Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 34: Kapitel 34 ---------------------- Kapitel 34 „So gern ich dich habe, Rick, mich schmerzt es, dass du mir immer ausweichst. Selbst heute Nacht hast du mir wieder nicht gleich vertraut.“ Mit einem Mal brach Joes Stimme ab und seine Worte wurden von traurigen Blicken abgelöst, die er aus dem Fenster zu seiner Rechten warf. Die Sonne schien hell ins Zimmer und tauchte den Tisch in ein sanftes Licht, das dieser leicht reflektierte. Während Rick auf einem der Stühle saß, die Arme um den Körper geschlungen, stand der Blonde hinter der Lehne eines anderen Stuhls und fuhr mit seinen Fingern über das Holz. Seine Mimik verhieß Leid und sein Herz rief nach Besänftigung. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass ihn Rick vor den Kopf gestoßen hat, und allmählich war er es leid, von ihm nicht als absolute Vertrauensperson angesehen zu werden. Sie verband eine tiefe Freundschaft und nun Liebe, doch anscheinend bedeutete das nicht, dass er an Ricks Innerem teilhaben durfte; zumindest nicht dann, wenn er nicht immer wieder darauf bestünde, dass er es erfahre. „Du verschweigst mir immer wieder Fakten, die dir vielleicht nicht entscheidend vorkommen mögen, für mich aber genau d-a-s sind. Ich dachte, ich könne darüber hinwegsehen, dass du mir den Kuss des Kerls aus dem Supermarkt vorenthalten hast, ebenso deine Liebe zu mir. Es tat weh, von dir getrennt zu sein, weshalb ich dir verziehen hatte und das Thema ruhen lassen wollte, doch dass du mir heute erneut aus dem Weg gehen wolltest, reißt noch eine tiefere Wunde in mein Herz.“ Die ganze Zeit über hatte Joe weiterhin aus dem Fenster gesehen, doch nun fixierte er den Dunkelhaarigen mit seinen grünen Augen, die nicht vor Wut glänzten, sondern aufgrund der salzigen Nässe, die sich heimlich hineingeschlichen hatte. Er mochte diese Sensibilität nicht, die sich in den letzten Tagen zu seinem Repertoire von Emotionen gesellt hatte, und hätte sie gerne alsbald wieder aus ihm gestrichen. Alles in ihm verkrampfte sich und er spürte die Feuchtigkeit, die sich in seinen Augen sammelte, und dafür verfluchte er Ricks Schweigsamkeit. Tränen gehörten partout nicht zu seinem Auftreten. Vielleicht vermochte er sie stets bei dem Kleineren zu trocknen, doch eigene hielt er für überflüssig. /Weshalb sagst du nichts? Lässt mich hier stehen und meidest mich anzusehen…/ „Der gestrige Tag war wunderschön und ich behalte ihn in guter Erinnerung, egal, was war oder noch kommen mag… Dass du durch deinen Traum geschockt warst, kann ich dir sehr gut nachempfinden, aber ich begreife nicht, warum du mich immer wieder von dir stößt. Den Tod der eigenen Mutter zu sehen“, er sah, wie Rick zusammenzuckte und wollte eigentlich sofort zu ihm gehen, eine Hand auf seine Wange legen, unterließ es aber und verharrte an Ort und Stelle, „insbesondere direkt nach unserer ersten Verabredung, die einen glücklich stimmen sollte“, seine Stimme klang mit einem Mal belegt, „ist wie ein Messer, das sich gewaltsam in die Brust bohrt… Verdammt, Rick, ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst, aber du verletzt mich mit deiner Zugeknöpftheit!“ /Noch immer erwiderst du nichts. Dein Mund bleibt geschlossen und ich darf dir dabei zusehen, wie sich deine Hände in deiner Kleidung verhaken. Deine Gesichtszüge zeugen von Unwohlsein, dabei möchte ich, dass du lächelst, denn ein Lächeln bringt das Blau deiner Augen zum Leuchten… Wegen mir leuchten sie nicht, aber ich kann nicht anders… Ich brauche dein Vertrauen, um…/ Nachdem er laut ausgeatmet hatte, legte er sein gesamtes Gewicht auf die Stuhllehne und schloss die Lider. „Ich würde gerne dein vollstes Vertrauen genießen, um mich von dir gebraucht zu fühlen.