was die vier kochten. Zumal sie angeblich gleich fertig waren…
 

Kira blickte dem Jungen nach, bis dieser den Raum verlassen hatte. Er war glücklich, sehr sogar. Endlich hatte er einen Ort und Menschen gefunden, die er mochte und bei denen ihm nichts passieren würde.

Lächelnd lehnte er sich wieder in das Bett zurück, blickte sich einmal mehr im Raum um. Und nun bemerkte er die ganz und gar dunkle Ecke gegenüber dem Bett. Von seiner Position aus konnte er nichts sehen außer Glaskästen... viele Glaskästen. Sollte er aufstehen und nachschauen? Nein, wohl besser nicht, sonst bekam er am Ende noch Ärger. Es war schließlich nicht sein Zimmer und es gehörte sich auch nicht, sich ungefragt überall umzusehen.

Es war ruhig, ganz und gar ruhig. Das einigste Geräusch war ab und zu ein leises Quicken von Yuki und das darauf folgende Schnabelgeklapper des Papageis. Josie beobachtete ihn von ihrer Stange aus der Ecke des Zimmers. Nach einiger Zeit streckte sie mit einem leisen rascheln die Flügel und flog zu Kira auf das Bett. Wieder drehte sie den Kopf zur Seite und heftete eines ihrer Augen auf Kira, ließ ihn nicht aus dem Blick.

„Was ist los?“ Kira blickte den Vogel an, blickte dann auf die Beule unter seinem Hemd und wieder kam ein sehr fröhliches Schnabelklicken von Seiten Jos. „Nein, ihn gibt es nicht!“ Erneut trat er in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Vogels, spürte ganz genau seinen Blick auf sich ruhen.

„Ich hab Kira lieb!“

Perplex starrte der Junge das Tier an. Was sollte das nun schon wieder?? Sollte das ein ja sein? Na ja, er hoffte zumindest, dass der Vogel seine Worte verstanden hatte.
 

Genau diese Szene bekam Zero mit, als er, mit einem Tablett beladen, die Türe wieder öffnete. Josie vor Kira, der sie zweifelnd ansah, sie definitiv neugierig und unerschütterlich zutraulich… Genial. Klasse.

„Jo, geh auf deine Stange, Kira muss jetzt was essen und du kennst die Regeln!“

Der Papagei krähte auf, knurrte wie ein tollwütiger Hund und wippte herausfordernd mit dem Kopf. Essen und sie sollte gehen? Ja, soweit kam es noch!

„Jo!“

„Karamellbosbos schmecken Rei nicht!“

Zero knurrte böse. „Bonbons! Wann lernst du das endlich?“ Dieses blöde Vieh wagte es, hier vor Kira seinen wahren Namen zu verwenden? Wie konnte sie? Wie… Aber andererseits wusste sie es nicht besser und Kira konnte ja nicht wissen, dass sie ihn damit meinte, oder? „Geh, Platz machen!“, rief er und der Vogel hüpfte über die Bettdecke zur Seite, ließ Zero sich neben Kira auf die Bettdecke sinken lassen.

„Hier, sie ist noch heiß, also Vorsicht!“, sagte der Schwarzhaarige sanfter und hielt dem Patienten ein Tablett mit einer Schüssel und Stäbchen entgegen. Daneben stand eine große Thermoskanne mit heißem Tee. Viel trinken, hieß die Devise.

Josie nutzte seine offensichtlich friedliche Stimmung, flatterte auf und landete direkt auf seiner Schulter, knabberte ihm zärtlich am Ohr, zupfte an seinem langen Ohrring, dass er seufzend wieder aufstand. Er brachte sie zu ihrer Stange, setzte sie darauf und wollte zurückgehen, da war sie auch schon wieder da und landete auf seinem Arm.

Er lächelte nachgebend. „Es ist aufregend, nicht wahr?“, flüsterte er ihr zu, streichelte über ihre gelbe Kehle. „Ein fremder Mensch, wo du seit Jahren außer Ta-chan und mir keinen mehr gesehen hast. Ein Mensch, der eine Maus hält und der dich interessant findet. Du merkst das, nicht wahr? Neugier und Interesse… darin ist er dir ähnlich und alles, was dir ähnlich ist, ist gut, nicht wahr?“ Seine Stimme war verträumt und er lächelte leicht.

„Rei ist weiß!“, stimmte sie ihm stolz zu, rieb ihren Kopf an seiner Wange. „Wasser ist heiß!“

„Nein, Wasser ist nass.“, berichtigte Zero sie liebevoll. Immerzu brachte sie diese Sätze durcheinander.

„Trottel!“, stimmte sie nicht minder zärtlich zu. „Die Katze tritt die Treppe krumm!“

Wieder seufzte Zero. Tsubasa war definitiv zu häufig hier. Wenn er ihr solche dämlichen Sätze beibringen konnte. Und wenn sie wieder mal ein neues Schimpfwort von ihm aufgeschnappt hatte, das er seinem Bruder an den Kopf geworfen hatte…

Er kam zu Kira zurück, hockte sich auf das Bett, wieder ganz ans Fußende, soweit weg von Kira wie möglich, und lächelte ihm zu. „Sie ist schlecht erzogen.“, entschuldigte er sich gequält.
 

Erst als sich die Tür öffnete, blickte Kira nach oben, entdeckte Zero und lächelte ihn an.

„Hallo...“

Dann begann ein wildes Wortgefecht zwischen Zero und Jo welches Kiras ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Wieder einmal bemerkte er, wie gut der Ara doch sprechen konnte. Das Tier verdrehte zwar einige Worte, aber was machte das schon? Hauptsache man verstand sie.

Erst als Zero ihm das Tablett hinhielt, widmete er seine ganze Aufmerksamkeit dem Chinesen. „Danke schön.“ Flüsterte er und nahm mit einem Nicken das Tablett entgegen, stellte es sich auf die leicht angewinkelten Knie. Dann nahm er die Stäbchen zur Hand und begann zu essen.

Es war lecker und warm. Fast ein wenig zu warm. Da Kira schon vorher leicht warm gewesen war und er nun auch noch heißen Tee und warme Suppe aß, wurde es ihm unerträglich heiß. Vorsichtig versuchte er sich die Ärmel des T-Shirts so weit wie möglich hochzukrempeln, und streckte dann seine Beine unter der Bettdecke hervor, um auch so ein wenig Wärme abzugeben.

Dann aß er weiter, beobachtete zwischendurch Zero.

Als er fertig war, legte er die Stäbchen auf das Tablett zurück und widmete sich ganz dem Tee, der nun wenigstens um ein paar Grade abgekühlt war.

„Zero... Was ist passiert, während ich geschlafen hab?“ Fragend blickte er sein Gegenüber an. „War irgendwas Besonderes?“
 

Der Schwarzhaarige blickte ihn nachdenklich an. Er hatte die ganze Zeit über geschwiegen, aber jetzt…

„Wir waren beim Doc.“, erklärte er, ließ seinen Ausraster aber weg, ließ weg, dass Tsubasa ihn aufgehalten hatte. „Ansonsten ist nichts passiert. Ich habe dich mit Ta-chan zusammen hergebracht, seitdem hast du dich kaum noch bewegt.“ Die reine Wahrheit. Wenn unten bei den anderen Clan-Mitgliedern etwas passiert wäre, dann hatte er es schlicht nicht mitbekommen.
 

„Ah so...“ Er hatte den anderen mal wieder Umstände bereitet. Das war nicht gut, aber er konnte es schlecht ändern. „Danke, dass du mir geholfen hast, und auch dass Tsubasa mir geholfen hat.“ Wieder schlich ein kleines Lächeln über seine Lippen. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum wandern, zog unbewusst Yuki unter seinem Hemd hervor und begann ihn zu streicheln.

Seine Augen blieben an der dunklen Ecke im hinteren Teil des Raumes hängen, sahen bloß den dunklen Umriss von Glaskästen. „Was… was ist das da hinten in der Ecke??“ Interessiert blickte er zu Zero.
 

Der Chinese seufzte. Das war jetzt wohl die schlimmste Sache… Wenn das publik wurde, dann konnte er sich auch gleich die Kugel geben.

„Jo ist nicht mein einziges Haustier.“, erklärte er langsam. Wie sollte er das am besten ausdrücken? „Ich… beherberge ausgesetzte Reptilien, die in dem Klima hier nicht überleben würden.“ Das war doch schon mal ein guter Anfang. „Besser du fasst nicht in die Terrarien, manche sind giftig.“ Wieder ein Seufzen. „Und besser sagst du den anderen nichts davon.“ Das klang jetzt schon fast wieder wie eine Drohung. Er wollte nun mal nicht, dass jemand davon erfuhr. Bei Kira war es vielleicht ja in Ordnung, aber dann auch nur bei ihm.

„Alles rennt, rettet, flüchtet!“, posaunte Jo dazwischen und Zero begann gedankenversunken Kira beobachtend sie zu kraulen.
 

Mit großen Augen blickte der blonde Junge den Schwarzhaarigen an. Reptilien also... Kein Wunder, dass er es ihm damals in der Stadt nicht sagen wollte. Aber doch passte es zu ihm. Zu Zero. Reptilien wurden von vielen Leuten als gefährlich angesehen und diese gefährliche Aura umgab auch Zero, wenn er draußen unter den anderen war.

Lächelnd stützte Kira einen Arm auf die Bettdecke über seinen Knien. „Das passt zu dir... wirklich. Und wenn du es nicht willst, werde ich es auch keinem sagen. Versprochen.“

Langsam ließ er sich nach einigen Minuten in das Kissen zurücksinken. Seine Augen... sie waren plötzlich so schwer geworden... bleischwer. Und dabei hatte er gedacht, dass er schon wieder halbwegs fit war. Pustekuchen.
 

Zero antwortete nicht darauf. Das passt zu dir… War das nun ein Kompliment? Meinte er es positiv, wie es sein Lächeln ihm weismachte, oder meinte er seine versteckte Beleidigung? Beides würde er nachvollziehen können. Nicht umsonst hatte er den Drachen direkt in sein Gesicht stechen lassen…

Er wandte seine Augen von dem Jungen ab, starrte in die Ecke hinein, wo seine Lieblinge schliefen. Schweigend lauschte er den fremden Atemzügen. Es war ungewohnt, nicht unbedingt angenehm. Oder? Eigentlich doch, oder? Er hatte schon immer besser schlafen können, wenn er vertraute Atemzüge gehört hatte, aber waren Kiras vertraut? Eigentlich nicht. Und trotzdem beruhigten sie ihn. Komisches Gefühl. Komische Tatsache… Was sollte er mit dieser Erkenntnis anfangen? Dass er ihn gerne dahatte? Eigentlich… schon, nicht wahr?
 

Er schaffte es nicht, sich gegen die Müdigkeit zu wehren und glitt sanft ins Land der Träume. Sein Geist wurde benebelt, sodass er nicht einmal träumte. Es war schön. Es war befreiend.
 

Als die Atemzüge ruhiger wurden und gleichmäßig begann Zero wieder zu lächeln. Kira war schon niedlich. Dass er sich traute, in seiner Gegenwart zu schlafen… Er würde wetten, dass er der einzige außer Tsubasa war, der das wagen würde.

Ganz langsam stand er auf, nahm das Tablett und trug es hinunter, ließ nur die Thermosflasche stehen. Anschließend öffnete er noch die Vorhänge der Fenster, die bei den Schlangen und Echsen waren, damit sie etwas Licht bekamen, denn jetzt war sie nicht mehr so stechend und die Tiere würden sich keinen Sonnenbrand mehr holen.

Und weil er nicht wusste, was er danach noch machen sollte, setzte er sich wieder auf sein Bett und wachte über Kiras Schlaf. Selbst als es dunkel wurde schlief er nicht, döste höchstens mal, denn obgleich er es irgendwie genoss, den Blonden in seiner Gegenwart zu wissen, schlafen würde er in seiner Anwesenheit sicher nicht.

So bekam er auch mit, wie die Sonne aufging und Jo, die auf ihrer Stange geschlafen hatte, nach frischem Futter verlangte, was er ihr schweigend und leise gab. Gleichzeitig verklickerte er ihr, dass sie still sein musste. So fraß sie schließlich schweigend.

Kapitel 10

Kapitel 10:
 

Kira schlug die Augen auf, fuhr sich mit der einen Hand durch die Haare. Die Sonne schien ins Zimmer, sodass man etwas mehr erkennen konnte, blendete ihn jedoch gleichzeitig. Langsam setzte er sich auf, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Noch immer konnte er ob dem vielen Licht nichts sehen, hielt sich daher eine Hand seitlich vor die Augen. Nun ging es schon besser.

Gefühlsmäßig ging es ihm gut. Er fühlte sich von der Körpertemperatur her pudelwohl, war es ihm weder zu kalt noch zu warm. Einzig und allein spürte er noch ein leichtes Pieken und Kribbeln an seiner Schulter, aber das war wahrscheinlich normal. Die zweite Operation war schließlich erst anderthalb Tage her.

Suchend blickte sich Kira im Zimmer um, entdeckte dann Zero etwas weiter von seinem Bett entfernt. Freundlich lächelte er ihn an.

"Guten Morgen." Kira fühlte sich großartig.
 

Zero drehte sich zu ihm um, blickte ihn an. Morgen war gut. Es war inzwischen fast Mittag! Er setzte die letzte Zikade in das Terrarium und schloss den Deckel wieder, damit sie nicht entwischen konnte.

„Neben dir steht Frühstück. Nicht besonders lecker, aber Ta-chan hat drauf bestanden.“, deutete er neben Kira auf den Nachttisch. Dort stand ein Tablett mit Haferschleim, daneben Honig und Zimt und Büchsenfrüchte. Er hasste das Zeug, wusste aber dummerweise aus eigener Erfahrung, dass es für ein geschwächtes Immunsystem gut war.
 

Kiras Blick glitt Zeros Finger entlang zu dem Tablett und man konnte förmlich merken, wie alle Freude aus ihm wich. Er hasste dieses schleimige, breiige Zeug. Oder halt. Hassen war nicht der richtige Ausdruck. Er verabscheute es. Er verfluchte es regelrecht.

Mit einem Blick, der all diese Abneigungen aussprach, drehte er sich wieder Zero zu.
 

Der Schwarzhaarige verzog den Mund zu einem abschätzigen Grinsen. „Beschwer dich nicht bei mir. Wenn du willst, dann hol ich Ta-chan, dann kannst du das mit dem ausdiskutieren.“ Oh ja, das würde lustig werden. Der Japaner kannte bösartige Methoden, jemanden zum Essen zu bringen.
 

"Wegen mir, tu das. Aber ich sage dir, ich werd nichts von diesem Zeug hinunterbringen. Lieber sterbe ich." Das war alles, was er zu diesem Thema noch zu sagen hatte. Und er würde nicht unterliegen. Auch nicht gegen Tsubasa. Er würde kämpfen. Bis zum bitteren Ende.
 

Zeros einzige Antwort bestand darin, dass er mit den Schultern zuckte und zur Tür ging. Das würde interessant werden. Sonst war er immer der Angearschte, wenn es um Tsubasas Freude ging, jetzt würde er endlich mal sehen, wie das war, wenn man nur zusah.

Er hatte die Tür noch nicht erreicht, da sprang sie auch schon auf und Tsubasa wirbelte ins Zimmer. Er fiel ihm um den Hals, gab ihm einen Kuss auf den Mund und dann fiel die Türe wieder ins Schloss. „Ich hab Nachschub mitgebracht!“, jubelte der junge Mann. „Hat er schon aufgegessen?“

Zero blickte ihn an, als er an ihm vorbeiwirbelte, grinste hintergründig und fragte sich nebenbei, wie sein Bruder es geschafft hatte, die Schüssel heile durch diese Aktion zu bringen, ohne etwas zu verschütten.

Es ertönte Federrascheln, als Josie aufflog und zu Tsubasa wollte, doch das wusste Zero zu verhindern. „Jo, zu mir!“, sagte er fest und der Vogel drehte bei.

„Wasser ist weiß!“, brabbelte sie unglücklich und warf Tsubasa und der Schüssel einen traurigen Blick zu.

„Einfach zusehen und lernen.“, murmelte Zero, da hockte Tsubasa auch schon auf dem Bett, hatte die Schüssel aufs Tablett gestellt und seine Hand an Kiras Stirn gelegt.

„Leicht erhöht noch, nicht mehr so nass und die Augen nicht mehr so trübe. Besser, Kira, besser. Und damit du ganz schnell wieder auf den Beinen bist, musst du viel essen. Ganz viel und am besten noch heiß!“, plapperte er drauf los. „Was ist, bist du erst grade aufgewacht? Das ist wunderbar! Schlafen hilft auch immer hervorragend! Hier, guten Appetit!“ Und er hielt die neue Schüssel unter seine Nase.
 

Total perplex starrte Kira den älteren an. Wie aufgeweckt konnte man denn bitte sein? Es war ja fast schon… beängstigend, wie glücklich und energiereich Tsubasa am Morgen war.

Still schickte er der Schüssel vor seiner Nase einen bösen Blick, schaute dann nach oben, direkt in die Augen Tsubasas. "Ich ess das nicht. Vergiss es. Mir geht es gut. Gib mir bitte was Ordentliches." Die Sätze kamen einzeln, abgehackt. Im letzten hatte er versucht all sein Flehen hineinzulegen, aber irgendwie beschlich ihn eine Ahnung, dass Tsubasa weder auf seine Bitte eingehen würde, noch dass er ihn irgendwie verstanden hatte.
 

Er sollte Recht behalten. Tsubasa blickte auf die Schüssel und runzelte die Stirn. „Das ist was Ordentliches.“, meinte er irritiert. „Es ist lecker, nahrhaft und gut verdaulich, beinhaltet alle wichtigen Nährstoffe und genügend Flüssigkeit, dass man nicht zusätzlich noch was trinken müsste.“

Und plötzlich merkte er auf, sein Blick wurde scheel und ein dreideutiges Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Sag bloß, ihr habt doch eine Gemeinsamkeit?“, schoss er die Frage ins Blaue hinein und schielte zu Zero hinüber, der ihm einen bitterbösen Blick zuwarf. „Nein, wie süß! Komm, Kira-chan, beweis dem großen, bösen Zero, dass du tapferer bist als er!“

Im nächsten Moment bekam er einen Hausschuh an den Kopf geworfen, was ihn überhaupt nicht störte. Er lachte nur noch, versuchte es mit Mühe zu unterdrücken. Nein, wie geil!

Zero fand das nicht ganz so geil. Sein Blick war eisig und hasserfüllt. Allein die Tatsache, dass Kira das jetzt wusste, könnte ihn in der falschen Situation das Leben kosten. Sollte er auch nur auf die Idee kommen, damit hausieren zu gehen… Tsubasa wagte sich definitiv zu weit hinaus. Am Ende war er schuld am Tod des kleinen Katers, den er so lieb gewonnen hatte…
 

Seufzend drückte sich Kira noch ein Stück an die Wand, von Tsubasa weg. "Ich will das nicht essen. Auch wenn es das gesündeste auf Erden wäre. Und ob Zero das mag oder nicht ist mir eigentlich auch total schnuppe." Sein Blick war starr auf die Schüssel in Tsubasas Händen gerichtet, welcher keine Anstalten machte, sie wegzustellen.

Ein wehleidiger Blick glitt in Richtung Zero. Er bat stumm um Hilfe. Aber eigentlich dürfte es ihn nun auch nicht wundern, wenn er diese nicht bekam, denn schließlich war Kira selbst es gewesen, der so lange rumgemosert hatte, bis Zero Tsubasa hatte holen wollen... Also würde er sich dem Elend wohl stellen müssen...
 

Tsubasas Lachen wurde lauter. „Na dann anders. Störrische Kinder müssen gefüttert werden!“ Und schon nahm er einen Löffel Brei und hielt ihn Kira unter die Nase. Der flehende Blick zu Zero war ihm nicht entgangen, aber er hatte da eine wirklich gute Methode, dass der ihm nicht zu nahe kam: Haferschleim. „Na los, mach A. Wenn du brav bist, dann kriegst du auch was Schönes!“, locker er ihn mit zuckersüß verstellter Stimme.

Wenn er so drauf war, konnte Zero ihn jedes Mal ohne Probleme gegen die Wand klatschen. Einfach so, damit er ihn nicht mehr ertragen musste.
 

Kira starrte Tsubasa mit Schrecken an. Was wollte er jetzt machen? Ihn füttern? Wo waren sie denn jetzt gelandet?

Nur energischer noch presste Kira die Lippen zusammen. Er würde dieses Zeug nicht seinen Magen oder etwas anderes innerhalb seines Körpers berühren lassen! Nicht einmal seinen Mund. Und die Kleinkind-Verarsche, die er mit ihm vorhatte, würde auch nicht ziehen. Denn das, was Kira vor allem auf der Welt haben wollte, würde ihm keiner geben können...
 

Tsubasa verzog enttäuscht den Mund. Jetzt hatte er ein Problem. Bei Zero wusste er, womit er ihn ködern konnte, bei Kira nicht. Noch nicht. Aber die Frage war ja, wie lange er brauchen würde, um das herauszubekommen. Zweites Problem war, dass er Kira nicht irgendwie körperlich zwingen konnte. Erstens wegen seiner Reaktion auf Ren und weil Zero und Kira es sicher beide falsch verstehen würden, wenn er ihn küsste, und zweitens wegen seiner Wunde, das fiel also auch weg.

Sachte stupste er mit dem Löffel gegen die geschlossenen Lippen. „Na komm schon. Das wird dir gut tun.“, sagte er lächelnd und piekte ihm in den Bauch. „Ich will dir nicht wehtun.“
 

Weiterhin stur hielt Kira die Lippen geschlossen. Allerdings begann sich in seinem Kopf eine kleine Diskussion zu bilden. Einerseits hasste er das Zeug, weil es, egal wo er war, ekelhaft geschmeckt hatte. Andererseits... er wusste ja nicht, wie es hier war. Und theoretisch zumindest würde er es auch überleben, wenn er es probierte.

Mit einem weiterhin bösen Blick auf Tsubasa öffnete er den Mund, zwar nur einen Spalt breit, aber immerhin.
 

Der Schwarzhaarige lächelte. „Na siehst du. Ich hab extra Zucker mit reingemacht.“, erklärte er. Absichtlich. Zero hasste das noch mehr und natürlich hoffte er, dass es Kira genauso ging.
 

Vorsicht nahm er das wenige des Breis, was ihm in den Mund tröpfelte, auf und schluckte es hinunter. Er erwartete schon das Schlimmste, angefangen beim Brechreiz, aber alles blieb aus. Langsam schmeckte Kira den Geschmack des Essens und er musste zugeben, dass es hier bei weitem nicht so grauenvoll schmeckte wie bei den "Storms" oder noch ganz früher bei seinen Eltern. Man konnte es ertragen. Es war jetzt nicht das Menu schlechthin, aber man konnte es essen.

Bereitwillig streckte Kira einen Hand aus, wollte er doch lieber selbst essen.
 

In Tsubasas Augen flackerte kurz wahre Enttäuschung auf, doch das war dann auch egal. Solange er nur aß…

Er übergab die Schüssel, hockte sich bequemer hin, dann blickte er zu Zero hin und klatschte zweimal in die Hände, so dass Josie aufflatterte und zu ihm kam, sich glücklich an ihn schmiegte. Zero rollte mit den Augen. Wieder mal hatte er gewonnen. Das war deprimierend.

„Zero, was hältst du davon, Karten zu holen?“, fragte er fröhlich. „Kranke Menschen muss man beschäftigen und wir können Poker spielen!“

Purer Unglaube quoll aus dem Gesicht des Chinesen. Poker? Karten? Mit ihm? „Ohne mich!“, sagte er böse und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Ach komm schon! Tu es für Kira-chan!“

„Ich tu das nicht mal für dich!“

„Du bist langweilig!“ Und dann zu Kira: „Was würdest du gerne machen?“, wollte er wissen. Sein Beschluss stand fest: Kira durfte entscheiden und Zero musste sich fügen, ganz einfache Politik.
 

Langsam nahm er die Schüssel entgegen und schob sich dann mit einem leisen "Hakuna Matata" einen halben Löffel Haferbrei in den Mund.

Aufmerksam hörte er Tsubasa zu und verfolgte die Diskussion zwischen ihm und Zero. Was wollte er machen? Wollte er denn überhaupt etwas machen? Vielleicht schon, aber kein Poker spielen!

Langsam ließ er sich einige Ideen durch den Kopf gehen, dann entschied er sich für eines. Hoffentlich würde sie ihm beide dafür nicht den Kopf abreißen... "Wollen wir nicht Mikado spielen? Oder was anderes... nur ohne Karten."
 

Tsubasa klatschte begeistert in die Hände. „Klasse Idee!“ Einfach nur deshalb, weil es ein Geduldspiel war und Zero so was nicht leiden konnte. Aber dieser Volltreffer war nur zu vorhersehbar gewesen, denn Zero mochte gar keine Gesellschaftsspiele. Genauso wenig, wie er Sport mochte oder Partys oder Feste oder Reden oder andere Aktivitäten, die ihn auch nur auf drei Meter an andere heranbrachten.

„Zero, geh die Stäbchen holen, ich such uns Kekse und Milch!“

„Ta-chan!“

„Ja, ja! Los, beweg dich! Du weißt, wo die Mikadostäbchen liegen!“ Und schon war er aufgesprungen. „Iss auf, Kira-chan, dann kriegst du auch Kekse!“ Ohne ein Widerwort zu dulden, schob er Zero aus dem Raum und stürmte dann weiter in die Küche.

Zero kam als erstes wieder zurück, in der Hand die gefürchteten Stäbchen. Folter. Konnte er nicht einfach verschwinden? Nein, konnte er nicht. Weil er sich Verantwortung aufgeladen hatte und jemand in seinem Bett saß, den er nicht allein lassen konnte, weil er nicht wusste, was dieser jemand tun würde, wenn ihm eine Zikade über den Arm lief… Nicht dass welche frei wären, aber trotzdem…

„Wenn du fertig bist, dann komm an den Tisch. Nimm die Decke mit, damit du nicht auskühlst, ja?“ Damit steuerte er selbst den Tisch an und ließ sich mit verschlossenem Gesicht daran nieder, lehnte sich abweisend zurück.
 

Kira blickte beiden nach und widmete sich dann seiner Schüssel. Langsam ließ er Löffel für Löffel in seinen Mund gleiten. Er würde diese eine Schüssel vielleicht schaffen, aber die zweite garantiert nicht!

Als Zero den Raum wieder betrat, hatte er gerade den letzten Löffel geschafft und stellte die leere Schüssel zu der vollen auf das Tablett. Langsam schlug er dann die Decke zurück und schwang sich aus dem Bett. Interessiert sah er an sich herunter. Schwarz... Er war von oben bis unten in schwarz gekleidet. Dieser Schlafanzug schien von Zero zu sein. Bisher war es ihm noch gar nicht aufgefallen, zu sehr war er mit seiner Umgebung und dann mit Tsubasa beschäftigt gewesen.

Langsam nahm er die Decke unter den Arm und lief dann zum Tisch, setzte sich auf einen der Sessel und schlang sich die Decke um den Körper. Wenn jetzt noch Tsubasa wiederkam, konnten sie anfangen. Und wenn er wirklich, wie er gesagt hatte, Milch und Kekse mitbrachte... Kira lief das Wasser schon beim Gedanken daran im Mund zusammen.
 

Zero verkniff sich nur mit Mühe ein Schmunzeln. Doch wie eine Katze. Eine tapsige, junge, tollpatschige Katze. Herzig… Und er war tatsächlich brav gewesen.

Vorsichtig beugte er sich vor und wischte ihm mit zwei Fingern ein wenig Brei von der Wange, ganz sanft. Hatte er gekleckert, ohne es zu bemerken… Süß.

Und wieder war er einen Schritt tiefer durch die Tür in seinem Herzen… Zeros Blick wurde leicht leer. Wenn er so weitermachte und er nicht aufpasste, dann würde er sie bald ganz durchschritten haben und ihn dann wieder daraus zu vertreiben, das würde an ein Ding der Unmöglichkeit grenzen… Wenn es nicht schon längst zu spät für einen Rückzieher war.
 

Hibbelig saß Kira auf dem Stuhl, achtete nur mäßig auf Zero. Als dieser ihm dann allerdings näher kam und schließlich so nah vor ihm war, dass er den Geruch des anderen ganz klar roch, begann sich sein Herzschlag zu beschleunigen.

Langsam und vorsichtig hob er den Blick, spürte dann die Berührung Zeros. Und in ihm hörte alles auf. Sein Herz stoppte, sein Zeitgefühl verschwand und alles um ihn herum löste sich in Luft auf. Erst als er Hitze in sich hoch kochen merkte, senkte er den Kopf wieder ein Stückchen.
 

Langsam zog er seine Hand zurück, ließ sie sinken, als Kira seinem Blick auswich. Das war wohl ein Fehler gewesen…

Oh Mann, was hatte er sich bei dieser Aktion nur gedacht? Warum hatte er das getan? Wieso hatte er sich nicht zurückhalten können? Das war doch...

Die Tür flog auf und Tsubasa platzte zurück ins Zimmer, jubelte seine Freude über das bevorstehende Spiel heraus, aber Zero reagierte nicht einmal. Er starrte auf seine Fingerspitzen, als wäre er hypnotisiert worden, dann stand er plötzlich auf, warf einen letzten, fast hasserfüllten Blick auf Tsubasa, dann lief er an ihm vorbei und verschwand durch die unauffällige Seitentür hinter den Terrarien, ließ die Tür hinter sich mit Wucht zuknallen.

Was hatte er da getan? Was hatte ihn geritten, von sich aus die Tür zu seinem Herzen weiter zu öffnen? Was hatte er sich dabei nur gedacht? Warum hatte er das getan und wieso hatte ihn nicht sein Unterbewusstsein davor gewarnt? Es tat doch sonst immer alles, um Nähe zu anderen zu verhindern! Es schrie doch sonst immer schon los, wenn jemand auch nur auf die Idee kommen könnte, ihm seelisch nahe zu kommen! Warum denn diesmal nicht? Warum hatte es dieses Mal geschwiegen?! Das war doch...

"Verdammt!", brüllte er den Fluten entgegen, die sturmgepeitscht gegen die Mole krachten
 

Als Tsubasa durch die Tür gestürmt kam, zuckte Kira merklich zusammen. Es war so ruhig gewesen...

Dann erinnerte er sich daran, dass Zero ja immer noch vor ihm stand und vorsichtig hob er den Blick, nur um dann in das völlig verschlossene Gesicht des Jungen zu blicken. Bevor er sich allerdings ein paar Worte überlegen und sie dann auch aussprechen konnte, war Zero verschwunden und nur ein fernes Knallen einer Tür erinnerte daran, dass er hier gewesen war.

Mit starrem Blick sah er ihm nach.

Was war gerade geschehen?

Sein Körper begann unkontrolliert zu zittern und mit einer schnellen Bewegung, zog er die Decke noch ein wenig enger. War es seine Schuld gewesen, dass Zero verschwunden war? Hatte er etwas falsch gemacht.

Missmutig tapste der Junge zu dem Bett zurück, ließ sich leicht darauf fallen, bettete seinen Kopf in das Kissen. Was hatte er da nur angerichtet...? Ob Zero jetzt noch mit ihm reden würde?
 

Tsubasa betrachtete sich die Szene interessiert. Er hatte hier definitiv etwas verpasst. Etwas Wichtiges! Etwas ganz Wichtiges! Und es war doch wohl ganz offensichtlich, dass es in diesem Sinne kein Streit gewesen war! Kein echter in diesem Sinne zumindest! Ob da etwas in der Richtung passiert war, die er sich erhoffte? Ob Zero Kira vielleicht...

Überglücklich aufgedreht klatschte er in die Hände und hockte sich im nächsten Augenblick auf Kiras Bettkante. "Du bist so süß, wenn du verwirrt bist!", jauchzte er und wuschelte ihm durch die Haare. "Und er... er ist so süß, wenn er wütend ist!" Er grinste über bis über beide Ohren. "Was hat er gemacht, dass er so aus der Haut gefahren ist, dass er seine armen kleinen Lieblinge erschreckt?"

"Lieblinge!", krähte Josie dazwischen und flatterte auf Tsubasas Schulter.

Dieser grinste Kira an. "Und wehe, du nimmst das persönlich! Der Kerl ist so, das ist normal!" Besser, er wusste das. Sicher war sicher!
 

Langsam wandte er sich von Tsubasa ab. Er wollte jetzt nicht mit dem Chef reden. Seine Fröhlichkeit ging ihm gerade gehörig auf den Geist und auch seine Kopfschmerzen bekamen gerade wieder die tierische Lust, ihm auf die Nerven zu fallen. Langsam hob Kira eine Hand an die Schläfe und begann sie zu massieren. Ein wenig linderte er so den Schmerz, aber das Übermaß war immer noch vorhanden.

Was sollte er jetzt tun? Mit seiner Reaktion hatte er Zero bestimmt vor den Kopf gestoßen. Und das, wo der Junge sonst immer so missmutig und verschlossen war. Er musste sich bei ihm entschuldigen, musste erklären, wie er diese Reaktion gemeint hatte. Kira hatte kein Problem gehabt, aber es kam so überraschend und...

Was und? Hatte er so was von dem Schwarzhaarigen erwartet?

Nein.

Hatte es ihm missfallen, was er getan hatte?

Nein.

Hatte es ihm gefallen? Hatte er sich wohl gefühlt?

... Ja. Kira musste sich selbst eingestehen, dass ihm die Berührung Zeros, auch wenn sie noch so kurz gewesen war, gefallen hatte.

Langsam schwang er die Beine aus dem Bett, wollte aufstehen, ließ sich dann allerdings wegen des plötzlichen Schwindels vor seinen Augen wieder zurücksinken. Ruhig... Er musste das alles ruhig angehen. Und der erste Schritt dafür war nachdenken.
 

Tsubasa blickte ihn kritisch an. Keine Antwort also? Interessant. Aber jetzt war definitiv nicht die Zeit, dass er aufstehen konnte. "Du solltest liegen bleiben. Ich kann nicht dulden, dass du diesem Deppen hinterher rennst, wenn der wieder in der Weltgeschichte herumgeistert." Er lächelte leise. "Mach dir keine Sorgen, er kommt schon wieder zurück." Auch wenn er wahrscheinlich dann keinen wirklichen Frohsinn verbreiten wird. Aber das musste er nicht laut sagen.
 

Langsam kroch er wieder in sein Bett zurück, lehnte seinen Rücken an die Wand und ließ dann auch den Kopf mit einem leisen, dumpfen Geräusch dagegen sinken. Was sollte das? Warum war nur alles immer so kompliziert?

Vorsichtig nickte er mit dem Kopf, um Tsubasa zu bestätigen, dass er verstanden hatte, was dieser gesagt hatte. Auch wenn er deswegen nicht weniger besorgt war. Er machte sich Sorgen. Natürlich. Und niemand würde diese aus ihm vertreiben können, bis nicht Zero wieder vor ihm stand. Und dieser Umstand würde wohl noch einige Zeit dauern.
 

Er dauerte. Bis zum Abend streunte der Schwarzhaarige ununterbrochen durch die Gassen und machte ein so finsteres Gesicht, dass Clanmitglieder, die ihm begegneten, schleunigst das Weite suchten. Einer war zu langsam gewesen und hatte nun einen nicht unerheblichen blauen Fleck. Mara hatte versucht ihn anzusprechen. Außerdem war einer der verfallenen Holzschuppen am Ende des Geländes nur noch Schutt und Asche. Er hatte ihn in seiner Wut über sich selbst einfach zerlegt.

Und jetzt war er innerlich völlig leer, denn im Nachhinein war eine Frage in seinem Kopf aufgetaucht: Was war so schlimm daran, dass diese Tür in seinem Herzen sich allmählich öffnete?

Die einzige Antwort, die gekommen war, lautete: Du wirst angreifbar dadurch.

Aber wurde er das wirklich? Kira war nicht dumm und konnte kämpfen. Er selbst war nicht mehr alleine, war stärker geworden als so manch anderer, wenn nicht sogar einer der Stärksten überhaupt. Er hatte einflussreiche, ebenfalls starke Freunde, die ihm helfen würden, wenn er sie nötig hatte. Warum also war es so schlimm?

Es gab darauf noch eine Antwort, die er aber nicht duldete: Er hatte Angst. Er hatte Angst, abermals den zu verlieren, der ihm das wichtigste war. Bei Tsubasa war diese Angst unbegründet. Tsubasa war stark und beliebt und hatte viele Freunde, die niemanden an ihn heran ließen, wenn er es nicht ausdrücklich verlangte, das hatte er schon oft beobachtet, aber Kira... Er war schon angegriffen worden. Ihm hatte man seinen Bruder genommen und die Chibi-Schwestern hatten ihn besiegen können... Er war nicht so stark wie Tsubasa. Er war anfällig. Genau wie damals er…

Als er zurück in sein Zimmer kam, balancierte er wieder ein Tablett auf seinen Armen. Tsubasa hatte es ihm gegeben mit den Worten, die Katze wäre traurig. Inzwischen kursierten schon Gerüchte über Kiras verbleib, die erschreckend nahe an die Wahrheit heranreichten, aber es war ihm egal. Wenn sie es wussten, dann war das nicht schlimm, oder? Sie würden ihm doch nicht in den Rücken fallen? Aber diese Frage war nicht so ohne weiteres zu klären. Er würde das beobachten müssen. Und momentan begegnete man ihm mit einer Mischung Misstrauen und Verwirrung, da musste er eh wachsam sein, sagte ihm sein Instinkt.

Es war dunkel in seinem Raum, obwohl die schweren Vorhänge geöffnet waren. Josie schlief schon, hatte den Kopf unter dem Flügel. Sein Gesicht wandte sich zu Kira, der das Essen von Tsubasa verweigert hatte, trotz halber Morddrohung. Schlief er auch schon?
 

Nachdem er es nach Ewigkeiten geschafft hatte, Tsubasa mitsamt dem Essen aus dem Raum zu vertreiben, lehnte er sich wieder mit dem Rücken gegen die Wand. In dieser Position hatte er die ganze Zeit, seit Zero gegangen war, ausgeharrt. Ständig schweifte sein Blick zwischen seinen Knien und dem Fenster hin und her, aber als es draußen dunkel geworden war, hatte auch das keinen Sinn mehr gemacht. Genau wie seine Gedanken zu nichts geführt hatten. Er konnte diese Sache nicht alleine klären. Er würde mit Zero reden müssen, da allein durch dessen Verhalten dieses vermeintliche Problem erst entstanden war.

Allerdings konnte man das auch nicht Problem nennen...

Nachdenklich blickte Kira auf seine Füße, ließ den Kopf auf die angewinkelten Knie sinken. Was Zero wohl gerade machte? Wo war er? Nachdenklich blickte er ins Leere.

Erst die Bewegung im Raum ließ ihn stutzen. Da war jemand... ganz sicher. Aber warum hatte er die Tür nicht gehört? war er wirklich so sehr in Gedanken gewesen?

Wissend starrte der Blonde in die Dunkelheit. Schnell huschten seine Pupillen hin und her, wussten nicht, auf welchen Punkt sie sich fixieren sollten.
 

Zeros Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als seine Augen sich an das Dunkel langsam gewöhnten und Kiras Umrisse deutlich wurden. Er schlief noch nicht. Also echt. Da war er krank und machte so einen Blödsinn.

Langsam kam er herüber, geübt lautlos, einfach weil er Angst hatte, diese Stille durch laute Schritte zu zerstören und dadurch gezwungen zu sein, mit ihm zu sprechen. Er wollte nicht erklären müssen, warum er gegangen war. Er wollte nicht unbedingt lügen, würde es aber zweifellos tun, wenn die Frage darauf kam.

"Hast du Hunger?", fragte er. Seine Stimme war dunkel und gerade so laut, dass Kira ihn verstehen konnte, ohne nachfragen zu müssen.
 

Kira zuckte leicht zusammen, als er die leise Stimme vernahm, die in der Ruhe wie ein Schrei klang. Und nun erkannte er auch, wer ihm in dem dunklen Raum Gesellschaft leistete. Schlagartig beruhigte er sich, sein Herzschlag verlangsamte sich und das Rauschen in seinen Ohren ließ nach. Es war nur Zero. Er brauchte sich nun keine Gedanken mehr zu machen.

Nach einigen Minuten fiel Kira wieder die Frage des Schwarzhaarigen ein und langsam öffnete er den Mund, überlegte sich seine Antwort. „Ja, doch ein wenig…“ Damit hatte er seinen Text auch schon gesagt.
 

Zero hob eine Augenbraue, dann setzte er sich endlich wieder in Bewegung und stieg auf das Bett. Bis zum Kopfende lief er, ließ sich dann auf die Knie sinken und stellte das Tablett vor sich. „Bedien dich.“, meinte er und nahm sich einen Apfel, mit dem er sich an seinen Stammplatz an der Wand verzog.
 

Kira spürte nur wenige Zeit nach seiner Antwort eine Bewegung auf dem Bett und auch Zeros Stimme klang schon viel näher, als sie das zweite Mal zu ihm sprach. Das Tablett vor seinen Augen war reich gefüllt mit den verschiedensten Speisen, angefangen mit etwas Reis und Fisch über Brot und Belag. Kira hatte wirklich eine reiche Auswahl.

Kurz bedachte er alles mit einem langen Blick und entschied sich dann für den Reis. Vorerst hatte er nur Appetit auf puren, gesäuerten Reis. Mal sehen, was er dann noch essen würde.
 

Zero beobachtete das schweigend. Verhalten hob Kira Bissen für Bissen in seinen Mund, blickte dabei in die Dunkelheit. Seine Augen glänzten im Streulicht von draußen. Eigenartig, dass ihm das auffiel. Normal interessierte ihn so etwas gar nicht. So romantische Gedanken ekelten ihn normal derartig an, dass er sich weigerte, sie zu Ende zu denken.

Und wieder machte Kira eine Ausnahme in seinem Leben…

Er senkte den Blick auf den Apfel in seiner Hand. Auch er glänzte ein wenig, der einzige Grund, dass er ihn überhaupt erahnte. Das Bett mit seinen schwarzen Decken und Laken, seine Kleider oder die Schatten waren nicht zu erkennen. Und bis auch leises Kauen und Atmen war nichts hier herinnen zu hören. Wie eigentlich immer.

Wieder blickte Zero zu Kira. Diese Nacht… Er brauchte wieder einmal Schlaf. Es war einfach zuviel gewesen, die letzten Tage. Oder besser: zu wenig. Aber ob er es sich in seiner Nähe erlauben konnte? Er schlief nie in Anwesenheit anderer, wachte auf, sobald jemand den Raum betrat, in dem er sich gerade befand. Aber wenn er so weitermachte, würde er bald vor allen zusammenklappen, und das konnte und wollte er nicht riskieren. Vielleicht… vielleicht sollte er den Doc um Asyl bitten. Auf dessen Dachboden war immer Platz genug. Und bequem war es mit viel Fantasie auch. Vielleicht sollte er das wirklich tun.

„Iss auch ein bisschen Obst. Du brauchst Vitamine, damit du wieder gesund wirst.“ Dann kannst du auch endlich wieder in dein eigenes Bett zurück…
 

Stumm aß der Junge den Reis und blickte dabei nie bis über seine Füße hinaus. Nachdem er mit dem Essen begonnen hatte, hatte ihn ein eigenartiges Gefühl überkommen. Er wusste nicht, wo er es einordnen konnte oder auch nur, von wem es kam. Es war einfach da und Kira fühlte sich augenblicklich fehl am Platze. Er hatte erst knapp zwei Drittel des Reises gegessen, da ließ er Stäbchen und Schüssel wieder auf das Tablett sinken. Vorsichtig griff er nach einer Banane und begann sie zu schälen. Im Geiste hörte er noch Zeros gut gemeinten Ratschlag. Und trotzdem ließ sich dieses Gefühl nicht aus seinem Inneren vertreiben. Er fühlte sich regelrecht beklommen und eingeengt, bekam schon Schwierigkeiten beim Atmen. Seine Atemzüge kamen nur noch unregelmäßig und stoßweise...
 

Zero war sofort alarmiert. Der Apfel fiel unangerührt auf das Bett, als er nach vorne krabbelte, Kira an den Schultern packte und sachte schüttelte. „Was ist los?“, fragte er eindringlich. Ob es an der Krankheit lag? War er rückfällig geworden? „Hast du Schmerzen? In der Brust oder so?“

Er war regelrecht panisch, auch wenn seine Stimme noch einigermaßen ruhig klang. Innerlich war er aufgewühlt.
 

Wie paralysiert saß Kira auf dem Bett und wurde erst durch das Schütteln wieder in die Gegenwart geholt. Seine Augen richteten sich auf den Jungen vor sich und nachdem er sich hundertprozentig sicher war, dass es Zero und niemand anderes war, erschien ein vorsichtiges Lächeln auf seinen Lippen, sein Atem wurde wieder länger und die Beklemmung begann sich zu lösen, verschwand allerdings noch nicht ganz.

"Alles okay...", flüsterte der Blonde müde, bevor er sich mit einer Hand über die Augen fuhr. Er fühlte sich ausgelaugt und fertig, und das, obwohl er sich nicht mal angestrengt hatte. Er sollte schlafen. Meistens half das in solchen Situationen.
 

Misstrauisch ließ Zero den Jungen wieder los und zog sich zurück. Beim nächsten auch nur noch so kleinen Zeichen von Rückfall würde er den Kerl zum Doc schleifen, ganz egal was war.

Erst nach ein paar weiteren Momenten senkte er den Blick auf seine Hände, die jetzt in seinem Schoß ruhten. Seltsam. Sie kribbelten so komisch. Als wären sie eingeschlafen. Oder besser als wären sie dabei aufzutauen… Was war das?
 

Ruhig ließ sich Kira wieder in die Kissen zurücksinken und schloss erst einmal für einen Moment die Augen. Nach einigen Minuten öffnete er sie wieder und blickte Zero noch einmal kurz von der Seite an, bevor er sich endgültig verabschiedete und ins Land der Träume hinüber glitt.
 

Zero seufzte einmal, als er schließlich die leisen Atemzüge hörte, rieb sich fast brutal die Hände, bevor er nach seinem Wecker angelte, diesen auf halb sechs stellte und sich dann am äußersten Fußende des Bettes zusammenrollte. Er würde ein wenig schlafen. Er würde schon aufwachen, wenn Kira sich bewegen sollte. Und ansonsten… ansonsten war morgen ein Tag, der wirklich lustig werden konnte. Oh Mann. Da war der Kerl an seinem ersten Arbeitstag krank. Klasse. Da blieb ihm echt nichts anderes übrig, als seine Vertretung zu spielen, oder? Den anderen konnte er Kiras Schicksal ja wohl kaum anvertrauen…

Kapitel 11

Kapitel 11:
 

Es war wirklich noch sehr früh, als Zero das Zimmer wieder verließ. Er hatte sich ordentlich gekleidet, hatte sich extra eines der schlichtesten Hemden und eine schwarze Stoffhose aus seinem Schrank gesucht, die er unter normalen Umständen niemals getragen hätte, dann hatte er sich auf den Weg gemacht. Ein einziges Mal hatte Kira den Namen des Cafés erwähnt. Ein einziges Mal. Dummerweise hatte er bisher keine Gelegenheit gehabt, dieses Café zu suchen, also war die frühe Zeit ein Muss, sonst kam er unter Garantie zu spät.

Er fand den Laden tatsächlich erst spät und war schon drei Stunden durch die Stadt gelaufen. Wahrscheinlich wäre es schneller gegangen, hätte er einfach jemanden gefragt, aber das widersprach seinen Prinzipien. Im Leben wurde einem nicht geholfen. Man musste es ganz alleine schaffen. Das war bisher schließlich immer so gewesen.

Mit ausdruckslosem Gesicht trat er ein und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Ein Mann kam hinter einem Vorhang hervor. „Da sind Sie ja, Sugihara-san.“, erklang eine dunkle Stimme und Zero hob eine Augenbraue. Fiel ihm denn gar nichts auf? Im gleichen Moment, wo er das dachte, erstarrte der Mann vor ihm. „Wer bist du?“, fragte er und sofort war Feindseligkeit in seiner Stimme zu hören.

Zero verzog seine Lippen zu einem abfälligen Lächeln. Er hatte also schon gemerkt, dass er nicht Kira war? Toll. Reife Leistung. „Ich bin Zero, ein Freund von Sugihara. Er ist krank und liegt mit Fieber im Bett. Ich bin hier, um seine Vertretung zu machen.“

Der Mann blickte ihn sichtlich entgeistert an, bevor er ihn mit einem langen, kritischen Blick musterte. Zero konnte sehen, dass ihm durchaus gefiel, was er sah, aber gleichzeitig sah er Zweifel. Er konnte sie nachvollziehen. Sein Erscheinungsbild war trotz humaner Klamotten noch immer streng und hart. Nicht unbedingt das, was ein Kellner vermitteln sollte.

„Hast du Erfahrung in dem Job?“

„Was ist so schwer daran, ein paar Gläser auf einem Tablett zu balancieren?“, erwiderte er brüsk. „Ist ja nicht so, als wäre das so furchtbar kompliziert.“

„Es geht eher um die standesgemäße Behandlung der Kundschaft.“

„Ihnen Honig ums Maul schmieren, damit sie viel kaufen?“ Zero lachte ob des pikierten Blickes des Mannes. „Ich kann es, wenn es sein muss.“ Er klang verächtlich.

Der Chef des Cafés starrte den jungen, schwarzhaarigen Mann verblüfft an. Was war das denn? Er wollte doch den Job, oder? Er wollte doch hier arbeiten! Wie kam er dazu, so abfällig über diesen Job zu sprechen? Das war doch nicht zu fassen! Wollte er ihn etwa verarschen? „Wenn es sein muss?“

Zero verzog widerwillig das Gesicht. Kira hatte der Kerl gesiezt, ihn duzte er. Klasse. Sollte das ein Wink mit dem Zaunpfahls sein? Das konnte er haben! „Allerdings.“ Sein Gesicht veränderte sich. Vielleicht wurde es nicht freundlich, aber es wirkte jetzt tatsächlich neutral, wesentlich weicher, aber nur kurz. „Es wird nicht für lange sein. Ich habe nicht vor, Kira seinen Platz hier wegzunehmen, dafür ist es mir zu doof, solch lächerliche, scheinheilige Arbeit zu tun.“

„Wie bitte?“

„Bist du jetzt damit einverstanden, dass ich hier arbeite?“ Ganz bewusst war er auf duzen umgesprungen. Er behandelte niemanden mit Respekt, der ihm selbst diesen so vehement verwehrte.

Der Mann jedenfalls schien ernsthaft entsetzt. Zero konnte in seinen Augen ganz deutlich das Nein lesen, das gleich kommen würde. Er hatte den Mund schon geöffnet und Zeros Lächeln wurde breiter, abschätziger, fast fanatisch, da schloss er ihn plötzlich wieder. Die dunklen Augen des Mannes wanderten erneut über seinen Körper und Zero wusste im nächsten Augenblick, dass er gewonnen hatte. Dieser Mann war an ihm interessiert, da würde er ihn nicht fortschicken. Nicht mehr, nachdem er dieses Funkeln in den Augen hatte.

Allerdings bedeutete das noch etwas anderes, doch darüber würde er sich später Gedanken machen.

Der Tag wurde zu einer Art Staffellauf. Zero kannte seine Anziehungskraft zwar, hatte aber dennoch den dummen Fehler gemacht, sich während des Wartens auf Kundschaft an dem Tisch neben dem Schaufenster niederzulassen. Es hatte zur Folge, dass gegen Nachmittag Mädchen, die auf dem Weg von der Schule nach Hause waren, ihn dort sitzen sahen und plötzlich war das Lokal voll und er hatte alle Hände voll zu tun, sie alle ‚abzufertigen’, wie er es nannte. So viel Kundschaft schien auch sein Chef nicht gewohnt zu sein, da er kaum hinterherkam mit seiner Arbeit. Und er konnte sich nicht mehr beschweren, denn trotz Zeros offensichtlicher Abneigung gegen die Mädchen und seinen nicht immer… fast nie freundlichen Worten, blieben sie. Und die ganze Zeit über summte das Lokal wie ein Bienenschwarm. Eine hübsche Bedienung…

Zero warf den Mädchen einen feindseligen Blick zu, woraufhin sie zu kreischen anfingen und zu tuscheln. Wenn sie schon auf ihn so reagierten, wie war das dann erst bei Kira? Dieser war dazu auch noch freundlich. Und er hatte nicht den Schutzschild aus Arroganz, der ihn selbst vor diesen Furien schützte! Das konnte ja was werden…

Er kam gegen Abend erst nach Hause, als seine Ablösung gekommen war. Er war vollkommen fertig und das einzige, das er jetzt noch machen wollte, war sich ins Bett hauen und schlafen. Oder wahlweise ans Meer zu seinen Lieblingen gehen. Er brauchte jetzt Ruhe. Ruhe oder Ehrlichkeit. Die fand er eben nur in der tierischen Gesellschaft. Bei den Katzen oder bei Josie.
 

Als Kira erwachte, schienen ein paar Strahlen der hellen Tagessonne ins Zimmer und versuchten wenigstens einen Teil gemütlicher zu machen. Viel Licht drang nicht durch die Vorhänge, aber immerhin war da ein Spalt, sodass er bestimmen konnte, welche Tageszeit war. Seiner Empfindung nach musste es am frühen Vormittag sein und als er sich umblickte und auf eine Uhr neben dem Bett blickte, wurde ihm sein Gefühl bestätigt. Es war kurz nach Zehn.

Langsam rieb er sich über das verschlafene Gesicht und sah sich dann im Zimmer um.

Niemand war da. Er war allein.

