Regen von Tende (~*Komm in meine Arme...und vielleicht werde ich dich in einem anderen Leben wieder lieben...*~) ================================================================================ Prolog: Ein regnerischer Tag ---------------------------- Prolog – Ein regnerischer Tag Große Pfützen hatten sich vor dem Mehrfamilienhaus am Rande der Stadt gebildet. Der Himmel war grau und wolkenverhangen. Schon seit Stunden regnete es in Strömen und mittlerweile war auch der letzte Fußgänger eilends in einem Hauseingang verschwunden. Vereinzelt fuhren Autos die lange Straße entlang. Kinder lachten vergnügt, wenn ihre Eltern durch eine der riesigen Pfützen fuhren und das dreckige Wasser bis zu den Scheiben spritzte. Immer wieder wehte der Wind in Böen Blätter von den Bäumen, die sofort gnadenlos von den schweren Tropfen zu Boden gedrückt wurden. Aus dem Fenster der kleinen Dachwohnung beobachtete eine Person teilnahmslos das triste Geschehen. ~~~~~~~~~~~~~ Gelangweilt tippte er immer wieder mit dem Finger auf die Stuhllehne. Wie sehr er dieses Herbstwetter hasste. Hart trommelte der Regen gegen die Scheibe, gab ihm manchmal sogar das Gefühl, sie eindrücken zu wollen, aber das war völlig absurd. Früher einmal hatte er den Regen sogar gemocht. Doch seit seinem Unfall hasste er ihn umso mehr. Stets konnte er nur nach draußen starren und dem Fallen der Tropfen zusehen. Als er noch klein war, vielleicht acht, neun Jahre war er immer nach draußen gerannt und erst wenn der Regen aufgehört hatte, völlig durchnässt wiedergekommen. Doch diese Zeiten waren lange vorbei. Er war erwachsen geworden und wartete nur noch auf den Moment seiner Rache. Im Frühjahr sollte es soweit sein. Nie wieder wollte er die Blätter von seiner Wohnung unter dem Dach aus fallen sehen. Der Regen sollte ihm nie wieder seine Hilflosigkeit vor Augen führen. Als sich auch noch dicke Hagelkörner zum Regen hinzugesellten, wandte er sich missmutig vom Fenster ab. Kurz ließ er den Blick durch den Raum schweifen, ehe er ihn wieder zum Fenster wandte. //Wenn ich hier rauskönnte...// Ja, wenn er hier rauskäme, dann könnte ihn niemand mehr aufhalten. Doch noch war das unmöglich. Er konnte das Gebäude, nein, er konnte nicht einmal das Dachgeschoss verlassen. Früher war er stolz gewesen, in einem Altbau zu leben, doch seit seinem Unfall war es die Hölle. Ohne einen Aufzug war es ihm nicht möglich seine Wohnung zu verlassen. Die nette Dame aus der Wohnung unter seiner kam zwar regelmäßig vorbei und brachte ihm, was er zum Überleben brauchte, doch „Leben“ nannte er das schon nun lange nicht mehr. Mit einem letzten fast sehnsüchtigen Blick gen Himmel wandte er sich entgültig vom Fenster ab. Langsam bewegte er sich in die Mitte des Raumes. Wie schon so oft in letzter Zeit blieb seine Aufmerksamkeit an dem Foto seiner Familie hängen, dass auf einer kleinen Kommode am andern Ende des Raumes stand. Das war vor seinem Unfall gewesen und sie alle lachten glücklich. Sein Vater, seine Mutter, sein kleiner Cousin und er. Auf dem Bild war er grade elf Jahre, sein Cousin sieben und seine Eltern noch ein glückliches Paar. Sein geliebter Hund hatte auch noch gelebt... Energisch schüttelte er den Kopf um die aufkommenden Gefühle zu verdrängen. Er wollte jetzt nicht daran denken, am liebsten überhaupt nie wieder! Wenn er das nächste mal an der