“ /Vielleicht wirke ich für dich immer wie jemand, der seine Gefühle im Griff hat, der stark ist und anderen wie dir hilft. Aber ich bin selbst nur ein Mensch, der von jemandem gebraucht werden möchte und sich unnütz fühlt, wenn er dies für keinen auf dieser Welt verkörpern kann. Darum verletzt es mich so, wenn du deinen Schmerz nicht mit mir teilen möchtest,… wenn du dich mir entwindest, um allein zu sein, oder dir ein falsches Lächeln auf die Lippen legst, um mir weis zu machen, dass alles in Ordnung sei./ Joe hatte nicht die Nerven, das Gespräch, wohl eher den Monolog, weiterzuführen, weshalb er den Kleineren nicht mehr ansah, als er die Lider wieder aufschlug. Kleine Perlen schimmerten in seinen Augenwinkeln, was ihn sichtlich störte, denn er wischte sie sich sogleich mit dem Ärmel seines weinroten Pullovers beiseite. Zermürbt rückte er seinen Stuhl nach hinten und ließ sich darauf nieder. Mit einem lauten Seufzen streckte er die Beine von sich und bettete sein Kinn in seine Rechte, deren Ellenbogen er auf dem Tisch abstützte. Bangende Stille erfüllte den Raum und hüllte sie beide in ein Netz, das sich immer enger spann. Keine Silbe durchbrach mehr die durchsichtige Wand, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte. Die unsichtbaren Fäden woben sich in immer kleineren Kreisen um sie und drohten ihnen die Luft abzuschnüren, wenn sie sich nicht bald aus der Lethargie befreiten, die sie befallen hatte. Rick blickte auf seinen Freund, der die Zimmerwand anstarrte, war aber dermaßen in Gedanken versunken, dass er das Antlitz des Blonden nur verschwommen wahrnahm. In ihm kreisten die Worte, die Joe von sich gegeben hatte, und er war im Augenblick alles andere als glücklich. Obwohl er erkannt hatte, dass er es vermag, seinen Eltern vergeben zu können, obwohl er den schönsten Tag seines Lebens hatte genießen dürfen, vermochte sein Herz gerade nicht, freudig zu schlagen oder sich auch nur ein wenig frei anzufühlen. Es war genau das eingetreten, wovor er sich immer gefürchtet hatte, wovor er am liebsten auf immer aus dem Weg gegangen wäre. Eine Konfrontation mit Joe war immer das gewesen, was ihn am meisten auf der Welt geängstigt hatte. Es übertraf alles, selbst all das Leid, das er durch seine Eltern oder durch den Fremden durchlebt hatte. Wie oft hatte er gedacht, er sei dem Blonden eine Last, der er sich irgendwann entledigen würde. Wie oft hatte er das Gefühl gehabt, dass er Joe nur behindere, ihm sein eigenes Leben stehlen würde, wenn er sich für ihn aufopferte. Unzählige Male hatte er sich selbst vorgeworfen, dass er endlich allein mit sich und der Welt fertig werden müsse, ohne ständig Joe mit seinen Problemen zu belästigen. Er hatte schlicht und einfach Angst gehabt, Joe verlieren zu können. Die Liebe, die ihn immer zu Joe hin gezogen hatte, war stetig größer geworden und hatte ihn somit immer abhängiger von ihm gemacht. Und was hatte er nun davon? – Joe war enttäuscht… /… Wie hätte ich ahnen können, dass du dich von mir gebraucht fühlen möchtest. Niemals hast du mir den Anschein dafür gegeben, denn deine Lippen umspielte stets ein frohes oder amüsiertes Grinsen, deine hellen Augen strahlten Lebensmut und