Vorsichtig erhob er sich und stieg leichtfüßig aus dem Bett, stellte sich erst einmal hin und versuchte seinen Geist zu sortieren. Wenn sein Gefühl nicht völlig falsch lag, dann war Montag. Und das hieße zwangsläufig, dass er…. eigentlich mit der Arbeit anfangen musste! Schreckensbleich starrte er auf einen Punkt nahe der Tür. Er musste den anderen sagen, dass er nicht gehen konnte. Und er musste es seinem Chef sagen!

Hastig zog sich Kira das Shirt Zeros über den Kopf und schnappte sich ein Hemd, das er über einem Stuhl erspähte. Nachdem er auch die Hosen gewechselt hatte, sah er wieder einigermaßen wie er selbst aus. Es war ja nicht so, dass ihm Zeros Schlafanzug nicht gefallen hatte, aber... er entsprach nicht seinem Wesen. Er hatte sich wohl in Zeros Sachen gefühlt, sehr wohl sogar, und trotzdem freute er sich jetzt, wieder seine eigenen Sachen tragen zu dürfen.

Langsam setzte er sich auf die Kante des Bettes, blickte in die hintere dunkle Ecke des Raumes. Was war da gestern eigentlich gewesen? Er hatte sich schlecht gefühlt, hatte Beklemmungen und Atemprobleme verspürt... Erst jetzt kam ihn dieser Blick in den Sinn, mit dem Zero ihn angesehen hatte. Er war... eindeutig besorgt gewesen. Kira konnte es nicht mehr so genau sagen, aber er war, gelinde gesagt, unüblich für den Schwarzhaarigen gewesen.

Tief in Erinnerungen der letzten Nacht versunken, stierte Kira nur weiter ins Schwarze, bemerkte nicht, dass sich die Tür öffnete.
 

Als Tsubasa bemerkte, dass Kira wach war, gab er seine Bemühungen, leise zu sein, schlichtweg auf. „Ich hab dir Frühstück gemacht, Kira-chan!“, plärrte er glücklich und hüpfte auf ihn zu, ein Tablett auf den Armen. „Cornflakes! Ich hoffe, das magst du!“
 

Erschreckt durch den plötzlichen Krach im Raum zuckte der Angesprochene zusammen und richtete kurz darauf seinen Blick auf den Eindringling. Ja, er war in seine Gedanken eingedrungen und hatte ihm nun vom Grübeln abgebracht. Ob es jetzt schlecht war oder nicht, das stand auf einem anderen Blatt.

Gezwungen versuchte der Junge ein Lächeln auf die Lippen zu bekommen. "Danke. Ich mag fast alles zum Frühstück, da musst du dir keine Gedanken machen." Und mit einem etwas ehrlicheren Lächeln nahm er dem Schwarzhaarigen das Tablett aus den Händen und stellte es sich auf die Knie.
 

Tsubasa grinste und ließ sich neben ihn aufs Bett fallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte zur Decke, bevor er die Augen schloss. „Wo willst du eigentlich hin, dass du sogar Zero eines seiner Hemden entwendest?“, fragte er nebenbei.
 

Verdutzt blickte er den Älteren an? Zeros Hemd? Hatte er nicht sein eigenes an? Langsam blickte er an sich herunter und erstarrte beinahe mitten in der Bewegung.

Ja, Tsubasa hatte Recht... Die Ärmel waren länger und auch die Farbe und der Schnitt hatten wenig Ähnlichkeit mit seinen eigenen Hemden. Wie hatte er das nur nicht bemerken können? War er wirklich so in den Gedanken an Zero vertieft, dass er nicht mal das bemerkte?

"Oh... das ist mir nicht aufgefallen. Entschuldige..."

Den Rest der Frage ignorierte er fürs Erste, wusste er ja selbst nicht, was er im Augenblick machen wollte. Als er nun den ersten Löffel Cornflakes aus der Schüssel nahm, fiel ihm der Job wieder ein. "Tsubasa, was ist mit meiner Arbeit?" Eindringlich beobachtete er den Schwarzhaarigen.
 

Dieser grinste breit, bevor er sich ganz plötzlich streckte wie eine zufriedene Katze und sich im nächsten Moment aufsetzte und ihn anstrahlte. „Zero ist hin!“, freute er sich. „Er macht Vertretung!“ Er lachte glücklich. „Stell dir das mal vor! Zero in einem Kellnerfrack! Nein, wie genial!“

Er ließ sich wieder hinten überfallen und lachte sich halb scheckig. Oh ja! Das würde er zu gerne sehen, aber er wusste sehr gut, was Zero ihm erzählen würde, würde er dort auftauchen und Kira hier alleine und ohne Aufsicht zurücklassen. Wahrscheinlich konnte er froh sein, wenn er die Kette nicht gleich ins Gesicht bekam…
 

Der Löffel, den er gerade auf halbem Wege zum Mund geführt hatte, stoppte prompt und ließ ein paar Tropfen der Milch auf das Hemd kleckern.

Zero war was? Auf seine Arbeit gegangen? Als Vertretung? Nein, das konnte er jetzt nicht glauben. Und er würde es auch nicht tun, bis er es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte.

Langsam ließ er den Löffel in die Schüssel sinken und starrte Tsubasa nur weiter an. Wunder gab es zwar immer wieder, aber dass sie gerade so häufig bei Kira vorbeischauten, war mehr als eigenartig. Langsam stand er auf und lief hinüber zu dem Fenster, zog die Vorhänge weit auf und öffnete das Fenster sperrangelweit. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich gegen den Rahmen und atmete einige Male tief ein und aus. Er würde sich wohl damit abfinden müssen, dass Zero so war, wie er war, denn augenblicklich verstand er ihn nicht ein Stück.

Und wieder drehten sich seine Gedanken nur um den Schwarzhaarigen...
 

Tsubasa hatte sich aufgerichtet, als Kira aufgestanden war, jetzt lächelte er. „Hey. Alles klar?“, fragte er. Irgendwie sah er verwirrt aus. Wie damals beim Einkaufen, wo Zero sich offensichtlich so ungewöhnlich verhalten hatte. Nur war diesmal etwas anderes dabei. Mehr Nachdenklichkeit. Mehr… Verwirrung eben.
 

Erst als Tsubasas Stimme durch den Raum hallte, kam ihm wieder in den Sinn, dass er nicht allein war. Kurz fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht, bevor er den Älteren anlächelte. "Ja, alles okay... Ich hab letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen." Auch wenn das nicht stimmte, denn er hatte geschlafen wie nie zuvor. Er wusste nicht, was er Tsubasa sonst erzählen sollte.
 

Der Schwarzhaarige lächelte breiter und ließ sich wieder zurückfallen. Kira war süß. Tsubasa wusste, dass er log, denn der Junge hatte geschlafen, wie ein Stein, wenn er mal wieder geschaut hatte, ob Zero noch schlief. Das hatte ihn nämlich wirklich gewundert, als er das erste Mal geschaut hatte. Zero hatte tatsächlich geschlafen. Neben einem fremden Menschen. Denn das war Kira trotz allem. Sie kannten ihn schließlich noch nicht lange. Zwei Wochen. Maximal. Und trotzdem vertraute Zero ihm genug, um neben ihm zu schlafen…

Er schloss die Augen. „Er mag dich wohl wirklich.“ Und in seiner Stimme war nicht die Spur einer Emotion. Es konnte alles bedeuten, angefangen bei Glückwunsch bis Missgunst.
 

Mit geweiteten Augen blickte Kira Tsubasa an. Seine Finger, die bisher ruhig neben seinem Körper geruht hatten, griffen nun so stark nach dem Fensterrahmen, dass seine Fingerknöchel weiß hervorragten.

Mit einem kräftigen Stoß hatte er sich vom Fenster weggedrückt. Raus. Er musste hier raus!
 

Tsubasa war von dieser Reaktion ein wenig überrascht. Was sollte das denn? Warum war er denn so blass im Gesicht? Er war neugierig gewesen, wie dieses Statement auf ihn wirken würde, aber diese Reaktion war nicht vorhergesehen gewesen. Freude, Verlegenheit. Zumal er ja nicht gesagt hatte, wie er das meinte und wie tief dieses ‚Mögen’ ging. Die Reaktion war übertrieben. Was hatte Kira da hinein interpretiert?

Und schon im nächsten Augenblick strebte der Blonde der Tür zu. Tsubasa war schneller auf den Beinen, als man angesichts seiner ruhigen, beinahe schläfrigen Stimmung angenommen hätte, und noch schneller an der Tür. Josie flatterte erschrocken auf, krächzte wilde Dinge durcheinander, während er nur leise lächelte.

„Wo willst du hin, Kira-chan?“ Seine Stimme war sanft. „Dem Doc wird es nicht gefallen, wenn er erfährt, dass du draußen bist. Er hat strenge Bettruhe verordnet. Bis Mittwoch noch.“
 

Ein Blick aus Eis wechselte den Besitzer. "Lass mich raus! Ich will hier weg!" Innerlich war Kira klar, dass Tsubasa kaum auf ihn hören würde, aber was sollte er sonst machen?

Unnachgiebig blickte er dem Älteren ins Gesicht.
 

Der Anführer blickte ihn an. „Du willst wirklich riskieren, dass der Doc dich unten in seiner ‚Klinik’ behält? Willst du bei Ren sein?“, fragte er und jetzt schwang eine leichte Drohung in seiner Stimme mit. Er wollte ihm eigentlich nicht drohen, aber wenn ihm jemand die Stirn bieten wollte und das Argument nicht zog, das er nutzte, dann konnte auch er böse werden. „Wenn du nur raus willst, weil du mich nicht mehr sehen willst, dann kannst du das sagen. Du hast temporär das größere Recht, hier zu sein als ich. Ich würde gehen, zumal Zero sicherlich nicht begeistert wäre, würde ich dich hier vertreiben. Wenn du einfach nur so raus willst, werde ich dafür sorgen, dass du in irgendein anderes Bett kommst. Rumlaufen und deine Grippe verteilen kommt jedenfalls nicht in Frage!“
 

Und die Drohung zog. Sobald er Rens Namen hörte, begann sich ein unkontrollierbares Zittern über seinen Körper zu legen. "Dann geh!" Seine Stimme war brüchig und nicht mehr so scharf wie anfangs. "Bitte...", setzte er noch flüsternd hinzu.

Kira selbst drehte sich um und schnappte sich den nächstbesten Stuhl in seiner Nähe, stellte ihn vor das geöffnete Fenster und setzte sich darauf. Langsam zog er die Beine an den Körper und versuchte das Zittern wieder zu vertreiben. Er blickte starr auf einen Punkt, irgendwo weit weg am Horizont.
 

Tsubasa betrachtete ihn noch ein paar Augenblicke, dann nickte er und ging. Was hatte ihn so aus der Fassung gebracht? Ren hatte es jedenfalls noch getopt, aber nur kurz. Was war das? Hatte Kira vielleicht Angst vor Zero? War es das?

Er würde wohl mit ihm darüber reden müssen. Wenn Kira sich vor Zero fürchtete oder sich vor diesen Worten, der Tatsache, dass er ihn mochte, fürchtete, dann sollte Zero das auf jeden Fall wissen.

Er positionierte sich im Aufenthaltsraum mit seinem Laptop, um den Schwarzhaarigen abzupassen, doch er kam und kam nicht. Selbst als es dunkel wurde, tauchte er nicht auf. Irgendwann schnappte er ein Gespräch von zwei Mädchen auf, die sich über Zeros heutiges Outfit unterhielten, das ihnen irgendwie seltsam vorgekommen war, und kam zu ihnen. Ob sie ihn gesehen hätten und wann. Kaum hatte er die Antwort lief er aus dem Gemeinschaftsraum und zum Kai, wo sie Zero vor einer ganzen Stunde hatten stehen sehen. Ganz alleine.

Der Japaner war erleichtert, als er ihn dort noch immer vorfand. Sein Bruder blickte auf das gekräuselte Meer hinaus, stand vollkommen unbewegt, während sich nicht weit von ihm die Katzen um einen ganzen Berg Lebensmittel prügelten. Offenbar hatte ihm der Besitzer des Cafés die Reste mitgegeben und er hatte sie einfach weitergereicht. So ein lieber Kerl. Er konnte gar nicht verstehen, dass die anderen das nicht sahen…

Langsam näherte er sich, ohne dass Zero auch nur ein Anzeichen dafür gab, dass er ihn bemerkt hätte, doch Tsubasa wusste genau, dass es so war. Er wusste immer, wenn jemand da war. Und er wusste auch immer, ob er diesen jemand kannte oder nicht. Weich und liebevoll legte er die Arme um seinen Bruder, zog ihn an sich und stellte erfreut fest, dass dieser sich sogar gegen ihn lehnte.

„Müde?“, fragte er leise.

Zero nickte. „Hmhm.“

„Kellner sein scheint anstrengend zu sein.“ Amüsiert drückte er seine Wange gegen Zeros. „War er zufrieden?“

„Blöde Mädchen.“, kam die einfache Antwort. „Kaufen nur, damit ich an ihren Tisch kommen muss.“

Tsubasa lachte leise. „Ich sehe schon. Er war zufrieden mit dir.“

Nicken.

„Und, gehst du morgen wieder hin?“

Wieder ein Nicken.

„Du bist zu lieb.“

Schweigen.

Tsubasa seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, ob er deine Bemühungen wirklich zu schätzen weiß.“ Ganz vorsichtig hatte er begonnen, Zeros Brust zu streicheln.

„Wie meinst du das? Hast du es ihm gesagt?“ Der schwarzhaarige Chinese versuchte den anderen anzuschauen, gab aber auf, als er die Anstrengung dahinter erkannte. „Das solltest du doch nicht.“

„Was hätte ich ihm sagen sollen?“

Schweigen.

Tsubasa lachte leise auf. „Er war erschrocken. Später entsetzt. Dabei… dabei hab ich ihm nur gesagt, dass du ihn offenbar gern hast.“

Zeros Rücken versteifte sich auf der Stelle. „Du hast was?“ Seine Stimme klang drohend wie Donnergrollen.

„Es war ein Versehen.“, entschuldigte sich Tsubasa. „Es war draußen, bevor ich nachdenken konnte.“

Zero rührte sich nicht.

„Ich glaube aber, dass es nicht falsch war. Kira… war so entsetzt. Er war weiß im Gesicht. Als wäre es ihm absolut unangenehm.“

Immer noch kam keine Antwort.

„Zero…“

„Ich…“ Der Jüngere verstummte wieder und Tsubasa seufzte leise, fuhr mit den Händen unter das schwarze Hemd und über die weiche, warme Haut des festen Bauches.

„Ich versteh schon.“, murmelte er. „Das tut weh, nicht wahr?“

Zero nickte leise.

„Und jetzt?“

Schulterzucken.

Tsubasa drückte ihn noch enger an sich, wiegte ihn leicht hin und her. Er hatte ihm nicht so sehr wehtun wollen. Er hatte ihn nur warnen wollen. „Beobachte es, ja? Zieh aus meinen Worten keine voreiligen Schlüsse.“

Es kam keine Antwort mehr. Zero hatte sich vollends gegen ihn fallen gelassen und Tsubasa hatte das dumme Gefühl, dass er diese kleine, zaghaft geöffnete Tür in Zeros Herzen hatte zufallen hören. Seine Kraft war gegangen, als hätte er erkannt, dass eh alles umsonst war. Hatte er etwa aufgegeben? War das der Grund für diesen Anfall von Schwäche? Hatte er…

Tsubasa biss sich auf die Lippe. Hatte er mit seinen Worten etwa die Hoffnung des Jungen zerstört? War es etwa das? Hatte er etwa wirklich die letzte Hoffnung vernichtet, die ihm geblieben war, dass Zero doch noch jemanden fand, dem er vollkommen vertrauen konnte und den er lieben konnte? Hatte er seinen Bruder verraten?

Nein!, rief er sich selbst herrisch zur Ordnung. Ich habe ihn nur gewarnt, dass er vorsichtig sein und nicht zu schnell Vertrauen fassen soll. Damit er eben nicht zerbricht!

Längst standen die Sterne am Himmel, als er Zero schließlich zurück zum Hauptgebäude zog. Stumm hatten sie sich darauf geeinigt, dass Zero diese Nacht bei ihm schlief.
 

Leise hörte er die Tür sich schließen und atmete dann erleichtert aus. Er war allein... bis auf den Vogel war niemand da.

Langsam legte er den Kopf in den Nacken. Warum? Warum brachte ihn Zero so aus der Bahn? Was war da? Kira bewunderte ihn. Auf irgendeine Art und Weise. Zero war mutig und alle aus der Gruppe sahen zu ihm auf, zollten ihm Respekt. Diese Ausstrahlung faszinierte ihn und hatte ihn geradezu geblendet... Er hatte es nicht immer gezeigt, hatte versucht es zu übergehen, aber gestern dann, dieser Blick, mit dem Zero ihn betrachtet hatte... Er hatte die ganzen Gefühle wieder neu aufflammen lassen. Und nun hatte ihn diese Welle überrollt und trotzdem konnte oder wollte sich Kira diese Gefühle nicht eingestehen.

Ewigkeiten noch saß Kira auf den Stuhl, versuchte über sich und seine Gefühle nachzudenken. Immer, wenn er jedoch an eine Stelle kam, wo er etwas ergründen konnte, oder zumindest der Meinung war, es zu können, verschwamm alles und löste sich in einem weißen Nebel auf. Verzweifelt hatte er die Augen geschlossen, versucht seinen Geist zu betäuben, an nichts zu denken. Jedoch auch das funktionierte nicht. Immer und immer wieder erschien dieser sorgenvolle Blick vor seinem geistigen Auge. Immer und immer wieder. Irgendwann war er so verzweifelt gewesen, dass er aufgesprungen war und mit aller Kraft die er besaß, mit der geballten Faust gegen die Wand gehauen hatte. Es gab ein dumpfes Geräusch und der Schmerz, den Kira spürte, brachte ihn wenigstens von den unlösbaren Gedanken ab...

Als eben jener Schmerz allerdings abgeklungen war, kamen auch die Gedanken wieder und diesmal ging er nicht mit Gewalt dagegen vor. Er hatte keine Kraft mehr dazu, keinen Willen. Stumm begannen ihm Tränen aus den Augen zu rinnen. Stoppen konnte Kira sie nicht. Und er wusste auch nicht, ob er das überhaupt tun sollte.

Irgendwann war er so erschöpft und so fertig, dass er sich wieder auf den Stuhl sinken ließ und den Kopf zwischen seinen Armen und seinen angewinkelten Beinen vergrub.

Er wollte nicht mehr, hatte keine Lust mehr. Seine Hand puckerte noch ein wenig, aber mehr verspürte er nicht.

Langsam spürte er seinen Geist sich verschließen, weit, weit abdriften...
 

Es war schon zehn Uhr, als Zero mit einem Tablett durch die Tür kam. Kira saß noch immer auf dem Stuhl, wie Tsubasa ihm beschrieben hatte, als er von der Reaktion genauer berichtet hatte. Er konnte es noch immer nicht richtig glauben, dass er entsetzt gewesen sein sollte, aber er glaubte Tsubasa. Niemals würde der ihn anlügen, wenn es um derlei Dinge ging. Dazu kannte er zu gut, wie empfindlich er darauf reagierte. Also musste es doch wahr sein…

Schweigend blickte er ihn an.
 

Als Kira wieder erwachte, war es dunkel. Ein tiefer Seufzer entglitt seiner Kehle, bevor er langsam ein Bein vom Stuhl löste und es auf den Boden stellte. Ein unangenehmes Kribbeln machte sich fast augenblicklich in seinem Ganzen Körper breit und auch Schmerz durchflutete ihn. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen, einige Stunden auf einem Stuhl vor einem geöffneten Fenster zu verbringen. Wie spät war es überhaupt?

Nachdem er auch den zweiten Fuß zu Boden befördert hatte, erhob er sich und lehnte sich mit seinem Rücken gegen den Fensterrahmen, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Erst als er Aufblickte bemerkte er den Jungen im Raum stehen.

Kiras Augen weiteten sich und wieder drohte eine übergroße Welle von Empfindungen ihn zu überrollen.
 

Zero hatte unbewegt beobachtet, wie er aufgestanden war. Wie lange er dort gestanden hatte, das konnte er nicht sagen, aber er hatte sich auch nicht wegbewegen können. Zwei Dinge: das erste: Er registrierte das offene Fenster und die Kälte in dem Zimmer, das immer warm sein musste wegen seiner Schlangen, das zweite: er registrierte die Röte in Kiras Gesicht, die sicherlich von Tränen herrührten.

Schweigend wandte er sich dem Bett zu, stellte das Tablett darauf, dann ging er zu Kira. „Leg dich wieder hin. Die Kälte bekommt dir nicht. Und sie ist tödlich für meine Tiere.“

Damit wartete er, dass Kira zur Seite trat.
 

Einen kurzen Augenblick sah er dem Jungen ins Gesicht, dann wandte er den Blick ab und tat was ihm geheißen, ging in Richtung des Bettes und setzte sich auf dieses. Hinlegen wollte er sich nicht. Stumm blickte er in die Dunkelheit vor sich. Er konnte Zero nicht lange in die Augen schauen, das hatte er gemerkt, aber er konnte auch momentan nicht dagegen ankämpfen, so sehr es ihm innerlich auch zerriss.
 

Zero schloss das Fenster, blickte dann zu dem Jungen, bevor er auch die Vorhänge zumachte, Josie noch etwas zu Fressen gab, dann verließ er wortlos das Zimmer. Er ertrug es jetzt nicht mehr, hier zu bleiben. Nicht, nachdem er die Reaktion auf die Offenbarung gesehen hatte, dass er ihn mochte. Tränen. Oh Mann. Tränen, dass er ihn mochte. Dass es so schlimm war, das tat wirklich weh.

Und genau aus diesem Grund verließ er das Zimmer wieder, ging einfach quer über den Treppenabsatz und verschwand im gegenüberliegenden Zimmer seines Bruders, wo er sich in die Ecke des Bettes hockte, ganz klein zusammenkauerte und wartete, bis Tsubasa kam. So wie er es früher oft gemacht hatte. Als er noch kleiner gewesen war.

Der Japaner kam nur eine halbe Stunde später. Wortlos nahm er ihn in den Arm und wartete, bis Zero eingeschlafen war. Morgen würde er Kira ein neues Zimmer zuweisen. Diesmal ein eigenes.
 

Zero verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer und auch Kira sagte keinen Ton mehr.

Er wusste nicht, wie er dessen Aura beschreiben sollte. Sie war nicht glücklich gewesen, aber auch nicht feindselig.

Seufzend ließ er sich in die Kissen fallen und zog sich einfach die Decke über die Sachen. Er wollte sich jetzt nicht umziehen und er wollte auch nichts anderes machen, wo er gerade dieses Gefühl hatte, schlafen zu können. Dieses Gefühl, was er den ganzen Nachmittag vermisst hatte...

Langsam, ganz langsam entfernte er sich von den Gedanken an den Schwarzhaarigen und schlief schließlich ein.

Kapitel 12

Kapitel 12:
 

Kira hatte schon im Laufe der Nacht bemerkt, was es für ein großer Fehler gewesen war, den halben Tag vor geöffnetem Fenster zu verbringen. Es war zwar nicht Winter, aber trotzdem hatte stetig ein kleines Lüftchen geweht und er war immer noch von der vorherigen Erkältung geschwächt gewesen, die ja noch nicht vollständig abgeklungen war. Und statt zu verschwinden, hatte sie sich nun verschlimmert. Immer wieder hatten ihn Hustenanfälle überfallen und sein Hals hatte angefangen zu kratzen. Dann war ihm warm geworden... unerträglich warm. Er hatte die Bettdecke weggeschlagen und trotzdem war die Wärme nicht verschwunden. Sie war nicht einmal gelindert worden.

Als er am Morgen dann endgültig wach war, fühlte er sich grauenvoll. Als hätte ihn ein ganzer Lastwagen überrollt. Mühevoll richtete er sich auf, ließ sich allerdings schon nach ein paar Sekunden wieder zurücksinken. Sitzen war unmöglich. Jeder Muskel in seinem Rücken war verspannt und machte es fast unmöglich, sich zu erheben.
 

Zero ging am nächsten Morgen wieder in das Café, um Kiras Vertretung zu machen, während Tsubasa es übernahm, dem Kranken das Frühstück zu bringen. Als der Anführer feststellte, dass Kira wieder Fieber hatte und offenbar auch sein Husten zugenommen hatte, verschwand er jedoch wieder und kam mit einer halben Hausapotheke wieder: Tee, Tabletten, Wärmflasche und Vickvaporup zum Einreiben. Eine eindeutige Anweisung hatte er auch noch für ihn: Viel trinken, im Bett bleiben und warm bleiben. Er ließ ihm des Weiteren noch einen Pieper da, damit er ihn im Notfall rufen konnte.

Als er gegen Mittag das zweite Mal kam, hatte er ein freundliches Lächeln auf den Lippen. „Die Jungs haben dein Zimmer fertig bekommen. Wenn du möchtest, dann kannst du jetzt umziehen. Wir haben dir sogar einen Käfig für Yuki besorgt, damit du ihn nicht eines nachts einfach zerdrückst.“, sagte er, blieb an der Tür stehen. Noch immer respektierte er den Wunsch des Jungen, dass er ihn nicht hier haben wollte. Trotz Krankheit.
 

Vorsichtig drehte Kira sich zur Seite, als er die Stimme aus Richtung der Tür vernahm.

Er war zwar immer noch erschöpft und fertig, aber es war nicht mehr ganz so schlimm wie am Morgen. Er versuchte ein Lächeln zustande zu bringen und nickte. Sagen konnte er nichts. Zu schwer war seine Zunge und zu sehr schmerzte sein Hals. Aber wenn er erst einmal ein bisschen Abstand von Zero nahm, wenigstens für ein paar Tage, vielleicht würde sich die Situation zwischen ihnen dann klären...

Kira würde es sehr beglückwünschen, würde das passieren. Wenn sie nicht mehr miteinander sprachen und sich ignorierten, wäre sein Aufenthalt in der Gang nicht mehr gerechtfertigt... Zero hatte ihn schließlich aufgenommen...

Mitten im Gedanken stoppte er. Wie konnte er so etwas auch nur annähernd denken? Hatte er nicht erst vor ein paar Tagen gesagt, wie schön er es hier fand und dass er nie wieder würde gehen wollen? Es war verwirrend und der Schmerz, der nun hinter seiner Stirn zu puckern begann, zeigte es ihm auch.
 

Tsubasa half ihm auf, weil von Kira allein keine solchen Anstalten kamen, drückte ihm noch einmal einen Becher heißen Tee in die Hand, bevor er die Sachen des Jungen zusammenpackte und diesem dann den verlassenen Yuki auf die Schulter setzte.

„Kannst du laufen?“, fragte er dann. „Geht das? Oder brauchst du Hilfe?“
 

Lächelnd schüttelte er den Kopf und folgte ihm dann zu seinem neuen Zimmer. Es brauchte seine Zeit, aber Zeit war gerade egal.

Als er den Raum betrat, huschte erneut ein Lächeln über sein Gesicht. Es war schön, eine angenehme Atmosphäre umgab ihn. Der Raum war nicht klein, aber auch nicht groß, gerade so richtig für eine einzelne Person. Die Wände waren einfach in weiß gehalten und die paar Möbel, die man sehen konnte, waren aus rustikalem Holz und unauffällig. In der hinteren Ecke stand ein Bett und daneben sah man ein großes Fenster. Es hatte Vorhänge. Allerdings keine schwarzen wie Zero sie hatte, sondern weiße. Schneeweiß.

Da war es schon wieder gewesen. Zero...

Langsam durchquerte er den Raum und ging zum Bett, ließ sich und Yuki darauf fallen. Die kleine Maus kletterte sogleich flink von seiner Schulter und machte es sich auf seinem Kissen gemütlich. Schon ein paar Minuten, nachdem er sich umgeschaut und für das erste eingerichtet hatte, tauchten zwei Mädchen in der Tür auf, die Kira nur allzu bekannt vorkamen: Chibi-chi und Chibi-chan. Allem Anschein nach waren sie als seine Krankenschwestern abgestempelt worden. Na ja, die beiden würden das schon schaffen. Da hatte er Vertrauen in sie. Lächelnd blickte er sie an.

"Hi." Seine Stimme klang heiser.

Quietschend rannten sie auf ihn zu, wichen auch nicht wegen der Erkältung vor ihm zurück und knuddelten ihn nach Herzenslust. Sie hatten ihn schließlich schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.

Die beiden Chibis pflegten ihn rücksichtsvoll und schon nach zwei Tagen ging es ihm wieder so gut, dass er Freitag würde arbeiten gehen und Donnerstagabend wieder mit allen zusammen essen könnte.

Als ebenjener Abend gekommen war, schlüpfte Kira in ein paar seiner Sachen und ging dann in den Gemeinschaftsraum. Von einigen wurde er mit Applaus empfangen, von anderen nur mit einem netten Blick. Aber es war ihm gleich. Man konnte im Raum spüren, dass sie alle froh darüber waren, dass es ihm wieder gut ging.
 

Zero hatte an seinem Tisch gesessen und gegessen. Der Tag war wieder anstrengend gewesen und er war wirklich froh, dass Kira in Zukunft seinen bescheuerten Job wieder alleine machen würde. Als der Blonde eintrat, hob er für Sekunden den Kopf, dann ließ er seine Stäbchen auf den Teller fallen, stand auf und ging.

Er nahm es ihm übel. Er nahm es ihm wirklich übel, dass er so entsetzt gewesen war. Es hatte ihn verletzt und er wollte nicht verletzt werden, denn es bedeutete Schwäche. Eine Schwäche, die er jetzt nicht mehr zulassen würde. Und um sich genau das zu beweisen, ging er. Er hatte beschlossen, Kiras Nähe zu meiden. Er würde ihn nicht mehr ansehen, würde nicht mehr mit ihm in einem Raum sein, würde mit ihm nicht mehr reden. Kein Risiko, hieß seine Devise. Und Kiras Anblick in den hübschen Sachen, die sie gemeinsam gekauft hatten, war schon Risiko genug.

Tsubasa blickte ihm nach, seine Miene unlesbar. Er machte sich Sorgen. Zero hatte die letzten zwei Tage auch mit ihm nicht mehr gesprochen.
 

Kira sah Zero nach und in ihm breitete sich ein Gefühl der Leere aus. Er hatte in den letzten Tagen über ihn nachgedacht. Die ganze Zeit, denn schließlich waren die beiden Chibis immer da gewesen, hatte er sich auch nur bewegt. Und sie hatten ihm strengste Bettruhe verordnet. Also hatte er sich mit seinen Gedanken geplagt und diese drehten sich nur um den Schwarzhaarigen. Er sah Zero gehen, sah mehr als offensichtlich, dass es an ihm lag, an seiner Anwesenheit. Auch er wäre lieber wieder gegangen, aber der Anblick des ordentlichen Essens machte ihm diese Entscheidung nicht gerade leicht.

Mit wohlig gefülltem Magen stand er eine knappe Stunde nach seiner Ankunft wieder auf. Ein paar der Leute blickten zu ihm, aber es kümmerte Kira nicht. Zero war nicht wiedergekommen. Aber das war schon von Anfang an logisch gewesen.

Langsam lief er zu seinem neuen Zimmer zurück, knetete unbewusst das Stück Käse in seiner Tasche, welches er für Yuki mitgenommen hatte. Dieser hatte aus Solidarität zu ihm auch nicht viel ordentliches Essen bekommen und fair wie Kira war, wollte er seinem kleinen Freund nun etwas Gutes tun.

Angekommen, ließ er sich erschöpft auf sein Bett fallen. Sofort kam Yuki zu ihm, knabberte ihm sanft am Arm und stieß ein paar leise Töne aus. Lächelnd strich er ihm über das Fell, bevor er das Mitbringsel aus der Tasche nahm. "Schau, für dich, mein Kleiner! Als Entschädigung für die letzten Tage..." Fröhlich quiekend stürzte sich die Maus auf den Käse und begann zu essen. Schon nach ein paar Minuten war alles verputzt.

Lächelnd hatte Kira ihn beobachtet. Nun erhob er sich und machte sich für das Bett fertig. Er musste morgen arbeiten, da sollte er fit sein. Es würde schließlich sein erster Tag sein...

Unruhig schlief Kira ein, machte sich viele Gedanken über den nächsten Tag, über seine Arbeit. Als er jedoch ankam, bemerkte er, dass seine gesamte Angst unbegründet war. Freundlich lächelte ihm der Chef entgegen, als er den Laden betrat.

"Und, geht es dir wieder besser?"

Kira nickte. "Ja, entschuldigen Sie, dass ich Ihnen so viele Unannehmlichkeiten bereitet habe."

Entspannt winkte der andere ab. "Kein Problem, deine Vertretung war gut, auch wenn er ein wenig mürrisch war. Viele Mädchen gingen hier ein und aus und das Geschäft florierte."

Geschockt starrte er den Chef an. Mädchen? Viele Mädchen? Armer Zero... Er hatte wohl keine leichte Zeit gehabt. Und alles nur wegen ihm... Tief in seinem Inneren spürte Kira einen Stich, konnte seinen direkten Ursprung allerdings nicht bestimmen. Er wusste, dass Zero kein Freund von Mädchen war und trotzdem war er Tag für Tag hergekommen und hatte als seine Aushilfe gearbeitet. Kira wusste nicht, wie er das jemals wieder gutmachen konnte. Und dann auch noch die Abwesenheit, mit der Zero ihn bedachte.

Innerlich fühlte er sich hundeelend, aber nach außen hin trug ein Lächeln. In einem Cafe konnte man ohne so ein Lächeln nicht arbeiten. Und Arbeit gab es mehr als genug. Auch Kira schien den Mädchen zu gefallen und mit Erstaunen stellte der Chef fest, dass das Geschäft genau wie an den letzten Tagen bestens lief. Es war schier unglaublich.

Als Kira am Abend den Weg von der U-Bahn zu den Gebäuden der Gang zurücklief, tat ihm alles weh. Es war anstrengend gewesen, die ganze Zeit zwischen den Tischen entlangzulaufen und jedem zu bringen, was er wollte. Er war fast schon froh, dass er nun Wochenende hatte, denn der Chef hatte ihm gesagt, dass er ihn nur unter der Woche brauchte. Am Wochenende würde er frei bekommen. Noch war es Kira ein Rätsel, wie er die nächste Woche überleben sollte, wenn er diesen Job jeden Tag machte, aber es würde sich schon ein Weg finden.

Erschöpft lief er gleich direkt zu seinem Zimmer durch, zu fertig um noch mit irgendjemandem zu reden oder jemanden zu sehen. Als er sein Zimmer betrat, waren nicht mal die Zwillinge da, um ihn zu erwarten, und diesen Umstand schätzte er sehr. Schnell entkleidete er sich und ließ sich dann auf sein Bett fallen. Müde wollte er Yuki in seinen Käfig schieben, wollte er schließlich nicht, dass ihm etwas passierte, wenn er einen lebhafteren Traum hatte. Müde sprach er auf die lautstark protestierende Maus ein, bevor er sich nach einigen Bissen geschlagen gab, den Kleinen auf sein Kopfkissen legte und dann die Augen schloss.
 

Zero kam nach Kira und trat in den Gemeinschaftsraum. Er war in der Stadt gewesen. In dem Viertel, wo Kira arbeitete. Er hatte sehen wollen, wie es ihm dort erging, ob er zurechtkam, denn das war seine Aufgabe als Vize. Zu kontrollieren, ob seine Leute fair behandelt wurden. Und dann hatte er nicht mehr gehen können. Kira hatte so süß ausgesehen in dem Frack, den der Meister gestellt hatte, dass es einfach nicht mehr ging.

Erst nachdem er das Café verlassen hatte, hatte er sich langsam auf den Rückweg gemacht. Sehr langsam, denn in ihm tobten Gefühle. Gefühle, die er nicht mehr haben wollte. Er hatte den Blick gesehen, mit dem der Chef Kira nachgesehen hatte, und er wusste einfach, dass der auch auf Männer stand. Vielleicht ließ er sich das nicht anmerken, aber wenn er sich unbeobachtet fühlte… Der wollte was von Kira. Oder?

Andererseits. Die Eifersucht, die in ihm brannte, war nicht mehr gerechtfertigt. Er hatte Kira abgeschoben. Er wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben! Da konnte er ihm auch nicht im Weg stehen, wenn andere etwas von ihm wollten. Solange sie ihn nicht bedrängten…
 

Am nächsten Morgen kam Tsubasa zu Kira, als er eintrat. Er ging direkt auf ihn zu und lächelte ihn an. „Ich möchte dir noch etwas sagen. Jeder hier weiß das, aber du noch nicht. Also solltest du auf deinem Arbeitsplatz Probleme haben – Stress, Belästigung oder etwas, das dir in irgendeiner Hinsicht unangenehm ist -, dann sag mir bitte Bescheid. Wir halten hier zusammen, ja?“ Zero hatte ihn darum gebeten, ihm das mitzuteilen. Damit hatte er das jetzt getan.

„Kommst du mit zu mir? Zero-chan hat mich mal wieder im Stich gelassen, weil er etwas zu tun hatte.“ Er sagte es mit reichlich Ironie in der Stimme.
 

Überrascht blickte er den Älteren an, bevor ein kleines Kichern über seine Lippen glitt.

"Okay, mach ich, kein Problem. Und was..." Es fiel ihm schwer, den Namen auszusprechen, aber doch tat er es. "...was Zero betrifft: hättest du etwas anderes gedacht?" Kira wusste, dass er vorlaut klang, und doch kannte er keinen anderen Weg, um seine Unsicherheit und seine Gefühle zu überspielen.

"Was willst du denn machen?" Interessiert fragte er Tsubasa, legte dabei den Kopf schief.

Jetzt würde irgendetwas Unerwartetes kommen, Kira ahnte es schon.
 

Tsubasa lachte ob der Worte. Keiner hätte sich getraut, so über den Schwarzhaarigen zu sprechen. Kein Wunder, dass der Kleine hier es seinem Bruder angetan hatte. Er hatte Mumm. Ohne es zu wissen.

Doch bei der Frage blinzelte er ihn irritiert an. Was er machen wollte? „Eigentlich hatte ich ans Frühstücken gedacht. Dafür bist du doch gekommen, oder?“
 

Kurz blickte er sein Gegenüber an, dann fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. "Ja, natürlich. Entschuldige, ich bin noch ein wenig fertig von gestern..."

Langsam setzte er sich in Bewegung, setzte sich dann auf den Stuhl links von Tsubasa.

Gleich griff er nach der Kanne mit dem Tee, goss sich eine Tasse des heißen Gebräus ein und trank dann einen Schluck. Es tat gut.
 

„Anstrengend, was?“ Tsubasa hatte sichtlich gute Laune. „Aber macht es denn wenigstens Spaß?“
 

"Bisher schon..." Kira nervten die Mädchen zwar ein wenig, aber noch konnte er es aushalten. "Es ist genauso, wie ich es mir auch vorgestellt hatte. Ein schöner Job, aber anstrengend. Ich bin froh, dass ich ihn mir gesucht habe."

Kira schmierte sich ein Brötchen und biss hinein. Sein Magen hatte schon lautstark zu protestieren begonnen, warum er immer noch leer war.
 

„Das freut mich.“, erwiderte Tsubasa, dann schwieg er eine ganze Zeit lang. Bis ihm etwas einfiel.

„Sag mal, diesen Sonntag geht die ganze Gruppe ins Kino. Kommst du auch mit? Das ist so Tradition bei uns. Jeden Sonntag ist Familientag.“
 

"Ja, gerne." Die Antwort war schneller draußen, als er darüber nachgedacht hatte. Zero würde wahrscheinlich mitgehen... Aber wenn man bedachte, dass die Gruppe oder auch Familie, wie Tsubasa es nannte, nicht gerade klein war, würde er bestimmt nicht mit ihm konfrontiert werden. "Wisst ihr denn schon, was wir gucken?"
 

„Tja.“ Tsubasa wurde leicht rot. „Wir haben da so eine Klausel. Es geht der Reihe nach, wer entscheidet, was getan wird. Letzte Woche hat Mara entschieden, dass wir schwimmen gehen, diesmal waren die Chibi-Schwestern dran. Mach dir am besten keine zu großen Hoffnungen, dass es ein Film für Erwachsene ist. Freu dich lieber darüber, wenn es nicht Pokémon ist, sondern der neuste Film von Hayao…“

Er grinste. Offenbar störte es ihn nicht wirklich, das zu sehen.
 

"Ist doch toll." Und das meinte er ernst. Er fand es wunderbar hier. Jeder wurde wirklich in die Planung eingebunden und alle fühlten sich so wie eine einzige große Familie, was sie ja auch waren. "Ich habe kein Problem mit Trickfilmen. Ich mag sie sehr gern." Wieder eine Wahrheit. Er hatte früher nie ins Kino gehen können oder auch nur Fernsehen schauen können. Immer hatte man ihm eine Aufgabe aufgetragen oder ihn ganz einfach ausgeschlossen.

Langsam biss er von seinem zweiten Brötchen ab und spülte den Rest mit einem Schluck mittlerweile kalten Tee hinunter.

"Und wann gehen wir los?" Vielleicht konnte er ja vorher noch mal laufen gehen... Wenigstens ein paar Meter.
 

„Tja… Wohl nach dem Mittagessen.“ Tsubasa grinste ihn an. „Allerdings würde ich dir raten, bis dahin ein wenig Ruhe walten zu lassen. Geh ein bisschen ans Meer oder so, zu deinen kleinen Freunden, aber streng dich nicht zu sehr an. Du bist immer noch nicht ganz gesund. Der Doc hat mich extra vorgewarnt, dass er böse werden würde, solltest du in den nächsten zwei Wochen noch mal wegen Grippe bei ihm auflaufen.“
 

Sofort stellte er sein Vorhaben nach hinten. Er hatte sich schon so etwas gedacht... Er vermisste die Luft und die Freiheit, die er dabei verspürte zwar, aber deswegen würde er nicht riskieren, noch einmal zu dem Doc zu gehen. "Okay..."

Komischerweise hatte Kira das Gefühl, dass Tsubasa gerade seine Gedanken gelesen hatte. Egal, dann würde er halt nur zu den Katzen gehen. Gehen nicht laufen!

Noch einmal schenkte Kira sich etwas zu trinken ein, diesmal Milch und trank sie in einem Zug aus. Dann erhob er sich. "Ich geh dann mal wieder nach draußen... Ein bisschen frische Luft schnappen."
 

Tsubasa grinste ihn an, enthielt sich aber jeglichen Kommentars. Er wusste, dass Zero bei den Tieren draußen war. Er hatte ihn dorthin verschwinden sehen. Aber er wollte Kira nicht warnen, denn es könnte ja sein, dass sie sich dann nicht begegneten, und das sollten sie durchaus. Damit sie nicht vergaßen, wie der andere aussah.
 

Zero hockte tatsächlich bei den Katzen an der Mole und starrte aufs Meer hinaus. Eine weiße lag auf seinem Schoß und ließ sich streicheln, die anderen hatten sich um ihn herum geschart und lagen so faul in der Sonne. Zero hatte ihnen die Reste des Abendbrotes von gestern gebracht und ausnahmsweise waren sie mal alle satt geworden. Seit Sonnenaufgang saß er hier und er war froh, dass es wärmer wurde. Seine Finger waren ganz kalt. Wahrscheinlich war der Wind schuld, der hier wehte, aber er wollte auch nicht weg hier. Die Gesellschaft der Katzen war angenehm, weil sie ihn einfach so akzeptiert hatten. Sie verströmten so eine Aura von fauler Ruhe, der er sich zu gern anschloss…
 

Summend ging Kira zu seinem Zimmer und schnappte sich eine dünne Jacke. Im Gemeinschaftsraum war es warm gewesen, aber auf dem kurzen Stück zu seinem Zimmer hatte ein leichter Wind geweht, der ihm die Gänsehaut die Arme hinauf getrieben hatte. Bei den Katzen würde es dann garantiert noch kälter sein. Nach einem Griff war er wieder draußen, nun auf dem Weg zu den Tieren. Seinen Blick hielt er gesenkt, dachte über alles und doch nichts nach. Erst als ihm der unverkennbare Geruch der See in die Nase stieg, blickte er auf.

Und blieb stehen. Er sah den Ort, an dem die Katzen lagen. Und dort war schon jemand... Kira wusste, dass nur zwei Personen außer ihm zu einer solchen Tageszeit diesen Ort aufsuchen würden. Eine dieser beiden saß bestimmt noch im Gemeinschaftsraum und unterhielt sich laut lachend mit den anderen: Tsubasa. Also war es mehr als offensichtlich, wessen Silhouette er nun sah.

Ein mulmiges Gefühl stieg in ihm auf und Kira wusste nicht mehr weiter. Sollte er jetzt zu Zero gehen oder sollte er es lassen? sollte er hier weiter stehen, bis der andere ging? Was sollte er tun?

Langsam ging er weiter, setzte einen Fuß vor den anderen. Bis er bei den Katzen ankam, würde er sich entschieden haben. Wenn nicht, würde er ihn zwangsweise sehen, wenn Zero nicht Reißaus nehmen würde.
 

Zero bemerkte recht bald, dass etwas nicht stimmte. Erstens wurden die Katzen unruhiger, zweitens spannte sich sein Rücken an. Seit damals das sicherste Zeichen, dass er nicht alleine war. Es war ein Reflex, nicht unterdrückbar. Blieb noch die Frage, wer. Tsubasa nicht, den erspürte er auch. Und wenn es ein anderer war, dann würde dieser jemand wieder gehen. Sie wussten alle zu gut, dass man ihm nicht unter die Augen trat, wenn er alleine war - sprich nie.
 

Immer noch bewegte er sich nach vorn. Das mulmige Gefühl beherrschte sein Inneres. Sein Herzschlag begann sich zu beschleunigen, je näher er Zero kam. Fast schon hatte er Angst, dass er ihn deswegen hören könnte. Wahrscheinlich war es auch so. Aber was brachte es ihnen, wenn sie sich den Rest ihres Lebens anschwiegen?

Kira hatte dem Schwarzhaarigen eine Menge zu verdanken und was er für ihn empfand war alles andere als Hass... Warum also sollte er sich vor ihm verstecken?
 

Der andere kam näher, Zero spürte es. Und seine Anspannung wuchs. Es konnte keiner aus seinem Clan sein, denn keiner wäre so lebensmüde gewesen, jetzt noch hierher zu kommen.

Er spreizte die Beine ein wenig, um die Katze von seinem Schoß zu befördern und konnte dankbar dafür sein, seine heiß geliebte Lederhose zu tragen, weil sie natürlich ihre Krallen benutzte, um nicht ganz zu fallen. Im nächsten Moment stand er auch schon, die Ketten an seinen Seiten schwingend, noch bevor er sich umdrehte. Hass glänzte in seinen Augen.

Bis er Kira erkannte. Die Drehung der Ketten stoppte augenblicklich und sie verschwanden wieder in seiner Kleidung, während seine Augen von Hass zu Kälte umschlugen. Er blickte ihm entgegen, die Schultern gestrafft, das Gesicht nahezu ausdruckslos. Die Katzen strichen um seine Beine und maunzten kläglich, weil sie diese plötzliche Aggression nicht haben wollten. Einige waren sofort auf Kira zugelaufen, in der Hoffnung noch etwas zu bekommen. Stumm stellte er die Frage: Was willst du hier?
 

Kira zuckte zusammen, als er das bekannte Rasseln der Ketten hörte. Er selbst hatte seinen Steckstab dabei, aber er würde ihn nie gegen Zero einsetzten. Nie!

Ängstlich blickte er den anderen an, wurde etwas entspannter, als die Ketten verschwanden. Und dann sah er den Blick in seinen Augen. Er war eisig. Unbewusst zog er die Jacke noch ein wenig enger um sich. Die Atmosphäre war angespannt und auch die Katzen, die durch ihre Geräusche die beiden Jungen etwas aufmuntern wollten, hatten keine Chance. Er verstand die Frage hinter dem Blick, wusste allerdings nicht, was er antworten sollte.

Weswegen war er hier? Weil er dieses Schweigen der letzten Tage nicht mehr aushielt? Weil er nachgedacht hatte? Weil er mit ihm reden wollte? Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem.

Langsam, ohne den Schwarzhaarigen aus den Augen zu lassen, ging er zu dem nächstbesten Betonblock und ließ sich darauf nieder. Sofort sprang eine der Katzen auf seinen Schoß und rieb sich an seinem Bauch.

"Hi..." Die Stille war erdrückend und Kira wusste nicht, was er sagen sollte.
 

Zero starrte ihn an. Hi? War das alles? Interessant.

„Was willst du hier?“, stellte er die Frage erneut, diesmal mit eisiger Stimme. Die Tränen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Tränen, dass er ihn mochte. Verzweiflung. Das kalkweiße Gesicht. Ein Schock oder Abneigung. „Du brauchst dich nicht zwingen hier zu sein.“, spielte er auf Kiras Angst und dessen Unwohlsein an. „Du bist hier eh nicht willkommen.“ Seine Worte, ein reiner Schutzmechanismus und in ihrer Grausamkeit dem Schmerz in seiner Seele ebenbürtig.
 

Kurz weiteten sich Kiras Augen, dann blickte er zu Boden. Natürlich... Irgendwie hatte er sich so etwas schon gedacht. Warum war er überhaupt auf die Idee gekommen, hierher zu gehen? Es war ein Reinfall.

"Entschuldige, wenn ich dich störe..." Seine Worte waren ein ersticktes Flüstern. Seine Hand hatte sich in dem Fell der Katze verkrallt und diese schlug nun mit einer ihrer Pranken nach ihm, verfehlte ihn nicht und verpasste seiner Hand eine ziemlich tiefe Kratzspur. Mit einem Fauchen sprang sie von seinem Schoß.

"Verdammt..." Leise fluchend kramte er nach seinem Taschentuch, drückt es sich auf die Hand. "Ich... ich..." Seine Stimme erstarb. Er musste mit ihm reden, sonst würde die Zukunft nur schlimmer werden.

Er versuchte es noch einmal. "Ich... möchte mit dir reden. Über... letzte Woche."
 

Zero zog eine Augenbraue hoch. Reden? Über die letzte Woche? Da gab es nichts zu bereden. Es war ein Fehler gewesen. Ein Riesenfehler, der aus seinen überspannten Nerven resultiert hatte, aus seinem Kindheitstrauma. Es war vollkommen unsinnig darüber zu reden!

Und dennoch schwieg er. Weder ging er, noch machte er den nächsten Schritt. Er verschränkte lediglich die Arme vor der Brust.
 

Keine Reaktion. Seine Erwartungen waren eingetroffen. Nur hatte Kira noch gedacht, dass er gehen würde. Es muss ein Wink des Schicksals sein, dass er blieb und Kira so weiterreden konnte.

"Es... es tut mir leid, was geschehen ist. Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst, aber ich möchte, dass du die Hintergründe erfährst..." Entschlossen blickte er dem Schwarzhaarigen ins Gesicht.
 

Zero verlagerte das Gewicht auf sein anderes Bein. „Warum bist du dir so sicher, dass ich die Hintergründe hören möchte?“, fragte er böse. „Und außerdem… was tut dir leid? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?“
 

Da war es wieder. Dieses beklemmende Gefühl, dass ihm die Luft abschnürte, aber er durfte jetzt keinen Rückzieher machen. Jetzt war er schon so weit gekommen, hatte es sogar geschafft, dass Zero ihm zuhörte. Jetzt musste es raus.

"Ehm... weißt du... na ja... Ich- Ich wollte dir sagen, dass..."

Was war los? Warum bekam er keinen ganzen Satz heraus?
 

Zero blickte ihn an und Wut machte sich in seinem Bauch breit. Was druckste dieser Bengel denn jetzt so herum? Warum konnte er ihm nicht einfach sagen, dass es ein Fehler gewesen war, dass er versucht hatte, ihm näher zu kommen? Warum konnte er es nicht schnell und schmerzlos machen? Warum quälte er ihn so? Wenn er Angst vor den Ketten hatte… der beste Beweis, dass er ihm nichts tun würde, war doch, dass sie nicht mehr in seinen Händen waren!

„Warum kannst du mir nicht einfach sagen, dass du Schuldgefühle hast? Du bist von den Storms nicht verbannt worden, nicht wahr?“ Der Gedanke kam schneller, als er darüber nachdenken konnte, und war noch schneller ausgesprochen. „Du bist hier, weil sie mich hassen, weil du dich hier einschleimen solltest, um ihnen endgültig den Sieg zu schenken! Und weil dir selbst das nicht als Aufgabe genügt, hast du dir gedacht, dass es doch sicher eine große Tat sein würde, wenn du dir die beiden Anführer zum Freund machst, weil sie dich dann nicht für gefährlich halten werden!“ Die grünen Augen glommen fanatisch auf, während das Grinsen immer böser wurde. „Und jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, weil du gesehen hast, dass hier ein friedliches Leben auf Basis von Respekt und Freundschaft verläuft, von dem du in deinem Clan nur träumen kannst. Es tut dir leid, weil die Zwillinge so lieb zu dir waren!“ Er lachte einmal, gefühlskalt. „Du kannst einem Leid tun.“
 

Kira sagte nichts. Gar nichts. Er spürte, dass Zero wütend war, bemerkte, dass sich die Atmosphäre geändert hatte. Und trotzdem... Die Worte waren hart. Einschleimen? Dass er Schuldgefühle hatte, stimmte vielleicht. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass es seine Schuld war, dass er und Zero nicht mehr miteinander sprachen, aber er würde sich nie so verabscheuungswürdig verhalten und sich bei anderen Leuten einschleimen.