Kommode vorbeikam, würde er das Bild umdrehen. Doch im Moment nicht. Seine Arme waren schon ganz lahm, schließlich bewegte er sich nur selten so oft von der Stelle wie an diesem Tag. Im Frühling sollten „sie“ kommen. Einer nach dem anderen und dann würde er seine Rache kriegen. Bis ins letzte Detail wollte er sie auskosten, wenn er nur wieder laufen konnte. Wenn die Kraft in seine Beine zurückkehrte und er dem Regen mit Freude entgegensehen konnte... ~~~~~~~~~~~~~ Zitternd wartete Ai vor dem Haus ihrer Freundin. Immer wieder drückte sie den Klingelknopf, wartend, dass ihr endlich jemand öffnen würde. „Verdammt, Mia! Ich weiß doch, dass du da bist! Mach bitte endlich auf!“ Einen Moment blieb es still im Haus, doch dann war entfernt ein Rumpeln zu hören und kurz darauf wurde ihr die Türe geöffnet. Etwas außer Atem hielt das großgewachsene, schwarzhaarige Mädchen Ai die Türe auf. „Sorry, ich hatte ein paar... Probleme... Komm rein! Du bist ja schon ganz durchnässt!“ „Wundert mich nicht...“, meinte Ai, als sie das Haus betrat und ihre blonden Haare auswrang. „Immerhin hast du mich fast eine Viertelstunde bei dem Regen vor der Türe stehen gelassen!“ Mia schloss die Türe hinter ihr und sah sie an. „So siehst du auch aus... Geh schon mal in mein Zimmer, ich hol dir ein Handtuch!“ Erst wollte Ai sich beleidigt wegdrehen, doch dann überlegte sie es sich doch anders und nickte. „Wird wohl besser sein...“ Sie zog ihre völlig durchnässten Schuhe, Jacke, Schal und Handschuhe aus. Mit einem schuldbewussten Grinsen nahm Mia ihr die Sachen ab und hängte sie zum Trocknen auf. Die Schuhe stellte sie an die Heizung. „Dann geh mal...Und ich bereite mich schon mal auf deine Schimpftiraden vor!“ Ai tätschelte ihr leicht den Kopf und lächelte süffisant. Sie wusste genau wie Mia das hasste, zumal diese um einiges größer war als sie selbst. „Du wirst es überleben!“ Dann lief sie die Treppe hoch zu Mias Zimmer. Die blieb einen Moment kopfschüttelnd zurück, folgte ihrer Freundin dann aber die Treppe hoch. Aus dem Schrank im Badezimmer nahm sie schnell zwei Handtücher und ging dann auch in ihr Zimmer. Wie nicht anders zu erwarten, hatte Ai es sich schon auf ihrem Bett bequem gemacht und durchnässte dieses grade gründlich. Mia murrte leise. Schließlich musste sie das Bett hinterher wieder trocken kriegen! Ai schien das allerdings herzlich wenig zu interessieren. Sie lächelte Mia nur zuckersüß an und streckte bittend die Hände nach den Handtüchern aus, die Mia ihr auch sogleich an den Kopf warf. „Trockne dich ab! Ich such dir was trockenes zum Anziehen raus... Du hast ne ganze Spur durchs Haus gemacht.“ Ai lachte, als Mia sich dem Schrank zuwandte. „Weiß ich doch! Das ist die Strafe dafür, dass du mich so lange warten lassen hast!“ //Da wär mir dein Geschimpfe aber lieber gewesen...// Einen weiteren Kommentar dazu verkniff sich Mia lieber. Stattdessen hielt sie Ai eine Hose und einen Pulli vor die Nase. „Meinst du das passt dir? Was kleineres hab ich nicht....“ Kritisch musterte das triefende Mädchen die Sachen ihrer Freundin. „Notfalls wird’s gehen.“ Darauf nickte Mia zufrieden. „Das ist ein Notfall und jetzt trockne dich endlich ab!