Zufriedenheit aus. Meine Angst hat dich sichtlich verletzt, obwohl ich mit meinem Verhalten genau das Gegenteil bezwecken wollte… Dass du mir den Kuss des Widerlings doch noch böse nehmen würdest, wusste ich tief in meinem Inneren, wollte mir dies seit vorgestern aber nicht mehr ins Gedächtnis rufen. Und dann ist es nicht mal der Kuss, wie du mir eben klar gemacht hast, sondern die Tatsache, dass ich dir nichts von ihm erzählte. Aber wie hätte ich das denn gekonnt? Gerade als du mir näher gekommen bist, hätte ich dir doch nicht ins Gesicht sagen können, dass mich ein anderer Mann küsste, selbst wenn dies gegen meinen Willen geschah! Und dass ich dich liebe schon gar nicht… Ich befürchtete, dich zu erschrecken oder dich damit wieder von mir zu distanzieren… Und was wäre gewesen, wenn ich dir früher meine Liebe gestanden hätte? Verflucht, du standest auf Frauen! Wie hätte ich da eine Chance haben können…!/ Allmählich drang lautes Kindergeschrei von der Straße auch an Ricks Ohren. Joe hatte das unbeschwerte Lachen schon eine Weile lang missmutig vernommen, weshalb er seine Lippen immer fester aufeinanderpresste. Das Glück, das ihn von oben bis unten erfüllt hatte, als er mit dem Dunkelhaarigen durch die Straßen von Veneawer gelaufen war und im Restaurant einen wundervollen Abend verbracht hatte, schien in weiter Ferne zu liegen und ihm nun abhanden gekommen zu sein. Er wollte es erneut spüren, aber das vermochte er nicht, ehe Rick ihm nicht den Schmerz in seiner Brust nahm. Wie sehr hatte er daran geglaubt, dass sein Freund ihm nun endlich bedingungsloses Vertrauen entgegenbringen könnte, einige Stunden zuvor jedoch war ihm dieser Glaube genommen worden. Rick haderte noch immer mit sich. Die Laute der Kinder hallten nun zusätzlich in seinem Verstand und mischten sich sowohl mit Joes Worten als auch mit seinen eigenen unausgesprochenen Gedanken. Wild pochten sie in seinem Kopf, zumal sie begannen, herumzuwirbeln und ihre Klarheit und ihren Sinn zu verlieren. Bald waren sie nur noch zusammenhanglose Fetzen, die ein einziges Ziel verfolgten, nämlich ihm stechende Schmerzen zu bereiten. Unbewusst griff er sich an die Schläfen und rieb in kreisenden Bewegungen über sie. Trotz langer Kur wollten seine Finger keine Linderung bringen. Sein Haupt fühlte sich immer mehr danach an, gleich platzen zu wollen. Gequält hielt er inne und versuchte angestrengt das Chaos in seinem Verstand zu beseitigen. Doch umso mehr er sich darum bemühte, umso schlimmer wurde das Pulsieren in seinem Kopf. Ruckartig erhob er sich von seinem Stuhl, der unter der Schnelligkeit, mit der er das tat, wankte und letztendlich scheppernd umfiel. Mit den Händen über den Ohren stürmte Rick aus dem Zimmer und ins Bad, wo er kaltes Wasser im Waschbecken aufdrehte und sogleich seinen Kopf darunter hielt. Das erfrischende Nass besänftigte das Hämmern, das ihn ansonsten noch völlig irre gemacht hätte. Nach einigen Minuten hob er vorsichtig seinen Kopf an, löste ihn auf diese Weise aus dem Wasserstrahl und sah in den Spiegel, aus dem ihm sein Abbild entgegenblickte. Bekümmert waren die Augen, die ihn ansahen. Auch wenn ihm sein Anblick völlig missfiel, war er dennoch erleichtert, dass das Pochen mehr oder minder ein Ende gefunden hatte. Ohne sich weiter im Badezimmer aufzuhalten, schlurfte er zurück zu Joe, der noch immer teilnahmslos, aber mürrisch /Und doch ein wenig besorgt?