Schnell hatte Kira den kurzen Weg zwischen sich und Zero überwunden und noch eh er sich seiner Tat bewusst war, hatte er dem Schwarzhaarigen eine schallende Ohrfeige verpasst. Wie konnte er so etwas nur sagen? Dachte er wirklich, dass Kira nicht offen war? Nur gespielt hatte?

Einzelne Tränen liefen aus seinen Augen und bevor noch ein weiteres Wort gesagt werden konnte, hatte er sich umgedreht und war davon gerannt.
 

Zero starrte reglos auf die Steine zu seiner Linken, nahm nichts mehr wahr um sich herum. Er konnte sich nicht mehr rühren. Etwas an dieser Reaktion war falsch. Sie war nicht das, was er erwartet hatte. Er hatte so viel erwartet. Gelächter und Lustigmachen über seine Enttarnung und seine Leichtgläubigkeit, Erschrockenheit und Bekenntnis, eine Entschuldigung, weil er es ihm ja gerade hatte beichten wollen, Flehen um Gnade und noch etliches mehr, aber das… das nicht. Die Tränen hatte er nicht erwartet. Jedenfalls nicht diese. Tränen der Enttäuschung, dass er ihn enttarnt hatte, aber keine Tränen des Schmerzes, der Verletztheit, der… Wut.

Er hatte den Schlag nicht kommen sehen, weil er in seiner Arroganz erwartet hatte, dass er nicht kommen würde. Er hatte sich geirrt.

Vor seinen Augen perlten erneut glitzernde Tränen zu Boden, das letzte, das er vor Kiras Abgang gesehen hatte, dann wurde es in seinem Geist dunkel und er schaltete alles ab.

Hatte er es nicht gesagt? Er hatte den Jungen zu sehr in sein Herz gelassen. Er empfand Mitleid. Weil er ihn verletzt hatte. Etwas, das ihm sonst absolut scheißegal war. Und er empfand Scham, weil seine Hypothese falsch gewesen war. Oder? Oder war Kira einfach nur ein hervorragender Schauspieler? Er konnte es nicht mehr sagen.
 

Er lief schnell. Rannte! Er musste weg, in sein Zimmer, irgendwo hin. Die Tränen liefen ihm nur weiter aus den Augen. Er hatte keine Möglichkeit sie zu stoppen. Immer wieder spulte sich die Szene vor seinem inneren Auge ab. Die Worte Zeros, dieser fanatische Blick und dann dieses Lachen. Er hatte schneller gehandelt, als er denken konnte, und noch immer zitterte seine Hand.

Mittlerweile hatte es auf seinen ganzen Körper übergegriffen und es war schwierig, noch weiterzugehen. Aber innerlich war er unruhig und Kira konnte einfach nicht aufhören zu gehen. Ohne ein festes Ziel vor Augen lief er durch die Fabrikgebäude, am Gemeinschaftsraum vorbei und immer weiter die Straße entlang. Es war egal, wo er ankam, Hauptsache er bewegte sich.
 

Es war genau zwölf Uhr zweiunddreißig, als Zero die Treppe zu seinem Zimmer herunterkam, und Tsubasa ließ das Glas, aus dem er hatte trinken wollen, entgeistert sinken.

Zero sah verändert aus. Seine Augen blickten dunkler als sonst, noch starrer, stärker auf Dark geschminkt, sein Mund war grimmig verzogen, seine Haare waren zu einem strengen Zopf geflochten und das grüne Stirnband verdeckte halb seine Augen. Die Kleidung war auch anders. Er trug eine weitere Hose als sonst, der Mantel war ein anderer, trug ein anderes Zeichen auf dem Rücken: das Zeichen für Zerstörung in blutrot. In seiner Hand blinkte poliert ein schwarzer Stab, auf dem rote, fernwestliche Symbole prangten. Auf dem anderen Arm trug er Josie, die still auf die fremden Wesen herabblickte, auf die sie zugingen. Es wirkte fast so, als hätte sie für all jene nur Verachtung übrig, obwohl sie nur Eingeschüchtert war.

Tsubasa wusste sehr wohl, was das zu bedeuten hatte. Zero war auf dem Kriegspfad, aber dass er Josie mitnahm? Das war gegen seine Prinzipien! Er zog unschuldige, wehrlose niemals in einen Kampf mit hinein? Was zum Teufel hatte er vor?

Er wollte aufstehen, doch ein einziger Blick vermittelte ihm, dass es besser wäre, sitzen zu bleiben und den Mund zu halten. Ohne dass er etwas tun konnte, verließ Zero den Gemeinschaftsraum und ließ eine Gruppe geschockter Drachen zurück. So hatten sie Zero noch nie gesehen!
 

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Hallo hallo^^

Hier melden sich nun einmal die Autoren zu Wort. Wir würden gerne von euch wissen, welche Charaktere euch am besten gefallen. Benotet werden sie mit 1-6, genau wie in der Schule. Und über eine Begründung wäre ich froh^^
 

Zero:

Kira:

Tsubasa:

Josie:

Chibi-chi und Chibi-chan:
 

Wir freuen uns auf rege Beteiligung^^ Ihr werdet im nächsten Kapitel natürlich eine Auswertung bekommen ^-^
 

*alleknuddel*

Hime und Shirokko

Kapitel 13

Hallöchen =^.^=

Ich danke den Lesern, die an der Chara-Umfrage teilgenommen haben und somit ihre Stimmen hinterlassen haben. Hier darf ich nun die Auswertung verkünden:
 

Zero: alles 1

Tja, wie es scheint, ist er eurer allgemeiner Liebling =^.^= Ich kann dem nur nachfühlen: Ich mag ihn auch am meisten ^^
 

Kira: sechs mal die Note 1 und ein mal die Note 2

*freu* Dieses Ergebnis ist wirklich schön^^ Teilweise habe ich nämlich das Gefühl gehabt, dass ihr Kira nicht mochtet. aber die Umfrage hat ja gezeigt, dass dem nicht so ist^^
 

Tsubasa: sechs mal die Note 1 und ein mal die Note 2

Sehr schönes Ergebnis^^ Ich persönlich mag Tsubasa fast genauso gern wie Zero^^ die beiden sind einfach nur süß zusammen...
 

Josie: sechs mal die Note 1 und ein mal die Note 2

Zu ihr muss man nicht mehr viel sagen ^^ es ist einfach goldig, was für Sätze sie in den unpassendsten Situation sagt *grins*
 

Chibi-Chi und Chibi-chan: sechs mal die Note 2 und ein mal die Note 1

Tja, ich kann euch nachfühlen... aber trotzdem sind sie ja schon süß^^ Regelmäßig überfordern sie Kira, wo sie doch total die Gegensätze von unserem grummeligen Eisklotz Zero sind ^^
 

Danke noch mal für die Teilnahme und nun viel Spaß beim nächsten Kapitel =^.^=
 

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Kapitel 13:
 

Selbst als Kira am U-Bahnhof ankam, lief er weiter, machte keine Anstalten zu stoppen. Immer weiter in den kleinen Vorort, welcher etliche Kilometer nach dem Bahnhof kam. Erst als er in der Ferne die ersten Dächer der Häuser sehen konnte, beschloss er umzudrehen.

Er kümmerte ihn zwar nicht, dass die anderen sich Sorgen machen könnten, aber er hielt es trotzdem für besser, wieder zurückzugehen. Sein Blick war stur auf die steinige Straße unter sich gesenkt und erst als er wieder beim Bahnhof war, blickte er auf. Nun war es schon wahrscheinlicher, dass er wieder Personen begegnete. Vorher, in der Wallachei konnte er einfach seinen Gedanken nachhängen. Jetzt musste er aufpassen.

Und seine Achtung wurde belohnt. Schon nach einigen Metern kam er ihm entgegen, mit wehendem Mantel, und die Atmosphäre, die ihn umgab, hatte sich keinen Hauch geändert, seit er ihn an der Mole verlassen hatte. Immer noch war Hass zu spüren.

Schnell tauchte er in eine dunkle Seitenstraße ab und lief auf einen Umweg zu seinem Zimmer zurück.
 

Zero hatte den Schatten nicht bemerkt. Seine Gedanken waren zu sehr in sich gekehrt. Ihm waren Dinge gekommen, die ihn entsetzt hatten. Er hatte den Tod von Tama vergessen zu rächen, der von den Tigers ermordet worden war. Er hatte sein Training vernachlässigt. Er hatte auf Herausforderungen nicht reagiert, die ihm geschickt worden waren, hatte seinen Ruf vernachlässigt. Und das alles nur wegen Kira. Nur wegen ihm…

Er würde das nachholen. Er würde es alles nachholen. Und während er das tat, würde er darüber nachdenken, was hier eigentlich mit ihm geschah. Und wenn er damit fertig war, dann würde er sich überlegen, was er mit Kira machen würde. Ob er ihn am leben ließ oder ob er ihn doch lieber umbrachte, um vor einem erneuten Gedankenaussetzer bewahrt zu bleiben.
 

Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, schloss er erschöpft die Augen und lehnte sich dagegen. Was sollte das alles?

Doch noch bevor er weiter in irgendwelche Abgründe eintauchen konnte, wurde er von der Tür weggerissen und stürmischst begrüßt. Wie es aussah, waren Chibi-chi und Chibi-chan diesmal in seinem Zimmer geblieben oder zumindest dahin zurückgekehrt, um ihn zu erwarten. "Kira-chan!", kreischte Chibi-chi, während ihre Schwester es ihr gleichtat und den Jungen von hinten umarmte. Er war gefangen.

Zu erschöpft um sich zu wehren, ließ er die Liebkosungen der beiden über sich ergehen und sagte auch nichts, als sie sich zu ihm ins Bett legten. Vielleicht konnte er das bisschen Gesellschaft gebrauchen. Vielleicht aber auch nicht. Sobald er in ihre Gesichter sah, die nur ein paar Zentimeter von seinem entfernt waren, musste er wieder an Zeros Worte denken.

Es tut dir leid, weil die Zwillinge so lieb zu dir waren! Laut hallte die Stimme in seinem Kopf wider. Verzweifelt hielt er sich die Ohren zu, schüttelte den Kopf und flüsterte immer wieder, dass es aufhören möge. Nichts geschah. Immer und immer wieder wiederholten sich die Worte, wie ein endloslanges Hörspiel. Kira wand sich in dem Bett, hatte die Augen fest geschlossen und war sich nicht den Blicken der beiden Mädchen bewusst, die sie ihm schon seit geraumer Zeit zuwarfen. Sie hatten sich aneinander gelehnt, hofften, dass Kira sich wieder beruhigen würde, doch das passierte nicht.

Nach Ewigkeiten standen sie auf und zogen sich in ihr eigenes Zimmer zurück. Und Kira blieb allein in seinem Bett zurück. Leise rannen ihm ein paar Tränen über die Wangen, um zu beweisen, wie sehr die Worte die Unwahrheit sprachen.
 

Der nächste Tag war Sonntag, der Tag des Gruppenausfluges, doch die Stimmung im Gemeinschaftsraum war angespannt und ernst. Es war allgemein bekannt, dass Zero in der Nacht nicht zurückgekommen war. Und es machte die Runde, dass die Polizei in der Früh einen totgeschlagenen Jungen in einer Seitengasse gefunden hatte, ohne die geringsten Anzeichen von Spuren. Zeugen gab es keine. Die Nachrichten berichteten davon am laufenden Band.

Für die Dragons stand außer Frage, dass es Zero gewesen war. Der tote Junge war von den Tigers gewesen. Er war einer derjenigen gewesen, die sich mit dem Tod von Tama gebrüstet hatten. Er hatte endlich dafür bezahlt.

… Zero hatte lange dafür gebraucht…

Tsubasas Blick wanderte zum werwusstewievielten Male zu Kira, der schweigsam an einem der Tische beim Mittagessen hockte. War der Junge sich darüber im Klaren, dass er einen großen Teil der Schuld trug?
 

Eigentlich hatte er am Morgen nach dem Erwachen keine Lust gehabt zum Frühstück zu gehen und doch hatten ihn seine Beine fast von allein dort hingetragen. Das gleiche war beim Mittagessen passiert. Wieder hatte er sich an den Tisch gesetzt, sich ein paar Löffel des Essens aufgetan und dann vor sich hingestarrt, stumm, und lustlos im Essen rumgestochert. Kira bekam mit, dass die Nachrichtensprecherin immer wieder von einem toten Gangmitglied sprach und trotzdem verschwendete er keinen Gedanken daran. Einzig und allein der gestrige Tag lief vor seinem Auge ab. Er fühlte sich, als würde er in einem Kino sitzen und wäre an seinem Stuhl festgeklebt. Immer wieder lief der gleiche Film, er konnte aber nicht aufstehen und den Saal verlassen.

Missmutig schob er sich ein letztes Stück einer Kartoffel in den Mund, bevor er sich erhob und seinen Teller in die Küche brachte, bereit sich wieder in sein Zimmer zu verziehen.

Angekommen legte er sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Mord... Es wurde jemand aus einer anderen Gang getötet, und die Stimmung, die beim Essen geherrscht hatte, zeigte deutlich, dass sie wussten, wer dahinter steckte. Und da nur einer nicht beim Essen erschienen war, konnte auch Kira eins und eins zusammenzählen. Zero hatte den Jungen getötet.

Warum? Warum war er so auf Gewalt fixiert? Dachte er, er müsste alle rächen, weil er der Vize war? Jedenfalls hatten die anderen gesagt, dass es Rache für einen der ihren war. Aber warum? Warum nur?

Mit einem Mal erwachte ein Drang in Kira. Er wollte es wissen. Wollte erfahren, warum der Schwarzhaarige so war, wie er war. Auch wenn er ihn in manchen Augenblicken erschreckte, war er doch fasziniert von Zero. Und es gab nur eine Person, die ihm vielleicht eine Antwort auf seine Fragen geben würde und die überhaupt etwas über Zero wusste: Sein Bruder. Tsubasa.

Plötzlich erinnerte er sich an das Gespräch mit eben jenem am Samstagmorgen. Es war Familientag. Alle wollten ins Kino. Kira konnte nicht ewig in seinem Zimmer sein, sich verkriechen und jedem Kontakt mit den anderen vermeiden. Schon beim Essen hatte ihn keiner angesprochen und so glaubte er auch nicht, dass sie ihn überfallen würde, sollte er mitgehen. Und es wäre zumindest eine zeitweilige Ablenkung.

Entschlossen erhob er sich vom Bett und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er sollte Tsubasa fragen, wann sie losgingen. Vielleicht könnte er dann auch seine anderen Fragen loswerden...

Langsam nahm er sich seine Jacke und schlenderte zum Gemeinschaftsraum. Wenn er Tsubasa irgendwo finden wollte, dann dort. Leise öffnete er die Tür, trat herein und blickte sich um. Auf den ersten Blick konnte er den Schwarzhaarigen nirgends sehen. Am besten er fragte einen der anderen.

Das Mädchen, welches ihm am nächsten stand, hatte ihre Augen auf Kira gerichtet und dieser spürte ihren Blick im Nacken. Langsam wandte er sich um, blickte sie an und stellte seine Frage. "Weißt du, wo Tsubasa ist?"
 

Sie nickte und zeigte nach oben, dann ging sie weiter. In ihren Augen war ein dunkler Schatten und auch sonst war die Stimmung in diesem Raum ziemlich angespannt. Es schien nicht wirklich so, als würden sie alle freudig erwarten einen kitschigen, bunten Film zu sehen. Auch die Zwillis waren stiller, als man angesichts der Tatsache, dass sie bestimmen durften, gewohnt war.
 

Mit einem kurzen Nicken bedankte er sich bei ihr und blickte dann nach oben. Abrupt musste er an Zero denken, als er vor ein paar Wochen das Mädchen die Treppe hinuntergeworfen hatte. Aber darum ging es nicht. Zero war nicht da, also konnte ihm nicht das Gleiche blühen.

Schweigend lief er die Stufen nach oben, versuchte sich in Gedanken seine Worte zurechtzulegen. Als er den letzten Treppenabsatz bestiegen hatte, blickte er sich um. Niemand war zu sehen, die Türen zu beiden Seiten geschlossen. Leise sprach er in die Stille.

"Tsubasa?"

Es kam keine Antwort. Stattdessen bemerkte Kira jetzt den Schall von Musik, der leise durch den Gang wehte. Als er sich Tsubasas Tür näherte, wurden die Geräusche lauter. Er konnte nicht einfach in sein Zimmer gehen, das war klar. Unentschlossen stand Kira vor der Tür, überlegte, was er tun könnte, um auf sich aufmerksam zu machen. Sachte klopfte er schließlich mit den Knöcheln an das Holz. Er wartete ein paar Minuten, doch es ertönte keine Reaktion. Er versuchte es noch mal. Diesmal lauter. Und wieder keine Reaktion.

Er stand nun schon seit geschlagenen fünf Minuten vor der Tür, als er in einem Augenblick der Wut seine Faust gegen das Holz krachen ließ.
 

Nur ein paar Sekunden später wurde selbiges aufgerissen und Tsubasa starrte auf ihn herab, seine Augen missmutig über die Störung verzogen, seine Haare wirr. Als er ihn jedoch erkannte, seufzte er und entspannte sich sichtlich.

„Hi, Kira-chan.“, lächelte er ihn an und strich sich durch das offene, lange Haar. „Komm rein. Die da unten sollen die laute Musik nicht ertragen müssen.“ Einladend trat er zur Seite.

Tsubasas Zimmer war genauso groß wie Zeros, nur etwas freundlicher eingerichtet. In einer Ecke, genau Zeros Bett gegenüber stand auch ein Bett, drum herum Vorhänge und Stoffe gespannt in den Tönen grün und rot. Eine Sofainsel stand mitten im Raum unter einem altmodischen Kronleuchter, Bücherregale füllten die Wände, ein PC stand in der hintersten Ecke, abgeschirmt von allem, ansonsten gab es noch Sessel, eine Kommode, auf der die Musikanlage stand, einen Fernseher, Unmengen von Kissen und Decken, Kuscheltieren und Postern von wunderschön anmutenden Frauen in wallenden Gewändern. Kerzenleuchter überall. Ein durch und durch mittelalterlich-westlich gestalteter Raum – wenn man von dem technischen Schnickschnack absah.

Er stellte die Musik leiser.

„Willst du was trinken? Ich hab Tee da…“
 

Dankend nickte er Tsubasa zu und betrat dann das Zimmer. Und ihm gefiel, was er sah. Ganz eindeutig. Langsam ließ er den Blick durch alle Ecken und Schränke wandern, bevor er die Frage seines Gastgebers beantwortete:

"Ja, gerne, danke..." Vielleicht würde das seine Zunge lösen und ihn die richtigen Worte finden lassen.
 

Tsubasa ging zu einem Schrank und holte eine Tasse daraus hervor, stellte sie zu seiner und der Kanne auf den Tisch, goss etwas heißen Grüntee hinein. „Setz dich.“, sagte er und ließ sich selbst in einen Sessel fallen. Er war fertig. Zero hatte sich noch immer nicht gemeldet, es war eine Drohung der Tigers eingetroffen, dass sie sich rächen würden. Anscheinend waren doch Zeugen vor Ort gewesen. Möglicherweise waren jene sogar schwer verletzt… Ein Grund, warum der Kinobesuch abgeblasen wurde.

Der zweite Grund war, dass er hier nicht weg konnte! Sollte Zero zurückkommen und er wäre nicht da, konnte wer weiß was passieren. Er könnte verletzt sein und nicht zum Doc gehen, weil er ihn brauchte. Er könnte ausrasten, wie schon einmal. Er könnte in Depressionen versinken. Er könnte…

Tsubasa sprang wieder auf die Beine und lief in dem Raum hin und her. Kira hatte er mittelmäßig aus seinen Gedanken getilgt. Die Sorge um Zero überwog. Mannigfach.
 

Langsam ließ er sich in einen der Sessel sinken und nahm dann die Tasse zwischen die Finger. Sie war schön warm... Vorsichtig nahm er einen Schluck und stellte die sie dann wieder ab. Mittlerweile war Tsubasa aufgestanden und wanderte wie ein unruhiger Löwe durch das Zimmer.

Kira musste Lächeln, als ihm der Vergleich bewusst wurde. Eigentlich stimmte es sogar. Tsubasa war stark. Im Zweifelsfall vielleicht sogar stärker als Zero. Genau konnte er das nicht sagen, aber zumindest vermutete er es.

Aber es änderte auch nichts daran, dass er wegen Fragen hier war. Und er wollte Antworten haben. Unbedingt. "Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen... über Zero." Seine Augen blickten suchten die Tsubasas.
 

Der Schwarzhaarige hielt mitten in der Bewegung inne, starrte ihn vollkommen aus den Gedanken gerissen an. „Wie?“, fragte er. Er hatte Zeros Namen gehört. Was war denn jetzt los? War Kira nicht seit ein paar Tagen vollkommen auf Abstand, wie Zero auch? War er nicht daran schuld, dass Zero gestern so durchgedreht war? Nun gut, er hatte keine Beweise dafür, aber es kam ihm logisch vor, war Zero doch gekommen, nachdem Kira bei ihm und den Katzen gewesen war… Und da war er schon so komisch drauf gewesen…

Wieder drifteten seine Gedanken ab. Was hatte das ausgelöst? Was… „Was ist am Meer passiert, wo du auf Zero getroffen bist?“, platzte er heraus. „Was… was hast du getan? Was hat ihn so aufgebracht?“ Es war ihm nicht einmal bewusst, dass es wie eine Schuldzuweisung klang. Er gab Kira nicht die Schuld, aber er war so sehr in Gedanken, dass ihm keine andere Formulierung einfiel.
 

Erschreckt drückte sich Kira noch ein Stück tiefer in den Sessel. Was war denn jetzt los? Drehte Tsubasa jetzt auch noch durch?

"Ich..." Kurz stockte er. Dann fuhr er fort, fand schnell die passenden Worte und erzählte Tsubasa die ganze Geschichte. "Ich wollte zu ihm gehen... und mit ihm reden. Er hat mich allerdings nicht einmal zu Wort kommen lassen." Sein Blick senkte sich. Wieder waren ihm die Anschuldigungen in den Sinn gekommen, mit denen Zero ihn belastet hatte. "Er hat mich beschuldigt, ein Spion zu sein, euch hintergangen zu haben..." Immer noch traf es ihn hart, auch wenn er die Worte nur wiederholte. Seinen Blick hatte er gesenkt. "Er meinte, wahrscheinlich würde ich bei den Storms hoch angesehen sein, würde ich zurückgehen..." Seine Hand hatte sich wie aus einem Reflex zu seiner Schulter bewegt, und verkrallte sich nun in dieser. Allein der Gedanke an die schlimme Zeit, ließ in ihm den Schmerz wieder aufkeimen.
 

Tsubasa starrte ihn entgeistert an. Das… das hatte Zero wirklich geglaubt? War der denn verrückt geworden? Was war denn in ihn gefahren? So misstrauisch war er doch sonst nie?

Oder… konnte es vielleicht sein, dass er geflohen war? Er hatte das schon einmal erlebt, als Zero noch kleiner gewesen war. Damals, als alles gerade vorbei gewesen war und er von Misstrauen zerfressen worden war. Damals hatte er sich auch Dinge ausgemalt, die niemand Vernünftiges nachvollziehen konnte. Er hatte Menschen Dinge an den Kopf geworfen, die so sehr aus dem Zusammenhang gerissen worden waren, dass es wirklich schon gruselig gewesen war, unter welcher Art von Paranoia er litt… Hatte er etwa einen Rückfall erlitten?

Tsubasas Stimme zitterte, als er sich langsam wie ein alter Mann in seinen Sessel sinken ließ. Fassungslose Anspannung hatte seinen Körper heimgesucht. „Was hast du ihm darauf geantwortet?“ Wie konnte es sein, dass Kira noch lebte und Zero stattdessen seinen Frust oder was auch immer an anderen auslebte? Das war vollkommen untypisch!
 

Kurz blickte Kira dem Schwarzhaarigen in die Augen, dann wandte er den Blick ab. "Ich habe ihm eine Ohrfeige verpasst... Und nichts gesagt..." Es war ihm im Augenblick vielleicht unangenehm, Tsubasa alles zu erzählen, aber er bereute keine seiner Reaktionen. "Dann hab ich mich umgedreht und bin einfach gegangen..."
 

Tsubasa starrte ihn an. Fassungslos. Er hatte ihn… geschlagen? Und er lebte noch? Was… was zum Teufel ging in Zero ab? Was dacht er? Warum war er plötzlich so undurchschaubar für ihn geworden? Seit wann konnte er Zero nicht mehr lesen? Seit wann entfernte er sich so sehr von ihm?

Seine Augen wurden trübe, als er versuchte sich darüber klar zu werden, was das für sie hieß, wenn Zero so aus dem Ruder lief.
 

Stumm beobachtete er Tsubasa, sagte keinen Ton mehr. Was sollte er auch sagen... Wenn schon Tsubasa von Zero überrascht schien, was war dann mit ihm? Er kannte den Vize ja noch weniger.

Langsam griff er wieder nach seinem Tee, nahm noch einen Schluck. Sein Körper entspannte sich ein wenig, war aber nicht völlig gelöst.
 

Tsubasa rührte sich ebenfalls nicht. Eine ganze Zeitlang nicht. Und dann sprang er plötzlich auf, rannte zu der kleinen Kommode und griff nach einem Telefon, tippte hastig ein paar Nummern ein, wartete. Sichtlich mit den Nerven am Ende stützte er sich mit einer Hand auf dem Holz ab, trommelte mit den Fingern darauf.

„Geh ran!“, murmelte er. „Mach schon, geh ran!“

Doch alles, was kam, war die freundliche Stimme, die ihm mitteilte, dass das Handy gerade nicht benutzbar oder die Nummer nicht mehr aktiv war.

Verdammt! Zero! Der Chinese hatte wirklich hervorragend dafür gesorgt, dass er nicht an ihn herankam, wenn er das nicht wollte!
 

Sobald Tsubasa durch das Zimmer stürmte, verspannte sich der Blonde wieder und folgte dem anderen mit den Augen. Er ging zu einem Telefon... und er telefonierte. Allerdings schien an der anderen Seite niemand abzunehmen.

Kira fühlte sich fehl am Platz. Er wusste nichts zu sagen und das einzige was er machte, war Tsubasa zu beobachten. Und das kam ihm falsch vor. Wusste der Geier warum.
 

Der Schwarzhaarige warf den Hörer zurück auf die Gabel und lief zu einem Schrank, in dem er im nächsten Moment zu kramen begann. Schnell landeten ein Shirt, eine Hose und ein Mantel hinter ihm auf dem Boden, das grüne Band segelte zu Boden und landete weich darauf.

Er hielt es nicht mehr aus. Er hielt es nicht mehr aus, hier herumzusitzen! Er musste etwas unternehmen, bevor Zero von der Polizei festgesetzt wurde oder von einem seiner Gegner in den Boden gestampft wurde. Wobei, die Polizei war wahrscheinlicher. Und der Tod der Einsatzkräfte auch…
 

Kira beobachtete den Schwarzhaarigen, während er unruhig durch das Zimmer lief. Er musste was sagen... Aber was? Momentan sah es ganz so aus, als wenn Tsubasa gehen wollen würde. Zu Zero.

Nachdenklich blickte Kira auf seine leere Tasse und sah dann auf, sprach direkt zu Tsubasas Rücken. "Ich... ich bin mir über meine Gefühle nicht im Klaren. Ich weiß nicht was ich denken soll und... Und ich verstehe Zero nicht." Die letzten Worte waren mehr ein Flüstern. "Und ich würde ihn gerne verstehen... Egal wo du jetzt hingehen willst... Nimmst du mich mit?" Er wusste nicht, warum er nun so entschieden hatte, aber es schien das einzige, was er machen konnte. Und rumsitzen wollte er nicht mehr. Die letzte Woche, mit der Krankheit war schlimm gewesen...
 

Tsubasa blickte sich zu ihm um, starrte ihn fast erschrocken an. Er hatte schon wieder vergessen, dass er nicht alleine war. Schon komisch. Und diese Worte... Er... er wollte mit? Zu Zero? Weil er ihn nicht verstand? Oder vielleicht eher, weil er mit ihm reden wollte? Über Zero? Das war... Na ja, das war schon irgendwie vernünftig, nachdem Zero diesen ganzen Schmus nur wegen ihm tat.

"Ich weiß ja noch nicht mal, wohin ich gehen muss.", seufzte er. "Das hier..." Ein leicht schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Das hier war ein Kurzschluss. Ich wollte ja gar nicht weg. Es... es macht mich verrückt, das ist alles. Es macht mich verrückt, dass er all das alleine durchmachen will und dabei alles riskiert, was er hat." Er kam zu Kira zurück und hockte sich auf das Sofa, stützte den Kopf in die Hände. "Er wirft alles weg was er sich so mühsam aufgebaut hat."

Eine ganze Zeitlang sagte er nichts mehr, unterdrückte den Drang, doch noch fortzulaufen, um seinen Bruder zu suchen. Es war nicht so einfach, aber er schaffte es. Letztendlich. Und im Grunde auch nur, weil ihm wieder einfiel, dass und warum Kira da war. Er hob den Kopf und lächelte ihn freundlich an. "Aber das ist nicht so wichtig. Du wolltest Fragen stellen. Das hast du jedenfalls gesagt. Also dann los, stell deine Fragen. Ich werde mich bemühen, sie zu beantworten, auch wenn ich keine Garantie gebe, dass ich auf alle Fragen eine Antwort weis oder preisgeben kann."
 

Gespannt lauschte Kira dem Jungen und lächelte ihn vorsichtig an, als er schließlich neben ihm saß. "Danke..." Den ersten Schritt hatte er geschafft zu gehen, auch wenn es ihn viel Überwindung gekostet hatte. Jetzt konnte er erfahren, was er wollte. Was Tsubasa ihm sagen wollte.

"Zero... Er hat nicht besonders viele Freunde, oder? Ich meine Freunde, die ihm nahe stehen. Er ist immer so kalt und so gewalttätig." Okay, letzterer Punkt lag wahrscheinlich auch daran, dass er nun mal der Vize der Gruppe war und wahrscheinlich den Drang hatte, alle zu beschützen. "Was ist passiert, dass er so geworden ist wie er ist?" Bewusst sah Kira dem Schwarzhaarigen in die Augen. Er wollte diese Antwort haben, er wollte diese Informationen haben, um sein Innerstes ein wenig mehr zu verstehen.
 

Tsubasa lächelte etwas traurig. „Das ist genau das, was ich dir nicht sagen kann“ Er seufzte. „Es gibt Dinge, die einem viel bedeuten und die man nicht aussprechen kann. Du solltest Zero selbst fragen, was passiert ist.“ Er machte wieder eine kleine Pause. „Er allein hat das Recht, darüber zu entscheiden, wer von dem weiß, was er erlebt hat. Nur soviel: Er hatte es niemals leicht im Leben. Er musste immer kämpfen.“
 

Seufzend schloss Kira die Augen und lehnte sich in dem Sessel zurück. So etwas hatte er sich schon gedacht. Wie hätte es denn sonst sein können, dass Zero so selten lächelte?

Gut, dann müsste er die wichtigsten Antworten wohl allein sammeln und wirklich den Betreffenden persönlich fragen. Ob dieser ihm dann antworten würde, stand allerdings auf einem anderen Blatt.

Noch einmal schluckte der Blonde, bevor er das Wort wieder an Tsubasa richtete. „Und warum ist er gerade so schlecht auf mich zu sprechen? Du weißt doch garantiert über alles Bescheid...“
 

„Klar, weil er so gerne mit mir spricht.“ Tsubasa ließ sich zurückfallen und schloss die Augen. „Aber ich hab da so eine These...“

Kurz schielte er zu Kira hinüber, bevor er diese aussprach. „Ich bin mir nicht sicher – nur damit du meine Worte nicht allzu ernst nimmst – und es klingt mit Sicherheit ziemlich verdreht, aber vielleicht kann er ja einfach nur nicht damit umgehen, dass er jemanden gefunden hat, der ihm sympathisch ist.“
 

Langsam ließ der Blonde die Worte auf sich einwirken. Verdreht klang diese These schon, aber doch auch logisch. War es nicht auch oft bei kleinen Kindern so, dass man denjenigen, den man mochte, ärgerte oder sogar nicht beachtete? Eigentlich hatte Zero nichts anderes gemacht. Und doch steckte hinter der ganzen Sache noch viel mehr, als Kira im Moment auch nur erahnen konnte.

„Verdreht ganz sicher, aber auch verständlich... “ Kurz zögerte er, bevor er weiter sprach. „Ich... ich bin im Moment ziemlich durcheinander, was meine Gefühle und Gedanken betrifft, aber eins kann ich dir sagen: Ich hasse Zero nicht... Ich mag ihn. Sehr sogar.“
 

Tsubasa blickte ihn wieder an. Lange, nachdenklich. Und dann: „Das sah letztens aber nicht so aus.“
 

Fragend blickte Kira sein Gegenüber an. Wovon redete er? „Was meinst du?“
 

„Als ich dir sagte, dass er dich gern hat. Schock ist auf eine solche Nachricht nicht unbedingt die vorteilhafteste Reaktion. Jedenfalls nicht die Art, die du an den Tag gebracht hast.“
 

„Häh?“ Verwirrt starrte der Blonde Tsubasa an, bevor ihm einfiel, was der andere meinte. Damals... in Zeros Zimmer! Da hatte Tsubasa es ihm gesagt und Kira hatte erkannt.

„Oh...“ Nun verstand er. „Damals war ich nur überrascht... An diesem Tag hab ich erkannt, dass ich Zero mag, dass ich ihn gern hab. Genau in dieser Sekunde.“ Plötzlich war da wieder das komische Gefühl in seinem Bauch und Erkenntnis durchzuckte ihn wie einen Stromschlag. War es vielleicht seine Schuld gewesen, dass es so weit gekommen war? War es seine Schuld, dass Zero böse auf ihn war?

Stöhnend ließ er seinen Kopf in die Hände sinken. Das hatte er ja mal wieder toll hinbekommen.
 

Tsubasas Augen wurden ein wenig traurig. „Ich fürchte, deine Art diese Erkenntnis auszudrücken, war reichlich missverständlich.“
 

Ein Nicken als Antwort. Was sollte er denn jetzt tun? Er musste es Zero sagen. Unbedingt! Vielleicht würde dann alles wieder gut werden...

„Weißt du denn wirklich nicht, wo er gerade ist? Können wir nicht zu ihm? Ich will mit ihm reden!“
 

„Das will ich auch, aber wenn ich so darüber nachdenke, könnte er hier und da und überall sein. Du hast es doch im Radio gehört. Er kämpft. Er kämpft die Kämpfe, die in der letzten Zeit angefallen sind. Er rächt unsere Leute. Tama, die, die verloren haben... Es ist ja nicht so, dass das unnormal ist, aber bei so einem Zug geht man normalerweise zu mehreren. Er ist vollkommen ausgerastet und ich kann ihn nicht erreichen. Er hat sein Handy nicht an.“

Tsubasa seufzte. „Er könnte momentan überall sein. Ihn zu suchen, wäre völlig sinnlos, weil er sich vor uns wahrscheinlich eher noch verstecken würde, als auf uns zu hören... Wir können echt nur warten.“
 

„Ich will nicht warten...“ Kira wollte jetzt noch mit Zero reden, wollte ihn jetzt noch davon abhalten, wild herumzumorden. Aber letztendlich würde er es eh nicht schaffen. Er war zu schwach. Und die andere Frage wäre noch, ob Zero überhaupt auf ihn hören würde. Wohl eher nicht...
 

„Ich will auch nicht warten!“, knurrte Tsubasa. „Am liebsten würde ich ihn suchen gehen und ihm so gründlich den Kopf waschen, dass ihm Hören und Sehen aufgehen. Der Blindfisch rennt in sein Verderben, ohne das zu sehen!“

Er goss sich und Kira nach ein paar Momenten Schweigen Tee nach. „Aber da das im Moment nicht möglich ist, werden wir warten müssen. Hast du einen Vorschlag, wie wir uns bis Mittwoch die Zeit vertreiben können?“
 

Perplex sah der Blonde ihn an. „Mittwoch? Warum Mittwoch?“ Würde sich Zero vorher nicht wieder beruhigen? Das war schlimm... sehr schlimm.

„Ich will ihn suchen gehen. Jetzt. Sofort. Wir müssen den Schaden begrenzen. Ich will den Schaden begrenzen!“ Entschlossen sah er Tsubasa an. Kira hatte sich entschieden.
 

„Du wirst ihn niemals finden. Und selbst wenn, dann läufst du Gefahr, von ihm angegriffen und umgebracht zu werden, solange er sich nicht beruhigt hat.“

Er machte eine kurze Pause, dann grinste er frech. „In drei Tagen müssen seine ‚Lieblinge’ versorgt werden. Er wird pünktlich zu ihrer Fütterung zurück sein.“
 

„Ich will es aber wenigstens versuchen. Ich will und kann hier nicht untätig herumsitzen... Es war meine Schuld, dass er jetzt so ausrastet.“ Plötzlich sprang Kira auf und lief zur Tür. Er legte die Hand auf die Klinke und blickte dann noch einmal zurück. „Danke.“

Dann verließ er Tsubasas Zimmer, ging die Treppe nach unten und verließ schließlich auch den Gemeinschaftsraum.
 

Tsubasa seufzte. Kira war doch ein Hitzkopf. Was erwartete er denn, erreichen zu können? Wollte er vielleicht die anderen Clans um Hilfe bitten? So nach dem Motto: Hallo, ich suche meinen Freund, den Jungen, der euch zusammengeschlagen hat. Könnt ihr mir sagen, wo er gerade ist?

Klasse, ganz ehrlich...
 

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Und? Hat euch das Kapitel gefallen? ^^
 

Ich setze euch jetzt schon in Kenntnis, dass das nächste Kapitel relativ lange brauchen wird. Ich schreibe demnächst viele Klausuren für die Schule und muss dafür mehr als gründlich lernen.
 

Bitte habt Verständnis^^ *alleknuddel*
 

Bis bald und Liebe Grüße
 

Himeka

Kapitel 14

Kapitel 15:
 

Bevor er aufbrach, beschloss er noch einmal zu seinem Zimmer zu gehen und den Stab einzupacken. Mit zittrigen Fingern griff Kira nach dem an der Wand lehnenden Klappstab. Langsam schloss er seine Hand um das kühle Metall. Er hatte ihn schon seit mehr als einer Woche nicht mehr benutzt. Kira hatte die ganze Zeit, die er hier war, noch nicht richtig kämpfen müssen.

Behutsam klappte er den Stab zusammen und ließ ihn dann unter seinem Hemd verschwinden. Dann griff er nach dem grünen Band, welches auf seinem Tisch lag. Kurz betrachtete Kira es und band es sich dann um den Hals. Jetzt konnte er gehen.

Entschlossen verließ er sein Zimmer und blickte auch nicht zurück, als er den letzten Schritt vom Gelände der Dragons tat.
 

Tsubasa beobachtete ihn vom Fenster aus. Er ging tatsächlich. So ein Idiot. Aber da war wohl nichts zu machen. Und im Grunde war es doch eh von Vorteil, wenn Kira Zero beruhigte... Beruhigen konnte. Vielleicht sah er dann von seinem Alleingang ab... Wenn er Kira dann zuhörte und ihn nicht abmurkste.

Eine Sekunde später fing er einen Blick aus einem der Fenster gegenüber auf. Mara. Und eine einzige Geste Richtung Kira, dann war das bestätigende Gesicht verschwunden und sein Besitzer folgte zusammen mit einem Mädchen dem Jungen auf der Straße.
 

Wie sollte er Zero jetzt finden? Wo sollte er suchen? Das Gebiet der Gangs war groß. Als er an eine Weggabelung kam, stand Kira vor seinem ersten Problem. Wo sollte er jetzt langgehen? Nach links oder rechts?

Unentschlossen stand er vor beiden Wegen. Eine leichte Gänsehaut kroch seinen Rücken empor. Was hatte das zu bedeuten? Dieses Gefühl... Kira spürte, dass er nicht allein war. Prompt versteifte sich sein Körper und seine Hand tastete unruhig nach dem Stab.
 

Mara grinste, als er diese Reaktion bemerkte. Wie süß. Meinte er vielleicht, ihn noch einmal so überraschen zu können? Er warf Nami ein freches Grinsen zu, nickte zu Kira hinüber und sie verstand. Sie holten auf.

„Hey, Kira.“ Von zwei Seiten kesselten sie ihn ein und Mara legte ihm eine Hand um die Schultern. „Wäre es nicht geschickter gewesen, die U-Bahn zu nehmen, Kira-chan?“

„Wir meinen, dass man die Stadt so eher erreicht.“, erklärte ihm Nami fröhlich den Standpunkt.
 

Bevor er noch irgendwas tun konnte, hatte Kira einen Arm auf der Schulter und zwei ihm ziemlich bekannte vorkommende Gestalten um sich. Leicht zuckte er unter der Berührung zurück, dann entwand er sich dem Griff und stellte sich mit einer schnellen Bewegung vor die beiden. Misstrauisch beäugte er sie.

„Was wollt ihr wirklich?“ Er glaubte den beiden kein Wort.
 

„Oh, wir sind hier, um auf dich aufzupassen.“, freute sich Mara.

„Wir müssen endlich nicht mehr stillsitzen.“ Nami schien ebenfalls erleichtert.
 

Stöhnend verdrehte Kira die Augen. Tsubasa! Wer auch sonst? Es hatte ihn wirklich schon gewundert, warum der Schwarzhaarige ihn einfach so hatte gehen lassen...

„Ich will nicht, dass ihr auf mich aufpasst. Geht zurück zu Tsubasa und sagt ihm, er soll mich das alleine machen lassen.“ Wütend blickte er die beiden an. „Ich will weder eure noch seine Hilfe.“
 

„Oh, das können wir verstehen.“ Nami legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter. „Aber du musst auch verstehen; wir streiten uns lieber mit dir als mit ihm. Tsubasa kann seh~r unangenehm werden, wenn einer seiner direkten Befehle missachtet wird.“
 

Es interessierte Kira nicht. Gar nicht. Er wollte immer noch zu Zero. Und er wollte seine Ruhe haben.

Stinksauer wandte er sich von den beiden ab und lief quer über das Feld. Er bebte vor Wut. Warum verhätschelten sie ihn so sehr? Mara konnte sicher tun und lassen, was er wollte. Aber ihn ließen sie nicht mal eine annähernd unlösbare Aufgabe ausführen.
 

Nami grinste nur und so machten sich die beiden daran, Kira zu folgen. Sie hielten ein paar Meter Abstand ohne diesen jemals zu verringern oder zu erweitern. Und sie schwiegen in amüsierter Übereinkunft.
 

Als wenn Kira das nicht bemerken würde. Natürlich folgten sie ihm. Was sollten sie auch sonst tun? Er verstand ja ihre Angst. Tsubasa galt wirklich als unberechenbar, aber trotzdem. Er wollte sie nicht um sich haben. Bloß wie sollte er sie loswerden? Unentschlossen tastete er über seinen Stab. Eigentlich wollte er seine Waffe nicht gegen Freunde einsetzen, aber ihm würde wohl nichts anderes übrig bleiben.
 

„Sag mal.“, kam da Maras Stimme von hinten. „Warum willst du überhaupt da hin? Zero erledigt doch eh alles allein.“
 

Abrupt blieb der Angesprochene stehen und drehte sich um. „Das ist egal... für euch zumindest. Findet euch einfach damit ab, dass ich zu ihm muss.“ Es war gut und notwendig, dass Tsubasa über alles Bescheid wusste, aber für den Rest der Gang war es uninteressant. Außerdem... wenn Kira ihnen überhaupt nur irgendwas sagen würde, würde Zero ihn schon töten. Also hielt er die Klappe.
 

Mara musste sich ein Lachen verkneifen und Nami legte kichernd ihren Arm um ihren korpulenten Freund. Sein Tipp, Kira würde zu Zero gehen, ein Schuss ins Blaue. Und jetzt...

„Dann ist es wahr, dass du in seinem Zimmer warst, als du die ganze Zeit verschwunden warst?“ Mara grinste ganz breit. „Gibt es da etwas, was wir wissen sollten?“

„Unser kalter Vize... Wer hätte das gedacht?“ Nami strahlte.
 

Ein leichter Rotschimmer zierte Kiras Gesicht. Oh Gott, er hatte sich voll verplappert. Wie konnte er sich da jetzt wieder rausreden?

„Nein, es war gar nichts. Ja, ich war bei ihm, aber ich war krank.“ Es war ein ziemlich unnützer Versuch die Situation zu retten. Das musste selbst Kira einsehen.
 

„Ja. Krank!“ Nami begann zu lachen, blieb vorsichtshalber ebenfalls stehen. „Weil der Vize sich so sehr darum schert, wie es uns allen geht!“ Sie stützte sich auf Maras Schulter ab, lehnte sich gegen ihn. „Das ist süß!“, lächelte sie Kira an. „Absolut. Der Stein entwickelt Herz!“
 

Bestimmt blickte Kira Nami ins Gesicht. „Ja, ich war nur krank. Und ich hatte kein Zimmer. Ich musste schließlich irgendwo schlafen...“ Die anderen hatten bestimmt gemerkt, dass Ren nicht mehr so lebendig war. Ob sie die ganze Geschichte kannten, würde er an ihrer Reaktion schon erkennen.
 

Nami versteckte kichernd ihr Gesicht an Maras Oberarm. Der bullige junge Mann grinste ebenfalls bis über beide Ohren. „Kira-chan, Kira-chan, du hast da etwas nicht so ganz verstanden, fürchte ich. Es gibt bei uns massenweise leer stehende Zimmer. Und es gibt genügend Leute, die sich um Kranke kümmern. Es gibt Betten beim Doc, wo Kranke schlafen können. Aber er, der mit Waffengewalt alle davon abhält, seinen Raum zu betreten, hat dich in genau dieses Zimmer geholt. Was sagt uns das?“ Er hob eine Augenbraue, während Namis Knie vor unterdrücktem Kichern weich wurden.
 

Perplex blickte Kira in das grinsende Gesicht des Riesen. Was wollte er ihm jetzt damit sagen? Okay, scheinbar war es wirklich etwas besonderes, Zeros Zimmer auch nur zu betreten. Aber auch wenn er Kira zu dem Zeitpunkt noch gut hatte leiden können, hatte er nun alles zerstört.

Deprimiert senkte er den Kopf und wandte sich dann von den beiden ab. “Ich weiß, was ihr meint... aber macht euch nicht allzu große Hoffnungen. Er hasst mich...“ Plötzlich waren sie wieder da, die Anschuldigungen. ...weil du dich hier einschleimen solltest... Schuldgefühle... Es tut dir leid, weil die Zwillinge so lieb zu dir waren...
 

Namis Gekicher erstarb und auch Mara blinzelte verwirrt. „Wie kommst du denn darauf?“
 

„Das... geht euch nichts an.“ Steif blickte Kira auf einen Punkt des Bodens. Der Drang in ihm, dem schwarzhaarigen Vize endlich alles erklären zu wollen, war wieder erwacht. Entschlossen lief er an den beiden vorbei. Der Tipp mit der U-Bahn war wirklich nicht schlecht gewesen...
 

Mara ließ ihn vorbei, dann folgten er und das Mädchen ihrem Schutzbefohlenen schweigend. Ein einziger Blick und er wusste, was auch Nami dachte: Offenbar war es nicht einmal einfach, den Vize lieben zu können, wenn dieser Sympathie für einen empfand. Kira tat ihm Leid. Dabei schien er bisher wirklich kein Glück gehabt zu haben in seinem Leben. Warum hatte er sich auch diesmal einen so schweren Weg ausgesucht?
 

Stumm lief Kira den Weg zur U-Bahn zurück, blickte nicht einmal nach hinten. Mittlerweile wusste er, dass er die beiden nicht mehr loswerden würde. Und vielleicht war es auch gut so. Er musste sich sogar eingestehen, dass er begann die Anwesenheit der beiden zu schätzen.

Nun standen sie alle auf dem Bahnsteig und warteten auf die Bahn.
 

Sie kam und sie stiegen ein. Noch immer ohne ein Wort. Doch Mara hielt das Schweigen nicht mehr aus. „Wo willst du ihn suchen? Keiner weiß, wo er ist.“
 

„Er muss doch noch hier irgendwie in der Gegend sein. Ich habe so ein Gefühl… Ich weiß allerdings nicht, ob wir ihn so wirklich finden.“ Sie hatten nur die Möglichkeit zwischen vier Stadtbezirken zu wählen, mehr gab es nicht. Und Kira glaubte wirklich zu wissen, wo sie aussteigen mussten.

Für die nächsten zwanzig Minuten hielt wieder das Schweigen an, dann erhob sich Kira und stellte sich an die Tür. Ja, hier würde er suchen.
 

Mara folgte mit Nami, die plötzlich erstaunlich ruhig war. „Der Bezirk des Tsuru-Clans…“ Er hob eine Augenbraue. „Wie kommst du darauf, dass er ausgerechnet hier ist? Mit dem Tsuru-Clan hatten wir bisher nicht viel zu schaffen. Sie sind wenig organisiert.“
 

„Ich arbeite hier und…“ Sollteer es den beiden sagen? Andeuten, aber nichts weiter. „Es hat mit meiner Vergangenheit zu tun.“

Gerde hatte Kira zwar nicht mal eine Ahnung, woher Zero das alles wissen sollte, aber der würde schon seine Quellen haben. An Vergangenes denkend war Kira stehen geblieben und ging nun weiter. „Lasst ihn uns suchen.“
 

Die beiden nickten nur. Kira war mitteilsam dafür, dass er gerade soviel mit sich trug. Es war gut und beruhigend zu wissen, dass Kira sich ihnen anvertrauen konnte. Es tat gut. Für kurze Zeit hatte Mara die Befürchtung gehabt, Kira könnte so werden wie Zero, von wegen schlechtes Vorbild oder so, aber offenbar war Kira stärker als Zero. Vertrauen war etwas, das Zero nicht kannte.

Sie liefen eine Straße entlang und in Maras Gedanken kamen Fragen auf, was zwischen Kira und Zero in der kurzen Zeit schon alles passiert war, aber die Fragen blieben ungesagt. Genau wie der Blick aus strengen grünen Augen nicht bemerkt wurde, bevor sich Zero in die Schatten zurückzog. Leises Federrascheln und ein paar geflüsterte Worte später war die dunkle Gestalt verschwunden und nur ein blaugelber Vogel erinnerte an seine Anwesenheit. Ein blaugelber Vogel, der nun mit einem leisen Krächzen auf Kira herabstieß und auf seiner Schulter landete, ungeachtet des spitzen, erschrockenen Schreis, den Nami im Zuge eines Sprungs nach hinten herausließ.

„Geh heim!“, quietschte Josie glücklich. „Kira ist weiß! Ich hab geh heim lieb!“ Und sie zuppelte glücklich an dem grünen Band um Kiras Hals.
 

Auch Kira erschrak, als der Ara auf seiner Schulter landete. Überrascht blinzelte er ihn an. „Jo?“ Er war noch immer verwirrt.

„Kira ist weiß!“, ertönte es nur neben ihm. Die Blicke Maras und Namis ignorierte er. Seine Gedanken rasten. Wenn Jo hier war, dann musste auch Zero hier sein!

Mit klopfendem Herzen blickte er sich um, suchte in jeder noch so kleinen Nebengasse nach Anzeichen, dass dort jemand stand oder gestanden hatte.
 

Mara und Nami folgten ihm. Sie erinnerten sich an den Vogel. Er hatte auf Zeros Arm gesessen, als dieser losgezogen war. Dieses Vieh gehörte Zero. Er war hier! Kira hatte ihn tatsächlich gefunden!

„Kira geht heim!“ Josie klang ernst, als sie mit den Flügeln schlug.

Im nächsten Augenblick erstarrte die kleine Gruppe. Drei Mitglieder der Tsurus, leicht an ihren roten Bändern zu erkennen. Sie begannen gerade sich wieder zu rühren. Offenbar waren sie Zero begegnet. Was hatten sie den Dragons nur angetan, dass er auch sie heimgesucht hatte? Mara verstand die Welt nicht mehr.
 

Mit aufgerissenen Augen starrte Kira auf die Mädchen und den Jungen herab. War das Zeros Werk gewesen? Wahrscheinlich schon… Aber warum wusste er davon? Oder war alles nur ein dummer Zufall?

Wütend biss sich Kira auf die Lippe, merkte nicht einmal, dass sie aufplatzte und ein wenig Blut über sein Kinn lief. „Zero…“ Ein ersticktes Flüstern, dann riss er den Kopf hoch und schrie heraus, was sich in ihm angestaut hatte.

„Zero, verdammt! Komm her! Bitte!“ Einzelne Tränen liefen ihm über die Wangen, eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und Wut.
 

Doch die einzige Antwort war Josies Krächzen. „Verdammt! Hirni! Leguan! Kaulquappe! Baka! Verdammt! Verd…“

Mara und Nami nahmen Kira in die Arme. Das musste schwer sein. Zu ertragen, dass der, den man mochte, zu so etwas fähig war. Aber wie konnte man so jemanden überhaupt wirklich mögen?