“ Ai schüttelte sich noch ein weiteres Mal ihre Haare aus, sodass sie sicher sein konnte, dass es Mia auch getroffen hatte. Dann zog sie sich endlich ihre nassen Sachen aus und wickelte ihren Körper in eins der Tücher. Mit dem andern trocknete sie ihre Haare ab, während sie Mia bei dem verzweifelten Versuch zusah ihr Bett zu trocknen. „Probier´s doch mal mit ´nem Fön...“ Zweifelnd sah Mia sie an. „Und du meinst, mit unserem alten Ding krieg ich das hier trocken?“ Ai grinste. „Also meiner würde das schaffen...“ Sofort glitt Mias Blick zu der Umhängetasche, die Ai stets mit sich trug. „Sag jetzt nich...“ “Natürlich! Du weißt genau, dass der immer mitgeht!“ Mia hatte nie so ganz verstanden, wieso Ai immer ihr halbes Bad mit sich rumschleppte, aber im Moment war sie mehr als dankbar. Mithilfe des himmelblauen Föns auf neuestem technischen Stand war das Bett innerhalb von fünf Minuten trocken. Erschöpft seufzend ließ Mia sich darauf sinken und verstaute den Fön wieder in der Tasche. Ai hatte mittlerweile ihre Haare für halbwegs trocken befunden und das Handtuch beiseite gelegt. Nun widmete sie sich ganz den Sachen, die Mia ihr rausgelegt hatte. Das größere Handtuch hatte sie sich um die Hüfte gewickelt. Sie trug zwar im Moment nur BH und Slip, aber vor Mia musste sie sich ja nicht schämen. Mit einem letzten prüfenden Blick auf den Pulli zog sie sich das viel zu große Teil an. Dann nahm sie das Handtuch ab, legte es zu dem andern und schlüpfte in die weite Jogging-Hose. Die Handtücher ließ sie liegen und dreht sich lächelnd zu Mia. „Naaa~ Wie seh ich aus?“ Mia zog ihre Beine an um bequemer zu sitzen. „Soll ich ehrlich sein?“ Ai tat als würde sie kurz überlegen, dann meinte sie: „Nur wenn’s positiv ist!“ „Die Sachen sind dir viel zu groß, sieht aber ganz süß aus...“ Mia selbst trug ihre Sachen gerne ein bisschen zu groß. Dass das Ai nicht passte, war klar... „Dann ist ja gut!“ Mit einem zufriedenen Grinsen ließ sie sich neben Mia fallen und lehnte sich an die Wand. „Und jetzt zeig mal den Brief her!“ „Stimmt ja...“ Den hatte sie schon fast vergessen, dabei sollte Ai eigentlich doch genau deswegen kommen. Zu faul um aufzustehen, streckte sie sich nach ihrem Nachtschrank und nahm einen dunkelvioletten Umschlag daraus. „Hier... Vielleicht kannst du was damit anfangen. Ich weiß echt nicht, was ich tun soll...“ „Also einfach hingehen würde ich nicht... Vielleicht ist das ein Perverser!“ Mia beobachtete grinsend wie Ai den Brief aus dem Umschlag nahm. „Dann hätte er eher dir geschrieben!“ „Haha, sehr witzig! Ich achte halt auf mein Äußeres! Für meine natürlichen Reize kann ich ja nichts...“ Beschwichtigend strich Mia ihr kurz durchs Haar. „Musst du ja auch nicht! Die meisten beneiden dich eh!“ „Ja ja, nur du nicht, ich weiß!“ Ai sah sie kurz an, wandte sich dann aber wieder dem Brief zu und las die saubere Handschrift. Den Zettel Brief zu nennen war eigentlich schon zu viel. Es war eher so was wie eine Notiz. >> Komm bitte am Morgen des Frühlings zum Garten der Kirschen... Du wirst mich an dem Ort finden, der dem Himmel am nächsten ist... Ich brauche deine Hilfe! Bitte<< Wieder und wieder überflog die Blonde den Zettel, doch so recht verstehen wollte sie ihn nicht. „Und du bist sicher, dass du die Schrift nicht kennst? Ein Fremder kann dich doch nicht um Hilfe bitten... Und er kennt deine Adresse!“ „Falls es ein `er´ ist...“ Ai zuckte leicht mit den Schultern. „Geh ich irgendwie von aus... Willst du hingehen?“ „Weiß nicht recht... Ich weiß ja nicht mal, wohin!