/ dasaß und die Wand begutachtete. „Ich kann nichts ungeschehen machen…“, begann der Kleinere leise und kniete sich vor Joe auf den Boden. Ein paar Strähnen seines durch die Nässe noch dunkleren Haares hingen ihm wild in der Stirn und feine Rinnsale farblosen Wassers suchten sich ihren Weg über seine Wangen. Während er sein Gesicht seinem Freund zugewandt hielt, schloss er für einen Moment die Lider, um in Ruhe die nächsten Worte finden zu können, die er dem Größeren zukommen lassen wollte. Die nächsten Sätze wollte er mit Bedacht sprechen, denn hastig Dahergesagtes konnte meist noch verletzender sein. Und Joe weiter weh zu tun oblag ihm vollkommen. Mit dem Meeresblau seiner Iriden suchte er das helle Grün seines besten Freundes. Zurecht entsagte das Grün, in dem er mühelos versinken konnte, dem sonstigen Funkeln. „Kannst du dich an den Basketball erinnern, mit dem wir andauernd gespielt haben?“, fragte er bald flüsternd. „Zuletzt war er vollkommen geschunden von den vielen Spielen, die wir gegeneinander ausgetragen haben, und doch wollte ich ihn nicht gegen einen anderen tauschen. Mein Vater hatte ihn mir zum vierzehnten Geburtstag geschenkt und am selben Tag noch hast du mich zu einem Zweikampf herausgefordert. Danach haben wir uns so oft duelliert, bis…“ Mitten im Satz brach Rick ab und ein kleines Schmunzeln legte sich mit einem Mal auf seine Lippen. Unter der freudigen Erregung begannen seine Augen ein wenig zu strahlen und er fuhr sich grotesk amüsiert durchs Haar, das er sich dadurch unbewusst nach hinten strich. „Du hattest mir den Ball gerade abgeluchst und bist mit ihm in Richtung Korb gedrippelt, als es plötzlich einen leisen Knall gab und du voller Entgeisterung auf das, was vom Ball übrig geblieben war, starrtest.“ /Es tut so gut, dass du mich endlich wieder anlächelst, auch wenn dein Mund nur ein schwaches Lächeln ziert. Ich danke dir dafür, dass du mir zuhörst und mir Zeit lässt, dir zu erklären, was in mir vorgeht. Noch immer habe ich keine Ahnung, wie ich dich verdient habe, aber ich weiß, dass ich dich niemals verlieren möchte…/ „Ich war dermaßen vernarrt in diesen Ball gewesen, dass ich dich dafür sogar angeraunt hatte. Und du hattest mir das nicht einmal übel genommen… Mit dir ist es für mich irgendwie dasselbe, selbst wenn man solch einen Vergleich nicht ziehen sollte. Ich möchte dich nicht hergeben, ich möchte dich immer bei mir haben und deine Nähe spüren dürfen. Aber ich habe Angst, dich durch meinen Wahn zu verlieren. Obwohl ich nichts lieber möchte als dir meine tiefsten Gefühle mitzuteilen, dir auf irgendeinem Wege zu vermitteln, was in mir vorgeht, habe ich das für falsch gehalten. Immer war ich dir eine Last gewesen und wollte es endlich fertig bringen, allein meine Probleme zu bewältigen,… um dich bei mir halten zu können… Und nun sagst du mir, dass du dich gebraucht fühlen möchtest, dabei dachte ich immer, dass ich dich schon viel zu sehr in Anspruch nehme… Ich… Es…Ich meine… Du…“ Verstummend wandte Rick den Blick ab und sein Kinn sank auf seine Brust, die sich in einem langsamen Rhythmus auf und ab bewegte. Sein Kopf fühlte sich unnatürlich leer an, kein einziger Gedanke schien mehr präsent zu sein, der ihm hätte helfen können, entscheiden zu können, ob Joe das, was er gesagt hatte, verstanden hatte oder nicht. Warum musste immer solch eine bedrückende Stille einkehren, wenn man auf eine Reaktion wartete? Warum musste einem die Geräuschlosigkeit immer derart grausam vorkommen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)