„Beruhige dich.“ Mara drückte den Kopf des sich sträubenden Jungen gegen seine breite Schulter. „Er wird nicht auf dich hören. Das hat er noch nie gemacht.“
 

Verzweifelt drückte Kira sich von dem Großen weg. „Hat es denn überhaupt schon mal jemand ernsthaft versucht?“ Immer noch strömten Tränen über das Gesicht und er hatte keine Ahnung, wie er sie stoppen konnte. „Ich muss mit ihm reden! Ich habe einen Fehler gemacht und es ist meine Schuld, dass er gerade so durch dreht!“ Kira redete sich um Kopf und Kragen und bemerkte es noch nicht einmal. „Er hasst mich und das ertrage ich nicht. Ich hab ihn doch gern…“
 

„Viele haben es versucht, Kira-chan.“, sagte Nami leise. „Ich auch. Vor langer Zeit einmal. Und glaube mir, beinahe alle haben das mit dem Leben bezahlt. Zero ist so. Er ist ohne Vertrauen und ohne Vertrauen kämpfst du immer allein.“ Sie seufzte. „Du hast gesehen, wie es denen geht, die versuchen sein Herz zu öffnen. Zaara ist tot deswegen. Er hat sie umgebracht.“ Sie lächelte traurig. „Es ist besser, ihm nichts vorzuschreiben. Er lässt sich von niemandem etwas sagen. Tsubasa ist der einzige, der zu ihm durchdringt.“

„Und du.“ Maras Stimme war leise. „Du bist ihm näher als je einer vor dir. Du hast sein heiliges Gemach von innen gesehen und kannst noch davon erzählen. Du sagst, er hasst dich, warum hat er dir dann so viel Vertrauen entgegen gebracht?“
 

Nur langsam sickerten die Worte Maras und Namis zu ihm durch. Sein Kopf schaffte es nicht, die Worte zu verarbeiten und doch verstand er die Bedeutung. Er war etwas Besonderes. Wenn das schon die anderen sagten, dann musste etwas Wahres dran sein… Vielleicht sollte er Tatsachen einfach einsehen und sie nicht versuchen zu ignorieren oder zu dementieren.

„Er meinte, ich würde nur in der Gruppe sein, um ihn hintergehen zu können, dabei…“ Langsam fuhr er mit einer Hand über seinen Rücken. „Diesen Beweis meiner Zugehörigkeit werde ich nie wieder eliminieren können. Ich würde daran eher zu Grunde gehen…“ Vorsichtig fuhr Kira sich mit den Händen über das Gesicht, versuchte die Tränenspuren zu vertreiben.
 

Mara und Nami starrten ihn entsetzt an. Das hatte Zero nicht gesagt. Nicht nach seinem Eintritt. Nicht nach Kiras Entscheidung, welchen Drachen er wollte, dass er blieb… Was ging eigentlich in dieser chinesischen Matschbirne vor sich? Und warum lebte Kira noch bei diesen Vorwürfen?

„Deshalb also der Kampf. Er sucht Antworten…“

Nami lächelte, nickte. „Der paranoide Kerl scheint dich nicht hassen zu wollen.“, sagte sie freundschaftlich.
 

Vorsichtig versuchte Kira zu lächeln. Egal, dass es gequält wirkte. Eine Hand wanderte zu Josie und kraulte ihr kurz das Gefieder.

„Geh heim! Raus hier!“

Was sprach sie nur wieder? Größtenteils war es wirklich so, dass er sie nicht verstand. Aber diese Worte waren eindeutig. Und sie schienen wohl ernst gemeint zu sein. Seufzend schloss Kira die Augen. „Lasst uns nach Hause gehen.“
 

Die beiden nickten. Zeros Vogel. Eine Nachricht von ihm. Und Kira gehorchte tatsächlich. Zuneigung oder Einsicht? Schließlich wollte Zero ganz eindeutig nicht mit ihm reden. Hätte sie auch gewundert.

Sie machten sich auf den Rückweg, kamen auf das Gelände ihrer Residenz und Mara und Nami führten Kira direkt in den Gemeinschaftsraum, wo schon das Abendbrot wartete. Tsubasa saß mit den Zwillingen an einem Tisch, die aufgeregt auf ihn einredeten. Er lächelte ihnen zu, bevor sich seine Augen weiteten und er mit einem fragenden Blick auf Josie deutete.

Mara lächelte Kira an. „Willst du es ihm erklären?“
 

Unsicher nickte Kira. Natürlich würde er mit Tsubasa reden. Er war der einzige, der über alles bescheid wusste, und er sollte auch weiterhin im Bilde bleiben. Schließlich hatte er ihm schon geholfen und würde es vielleicht auch in Zukunft tun.

Er ging zu ihm, die Zwillinge verstummten. „Wir sind durch die Stadt gefahren auf der Suche nach Zero. Zuerst wussten wir nicht, wo wir ihn suchen sollten, aber irgendwie hatte ich eine Ahnung, die uns in das Gebiet des Tsuru-Clans geführt hat. Bevor wir weiter über irgendwelche Umstände nachdenken konnten, war auch schon Jo aufgetaucht und hat uns klar gemacht, was Zero wollte, nämlich dass wir gehen.“

Sanft fuhr Kira dem Vogel über das Gefieder und wie auf Kommando begann sie wieder zu plappern: „Geh heim! Ich hab Kira lieb! Raus hier ist weiß!“
 

Tsubasa starrte ihn an. Zero hatte Kira Josie geschickt? Seinen kleinen Liebling? Um ihn zur Heimkehr zu bewegen? Nicht wirklich, oder? Warum war er nicht im Versteck geblieben? Warum hatte er ihm gesagt, dass er in der Nähe war? Das war doch sonst nicht sein Stil. Normalerweise war er so unauffindbar wie eine Nadel im Heuhaufen. Was dachte er sich dabei? Der Anführer war sich sicher, dass wenn er an Kiras Stelle gewesen wäre, Zero sich nicht gemeldet hätte.

Und dann: „Zero war bei den Tsurus?“ Also vermutete er bei denen wirklich Aktivitäten? Mal sehen, ob die sich bewahrheiteten. Er hatte da noch so seine Zweifel. Diese Weiberfraktion war doch zu nichts fähig… „Hat er gesagt, was er vorhat?“
 

Langsam schüttelte der Blonde den Kopf. „Nein, er hat doch gar nicht mit uns geredet. Er hat uns Jo geschickt. Mehr nicht.“

Zustimmend klackerte der Ara mit dem Schnabel.

Kurz überlegte, ob er nicht Tsubasa soviel sagen sollte, dass seine Vergangenheit mit den Tsurus zusammenhing, aber er entschied sich dagegen, zumal die Zwillinge dabei waren. Wenn das Problem noch mal auftrat, dass sie nähere Konfrontation mit den Tsurus oder den Storms hatten, dann würde er ehrlich sein und sowohl Zero als auch Tsubasa die ganze Geschichte erzählen. Seine ganze Geschichte.

In Gedanken versunken schnappte er sich eine Scheibe Brot, was in seiner Reichweite stand, und begann stumm zu essen.
 

Tsubasa seufzte. „Ach Mann.“, murrte er. „Dieser Idiot.“

Eine ganze Weile sagte er gar nichts, doch dann sprach er aus, was ihm durch den Kopf ging. „Wenn er bei den Tigers und bei den Tsurus war, dann sind als nächstes die Storms dran. Kira, was meinst du? Sie sind unsere Feinde. Und wenn meine Theorie stimmt, dann wird Zero wohl noch einen weiteren Grund haben, sich mit denen anzulegen. Neben Taichi, meine ich.“ Bedeutungsvoll blickte er den Jungen neben sich an. Die Zwillinge waren ganz still geworden.
 

Nachdenklich blickte Kira auf den Boden. „Ich will nicht, dass Zero wegen mir mit Taichi kämpft. Ich weiß aber auch, dass ich ihn nicht davon abhalten kann.“ Geschafft fuhr sich der Junge mit einer Hand über das Gesicht. Er kannte die Storms, sehr gut sogar. Und sie waren stark. Zero allerdings war auch stark.

Nach längerem Schweigen blickte Kira wieder zu Tsubasa auf. „Können wir ihn wirklich nicht zurückhalten, sodass man sich mit ihm beraten kann? Oder… oder dass wenigstens ich mit ihm zusammen in den Kampf ziehe?“
 

Tsubasa lachte amüsiert. „Meinst du im Ernst, der würde dich mitnehmen? Dieser einsame Wolf?“ Er schüttelte lachend den Kopf. „Keine Chance!“

Er beugte sich vor und bot Josie ein Stück Orange an, das sie begeistert annahm und in Folge dessen Kiras Hemd voll tropfte.
 

Langsam schüttelte der Junge den Kopf. „Nein, es ist mir ja klar… und trotzdem. Ich will nicht, dass sie sich miteinander anlegen. Wer weiß, zu welchen Dingen, Taichi fähig ist. Und welche Rolle ich bei der ganzen Sache spiele.“

Unbewusst fuhr er der gurrenden Josie über das Gefieder.
 

Tsubasa lehnte sich entspannt zurück. „Ach, Taichi-kum hat doch keine Ahnung, dass du hier bist. Er kann Zero nicht ausstehen… oder vielleicht mag er ihn auch zu sehr, das ist alles. Und Zero, nun ja, ich glaube, er hasst ihn ernsthaft. Wenn die beiden sich mal wieder prügeln, muss das nichts mit dir zu tun haben. Das ist vollkommen normal und schon beinahe ein jährlicher Event. Mach dir mal keine Sorgen.“
 

Skeptisch schüttelte Kira den Kopf. Es machte keinen Sinn mehr, darüber nachzudenken. Er konnte nichts an der momentanen Situation ändern, also blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, dass Zero wiederkam.

Wieder biss er von seinem Brot ab und spülte es mit einem Schluck Tee hinunter. Nun war er erstmal gesättigt und zufrieden und bereit für Neues. Oder für ein Bett, wie man es nahm.
 

Tsubasa blickte zu ihm auf, als er sich erhob. Er lächelte. „Müde?“, fragte er.
 

„Ja, es war anstrengend heute…“ Seufzend fuhr er Josie ein letztes Mal über das Gefieder. „Geh zu Tsubasa. Ich kann nicht für dich sorgen.“ Langsam fuhr er mit der Hand unter ihre Krallen, ließ sie aufsitzen und reichte sie dann Tsubasa.
 

Dieser nahm sie entgegen, lächelte und wünschte Kira eine gute Nacht. Er grinste, winkte, dann fütterten er und die Chibi-Schwestern Josie mit Bananen.
 

Schnell ließ Kira den Gemeinschaftsraum hinter sich und lief zu seinem Zimmer. Sein neues lag in der ersten Etage, gleich über dem von Mara. Glücklicherweise war dieser nicht zuhause, sondern noch mit Essen beschäftigt, sodass Kira nun seine Ruhe hatte und sich ungestört auf sein Bett legen konnte. Yuki saß in seinem Käfig und blickte seinen Freund fragend an. Dieser streckte die Hand aus und entließ die Maus aus ihrem Gefängnis. Freudig quiekend krabbelte er gleich drauf los, erkundete Kira überall. Es lief seine Arme entlang, verschwand unter seinem Shirt und lief durch seine Hosenbeine, Kira jedoch bekam davon nichts mehr mit, war er doch schon längst eingeschlafen.
 

Irgendwann in der Nacht erwachte Kira. Schlagartig. Und er konnte nicht sagen warum. Doch das erste, was durch seinen Kopf schlich, war Zero. Sofort spürte er Tränen aufsteigen, versuchte sie allerdings energisch wegzublinzeln. Was brauchte es denn jetzt, wegen diesem Kerl zu heulen?

Und doch… er vermisste ihn.

Langsam und nachdenklich setzte sich Kira auf. Yuki rutschte dabei von seiner Schulter. Vorsichtig griff er nach dem kleinen Tier und setzte es in den Käfig zurück. Wenn er jetzt ging, sollte Yuki nicht allein draußen rumlaufen. Dann lief er leise die Treppe hinunter, wollte er Mara nicht wecken, um Fragen zu vermeiden. Vor der Tür atmete er die frische Luft ein und lief dann in Richtung Haupthaus. Zu Zero. Zu seinem Zimmer. Still schlich er hinein, dann die Treppe hinauf. Auch Tsubasa sollte besser nichts mitbekommen, obwohl er ja eh schon alles wusste. Vorsichtig öffnete er die Tür zu dem Zimmer des Schwarzhaarigen und erst als er sie hinter sich geschlossen hatte, atmete er richtig aus. Unbewusst sog er den Duft des Zimmers ein, Zeros Duft. Es war eine Mischung aus Orange und Minze und Tee und einem Hauch von Tier.

Langsam durchschritt er das Zimmer, hielt auf das Bett zu und erst, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm und dazu das Rascheln von Federn hörte, wurde ihm bewusst, dass auch Josie mit im Raum war.

Als wenn diese auch über die Situation bescheid wüsste, vernahm Kria gleich darauf die gekrächzten Worte: „Katzen sind weiß! Ich hab Kira lieb!“ Und mit einem Schmunzeln auf den Lippen lief der Junge zum Bett. Sanft strich er über die Decke und ließ sich dann einfach in die großen Kissen und weiten Decken fallen. Noch einmal atmete er tief ein, bevor er selig und traumlos einschlief.
 

Der Montag begann und unten im Gemeinschaftsraum tauchten die ersten Frühaufsteher auf, die schon zur Arbeit mussten, als Tsubasa aus seinem Zimmer kam. Ein kurzer Blick hinunter, wo Mara schlaftrunken Zucker in seinen Kaffee schaufelte, dann ging er quer über die Trasse und öffnete Zeros Tür mit einem megabreiten Grinsen, schloss sie wieder hinter sich, bevor er tief Luft holte.

„Guten Morgen, Kira-chan!“, jubelte er und hopste auf das Bett zu, dessen Decken im Grunde nur ein einziger Haufen waren, aus dem irgendwo ein paar blonde Strähnen hervorlugten. „Ich bin dafür, dass du heute den Hinterausgang nimmst!“
 

Schläfrig, überrumpelt und ertappt schreckte Kira aus seinen Träumen. Sein Gesicht zeigte eine leichte Röte, einfach nur, weil Tsubasa aufgetaucht war. Gerade als er den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, wurde er durch ein Gähnen wieder daran gehindert. Er war müde. Hundemüde. Und er musste nachher arbeiten gehen! Na große Klasse!

Mit einem Mal war er hellwach und sprang aus dem Bett. Verwirrt und planlos lief Kira durch das Zimmer, überlegte fieberhaft, wo denn der Hinterausgang war, bis ihm einfiel, wo Zero denn vor ein paar Tagen verschwunden war. Es war irgendwo auf der anderen Seite des Tisches gewesen, gegenüber vom Bett. Langsam näherte er sich der Wand, sah Jos Käfig auf sich zukommen und schließlich auch andere Schränke. Zumindest sah es so aus auf den ersten Blick. Auf den zweiten war es schlimmer. Viel, viel schlimmer…

Es waren Reptilien. Um genau zu sein: Schlangen. Und Echsen. Kira mochte Tiere, keine Frage, aber Schlangen…? Sein Körper versteifte sich und sein Blick wurde starr, kam nicht mehr von den Tieren weg. Langsam, ganz langsam trat er den Rückzug an.
 

Tsubasa fing ihn ein, schon ihn ein wenig von sich und blickte ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Gibt’s Probleme, Kira-chan?“
 

Immer noch blickte Kira starr auf die Schlangen und Echsen, schaffte es nur langsam den Arm zu heben und auf die Tiere zu deuten. „Ich mag nicht…“ Mehr als das bisschen klägliche Worte brachte der Junge nicht mehr raus.
 

Tsubasa begann zu lachen. „Schlangen essen keine Katzen.“, sagte er frech.
 

„Häh?“ Fragend blickte Kira den Älteren an. Katzen? Warum Katzen?
 

Der Anführer grinste breiter. „Ach, nicht so wichtig. Die sind hinter Glas, die kommen da nicht raus, die bewegen sich nicht mal.“
 

Nicht überzeugt blickte Kira Tsubasa an. Irgendwie hatte der ja Recht, trotzdem war ihm nicht wohl zumute, als er sich wieder langsam nach vorn bewegte. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet und sobald sich in einem der Terrarien in seiner Nähe etwas bewegte, begann Kira noch etwas schneller zu laufen. Erst als er die Tür wirklich erreicht und durchschritten hatte, wurde ihm wieder leichter ums Herz. Er mochte Zero. Sehr sogar, aer mit diesen Tieren würde er sich nie anfreunden!
 

Tsubasa lachte leise. Ob es wohl Einbildung gewesen war, dass sich die blonden Haare gesträubt hatten? Wie süß! Er hatte wirklich Angst vor Schlangen. Niedlich!

Kapitel 15

Kapitel 16:
 

Die nächsten Tage entspannte sich die Stimmung wieder etwas. Die Mitglieder, auch Kira, verließen das Hauptquartier wieder, um zu ihren Jobs zu gehen, gingen einkaufen und lachten wieder mal. Die Wachen wurden zwar noch nicht abgezogen, aber am Mittwochabend erwartete man nicht mehr wirklich eine akute Racheaktion. Man hatte nicht einmal von weiteren Toten gehört, also hatte Zero sich wohl zurückgehalten. Tsubasa war den Mittwoch über kaum zu sehen. Er saß in Zeros Zimmer und wartete, starrte aus dem Fenster auf die Straße hinunter, um seinen Bruder rechzeitig zu sehen, wenn er kam. Und dennoch schaffte es Zero, plötzlich im Zimmer zu stehen. Einzig und allein Jo verriet ihm, dass er da war. Sie startete plötzlich von seinem Arm und flatterte zu ihrem Herren.

Tsubasa sprang sofort auf, erschrocken, während Zero seine kleine Freundin begrüßte. Er hatte viel erwartet, aber da… Zero sah schlimm aus. Seine ehemals irgendwie bedrohlich wirkende Gestalt war nun nicht mehr vorhanden. Die Haare offen und zerzaust, der Mantel zerschnitten, Gesicht und Hände schmutzig, die Hose wurde von einem Tuch zusammengehalten, als wäre er dort verwundet worden, an einer Schläfe klebte Blut.

„Zero, du…“

Grüne Augen blickten müde zu ihm hin und ein Lächeln zierte die ungewohnt weichen Züge. „Sag nichts, mir geht es…“

„Das sagst du immer!“, fuhr Tsubasa dazwischen. „Dabei ist immer etwas! Jedes verdammte Mal!“ Er begutachtete seinen Bruder kurz. „Wo diesmal?“

Der Chinese seufzte und hielt ergeben seine linke Hand hoch. „Taichi hat draufgeschlagen.“, beichtete er.

Tsubasa seufzte nur, kam zu ihm und schloss ihn in die Arme. „Du bist ein Idiot. Ich habe mir Sorgen gemacht.“

„Ich weiß. Du hast oft angerufen.“ Zero lehnte sich gegen ihn. Er war ganz offensichtlich müde.

„Und du Esel bist nie rangegangen!“, tadelte der Anführer.

„Weil du eh nur genervt hättest. So wie der Kleine.“

„Er hat sich halt auch Sorgen gemacht. Er war sogar hier, weil er dich vermisst hat.“

„Hier im Zimmer?“

Nicken.

„Ach so…“

Tsubasa lächelte leicht. „Das ist alles? Bei jedem anderen hättest du gestreikt.“

„Ich mag ihn… irgendwie…“

„Das ist das erste Mal, dass du das zugibst.“ Tsubasa streichelte ihm froh über den Rücken. „Hat dein Kampf also zumindest etwas gebracht.“

Zero zuckte mit den Schultern. „Kira ist kein Spion. Taichi war ganz erstaunt, als er gehört hat, dass er noch in der Stadt ist.“

„Das hätte ich dir auch sagen können.“

Der Jüngere nickte nur. „Ich bin müde.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Taichi drückte ihn noch ein wenig enger an sich. „Aber bevor du schlafen darfst, musst du zum Doc. Der erwartet dich schon sehnsüchtig!“

„Ich muss gar nicht. Mir geht’s…“

„Keine Widerrede!“, schnitt ihm Tsubasa das Wort ab. „Komm. Jo, ab auf die…“

„Sie soll bei mir bleiben.“ Zero löste sich aus der Umarmung und streichelte dem Ara über den Rücken, kraulte ihre Kehle. „Die da unten wissen doch jetzt eh, dass sie da ist, dann kann sie auch bei mir bleiben.“

Tsubasa lächelte in sich hinein. Zero überrascht ihn immer wieder. So süß gab er sich wirklich selten. Und so fügsam… Er musste wirklich müde sein. Wer wusste schon, wann er das letzte Mal geschlafen hatte? „Dann nimm sie mit. Ich hab nichts dagegen.“ Er schob Zero Richtung Tür.

„Ich muss Kaira, Goldy und Bobby noch versorgen…“

„Das kannst du morgen noch machen. Rei, jetzt denk erst mal an dich. Das ist gerade wirklich am wichtigsten.“

„Aber…“

Entschlossen schob Tsubasa Zero hinaus. „Sei brav, okay?“

Er nickte nur und Tsubasa konnte ihn unter den teilweise erschrockenen Blicken der Müßiggänger zum Doc hinuntergeleiten. Dieser machte sich wie immer schweigend an die Arbeit, nachdem er Zero eine Kopfnuss und einen langen, kritischen Blick verpasst hatte. Und er fand außer der verstauchten Hand noch eine Prellung an der linken Schulter, die Platzwunde an der rechten Schläfe und einen mittelmäßig tiefen Schnitt im rechten Oberschenkel. Tsubasa konnte nur mit dem Kopf schütteln, wie Zero damit noch hatte herkommen können.

Zwei Stunden später waren sie entlassen und der Doc wurde zu einem Mädchen gerufen, das sich den Knöchel verknackst hatte. Tsubasa scheuchte Zero daraufhin hoch, wo er sich hinlegen sollte. Die Blicke der Dragons ignorierten dabei beide komplett, als Zero die Treppe hinaufging, nur einmal verharrte er für ein paar Augenblicke, als er Kiras Augen sah.
 

Lächelnd blickte Kira zu Mara und Nami, die sich beide neben ihn gesetzt hatten, als es ans Essen gegangen war. Die Stimmung war fröhlich und Kira war gut drauf, schließlich hatte er den Tag gut überstanden und die Arbeit war vorbei. Auch das leise Getuschel, welches seit einigen Stunden durch die Gruppe schwebte, dass Zero wieder da sei, hatte er bisher nur am Rande wahrgenommen und gleich wieder verdrängt, konnte er das doch nicht glauben. Plötzlich jedoch schlug die Stimmung um. Die belebten und freudigen Gespräche brachen ab und an manchen Stellen setzte stattdessen Gemurmel ein. Fragend blickte sich Kira um, wusste er schließlich immer noch nicht, was der Grund für diesen plötzlichen Wandel war.

Und dann sah er ihn. Fertig und geschafft und trotzdem mit stolzem, hoch erhobenen Kopf stand Zero auf einmal auf der Treppe und blickte in seine Richtung. Oder zumindest glaubte Kira, dass Zero in seine Richtung sah. Aber was bedeutete das schon? Es war egal. Das einzige, was zählte, war, dass Zero zurück war.

Kira war der Appetit vergangen. Und er wollte – musste vielleicht sogar – unbedingt mit Zero reden! Über Taichi!

Langsam erhob er sich, warf Mara und Nami einen entschuldigenden Blick zu und verließ dann den Gemeinschaftsraum. Zero war schon längst in seinem Zimmer oben verschwunden. Schnell lief er zu seinem Zimmer, vorbei an dem von Mara. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wurde Kira wieder ein wenig ruhiger, lief aber trotzdem noch durch sein Zimmer, konnte nicht sitzen oder stillstehen. Er musste zu Zero! Allerdingst musste er noch warten, bis die meisten Mitglieder mit dem Essen fertig waren, sonst würden alle gleich wissen, dass er ständig zu Zero ging. Wenn Nami und Mara schon wussten, dass er die letzte Woche bei Zero oben im Zimmer gewesen war, dann würden die anderen das wohl auch wissen.

Erst als seine Uhr weit nach acht Uhr zeigte, enschloss sich Kira dazu, sich in die Höhle des Löwen zu wagen. Leise lief er die Treppe hinunter und machte sich dann auf zurück zum Gemeinschaftsraum. Er spürte einige der Blicke der Übriggebliebenen auf sich, versuchte sie allerdings nicht zu beachten. Vor Zeros Zimmer blieb er einige Sekunden unschlüssig stehen, bevor er Mut fasste und leise die Tür öffnete und schließlich das Zimmer betrat.
 

Tsubasa blickte ihm entgegen. Gegen die Wand gelehnt und halb unter Decken begraben hatte er Zeros Kopf auf dem Schoß und kraulte dem Schwarzhaarigen den Nacken. Er lächelte, als er Kira sah und klopfte neben sich auf das Bett. Es war eine stumme Aufforderung, ruhig zu sein, aber er war willkommen.
 

Langsam und leise lief Kira auf das Bett zu, nahm die Geste an und setzte sich neben Tsubasa, blickte auf Zero hinab. Okay, dann würde er jetzt nicht mit ihm reden, aber das hatte wahrscheinlich auch noch Zeit. Kira wusste zwar, dass Taichi schnell war, wenn er einen Gegenangriff starten wollte, und doch glaubte er nicht daran, dass er in den nächsten zwei oder drei Tagen aktiv werden würde.

Geschafft ließ er seinen Kopf auf Tsubasas Schulter sinken. Das war schön… Glücklich schloss er die Augen und allein der Gedanke, dass Zero endlich zurück war, reichte aus, um ihm einen ruhigen und traumlosen Schlaf zu geben.
 

Tsubasa lächelte und legte seinen freien Arm um Kiras Schultern. Wie süß. Jetzt hatte er zwei Kätzchen auf dem Schoß.
 

Als am nächsten Morgen die Sonne durch die Fenster auf die Glaskästen in der Ecke fiel, erwachte Zero aus seinem Schlaf der Gerechten. Müde blinzelte er im Halbdunkel, versuchte den Schlaf abzuschütteln, was ihm in Sekundenschnelle gelang, als er neben Tsubasa noch jemand anderen sitzen sah. Jemanden, der mit ihm schmuste!

Er richtete sich lautlos auf, was Tsubasa nur ein unwilliges Knurren entlockte, weil er seine Hand abschüttelte, bevor der Japaner sich etwas tiefer rutschen ließ und einen blonden Haarschopf freigab. Kira…

Kira? Wieso Kira? Wieso war der da?

Leise schlug er die Decke weg und wollte aufstehen, da erwachte Tsubasa doch noch. „Du bleibst da! Du wirst jetzt nicht durch die Gegend gurken! Du musst dich ausruhen, kapiert?“

Zero starrte ihn an, dann deutete er mit einem gereizt-fragenden Ausdruck auf Kira.

Tsubasa lächelte. „Er hat sich Sorgen gemacht.“, entschuldigte er seine Anwesenheit.
 

Durch die Stimmen und Bewegungen aus dem Schlaf gerissen, öffnete Kira die Augen und richtete sich ein Stück auf. Sofort sah er, dass Zero wach war und blickte in dessen Gesicht. Etwas sagen konnte er nicht, auch wenn ihm mindestens zwanzig Sätze und noch einmal doppelt so viele Satzanfänge auf einmal durch den Kopf spukten.
 

Zero seufzte nur und stand auf, Tsubasas Proteste geflissentlich irgnorierend, ging zum Schrank und zog dort einen schwarzen Pullover an, um den dicken weißen Verband um seine Schulter zu verbergen. Kaum war er fertig, war Josie da, landete auf seinem Arm, dem gesunden, und er lächelte sie an.

„Hunger, Jo?“, fragte er sanft.

Sie knabberte an seinen Fingern, bevor sie mit dem Kopf wippte und lauthals verkündete: „Die Katze hagelt!“

„Ist gut, heute also Bananen und Erdbeeren. Ob so was da ist… immerhin ist schon Oktober…“ Er lief zu ihrer Stange, setzte sie ab und machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen, als Tsubasa lächelte.

„Willst du so rausgehen? Es ist nach zehn Uhr.“

Zero blickte ihn an. Wie bitte? Die Sonne war gerade aufgegangen! Er wachte doch immer zu Sonnenaufgang auf!

„Aber tu das nur. Sie werden dich freuen, dich in Schlafanzughose betrachten zu dürfen.“ Tsubasa grinste frech und Zero seufzte, wollte sich offenbar anziehen gehen, da rappelte sich der Japaner aus dem Bett und packte ihn an den Haaren. „Hinlegen, Zero-chan! Du bist krank!“

„bin ich gar nicht“ Ich habe eine kaputte Hand, das ist…“

„Hinlegen!“ Tsubasa zog ihn rücksichtslos rücklings zum Bett. „Jo, Wache!“ Der Vogel flatterte begeistert zu Zero, der stolpernd versuchte, das Gleichgewicht zu halten. „Kira, du auch!“
 

Grinsend beobachtete Kira das Schauspiel und war einmal mehr davon überzeugt, dass die beiden theoretisch gut zueinander pasen würden, wären sie keine Brüder. Als Tsubasa dann jedoch das Zimmer verlassen hatte, wurde es Kira mulmig zumute. Jetzt war er allein mit Zero…

Unruhig blickte er durch das Zimmer, bis er an den Terrarien hängen blieb. Wieder lief ihm ein Schauer über den Rücken. „Warum hast du so viele Tiere? Was gefällt dir so sehr an ihnen?“
 

Zero blickte ihn an, was in seiner Pose - verschränkte Arme und Schneidersitz - reichlich trotzig wirkte. „Ich mag sie; sie schweigen.“, meinte er. „Außerdem sind sie mir ähnlich. Auch sie hat man weggeworfen. Ich habe sie allesamt gefunden.“
 

Kira nahm die Antwort auf und bevor er sich weiter dazu äußerte, ließ er sich jedes Wort noch einmal durch den Kopf gehen.

„Was hat man mit dir gemacht?“ Kira konnte sich denken, dass es nichts Positives war, allein schon durch die damalige Reaktion Tsubasas.
 

Zero blickte ihn an. „Ich will nicht darüber reden.“, sagte er, plötzlich um einiges kälter. Wie blöd von ihm, dass er das gesagt hatte. Wie bescheuert konnte man denn sein, jemandem, den man kaum kannte, so eine Information über sich zu geben? Das war doch Selbstmord! „Vergiss es am besten wieder. Es war nicht wichtig.“

Klar doch. Und jetzt machte er ihn auch noch so richtig neugierig. Wie blöd war er denn? Warum hatte er ihm nicht einfach eine seiner üblichen Geschichten aufgetischt?

Die Antwort war einfach. Er wollte Kira nicht anlügen. Warum auch immer. Das widerstrebte ihm so richtig. Er war wirklich zu bedauern...
 

Verständnisvoll nickte Kira mit dem Kopf. Klar... warum auch nicht. In seinem Leben gab es auch ein paar Aspekte, die er ungern erzählte oder sogar noch niemandem erzählt hatte. Aber trotzdem... Es machte ihn traurig, dass er nichts über Zero erfahren konnte, denn nichts wollte er lieber. Vorsichtig ließ er seinen Blick wieder durch den Raum wandern. Es war ruhig...

Nach ein paar Minuten blickte er auf seine Füße, sagte noch etwas, obwohl er die Sache eigentlich ruhen lassen wollte. „Hoffentlich wirst du es mir irgendwann sagen können... Es würde mich wirklich interessieren.“ Er hatte nur geflüstert und doch hallten die Worte laut durch den Raum.
 

Zero blickte ihn ein paar Augenblicke an, in denen er aussah, als würde er ihn gleich fressen wollen, doch dann seufzte er und ließ sich leise lachend nach hinten aufs Bett fallen. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon. Vielleicht kann ich es dir irgendwann sagen.“ Eine winzige Pause, bevor er sich von ihm wegrollte, sich ganz klein zusammenrollte, seine kaputte Schulter belastete, obwohl es wehtat, um ihm nicht zu zeigen, wie offen und verletzlich sein Gesicht gerade war. „Wenn überhaupt irgendjemandem, dann wohl dir...“, murmelte er.
 

Einen Augenblick glaubte Kira, er hätte seinen Ohren nicht geglaubt, doch dann stand er ihnen ihre volle Funktionalität zu. Ein glückliches, beinahe strahlendes Lächeln breitete sich ganz zaghaft auf seinen Lippen aus, schaffte es sogar, bis hin zu seinen Augen zu kommen. Auch wenn er sich immer erst mit ihm anlegen musste, sich irgendwelche Anschuldigungen anhören musste, so ein kleiner Satz waren doch alle Anstrengungen wert. Erst recht, wenn sie von der Person kamen, die vorgab der Eisklotz schlechthin zu sein und die man doch am meisten von allen mochte...
 

Zero schloss erschöpft die Augen. Offenbar hatte er Glück gehabt und seine Worte waren nicht angekommen. Es war schon wieder so ein Kurzschluss gewesen, den er beinahe bereute. Allerdings fand er es gleichzeitig fast schade, dass Kira es nicht mitbekommen hatte. Irgendwie musste er sich ja noch bei ihm entschuldigen, da wäre das doch eine gute Gelegenheit gewesen. So musste er es anders machen.

„Taichi lässt dich grüßen. Es wundert ihn, dass du noch in der Stadt bist, er hatte erwartet, dass du längst gegangen wärst...“
 

Sofort fiel das schöne Gefühl von ihm ab und ein Hauch von Angst machte sich in seiner Bauchgegend bemerkbar. Taichi... hatte erwartet, dass er ging? Natürlich, das hätte sich Kira auch denken können. Und doch würde er nie auch nur annähernd daran denken, die Stadt zu verlassen. Denn das würde bedeuten, dass er Zero verlassen müsste, die Dragons verlassen müsste. Und das konnte er nicht mehr. Nicht nach dem, was in den letzten zwei Wochen passiert war.

„Ich... ich will nichts von Taichi hören. Ich will ihn nie wieder sehen.“
 

„Ich habe ihm gesagt, dass er damit rechnen muss.“, erklärte Zero. Taichi hatte eine Menge erzählt, von Brudermord und Verrat gesprochen, aber es hatte ihn nicht weiter interessiert. Er kannte Taichis Art und Weise seinen Clan zu führen und war damit niemals einverstanden gewesen, deshalb galt Taichis Wort nicht das Geringste.

„Aber du solltest damit rechnen, dass sie dich angreifen. Ganz egal, warum sie es tun, sei darauf gefasst.“ Dann schwieg er tatsächlich, kauerte sich noch ein wenig mehr zusammen. Er war müde. Und wie.
 

Nun ließ sich auch Kira nach hinten in die Kissen fallen und blickte zur Decke. „Werd ich wohl müssen. Und trotzdem... Ich weiß nicht ob ich es überleben würde, noch einmal gegen Taichi zu kämpfen. Nicht nachdem, was er mir angetan hat und was zwischen uns passiert ist.“ Und erst recht nicht, wenn er Zero etwas antat. Denn das würde Kira wirklich nicht ertragen.
 

„Du wirst nicht mehr gegen ihn kämpfen.“ Zero klang vollkommen überzeugt. „Ich werde das nicht zulassen, glaube mir das.“
 

Überrascht hob er eine Augenbraue. „Und wer soll dann gegen ihn kämpfen? Du etwa? Chef gegen Chef sozusagen?“ Ein Blitzen erschien in seinen Augen. Das wollte er nicht. Ganz und gar nicht. Aber würde er das Zero irgendwie erklären können? Nein, konnte er nicht. Vorläufig zumindest.
 

„Wenn es sein muss, dann das. Er kann mich nicht besiegen. Ich habe auch diesmal gesiegt, er hat keine Chance.“ Seine Stimme war so leise, dass man es kaum hören konnte.
 

Dann kamen die Verletzungen also von Taichi... Eine Wut machte sich in Kiras Bauch breit. Er wollte aufspringen, nach draußen gehen und alles hinausschreien, oder auch laufen, aber das konnte er nicht. Sonst würde Tsubasa ihn bestrafen... und wer wusste schon, wie diese Strafe ausfiel. Da würde er lieber gehorchen und noch ein paar Minuten hier bleiben. Wo blieb der Mann eigentlich so lange? Er wollte doch nur etwas zu essen für Jo holen.

Doch allein der Gedanke an Essen, brachte Kiras Magen dazu, seine Meinung zu diesem Thema lautstark kundzutun.
 

Tsubasa ließ noch einige Minuten auf sich warten, doch als er auftauchte, hyperaktiv und fröhlich wie immer und mit einem großen Tablett beladen, kam von Zero noch immer keine Aktion. Etwas irritiert stellte er das Tablett ab, kam zu ihm, um sich das mal anzuschauen, dann begann er zu grinsen.

„Er schläft wieder.“, teilte er Kira zufrieden mit. „Jetzt müssen wir alleine essen. Für ihn können wir ja was aufheben.“ Er verstummte, als er Kira ansah. „Hey, alles in Ordnung? Oder war er wieder so fies?“ Der blonde Junge war blass.
 

Energisch schüttelte Kira den Kopf. „Nein, nein. Mit ihm ist alles okay. Es geht nur um... Taichi.“, würgte er aus zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich hasse ihn... abgrundtief. Und jetzt hat er auch noch Zero verletzt.“

Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ich bin wütend... und gleichzeitig habe ich Angst, weil ich weiß, dass ich selbst keine Chance gegen ihn habe, und ich aber auch nicht will, dass Zero noch einmal gegen ihn kämpft. Das ist total bescheuert...“
 

Tsubasa lächelte, plötzlich sanft. „Tja, da wirst du nichts gegen tun können. Zero wird sich wohl kaum aufhalten lassen, wenn er ihn angreifen will... Andererseits... vielleicht kannst du ja erreichen, dass er das Kämpfen aufgibt?“ Geheimnisvoll zwinkerte er ihm zu, dann wandte er sich ab, setzte sich an den Couchtisch.

„Und was Taichi-kun angeht... ich kann ihn auch nicht leiden. Er ist gut.“ Seine Augen wurden kälter. „Und er ist gefährlich. Er kann die Schwächen der Menschen durchschauen und diese Eigenschaft ist echt das Letzte, denn er nutzt sie gnadenlos aus.“
 

Kira nickte. Ja, das konnte er. Hervorragend sogar. Und Kira hatte es sogar schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. „Ich weiß nicht, ob ich so stark bin. Ich weiß nicht, ob ich so etwas Großes erreichen kann. Ich bin mir ziemlich sicher, dass weder Zero noch Taichi aufhören, sobald sie einmal Blut geleckt haben. Und das haben sie doch schon getan, nicht wahr?“ Traurig blickte Kira Tsubasa an.

Sein Blick richtete sich auf die Schüsseln auf dem Tablett und fragend deutete er auf eine, war sein Magen nun bald schon dabei, sich selbst zu essen.
 

Tsubasa machte nur eine zustimmende Geste, nahm sich selbst seinen Reis mit Beilage und stellte eine weitere auf den Tisch, woraufhin Josie begeistert angeflattert kam und ihren Schnabel in eines der saftigen Mangostückchen hieb. Erdbeeren hatte es nicht gegeben.

„Du hast schon Recht.“, antwortete Tsubasa schließlich etwas verspätet. „Keiner der beiden wird diesen Kleinkrieg freiwillig beenden. Taichi will Zero noch immer in seinem Clan und das wird erst geschehen, wenn er Zero vollständig besiegt hat.“ Er lächelte ihn an. „Mach dir keine Sorgen. Zero ist wirklich stark und wenn es hart auf hart kommt, dann bin ich ja auch noch da. Zero gehört schließlich offiziell zu mir!“ Und schon begann er sich Reis und Ananas in den Mund zu schaufeln.
 

Ein kurzes Grinsen huschte über Kiras Lippen. „Stimmt, das hatte er mal erwähnt. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als Zero in seinem Clan zu haben... Aber das wird nie passieren. Zero würde sich eher selbst irgendwas abhacken, als euch alle hier zu verlassen und bei Taichi einzutreten.“

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen, als ihm bewusst wurde, dass er viel zu viel erzählt hatte. „Denk ich zumindest...“, setze Kira noch leise flüsternd hinzu, bevor er sich etwas von dem Reis in den Mund steckte und sich so selbst davon abhielt, noch irgendeinen Ton zu sagen.
 

Tsubasa lachte, als er diese Verlegenheit sah. „Ich denke, er würde sie alle umbringen, würde das passieren. Warum auch immer, sich selbst hat er nie verletzt. Jedenfalls nicht vorsätzlich.“

„Wäre es dir anders lieber gewesen?“, murrte es plötzlich hinter ihm.

Tsubasa blickte auf und grinste Zero an. „Oh, du bist ja wieder wach.“, stellte er erfreut fest.

Zero ging knurrend um den Sessel herum und setzte sich in den freien. „Bei deiner aufdringlichen Stimme ja kein Wunder.“ Dieses Gespräch über ihn gefiel ihm gar nicht. Tsubasa redete zuviel und es hatte den Anschein, als würde Kira eh schon viel zu viel wissen.

Der Anführer tat so, als hätte er nichts gehört, futterte einfach weiter, während sich Zero seine Schüssel griff und als nächstes Kira fixierte. „Mach dir über die faulige Pflaume nicht so viele Sorgen. Er wird nicht siegen.“

„Ja, aber er verliert auch nicht richtig, oder?“

„Diesmal war er ohnmächtig.“ Zero begann zu essen und Tsubasa starrte ihn ungläubig an.

„Ohnmächtig?“, fragte er. „Was hast du gemacht?“

Schweigen.

„Zero…“

„Ich habe ihn mit dem Stab in die Magengrube getroffen.“, lautete die widerwillige Antwort.

„Du hast was?“ Ein giftiger Blick Zeros ließ ihn abwinken und schnell weiter sprechen. „Er hat wohl mächtig nachgelassen, oder?“

Achselzucken.

„Und du bist gleich zurückgekommen?“

„Sicher…“

Tsubasa lachte und wuschelte ihm durch die Haare. „Knalltüte. Du hast Glück gehabt! Aber es ist wirklich schön, dass du wieder da bist.“
 

Überrascht schreckte Kira zusammen, als er hinter sich eine Stimme hörte und folgte Zero dann mit den Augen, wie er sich in sein und Tsubasas Blickfeld setzte. Seine Achtung vor dem Jungen war noch um ein Stück gewachsen. Schließlich hatte er seinen Exchef angegriffen und das ganze auch noch überlebt. Und auch Kira konnte nicht glauben, was Zero danach erzählte. Er hatte Taichi einfach so dazu gebracht, das Bewusstsein zu verlieren? Unglaublich...

Obwohl wohl eher die Frage war, warum Taichi das so leicht mit sich hatte machen lassen... Es sah ihm gar nicht ähnlich, unaufmerksam zu sein... Langsam nickte er auf Zeros Blick hin, war allerdings doch noch nicht davon überzeugt, dass nichts passieren würde.
 

Daraufhin herrschte Schweigen. Tsubasa aß mit einer Leidenschaft, die verriet, dass er schon seit Tagen wirklich Sorgen gehabt hatte, die ihm auf den Magen geschlagen waren.

Irgendwann beschloss Josie, dass sie lange genug von ihrem Herren getrennt gewesen war, und schob ihre Schale quer über den Tisch balancierend zu Zero, bevor sie auf seinem Knie landete und ihn auffordernd mit schief gelegtem Kopf anblickte, woraufhin er begann sie zu füttern. Stückchen für Stückchen hielt er ihr hin. Jedes nahm sie vorsichtig entgegen und hielt es mit ihrer linken Kralle fest, während sie es fraß. Auf Zeros Gesicht legte sich ein Lächeln. Sie war süß. Und wie.

Halb verträumt strich er ihr über das Gefieder. Er war so lange nicht bei ihr gewesen, und das nur, weil er Kira hatte aus dem Weg haben wollen, damit niemand ihn mit ihm in Verbindung bringen konnte…

Aus den Augenwinkeln betrachtete er den Jungen, hob minimal den Kopf an, um ihn besser sehen zu können. Kira sah niedlich aus, wie er da in seinem Sessel hockte und langsam aß. Es war ihm noch immer ein Rätsel, wie jemand beim Essen niedlich aussehen konnte…
 

Die ganze Zeit, während er gegessen hatte, hatte dieser in seine Schüssel gestarrt. Kira hatte versucht an nichts mehr zu denken, doch das war ihm nicht gelungen. Seufzend schob er sich das letzte Reiskorn in den Mund, bevor er sich erhob.

„Ich muss in die Stadt... arbeiten gehen. Ich denke, ich werd zum Abendbrot zurück sein.“ Langsam stand er auf, lief zur Tür, die Treppe hinunter und schließlich durch den Gemeinschaftsraum in sein Zimmer, um seine Sachen zusammenzupacken und sich umzuziehen.

Kapitel 16

Kapitel 16:
 

Zero wurde gegen Mittag von Tsubasa zum Doc geschleift, wo er den halben Nachmittag verbrachte, weil der Arzt meinte, er müsse ihm eine Musiktherapie verpassen, was Zero über sich ergehen ließ und darüber tatsächlich wieder einschlief. Erst gegen fünf Uhr wurde er wieder wach, weil der Doc ihn leicht schüttelte und ihm lächelnd bedeutete, dass Tsubasa wartete.

Der Schwarzhaarige lächelte zurück, ließ sich umarmen, dann folgte er Tsubasa, Josie auf der rechten, der heilen Schulter. Der Chinese hatte sein gewohnt abweisendes Verhalten an den Tag gelegt, trug wieder seinen Mantel und die starre Maske aus Wut und Kälte, die andere verunsicherte. Niemand bemerkte, dass er mehr verletzt war, als der Kratzer im Gesicht verriet.

Im Gemeinschaftsraum erwarteten ihn die Chibi-Schwestern, die ihm einen chinesischen Glücksbringer überreichten, mit den Worten, er solle ganz schnell wieder gesund werden und damit sich die Wunde nicht entzündete, woraufhin er sich bei ihnen bedankte. Sie waren ihm wohl auch längst näher als er gedacht hatte…

Er verabschiedete sich nur wenige Minuten später mit einem kurzen Nicken und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum. An der Mole endete sein zielloser Weg. Minutenlang starrte er auf die Steine im Wasser, wo sanft die Wellen dagegen schlugen. Dann, ohne dass er es wahrnahm, wanderte er darauf zu, kletterte schließlich schweigend darüber bis zum Ende, wo er stehen blieb und einfach nur aufs Meer hinausblickte. Eine der Katzen strich um seine Beine, war ihm bis hierher gefolgt, doch er bekam es kaum mit, so dass sie sich in einigem Abstand auf einen flachen Felsen hockte und sich putzte. Josie saß still und ruhig auf seiner Schulter, ohne sich zu bewegen.
 

Kiras Tag war nicht unbedingt als erfolgreich zu bezeichnen. Während er den Kunden die Getränke brachte, kam es ziemlich oft vor, dass er sie überschwappen ließ oder sie gleich auf den Erdboden beförderte. Beim Abwasch schaffte er es, einige der Gläser, die während seines Servierganges noch heile geblieben waren, durch plötzliche Gewaltausbrüche splittern zu lassen.

Sein Chef war nach ein paar Stunden so gestresst, dass er ihn nach Hause gehen ließ und ihm befahl, sich auszuruhen, um den nächsten Tag besser zu überstehen. Deprimiert kehrte Kira wieder in das Lager zurück und legte sich dort in seinem Zimmer auf sein Bett. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war, was ihm fehlte. Er fühlte sich einfach wie verhext.

Seufzend stand er nach etlichen Minuten auf und ging zu seinem Schrank. Er griff nach seiner Sporthose und einem Shirt, schälte sich aus seinen Sachen und zog die eben herausgesuchten Sachen an. Vielleicht würde ihm ein Lauf Klarheit verschaffen oder ihm von seiner momentanen Laune wieder herunterholen.

Langsam lief er los, wärmte sich ein bisschen auf durch kleine Sprünge oder kurze Sprints. Dann verfiel er in einen gleichmäßigen Trab, der ihn erstaunlicherweise bis zum Meer führte. Er hatte noch keine Ahnung gehabt, wo er hinwollte, war einfach losgelaufen.

Sanft ließ er sich die leichte Brise um die Ohren wehen und blickte sich um. Seit Zero ihn angeschrieen hatte, war er nun also das erste Mal hier... Es war ein eigenartiges Gefühl. Kein schlechtes, aber komisch. Sie hatten die Unklarheiten ausgebügelt, konnten nun wieder miteinander reden. Seufzend ging Kira den Weg entlang und sah nach ein paar Metern die Katzen in der Sonne liegen. Grinsend blieb er stehen, war die kleine weiße gleich zu ihm geeilt, um sich Streicheleinheiten zu holen. Kira tat ihr den gefallen, blickte dabei auf das Meer hinaus. Und dann sah er ihn, zusammen mit Josie. Lächelnd ließ er sich auf den Boden sinken und beobachtete die beiden. Wie schafften er und Zero es bloß sich andauernd über den Weg zu laufen, obwohl sie sich nicht suchten?

Oder suchten sie sich etwa, aber Kira wusste bloß nichts davon?
 

Zero bemerkte es fast sofort, dass ein anderer Mensch seine Augen auf ihn gerichtet hatte, doch seltsamerweise fühlte er sich von diesen Augen nicht bedroht. Zwei Menschen konnten also dort stehen: Tsubasa oder aber Kira. Mit beiden wollte er nicht sprechen, aber gegen Nähe hatte er jetzt nichts…

Ein winziges Wort, eine Geste und Josie flog los, kam zu Kira und flatterte vor ihm herum, zog an seinem Shirt, als sie es zu fassen bekam, ließ es wieder los. „Jo ist weiß. Kira ist lieb! Jo ist Kira ist weiß!“, quasselte sie liebevoll und flog dann zurück zu Zero, kehrte auf halbem Weg um, um zu Kira zu fliegen und dann wieder zu Zero, wo sie landete und sich gegen ihren Herren schmiegte.
 

Verwirrt betrachtete Kira den Vogel. Was wollte sie denn jetzt? Erst zog sie an ihm rum, dann flog sie weg und drehte unterwegs um... Hieß das etwa, dass Kira weiter gehen sollte? Näher zu Zero?

Eigentlich konnte er es nicht glauben und wollte es auch nicht riskieren, sich wieder mit ihm zu streiten und doch erwachte auch in Kira ein Gefühl, dass er genau diese Nähe in diesem Augenblick wollte.

Lächelnd stellte er sich richtig hin, lief dann langsam nach vorn zu den Betonfelsen, versuchte nicht auszurutschen und setzte sich dann schließlich schräg hinter Zero auf einen der Steine. Worte wären unpassend gewesen, also schwieg er.
 

Zero lächelte leicht, als er Kira hinter sich hörte, schloss schließlich die Augen und war glücklich, dass der andere sein Gesicht in diesem Moment nicht sehen konnte. Es wäre mit Sicherheit ziemlich peinlich gewesen.

Und dann… „Wie geht es dir eigentlich? Ich bin ja gegangen, als du krank warst…“ Worauf er im Nachhinein nicht stolz war.
 

„Es ist alles so weit wieder okay. Ich hab mich in meinem neuen Zimmer dann auskuriert. Ich hoffe zumindest, dass ich vollständig gesund bin.“ Kurz seufzte er. „Ich würde es nicht noch mal aushalten, wegen einer Grippe im Bett zu liegen. Ich hasse solche Untätigkeit.“

Und er hasste es, dass Zero für ihn arbeiten gehen musste. Er machte schon so viel für ihn, da musste Kira ihm nicht auch noch seinen Job aufladen.
 

Zero nickte, dann drehte er sich um. „Das ist gut zu hören.“, sagte er ernst, bückte sich und nahm die Mieze auf den Arm, was Josie zum Fauchen animierte, weil die Katze sie anfauchte.
 

Lächelnd blickte Kira zu ihm auf. Auch Zero schien wieder relativ fit zu sein. Das wiederum freute Kira. Auch die Tatsache, dass er seinen Ausbruch wohl erst mal hinter sich gebracht hatte.

Aber es war noch lange nicht vorbei...

Das Fauchen Josies erschreckte ihn, klang es doch wirklich bizarr. Und doch, Kira konnte nichts anderes als zu lachen.
 

Zero verzog nur den Mund, machte dann die paar Schritte zu ihm und drückte ihm die Katze in die Hand. „Soll das jetzt wirklich so weiter gehen?“, fragte er seinen Vogel. „Dass du alles, was mir zu nahe kommt, anfauchst und zu vertreiben versuchst?“

Josie gurrte glücklich. „Ich hab Kira lieb!“

„Das war mir schon klar.“, entgegnete er trocken. „Was nicht heißt, dass ich das dulden werde. Du wirst jetzt zu Kira gehen, damit ich die Katze ungestört auf dem Arm halten kann, klar?“

„Jo ist weiß!“

„Du bist blau.“

„Jo ist weiß!“

„Jo ist blau.“

„Kira ist weiß!“

„Zumindest hat er das versucht.“, schmunzelte Zero mit einem amüsierten Seitenblick auf den blond gefärbten Jungen.
 

Unbeholfen nahm Kira das Fellknäul auf und begann es unbewusst zu streicheln, während er sich ein wenig aufsetzte und dann den Schlagabtausch zwischen Vogel und Herrchen beobachtete.

Die beiden waren herzallerliebst. Zero, wie er Josie förmlich ausschimpfte und sie, die einfach nur da saß und ihren Text sagte. Auch wenn Kira immer noch nicht hundertprozentig dahinter stieg, was das alles zu bedeuten hatte.

„Was redet ihr da?“ Kira wollte es wirklich wissen. Denn was immer es war, es hatte Zero zum Lächeln gebracht. Und das war gut.
 

Zero begann leicht fies zu grinsen. „Sie hat mir mitgeteilt, dass sie brav ist, und als ich das verneint habe, hat sie gesagt, dass du brav bist, aber wenn man es wörtlich übersetzt… du hast fast weiße Haare…“ Er streckte ihm Jo entgegen, was die Katze wieder fauchen ließ. „Nimm sie, damit sie lernt, dass ich nicht ihr gehöre.“
 

Langsam streckte Kira seinen Arm aus und hielt ihn unter Josies Krallen. Sie machte jedoch keine Anstalten, sich zu bewegen. Sein Blick wanderte zu den Augen des Vogels, blickte kurz in die schwarzen Spiegel. Dann, nach einem kurzen Ruck von Zeros Arm, hob Josie vorsichtig ein Bein und war schließlich auf Kiras Arm und lief zu seiner Schulter hinauf.

Lächelnd kraulte er ihr das Gefieder. „Und, ist es so schlimm hier?“

„Kira ist weiß!“, ertönte es, allerdings nicht halb so begeistert wie vor ein paar Minuten.
 

Zero unterdessen nahm die Katze wieder auf den Arm und kraulte ihr die Ohren, was ihr Murren ziemlich schnell abklingen ließ. Sie verzieh ihm Josies Fauchen offenbar. Dann ließ er sich unterhalb von Kira auf den Boden sinken, lehnte sich gegen den Felsen, auf dem dieser saß. Er machte es vorsichtig, um seine Schulter und seine Hand nicht zu belasten, aber so, dass Kira davon nichts mitbekam. Was eh nicht sonderlich wahrscheinlich war, weil er mit Jo beschäftigt war.

„Du bist früh zurück.“, stellte er schließlich nach einer halben Ewigkeit des Schweigens fest. Es stimmte. Normalerweise kam der Junge erst um sechs Uhr von der Arbeit, aber es war heute gerade halb sechs… Und er war bereits umgezogen und am Sport machen…

Warum störte ihn die Stille diesmal so? War es, weil Kira normal mehr redete? Wollte er das Gespräch? Wollte er ihm wirklich Sicherheit vermitteln?
 

Lächelnd blickte der Blonde hinunter auf den schwarzen Haarschopf, kraulte nebenbei Josie. „Die Arbeit lief heut nicht so gut... Der Chef hat mich eher nach Hause geschickt.“ Kira hoffte innerlich, dass er die ganzen zerbrochenen Gläser des Tages nicht würde ersetzen müssen. Sollte dies doch der Fall sein, wäre er seinen Lohn für diesen Monat sicher schon los.

Schon wieder legte sich Stille über die beiden Jungen, die erdrückend war. Nicht einmal Jo sagte ein Ton. Unsicher blickte Kira auf Zero hinunter, überlegte, ob er diesen nach Taichi fragen sollte, ob er ihn nach den Tsurus fragen sollte. Es würde seinem aufgewühlten Inneren Linderung verschaffen, allerdings wusste er auch nicht, wie Zero auf die Frage reagieren würde.

Langsam legte er sich die Worte in Gedanken zurecht und schaffte es nach etlichen Blicken auf Josie oder zum Meer auch, seine Frage zu stellen. „Zero... was hat dir Taichi alles erzählt?“ Seine Stimme war leise, ein wenig ängstlich vor dem, was die Antwort sein würde.
 

Zero blickte kurz zu ihm hoch, dann drehte sich die Katze auf den Rücken und präsentierte ihm ihren Bauch. Es schien nicht so, als wolle er antworten. Er schwieg, wirkte abweisend wie immer. Und antwortete dann doch noch.

„Er hat erzählt, dass du deinen Bruder umgebracht hast – was nicht stimmt, wie du selbst gesagt hast. Er hat gesagt, dass du ein Waschlappen und ein Weichei wärst, dass du feige bist. Den Grund für seine Beschuldigungen hat er nicht genannt, aber es ist auch nicht wichtig, weil er eh immer nur schlechtes über andere redet. Und er hat gesagt, dass er sich darauf freut, dich wieder zu sehen. Ich soll dich von ihm grüßen.“ Er schwieg einen Moment und fuhr dann ungerührt fort.

„Im Übrigen will ich nicht hören müssen, dass du ihn wirklich triffst oder wieder siehst. Ganz egal aus welchem Grund, du bist jetzt in unserem Clan. Der Kontakt mit den Storms ist jedem unserer Mitglieder verboten.“ Dass er davon ausgenommen war und Kämpfe dennoch erlaubt waren, musste er wohl nicht sagen. Es verstand sich von selbst.
 

Während Zero erzählte, begann langsam eine Wut in Kira zu erwachen. Eine Wut, die er selbst noch nie gespürt hatte. Was hatte Taichi behauptet? Dass er selbst seinen Bruder getötet hatte? Die Anschuldigungen von wegen Weichei, Waschlappen und feige würde sich der Blonde ja noch gefallen lassen, sie betrafen nur ihn und er würde damit fertig werden. Aber auch nur zu behaupten, dass er selbst seinen Bruder umgebracht hatte, die Person, die er am meisten auf der Welt geliebt hatte, das ging zu Weit. Eindeutig!

Nur am Rande bekam er Zeros Anmerkung mit, die schon fast wie ein Befehl klang.

Er würde Taichi wieder sehen, und ob! Diese Anschuldigungen würde er nicht auf sich sitzen lassen. Nie im Leben! Auch wenn Zero danach sauer auf ihn sein würde, auch das war ihm im Augenblick egal. Taichi war der Einzige, der sich momentan in Kiras Gedanken aufhielt, und er würde da auch nicht so schnell wieder verschwinden!
 

Als keine Antwort kam, drehte Zero sich um und blickte den blonden Jungen misstrauisch an. Das Gesicht zeigte ihm ganz deutlich, wie er diese Nachricht aufgenommen hatte: ganz schlecht. Von wegen, er würde nicht zu ihm gehen. Das war Wut, was er da sah. Das war Hass. Glühender Hass…

„Kira?“
 

Aufgebracht blitze der Angesprochene seinen Freund an. „Was?“ Seine Antwort fiel eisiger aus, als er es vorgehabt hatte und schon milderte er den Blick merklich. „Entschuldige... Du kannst ja nichts dafür.“

Wütend erhob er sich von dem Felsen und lief wie ein lauernder Tiger hin und her. Josie war bei der plötzlichen Bewegung aufgeschreckt und hatte wütend ihren Platz verlassen, war nun wieder zu Zero geflogen.
 

Zero empfing Josie auf seinem Arm, blickte wieder zum Meer hinaus. So wie es aussah, würde sich Kira nicht an seine Worte halten. Nicht, solange er so geladen war, so offensichtlich wütend. Er würde ihm nicht einmal zuhören.

Gedankenverloren kraulte er die Katze auf seinem Schoß, während Josie leise und empört vor sich hinbrabbelte.
 

Nachdem er noch ein paar Stunden mit Zero an der Mole gesessen hatte, war Kira wie ein Stein ins Bett gefallen und am nächsten Morgen demnach ziemlich fit. Heute würde die Arbeit wahrscheinlich besser laufen als gestern, wenn nicht würde er seinen Job so schnell wieder verlieren, wie er ihn auch bekommen hatte. Schnell war er aus den Federn gesprungen, unter die Dusche geeilt und hatte sich angezogen. Fröhlich ging er dann in den Gemeinschaftsraum zum Frühstücken. Es waren nicht viele da. Ein Teil war wie immer schon arbeiten.

Lächelnd setzte Kira an den Tisch und nahm sich eine Schüssel, schüttete Milch und Cornflakes hinein und begann dann zu essen. Ihm gegenüber saßen Mara und Nami und Kira lächelte beiden kurz zu, dann stand er auf, um in sein Zimmer zurückzugehen und sich seine Sachen zu holen. Heute würde er sich erst im Laden umziehen. Die Blicke in der Bahn hatten ihn zwar nicht besonders gestört, aber trotzdem musste er das nicht noch einmal haben.

Freundlich lächelte ihm sein Chef zu, als Kira zur Tür reinkam. dann ging es auch schon an die Arbeit. Wie immer nahm er die Wünsche der Gäste auf, leitete sie weiter oder bearbeitete sie selber und brachte sie schließlich zu den Gästen. Als es wieder einmal ruhiger im Laden war, begann Kira wieder Gläser abzuwaschen. Diesmal ging ihm keines kaputt... Zuerst zumindest nicht. Sein blick schwang durch den Raum, dann nach draußen auf die Straße. Und dort sah er sie schließlich auch. Zwei Mitglieder der Storms. Ein Knacken und folgendes Pieken in seiner Hand zeigte Kira, dass er mal wieder eine Standpauke vom Chef bekam. Noch ein Glas...

Und kurz darauf sah er auch ein paar rote Flecken auf dem Handtuch. Oh nein, nicht schon wieder eine Verletzung... Seufzend kramte er im Erste-Hilfe-Kasten nach einer Kompresse und einem Stück Verband. Schnell hatte er das stück Glas aus seiner Hand gezogen und begann dann alles kurz zu desinfizieren, um es schließlich zu verbinden. Oh Mann, was war er nur für ein Tollpatsch.

Die beiden von den Storms waren natürlich wieder weg. Aber was hatte er sich auch gedacht? Dass er einfach aus dem Laden stürmen könnte, um ihnen nachzurennen? Nie im Leben. Seufzend machte Kira sich wieder daran, seinem Job nachzugehen und seine Verletzung so gut es ging zu verbergen.

Am Abend verließ er den Laden wie immer und war mehr als froh, als er wieder im Quartier der Dragons war. Die Wut auf Taichi und die Storms war noch immer nicht aus ihm gewichen, aber er schaffte es, sie im Hintergrund zu halten. Erschöpft ließ er sich zu ein paar anderen an den Tisch sinken, um zu Abend zu essen.
 

Zero war bereits fertig, als Kira kam, leistete eigentlich nur noch Tsubasa Gesellschaft, der ihn mit allerlei Mist voll laberte und Josie fütterte, die zwei neue Freunde in den Zwillingen gefunden hatte, die ihr allerhand lustige Worte beibrachten. Das deutsche Wort für Blaubeerkuchen zum Beispiel. Jedes Mal, wenn sie etwas sagte, quietschten die Zwillinge begeistert auf, was sie stolz machte und zu mehr Unsinn anstachelte. Als sie jedoch begann, Tassen vom Tisch zu schmeißen, weil ihr das lustig erschien, rief Zero sie mit nur einem harschen Wort zu sich und sie kam.

Zero wechselte einen Blick mit Mara, der Kira zusammen mit Nami beobachtet hatte. Der dicke Junge schüttelte nur den Kopf und zuckte mit den Schultern, woraufhin Zero nickte.

„Der Doc erwartet mich.“, erklärte er seinem Bruder. Den ganzen Tag über hatte er sich gelangweilt, denn aufgrund seiner Schulter konnte er noch immer nicht viel tun, aber jetzt hatte der Doc Zeit. Vorher hatte er sich viel um Ren kümmern müssen, denn dieser war wieder aufgewacht.
 

Interessiert blickte Kira Zero hinterher. Er hatte gleich gesehen, dass der Vize da war und doch hatte er ihn nicht groß beachtet. Ein Blick, das war genug. Schweigend begann er seinen Reis zu Essen, bevor er einen Schatten über sich spürte. Schnell blickte er auf, direkt in die breit grinsenden Gesichter der beiden Chibis. Nun, da sie keine Josie mehr zum Spielen hatten, brauchten sie ein neues Opfer... Und wer eignete sich da besser als Kira, ihrem Gomera?

Ein ängstliches Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er von Chibi-chi zu Chibi-chan sah. „Hi... Wie war euer Tag?“
 

„Wir wollen Maßnehmen!“, sagten sie.

„Uns fehlt die Breite der Schultern, die Länge der Beine und Arme…“

„…des Rückens, der Umfang deines Halses, deine Größe…“

„…und dein Kopfumfang. Dann brauchen wir die Schuhgröße und…“

„Und wir brauchen den Umfang von Taille und Hüfte.“

„Dürfen wir messen?“
 

Völlig überfordert blickte Kira die beiden an. Was wollten sie von ihm? Ihn vermessen? Was hatten sie denn vor? Es war doch weder Fasching noch Halloween oder Ähnliches... oder irrte er sich etwa? „Klar könnt ihr... aber warum?“
 

Die Zwillinge blickten sich an. „Yuki… müssen wir auch messen… aber das trauen wir uns nicht… machst du das?“

„Bitte. Ich mag keine Maus anfassen…“

Sie ignorierten seine Frage komplett.
 

„Yuki?“ Perplex blickte er die beiden an. „Ihr wollt Yuki vermessen?“ Das glaubte er ja nicht. Aber warum denn nicht? Kira glaubte nicht, dass sie etwas Böses vorhatten, dafür waren sie zu lieb. „Wartet bis nach dem Essen, ja?“ Lächelnd blickte er die beiden an.
 

„Wir sind schon fertig.“, verkündete Chibi-chi.
 

Ob dem ganzen Gegrinse der beiden schaffte es Kira einfach nicht, ihnen zu widersprechen. Seufzend schob er sich noch einen letzten Löffel Reis in den Mund, erhob sich dann und folgte den beiden hinaus in sein Zimmer.
 

Jede der beiden hatte eine seiner Hände genommen und nun ließen sie ihn los, hielten im nächsten Moment Maßbänder in der Hand. Und schon legten sie los. Chibi-chan hob Kiras Arme in die Wagerechte und während sie die Länge des einen Armes maß, vermerkte Chibi-chi auch schon den Brustumfang. Sie waren schnell, knallten sich gegenseitig Daten um die Ohren, maßen alles, was sie erreichen konnten und wenn sie Kira dafür in die unmöglichsten Positionen bringen mussten, bis jeder normale Mensch den Überblick verloren hatte.

Dann waren sie fertig. „Bei Yuki bitte Füße, Schwanz, Halsumfang…“

„…Rückenlänge und Bauchumfang.“
 

Zaghaft nahm Kira Yuki auf die Hand und blickte ihm kurz in die Augen. „Ich weiß, dass dir das nicht gefallen könnte, aber du musst da durch.“ Vorsichtig nahm er das Maßband in die Hand und begann alle gewünschten Daten zu messen und gab sie dann an die beiden Mädchen weiter.
 

Diese quiekten auf, als er diese winzigen Maße vernahmen, freuten sich einen Keks und waren verschwunden, sobald der blonde Junge ihnen ihr Maßband wiedergegeben hatte. Wie Irrwischs. Ihr Lachen klang von draußen herein und ihr angeregtes Gequassel sorgte dafür, dass man ihnen an diesem Abend komplett aus dem Weg ging. Niemand wollte in ihre Fänge geraten und sich ihre Schwärmereien anhören.
 

Sobald die Mädchen aus seinem Zimmer wieder abgezogen waren, ließ sich der Blonde auf sein Bett fallen. Oh je, die Stimmung, die die beiden verbreiteten, war ja nicht auszuhalten. Seufzend ließ er Yuki nun wieder frei laufen. Er hatte sich nicht beschwert und doch wusste Kira, dass ihm die ganze Aktion nicht gefallen hatte.

Irgendwann schloss er die Augen, einfach um die Ruhe zu spüren.
 

Irgendwann wachte der Blonde auf, es war mitten in der Nacht. Die Sterne standen hoch am Himmel und von draußen drang kein Geräusch mehr durch das offene Fenster.

Hellwach setzte er sich auf und blickte sich in seinem Zimmer um. Was sollte er jetzt machen? Zum Schlafen war er zu wach. wie lange er wohl versehentlich geruht hatte? Eigentlich hatte er ja gar nicht schlafen wollen...

Sein Blick glitt zur Seite zu Yuki und erblickte die kleine Maus schlafend. Wie es schien, war er der einzige, der wach war...

Seufzend erhob Kira sich und ging ins Bad. Kurz machte er sich frisch, dann verließ er sein Zimmer. Er war leise, wollte er doch keinen von den anderen wecken. Seine Füße trugen ihn in Richtung Stadt, auf das große weite Feld nahe dem Bahnhof. Auch wenn es bereits Oktober war, war es in dieser Nacht relativ warm, so dass Kira sich einfach in einem Pullover auf den Rasen legte und in den Nachthimmel schaute. Es war atemberaubend. Man sah einzig und allein die Sterne, vielleicht mal die Lichter eines vorbei fliegenden Flugzeugs. Sonst war alles schwarz.

Lächelnd blickte der Blonde in die Höhe, beobachtete jeden Punkt, den er mit den Augen erreichen konnte. Er sah sogar eine Sternschnuppe. Fröhlich hatte er sich einen Wunsch in die Gedanken gerufen und ihn leise vor sich hin gedacht. Was sie wohl zu bedeuten hatte? Ob die Sternschnuppe ihm Glück brachte? Er wusste es nicht. Und es war auch nicht wichtig.

Irgendwann fielen ihm doch noch die Augen zu.

Kapitel 17

Kapitel 17:
 

Der nächste Morgen begann für Zero mit einem heftigen Streit. Ren war wach und lief wieder herum und er hatte das zweifelhafte Vergnügen, mit ihm in einem Zimmer Musik hören zu dürfen. Die Schmusemusik des Docs… klasse! Nicht einmal Jo hatte er mitnehmen dürfen, weil sie Stress verursachte. Na und? Ren verbreitete Stress durch seine bloße Anwesenheit!

„Was guckst du so?“, fauchte er den grünhaarigen Jungen an, der ihn nicht aus den Augen ließ.

„Warum bist du hier? Du wirst diese dämliche Musik ja wohl kaum zum Spaß über dich ergehen lassen.“

„Das geht dich nichts an!“

„Oder magst du so was…? Klassik…“ Rens Stimme klang unterschwellig aggressiv. „Nein, das ist es nicht… Vielleicht… hey, hat es jemand geschafft, dich zu verletzten? Bist du deshalb hier?“

Eine sich hebende Augenbraue, die vermittelte: Das glaubst du doch selbst nicht. Eine andere Reaktion bekam er nicht.

„Oder hat der Sensei dir diese Therapie verschrieben, weil du so gewalttätig bist?“

„Ich bin nicht im Mindesten gewalttätig!“, erklärte Zero ihm böse. „Nur, wenn man meine Regeln missachtet und Kinder vergewaltigt!“

„Kira ist kein Kind mehr.“

„Na und? Darfst du ihm deswegen etwas aufzwingen, das er nicht will?“ Zeros Gesicht war dunkel. Sie sollten dieses Gespräch schnellstmöglich beenden, sonst wäre Ren sicher wieder ausgeschaltet für die nächsten Wochen.

„Er hat mit keinem Wort gesagt, dass er nicht wollte!“, ereiferte sich Ren.

Und es war ein Fehler. Zero stand senkrecht und nur einen Augenblick später berührte ein Dolch seinen Hals gerade eben, dass Ren schlucken musste. „Er hat es gesagt. Mit dem Körper und mit der Stimme. Du hast ihn nur nicht gehört, du perverses Schwein.“ Er holte tief Luft. Die schnelle Bewegung hatte seine lädierte Schulter überbeansprucht. „Ich hätte dich töten sollen.“

„Noch ein Mord?“

„Einer mehr unter vielen… was soll’s?“

Ren schwieg.

„Ich sage es dir jetzt. Ein Mal. Und ich wiederhole mich nicht. Solltest du noch einmal Hand an jemanden legen, der das nicht will und sich nicht wehren kann, sollte ich das noch einmal mitbekommen, dann bist du endgültig fällig. Ich werde dich aufschlitzen und deine Eingeweide den Katzen am Kai füttern. Sie werden sich freuen. Warmes Herz bekommen sie nicht so häufig.“

Ren schüttelte sich vor Grauen. „Du bist krank.“

„Ich weiß.“ Zero zog den Dolch zurück und steckte ihn wieder in seinen Stiefel. „Das bin ich, seit sie mich vergiftet haben. Find dich damit ab.“ Dann verließ er den Raum, um Tsubasa aufzusuchen, ging einfach an dem leicht traurig blickenden Doc vorbei, der ihm nachsah, in den Gemeinschaftsraum und direkt auf Tsubasa zu, der ein frühes Frühstück zu sich nahm. Schon als der junge Mann den Blick seines Bruders sah, stand er wortlos auf, nahm ihn beim Arm und brachte ihn in sein Zimmer. Ins seines, denn das von Zero war zu düster.

„Was ist passiert?“, fragte er sachlich, als der Chinese ihn umarmte. „Gab es einen Zwischenfall mit Ren?“

„Er lebt noch, keine Sorge.“ Zero schmiegte seine Stirn an Tsubasas Hals, die Finger seiner gesunden Hand fuhren über seine Brust. „Aber er regt mich auf.“

„Das sieht man.“

„Ehrlich?“

„Ich schon.“ Ihm antwortete nur Schweigen und Tsubasa seufzte. „Du solltest Kira mal sagen, was du für ihn empfindest, dann kannst du dich von ihm trösten lassen.“

„Sonst noch was?“

„Warum denn nicht?“

Zero seufzte. „Wenn er wüsste, was ich bin…“

„Ich glaube kaum, dass er dir daraus einen Vorwurf machen würde. Er akzeptiert dich doch sogar, obwohl du getötet hast und bescheuerterweise einen Alleingang gemacht hast. Hey, er hat dich sogar gesucht.“

„Und gefunden.“

„Warum hast du dich ihm überhaupt gezeigt?“

„Hab ich nicht.“

„Du hast ihm Josie geschickt, Kindskopf.“

„Er sollte da weg.“, erklärte Zero und spielte mit einer von Tsubasas langen Haarsträhnen. „Zu gefährlich. Die Tsurus planen einen Angriff gegen die Storms. Wenn sie wissen, dass er Mitglied bei denen war, dann wäre er dran gewesen.“

„Warst du deswegen bei ihnen?“

„Ich wollte wissen, warum sie so viel Geheimniskrämerei betreiben.“

„Und hast die Antworten aus ihnen herausgeprügelt. Zero, du bist ein Idiot.“ Schweigen. „Hast du es Taichi gesagt?“

„Ich bin nicht blöd. Wenn ich Glück habe, bringen sie ihn um, dann bin ich ihn los.“

„Würdest du das wirklich zulassen? Dass jemand anderes ihn umbringt?“

Achselzucken. „Ja. Tot ist tot.“

Tsubasa lächelte traurig, zog ihn nur enger gegen sich. Der Junge tat ihm leid. Momentan war es für ihn wirklich nicht leicht. Seine Gefühle für Kira, die Angst um ihn, der Stress mit den Clans, den er sich aufhalste, obwohl er nicht musste, die Sache mit Ren… Aber er sagte nichts mehr, sondern hielt ihn einfach nur fest, bis Zero sich von alleine löste und meinte, er würde schlafen gehen. Ging er nicht, das wusste Tsubasa auch, nicht um diese Uhrzeit, aber er sagte nichts, sondern ließ Zero Josie holen und mit ihr auf dem Dach verschwinden, wo er sie fliegen ließ, sich dort flach auf den kalten Boden legte und sich einfach gehen ließ. Wenn er das tat, dann durfte nicht einmal Tsubasa anwesend sein.
 

Als Kira am Morgen erwachte, war ihm kalt. Abwesend blickte er sich um, bis ihm einfiel, dass er draußen übernachtet hatte. Während er sich streckte, erhaschte der Blonde einen Blick auf seine Uhr und gefror binnen ein paar Sekunden zu Eis. Es war bereits kurz vor zehn... und um zehn begann seine Arbeit!

Schnell sprang Kira auf, klopfte sich kurz das Gras von den Sachen und rannte dann zur U-Bahn. In hohem Tempo sprang er gerade noch in die wartende Bahn und garantierte so, dass er nicht allzu spät kommen würde. Hätte er diese Bahn nicht bekommen, hätte er noch länger warten müssen...

Sobald die Bahn an Kiras Station hielt, rannte er aus dem Wagen, schnell zum Laden seines Chefs. Außer Atem kam er direkt vor dem Tresen zum Stehen und brachte nur sehr schwer ein paar zusammenhängende Worte heraus. „Sorry... verschlafen... wird nicht wieder vorkommen...“ Dann lieh Kira sich einen der Anzüge und zog sich um. Nun konnte er wahrlich mit der Arbeit beginnen. Sofort ging er zu den paar Tischen die schon besetzt waren, nahm die Bestellungen auf und so weiter.

Der Vormittag verlief ruhig, erst gegen Mittag ging es dann etwas reger zu. Aber auch nun hatte Kira keine Probleme, denn mittlerweile war auch eine seiner Kolleginnen zur Arbeit erschienen. Lächelnd und mit einem Tablett voller Gläser in der Hand trat der Blonde an einen der Tische. Die vier Jungen hatten sich erst vor ein paar Minuten niedergelassen und die Angebotskarten studiert.

„Was darf ich ihnen bringen?“ Sobald Kira einen genaueren Blick auf die Sachen und Gesichter der Gäste geworfen hatte, begann es ihn zu frösteln. Er kannte sie... kannte die Jungen. Alle bis auf einen gehörten sie zu Taichi...

Die eisige Angst in seinem Inneren wurde sofort von einer unbändigen Wut überlagert. Was machten sie hier? Warum musste gerade er, Kira, sie hier treffen? Ohne noch etwas zu sagen, drehte er sich um, rannte zum Tresen, stellte die Gläser ab und lief dann weiter zur Toilette. Eine unbekannte Übelkeit hatte von ihm Besitz ergriffen und sich nicht vertreiben lassen. Erst als er das schnelle Frühstück vom Vormittag wieder draußen hatte, wurde es besser. Bleich und schwitzend ließ er sich an die Wand sinken.

Und jetzt, wo er sich nicht mehr auf seinen Körper konzentrieren musste, kam auch die Wut zurück. Das, was sein ehemaliger Chef Zero angetan hatte...

Schwankend stand Kira auf und spritzte sich eine Portion Wasser ins Gesicht. Er musste wieder nach draußen, musste weiter arbeiten. Noch etwas unsicher auf den Beinen verließ er die Toilette wieder und stellte sich hinter den Tresen, sein Blick die ganze Zeit auf die Vertreter der Storms gerichtet.
 

Nami blickte zu Kira hinüber und stützte das Kinn in die Hände. „Er hat uns nicht mal bemerkt…“, murmelte sie. Sie und Mara waren gekommen, als Kira so fluchtartig gegangen war, hatten sich gedacht, dass es jetzt vielleicht brenzlig werden könnte, wo er die Feinde erkannt hatte, aber irgendwie…

„Wie eine Schlange, die ihre Beute fixiert.“, erwiderte der bullige Junge. „Er hat sich überhaupt nicht unter Kontrolle. Ich fress einen Besen, wenn die ihn nicht bemerken so.“

Das Mädchen seufzte. Sie zog ihr Handy heraus und tippte schnell einige Worte ein, sandte daraufhin die SMS ab. „Ich hab Ta-chan gerufen. Ich denke, es ist sinnvoll, wenn er kommt. Zero… will ich hier lieber nicht haben.“

„Vielleicht besser…“ Maulfaul wie immer saugte Mara an dem Strohhalm seines Glases, das ihm das niedliche Mädchen von vorhin gebracht hatte. „Am Ende macht er Kira platt, weil der sich hinreißen lässt.“

Nami blickte ihn zweifelnd an, hob eine Augenbraue. „Das… bezweifle ich doch stark.“ Sie dachte an diesen Vogel, den ihr Vize dem blonden Jungen am Tresen geschickt hatte. Wenn sie das richtig sah, dann hatte Zero ihn nicht ermahnt… viel eher war es ein: Ich will dich aus dem Weg haben, damit keiner auf die Idee kommt, dich mit mir in Verbindung zu setzen… Sie befürchtete eher das allzu frühe Ableben der Storms… Woher das Gefühl kam, dass Kira mit seinen Gefühlen nicht allein war, wusste sie nicht zu sagen. Es war einfach nur da.
 

Starr blickte der Blonde auf die Jungen, wandte nicht für eine Sekunde seine Augen ab. Auch als Maja zu ihm kam, und ihn nach den Bestellungen fragte, blickte er sie nicht an.

„Kira? Was ist? Ich hab doch schon vor fünf Minuten alles geordert...“

Und in diesem Moment erhoben sich die Jungen. Ohne dass Kira das hellblonde Mädchen noch einmal anblickte, rief er ihr noch etwas im Vorbeigehen zu, sagte, dass sie dem Chef sagen sollte, dass er wahrscheinlich nicht wieder käme. Heute zumindest. Verwirrt blickte Maja ihm noch hinterher, machte sich dann allerdings an die Arbeit, als der Junge aus ihrem Blickfeld verschwand.

Kira lief in Abstand zu den Storms, durchbohrte sie immer noch mit seinen Blicken. Seine Wut war ein klein wenig gewachsen, ließ sich nicht mehr lange in ihm halten. Völlig unbemerkt seiner Verfolger bog Kira in eine der Seitengassen, und hatte sie dann aus den Augen verloren. Kurz blickte er sich um, wollte gerade einen Fluch ausstoßen, als er neben sich und vor sich Bewegungen wahrnahm und im nächsten Moment eingekesselt war.

Da standen sie. Von allen Seiten um ihn herum. Alle hatten sie ein selbstgefälliges Grinsen auf dem Gesicht, welches Kira am liebsten zerstört hätte. Doch leider konnte er sich nicht rühren. Er war wie gelähmt...

„Kira-chan...“ Nun sprach einer der Jungen, den Kira noch gut in Erinnerung hatte, Akira hieß er. „Dass man dich noch mal wieder sieht... Das hätte ich nicht gedacht.“ Wie zur Bestätigung begannen die anderen zu flüstern und zu Lachen.

Kira fühlte sich immer unwohler in seiner Haut.

„Wie kommt es, dass du uns folgst? Uns beobachtest? Was willst du?“

War ja klar gewesen, dass er aufgefallen war... „Ich will zu Taichi... Ich muss mit ihm reden...“

Akira zog eine Augenbraue hoch. „Du willst mit dem Boss reden? Und da kannst du noch nicht einmal allein kommen?“

Kurz gab er den Jungen links und rechts von sich ein Zeichen, woraufhin sie ihre anderen „Gäste“ holten, und Kira einfach ratlos stehen ließen...
 

Nami war regelrecht entsetzt, als sie erkannte, was die Jungen taten. In Windeseile tippte sie die neue Mail an Tsubasa, gab diesem Straßennamen und Hausnummer durch, ohne auch nur einmal aufs Display zu schauen. Es war ihre große Stärke. Sie war schnell und kannte das Ding in- und auswendig.

Dann waren die Jungen bei ihnen. Mara sah sie dunkel an. Vier Jungen mit kurzen Schlagstöcken… von der Polizei geraubt. Oh Mann… Und Nami war nicht unbedingt eine gute Kämpferin… wären es nur zwei… aber so…

„Was wollt ihr?“, knurrte er und sie deuteten auf die Seitenstraße, wo Kira verschwunden war.

Nami schickte eine weitere SMS: Hilfe!

Dann folgten sie ihnen. „Kira, du bis ein Vollidiot.“, murrte Mara und gab ihm eine wenig liebevolle Kopfnuss.
 

Immer noch etwas begriffsstutzig blickte der Blonde nach hinten und sah dann Mara und Nami, bevor er auch schon die Kopfnuss bekam.

„Sorry... Aber was macht ihr überhaupt hier? Wieso seid ihr nicht bei den anderen?“ Nun begann Wut, ob der verdorbenen Situation in ihm aufzuwallen. „Wieso seit ihr hier? Ich wollte allein mit Taichi reden. Was also macht ihr hier?“

Akira verfolget das Spiel, welches sich ihm bot, mit einem Lächeln. Wie es aussah... sollten sie den Blonden schützen. Der erkannte das natürlich gar nicht. Aber was machte das schon? Er würde Kira zum Boss führen, dazu hatte er sich gleich entschlossen. Denn er wollte wissen, wie sie beide reagierten...

„Mitkommen, alle!“ Die vier Jungen, die schon Mara und Nami geholt hatten, schnappten sich jetzt auch Kira und brachten die drei wenig sanft zum Quartier der Storms.
 

Nami hatte wirklich Pech. Sie wurde zwar nicht gleich gefilzt, aber sie hatte auch keine Hand mehr frei, um Tsubasa eine weitere Warnung zu schicken. Sie hoffte nur, dass der Anführer die richtigen Schlussfolgerungen daraus zog.

Sie hatten Glück. Sie liefen Tsubasa förmlich in die Arme. Der schwarzhaarige junge Mann sah leicht wild aus, seine langen Haare fielen ihm über die Schultern, sein Gesicht war dunkel und böse. Die Storms blieben stehen.

„Zwei Möglichkeiten.“, erklärte er düster. „Ihr lasst sie laufen oder ihr werdet dran glauben müssen.“

Nami schauderte. So hatte sie Tsubasa erst einmal erlebt und da hatte Zero Probleme mit der Polizei… Damals hatte von den Polizisten keiner unverletzt überlebt…
 

Akira blieb stehen und blickte den offiziellen Anführer der Dragons mit hochgezogener Augenbraue an. „Wen haben wir denn da? Wenn das nicht Tsubasa ist...“ Er war nicht im Mindesten von seinem Gegenüber beeindruckt. Die Wut, die dieser verströmte, stachelte ihn eher noch mehr an. Unauffällig gab er seinen Freunden hinter sich ein paar Zeichen, deutet ihnen so, dass sie die drei anderen nicht aus den Augen lassen sollten. Und erst recht nicht entwischen lassen.

Dann, ganz langsam, zog er die kleinen Messer aus der Tasche seines Mantels und klemmte sie sich zwischen die Finger. Eine Aufforderung zum Kampf. Die konnte er haben.
 

Tsubasa startete den ersten Angriff, bevor die fünf Jungen hinter Akira sich neu formiert hatten und seine Freunde als Geiseln vor sich aufgestellt hatten. „Das war der größte Fehler, den du hättest machen können, Akira.“ Tsubasa kannte ihn. Schon lange. Akira war schon seit sehr langer Zeit Mitglied bei den Storms und so eine Art Folterknecht dort. Er war begabt, wenn es darum ging, jemandem Schmerzen zuzufügen.

Sein Dolch sprang förmlich in seine Hand und Tsubasa holte aus, während er die ersten Messer Akiras mit seinem Tonfa abwehrte. Er schlug zu und spürte ein leichtes Ziehen in der Schulter, bevor Akira den Knauf seines Dolches mit voller Wucht gegen die Schläfe bekam. Der Schlagstock schickte ihn endgültig ins Reich der Träume.

Als er aufsah, hatte Mara zwei der anderen Jungen bereits niedergemacht, während Nami bewusstlos am Boden lag.
 

Während das Geschehen nur in Fetzen an Kira vorbeizog, waren die anderen Mitglieder der Storms zwar schneller in ihrem Reaktionsvermögen, hatten gegen Mara jedoch keine Chance. Während Akira aus den Augenwinkeln den Kampf der anderen mitbekam, konzentrierte er sich hauptsächlich auf Tsubasa, hatte dessen schnelle Bewegungen jedoch nicht so in Erinnerung gehabt: Bevor er sich irgendwie wehren konnte, sah er schon die Eisenkugeln auf sich zu schwingen und im nächsten Moment wurde es schwarz um ihn herum.

Kira sah den bewusstlosen Akira zu Boden gehen und tat es ihm wenige Sekunden später nach. Seine Beine waren weich und schafften es nicht mehr, ihn noch länger zu tragen.
 

Mara starrte ihn entsetzt an, Tsubasa ebenfalls, doch er war nicht schnell genug, um ihn noch aufzufangen.

„Was ist denn mit dir los?“, wollte Mara wissen. „Zuviel Blut?“

Tsubasa seufzte leise. „Eher nicht. Stress vielleicht. Immerhin...“ Er trat neben seinen Freund und Untergebenen. „Immerhin ist er seinem Feind nur gerade so entkommen.“ Er hockte sich vor Kira hin und blickte diesen an. „Hey, alles klar?“ Seine Stimme war weich und rücksichtsvoll angesichts der Blässe.
 

Kira schaute Tsubasa einen kleinen Moment in die Augen, dann senkte er den Blick. „Warum? Warum wart ihr alle hier?“ Seine Stimme war leise, brüchig. „Ich wollte zu Taichi. Allein. Es war die perfekte Gelegenheit! Warum seid ihr alle hier und habt es verdorben? Warum?“ Der Zorn kam schneller zurück, als Kira es erwartet hätte. Ruckartig hob er den Kopf, als sich seine Augen auch schon in die Tsubasas bohrten. Er konnte es nicht verstehen, wollte es einfach nicht.
 

Überrascht von der Kälte in diesem Blick reagierte Tsubasa instinktiv, wie er reagierte, wenn er einem anderen so kalten Blick begegnete. Ein eindeutiges Zeichen, dass er für richtig hielt, was er getan hatte, und dass er der Chef war, dem man besser nicht widersprach, wenn man so unsinnige Ansichten vertrat wie Kira.

„Weil du drauf und dran warst, das zu zerstören, was mir am wichtigsten ist!“, gab er zurück. Kalt, beherrscht und mit einer Flamme in seinen Augen verborgen, die eine Drohung vermittelten: Sei vorsichtig mit dem, was du sagst.
 

Kiras Blick schmälerte sich um keinen Grad, wobei er die Laune des Anführers spürte, als er weiterhin unvermittelt auf Tsubasa starrte.

„Ich wollte nur tun, was ich tun musste. Und du hast es versaut!“ All seine Achtung vor Tsubasa vergaß er für einen Moment und auch, dass der Schwarzhaarige Älter als er war und mehr Erfahrung hatte, ignorierte Kira.
 

„Und was bitte musstest du tun?“, kam die Frage um keinen Grad freundlicher zurück. „Was war so wichtig, dass du Menschenleben dafür aufs Spiel setzen musst?“
 

Kurz flackerte es hinter Kiras Augen, bevor sie wieder stur und starr wurden. So hatte er das noch nicht gesehen... Dass er Leben dafür opferte...

Andererseits wollte er alleine gehen! Und sein Leben hätte er riskiert.

„Das weißt du genau...“ Seine Stimme war nur ein Zischen. „Du weißt eh am Besten, was in den letzten Tagen passiert ist...“
 

Tsubasa hob eine Augenbraue, was ihm mit dem schmalen Lächeln zusammen einen abschätzigen, leicht höhnischen Ausdruck verlieh.

„Soll das heißen, du wolltest Taichi für das bestrafen, was er mit Zero gemacht hat?“ Ihm entrutschte nun wirklich ein abfälliges Lachen, wenngleich er es beinahe sofort unter Kontrolle brachte und plötzlich war sein Gesicht wirklich dunkel. „Denkst du überhaupt nach über das, was du tust? Sag mir: Hast du auch nur ein einziges Mal überlegt, was dein kindisches Handeln für Folgen haben kann?“
 

Kira war versucht, einfach alles hinzuwerfen und zu verschwinden, doch irgendwie schien ihn allein Tsubasas Blick an Ort und Stelle zu halten.

„Taichi... muss eine Abreibung bekommen... Irgendwie. Und allein für das, was er Zero angetan hat, will auch ich ihn bestrafen. Was meine Chancen betrifft... Darüber hab ich mir keine Gedanken gemacht.“ Diese Niederlage gestand sich Kira ohne zu zögern ein. „Und doch würde ich alles tun, alles was in meiner Macht steht!“ Kira war sich bewusst, dass er die Antwort auf die Frage umgangen hatte.
 

Die schwarzen Augen wurden noch ein wenig kälter. „Dir ist aber schon bewusst, was Zero dir über den Kampf erzählt hat?“, fragte er lauernd.
 

„Ja!“ Er wusste, das Taichi verletzt war. Ein Grund, warum Kira so schnell wie möglich mit ihm reden wollte, denn so konnte er wenigstens hoffen, dass der Chef der Storms ihn nicht ignorierte. Denn Kira hatte das Gefühl, das Taichi genau das machen könnte...
 

„Was macht dich dann glauben, dass du auch nur in die Nähe von ihm kommen kannst, ohne dass er dich einsperrt und Zero dazu zwingt, sich selbst ein Messer in den Bauch zu rammen, du hirnloser, kleiner Idiot! Er hasst ihn! Inbrünstig und abgrundtief! Er schreckt vor so etwas nicht zurück, um – wenn auch nur im kleinen Stil - ihm das zurückzugeben, was Zero ihm einst angetan hat! Verstehst du wirklich nicht, dass du nicht mit deinem sondern mit Zeros Leben spielst, weil du einen kleinen Funken Hoffnung hast, dass Taichi sorglos genug ist, dich mit deinem Stöckchen nicht ernst zu nehmen?“

Er war immer leiser geworden, immer drohender, während Mara neben ihm immer größere Augen bekommen hatte angesichts der Ungeheuerlichkeiten, die sich hinter den paar Worten verbargen, die er in diesem Moment nicht einmal zu fassen wagte.

„Oder willst du wirklich, dass er stirbt? Wenn es das ist, dann kannst du gehen. Jetzt sofort. Dann kannst du die Dragons auf der Stelle verlassen, denn ich werde nicht zulassen, dass du ihm das antust. Dass du mir das nimmst, was mir das Wichtigste ist. Hast du das verstanden? Ich werde nicht zulassen, dass er sich für jemanden in den Kampf stürzt, der sich nicht darum schert, ob er stirbt oder nicht.“

Er stand auf und starrte kalt und böse auf ihn herab. In ein paar Sekunden entschied sich das Schicksal dieses Jungen. War er einsichtig, würde er ihn nach Hause bringen und ihm Hausarrest verpassen, blieb er stur, so würde er ihn hier lassen und seinem Bruder erneut das Herz aus der Brust reißen, um ihn somit vor dem Tod zu erretten.
 

Plötzlich, und ohne Sanftheit, prasselten alle Gedanken, die Kira vorher ignoriert zu haben schien, auf ihn ein. Tsubasa hatte mit seiner kleinen Rede einen Wall gebrochen, der dem Blonden sonst alles zerstört hätte, das sah er nun ein.

Sein Blick war immer noch geradeaus gerichtet, an die Stelle, an der Tsubasa vorher gehockt hatte. Doch die Kälte und Sturheit waren daraus entwichen. Nun zeigte er Erkenntnis, Angst und Schmerz. Angst, weil ihm in voller Macht bewusst wurde, was er wirklich hätte anrichten können, dass er Zero hätte verlieren können. Schmerz, weil er sich angemaßt hatte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Und dabei versagt hatte.

Zum Glück...

Ohne etwas dagegen tun zu können, begannen Tränen aus seinen Augen zu laufen, seine Wangen hinab. Wie konnte er nur? Was hatte er sich dabei gedacht? Wie konnte er das Leben des Menschen, den er am meisten mochte, nur so sehr aufs Spiel setzen? Verzweifelt presste Kira die Lippen zusammen, ließ ihnen kein Ton entweichen. Schuldgefühle machten sich in einer Ecke seines Herzens breit. Wie hatte er nur so dumm sein können?
 

Tsubasa brauchte noch einen Moment, um sich selbst davon zu überzeugen, dass diese Tränen nicht die Tränen eines Kindes waren, das zu schwach war, seine Sturheit durchzusetzen, sondern dass sie echte Reue zeigten. Und selbst dann hatte er noch Probleme, das freundliche Lächeln auf seine Lippen zurückkehren zu lassen.

Mara wandte sich ab, hob Nami hoch und versuchte sie wieder ins Bewusstsein zurückzuholen. Er wollte das nicht mehr sehen. Er hatte gewusst, dass Tsubasa als ihr Anführer stark war und grausam sein konnte, aber diese Worte waren hart gewesen. Und der Blick hatte ihm eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Es war das erste Mal, dass er sich daran erinnerte, dass Tsubasa und Zero gemeinsam vom Doc zu dieser Gruppe gebracht worden waren. Zusammen, was schließlich irgendwie bedeutete, dass sie schon vorher involviert waren, auch wenn sie nicht wirklich verwandt waren. Es hatte ihm gereicht zu wissen, dass ein solcher Blick existieren konnte. Mehr brauchte er davon wirklich nicht.

Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie allmählich die Weichheit in die schwarzen Augen zurückkehrte, wie die Mundwinkel zuckten, bis da wieder der Tsubasa stand, den jeder mochte. „Dann lasst uns jetzt am besten nach Hause gehen. Was haltet ihr davon?“, kam die freundliche Frage.

Mara nickte nur. Er würde auf dem Weg irgendwo noch was Zuckerhaltiges zum Trinken kaufen. Auf diesen Schreck war es wirklich besser, wenn jeder von ihnen ein wenig mehr Energie bekam.
 

Schniefend und langsam erhob sich Kira, bevor er sich mit den Händen über die tränennassen Wangen fuhr und die Flüssigkeit weg rieb. Ja, wahrscheinlich wäre es am besten, wenn sie nach Hause fuhren, sich ausruhten und vielleicht etwas aßen. Ein leises Grummeln machte sich in Kiras Bauch bemerkbar. Er hatte er schon seit langem nichts mehr gegessen und auch die Aufregung war ihm auf den Magen geschlagen.

Langsam lief Kira in Richtung Mara und Nami, wandte sich dann an den Hünen.

„Wie geht es ihr? Ist es schlimm?“ Auch ihre Verletzung war seine Schuld gewesen, sollten die beiden Kira schließlich beschützen.
 

„Nein, nein. Sie wird wieder. Sie ist einfach nicht gut im Kämpfen.“ Mara nickte ihm zu, dann blickte er ihn an. Er wollte dem Jungen nicht auch noch eine Standpauke halten. Eine – diese eine – reichte vollkommen. Aber er wusste auch nicht so wirklich, was er sonst sagen sollte, außer vielleicht:

„Und wie geht es dir? Alles wieder okay?“

Tsubasa lief hinter ihnen, schwieg, freute sich einen Keks über ein kleines Kind, das seine Mutter zu den Halbwegsleichen zerren wollte, während diese das eigentlich gar nicht wollte. Er schickte also, nachdem die Dame nicht helfen wollte, einen Notruf ans Krankenhaus, damit dieses die Storms abholen konnte. Zumindest Akira würde verletzt sein.
 

Tief atmete Kira aus. „Das ist gut. Wirklich.“ Es beruhigte ihn, dass sich der schaden, den er verursacht hatte, wenigstens in Grenzen hielt. Was ihn selbst betraf...

„Ja... es geht. Muss es ja.“ Ein trockenes Lachen schlich über seine Lippen. Das größere Problem war eher... Wie sollte er sich Zero gegenüber verhalten? Sobald er allein an den schwarzhaarigen Jungen dachte, wallten in ihm Schuldgefühle auf und es breitete sich ein Schamgefühl in seinem Inneren aus, das Kira noch nie vorher gespürt hatte.

Kapitel 18

Kapitel 18:
 

Mara brachte schließlich Tsubasa dazu, etwas zu trinken für sie alle zu kaufen, was mit Cola endete, die sie zu sich nahmen, als sie in der Bahn nach Hause saßen. Nami wachte irgendwann auf, jammerte etwas über Kopfschmerzen und ließ sich dann die ganze Geschichte erklären, um wenigstens auf dem Laufenden zu sein. Dass Tsubasa Kira zusammengestaucht hatte, gefiel ihr sichtlich. Dann erreichten sie schließlich das Hauptquartier und Tsubasa verabschiedete sich, weil er noch Arbeit hatte. Mara und Nami zogen sich ebenfalls zurück, so dass Kira allein war. Allerdings würde der Anführer dafür sorgen, dass der Junge das Gelände vorerst nicht mehr verließ. Er glaubte zwar nicht, dass noch mal was passierte, aber sicher war sicher.
 

Sobald sie sich alle verstreut hatten und Kira allein war, machte er sich auf den Weg zu den Katzen. Er hatte schon in der Bahn überlegt, dass er sie mal wieder besuchen könnte. Besonders die kleine Weiße.

Sobald er an den Platz an der Mole kam, sah er nichts. Nicht eine Katze war da...

Nachdenklich und ein wenig betrübt lief der Blonde den schmalen, von Steinen besäumten Weg entlang und dann waren sie da. Alle. Aus allen Ecken kamen sie hervor. Die kleine Weiße vornweg. Lächelnd setzte Kira sich auf einen Stein und nahm die Katze auf den Arm, begann sie unter dem Kinn zu kraulen.

„Hallo... Lange nicht gesehen.“ Seine Stimme war leise. Auch wenn er nicht glaubte, dass jemand in der Nähe war, musste er ja nicht laut sprechen. So war es viel angenehmer. „Was habt ihr so gemacht? Alle?“ Lächelnd blickte er in die Runde und erntete dafür nur interessierte Blicke. Ein paar rotbraune Katzen kamen nun auf Kira zu, begannen ihre Köpfe an seinem Knie zu reiben. Lächelnd wuschelte ihnen der Junge durch das Fell.

„Ihr seid süß... allesamt.“ Kurz dachte er nach, dann sprach er aus, was ihn bedrückte.

„Könnt ihr mir nicht helfen? Ich habe einen Fehler gemacht und nun... nun kann ich dem Jungen, den ich mag, nicht mehr ansehen. Es geht einfach nicht mehr. Ich habe... sein Leben aufs Spiel gesetzt und das darf einfach nicht sein. Das geht nicht...“

Vorsichtig legte ihm eine der Katzen eine Pfote auf das Knie und blickte Kira dann aus großen schwarzen Augen an. Als wenn sie sagen wollte: >Du kannst es jetzt auch nicht mehr ändern, also mach dir auch nicht zu viele Gedanken...<

Seufzend streichelte ihr Kira über den Kopf und blickte dann in die Ferne. Irgendwo hin...
 

Zero hatte nur kurz aufgesehen, als die eine Katze von seinem Bauch gesprungen war, hatte Kira am Anfang der Mole erkannt und beschlossen, dass es egal war. Seine Anwesenheit konnte er ertragen. Problemlos.

Er schloss die Augen wieder und konzentrierte sich einmal mehr auf das Geräusch von weichen Wellen, die gegen den Kai plätscherten. Er liebte es. Und wenn es noch so kalt war. Er konnte Kälte ausblenden. Er hatte es früh lernen müssen. Nur das leichte, vibrierende Schnurren auf seinem Bauch fehlte. Eigentlich schade… aber sie würde wiederkommen.
 

Erst das Maunzen eines schwarzen Katers brachte den blonden Jungen in die Realität zurück. Langsam, aber zielsicher ging er über die Felsen. Fragend blickte Kira ihm hinterher. Was wollte eine Katze am Ende der Mole, wo nur noch mehr Wasser war?

Seufzend erhob er sich und folgte dem Tier. Die weiße Katze in seinem Armen schnurrte nur weiter, während Kira ihr ab und zu über den Kopf fuhr. Langsam und vorsichtig lief er über die Steine. Manche waren feucht und die Gefahr, dass man abrutschte, war hoch.

Erst ein paar Schritte später bemerkte Kira, wohin der Kater unterwegs war. Da war jemand... Ein Mensch. Er lag zwischen den Steinen und...

Sofort blieb Kira stehen. Er hatte den Mantel erkannt. Und die Haare. Sein Herz machte einen Satz nach oben. Was nun?
 

Die Schritte verstummten und Zero öffnete letztendlich doch noch die Augen. Irgendwie hatte er gedacht, dass Kira kommen würde, aber das erklärte nicht, warum er angehalten hatte, bevor er kommen konnte… Und nach einem Absturz hörte es sich auch nicht an.

Er richtete sich ein wenig auf, um an einem der Steine vorbeisehen zu können. Da stand Kira wie ein hypnotisiertes Kaninchen und starrte ihn an. „Hi.“, sagte Zero leise. „Lebst du noch oder hat dich grad der Schlag getroffen?“ Autsch. Das klang unfreundlich… nicht gut. „Was hast du?“ Schon besser…
 

Wie unter einem unsichtbaren Schlag zuckte Kira zusammen, als er die Stimme vernahm. Was sollte er jetzt machen? Was sollte er sagen?

Sein Blick blieb an einem Stein neben Zero hängen, als er antwortete. „E-es ist alles okay... Mir geht’s gut. Ich…“ Ihn verließen die Worte. Schon wieder. Warum nur? Seufzend ließ er sich auf einen der Steine fallen, wollten ihn seine Füße doch nicht mehr tragen.
 

„Dann ist ja okay.“ Zero legte sich wieder hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um das Meer sehen zu können. Es zog leicht in seiner lädierten Schulter, aber er schenkte dieser keine Beachtung. „Du hast so seltsam geschaut, da dachte ich schon, es wäre etwas passiert.“
 

„N-nein. Es war alles wie immer...“ Ihm wurde unbehaglich zu Mute. Er wollte Zero nicht belügen, aber er konnte ihm auch nicht die Wahrheit sagen. Das würde er nicht überleben...
 

Zero lächelte breit. Er bekam zwar mit, wie unwohl sich Kira fühlte, aber andererseits schien er partout nicht darüber reden zu wollen. Also würde er ihn auch nicht dazu zwingen. Der Junge würde kommen, wenn er wollte. Es war doch immerhin schon mal nett, dass er jetzt da war… Und das ganz ohne dass er ihm von seinen Gefühlen erzählen musste.
 

Unentschlossen streiften Kiras Augen durch die Umgebung, bis er sie auf Zero richtete, Es fiel ihm schwer, den Schwarzhaarigen anzuschauen, sehr schwer. Aber früher oder später musste er sich den Gefühlen eh stellen. Warum also nicht früher als später?

„Wie geht es dir?“
 

Zero blinzelte ein wenig und dachte über diese Frage nach. Normalerweise antwortete er nicht auf so eine Frage, weil es zuviel von ihm Preis gab, aber hier… Sollte er? Konnte er es wagen? Konnte… konnte er Kira wirklich vertrauen?

„Ich finde, mir geht es gut.“, sagte er schließlich. Was stimmte. Seine Wut auf Ren war vollkommen verschwunden. Der Kater lag wieder auf seinem Bauch und schnurrte sich die Seele aus dem Leib und er wusste, er würde dort bleiben, solange er ihn nicht anfasste. In dieser Hinsicht war das Tier ihm äußerst ähnlich. Dazu war die Platzwunde an seiner Stirn endlich soweit geheilt, dass sie nicht mehr juckte wie der Teufel, sein Bein begann sich zu schließen und seine Schulter… Nun, sie war ignorierbar. Außerdem war Kira da.
 

Kira hatte nicht bemerkt, dass er die Luft angehalten hatte und atmete nun aus. „Das freut mich. Wirklich.“ Sein Blick glitt auf die kleine Katze, die ihm gerade auf den Schoß gesprungen war. Nun hatte er also zwei im Arm. Was sollte das schon? Lächelnd begann er die beige Katze zu kraulen, bis sich die weiße bemerkbar machte und herunter wollte. Schnell hatte Kira sie auf dem Boden abgesetzt.
 

Es freute ihn. Und Zero wusste, dass er die Wahrheit sagte. Irgendwie war er davon überzeugt. Er öffnete die Augen, um ihn ansehen zu können, aber dummerweise war der Stein noch immer im Weg und er müsste sich aufsetzen, um daran etwas zu ändern. Was er nicht wollte, weil es gerade so gemütlich war.

Und – ganz entgegen seiner Gewohnheit – wünschte er sich plötzlich, dass Kira weitersprach. Irgendwas. Vollkommen egal was. „Erzähl mir was.“, sagte er auffordernd. „Etwas, das dir gefällt, wichtig ist, Spaß macht… irgendwas.“
 

Überrascht sah der blonde Junge auf den Stein, hinter dem Zero abgetaucht war. Er sollte was sagen? Einfach so? Irgendwas? Schnell dachte er darüber nach, was es zu erzählen gab. In der Welt war nichts Aufregendes passiert und das Erlebnis vom Vormittag würde er eh unbemerkt lassen.

„Sag mal... kann man hier irgendwo Erdbeeren kaufen? Oder Kirschen?“ Der Gedanke war plötzlich da gewesen, keine Ahnung, woher er gekommen war. Kuchen backen. Kira wollte jetzt einen Kuchen backen.
 

Zero begann zu lachen. Ganz weich und leicht fühlte sich plötzlich alles an, als diese Naivität über ihn hinwegrollte. Jetzt setzte er sich doch auf, um ihn ansehen zu können. Der schwarze Kater fauchte leise, setzte sich dann einfach auf seine Knie, weil er die nicht bewegt hatte.

„Kira-chan. Es ist Oktober. Da wachsen keine Erdbeeren mehr. Und Kirschen auch nicht.“ Seine Augen funkelten frech. „Aber in einem Supermarkt kannst du sie im Glas kaufen. Oder in Büchsen.“
 

Ein deutlicher Rotschimmer zierte Kiras Gesicht, als er die Antwort vernahm. Es stimmte... Es war wirklich schon Oktober. Aber durch die warmen Temperaturen war es Kira immer noch wie August vorgekommen. Peinlich.

„Gut. Dann geh ich da hin.“ Ohne noch etwas zu Zero zu sagen, stand der Blonde auf, drehte sich um und machte sich dann auf den Weg zum nächst gelegenen Supermarkt. Auch wenn der wieder in der Stadt war. Mist.

Nach ein paar Schritten blieb er noch einmal stehen. Sollte er oder sollte er nicht? Ohne weiter nachzudenken drehte er sich um und blickte zu Zero. „Kommst du mit?“
 

Zero blinzelte leicht, hatte er doch gerade noch über diese niedliche Röte gelächelt. Die Frage war wie ein Stein gegen seinen Kopf. Ihn hatte… seit Jahren keiner mehr gefragt, ob er… einkaufen gehen wollte! Tsubasa hatte ihn immer wieder mal mitgeschleift oder ihm befohlen, zu gehen – wie in Kiras Fall – aber das waren niemals Lebensmittel gewesen.

Er überlegte kurz, kam dann aber zu dem Entschluss, dass das okay war. Er würde dann einfach dort mal nachfragen, ob sie Fisch hatten, der nicht mehr verkauft werden konnte, damit seine Lieblinge heute doch noch was bekamen.
 

Freudig lächelte Kira den Schwarzhaarigen an, als er die Bewegungen sah und schließlich Zero in voller Größe vor sich stehen hatte. Es freute ihn, dass er mitkam. Freude war gar kein Ausdruck. Er war... schlicht und einfach glücklich.

Langsam setzte er sich in Bewegung und sprang schließlich von einem der Steine auf den Weg. Ein Blick nach hinten versicherte ihm, dass Zero immer noch hinter ihm war. „In welchen Supermarkt gehen wir?“ Nach Kiras Wissen gab es zwei: einen links den Weg hinunter und einen rechts hinunter. Zero kannte sich besser in den Angeboten aus, um abzuschätzen, wo sie die Kirschen und Erdbeeren bekommen könnten.
 

Zero seufzte schwach. „Ich weiß nicht mal, wie einer von den beiden von innen aussieht.“, gab er zu bedenken. „Ich war da seit Jahren nicht mehr drin. Bisher hab ich es vermieden.“ Ein Zugeständnis an Kira, denn wäre es jemand anderes gewesen, hätte er hundertprozentig abgelehnt. „Also… wenn du dir einen aussuchst, sind beide gleichgut, schätze ich.“ Er zuckte leicht mit den Achseln, als er Kira eingeholt hatte, lächelte dann aber leicht. „Also?“
 

„Dann gehen wir links lang.“ Einen Moment war Kira gewillt nach Zeros Hand zu greifen, schaffte es allerdings gleichzeitig, diesen Drang zu unterdrücken. Das ging doch nicht... er konnte nicht näher an Zero herankommen. Da machte sein Kopf gerade nicht mit.

Nervös verknotete er seine Hände. Er war glücklich.... wirklich. Mit gemächlichen Schritten liefen sie den Weg entlang, während Kira aufmerksam die Umgebung studierte.
 

Zero fühlte sich angenehm entspannt. Irgendwie… war es nett, hier zu sein. Kira hibbelte zwar ein wenig sehr herum, schien aufgeregt zu sein, aber das war nicht negativ. Bei den Zwillingsschwestern wäre es unangenehm gewesen, aber nicht bei Kira. Warum auch immer. Es war niedlich. Wie ein Welpe…

Sie verließen das Fabrikgelände und Zero wusste schon jetzt, dass es noch etwa eine halbe Stunde dauern würde, bis sie an diesen Supermarkt kommen würden, der an die Ansiedlung angrenzte, für die er gebaut worden war. So weit außerhalb lag ihre derzeitige Wohnstatt.

Irgendwann erinnerte er sich daran, dass Kira ganz anders gewesen war, als er vorhin zu ihm gekommen war und dass sich seine Miene, sein Verhalten und seine Laune zum Positiven geändert hatten. Und das freute ihn noch einmal mehr, denn es hieß, dass seine Anwesenheit Kira glücklich machte und freute – was in seinem Fall einfach nur auf Gegenseitigkeit beruhte. Vielleicht… sollte er sich doch überlegen, ob er Kira irgendwann mal sagte, wie sehr er ihn mochte…

Er tat es dann nicht, denn er wusste ja, wie der Junge auf Rens Anmache reagiert hatte, und wollte nicht, dass er sich erschreckte, wollte diese friedliche Atmosphäre nicht gefährden. Seine Gefühle… was zählten sie schon. Sie waren da. Mehr konnte er ihnen nicht erlauben. So war es immer gewesen. So würde es immer sein.

„Sage mal… was willst du mit den Kirschen?“
 

Kira selbst war in Gedanken versunken und hatte an ein früheres Erlebnis gedacht. Damals noch mit seinem Bruder. Und er war noch Mitglied bei den Storms gewesen. Sie hatten einen Tag frei nur für sich gehabt und Tetsu hatte Kuchen essen wollen. Sie waren in der Stadt gewesen und hatten fast zufällig einen Obst-Verkäufer gefunden. Testsu... hatte sich für Kirschen und Erdbeeren entschieden, mit denen sie dann nach Hause gekehrt waren und gebacken hatten. Damals... hatte Kira sich glücklich gefühlt. Sehr sogar. Vielleicht könnte das ja noch einmal geschehen...?

Durch Zeros Frage wurde er aus seiner Welt gerissen, schaffte es jedoch schnell wieder, sich zu fangen. „Ich... ich wollte Kuchen backen.“ Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. „Ich hatte plötzlich Lust zu backen... und ich mag Kirschen und Erdbeeren.“
 

„Na dann.“ Das erklärte natürlich alles. „Darf ich zuschauen?“, fragte er dann freundlich. Das tat er nämlich gerne, wenn Tsubasa und er backten. Dann fiel immer etwas für ihn ab – eine Gewohnheit aus seiner Kindheit. Er wurde gefüttert und dafür versprach er, nichts durcheinander zu bringen und nicht im Weg zu stehen. Natürlich würde das hier anders sein. Kein Füttern oder Necken, aber weiterhin Nähe, die er jetzt nicht missen wollte.
 

Ein deutliches Rot breitete sich über Kiras Gesicht aus. Zero wollte ihm wirklich zuschauen? Sein Herzschlag begann zu rasen und ein Feuerwerk schien in seinem Bauch losgegangen zu sein. Das war... Es machte ihn glücklich. Ungemein glücklich.

„Gerne...Sehr gerne sogar.“ Sein Blick traf Zeros Augen, pure Fröhlichkeit lag darin.
 

Der Schwarzhaarige lächelte weich. „Schön.“, war seine Antwort. Sie klang ruhig, aber innerlich brach bei diesem Blick ein Sturm in ihm aus. Es ging ihm unter die Haut. Ganz und gar. Seine Fingerspitzen kribbelten und er steckte sie in die Manteltaschen, um den Reflex zu unterdrücken, Kira einfach zu umarmen. Das war es nicht, was er wollte oder tun sollte.

„Da bin ich mal gespannt, was der Meisterkoch in Hinsicht auf Kuchen anstellt.“
 

„Ach...“ Das Rot wurde weniger, verschwand aber immer noch nicht. „So gut bin ich doch gar nicht... Es ist nur ein Hobby.“ Es war Kira peinlich. Richtig peinlich. Und auch dieses Lächeln auf Zeros Lippen... Kira hatte wirklich Schwierigkeiten, den Blick davon abzuwenden und nicht allzu offensichtlich drauf zu starren.
 

„Dann eben ein gut gepflegtes Hobby…“ Aber das war auch genug des Lobes. Zero war nicht der Typ, der anderen seine Meinung in dieser Hinsicht aufzuzwingen. Er blickte nach vorne, an Kira vorbei und hob schließlich die Hand. „Wir sind da.“
 

Überrascht drehte der blonde Junge den Kopf und besah sich die Einkaufshalle. Sie war relativ groß... größer sogar als die meisten, die Kira bisher gesehen hatte. Keine Konkurrenz mit der Stadt, aber für die weniger dicht besiedelten Bereiche durchaus akzeptabel.

Freudig sprang er von einem aufs andere Bein, bevor er einfach losstürmte und die Halle betrat.

Sofort wurde es ihm kälter. Wie es schien, betrieb die Einrichtung noch immer ihre Klimaanlage. Kurz fuhr er sich mit den Händen über die Oberarme. Hoffentlich würden sie nicht zu lange brauchen...
 

Zero kam nur ein paar Minuten später. Er hatte nicht rennen können, weil das seine Schulter zu sehr belastete und deswegen länger gebraucht. Er traf Kira im zweiten Gang vor der Konservenabteilung und als er sah, wie er fröstelte, musste er leicht grinsen. Er könnte jetzt Kavalier spielen und die Menschen um sie herum ein wenig schocken…

„Hey, warum läufst du weg? Hast du es so eilig?“
 

„Höh?“ Überrascht sah Kira auf und erblickte Zero. So wie es aussah... war er gerade erst gekommen. Und er selbst hatte nicht mal gemerkt, dass er den anderen abgehängt hatte.

„Sorry...Ich freu mich nur schon so.“ Mit geröteten Wangen wandte er sich wieder den Dosen zu und suchte die passenden Kirschen heraus. Vier Gläser müssten Reichen...

Dann ging es weiter zu den Erdbeeren, die fast daneben standen. Wieder vier Dosen. Lächelnd blickte er Zero an.

„Kannst du die nehmen?“ Seine Hände waren schon voll... Es wäre Kira zwar lieber gewesen, wenn sie noch frische gehabt hätten, denn die Dosenerdbeeren waren zu matschig, aber er konnte es nicht ändern. Und wenn er es gut anstellte, würde er sie vielleicht beim Backen noch etwas hinbekommen.
 

Zero zuckte mit den Schultern und nickte. Er mochte keine Dosenerdbeeren. Die sahen immer aus wie Schnapsleichen, aber er verkniff sich jeglichen Kommentar und tat, worum er gebeten worden war.

Sie gingen dann noch die anderen Regale ab und nachdem jetzt auch noch Mehl und Zucker und dergleichen dazukam, ging Zero wortlos einen Wagen holen. Und als er damit wiederkam, legte er doch noch Kira seinen Mantel um die Schultern, der diesem beinahe über den Boden schleifte. Unglaublich, wenn man bedachte, dass er selbst nur ein paar Zentimeter größer war…

„Dir ist kalt.“, erklärte er seine Tat, ohne ihn auch nur anzusehen. „Und du warst erst krank…“
 

Überrascht spürte Kira das warme Leder auf seinem Körper und blickte dann mit großen Augen zu Zero. Als dieser sich jedoch von ihm abwandte und dann sprach, wurden seine Augen noch größer. Machte sich der Schwarzhaarige etwa Sorgen um ihn? Das war ja lieb...

„Danke...“ Fröhlich lächelte Kira den älteren Jungen an, bevor er weiter durch den Gang schritt und nach weiteren Zutaten suchte. Bald hatte er auch noch ein Päckchen Vanillezucker gefunden.
 

Es folgten dann Hefe, Hagelzucker und noch ein halbes Dutzend weiterer Kuchengewürze, so dass sich Zero zu fragen begann, was das für ein Kuchen werden würde. Als sie zur Milch kamen, verhärtete sich sein Gesicht schlagartig, um eine leichte Enttäuschung nicht durchkommen zu lassen. Er vertrug keine Milch. In keiner Form… Auch nicht im Kuchen, wenn man sie verwendete. Es war wirklich schade, aber wohl nicht zu ändern.

Schweigend sah er zu, wie Kira die Milch in den Korb stellte.
 

Voller Vorfreude blickte Kira auf den ganzen Wagen voller Zutaten. Es war doch noch ganz schön viel geworden... Schweigend ließ er den Blick über alles wandern, bis er bei der Milch noch einmal stoppte. Irgendetwas war da. Es lag ihm auf der Zunge, aber es fiel ihm nicht ein. In der Hoffnung, dass Zero ihm vielleicht behilflich sein konnte, blickte er diesen an - und erstarrte schlagartig. Ein winziger Schauder fuhr ihm über den Rücken, als er dessen starren Gesichtsausdruck bemerkte. Und gleichzeitig fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Es war die Milch! Tsubasa hatte ihm vor einer Weile ja gesagt, dass Zero keine Milch vertrug... Sofort packte er alle Packungen wieder aus und stöberte dann durch das Regal, was er als Ersatz nehmen könnte. Fast augenblicklich fiel sein Blick auf Soja-Milch, die unmittelbar neben der Kuhmilch stand. Also nahm er diese Kartons und stellte sie in den Korb.

Dann ließ er seinen Blick noch mal über alles schweifen und stellte freudig fest: „Wir haben alles. Obwohl...“ Noch einmal drehte er sich zu dem Milch-Regal um und packte noch drei Dosen Sprühsahne in den Korb. Manche wollten den Kuchen bestimmt mit Sahne essen... nur leider könnte Zero dies nicht tun. Oder aber...

„Zero... Magst du Schlagsahne? Nicht auf die Inhaltstoffe bezogen, sondern einfach so...“
 

Der Schwarzhaarige blinzelte irritiert. Er hatte diese ganze Aktion mit Faszination beobachtet und sich schließlich daran erinnert, dass Tsubasa sich da einmal verplappert hatte… diese Quatschbase. Aber jetzt war das gut, weil Kiras Kuchen sicher etwas war, was man nicht verpassen sollte.

Die Frage nach der Schlagsahne… „Äh…“ Er hatte ihn überfahren. Vollkommen. Er hatte noch nie Schlagsahne gegessen. Es war nie wichtig gewesen, es gab anderes. Schokolade zum Beispiel. Solange es Bitterschokolade war, konnte er sie essen, da war der Milchanteil verschwindend gering. Sahne… „Ich finde sie faszinierend, wenn sie in der Sonne zerläuft.“, gab er schließlich zur Antwort.
 

Kiras Augen wurden tellergroß. Wie war das bitte? Kurz musste der Blonde über die Worte nachdenken, bis er den waren Inhalt verstand. Als der Groschen gefallen war, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, bevor er noch einmal in einem der Gänge verschwand. Sahnesteif... Seines Wissens waren in diesen Pulvern keine Milch enthaltenden Stoffe enthalten, also könnte man sie auch einfach der Sojamilch zuführen und so Schlagsahne speziell für Zero kreieren. Mal schauen, ob dieser Plan aufging...

Freudig kam er mit dem Lebensmittel zurück und ließ es so in den Korb fallen, dass Zero es nicht sehen konnte. Das sollte eine Überraschung werden...
 

Letztendlich kamen sie zur Kasse, nachdem Zero noch nachgefragt hatte, ob Fisch auf der Abschussliste des Supermarktes stand. Dabei hatte er so überzeugend gewirkt, dass er doch tatsächlich eine ganze Tüte davon bekommen hatte, ohne auch nur eine Münze dafür hingelegt zu haben. Der Verkäufer hatte nur reichlich misstrauisch geschaut, als dieser unheimliche Junge mit dem Grund für sein Verhalten nicht herausrücken wollte.

Die Kassiererin jedenfalls war ob des Fischgeruchs nicht sonderlich begeistert und bedachte ihn mit einem ängstlich-abgeneigten Blick. Zu Kira war sie jedoch sehr freundlich. Sie lächelte ihn die ganze Zeit an, so dass der Blick aus grünen Augen immer und immer dunkler wurde, doch das schien sie nicht zu bemerken. Immerhin war sie froh, als der dunkle Mann sich endlich abwandte. Er war ihr doch unheimlich gewesen.

Zero nahm Kira schließlich zwei der drei Tüten ab, ohne dass er auch nur einen Ton von sich gab. Er biss die Zähne zusammen, als seine Schulter sich protestierend zu Wort meldete, aber er zeigte nach außen hin nichts. Er wandte sich einfach nach rechts, um zum Hauptquartier zurückzugehen.
 

Kira war überrascht, als er Zero mit den beiden Tüten losgehen sah. Nach einem letzten Lächeln zu der Verkäuferin, machte auch er sich auf den Weg. Warum nur lief der Junge so komisch? Kira hatte den Schwarzhaarigen noch nicht eingeholt und beobachtete ihn nun von hinten. Dann fiel es ihm wieder ein.

Kampf. Taichi. Schulter, Arm und Bein.

Ohne einen Kommentar holte er auf und griff dann nach der Tüte in Zeros linker Hand. Der Blick aus seinen Augen war nicht gerade als lieb zu bezeichnen.
 

Zero blickte den Jungen einen Moment lang aus unergründlichen Augen an, doch er schwieg, nahm es hin, stempelte es als Stolz ab, der es nicht war. Letztendlich trug also jeder von ihnen zwei Tüten und so gingen sie schweigend nebeneinander her.

Sie sahen schon die Fabrik durch das lichte Wäldchen, als der Schmerz in Zeros Schulter stärker wurde. Er musste sich beeilen und dann am besten gleich zum Doc, ehe Tsubasa das sah. Aber andererseits waren es eh nur noch zehn Minuten, bevor sie da sein würden. Er hielt das schon durch…

Im Endeffekt tat er das und erreichte mitsamt Kira und Last die Küche. Die Fischtüte hatte er schon vor dem Haus auf den Boden gestellt, weswegen er schon da weniger hatte tragen müssen. Dankbar. Er war erschöpft. Von dem bisschen…

Er lächelte Kira an. „Und wann möchtest du backen? Gleich? Oder kann ich noch die Katzen füttern gehen?“ Sie waren alleine in der Küche, ansonsten hätte er diese Worte niemals ausgesprochen.
 

Kira war einerseits erstaunt, andererseits froh, dass Zero ohne einen Kommentar die Tüte an ihn abgegeben hatte. Das Schweigen daraufhin sagte ihm zwar nicht zu, aber er hatte auch keine Idee, wie er es hätte brechen sollen. Etwas Schlaues, was er erzählen könnte, fiel ihm nicht ein, weswegen er es ganz einfach bleiben ließ.

Als sie die Zutaten in der Küche alle abgestellt hatten, wischte sich Kira ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Es war warm geworden und er trug ja immer noch Zeros Mantel... Erneut legte sich ein Rotschimmer auf seine Wangen, als ihm bewusst wurde, wie sicher, wie... geborgen er sich darin fühlte.

Wie erwischt von Zeros Frage, drehte er sich hektisch zu dem Jungen und lächelte ihn an. „Ja, klar. Ich werd dann schon mal alles vorbereiten und die Schüsseln und so was raussuchen.“
 

Ein kurzes Nicken, dann drehte sich Zero um und ging hinaus. Die Tüte mit dem Fisch vor der Tür aufnehmend machte er sich unter verwirrten Blicken von einigen anderen auf den Weg zur Mole. Er fand es ein wenig schade, dass Kira nicht mitkommen wollte, aber andererseits brauchte er ihn auch nicht dazu. Die Katzen waren genug Gesellschaft, dass er ihn wohl nicht vermissen würde.

Er irrte sich. Schon als die Katzen alle herauskamen und er die eine Weiße erblickte, fehlte der blonde Junge in dieser so vertrauten Umgebung.

Langsam begann er den Fisch zu verteilen, beobachtete die Begeisterung der Katzen, wie sie sich um den Fisch stritten und sich balgten. Es war niedlich – harte Realität, dass sie um Futter kämpften, weil sie sonst verhungerten. Damit überlebten nur die Starken. Der schwarze Kater kam zu ihm und Zero stellte fest, dass eine braune Katze fehlte. Sie hatte schon in den letzten Tagen recht gerupft ausgesehen. Offenbar hatte es wieder eine mehr erwischt…

Letztendlich warf er den Fisch einfach in die Menge, verteilte ihn so gut es ging und machte sich auf den Rückweg. Er konnte es nicht mehr ertragen. Nichts mehr ertragen. Er wollte gehen, wollte Josie holen gehen, wollte laufen und fliegen, den Wind spüren, wollte das haben, was ihm die Gedanken nahm, ihn ablenkte, aber daraus wurde nichts, denn Tsubasa kam ihm entgegen, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.

„Ich habe gehört, du warst einkaufen?“, fragte er hintergründig. „Zusammen mit dem Kätzchen?“

Zero zog die Schultern hoch, was einen stechenden Schmerz durch seinen Nacken jagte.

„Und du hast ihm deinen Mantel gegeben? Ehrlich, es ist seltsam, dich ohne ihn zu sehen.“ Tsubasa lachte und legte ihm den Arm um die Schultern. „Erzähl! Hast du es ihm gesagt?“

„Ich habe dir bereits gesagt, dass das unmöglich ist.“, gab Zero ungeduldig zurück. „Wo ist Jo?“

„Sie ist bei den Zwillingen. Sie bringen ihr das Sonnenlied bei. Gomeras Song kann sie schon.“

Leise stöhnend legte Zero seine Hand über die Augen. Bloß nicht. Nicht dieses nervige Lied… Alles, bloß dass nicht! „Wo ist sie?“

„Im Gemeinschaftsraum.“

Zero schüttelte seinen Bruder ab und stürmte los. Er musste Josie retten! Oder besser: sein Nervenkostüm! Wenn sie in Zukunft immer Lieder singen würde… Hilfe! Doch bevor er die Halle erreichte, packte ihn Tsubasa am Kragen.

„Ab zum Doc!“, erklärte er fröhlich. „Deine Schulter spannt sich, als hättest du einen Rückfall!“

„Lass mich los!“, knurrte der Chinese drohend.

„Und wenn nicht?“

„Tsubasa…“

„Na los, komm!“ Er zog ihn mit sich und Zero blieb nichts anderes übrig, als zu folgen. Inzwischen würde Josie wahrscheinlich hunderte schrecklicher Lieder lernen und Kira wartete auch auf ihn… Das war einfach nicht fair…

Der Doc verpasste ihm einen kalten Umschlag und verordnete strickte Ruhe, aber immerhin erlaubte er ihm, sich irgendwo hinzusetzen, anstatt dass er sich gleich ins Bett legen musste, was er eh nicht getan hätte. Schließlich holte er sich seinen Papagei und musste sich endlose Liebeleien anhören, die sie ihm ins Ohr zwitscherte und die zweifellos von den Zwillingen und Tsubasa kamen. Eine Dreiviertelstunde hatte die Sitzung beim Doc gedauert. Sicher war Kira längst fertig mit allem, aber dennoch. Er hatte gesagt, dass er zuschauen würde, also würde er das jetzt auch tun, schließlich… wollte er noch immer in seiner Nähe sein. Das war ihm irgendwann klar geworden, als der Doc seine Schulter immer und immer wieder in eine andere Richtung gedreht hatte. Er wollte gar nicht alleine sein, er wollte bei Kira sein. Ganz egal, was der tat. Er musste ja nichts tun, er musste nur in der Nähe sein…

Vorsichtig öffnete er die Tür zur Küche, Josie auf seinem Arm war dazu übergegangen, das Lied der Gummibären zu summen.

Kapitel 19

Kapitel 19:
 

Kira hielt was er Versprochen hatte. Demnach hatte er Schüsseln, Löffel, eine Haushaltswaage, Rührgeräte, ein paar kleine Tassen, einen Dosenöffner und noch ein paar andere Kleinigkeiten ordentlich auf der Arbeitsfläche verteilt und hatte sich schließlich auf den Boden sinken lassen, um auf Zero zu warten. Der kleine Luftzug, der durch seine Kleider und den Mantel gefahren war, ließ Zeros Duft aufleben und Kira darin einhüllen. Seufzend schloss er die Augen und atmete ganz tief ein. Es roch so gut, so entspannend, so nach Zero.

Still saß Kira da und wusste nicht, wie die Zeit verging. Er genoss es einfach nur, diesen unsichtbaren Duft um sich zu haben, der ihn beruhigte und regelrecht in den Schlaf lullte.
 

Es war ganz still in der Küche und selbst Josie verstummte recht bald. Zero musste lächeln, als er den Jungen dort am Boden sitzen sah. Schlafend. Mann, Mann… wie müde musste er gewesen sein, wenn er hier am Boden saß und schlief. Es war doch kalt hier!

Lächelnd ließ er Josie auf seine Schulter klettern, dann ging er vor Kira in die Knie und betrachtete das ruhige Gesicht. Er war niedlich. Hübsch, mit den schmalen Wangen und den blonden, flusigen Haaren. Seine Wimpern waren lang und lagen wie Fächer auf seinen Wangen. Niedlich… Am liebsten würde er…

Er kam wieder zu sich, als er bemerkte, wie er sich ihm näherte und dass die weichen Lippen immer näher kamen. Das… war falsch, was er hier tat. Das war abgrundtief falsch und verwerflich und…

Er wich zurück. Was tat er hier? Was dachte er? Was passierte hier?

„Ich… ich drehe durch…“, murmelte er fassungslos. „Er bringt mich um den Verstand…“ Er stand auf und machte ein paar Schritte zurück. „Er wirft alles in mir über den Haufen…“

Zero hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Er wollte hier bleiben, aber solange in ihm dieses Chaos herrschte, ging das einfach nicht. Er musste hier weg! Aber er konnte Kira auf keinen Fall hier am Boden schlafen lassen. Der Kleine würde doch wieder krank werden! Aber ihn hochheben und ins Bett bringen, das konnte er momentan auch nicht. Nicht, nach dem, was gerade beinahe passiert wäre. Und ihn wecken…? Er müsste ihm ins Gesicht sehen. Er müsste sich vor ihm verschließen und zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren bezweifelte er, dass ihm das möglich war.

Er erreichte die Tür, als Josie ihm alle Entscheidungsgewalt abnahm. Empört, dass sie jetzt doch nicht in den Genuss kam, von Kira bewundert zu werden, flatterte sie auf und landete äußerst ungeschickt auf dessen Knien, während sie lautstark krähte: „Ich hab Kira lieb!“
 

Sofort fuhr Kira zusammen und öffnete kurze Zeit später die Augen. was war denn das gewesen? Diese Stimme...

Und dann sah er auch schon Josie auf seinen Knien sitzen. Perplex starrte er sie an, nicht in der Lage, etwas zu sagen. Wenn sie hier war musste doch auch... Suchend blickte der blonde Junge durch den Raum und sah nach wenigen Augenblicken Zero in der Tür stehen.

Freudig lächelte er ihn an. „Da bist du ja... Jetzt können wir mit dem Kuchen anfangen...“ Die Freude auf das Kommende war wieder in ihm erwacht und ließ seine Wangen rosig werden.
 

Zero nickte nur. Er war gar nicht fähig etwas zu sagen. Kira war wach und seine Maske hielt. Durch Josies Verhalten auf den Plan gerufen… mehr war das nicht. Reflex… Schutzreflex!

Er schloss für Sekunden die Augen, dann nickte er erneut und sprang mit einem kurzen Anspannen aller Muskeln auf die Arbeitsplatte. „Da bin ich jetzt aber gespannt.“
 

Kurz war Kira bei der plötzlichen Bewegung zusammengezuckt, bevor er mit großen Augen zu Zero aufblickte. „Willst du da die ganze Zeit sitzen bleiben?“
 

„Du hattest zugestimmt, dass ich zuschauen darf… Das ist immer die Vereinbarung. Ich bleibe sitzen, damit ich nicht im Weg bin und Chaos machen kann…“

Im nächsten Moment hätte er sich für diese Worte ohrfeigen können. Schon wieder ein Zugeständnis an Kira, das er nicht hatte machen wollen. Verdammte… Aber er nahm es auch nicht zurück. Dann war es eben so… Wenn wirklich alle Stricke rissen… würde er sich dann überlegen, was er tun konnte, um solcherlei Fehler wieder zu kitten.
 

Lächelnd blitzten seine Augen den schwarzhaarigen Chinesen an. „Ist okay. Dann fang ich jetzt an.“

Gesagt getan. Mit federnden Schritten schnappte sich der Junge eine Schüssel und stellte sie auf die Haushaltswaage und ließ diese sich einstellen. Dann griff er nach einer der Tüten Mehl und nahm die Maße für einen Kuchen. Etwa 500 Gramm... Als er alles in der Schüssel hatte schnappte er sich mit einer Hand die Schüssel mit dem Mehl und mit der anderen eine Schüssel, in der ein Sieb lag. Beides drückte er lächelnd Zero in die Hand.

„Bitte sieben!“
 

Dieser blickte den Jungen vollkommen überfahren an. Sieben? So richtig jetzt? Also Mehl in Sieb kippen und durchdrücken. Das konnte nicht sein Ernst sein… Außerdem… Mehl schmeckte gar nicht.

Aber dennoch griff er nach dem Haushaltsgerät und der Schüssel. Letztere stellte er nun neben sich und nahm dann das Mehl. „Deine Verantwortung…“, erklärte er ihm, bevor er das Mehl komplett in das Sieb kippte. Das hatte er das letzte Mal mit Fünf gemacht. Kurz bevor… alles zu Ende gewesen war…
 

„Wird schon schief gehen...“ Breit grinsend beobachtete Kira die Staubwolke, die sich schon beim Hineinschütten bildete. Das würde bestimmt lustig werden... Dann widmete sich der blonde Junge den anderen Zutaten. Freudig summend maß er Butter und Zucker ab und schüttete beides in eine der größeren Schüsseln. Wenn sie den Teig mit einem Rührgerät kneten würden, sollte die Schüssel lieber größer sein... Kurz darauf folgten noch Vanillezucken und ein wenig Aroma, das er noch in einem der Schränke entdeckt hatte. Langsam wischte er sich mit dem Handrücken über die Stirn, bevor sein Blick zu Zero glitt. Wie es diesem wohl erging?
 

Zero hatte festgestellt, dass Mehlsieben genauso schwer und leidlich war, wie es aussah. Absolut leidlich. Wenn Tsubasa das machte, sah es leicht und angenehm aus, aber jetzt… egal wie sehr er das Sieb auch gegen seine Hand klopfte, unten kam einfach nichts raus. Auch als er die Hände wechselte, weil sein großer Bruder Linkshänder war, passierte gar nichts. Irgendwann hatte er angefangen, das Mehl mit Gewalt durch die Löcher zu quetschen. Das hatte funktioniert. Nur für ihn viel zu langsam. Er war frustriert. Zuschauen war angenehmer. Viel angenehmer…
 

Überrascht erblickte Kira Zeros Versuche und hatte schwer Probleme, gleich am Anfang ein Kichern zu unterdrücken. Grinsend schnappte er sich einen der Löffel und nahm Zero daraufhin gewandt das Sieb aus der Hand.

„Versuch es mal so...“ Nun konnte er einige kichernde Laute nicht unterdrücken. Langsam zeigte er Zero, wie er den Löffel über den Boden des Siebes führen konnte, um so den Berg im Inneren zu verringern.
 

Zero blieb skeptisch. Hier sah das wieder so leicht aus. Offenbar konnte selbst Kira das hier schaffen, ohne sich die Hand dabei zu brechen. Aber okay, aufgeben kam nicht in Frage.

Er übernahm also wieder das Sieb und machte es Kira nach. Es kam einfach viel zu wenig Mehl durch die Löcher. Warum waren die auch so klein? Konnten die nicht größer sein?

Er drückte stärker, damit es schneller ging, doch das hatte nur den Erfolg, dass Mehl über den Rand fiel. Und dann machte es pling und der Löffel fiel in die Schüssel drunter. Mit einem Rutsch war nur noch ein Bruchteil des Mehles im Sieb und der Rest verbreitete eine unkontrollierbare Staubwolke um ihn herum…

„Jetzt ein Feuerzeug…“, murmelte er frustriert.
 

Grinsend hatte er dem anderen zugeschaut, bis das Mehl sich verselbstständigt zu haben schien. Die Wolke legte sich auf Zeros Sachen und dessen Haare und ließ ihm einen so komischen Ausdruck geben, dass Kira nicht anders konnte, als in herzliches Lachen auszubrechen, und nebenbei mit leichten Bewegungen seiner Hände das Mehl wieder zu vertreiben. Zuerst fuhr er über die Sachen, die Hose, das Shirt, dann über den Kopf...

Schlagartig schoss ihm die Röte ins Gesicht, als ihm bewusst wurde, was er da gerade getan hatte. Warum...? Mit kribbelnden Fingern wandte er sich ab und widmete sich wieder seinem Teil der Arbeit, der anderen Schüssel...
 

Zero starrte den anderen an. Erst das Lachen, das so etwas wie Wut in ihm ausgelöst hatte, aber dann… Was hatte das zu bedeuten? Eigentlich… gar nichts, oder? Kira war der Typ für so etwas. Er hätte das bei jedem gemacht und es war… ein Reflex gewesen, das auch bei ihm zu tun, bis ihm eingefallen war, wer er war… und dass er das wohl kaum gutheißen würde. Sein Blick… hatte da wohl das Übrige getan, um diese… Röte auszulösen.

Ein wenig neben sich starrte er auf das Loch in dem Sieb und schüttelte den Rest des Mehles in die Schüssel. Na bitte, jetzt ging das schon viel schneller. Dann stand er auf, um sich wie ein Hund zu schütteln. Es brachte kaum etwas, nur dass jetzt der halbe Boden voller Mehl war. Toll… so wie er aussah, konnte er sich draußen niemals sehen lassen. Sie würde ihn doch alle nicht mehr ernst nehmen…

Er blickte zu Kira zurück, der ebenfalls gut weiß aussah. Dieses Lachen gerade… Es war ihm nicht bösartig vorgekommen. Die Verlegenheit jetzt… Ob er Angst hatte, dass er noch Konsequenzen dafür bekam? Er sollte doch wissen, dass er ihm nichts tun konnte, oder? Hatte er ihm das nicht schon einmal gesagt? Irgendwie machte dieses ganze Verhalten für ihn gerade keinen Sinn. Es war… wie ein Buch mit sieben Siegeln, das man nicht lesen konnte, weil es eine uralte, unleserliche Schrift besaß.

Josie, die bei dem Mehlgestöber völlig verängstigt auf den Schrank geflüchtet war, kam jetzt zu ihm und wollte Trost, den er ihr gedankenverloren mit Streicheleinheiten gewährte. Aber er konnte seinen Blick die ganze Zeit über nicht von Kira abwenden. Er konnte es einfach nicht begreifen. Er, der sonst immer alles zu verstehen glaubte, scheiterte bei diesem Jungen schon beim Start. Immer wenn er glaubte, etwas verstanden zu haben, war es doch wieder anders… Es war wirklich zum Verrücktwerden.
 

Kiras lenkte seine Aufmerksamkeit so sehr auf das Vermischen der Inhalte der Schüssel, das ihm ganz entging, dass er das Mehl vergessen hatte. Und sogar die Eier. Er war wirklich verwirrt. Total verwirrt.

Kommentarlos nahm er die Eier von der Arbeitsfläche und schlug sie in den Teig, danach tat er einen Schritt zur Seite, um sich das Mehl zu greifen, und warf zufällig einen Blick in Zeros Gesicht. Schlagartig wurde ihm wieder warm und er senkte beschämt die Augen.

Er mochte Zero, aber was war mit dem anderen? Diese Verwirrung in dessen Blick... Kira wusste nicht, wie er es deuten konnte und auch sonst wusste er nicht, was er tun sollte. Er hatte Glück, dass das Kuchen-Rezept fast schon automatisch ablief, sobald er die Utensilien vor der Nase stehen hatte.

Nachdem er auch das Mehl in die große Schüssel gegeben hatte, nahm er die beiden Knethaken, steckte sie in die dazugehörigen Ösen und startete das Gerät. Erst ein leises Summen, dann fiel ihm schlagartig ein, dass er ja auch Milch vergessen hatte. Ein Glück war die Packung gerade in sein Blickfeld gerutscht... Schnell gab er die vorgegebenen Milliliter dazu und schließlich noch eine Prise Salz. Dann startete er das Rührgerät neu und starrte dabei instinktiv auf die Schüssel vor sich.
 

Irgendwann wandte Zero sich ab und setzte sich wieder auf die Arbeitsfläche, auf der noch immer das Mehl verschüttet war. Chaos. In der Küche. In ihm drin. Irgendwas war mit Kira. Er war zu nervös. Er hätte doch längst begreifen müssen, dass nichts mehr passieren würde…

Er kraulte Josie das Kinn, dann blickte er wieder zu Kira hinüber, aber diesmal unauffälliger, als würde er eigentlich aus dem Fenster sehen, wo die Sonne langsam unterging. Schließlich hingen seine Augen ganz an dem Farbenschauspiel und seine Gedanken drifteten ab ins Jenseits der Realität. Er hielt sich vor Augen, dass er sich zurückziehen sollte, dass es nicht gut war, was er tat, dass es nicht für Kira gut war, ihn so zu bedrängen, wie er es gerade tat, allein weil er da war. Dass es nicht für ihn gut war, weil er damit auf Dauer nicht zurecht kam.

Das Resultat war, dass er beschloss, sein Herz komplett zu verschließen. Kein Schmerz, er würde die Nähe weiter genießen können, aber die Sehnsucht nach Berührung, die vorhin so heftig in ihm aufgeflammt war, würde nicht mehr so heftig brennen, vielleicht auch gar nicht.

Schweigend sah er schließlich zu, wie Kira den Teig in eine Form gab. Sah lecker aus. Und er würde ihn essen können… Aber er würde es jetzt nicht probieren, weil das wieder zu aufdringlich war. Zu… nah für nur Freunde.
 

Bevor Kira begonnen hatte, den Teig in die Form zu geben, hatte er den Ofen vorgeheizt. Er wusste nicht wie lange es bei dieser Art dauern würde, daher wäre es besser, eher früher anzufangen. Schweigend stöpselte er das Rührgerät ab und schüttete anschließend den Teig in die Form, drückte ihn in die Ecken und schnitt ihn schließlich in der Mitte an. Dann stellte er die Form zur Seite und widmete sich der nächsten. Er wusste nicht, was er mit Zero machen sollte, wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Sollte er ignorieren, was geschehen war? Oder einfach so normal wie möglich weiter agieren?

Er entschied sich für letzteres, maß erneut Mehl ab und hielt es mit einem vorsichtigen Lächeln Zero hin. „Magst du... würdest du es noch mal versuchen?“ Sein Blick hielt dem Zeros einen Augenblick stand, bevor er berührt die Augen niederschlug und dem altbekannten Rotschimmer die Oberhand überließ.
 

„Nicht sehr sinnvoll, angesichts der Tatsache, dass ich es noch nie konnte.“, gab der Schwarzhaarige dunkel zurück. „Bei dir geht es schneller und unkomplizierter. Man verschwendet nicht so viel.“ Aber sein Vertrauen war rührend.
 

Verständnisvoll nickte der Junge und widmete sich dieser Aufgabe schließlich selbst. Wieder Maß er alles ab, schüttete es in die große Schüssel. Dann wandte er sich erneut an Zero.

„Magst du rühren?“ Irgendwie konnte er es nicht sehen, dass der andere nur beobachtend neben ihm saß. Es war ihm nicht unangenehm, aber... ihm war doch mulmig zu Mute. Irgendetwas war da in ihm, was ihn sich schlecht fühlen ließ...
 

„Nein. Ich möchte dir zusehen.“, gab Zero zurück. Es war eine Tatsache, dass er in der Küche eine Niete war, solange es nichts mit Messern oder Feuer zu tun hatte.

Er deutete auf die Arbeitsplatte. „Und da ist gerade ein Ei dabei sich zu verabschieden.“

Die Worte waren noch nicht ganz aus seinem Mund heraus, da flog die Tür auf und ein strahlender Tsubasa stürmte herein. Und erstarrte im nächsten Moment, bevor er angesichts des am Boden zerschellenden Eis zu lachen begann. Schallend zu lachen. Und als er zu Zero blickte, wurde das Lachen noch lauter.

„Schnee!“, japste er. „Es hat geschneit!“

Zero rollte mit den Augen. War ja klar, dass er das komisch fand…
 

Kira folgte dem Ei mit den Augen, war körperlich jedoch zu einer Salzsäule erstarrt. Warum? Er wusste es nicht.

Die auffliegende Tür ließ ihn zusammenfahren und angesichts Tsubasas Lachen zog sich etwas in dem Jungen zusammen. Dieses Lachen... Es war so ganz anders als seine Miene vom Vormittag...

Der Vormittag! Plötzlich zogen die Bilder wieder vor Kiras innerem Auge vorbei und schlagartig ließ er das Rührgerät fallen. Fast schon panisch blickte er auf die Arbeitsfläche und tat dabei einen Schritt nach dem anderen nach hinten. Er... er hatte Zero verraten wollen. Auch wenn ihm diese Tatsache zu dieser Zeit nicht bewusst gewesen war, war es doch ein Verrat gewesen. Schnell glitt sein Blick zu Zero und ängstlich weiteten sich seine Augen, bevor er sich schließlich umdrehte und aus der Tür hinausstürmte, es dabei nicht ausließ, Tsubasa anzurempeln.
 

Zero starrte ihm perplex hinterher. Was war denn jetzt kaputt? War das etwa seine Schuld? War es so schlimm gewesen, dass er nicht hatte helfen wollen? Oder lag es an dem kaputten Ei? Eigentlich… doch eher an Tsubasa, aber seit wann floh er bei dessen Anblick?

„Sag mal, hast du ihn geärgert oder was hat der plötzlich?“

Tsubasa blickte dem Jungen noch immer nach, doch dann zog er die Türe zu. „Geärgert ist das falsche Wort…“, gab er fröhlich zurück. „Aber viel wichtiger ist: Was machst du hier?“

Achselzuckend deutete Zero auf das Mehl zu seinen baumelnden Füßen. „Mehl sieben. Wonach sieht’s denn aus?“

Das brachte den Älteren tatsächlich gleich noch einmal zum Lachen. „Genau danach sieht es ja aus, deswegen habe ich gefragt!“ Er grinste, kam zu ihm und legte seine Arme auf Zeros Oberschenkeln ab. „Als hättest du eine Mehlschlacht gemacht! Voll niedlich!“

Der Chinese gab ihm eine Kopfnuss. „Du bist ein Hirni.“, murrte er. „Ich bin nicht niedlich!“

„Er aber schon, nicht wahr?“

Zero zuckte erneut mit den Schultern, nickte dann jedoch. „Er ist süß, wenn er sich auf eine Sache konzentriert. So eifrig bist beim Backen nicht einmal du.“

Etwas beleidigt zog Tsubasa eine Schnute. „Dass er mir dieses Privileg überhaupt streitig machen konnte…“ Er drückte seine Stirn gegen Zeros. „Hast du es ihm etwa endlich gesagt?“

Er bekam noch eine Kopfnuss. „Bin ich denn blöd?“ Ja, aber das würde er Tsubasa nicht sagen. „Der wäre damit glatt überfordert!“

Tsubasa seufzte leise. „Er ist auch mit dieser Situation vollkommen überfordert.“, gab er zurück. „Er hat Gefühle für dich, die er nicht versteht, verwechselt sie mit Beschützerinstinkt und…“

„BESCHÜTZERINSTINKT?“, platzte es aus Zero heraus. „Was…? Wieso das denn? Sehe ich so schwach aus?“

„Immerhin bist du verletzt.“

„Toll! Ganz toll!“

„Ist doch lieb von ihm.“

„Ich will aber nicht von ihm beschützt werden! Ich will von niemandem beschützt werden!“

Gespielt gekränkt blickte Tsubasa ihn an. „Also wirklich…“

„Ist doch wahr! Er ist bei weitem nicht stark genug, um mich zu beschützen! Du kannst dich wenigstens selbst beschützen und kämpfst besser als ich, aber er… Meine Güte, allein die Vorstellung, dass wir ihn schon jetzt ständig beschatten lassen, damit ihm eben nichts passiert bei seiner verplanten Art!“

Der Japaner nickte bestätigend. „Genau das. Vielleicht solltest du ihm das mal sagen.“ Er strich ihm über die Schläfe und hauchte ihm schließlich einen Kuss auf die Lippen. „Sonst macht er am Ende noch Dummheiten und rennt in die Höhle des Löwen, um Taichi dazu zu bringen, dich in Ruhe zu lassen. Glaub mir, das würde ein Junge wie er fertig kriegen.“

Zero starrte ihn noch immer entgeistert an, doch dann seufzte er. Das waren ja Aussichten. Vielleicht sollte er wirklich mal mit Kira sprechen. Nur würde das wohl nicht so leicht werden, wenn man bedachte, wie der Kleine auf Taichi zu sprechen war. Super…

„Und was machen wir jetzt?“ Tsubasa wechselte mit einem frechen Grinsen das Thema. Er hatte sich überlegt, ob er Zero von Kiras Fehltritt erzählen sollte, aber im Endeffekt wäre der Schwarzhaarige dann wohl wieder durchgedreht. Das wäre… nicht so toll geworden. Zumal er sich mit Kira ja zunehmend besser verstand und das war es ja genau, was er hatte erreichen wollen. Jemand, der Zeros Herz auftauen konnte… „Ich meine, du siehst eh schon aus wie ein paniertes Schnitzel, sollen wir dann hier weitermachen?“

Die Augenbraue ob der Beschreibung hebend musterte Zero ihn. Dieser Sonnenschein hier hatte echt keine Skrupel, oder? „Das ist Kiras Arbeit, lass sie ihm. Er hat Spaß dran und das Zeug hier selbst gekauft.“

„Du bist gemein.“, murrte Tsubasa. „Ich will auch Spaß haben!“

„Dann frag ihn, ob du mitmachen kannst. Du bist ihm eher eine Hilfe als meine Wenigkeit.“

„Da sagst du mal ein wahres Wort, aber ob er mich noch mit dabei haben will… Das bezweifle ich doch stark. Schließlich ist er wegen mir weggelaufen.“ So hatte es zumindest ausgesehen. Vielleicht weil er Bescheid wusste über das, was er beinahe getan hätte.

„Dann vertrag dich gefälligst wieder mit ihm. Seit wann gibt es jemanden, der dich nicht leiden kann?“

„Schon immer.“, lachte Tsubasa. „Meine Mutter hat mich gehasst. Taichi hasst mich auch. Was erwartest du?“

„Mach dich auf die Socken, Ta-chan.“, gab Zero zurück und der Anführer seufzte leise. Manchmal war sein Brüderchen auch zu ihm unerbittlich.

„Wirst du hier warten?“

„Hat es denn einen Sinn?“

„Das will ich hoffen.“

„Dann werde ich das wohl tun…“

Tsubasa begann wieder zu strahlen. „Na dann… bis gleich! Schlaf nicht ein und lass Jo nicht an die Erdbeeren, die wird Kira noch brauchen!“ Er lachte, winkte und war verschwunden. Zero lehnte sich seufzend gegen die Wand. Warum hatte er doch gleich versprochen, hier zu bleiben? Klasse…

Er suchte sich eine Büchse mit Ananas und machte sie auf. Sofort war Josie wieder da und er begann sie zum Zeitvertreib zu füttern, wenn sie ihm bestimmte Kunststückchen vormachte.

Kapitel 20

Kapitel 21:
 

Tsubasa unterdessen erfragte sich den Weg, den Kira genommen hatte, von seinen Gefolgsleuten. Es war interessant, dass jeder von ihnen leise kicherte, weil ja auch Kira voller Mehl war. Letztendlich ahnte er, dass Kira wohl in seinem Zimmer war, und machte sich auf den Weg. Er sollte wohl wirklich mit ihm sprechen, damit sich Zero nicht so blöd vorkam. Wenn die beiden einzigen Menschen, die er mochte – und mit denen er auch sprechen konnte – sich nicht sehen mochten, war das für ihn nicht unbedingt einfach.

Zaghaft öffnete er schließlich die Tür. Es war nicht abgeschlossen… „Kira-chan?“
 

Kira hatte sich auf sein Bett geworfen, ungeachtet seiner dreckigen Sachen. Verdammt, warum? Warum konnte er nicht mehr normal mit Zero reden?

Auf unerklärliche Weise hatte er augenblicklich den Duft des Schwarzhaarigen in der Nase und langsam löste sich eine Träne aus seinem Auge, perlte seine Wange hinab.

Er hatte ihn verraten wollen... Es war genauso, wie Tsubasa es gesagt hatte. Anfangs war es ihm nicht bewusst gewesen und trotzdem hatte er das Leben einer der wenigen Personen riskiert, die ihm wichtig waren. Ja, Zero war ihm wichtig. Definitiv. Und es wäre seine Schuld gewesen, wenn Tsubasa ihn nicht aufgehalten hätte und dem Chinesen daraufhin etwas passiert wäre.

Die Stimme, die nach einiger Zeit durch den Raum schwebte, erkannte Kira... und er war sich nicht sicher, ob er Tsubasa gerade sehen wollte oder nicht. Er sagte nichts. Weder einen ablehnenden Laut, noch einen zustimmenden.
 

Tsubasa seufzte leise und trat dann durch den schmalen Spalt, nur um die Tür anschließend genauso leise wieder zu schließen. Er wollte Kira ja nicht stören, aber…

Auf seine Lippen legte sich ein beinahe liebevolles Lächeln. Meine Güte, diese Sache schien ihm ja echt zu Herzen zu gehen. Weinte er etwa? War er so unglücklich wegen seinem Fehltritt? Immerhin war ja nichts passiert, aber allein die Tatsache war doch schon positiv. Immerhin würde genau diese Einsicht der Dinge ihn davon abhalten, dass ihm so etwas wieder passierte. Zero war damit wenigstens ein wenig mehr in Sicherheit.

„Hey…“ Das Lächeln wurde breiter und war noch in seiner Stimme zu hören, als er zu dem schmalen Bett ging und davor stehen blieb. „So schlimm?“ Ein Gewissen war schwer…
 

Erst sagte Kira nichts, dann hob er den Kopf und blickte Tsubasa an. Seine Augen waren leicht gerötet, aber weinen tat er nicht mehr. Der kurze Ausbruch hatte ihm geholfen, klarer zu sehen. Und er hatte ihm ein wenig der Vorwürfe genommen. Zwar nur einen minimalen Teil, aber immerhin.

Nach einer langen Pause öffnete Kira doch noch den Mund. Es erstaunte ihn selbst.

"Hast… Hast du ihm was gesagt?"
 

Tsubasa schüttelte den Kopf. „Bist du deswegen weggerannt?“, wollte er wissen. „Weil du Angst hattest, dass er es erfährt, wenn ich zu ihm komme?“
 

Langsam und zögerlich nickte der Junge. "Ich… Ich will nicht, dass ihm etwas passiert und jetzt, wo ich diesen Fehler begangen habe..." Kira verstummte. Was nun? Änderte sich denn etwas? Hatte sich schon etwas geändert? Tsubasas Eingreifen hatte die Situation gerettet, und doch war er selbst auch vorher schon zu schwach gewesen. Ja, so hart es auch klingen mochte, Kira war zu schwach. Und das sah er nun ein. Er wollte sich an Taichi rächen, hatte aber nicht die Kraft dazu. Und Zero würde er wohl kaum um Hilfe bitten.
 

Tsubasa lachte. „Das weiß ich. Ich weiß, dass du ihn nicht hast in Gefahr bringen wollen. Deswegen bist du ja auch noch am Leben und ich habe dich aufgehalten.“ Er kicherte leicht. „Immerhin hätte dich Taichi wahrscheinlich einfach umgebracht, wenn Zero nicht gekommen wäre.“

Endlich ließ er sich auf das Bett fallen und öffnete den Käfig von Yuki, der sofort über seine Hand und seinen Arm entlang lief. Er konnte gar nicht so schnell schauen, da war das Tier auch schon bei seinem Herren. Verdammt… Wie langweilig… Warum konnte keines mal bei ihm bleiben, ohne dass Zero es ihm sagen musste?

„Sag mal… was wolltest du da unten eigentlich backen?“, fragte er ins Blaue, während er sich zurücklehnte und an die Decke sah. „Es hat total gut gerochen…“
 

Auch Kira hatte sich mittlerweile aufgesetzt und wurde nun von Yuki begrüßt, der seinen Arm hinauf rannte und seinen Besitzer dann aus großen roten Augen anblickte. Leise lächelnd fuhr Kira ihm über den Kopf, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Tsubasa richtete. "Kuchen... Erdbeer- und Kirschkuchen. Ich hatte Lust dazu und war mit Zero sogar einkaufen..."
 

Tsubasa lachte. „Oh ja, das hab ich gesehen. Und er schien gar nicht so abgeneigt gewesen zu sein.“ Er zupfte an dem Mantel, den Kira noch immer trug. Wann hatte man schon mal gesehen, dass Zero seinen Mantel freiwillig hergab? Das war noch nie passiert. Außer er hatte mal wieder eines dieser gruseligen Schlangenviecher entdeckt und wollte es warm halten.

„Aber Kuchen klingt wirklich gut. Warum bist du dann hier? Dein erster verbrennt grad unten im Ofen, weil Zero-chan wahrscheinlich zu dämlich ist, um ihn herauszuholen, um ihn zu retten…“ Er klang leicht traurig. „Willst du nicht wieder mit runterkommen? Ich helfe dir auch. Ich backe gerne!“
 

Lachend blickte Kira den älteren Jungen an. "Ich habe schon eine Ahnung, wie gut sich Zero und eine Küche verstehen." Ein Kichern glitt über seine Lippen. "Genau deswegen hab ich den Kuchen noch nicht in den Ofen gestellt. Aber ich komme wieder mit."

Nachdenklich blickte Kira in die Ferne. Er wollte den Kuchen zu Ende backen. Er musste es sogar! Langsam erhob er sich von seinem Bett und lief langsam zur Zimmertür, legte die Hand auf den Knauf.
 

Tsubasa war sofort wieder vollkommen wach und auf den Beinen. Er schien sich zu freuen wie ein kleines Kind, dem man einen Lolli geschenkt und einen zweiten versprochen hatte. „Dann mal los. Die Küche muss am Ende aussehen, als hätte ein Konditor einen Tobsuchtsanfall bekommen, dann war der Tag erfolgreich!"

Sie machten sich auf den Weg hinunter durch das Treppenhaus und bekamen einen schiefen Blick von Mara zugeworfen, der gerade das Haus betrat. Er schien nicht zu verstehen, aber Tsubasa schickte ihm nur einen freundlichen Blick, dann schob er seinen kleinen Neuzugang auch schon an ihm vorbei und ward nicht mehr gesehen. Erst kurz bevor sie den Gemeinschaftsraum wieder betraten, hielt er an.

"Kira..." Ihm war noch etwas eingefallen, was er bei der Schimpftirade vor kurzem vergessen hatte. "Du wolltest ihm helfen, nicht wahr? Zero... Das, was du gerade tust... Die Aktion in der Küche, die Tatsache, dass er bei dir ist... Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, die du hast, um ihm wirklich zu helfen. Ich habe ihn noch nie so gesehen, nie so entspannt. Er ist... so anders, wenn er bei dir ist, und es wirkt so, als würde es ihm helfen. Bitte... Er wird dir das nie selbst sagen. Sei einfach für ihn da, okay?"
 

Perplex sah Kira zu dem jungen Mann auf und hielt in der Bewegung inne. Seine Augen wurden groß. Diese Worte – Tsubasas Worte – sie klangen so lieb, so voller Einverständnis für alles, was Kira eventuell mit Zero würde machen wollen.

Langsam senkte der blonde Junge den Kopf und versuchte so, das leichte Rot auf seinen Wangen zu verstecken. „Ich... Danke.“ Stotternd kamen ihm die Worte über die Lippen. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich mag Zero genauso gern und gleichzeitig freut es mich jedes Mal, wenn ich Zeit mit ihm verbringen kann.“
 

Tsubasa lachte fröhlich. „Dann mach das. Steht dem doch nichts im Wege!“

Er grapschte sich Kira und knuddelte ihn heftig durch, während er unaufhörlich durch das blonde, jetzt schon wirre Haar strubbelte.
 

„Woah!“ Ebenfalls lachend versuchte Kira sich vor dem Übergriff zu retten, kitzelte zurück, was ihm jedoch nur mäßig gelang. Das Lachen ließ seine Bewegungen fahrig werden, sodass er ständig von Tsubasas Shirt abrutschte.

Dann jedoch verkniff er sich alles und stürzte sich selbst auf Tsubasa und begann ihm in die Seite zu pieken.
 

Es war ein lautes, ununterdrücktes Quietschen, das als Antwort kam. Kitzeln! Wie fies! Das... das machten doch sonst nur Zero und die Zwillis! Folter!

„Gemeiheihein!“, jammerte er kläglich und so laut, dass jetzt die Tür aufging und drei Leute herauskamen, um zu sehen, was passierte. Ihnen standen mehr oder minder die Münder offen. Und noch mehr, als das jämmerliche Gesicht des Anführers plötzlich frechfies wurde, er sich umdrehte, zwei Hände problemlos einfing und besagten Folterer schlicht unter den Arm klemmte, so dass dieser sich nicht mehr rühren konnte, so sehr er auch herumzappelte.

„Nichts für Ungut!“, grinste er die drei Leute an, während er an ihnen vorbei in den Gemeinschaftsraum ging, durch den der Weg zur Küche führte.
 

Mit geröteten Wangen und überraschtem Blick bekam Kira gerade noch mit, wie er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und daraufhin in der Luft hing. Kurz blickte er wehleidig zu Tsubasa auf, bevor er sich mit der Situation abfand. Was war schon dabei? Die Tatsache, dass ein paar der Mitglieder sie so sahen, trieb Kira zwar die Röte ins Gesicht, aber ihm gefiel es zu sehr von Tsubasa getragen zu werden, als das er sich noch weiter wehrte.

Erst als sie in der Küche ankamen, blickte er schließlich zu Tsubasa auf. Wenn er jetzt nicht wieder auf den Boden käme, wäre das Kochen schlecht möglich.
 

„Zero! Schau mal!“

Die aufgedrehte Stimme und das Knallen der Tür ließen Zero aufblicken. Was er da vor sich sah, ließ ihn eine überraschte Augenbraue heben. Was war denn das? Zwangsabführen?

„Ich hab ihn überredet!“

„Mit herkömmlichen oder mit deinen Methoden?“

Kira wurde auf die Füße gestellt und Tsubasa platzierte beide Hände auf dessen Schultern. „Mit meinen herkömmlichen Methoden!“, jubelte er.

„Ist er deshalb so zerrupft und rot im Gesicht?“ Skepsis lag in Gesicht und Stimme.

„Ja! Immerhin hat er mich gekitzelt und...“

Zero beachtete ihn gar nicht mehr, sondern richtete sein Augenmerk auf Kira. „Ist er keusch geblieben?“, fragte er geradeheraus. Er kannte die Antwort, denn wäre es anders, würde Kira nicht so dastehen.
 

Anstatt dass Kiras Wangen abflauten, glühten sie bei Zeros Frage noch einmal richtig auf. Kurz erwachte der Gedanke an Ren in ihm, dann verdrängte Kira ihn so weit es ging in die hinterste Ecke seines Kopfes und schob sich an Tsubasa vorbei zum Ofen.

Keiner hatte an den Knöpfen herumgespielt, so dass Kira die Wärme nur ein wenig drosselte und dann die erste Kuchenform hineinstellte. Seine nächste Bewegung galt der Eieruhr, welche ihnen in einer guten halben Stunde das Ende der Backzeit zeigen würde. Schließlich drehte er sich zu den beiden Brüdern um, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen.
 

Zero hatte Tsubasa nur einen scheelen Blick zugeworfen, doch jetzt fütterte er Jo, die schweigsam die Szene beobachtet hatte. Sein Blick ruhte auf Kira. Er hatte schließlich die Erlaubnis, zuzusehen.

„Also, was jetzt?“ Tsubasa krempelte sich die Ärmel hoch und blickte ebenfalls erwartungsvoll zu Kira. „Du bist Meister, ich lerne!“

„Du bist Meister im Dummschwätzen!“

„Zero-chan, du kränkst mich!“ Gespielt trübselig ließ Tsubasa die Schultern hängen.

„Das wär mal was Neues...“
 

Belustigt hatte Kira der kleinen Diskussion gelauscht und blickte sich nun in der Küche um. Wenn Tsubasa so willig war zu helfen, müsste man für ihn ja noch was finden. „Du könntest Kirschen- und Erdbeergläser aufmachen und die Früchte vom Saft trennen.“ Er und Zero würden sich am nächsten Teig versuchen. Apropos Teig...

Kiras Blick fiel auf den Boden, auf dem noch immer das zerschellte Ei lag. Bisher war noch niemand hinein getreten, weswegen er sich auch beeilte, es wegzuwischen. Sobald die Fliesen wieder glänzten, wandte er sich erneut der Arbeitsplatte zu und drückte Zero dann zwei Eier, ein Tütchen Vanillezucker und Backpulver in die Hand, mit der Bitte, alles in die Schüssel neben sich zu tun.
 

„Zero, Schale entfernen!“, kam der stichelnde Kommentar von Tsubasa, was ihm einen bitterbösen Blick einbrachte.

Zero begann schließlich mit dem Vanillezucker und rieselte diesen unter Josies kritischem Blick in die Schüssel. Backpulver stäubte und überdeckte diesen, dann die Eier. Eier aufschlagen war ja nicht so schwer. Gegen die Schüssel schlagen und anschließend auseinander brechen. Zumindest wenn man keine Schale im Ei haben wollte. Es glückte. Und Tsubasa brach in lauten Applaus und Pfeifen aus – und bekam dafür die leere Eierschale an den Kopf.
 

„Hey...“ Der dezente Protest Kiras ging in Tsubasas Lachen unter. Dieses war zudem so übergreifend, dass es ihn prompt ansteckte. Die beiden Brüder waren einfach zu süß!

Während Zero seine Zutaten in die Schüssel gegeben hatte, hatte Kira Zucker und Mehl abgewogen, schüttete nun beides mit in die Schüssel. Dann noch die Butter dazu und schon wieder wurde das Rührgerät angeschaltet.

Ein paar Minuten später war auch der dritte Teig fertig. Sie hatten all die gekauften Zutaten wirklich aufgebraucht! Freudig wirbelte Kira im Kreis. Er war glücklich! Sehr glücklich.
 

Tsubasa fing ihn schließlich ein und steckte ihm eine Kirsche in den Mund. „Nicht durchdrehen!“, lachte er. „Noch bist du nicht fertig!“

Dann hopste er zu Zero. „Mund auf!“

„Fütter Jo! Oder Kira.“

„Mund auf!“ Wesentlich nachdrücklicher.

Seufzend gab Zero nach. War ja nicht das Schlechteste. Schließlich mochte er Kirschen. Er spürte, wie Tsubasa ihm die kalte, feuchte Frucht in den Mund schob und wie Jo protestierte, als sie auf seinem Bein vorwärts kletterte.

„Danke.“, murmelte er.

„Für dich immer!“, jubelte Tsubasa glücklich überdreht. „Kira! Du auch mal!“

Zero erstarrte. Wie bitte?
 

„Hm?“ Kiras Mund hielt mitten im Kauen inne. Wie war das gewesen? Er sollte Zero füttern? Zero...

Wieder zeichneten sich seine Wangen hellrot ab. Das konnte er doch nicht machen. Andererseits... Kiras Blick fiel auf Zeros Lippen. Es wäre schon interessant, sie aus der Nähe zu sehen oder gar zu berühren.

Zögerlich griff der Blonde nach einer der kleinen Früchte und bewegte sich dann langsam auf Zero zu. Als er schließlich vor ihm stand, sprangen seine Augen zwischen Zeros Lippen und Augen hin und her. Ganz langsam hob Kira die Hand und hielt die Kirsche schließlich vor Zeros Lippen.
 

Zeros Skepsis war nicht mehr zu toppen. Misstrauen und einfach Nein sagen? Und ihn damit vor den Kopf stoßen? Aber er sah wirklich niedlich aus. So unsicher und hoffnungsvoll... also... sollte er das riskieren?

Noch einen Moment zögerte er und starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf Kira hinab, dann entspannte er langsam seine Schultern und schloss die Augen. Sein Mund öffnete sich ein wenig. Dass Tsubasa da war, störte ihn nicht. Tsubasa durfte von seinen Schwächen wissen.
 

Noch während Kira Zero anblickte, bewegte sich Josie unter ihm und flog zur Tür, welche sich einen Moment später schloss. Jetzt waren sie allein.

Kira tat noch einen Schritt näher auf Zero zu und schob ihm dann vorsichtig die Kirsche in den Mund. Als er die Finger zurückzog, berührten die Spitzen nur ganz eben Zeros Lippen und trotzdem tat Kiras Herz einen Riesenhüpfer. Es war einfach nur wundervoll. Auch wenn seine Knie gerade weich wurden, als sein Blick noch einmal zu Zeros Augen wanderte.
 

Der Schwarzhaarige zerdrückte die Kirsche am Gaumen und schluckte, dann öffnete er langsam die Augen wieder. Er hatte versucht sich zu überlegen, was er sagen, denken, tun sollte und war an der Zeitlosigkeit des Moments gescheitert. Der Geschmack der Kirsche, das Gefühl von warmen Fingern an seiner Lippe, Kiras Anwesenheit... Es war fast zuviel, um einen klaren Gedanken zu fassen – auch jetzt noch.

Sein Blick war dunkel vor Bewegung. Gefühle stritten in ihm. Gefühle der Sehnsucht und des Zwiespalts, weil er sich vorgenommen hatte, ihn zu beschützen. Was sollte er denn jetzt tun?

„Danke...“, murmelte er schließlich und senkte den Kopf, um nicht mehr Kira anschauen zu müssen und damit die Versuchung zu vermindern.
 

Kira erwiderte darauf nichts und ließ seinen Blick nur stumm über Zeros Gesicht und Körper wandern. Wie er so auf dieser Arbeitsplatte saß... Es sah schön aus. Einerseits hatte Zero trotz allem eine gefährliche Aura um sich, andererseits saßen sie hier gerade in einer Küche. Auch als der Schwarzhaarige auf den Boden blickte, konnte Kira es nicht lassen, dessen Statur zu mustern. Er sah an Zero hinab und wieder hinauf. Einen Augenblick bildete er sich ein, etwas Rotes auf Zeros Wangen zu sehen, doch das war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.

Zögerlich und mit zitternden Händen tat Kira noch einen Schritt nach vorn und legte schließlich seine Hand auf die Zeros. Instinktiv hatte er diese Geste gewollt und auch gebraucht. Seine Haut begann angenehm zu kribbeln, als er die Wärme der Hand unter seiner spürte.
 

Zero sah wieder auf und lächelte weich. Er hatte beschlossen, dass Kira das durfte, wenn er wollte. Kira durfte alles. Er würde sich eben beherrschen müssen.

Ein lästiges, schrilles Klingeln schreckte sie auf. Der Kuchen war fertig.

„Hey, alles klar?“ Kiras Gesicht wirkte so verklärt.
 

Beim Geräusch des Weckers war Kira zusammengezuckt. Dann hatte er sich nach einem letzten Blick auf Zero von diesem abgewandt und eilte nun zum Ofen. Er schob die Klappe nach unten und wollte nach dem Blech greifen, berührte es jedoch nur eine Sekunde. Mit einem leisen Schmerzlaut zog er die Hand wieder zurück und griff dann nach einem Geschirrhandtuch, welches über ihm auf der Platte lag.

Sobald Kira den Kuchen sicher draußen hatte, drehte er den kalten Hahn am Waschbecken auf und hielt seinen Finger darunter. Die Haut begann schon zu schmerzen. So ein Mist.
 

Zero hatte diese Hektik beobachtet und auch das leise Zischen gehört. Wehgetan. Verbrannt vor lauter Eile.

Er stand auf und ging zu dem kleinen Kästchen, das Tsubasa vor Jahren aufgehängt hatte, als er begonnen hatte, in der Küche helfen zu wollen. Er holte eine Tube heraus, Tupfer und ein Pflaster, dann stellte er sich vor Kira. "Hand, bitte."
 

Nur widerwillig zog Kira die Hand unter dem kalten Wasserstrahl hervor und hielt sie vor Zero in die Luft. Das eisige Wasser hatte der Haut eine erste Abkühlung verschafft, aber die kleinen Brandblasen hatte es auch nicht vermeiden können. Seufzend schloss Kira die Augen.

"Sorry..."

Er war ein Tollpatsch.
 

Zero antwortete nicht, sondern begann fachmännisch und routiniert Kiras Hand zu verarzten. Abtrocknen, Salbe einreiben, ausnahmsweise vorsichtig sein, abtupfen, Pflaster drauf.

"Wir haben in der Schublade neben dem Herd Handschuhe, damit man rund um geschützt ist.", gab er den Hinweis.
 

"Danke..." Kira hatte die Berührungen genossen und es geschafft, kaum zu erröten. Als Zero die Tube zurück in das kleine Kästchen legte, ließ sich Kira in einem Anfall plötzlicher Erschöpfung gegen die Küchenzeile sinken und rutschte daran hinab. Seine Augen schlossen sich halb.

"Könntest du den zweiten Kuchenteig in den Ofen schieben? Wieder bei 200°." Er richtete die Worte nicht direkt an Zero, aber da sonst niemand da war, war klar, wen er meinte.
 

"Das sollte ich gerade noch so hinkriegen.", gab Zero zurück und nahm die Form von der Tischplatte. Sekunden später stand das Teil im Ofen und Zero seufzte. "Muss man bei dir auch so lange warten wie mit Ta-chan?"
 

"Hm?", fragend öffnete Kira ein Auge und blickte zu Zero empor. "Was meinst du?" Gerade schien sein Kopf in der Schwebe zu hängen und auch seine Gedanken wurden träge.
 

„Ich meine...“, erläuterte Zero bemüht ruhig. „...ich möchte wissen, wie lange der Teig da...“ Er deutete auf den dampfenden Boden. „...braucht bis man Früchte drauf tun kann.“
 

„Ah! Das meinst du!“ Kira schüttelte den Kopf, als wolle er seine Trägheit vertreiben. „Wir fassen den Boden einfach alle 10 Minuten an und wenn er lauwarm ist, können die Früchte drauf!“ Ein Lächeln legte sich auf Kiras Lippen, als seine Gedanken zu der Sahne wanderten, die er extra für Zero machen wollte. Mal schauen, was er sagen würde.
 

Zero nickte auf die Worte hin. Viel zu lange. Er seufzte und deutete auf den Mantel. „Kann ich den dann inzwischen wiederhaben?“ Es war schließlich seiner, und da es glattes Leder war, konnte man es abwischen, so dass da draußen keiner was von dem Mehlchaos mitbekam.
 

Kira blickte an sich herunter. „Oh ja, klar.“ Schnell hatte er sich den Mantel von den Schultern gestreift und dabei noch ein letztes Mal Zeros Duft eingeatmet. Eigentlich gab er den Mantel nur ungern wieder zurück. Ihm hatte diese Schwere gefallen, die seinen Körper belastet hatte.

Lächelnd hielt er seinem gegenüber das schwarze Stück Leder vor die Nase. „Danke noch mal.“
 

„Bitte.“

Er schüttelte das Mehl herunter und streifte sich den Mantel über. Das fühlte sich gleich viel besser an. Viel, viel besser. Sicherer. Und wenn er sich nicht darauf konzentrierte, dann konnte er auch Kiras Duft erahnen. Weich, fast... blumig. Obwohl er ein Junge war.

Er schloss die Augen und drehte sich dabei um. Vorhin, als er Kiras Finger an seinen Lippen gespürt hatte, da hatte die Haut nach Vanille und Zucker gerochen. Und nach Kirsche.

Er biss die Zähne aufeinander, um sich selbst zu beherrschen, rief sich erneut alle Gründe ins Gedächtnis, warum er ihm eben nicht zeigen konnte, was in ihm flutete wie in einem stillen, tiefen See.

„Nein! Ihr könnt da jetzt nicht rein!“ Es krachte an der Tür. „Das ist vollkommen unmöglich!“

„Aber wir wollen Kira doch sein Kostüm geben!“ Chibi-Chi...

„Er muss es anprobieren, ob es passt!“ Chibi-Chan...

Zero verdrehte die Augen. „Spring aus dem Fenster und renn, wenn dir dein Leben lieb ist.“, murmelte er.

„Bitte, Ta-chan!“, kam es flehend von der anderen Seite der Tür.
 

Kostüm? Fragend blickte Kira Zero an, bevor die Erinnerungen auch schon wiederkamen. Gomera. Mini-Gomera Yuki.

Kira war sich nicht sicher, ob er weglaufen sollte oder nicht. Zeros Ratschlag war gut, aber an der Umsetzung würde es scheitern: Er würde nicht aus dem Fenster springen! Also blieb ihm nur, sich seinem Schicksal zu beugen. Hoffentlich würde es nicht so schlimm werden, wie er sich es vorstellte.
 

Es wurde schlimmer. Das Flehen wurde lauter und verstummte plötzlich und Zero konnte förmlich vor sich sehen, wie die Zwillis Tsubasa mit Hundeaugen ansahen, den Tränen nahe. Er ging zur Rückwand, lehnte sich dagegen, verschränkte dir Arme vor der Brust und starrte zur Tür.

„Vier, drei, zwei... eins...“

Die Tür flog auf und ein beschämter Tsubasa folgte den beiden Zwillingsmädchen ins Zimmer, die sich auf Kira stürzten.

„Wir sind fertig!“

„Dein Heldenkostüm!“

„Wo ist Yuki-Gomera?“

„Zieh es gleich an!“

„Bitte!“

Tsubasas Grinsen war körperlich zu spüren. Er hatte seinen Spaß.
 

Kira musste nur die roten, blauen und weißen Stofffetzen erblicken, und schon wünschte er sich, doch weggelaufen zu sein. Noch ehe er einen Ton sagen und weiter versteinert dastehen konnte, hatten die Mädchen das Halfter in ihre Hände genommen.

Als erstes befreiten sie Kira von Shirt und Hose, ohne darauf zu achten, dass dieser sich lieber woanders umgezogen hätte. Es waren ja eh nur Tsubasa und Zero im Raum – was machte da schon ein halbnackter Kira? Dann ging es los. Zuerst kam der hellblaue Ganzkörperanzug á la Superman. Darauf folgten weiße Stiefel und Handschuhe. Als nächstes wurde Kira von Chibi-Chi noch das rote Cape umgebunden und die Krönung verpasste ihm Chibi-Chan mit dem weißen Helm.

Damit hatte er sich nun vollends zum Deppen gemacht. Oder besser: Sie hatten ihn zum Deppen gemacht.
 

Zero musste sich schon ab der Hälfte ein Lachen verkneifen. Genial. Und der Blick erst! Man hätte das fotografieren sollen, das hätte sich gelohnt! Tsubasa jedenfalls lag auf dem Tisch vor Lachen, wie immer, wenn die Zwillis so etwas taten.

„Du siehst toll aus!“ Chibi-Chi schwärmte verrückt, während ihre Schwester Kira anhimmelte.

„Einfach verwegen.“

„Wie ein Baby im Strampler!“, prustete Tsubasa dazwischen, was ihm bitterböse Blicke einbrachte.

„Gar nicht wahr!“

„Hör nicht auf ihn, Kira!“

„Genau, der ist nur eifersüchtig!“

Aber klar...
 

Kiras Gesicht war in ein zartes Rosa getaucht, als er die Kommentare von allen Seiten aufgenommen und verdaut hatte. Nie wieder. Er würde dieses Kostüm jetzt ausziehen und es nie wieder aus seinem Schrank hervorholen.

„Danke ihr beiden, aber nichts für Ungut...“ Und schon hatte Kira sich von dem Helm befreit. Darauf folgten Cape, Handschuhe und Stiefel. Als er dann schließlich auch den Anzug aushatte und wieder in seine eigene schwarze Hose schlüpfte, fühlte er sich schon besser. Viel besser.

Tsubasas leises Kichern, das immer noch durch den Raum schwebte, ließ Kira einen angesäuerten Blick zu dem jungen Mann schicken. Der sollte so was auch mal anziehen.

Wie zur Rettung erklang das Klingeln der Eieruhr. Der zweite Boden war fertig. Freudig sprang Kira zum Ofen, schnappte sich vorher jedoch noch ein paar Handschuhe aus der Schublade, die Zero ihm gezeigt hatte und bugsierte den Kuchen auf die Arbeitsplatte, um kurz darauf den dritten und letzten Teig zum Backen zu bringen.
 

Die Augen der Zwillinge standen in Tränen. Er zog es gleich wieder aus? Was war mit dem Foto?

„Warm lässt du es nicht an? Gefällt es dir nicht?“

„Wie soll Yuki-Gomera dich denn als Herrchen anerkennen, wenn du dein Kostüm nicht trägst?“

Tsubasa brach endgültig zusammen. Er saß jetzt am Boden und rang nach Luft.
 

„Doch, natürlich gefällt es mir, aber es ist gerade... etwas unpassend.“ Kira versuchte die richtigen Worte zu finden, um die beiden Zwillinge nicht noch mehr zu kränken. Tsubasa versuchte er dezent zu ignorieren. Der würde seine Abreibung auch noch bekommen. Ganz sicher! Irgendwas würde er sich einfallen lassen.

„Tsubasa, könntest du mir den Gefallen tun und mit den restlichen Kirschen den ersten Boden belegen? Ich werde so lange... über den letzten Teig wachen.“ Peinlich. Das hätte er sich auch sparen können. Pikiert setzte sich Kira vor den Ofen und beobachtete den Teig. Wie konnte er sich nur an Tsubasa rächen? Da musste unbedingt eine Idee her.
 

„Habt ihr so viele gegessen?“, fragte Tsubasa gespielt entsetzt. Seine Augen waren ganz groß und funkelten durchtrieben. „Ihr Schwerenöter!“

„Hä?“

„Warum? Was haben sie getan?“

„Das geht euch nichts an. Dazu seid ihr noch zu jung.“

„Aber...“

„Sag es! Wir sagen es auch nicht weiter!“

„Sag schon!“

„Das kann ich nicht tun. Fragt doch Kira.“

Die beiden Mädchen blickten sich an und hockten dann plötzlich links und rechts neben Kira. „Was habt ihr mit den Kirschen Schwerenöterisches gemacht?“
 

Kira wurde ein wenig Rot um die Wangen und warf dann einen tödlichen Blick nach hinten zu Tsubasa. Gerade konnte er ersaufen, wenn es nach Kira ging, doch dummerweise gab es kein greifbares Wasser in der Nähe.

„Wir haben gar nichts mit den Kirschen gemacht.“ Kam er dann auf die Frage zurück. „Wir haben nur ab und zu eine zwischendurch gegessen. Mehr nicht.“ Er wollte gar nicht an die Szene denken, doch allein die Kirschen reichten aus, um seine Gesichtsfarbe noch einen Deut zu vertiefen,
 

„Mehr nicht!“, echote Tsubasa und zwinkerte seinem Bruder zu. Dessen finsterer Blick interessierte ihn nicht die Bohne.

„Und warum sind wir dazu zu jung?“

„Wir essen doch auch gerne Kirschen!“

Tsubasa grinste breiter, antwortete aber nicht mehr, sondern schüttete die Kirschen auf den Kuchen. „Das sind aber echt wenige... Ihr seid verfressen!“, übertrieb er maßlos.
 

Kira beachtete den jungen Mann nicht weiter sondern richtete seinen Blick auf den Kuchen vor sich im Ofen. In einem plötzlichen Einfall prüfte er die Wärme des zweiten Bodens und erkannte, dass auch dieser bereit war, belegt zu werden. Diesmal Zero...

„Könntest du bitte die Erdbeeren hier drauf machen?“ Lächelnd reichte der Blonde Zero den Boden. Die Zwillinge ignorierte er, genau wie Tsubasa.
 

Zero nahm die Platte entgegen und legte sie auf die Arbeitsplatte. Erdbeeren. Bah... Aber er musste sie ja nicht essen, oder?

„Chibis... Arbeit.“, verkündete er und er konnte gar nicht so schnell schauen, da pesten sie zu den Dosen und sammelten sie ein. Kurz darauf war es ein einziges Gemansche von Erdbeermus auf Kuchenboden. Sehr anregend, aber na ja.

„Fertig!“, verkündeten die Mädchen.

Zero rollte mit den Augen. Nur mit Kira war es schöner gewesen.
 

Hätte Kira nicht wie versteinert da gestanden, hätte er vielleicht versucht, die Chibis aufzuhalten. Aber so... Er hatte sich diese Aufgabe für Zero ausgesucht und nun musste er sehen, wie dieser sie einfach den beiden Mädchen gab, weil sie nun mal in der Küche rumstromerten. Es gefiel ihm nicht unbedingt. Ganz und gar nicht.

Er besah sich nach getaner Arbeit den Kuchen und entschied dann, alle aus der Küche zu verbannen.

„Chibi-Chi und Chibi-Chan. Könntet ihr euch das Besteck und die Teller schnappen und den Tisch decken? Tsubasa, kannst du bitte die anderen zusammentrommeln? Und Zero...“ Ja, was bekam der denn für eine Aufgabe, damit er die Überraschung nicht schon vorher sah? „Du...“ Langsam näherte er sich Zero um ein paar Schritte und flüsterte ihm dann ein paar Worte ins Ohr. „…gehst dich am besten umziehen.“ Die Mehlspur, die hier an allem und jedem haftete, war einfach nicht zu übersehen.

Kiras Wangen glühten, als er sich wieder von Zero abwandte.
 

Zero starrte Kira perplex an. Was war das gewesen?

Schock. Gänsehaut. Herzstillstand. Im ersten Moment hatte er ernsthaft gedacht, das wäre ein Annäherungsversuch, aber dann... Umziehen? Aufmerksamer Junge. Wusste genau, dass er so niemals hinausgehen würde, in die Öffentlichkeit. Tja. „Klar.“, sagte er, stieß sich von der Wand ab und ging. Bloß weg hier und den Herzschlag wieder unter Kontrolle bringen. Ganz wichtig!
 

Der blonde Junge brauchte eine Weile, um sich ebenfalls wieder zu beruhigen. Dieser Ausdruck, den er in Zeros Augen gesehen hatte, hatte ihn überrascht. Wie es schien, hatte der andere nicht erwartet, dass Kira so etwas tun würde. Er selbst hätte das ja nicht einmal erwartet.

Als er dann endlich allein war und die Ruhe hören konnte, atmete er tief aus. Oh Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht, Zero so nah zu kommen? Er konnte seinen eigenen Herzschlag nun langsam wieder weniger werden spüren.

Während der dritte Boden noch am Abkühlen war, hatte Kira sich die Sojasahne und das Sahnesteif geschnappt. So, mal schauen, ob sein Plan aufging.

Wie auf der Verpackung angegeben, gab Kira 250 ml der Sahne in einen Becher und tat dann ein Päckchen des Sahnesteifs dazu. Leise summend nahm er sich das Mixgerät und begann dann die improvisierte Sahne zu schlagen. Er war schon unglaublich gespannt, was Zero sagen würde. Wenn er denn überhaupt etwas sagte. Kira konnte nicht anders, als zu seufzen. Nach wenigen Minuten war er fertig und mit einer Prise Zucker war die Sahne perfekt.

Lächelnd schüttete er sie in ein extra Schälchen und belegte dann mit den übrigen Früchten und einer weiteren Dose aus dem Vorratsschrank den letzten Boden. Alles brachte er in den Aufenthaltsraum. Auf den Kaffee dazu würden sie verzichten.
 

Zero hatte das Pech gehabt, dass die meisten Menschen schon im Raum gewesen waren, weil sie der Zwillinge neuestes Schandwerk begutachten wollten. Das bedeutete allerdings, dass Tsubasa Pause hatte. Blöd. Saublöd. Er folgte ihm. War ja klar.

„Hast du es ihm endlich gesagt?“ Die Tür war gerade erst zugefallen...

„Nein.“

„Aber er dir?“

„Was soll er schon gesagt haben?“

„Das er dich mag!“

„Du spinnst...“

„Warum hätte er dich sonst füttern sollen?“

„Weil du das auch gemacht hast und er nicht hinter dir zurückstehen wollte!“ Zero zog sich das Hemd über den Kopf.

„Mann, bist du echt so blind? Zwischen euch ist das Knistern unübersehbar!“

„Träum weiter! Das war nur...“

„Ja?“

„Das war Schüchternheit!“

„Aber du hast es zugelassen.“ Tsubasa verschränkte die Arme vor der Brust, doch es kam – wie erwartet – keine Antwort.

„Gib es zu, du hast es genossen.“

„Und?“ Die Hose folgte dem Hemd in den Wäschekorb.

„Warum willst du dauerhaft darauf verzichten?“

„Er würde das nicht ertragen.“

„Was soll denn das heißen?“

„Ich bin niemand, den man lieben kann.“

„Ich liebe dich.“

Zero blickte ihn an, seine Augen und Mimik unlesbar. Dann: „Stimmt schon. Und ich weiß bis heute nicht warum...“

Zwei Arme schlangen sich um seinen Bauch und er wurde gegen einen warmen Körper gezogen. „Weil du liebenswürdig bist. Weil du einsam bist. Weil du Qualitäten besitzt, die nur keiner erkennt. Weil du mich magst. Weil du kein schlechter Mensch...“

„Wer hat gesagt, dass ich dich mag?“, unterbrach Zero Tsubasas Redefluss.

„Ich fühle das.“, säuselte der andere. „Leugnen ist zwecklos.“

Schweigen.

„Was hat er zu dir gesagt.“

„Ich sollte mich umziehen.“

„Wie jetzt? Uns lässt er arbeiten und du darfst dich umziehen? Wie ungerecht.“

„Ich verstehe das nicht... Mein Herz... hat sich noch immer nicht beruhigt...“

Tsubasa lächelte. Sein kleiner Ziehbruder war vollkommen verwirrt. „Ich weiß, ich kann es fühlen...“

Wieder herrschte Schweigen, doch Tsubasa hatte noch eine Frage.

„Warum quälst du dich selbst so?“, wollte er traurig wissen. „Kira denkt ähnlich. Er weiß es nur noch nicht. Sein Blick... wird immer so intensiv, wenn er dich ansieht.“

Das Gewicht in seinen Armen wurde schwerer, als Zero sich zurücklehnte. „Ich werde über ihn wachen, damit ihm nichts passiert...“

„Das war schon klar, Rei. Das war vollkommen klar.“, lächelte der Japaner liebevoll. „Sonst hätte ich mir wohl ernsthaft Sorgen gemacht. Ich wünsche mir nur manchmal, dass du ein bisschen mehr auf dich Acht geben würdest. Du bist doch sonst so egoistisch, halt dich hier nicht so zurück.“

Er bekam keine Antwort, aber er hatte auch keine erwartet.

Kapitel 21

Hallo liebe Leser :)

Ich kann mir denken, dass ihr diesen Tag herbei gesehnt habt *g* Street Children geht weiter :) Ich hoffe, ihr habt noch Spaß am Lesen!
 

Liebe Grüße,

Himeka (und Shirokko :))
 

Kapitel 22
 

Voller Vorfreude stellte der Blonde die Sprühsahne in die Mitte des Tisches, um den schon alle saßen, und ging dann zu seinem Platz, der zufälligerweise genau neben dem von Zero lag. Mit zitternden Händen stellte er die Schüssel mit der Soja-Sahne vor Zero ab.

„Für dich. Schlagsahne. Auf Soja-Basis. Ohne Sahne schmeckt Obstkuchen nicht.“ Mit leicht geröteten Wangen wandte er sich von dem schwarzhaarigen Chinesen ab und starrte dann auf das Stück Kuchen, dass wie von selbst seinen Weg auf seinen Teller gefunden zu haben schien. Wahrscheinlich hatte Tsubasa es ihm aufgetan.
 

Zero starrte auf die Schüssel. Perplex. Heute blickte er echt gar nichts mehr. Was war mit ihm los? Warum erwartete er nichts von dem, was Kira tat? Warum konnte dieser Junge ihn ständig überraschen? Das war doch nicht normal! Aber Sahne... extra für ihn? Aus Soja-Milch? Damit er sie vertrug? Und das...hier?

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. „Wage es ja nicht, ihm daraus einen Strick zu drehen, klar?“, knurrte Tsubasa leise in sein Ohr. „Das hat keiner mitbekommen und selbst wenn, es interessiert keinen, klar?“

Zeros Blick durchbohrte ihn, dann fand er seinen Blick durch den Raum voller gefräßiger Menschen, die allesamt laut lärmten und lachten. Er blieb an Kira hängen.

Zu lieb. Kiras Wangen waren rot. Viel zu lieb. Er hatte extra an ihn gedacht. Warum war er so lieb zu ihm? Er konnte damit einfach nicht umgehen, wenn jemand nett zu ihm war. Er war das nicht gewohnt!

Es wurde zuviel. Die Nähe, die gute Absicht, das Unverständnis gegenüber der Situation. Sein Herz schlug wild gegen seine Brust und er hatte einen Kloß im Hals. Wärme.

Abrupt stand er auf, drehte sich um und verließ mit effektvoll wehendem Mantel den Raum seine Treppe hinauf. Ihm war zum Heulen zumute. Richtig. Und dabei schaffte es noch nicht mal Taichi ihn zum Heulen zu bringen!

Tsubasa, der sah, wie Zeros Haltung sich änderte, lächelte schwach. Eine gefühlstechnische Niete, aber echt.
 

Ab und zu hatte Kira aufgeschaut, sich aber nicht getraut, Zero länger anzublicken. Ihm war zu warm... Als er dann die eindeutig abwendende Bewegung neben sich bemerkte und Zero dann auch noch den Raum verlassen sah, wurde es ihm zu viel. Mit einem Klappern ließ er seine Gabel fallen, wobei er gerade eigentlich ein Stück Kuchen hatte essen wollen.

Warum? Warum ging Zero einfach, ohne etwas zu sagen? Er hatte die Sahne nicht mal angerührt! Verzweiflung kroch in dem Jungen hoch. Den ganzen Nachmittag hatte er sich gefreut Zero zu überraschen. Und was nun? Alles daneben gegangen.

Vor seinen Augen verschwamm das Bild. Nein, er konnte jetzt nicht heulen, auch wenn ihm die Enttäuschung zu viel wurde. Er musste sich zusammenreißen.

Tapfer blieb Kira sitzen. Einzig seine auf den Hosen verkrampften Hände zeugten von seiner Gefühlslage.
 

Tsubasa lächelte wehmütig. Unsensibler Trottel. Dem Kleinen so weh zu tun. Er rutschte auf den Stuhl neben Kira und zog diesen in seine Arme, ohne den leichten Widerstand zu beachten.

„Es hat ihn gefreut, aber sein Stolz lässt nicht zu, dass er deine Geste annimmt.“ Er seufzte. „Zu viele Menschen, verstehst du?“
 

Einen Augenblick nur versuchte Kira sich zu wehren, dann krallte er sich nur stumm in Tsubasas Shirt. Nein, er konnte ihn nicht verstehen. Oder wollte er es nur nicht? Eigentlich wusste er ja, wie Zero sich in der Gegenwart anderer Menschen verhielt und trotzdem traf es ihn hart.

Tsubasa hatte es nach wenigen Sekunden geschafft, seine Tränen zu vertreiben. „Danke...“, murmelte der blonde Junge, ohne Tsubasa anzublicken. Schließlich stand er auf und verließ stumm den Raum. Er ging nach draußen. Er brauchte Luft, viel Luft.
 

Tsubasa ließ ihn gehen. Eigentlich hätte er ihm am liebsten gesagt, dass er es noch einmal versuchen sollte, diesmal ohne Menschen drum herum, aber dann hatte er gespürt, dass das wohl keine gute Idee gewesen wäre. Kira war tief enttäuscht. Da wäre eine Konfrontation mit Zero keine gute Idee gewesen. Das war echt schwer.

Er aß seinen Kuchen auf und nahm dann mit dem Aufstehen Zeros Teller auf, um ihn oben in das leere Zimmer zu stellen. Es war klar gewesen, das Zero nicht da war.
 

Wie ein Erstickender sog Kira die frische Luft ein. Auch wenn seine Brust frei war, konnte er doch nicht unbefreit atmen. Irgendwas schien auf seinem Herzen zu liegen. Nein, es war nicht irgendwas. Es war Zero. Zero bereitete ihm richtige Bauchschmerzen.

Trotz der innerlichen Unruhe lief Kira los. Einfach den Weg entlang. Je weiter er von dem Haupthaus und seinen Freunden entfernt war, desto freier konnte er atmen. Allerdings brachte schon der Gedanke an Zero eine Trübsalstimmung zum Erwachen.

Als er langsam salzige Luft roch, wusste Kira, dass er mal wieder am Meer war. Und bei den Katzen. Aber immerhin konnten sie ihm ein wenig Trost spenden, auch wenn er unweigerlich wieder an Zero erinnert werden würde.

Je näher er den Tieren kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Schließlich blieb er stehen und verschnaufte einen Augenblick. Er wartete, bis sein Herz nicht mehr raste. Sobald er an den Steinen stand, kamen die Katzen. Es waren viele, wie immer. Auch die kleine Weiße war wieder dabei. Wehmütig hockte sich der Blonde auf den Boden und lockte das Tier an. Sie kam, wenn auch mit einigem Zögern.

„Was hast du? Weißt du, dass ich verwirrt bin?“ Kira lachte trocken. Katzen waren wirklich erstaunlich einfühlsame Tiere. Sie spürten immer, wenn es einem schlecht ging. „Ich verstehe ihn und doch versteh ich ihn nicht.“ Die kleine Katze auf seinem Schoß sah ihn ungläubig an. Kira strich ihr durchs Fell. Diese Missachtung war das schlimmste gewesen, was Zero hätte tun können. Er hatte all seine Freuden und Anstrengungen zerstört.
 

Es war bereits elf Uhr, als die beiden Dragons den Jungen endlich fanden. Im Zimmer war er nicht gewesen, nicht im Bad und auch nicht beim Doc, aber wenn man es recht bedachte, war es schon fast normal, dass Kira sich Gesellschaft suchte. Das tat er schließlich immer. Mara gab Nami ein unauffälliges Zeichen und sie machten sich auf den weg zum „Kuschelplatz“. Ob Kira weinte?

„Hey...“, begann Mara leise und setzte sich auf den Stein, neben dem Kira saß. „Willst du reden?“

„Wir haben dir was mitgebracht.“ Nami setzte sich fließend direkt neben ihn. „Zuckerwasser mit Namen Cola...“ Sie hielt ihm die Büchse hin.
 

Leise hörte Kira Bewegungen hinter sich und hoffte, dass er sie sich einbildete. Einerseits wollte er allein sein, andererseits jedoch wollte er reden...

Als Mara sein Hier sein begründete, nickte Kira leicht mit dem Kopf. Einen Augenblick später hatte er eine Dose im Blickfeld, die er mit einem weiteren Nicken nahm. Der Blonde machte sich gar nicht erst die Mühe nachzufragen, wie sie ihn gefunden hatten, denn irgendwie waren die beiden immer da, wenn es Probleme gab. Egal ob zwischen den Mitgliedern der Dragons unter sich oder mit anderen Clans.
 

Sie warteten beide, ob Kira sich äußern würde, doch es blieb still. Kira schien sich sammeln zu müssen. Er schien wirklich durcheinander.

Nami zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. Eine Katze schmiegte sich an ihren Rücken und eine andere legte sich demonstrativ auf ihre Füße. Sie fühlte sich an diesem Ort immer wohl. Die Katzen verbreiteten Ruhe und Gelassenheit. und das war etwas, was ihr wichtig war und worauf sie sich gerne einließ, aber heute hing über ihnen eine düstere Stimmung. Und sie kam von Kira...

Das blonde Mädchen schloss die Augen. „Erzähl...“, bot sie an.
 

Einen Moment war der Junge noch ruhig, dann begann er zu sprechen.

„Zero... Ich kann ihn nicht verstehen... Er, er ist einfach aufgestanden und gegangen, ohne etwas zu sagen. Er hat mich nicht einmal angesehen.“ Die letzten Worte waren leiser geworden und am Ende kaum noch zu verstehen gewesen. Vielleicht hatten Kira auch die Blicke gefehlt, der Kontakt. Zero hätte ja nichts sagen müssen, aber wenigstens ein kurzer Blick...
 

Beide nickten sie. Das war verständlich. Nachdem Kira Zero extra noch etwas Zusätzliches gemacht hatte... Das wagte außer Tsubasa kaum jemand. Maximal noch die Zwillinge.

Mara seufzte. „Was hast du denn erwartet? Das er dir um den Hals fällt?“ Momentan verstand er nicht, was Kira dachte.
 

„Nein, natürlich nicht. Nur ein paar Nette Worte, ein Blick vielleicht. Irgendetwas... Dank..“ Kira hatte sich gerade selbst übernommen und verwirrt. Aber trotzdem war es so, dass er nur ein wenig Achtung erwartet hatte. Und Mara klang so vorwurfsvoll... Als wenn alles ein großer Fehler gewesen wäre. Er brauchte Sicherheit.

„War es falsch gewesen?“ Seine Stimme klang dumpf, da er den Kopf in den Händen geborgen hatte.
 

„Bei jedem anderen nicht, aber bei ihm...“ Mara zuckte mit den Schultern und Nami übernahm.

„Im Grunde war das schon mehr Reaktion, als überhaupt jemand bekommen würde. Als ich ihm mal etwas besonderes gemacht habe, da hat er gar nichts getan. Er hat einfach weiter gegessen. Ohne zu unterbrechen, ohne seinen Tagesablauf irgendwie umzuschmeißen...“ Sie seufzte. „Es war falsch, irgendetwas zu erwarten, denn ganz egal, was man erwartet, er reagiert immer anders.“
 

Nachdenklich war Kira wieder aufgetaucht und blickte nun von Mara zu Nami und wieder zurück.

Sie hatten es ihm gesagt. Er war zu weit gegangen. Aber das Gespräch beim Einkaufen, dass Zero noch nie Sahne gegessen hatte... Kira hatte es ihm zeigen wollen. Diesen tollen Geschmack, diesen süßen Schaum, wenn man das Gefühl hatte, er würde immer mehr im Mund werden.

„Zero ist seltsam und trotzdem würde ich nicht mehr von hier wegwollen. Es ist wie, als würde er mich in seinen Bann halten...“ Die Worte klangen albern, und doch entsprachen sie der Wahrheit. Zero hatte etwas an sich, dem Kira nicht entfliehen konnte. Aber was war das nur?
 

„Du bist... wegen ihm hier?“ Mara schien etwas verwirrt. Immerhin gab es hier wesentlich angenehmere Menschen als den Vize.

„Ich kann dich verstehen.“ Nami lächelte ihn an. "Er ist faszinierend, geheimnisvoll und trägt förmlich ein Schild auf dem Rücken: „Gefahr.“ Man möchte wissen, was dahinter steckt, nicht wahr?“

Mara zog eine Schnute. Er wusste, dass Nami noch lange nicht vollständig aufgegeben hatte.
 

„Ja, so ungefähr.“ Erfreut lächelte Kira das Mädchen an. Wenigstens eine, die ihn zu verstehen schien.

„Ich mag diesen Schild nur nicht, auch wenn er einen großen Teil seiner Ausstrahlung ausmacht. Ohne den wäre Zero nicht Zero und ich wüsste auch nicht, wie ich dann zu ihm stehen würde.“ Kiras Laune war gerade dabei, sich wieder zu bessern. Es tat gut zu reden. Erst Recht über Zero...
 

Nami lachte leise. „Das gilt für dich doch eh nicht. Meine Güte, Kira, ist dir noch nicht aufgefallen, dass du schon ein gutes Dutzend Fettnäpfchen erwischt hast und noch immer lebst?“ Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Er hat dir seinen Vogel geschickt, er hat dich bei sich akzeptiert, wir haben gesehen, dass er dich hier an der Mole willkommen geheißen hat und du warst heute mit ihm einkaufen und er hat dir sogar deine Tüten getragen und seinen Mantel geliehen. Gefahr ist nicht das richtige Wort. Er behandelt dich... ganz anders. Wie einen kleinen Bruder oder wie einen Schutzbefohlenen oder... wie ein Mädchen, auf das er sein Auge geworfen hat... “ Sie verzog den Mund.
 

Kiras Augen wurden groß. Was hatte Nami da gerade gesagt?

Das mit dem kleinen Bruder konnte er ja noch nachvollziehen, aber das mit dem Mädchen? Er soll sich in ihn, Kira, verliebt haben? Unglaublich. Das war wirklich nur unglaublich... schön. Kira selbst hatte ja schon erkannt, dass von ihm durchaus Gefühle für Zero ausgingen.

Ein leichtes Rot bereitete sich auf seinen Wangen aus. Die Schuldgefühle waren in die hinterste Ecke seines Kopfes gerutscht.

„Meinst du wirklich?“ Es war fast schon ein wenig Hoffnung in seiner Stimme zu hören.

Im Nachhinein erschien es Kira auch logisch. Ihm war die Szene von vor ein paar Wochen in den Sinn gekommen. Als Zero das Mädchen die Treppe hinuntergeworfen hatte. Kira hatte sie seitdem nie wieder gesehen...

Er selbst jedoch hatte Zeros Zimmer schon gesehen und wie Nami richtig festgestellt hatte, lebte er noch.

Eine Horde von Schmetterlingen, angetrieben durch ein wunderbares und doch zweifelhaftes Gefühl namens Hoffnung, begann sich gerade einen Weg aus seinem Inneren heraus zu suchen.
 

Nami nickte und lachte erneut. Mara rollte nur mit den Augen. Blind. Dieser Kerl war genauso blind wie Zero, der ja auch nichts begriff. – Oder nicht begreifen wollte.

„Ich muss zugeben, mich hatte das im ersten Moment auch gewundert und ich habe es auch lange nicht geglaubt, aber ja. So albern es auch klingen mag.“
 

Kira fühlte sich befreiter und langsam wieder bereit, unter Menschen zu gehen. Zumindest alle bis auf Zero. Wie er sich dem gegenüber verhalten sollte, wusste Kira nicht...

Er drehte den Kopf mit der Windböhe und schloss die Augen, atmete dabei tief ein und aus.

„Ich denke, ich geh wieder zurück. Ich fühle mich bereit... Und ich habe Hunger.“

Durch Zeros Verhalten war Kira nicht dazu gekommen, seinen Kuchen auch nur anzurühren. Langsam öffnete er die Büchse Cola, die er noch in der Hand hielt. Der erste Schluck war eklig süß, aber danach wurden Kiras Geschmacksknospen so sehr beladen, dass die Cola immer erträglicher wurde.
 

Nami nickte erneut und lehnte sich dann gegen den Betonfelsen, auf dem ihr Freund saß. „Ich habe eine Frage.“, begann sie ruhig. „Ich weiß, warum ich damals dachte, er ist der Richtige, aber warum interessierst du dich so für Zero? Hat das irgendeine Bewandtnis?“ Vielleicht bekam man auf diesem Wege etwas über den düsteren Vize heraus.
 

Kira hielt in der Bewegung inne und drehte sich zu Nami herum. Die Ratlosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben und entsprach auch der Wahrheit. Er wusste nicht, warum es Zero war. Er war einfach da gewesen, als Kira niemanden mehr hatte und allein durch die Straßen gezogen war.

„Er war da gewesen, als ich alles verloren hatte und nicht mehr weiter wusste. Er hat mir geholfen und allein durch Zeros Anwesenheit habe ich einen Grund weiterzuleben.“
 

„Er hat dir geholfen?“, echote Mara. „Warum? Und wie? Ich dachte, er hätte dich zusammengeschlagen. Sah zumindest so aus, als er uns weggeschickt hat.“
 

Kira schüttelte den Kopf.

„Wir haben geredet, dann hat Zero meine verletzte Schulter entdeckt und noch ehe ich gehen konnte, hat er mich bewusstlos geschlagen und zum Doc gebracht.“ Sein Blick wanderte zwischen Nami und Mara hin und her. „Als ich wieder zu mir kam, war dann Tsubasa da und hat gefragt, ob ich bleiben wollen würde.“ Kiras Blick schwenkte immer noch. Wie es aussah, wusste niemand etwas von dem, was geschehen war.
 

„Ach je...“ Mara blickte Nami an und sie kicherte. „Da hat er offenbar Interesse gezeigt, weil du verletzt gegen so viele antreten wolltest. Respekt. Dass er dich zum Doc gebracht hat, finde ich bemerkenswert. Mole wäre für Überläufer wahrscheinlicher gewesen.“ Er lachte.

„Du bist blöd, Mara. Auch Zero tötet nicht wahllos.“

„Aber er sammelt mutige Menschen, das musst du zugeben.“

„Okay...“

„Kira, meinen Glückwunsch. Er sieht Potential in dir.“
 

Perplex sah der blonde Junge zwischen den Mitgliedern hin und her. Potential? Kämpferisches Potential? In ihm? Wenn es damals so war, dann sollte er wohl nicht mehr hier bleiben, denn Kämpfen tat er ja nicht mehr. Und allein durch Zeros Auftreten fühlte Kira sich schon verweichlicht. Sollte er mehr kämpfen lernen? Sollte er Kampfunterricht nehmen? Wäre wohl am sinnvollsten...

Aber wer wäre ein geeigneter Lehrer? Zero? Tsubasa? Er würde beide Fragen. Wenn einer Nein sagte, hätte er immer noch den zweiten als potentiellen Lehrer.

„Ich bin mir da nicht so sicher, ich kann doch kaum kämpfen. Ich hab doch bisher kaum gekämpft.“ Gezwungen blickte er Nami und Mara an. „So was kann er doch gar nicht glauben.“
 

Mara lachte. „Katzen, die ihre Krallen so offen zeigen und so deutlich sagen, was ihnen nicht passt, sind halt so. Ganz am Anfang wolltest du gegen mich kämpfen. Und du hast gegen die Zwillinge auch keine schlechte Show abgeliefert. Also, was willst du mehr? Du kämpfst vielleicht nicht mehr so oft, aber du kannst es trotzdem.“ Wieder lachte er. „Du hast Zero die Stirn geboten...“
 

Kiras Gesicht zierte ein Lächeln, als er in die Augen des Hünen blickte. „Danke.“ Diese Sätze hatten ihm ein klein wenig seines verloren geglaubten Mutes und seiner Stärke zurückgegeben. „Lasst uns nun Essen gehen.“ Freudig ging Kira auf die beiden zu und griff nach einer Hand von jedem. „Ich hab euch gern, alle beide. Es tut gut mit euch zu reden.“
 

„Gut, dann brauchst du in Zukunft ja nicht mehr alleine Trübsal blasen, okay? Dann komm einfach gleich zu uns.“ Nami ließ sich hochziehen und umarmte Kira kurz. „Wir helfen dir, den Stein weich zu kriegen.“

„Solange es nicht unser Leben kostet.“, kam die Einschränkung von Mara.
 

„Wird es nicht! Wenn Zero an euch ran will, werd ich versuchen ihn aufzuhalten und sobald wir auf feindliches Gebiet kommen, werde ich euch nicht mehr mit meinen Problemen behelligen.“ Und was Namis Angebot betraf... Kira war sich sicher, dass er es mehr als einmal annehmen würde.

Dann machten sich die drei auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Noch während sie bei den Katzen gewesen waren, hatte es begonnen dunkler zu werden. Nun, da sie den Raum erreichten, war bis auf den Streif am Horizont die Nacht über sie hereingebrochen.

Das Abendbrot war schon aufgetischt, der Platz neben Tsubasa jedoch war leer. Kira wusste nicht, ob ihn das freute oder nicht. Er wusste, dass er keinen Ton zu Zero gesagt hätte, wenn er da gewesen wäre, doch wäre es ihm lieber gewesen. Langsam ging er auf Tsubasa zu und setzte sich schließlich neben diesen.
 

Der junge Mann grinste ein fröhliches Hallo mit freundlichem Winken, denn sein Mund war bereits voll mit Toast und Ei. Erst als er geschluckt hatte, eröffnete er das Wort. „Wie geht es Yuki?“
 

„Gut. Er ist wahrscheinlich gerade im Zimmer und wartet darauf, dass ihm jemand sein Abendbrot vorbei bringt.“ Kira lächelte Tsubasa zu und begann dann, sein Essen vorzubereiten. Eine Scheibe Brot, ein wenig Butter und zwei Scheiben Käse fanden ihren Weg auf seinen Teller, bevor er nach seinem Teeglas griff und sich an Tsubasa wandte. „Ich geh mir eben etwas Tee holen.“ Der Wind an der Mole hatte Kira ein wenig unterkühlt, was ihm aber erst jetzt auffiel.

Langsam näherte er sich der Teekanne, hatte sie sogar schon an den Rand des Glases gesetzt, als sein Blick auf die Tür fiel und alle seine Bewegungen erstarren ließ. Ren war wieder da.

Sowohl die Kanne als auch das Glas glitten aus seinen Händen und zerschellten auf dem Boden. Kira bekam nichts von dem mit, seinen Blick immer noch auf die Tür gerichtet. Das Blut rauschte in seinen Ohren, ließ ihn nicht mal mehr Laute aus seiner Umgebung wahrnehmen.
 

Tsubasa reagierte so schnell, wie es ihm möglich war, ohne sich zu verschlucken. Er stand fließen auf und wirbelte dann mit einem Trockentuch herum, während auch schon andere aufstanden, um zu helfen.

„Beweg dich nicht! Du hast Scherben an der Hose und so viel heißes Wasser abbekommen. Das muss gekühlt werden. Ganz flink! Los, komm! Ich trag dich. Yama, nimm du den Besen und feg das bitte zusammen. Kari, wärst du so lieb, neuen Tee zu machen?“ Und schon hatte er Kira hochgehoben und raste mit ihm in die Küche.
 

Kira hatte weder den Tee auf seiner Hose bemerkt, noch hatte er auf die Scherben um sich herum geachtet. Er hatte einfach nur dagestanden und Ren angeblickt. Steif wie ein Brett ließ er Tsubasa an sich heran, nur um in der Küche zum nächsten Wasserhahn zu laufen und schwer atmend den Kopf unter den kalten Wasserstrahl zu halten.

Ren...

Wieder kamen die Erinnerungen hoch, Erinnerungen, die er verdrängt hatte. Sofort spürte Kira die heißen Lippen auf den seinen und fing an zu husten, als würde er so das ganze Gefühl vertreiben können. Dann kamen noch die Hände dazu, wie sie ruhelos über seinen Körper strichen, dabei immer weiter in seine Körpermitte wanderten.

„Nein! Geh weg!“ In Panik hockte der Blonde sich auf den Boden, kniff die Augen zusammen und hielt sich die Hände über die Ohren. Ren sollte wieder verschwinden, aus seinen Gedanken und seinem Leben.
 

Tsubasa starrte den Jungen an, wie er da kauerte und offenbar mit Dämonen haderte, die Zero bereits erkannt und von denen er ihm berichtet hatte. Kira konnte einem echt leid tun.

Vorsichtig setzte er sich neben ihn und lehnte sich gegen die Spüle. Überall war Wasser, aber das störte ihn gerade nicht. „Ren wird dir nichts mehr tun.“, versicherte er ihm.
 

Verängstigt blickte Kira zu Tsubasa auf, eine einzelne Träne schimmerte in seinem Auge.

„Wirklich?“ Seine Stimme war leise. „Wird er mich nie wieder anfassen?“
 

„Wenn du das nicht möchtest, dann wird er das nicht. Es gibt genug Methoden, ihn daran zu hindern. Die wirksamste... nun ja... Die wirksamste wurde bereits in die Wege geleitet und hat effiziente Durchschlagskraft.“
 

Kira verstand nicht, was Tsubasa ihm mitteilen wollte und doch ließen ihn die Worte ein wenig aufatmen. Wenn Tsubasa sagte, er war sicher, dann war Kira sicher.

„Danke...“ Ganz plötzlich drehte er sich zu Tsubasa und umschlang dessen Bauch mit seinen Armen und barg sein Gesicht in seinem T-Shirt. Er brauchte Nähe und bei Tsubasa hatte Kira keine Angst irgendetwas falsch zu machen.
 

Zuerst war Tsubasa überrascht, doch dann lächelte er und erwiderte die Umarmung. Er spürte das Herz unnatürlich schnell schlagen, fühlte die nassen Haare sein Shirt durchweichen, doch das war nicht wichtig.

„Denk nur daran, dass du dich auch wehren musst, wenn es Probleme gibt. Schreien, kämpfen oder beißen. Du weißt wie das geht, also nutze auch deine Fähigkeiten, damit du uns helfen kannst, ja?“
 

„Ist okay.“ Kira machte keine Anstalten, sich von dem Älteren zu lösen. Gerade brauchte er Trost und Tsubasa war nun einmal da. Wahrscheinlich hätte Kira in dieser Situation jeden genommen. Zero, Mara, Nami, die Chibis... Es wäre egal gewesen.

Diese Erkenntnis erschütterte ihn, bis er sie gewaltsam verdrängte. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Kira suchte jemanden, der seine Wunden leckte, und er würde dafür jeden nehmen.

Einen Augenblick klammerte er sich noch fester an Tsubasa, bevor er sich schließlich von ihm löste. „Danke.“ Der Hauch eines Lächelns legte sich auf seine Lippen, so weit es in seiner Verfassung gerade ging.
 

Tsubasa lächelte. „Keine Ursache. Immer wieder gerne.“

Er zog die Beine an, lehnte sich zurück und die Arme auf die Knie. „Was nun? Bleibst du da, bis Ren wieder weg ist, oder kommst du wieder essen?“ Das wirkliche Angebot lautete: Essen in Sicherheit und Ren zeigen, dass er wertlos war.
 

Kira blickte unentschlossen in Tsubasas Augen. Sollte er wieder rausgehen, oder nicht? Tsubasa wäre da, würde neben ihm sitzen. Musste er da Angst haben? Nur vor seinen Erinnerungen musste er sich fürchten. Aber dem konnte er auch nicht entfliehen. Das musste er verarbeiten, aber das brauchte Zeit und er durfte nicht fliehen.

„Ist gut, ich komme mit rein.“, antwortete er schließlich und stand langsam auf. Auf in den Kampf.
 

Fröhlich erhob sich Tsubasa ebenfalls, knuddelte den Jungen mit einer Haarwuschelattacke durch und grinste ihn an, bevor er beschloss, dass jetzt Zeit war, platt zu machen, was ging. „Sei stark oder zeig deinem Gegner keine deiner Schwächen. So musst du dich verhalten, dann tut man dir auch nicht weh.“
 

Wow. Dieser Satz klang wie aus dem Lehrbuch. Kira blickte den Älteren an, ein Glanz breitete sich in seinen Augen aus. „Tsubasa... würdest du mir besseres Kämpfen beibringen? Damit ich besser werde?“ Hoffnungsvoll ruhten seine Augen auf denen Tsubasas.
 

„Aber logisch! Jeder Kämpfer ist willkommen. Und wenn du besser wirst, dann wirst du auch stärker.“ Er lächelte. „Dein Job geht bis fünf, oder? Fangen wir also um halb sieben an. Ort... na ja...äh... hinter dem Sportplatz der zerstörte Hof, ja?“
 

Kurz kramte er in seinem Gedächtnis und suchte den von Tsubasa beschriebenen Ort. Er erinnerte sich an einen zerstörten Hof. Er war mal einen Weg entlang gelaufen, von dem aus er ihn sehen konnte, aber wie er genau dahin kam, wusste er trotzdem nicht.

„Und wie komme ich dahin? Ich habe eine Ahnung wie der Hof aussieht, weil ich mal daran vorbeigelaufen bin, aber mehr auch nicht.“
 

Mit wenigen Worten beschrieb der Anführer dem Jungen, wie man zu dem Hinterhof kam, dann verließen sie die Küche, um weiter zu essen. Kaum waren sie draußen, kamen zwei verheulte Zwillinge an und wollten wissen, wie es Kira ging, ob seine Beine noch wehtaten.
 

Jetzt, wo die Zwillinge es ansprachen, bemerkte Kira wirklich, dass seine Beine ein wenig brannten. Heißer Tee auch durch die Hose war wohl nicht gut.

Er versicherte den beiden, dass es erträglich war und es bald besser werden würde. Dann wuschelte er ihnen durch die Haare und ging zu seinem Platz zurück. Sein Teller stand noch da, nur der Tee fehlte.

Erneut lief er nach vorn und kam einen Augenblick später mit einem Glas Tee zurück. Hungrig setzte er sich und begann zu essen.
 

Tsubasa nickte anerkennend. Er nahm sich seinen Rat zu Herzen und zeigte seine Angst nicht mehr, war nach außen hin stark. Ab und zu bemerkte er, wie Ren böse und hasserfüllt herübersah, doch Tsubasa schenkte ihm nur jedes Mal ein überzeugend ausdrucksloses Lächeln, so dass er wegsah.

„Kira...“ Tsubasa richtete seine Aufmerksamkeit plötzlich ganz auf Kira und ließ die Gabel sinken, sodass die Tomate herunterfiel. „Interessiert es dich, dass die Schüssel und der Teller von Zero leer waren, als ich vorhin mal nach ihm gesehen habe?“
 

Zuerst bekam Kira den Sinn der Frage nicht mit, dann jedoch legte sich ein Lächeln auf seine Züge, dass er nicht unterdrücken hatte können. Das schien zu heißen, dass ihm Kuchen und Sahne geschmeckt hatten. Freude ließ seinen Magen Purzelbäume schlagen, bevor Kira weiteraß. Appetit hatte er keinen mehr, war die Sache mit Ren doch viel zu aufregend für ihn gewesen.

„Es freut mich zu hören.“ Pures Glück und Freude war in seinen Augen zu sehen, als er Tsubasa erneut anlächelte.
 

„Kann ich mir vorstellen.“ Tsubasa begann zu lachen. „Immerhin hast du dir ja Mühe gegeben. Wobei ich sagen muss, dass mir echte Sahne besser schmeckt, als diese Soya-Sahne. Hab sie probiert, sorry, war einfach neugierig.“
 

Auch Kira musste lachen. „Du kennst aber auch den Geschmack von echter Sahne, so dass du einen Vergleich hast. Zero hat den nicht.“ Langsam schob sich Kira den letzten Bissen seines Brotes in den Mund und griff dann nach zwei Scheiben Käse, ein paar Scheiben Wurst und einer Scheibe Brot, um alles in seiner Serviette einzupacken. Für Yuki. Ein letzter Blick an Tsubasa, zusammen mit einem „Gute Nacht.“

Vorsichtig stand Kira auf, achtete darauf, sich die Beine nicht am Tisch anzuschlagen. Sein Weg führte ihn durch die Tischreihen und komischerweise konnte Kira genau Rens Blick auf sich spüren. Es lies seine Beine zittern, sein Atem beschleunigen und trotz alledem versuchte er Tsubasas Ratschlag zu folgen und sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Er lief sogar normal, obwohl das Schmerzen an seinen Beinen verursachte.

Sobald er draußen war, atmete er tief durch. Ruhig, er musste ruhig bleiben.

Langsam und etwas breitbeinig lief er los in Richtung seines Zimmers.
 

Tsubasa wartete noch genau so lange, bis Kira fort war, dann widmete er sich wieder seinem Essen, langsam, bedächtig, immer mit einem Auge auf Ren, der seltsamerweise den Anschluss nicht wieder zu finden schien. War er etwa auch bei den anderen in Ungnade gefallen? Warum? Keiner wusste von seiner Verfehlung, oder? Dennoch, es war nichts, was ihn stören würde.

Schließlich stand Ren auf und auch Tsubasa erhob sich. Vollkommen selbstverständlich verließ er kurz nach Ren den Gemeinschaftsraum. In der Wohnung Rens stellte er den jungen Mann.

„Ich habe eine Empfehlung für dich.“, leitete er ohne Begrüßung seine Rede ein. „Ich habe erfahren, was du getan hast und merke die Spannungen in der Gruppe und weiß um die Anstrengungen meines Bruders, dich nicht im Kampf oder Schlaf zu ermorden. Es sei dir freigestellt, aber die Welt steht dir ab jetzt offen. Ich kann und werde dich ab jetzt nicht mehr schützen.“

Rens Blick war eisig, als Tsubasa wieder ging, doch für einen kurzen Moment war das Entsetzen über die Verbannung in seinen Augen gewesen.

Tsubasa suchte an diesem Abend Zeros Zimmer auf. Ihm war danach, zu kuscheln und schwach zu sein. Einem langjährigen Mitglied Lebewohl zu sagen, war nicht leicht.
 

Sobald Kira seine Gefilde betreten hatte, setzte er sich auf sein Bett. Er hatte Yuki nicht mehr in seinen Käfig gesperrt, nachdem er am Nachmittag mit Tsubasa in seinem Zimmer gewesen war.

„Yuki.“ Ganz leise hallte die Stimme durch sein Zimmer. Dann begann es zu quieken und schon rannte Yuki über den Teppichboden direkt auf Kira zu und an seinem Bein hinauf. „Hallo, Süßer, hast du Hunger?“ Ein zustimmendes Fiepen ertönte, während Kira das Essen aus der Serviette auspackte. Die Scheibe Brot legte er beiseite, damit sie hart werden konnte. Von dem Käse riss er ein kleines Stück ab und hielt es der Maus unter die Nase, die es auch sofort nahm. Gierig verschlang sie es.

„Weißt du, heute ist eine Menge passiert. Vor allem mit Zero.“ Seufzend strich er Yuki über das Fell, bevor er ihm mehr Futter gab. „Es gab schöne und nicht so schöne Momente.“ Erneut legte sich ein Rotschimmer auf seine Wangen, als er an die schöne, ungestörte Zeit in der Küche dachte. Das war schön gewesen. Nacheinander erzählte Kira der Maus alles, angefangen bei dem Einkauf mit Zero bis hin zu der Begegnung mit Ren.

Nachdem das Tier alles niedergemacht hatte, stand Kira auf. Er würde kalt duschen gehen. Vielleicht würde das seinen Beinen helfen. Ohne zu überlegen zog er sich die Hose von den Beinen und erschrak, als er die rote Haut sah. Das sah wirklich nicht gut aus.

Beim T-Shirt musste er auf Yuki achten, damit er sie nicht von seiner Schulter schubste. Doch Yuki saß die ganze Zeit unbewegt auf Kira. Dann, als er die Dusche betrat, blickte der Blonde das Tier noch einmal an.

„Ich werde mich jetzt unter einen kalten Wasserstrahl stellen. Also sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Und schon hatte Kira das Wasser aktiviert und seufzte selig auf, als die Kälte auf ihn niederprasselte.
 

Draußen öffnete sich die Tür und als die beiden Eindringlinge die Dusche hörten, waren sie begeistert, schnell hatten sie alle Kleider ausgezogen und stürmten nun begeistert in das winzige Bad.

„Kira-chan! Wir wollen auch!“
 

Noch ehe der blonde Junge einen Ton sagen konnte, war er auch schon umlagert. Von den Zwillingen. In seinem Bad. Der Schock war nicht gerade klein, doch als Kira mit Sicherheit wusste, wer ihn störte, war alles okay. Er hatte schon einmal mit den Zwillingen geduscht.

„Habt ihr schon mal was von anklopfen gehört?“ Lachend rieb sich Kira das Wasser aus dem Gesicht und wuschelte den beiden jungen Mädchen durch die Haare.
 

„Ja klar. Aber wir wussten doch, das du da bist!“

„Wir haben dich reingehen sehen!“ Chibi-chi schlang ihre Arme um den Jungen und schmiegte sich glücklich an ihn.

„Und wir wollten heute hier bleiben!“

„Du magst Ren schließlich nicht und wir passen auf dich auf!“
 

Liebevoll lächelte Kira die beiden an und umarmte kurzerhand Chibi-chan, da er an ihre Schwester nicht herankam. Die beiden waren so lieb. Und das, obwohl sie die Wahrheit nicht kannten.

„Okay, ihr könnt gerne bleiben. Das würde mich sogar sehr freuen.“ Unaufgefordert griff Kira nach seinem Shampoo und begann Chibi-chan die Haare einzuschäumen. Weich waren sie. Ganz weich.
 

Das Mädchen seufzte glücklich und schloss die Augen. Chibi-chi begann gleich darauf ihre Schwester einzuseifen, vollkommen ungeniert, und spülte dann alles mit Wasser ab. Dann war sie selbst dran und anschließen kümmerten sich beide um Kira.

„Du bist voll schön!“, freuten sie sich.

„Wir wünschten, du wärst unser Bruder, dann würdest du uns gehören!“

„Dann könnten wir für immer bei dir bleiben!“
 

Leise lachte Kira in sich hinein. Ihr Bruder… Es wurden zwar sofort Erinnerungen an Tetsu geweckt, aber diesmal waren sie schön und auch nur wenig verletzend. Wäre es ein Fehler, wenn Kira den Wunsch der beiden nachgeben würde? Dann würde sich eine Stelle in seinem Herzen wieder ausfüllen, die momentan noch leer war.

„Ist okay.“ Seine Stimme war erst leise und unsicher, wurde dann jedoch fester. „Ich werde euer großer Bruder sein.“ Grinsend blickte er die beiden Mädchen an und drücke sie an seine Brust.
 

Sie erwiderten diese Geste stürmisch. „Wir werden in dein Haus ziehen und bei dir sein.“

„Wir können für dich kochen!“

„Wir gucken zusammen tolle Filme und spielen!“

„Wir nähen ganz viele Sachen für dich!“

„Wir sind immer bei dir!“

„Wir kommen, wenn du Hilfe brauchst!“

„Und wir beschützen dich vor Blödmännern!“ Sie lachten.

„Wir haben dich sooo lieb!“
 

Kira lächelte glücklich, als er die Vorhaben der Zwillinge hörte. Er war einverstanden damit. In fast jedem Punkt. Was das Nähen der Sachen betraf, wuchs in Kira ein Unbehagen und er hoffte, dass die Chibis keine Zeit haben würden.

„Macht ruhig und lasst euch Zeit.“ Ein leises Quieken an seinem Ohr lenkte seine Aufmerksamkeit auf Yuki.

„Was hast du? Willst du raus? Auf einmal?“ Das Quieken war immer lauter geworden und ohne die Aufschreie der Zwillis zu beachten, setzte Kira die Maus vor die Tür. Dann wandte er sich seinen beiden neuen kleinen Schwestern zu. „Habt keine Angst. Er tut euch nichts. Er gehört zu mir und will mich genauso beschützen wie ihr.“
 

Sie sahen ihn an, dann sich gegenseitig, dann strahlten sie ihn an. „Natürlich!“ Vollkommene Überzeugung.

„Er ist immerhin Yuki-Gomera, der Held der Schwächeren und Beschützer seines Herrn!“
 

Kira nickte langsam, denn ihn beschlich das dumpfe Gefühl, dass die beiden seine wahren Worte nicht verstanden hatten. Aber das war auch egal.

Langsam schob er die Duschtür auf und ging dann nach draußen. Das kalte Wasser hatte seinen Beinen wirklich gut getan. Schnell trocknete er sich mit seinem Handtuch ab und ging dann nach draußen, um ein neues für die Chibis zu holen. Dieses legte er ihnen auf das Waschbecken. Er schlüpfte in seine Boxershorts und ein Kurzes Hemd, bevor er sich auf sein Bett setzte und auf die beiden Mädchen wartete. Schlafen. Kira wollte nur noch schlafen, war ihm der Tag doch Erlebnisreich genug gewesen.
 

„Onii-chan?“

„Können wir Hemden von dir bekommen?“

„Wir haben keine Schlafsachen dabei!“
 

„Klar, aber die werden euch bestimmt viel zu groß sein.“

Schnell stand Kira wieder auf und ging zu seinem Schrank, griff nach zwei weißen Hemden und reichte sie den beiden. Er besaß eh fast nur Hemden, warum also nicht?
 

„Ist doch gut.“

„Dann sind sie bequem“

Sie zogen sich die Hemden über, dann sprangen sie ins Bett und zogen Kira an sich. Jede kuschelte sich an eine Seite.

„Gute Nacht, Onii-chan!“
 

„Gute Nacht, ihr beiden Süßen!“ Noch einmal wuschelte er ihnen durch die Haare, dann umschlang er sie je mit einem Arm, während Yuki es sich auf seinem Kopf bequem machte. Es war schön gerade, angenehm ruhig und entspannend. So schlief Kira schnell ein und erwachte auch nicht vor dem nächsten Morgen.

Kapitel 22

Kapitel 23:
 

Es war halb acht wie üblich, als die Zwillinge wach wurden. Völlig verpennt sahen sie sich um, dann strahlten sie. Die Erinnerung kehrte wieder. Sie hatten einen neuen Bruder.

Eine halbe Stunde später wusste jeder, der bereit und wach genug dazu war, davon, dass die Zwillinge jetzt einen neuen Blutsbruder hatten und was sie mit ihm machen wollten. Sie kannten keine Gnade.

Genauso wenig entging den Anwesenden die Nachricht, dass Ren verschwunden war. Seine Sachen waren zum Teil fort und er unauffindbar. Allgemeine Meinung: Egal, aber es wird wohl Probleme geben.
 

Kira erwachte nicht viel später als die Chibis und war überrascht, dass sie nicht mehr da waren. Aber wer wusste auch schon, was sie noch Wichtiges vorhatten. Vielleicht waren sie arbeiten.

Wie Kira diesen Satz so durchdachte, entging ihm nicht, dass Mittwoch war. Auch er musste zur Arbeit. Seufzend krabbelte er aus dem Bett und stellte sich dann unter die Dusche. Seine Beine taten immer noch weh und da wollte er heute Abend Kampftraining machen. Klasse Idee!

Nachdem er sich fertig umgezogen hatte, hieß es auf zum Frühstück. Der Gemeinschaftsraum war voller als üblich. Auch Zero war wieder da. Er saß neben Tsubasa. Kira wäre glatt umgekehrt, wenn sein Magen nicht rebelliert hätte. Also ging er zu den beiden Freunden und setzte sich gegenüber von Tsubasa.
 

Tsubasa begrüßte ihn freundlich und selbst Zero nickte ihm kurz zu, bevor er noch ein Stück Fisch zu sich nahm. Es ging ihm gut an diesem Tag. Äußerst gut, denn ein Problem war in dieser Nacht gegangen. Weg, fort, nicht mehr hier! Ren, der Perversling, hatte endlich den Weg aus seiner Gemeinschaft gefunden und das war das Beste, was ihm hatte passieren können. Jo auf seinen Schultern raschelte mit den Federn und bekam prompt ein Stückchen Wassermelone angereicht.

„Rei ist weiß! Kira ist blau ist lieb! Jo ist niedlich.“ Und dann begann sie ein Lied zum Besten zu geben, das Zero ausnahmsweise duldete. Er hatte viel zu gute Laune.
 

Kira musste bei Jos Worten lachen. Dieser Vogel war wirklich toll.

Nachdem Kira sich etwas Reis und Fisch genommen hatte, stand er auf. Er hatte Durst. Langsam ging er zu den Keramikkannen und goss sich eine Tasse ein. Einen Augenblick sah er einen Schatten in der Tür und zuckte zusammen, bis er merkte, dass es nur eines der Mädchen der Gruppe war.

Während er wieder zu seinem Platz zurückging schwebte andauernd das Wort >Ren< an seine Ohren. Alle schienen sie über ihn zu reden. Als er wieder bei Tsubasa war, begann er zu essen, bis er seine Neugierde nicht mehr zügeln konnte.

„Was... Was ist mit Ren?“
 

Zero platzte mit der Nachricht raus. „Er ist weg. Er hat die Dragons verlassen und wir sind ihn los!“ Er grinste böse, dann fügte er an. „ Schade nur, dass ich ihn nicht vertreiben durfte, das wäre mit Sicherheit spaßig geworden.“
 

Kiras Blick war irgendwo zwischen Angst und Belustigung anzusiedeln, mehr hin zu ersterem. Spaßig war ungefähr mit Tod gleichzusetzen. Zumindest in diesem Zusammenhang. Und das gefiel ihm gar nicht. Auch wenn es Ren war. Auch wenn dieser ihm weh getan hatte.

Kurz blickte er zwischen Zero und Tsubasa hin und her. Er wollte den jungen Mann noch etwas wegen dem Training fragen. Aber nicht vor Zero. Der sollte davon nichts erfahren. Nachdem er noch eine Weile mit sich gehadert hatte, stand Kira auf. Seine Schüssel war leer wie auch der Tee. Ein letzter Gruß an die beiden Jungen, dann war er auch schon verschwunden. Die Arbeit rief und als Kira ankam, um seine Schicht zu beginnen, wäre er lieber zu Hause geblieben. Es war voll. Am Morgen. Und das änderte sich auch nicht den Tag über. Er und Yukiko hatten alle Hände voll zu tun und Kiras Beine waren dabei nicht sehr vorteilhaft.

Als es dann endlich fünf war, verließ Kira das Lokal und machte sich auf zu Tsubasa und dem Rest. Er fühlte sich fertig und erledigt und nicht mehr wirklich in der Lage, jetzt noch zu kämpfen. Außerdem schmerzten seine Beine.

Pünktlich zum Abendessen ließ Kira sich erschöpft auf einen Stuhl fallen. Essen und Schlafen waren die einzigen Dinge, die sein Körper verlangte.
 

Tsubasa freute sich sichtlich, dass Kira wieder bei ihm war, nachdem Zero ihn vorhin so unflätig verlassen hatte. Dieser Nichtsnutz tat doch echt alles, um unbeliebt zu sein.

Er begann Kira Geschichten zu erzählen von Menschen, die er and diesem Tag in der Stadt gesehen und getroffen hatte und machte sich sichtlich über selbige lustig, bevor er aufstand und erklärte, er müsse noch etwas vorbereiten, dann war er auch schon fort.
 

Der blonde Junge blickte Tsubasa hinterher und widmete sich dann seinem Essen. Er hatte noch ein bisschen weniger als eine Stunde, dann würde sein Training losgehen. Ein Training von dem er nicht mal wusste, ob er es würde durchstehen können.

Wortlos stand er auf, als sein Teller leer war und ging in sein Zimmer. Ein kurzer Besuch bei Yuki und dann war es auch schon halb sieben. Dank Tsubasas Beschreibung hatte er nicht einmal Probleme, den Hof zu finden.

Schon von weitem sah Kira Tsubasa dort stehen und neben ihm noch jemand. Den langen schwarzen Mantel erkannte er erst, als er sie fast erreichte. Oh weh, Zero wollte er doch gar nicht sehen...
 

Der Schwarzhaarige blickte nicht minder verwirrt, als Kira plötzlich ankam und ganz offensichtlich tatsächlich zu ihnen wollte. Er blickte zu Tsubasa hinüber, der sich sichtlich zu freuen schien. Was sollte das werden? Misstrauisch sah er wieder zu Kira, dann zu Tsubasa, dann resignierte er. Er hatte seinem Bruder ja versprochen, ihm zu helfen an diesem Abend. Warum hatte er nicht nachgefragt, bei was?

„Hi, Kira, da bist du ja. Hast du deinen Stab dabei?“ Tsubasa klatschte beigeistert in die Hände. „Dann kann das Training ja losgehen. Stell dich dahin!“ Er wies auf einen Ort vor sich. „Zero, du weißt was du tun sollst?“

Der junge Mann nickte und seufzte, während er Position bezog und seinen eigenen Stab von der Wand nahm, an der er gelehnt hatte. Jetzt wusste er wenigstens, warum Tsubasa ihn mitgebracht hatte.
 

Kira hatte still und ohne irgendwelche Regungen Tsubasas Worten gelauscht. Es hatte ganz den Anschein, dass es nicht Tsubasa sein würde, der ihn trainierte. Na klasse.

Der Stab steckte unberührt in seinem Hosenbund. Er wollte nicht mit Zero trainieren. Ganz und gar nicht. Er wollte ihn ja nicht einmal sehen.

Kiras Blick richtete sich auf Tsubasa. Er war hart. „Warum trainierst nicht du mich?“
 

„Oh, weil ich nicht gleichzeitig aufpassen kann, dir nicht weh zu tun, und Fehler sehen, also habe ich beschlossen, die Arbeit aufzuteilen. Er macht den Gegner, ich den Lehrer.“

Zero rollte mit den Augen. Dreiste Lüge. Klar konnte er das und hatte es jahrelang bei ihm gemacht, also war das mal wieder alles nur Fake. „Da siehst du es. Er will das nicht. Ich geh...“

„Du bleibst hier!“, unterbrach ihn Tsubasa. „Ein bisschen Grundlagentraining kann dir auch nicht schaden, bis deine Schulter ausgeheilt ist, sonst wirst du komplett steif.“

Wahre Worte. Zero blieb also.
 

Einen Augenblick verengten sich Kiras Augen. Irgendwie konnte er Tsubasas Worten nicht glauben schenken. Auch schien Zero nicht hier sein zu wollen. Kira hatte sich aber geschworen zu trainieren und besser zu werden. Also müsste er das jetzt durchstehen. Seine Beine begannen zu kribbeln, als er den Stab aus seiner Hose zog und ihn zu seiner vollen Länge auseinanderklappte.

Kira wusste nicht, ob das Aufregung wegen dem Unterricht war oder doch eine gewisse Angst vor Zero. Eine Angst, die Kira nicht beschreiben konnte, und von der er nicht wusste, warum sie da war.
 

„Sehr schön. Jetzt, wo beide bereit sind... Wir machen Zeitlupentraining, damit ich sehe, was der Kleine alles kann.“ Er wuschelte Kira durch die Haare. „Flüssiges Bild. Angriff, Verteidigung, Beinarbeit, Körperhaltung, Aufmerksamkeit. Ja?“
 

Kira würde schon jetzt etwas zu seinem Bild sagen können: Beinarbeit schlecht, weil er gestern Tee draufgekippt hatte; Angriff zögerlich, weil es Zero war, gegen den er kämpfen sollte; Aufmerksamkeit gleich null, weil er nervös war. Aber mal schauen, zu welchen Erkenntnissen Tsubasa kommen würde.
 

„Da keine Fragen oder Einwände kommen...“

„Das würde dich eh nicht interessieren.“, murrte Zero dazwischen.

„Start!“

Er hob den Stab und holte aus. Ganz langsam, während er einen halben Schritt zur Seite machte. Als er zuschlug richtete er sich etwas auf und benutzte den Stab als Verlängerung beider Arme. Ziel. Kiras Schulter, rechts.
 

Kira sah Zeros Bewegungen und lief seinerseits zwei Schritte nach rechts, versuchte gleichzeitig sich zur Seite zu drehen und den Schlag mit dem Stab in beiden Händen zu blocken.
 

„Halt!“

Zero hielt mitten in der Bewegung inne. Der Stab hatte Kira erreicht, aber noch nicht berührt.

„Das geht so nicht, Kira. Halte den Stab mit einer Hand und führe ihn durch die zweite, um zur Stabilität, Flexibilität zu erhalten. Wenn du das so machst, wird ein direkter Treffer deine Gelenke stauchen. Mach das so...“ Und Tsubasa zeigte ihm, wie es zu machen war. „Außerdem darfst du die Hüfte nicht zurückziehen. Das nimmt dir die Kraft.“
 

Nickend hörte der Blonde seinem Lehrer zu und führte die Bewegung dann noch einmal langsam aus, wiederholte das ganze schließlich noch einmal. Was jedoch seine Hüfte zu betreffen schien: Sie machte was sie wollte. Er brauchte wirklich ein wenig mehr Körperbeherrschung. Nach weiteren zwei Versuchen hatte er allerdings auch dieses Problem behoben.
 

„Sehr gut. Zero, fang noch mal an. Und Kira, du machst das gleiche wie gerade.“

Zero tat mit ausdruckslosem Gesicht, was Tsubasa verlangte. Er holte aus, setzte die Füße und schlug aus der Körperdrehung heraus zu. Das war erniedrigend in seinen Augen.
 

Es lief gut. Kira schaffte es, den Schlag zu parieren, merkte jedoch selbst, dass er zu langsam reagiert hätte, wenn in diesem Training ein bisschen mehr Schwung gesteckt hätte.

Während sie kämpften, blickte der blonde Junge fast ausschließlich nicht in das Gesicht seines Gegenübers. Und Zeros finstere Miene gefiel ihm gar nicht, dabei konnte er nicht mal etwas dafür. Er hatte schließlich nicht die Idee gehabt, dass Zero mit ihm trainieren sollte.
 

Schlag, Parade, Schlag, Parade. Grundlagen, Verbesserungen, Schlag, Parade... Zeros Bewegungen wurden flüssiger. Seine Muskeln wurden langsam warum und sein Körper stellte das Denken soweit ab, dass nur noch der Kampf vorhanden war. Schlag, Parade, Füße setzen, Schlag...

Seine Augen wurden dunkel, er spürte seinen Mantel an seine Waden schlagen, hörte das leise Klacken von aufeinander schlagendem Holz...

„Schluss für heute.“ Tsubasa unterbrach mit seinen Worten die Ruhe. „Das war anstrengend genug. Wir machen morgen weiter.“

Zero richtete sich auf. “Ich bin morgen bis spät weg.“

„So? Na dann eben erst später. Um 9?“

Achselzucken.

„Ausgezeichnet. Kira?“
 

Auch Kiras Reaktion bestand aus nichts anderem als einem Achselzucken. Er war K.O.. Das war wirklich anstrengend gewesen, auch wenn sie nur in Zeitlupe gekämpft hatten. Als er sich auf dem Boden niederlassen wollte und gerade die Beine einknicken wollte, durchfuhr eine Welle des Schmerzes diese. Neben den Verbrennungen auch noch Muskelkater. Klasse. Er würde sich morgen wahrscheinlich kaum bewegen können.

„Ist okay. Ich werde hier sein“ Dann drückte Kira die Beine wieder durch und wandte sich zum Gehen. „Einen schönen Abend euch beiden noch.“ Und damit ging er auch schon zu seinem Zimmer. Auch wenn es noch nicht spät war, wäre eine Dusche und dann Schlafen das richtige Programm für den Rest des Abends.
 

Er hatte die Tür noch nicht geschlossen, als es quietschte und zwei Mädchen auf ihn zustürmten.

„Onii-chan! Da bist du ja endlich! Lass uns spielen!“
 

„Chibi-chi, Chibi-chan!“ Überrascht und ohne bewusst zu reagieren schlang er einfach die Arme um die Mädchen und trug sie dann zum Bett, ehe er sie losließ und sich selbst auf die weiche Decke fallen ließ. Langsam ließ er sich nach hinten sinken und schloss die Augen. Müde...

„Bevor wir spielen können, gehe ich Duschen.“ Noch während Kira fast gewaltsam seine Augen aufriss, zog er sich das verschwitzte Shirt über den Kopf und warf es auf den Wäscheberg mit den anderen dreckigen Klamotten. Im Bad ließ er auch Hose und Boxershorts auf den Boden fallen, bevor er in der Dusche stand und wie schon am Vortag kaltes Wasser auf sich nieder regnen ließ.
 

Die beiden Mädchen blickten sich an, dann packten sie das Twisterspiel aus, das sie mitgebracht hatten. In dem Moment, als Kira wieder durch die Tür kam, jubelten sie auch schon.

„Drehst du das Brett?“
 

Kira wäre rückwärts wieder ins Bad verschwunden, wenn er den Satz Chibi-chis nicht mitbekommen hätte. Nach so einem Tag wie seinem noch Twister spielen? Nie im Leben! Das Brett zu drehen müsste er jedoch noch hinbekommen. Und da die Chibis sehr schön gelenkig waren, würde auch der Anblick wahrscheinlich seinen Reiz haben. Sobald sie ihm das Startsignal gaben, fing Kira an.

“Linke Hand auf blau!“ Das war schon mal ein guter Anfang.
 

Es war lustig. Sie verrenkten sich und streckten sich und versuchten sich das Lachen zu verbeißen, wenn sie mal wieder in eine unmögliche Situation gerieten. Und dann kam plötzlich nichts mehr. Beide sahen sie auf, um Kira zu fragen, was denn los sei, doch er schlief. Einfach eingeschlafen, ganz friedlich.

„Wie süß!“, quietschte Chibi-chi.

„Er schläft wie ein Engel!“

„War wohl müde.“

„Sehr müde.“

„Kellnern ist so anstrengend?“

„Ich will das auch mal machen.“

„Ja, lass uns ihn morgen begleiten.“

„Das wird ein Spaß!“

„Ja, wir werden lernen, was man da macht!“

Glücklich kichernd kuschelten sie sich an ihn, doch schlafen konnten sie lange nicht.
 

Der nächste Morgen brach an und die Sonne schien durch seine Fenster, kitzelte ihm in den Augen. Um ihn herum herrschte eine gewisse Kälte, die darauf schließen ließ, dass die Chibis mal wieder gegangen waren. Warum konnten die beiden nicht mal länger schlafen? Seufzend drehte Kira seinen Blick zur Tür und kuschelte sich wieder in das Kissen. Er wollte weiterschlafen. - Wenn ihn nicht irgendetwas gestört hätte. Yuki saß friedlich in seinem Käfig, der hätte es nicht sein gekonnt. Also ließ Kira ein halb geöffnetes Auge seine Bettkante entlang schweifen. Und da saßen sie auch und beobachteten ihn. Sie hielten sich an den Händen und fingen erstickt an zu lachen, deuteten dabei auf ihn.

„Ich wünsche euch auch einen guten Morgen!“ Das Kichern wurde lauter, bis sie sich beide auf ihn stürzten und durch knuddelten.

„Guten Morgen, Onii-chan!“

„Hast du gut geschlafen?“

Kira stöhnte kurz auf. Die beiden waren ihm eindeutig zu wach.

„Ja, ist alles schön gewesen. Ich hab tief und fest geschlafen. Ohne zu träumen.“ Diese Tatsache wunderte ihn ein klein wenig, er ging aber nicht mehr weiter darauf ein. „Wolltet ihr nicht frühstücken? Ich muss bald arbeiten gehen.“ Gähnend streckte er sich und setzte sich dann auf. Duschen und dann Essen gehen, sonst würde er zu spät kommen.

Als er wieder aus dem Bad kam, saßen die Chibis immer noch in seinem Bett.

„Wir wollten mit dir essen. Nii-chan!“

„Ja!“, pflichtete Chibi-chan ihrer Schwester bei.

Kira lächelte die beiden liebevoll an und wuschelte ihnen durch die Haare, bevor sie alle drei zum Frühstück gingen.
 

Die Zwillinge setzten sich an diesem Morgen direkt neben Kira und Zero, was dieser ignorierte und Tsubasa freute. Das essen war fröhlich und von Anekdoten und Kellnerschicksalen durchzogen, was Tsubasa noch mehr freute und Zero misstrauisch machte. Als die Zwillinge schließlich mit Kira zusammen aufsprangen, war es in seinen Augen amtlich. Sie würden ihn wohl begleiten. Das konnte lustig werden.

Dieser Verdacht bestätigte sich, als sie dem Blonden folgten, gekleidet in rotschwarz-Chinastyle.
 

Kira hatte begonnen, Lunte zu reichen, als die Chibis gesagt hatten, sie würden ihn begleiten, aber geglaubt hatte er es trotzdem nicht. Für ihn aus seiner Sicht war es unmöglich, dass er seine beiden kleinen „Schwestern“ mit auf Arbeit nehmen könnte. Aber wie es aussah, wäre es vielleicht doch nicht so schlimm.

Sein Chef beäugte ihn misstrauisch und fragte, wer die beiden Mädchen wären, woraufhin Kira ihm alles erklärte, sagte, dass sie einfach mal in seine Arbeit reinschnuppern wollten. Der alte Mann blickte zwischen den dreien hin und her und wandte sich dann erneut an Kira. „Ein Tag ist okay, mehr aber nicht. Behalte sie im Auge. Alles, was die beiden zerbrechen, geht von deinem Lohn ab.“

Ein trockenes Lachen glitt über Kiras Lippen. Ade schönes Geld. „Ihr habt es gehört.“ Kira drehte sich zu den beiden jüngeren um und erklärte ihnen in wenigen Worten ihre Aufgaben. Zu den Tischen gehen, Bestellungen aufnehmen, sie ihm geben und dann die Getränke wieder zu den Gästen bringen.
 

Es begann damit, dass die beiden sich auf einen Tisch stürzten. Chibi-chi fragte nach der Bestellung, Chibi-chan schrieb eifrig und dann wuselten sie wie zwei balgende Hunde um den Chef und Kira herum, um das Gewünschte zu holen. Anschließend schleuderte Chi das Tablett um sich, während Chan die seltsamerweise trotzdem vollen Gläser auf die Tische stellte. Jubelnd widmeten sie sich dem nächsten Gast auf die gleiche, unglücklich aufgedrehte Art.
 

Kira lächelte den beiden nach, als sie wieder losgingen. Der nächste Gast wartete. Irgendwie war es schon süß, wie aufgedreht sie waren. Es schien ihnen wirklich Spaß zu machen. Auch die Gäste hatten mit der ungewöhnlichen Bedienung keine Probleme. Immer wieder drehten sie sich auf ihren Plätzen um, um den beiden hinterher zu schauen. Sie kamen gut an. Auch Kiras Chef grinste in sich hinein.

„Die beiden sind doch gar nicht so schlecht, wie ich dachte. Sie bringen ein bisschen Leben in den Laden.“ Kurz lächelte er seinen Angestellten an. „Du kannst sie ruhig jederzeit mitbringen.“

Dankend nickte Kira seinem Chef zu, bevor er wieder die Chibis beobachtete.
 

Die Stimmung im Laden war blendend und fröhlich. Die Gäste lachten, wenn eine der Schwestern wieder mal fiel und die andere das Tablett und die Gläser rettete, als hätte sie es bereits vorher gewusst.

Aber es war definitiv nicht so leicht, wie es wohl aussah, denn als sie einmal Pause hatten, rollten sie sich zusammen und schliefen fast augenblicklich ein.

Mara hatte auf diesen Zeitpunkt gewartet. Er betrat den Laden. „Hey, Kira.“, lächelte er. „Wir holen die Chibis ab.“ Er deutete auf den jungen Mann, der hinter ihm stand. „Dann hast du danach nicht so viel Mühe.“
 

„Ist okay.“ Lachen wuschelte Kira den beiden Mädchen durch die Haare und drückte ihnen nacheinander einen Kuss auf die Wangen. „Ich glaube auch kaum, dass sie mit ihrer aufgedrehten Art noch eine Schicht durchstehen würden.“ Ein kurzer Blick zu seinem Chef, dann folgte Kira Mara und dem jungen nach draußen. „Danke. Ich hoffe, dass macht euch nicht zu viele Umstände.“
 

„Nein, nicht wirklich. Tsubasa hat uns drum gebeten, also geht das schon in Ordnung.“ Er schob das Mädchen ein Stück höher auf seinen Rücken, dann winkte er und sie verschwanden.
 

Kurz winkte Kira zurück und ging dann in den Laden zurück, den Rest seiner Mittagspause zu verbringen.

Der Nachmittag verlief ruhiger, auch wenn sich einige der Gäste interessiert umblickten. Wie es schien, hatte die Anwesenheit der Chibis die Runde gemacht. Kira ging seinem Job nach und arbeitete fleißig, freute sich insgeheim jedoch schon auf seinen Feierabend.

Sobald ihm der Chef das Okay gegeben hatte, hatte sich Kira wieder in das Hauptquartier verzogen. Als er sein Zimmer betrat, lagen die beiden Chibis immer noch auf seinem Bett und schliefen. Leise lächelnd hängte Kira seine Arbeitskleidung auf einen Bügel und setze sich dann zu den beiden.

„Aufwachen! Es gibt gleich Abendessen.“
 

Die zwei Mädchen folgten ihrem neuen Bruder schlaftrunken und mit viel Gelächter und Erzählungen ging der Tag zu Ende.

Das Wochenende verlief ruhig und beinhaltete nach Zeros Wiederkehr vom Hafen eine Stunde Kampftraining für Kira, was diesen beinahe noch mehr erschöpfte, weil sie auf Sand umeinander herumtanzten. Der Sonntag schloss nach einem lustigen gemeinsamen Essen noch mit dem lange aufgeschobenen Kinobesuch ab, vor dem sich Zero erfolgreich drücken konnte. Tsubasa hatte nicht versucht, ihn zu zwingen, weil er bei „Pokémon“ um die Leinwand und den Abspieler fürchten musste.
 

Für Kira begann der Montag zweifelhaft. Ein Albtraum hatte seinen Schlaf verkürzt, sodass er ziemlich verschlafen zum Frühstück erschien. Der nächste Tiefschlag bestand darin, dass die U-Bahn vor der letzten Station ausfiel und Kira das letzte Stück zu Fuß gehen musste. Klasse!

Sein Arbeitsbeginn war erstmals normal wie immer. Er begann die Gäste zu bedienen und ging nach drei Stunden seine verdiente Pause beginnen. Gähnend lief er zum Hinterausgang...
 

An diesem Abend war Zero nervös. Es war elf und niemand hatte Kira bisher gesehen, obwohl er um sechs Uhr längst wieder hätte zurück sein müssen.

Tsubasa beobachtete diese Entwicklung mit steigender Besorgnis. Für die anderen mochte es nicht ersichtlich sein, aber er nahm dieses Pulverfass, das sich Zero schimpfte, durchaus wahr. Angefangen hatte es damit, dass Nami und Mara gekommen waren und nach Kira fragten. Hätte Tsubasa es verhindern können, wäre es Zero nicht einmal zu Ohren gekommen, aber so hatte Zero nachgesehen. An der Mole, auf den Wegen, die Kira kannte, auf dem Sportplatz, in dessen Zimmer. Er hatte letztendlich selbst in seinem Zimmer nachgesehen, aber nichts gefunden. Kira war weg. Verschwunden.

Jetzt war es elf und Tsubasa befürchtete, dass Zero kurz davor stand, eine Dummheit zu machen. Da! Er erhob sich.

„Wo willst du hin?“

„Was geht dich das an?“

„Eine Menge. Du willst querschlagen.“

„Ich gehe auf mein Zimmer.“

„Für wie lange?“

Schweigen.

„Du sollst keinen Unsinn machen. Vielleicht ist alles ganz harmlos und er ist bei einem Freund.“

„Er hat keine Freunde außerhalb der...“

„Was überzeugt dich davon? Jeder hat Freunde.“

„Und wenn Taichi...“

„Zero du hast Paranoia! Warum denkst du immer gleich an die schlimmste Situation?“

„Weil ich dazu neige, Recht zu haben!“

„Dann irrst du dich diesmal!“

„Ich geh zum Doc!“, fauchte Zero böse und schon war er weg.

Tsubasa funkte den Mann an, er dürfe Zero auf keinen Fall weglassen, aber er konnte sich vorstellen, dass Zero bei den Krankenhäusern der Stadt anrief, um herauszufinden, ob Kira nicht vielleicht dort war.

Spät in der Nacht ging dann plötzlich die Tür auf.

„Hey.“ Tsubasa lächelte weich durch die Dunkelheit. „Hast du ihn gefunden?“

Kopfschütteln.

„Hast du mal darüber nachgedacht, dass er vielleicht ein Mädchen getroffen hat?“

Zero biss sich auf die Lippe, antwortete aber nicht.

Tsubasa lächelte schwach. „Komm her.“, sagte er sanft und breitete die Arme aus. „Morgen werden wir es wohl wissen.“

Er nahm seinen Bruder in die Arme und begann augenblicklich ihn hin- und herzuwiegen. Zero schien das wirklich mitzunehmen, denn er zitterte bis in die Grundfesten. Was wäre, wenn er wirklich Recht hätte? Was, wenn Kira bei Taichi wäre?



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Von:  ReinaDoreen
2022-02-03T15:46:21+00:00 03.02.2022 16:46
Schade, das die Geschichte abgebrochen ist.
LG reni
Von:  Rees
2010-12-19T22:52:52+00:00 19.12.2010 23:52
hidi ho^^
das kap ist so niedlich... erst wollen zero und kira gar nichts miteinander zu tun haben und dann gehen die chibi's mit zu kira's arbeit und dann verschwindet der auch noch... das ist nicht ok... und zero macht sich sorten... da<s ist wirkich süß und er tut mir auch i-wie leid, weil er sich so ne sorgen macht... ich hoffe, dass nichts schlmmes passiert ist... das wäre echt nicht schön...
ich freu mich auf das nächste kap...
bis dann
hdl
Von:  Mado-chan
2010-12-19T17:11:51+00:00 19.12.2010 18:11
+pipi in die augen hat+
zerooo....
er macht sich so süß sorgen >.<
und schööön das es weiter geht XD
la la laa~~~~
+knuddel+

Von:  LichterSchrei
2010-11-14T15:42:02+00:00 14.11.2010 16:42
Wie Rees bereits sagte..ich musste auch erst einmal wieder reinkommen und hab deswegen die Chaps ab 5 überflogen^^ aber es hat Spass gemacht das alles mal wieder zu lesen.
Mich hats gefreut wie blöd, dass es weitergeht. Ich hoff auf das nächste Kapitel müssen wir nicht wieder so lange warten ;)
Mich hats übrigens total geflasht, dass Kira mit den Chibis duschen war Oo...die warn...nackt...°-° aber dass sie Geschwisterschaft geschlossen haben war schon niedlich.
Nun..ich hab nicht viel Übung im kommentieren.^^'
Liebe Grüße
Von:  Mado-chan
2010-11-13T19:09:19+00:00 13.11.2010 20:09
*________________________________________________________*
hachjaa... ich mag es XD wobei mir das back-kapitel mehr gefallen hat aber eigentlich sind ja alle toll *-*
und ich habs noch geschafft bevor ich los mus XD
ich hoffe der rest kommt auch bald Ò.o sonst bettel ich wieder zu tode XD
und ich mag tsubasa *-*
so das wars
+knuddel+

Von:  Rees
2010-11-13T16:21:42+00:00 13.11.2010 17:21
oh mein gott...
ein neues kapitel...
ich freu mich so darüber... es ist schon so lange her...
und das kap gefällt mir auch total... das ist richtig schön... zwar musste man erst mal wieder reinkommen mit den ganzen namen... aba man konnte sich schnell wieder erinnern und das kap genießen...
so jetzt genug vom unsinn labern...
vielen dank für das kapitel...
deine Rees *knuddel*
Von:  InkGirl
2009-04-16T06:49:54+00:00 16.04.2009 08:49
schreibst du die story überhaupt noch weiter?
wäre schade wenn nicht, sie zählt zu meinen lieblings ffs :)
Von: abgemeldet
2008-10-07T22:04:55+00:00 08.10.2008 00:04
wann geht es denn weiter?
ich sehene mich schon richtig nach einem neuen kapitel .___."
Von:  LichterSchrei
2008-08-01T20:16:05+00:00 01.08.2008 22:16
;___; Ihr schuldet uns Lesern schon fast 3 Kapitel ._.
Wann gehts weiter? ö.ö *traurig guck*
Hoffe bald ^-^

lg
Von:  Shogikoneko
2008-06-01T11:15:24+00:00 01.06.2008 13:15
kirsche kira füttert zero? *schluck*
*warm bekommt* *hüstel*
die zwei sind süß *hibbel*

OMG die chibi-schwestern xD
gibt irgendwo n bild von der szene kira im outfit?*lach*
xDDDD

freu mich schon auf das nächste kapi^^


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