“ „Vielleicht ist es ein Rätsel!“ Schon immer hatte Ai Rätsel schnell und gerne gelöst und an diesem hatte sie wirklich Freude. „Der Sakura-Park ist ja klar... Garten der Kirschen... Ein richtiger Poet!“ „Das kannst du laut sagen...“, brummte Mia. Rätsel lagen ihr nicht so und sie hatte auch keine wirkliche Lust zu diesem Unbekannten zu gehen. Wer wusste, was auf sie zukam! „Der Morgen des Frühlings...“, überlegte Ai weiter. „Das muss dann am Morgen des 22. März sein?“ „Frag mich nicht...“ Mia zuckte die Schultern und lehnte sich ein bisschen zu Ai um mit auf den Brief sehen zu können. „Welcher Ort ist denn am nächsten am Himmel? Der Park hat keinen Hügel oder so... und auf einem Baum wird sicher niemand auf dich warten...“ „Vielleicht ist ja gar nicht der Park gemeint?“ „Was denn dann?“ Ai sah einen Moment an die Zimmerdecke und überlegte. Dann meinte sie: „Da sind doch diese ganzen tollen Häuser! Wo die Reichen wohnen!“ Eigentlich waren es zwar normale Einfamilien-häuser, aber ein Normalverdienender konnte sich das gar nicht leisten. Zweifelnd sah Mia sie von der Seite an. „Meinst du echt? Die sind doch alle gleich...“ „Fast alle! Da gibt es ein Mehrfamilienhaus. Sind halt lauter kleine Wohnungen... Das Gebäude ist größer als die anderen und steht direkt dem Park-Eingang gegenüber! Da gibt es eine Dachwohnung... Vielleicht die?“ Leicht nickend wandte Mia den Blick wieder von dem Papier ab und sah in den Raum. „Kann schon sein... aber woher zur Hölle weißt du das bitte alles?!“ Ai drückte Mia den Brief samt Umschlag in die Hand und richtete sich auf. „Ich hab mal in dem Gebäude gewohnt. Aber da war ich noch ganz klein! Die Dachwohnung hat leer gestanden und manchmal hab ich mich reingeschlichen um da zu spielen! Aber dann sind wir dahin gezogen, wo wir immer noch wohnen.“ „Und wieso weiß ich davon gar nichts?“, fragte die Mia mit leicht anklagendem Unterton, als sie den Brief wieder weglegte. „So was schimpft sich beste Freundin!“ „Hab halt nicht dran gedacht. Aber jetzt weißt du´s ja, reicht das nicht?“ Wieder lächelte Ai zucker-süß, dass Mia es nach einem kläglichen Versuch ihr böse zu sein aufgeben musste. ~~~~~~~~~~~~~ Nachdem Haku sich am Morgen hundemüde aus dem Bett und ins Bad gequält hatte, hatte er nach einem `langen Kampf´ mit sich selbst die Schule doch ausfallen lassen. Er hatte in der Nacht so schlecht geschlafen, dass dieser Kampf grade mal eine Minute dauerte. Das dunkle, fast schwarze Haar völlig zerzaust war er in Shorts und T-Shirt in die Küche geschlurft. Einen kurzen Blick auf die Kaffeemaschine geworfen und er entschied sich doch lieber einen Kakao zu nehmen. Das war nicht so aufwendig! Träge holte er eine Tasse aus dem Schrank, suchte sich Kakao-Pulver und Milch und rührte sich einen Kakao zusammen. Er setzte sich an den Tisch und sah auf die Uhr. Der Unterricht war grade losgegangen, er wäre also ohnehin zu spät gewesen! Zum Glück wohnte er alleine, seit seinem sechzehnten Geburtstag, sonst hätte seine Mutter nur wieder einen Aufstand gemacht. Was ihm einfiele die Schule zu schwänzen... Die hatte ja keine Ahnung wie oft er das schon getan hatte! Langsam trank er einen Schluck von dem für seinen Geschmack viel zu bitteren Gebräu. Ob er zu viel Pulver oder zu wenig Milch in die Tasse getan hatte, darüber konnte man sich streiten... Angeekelt verzog er das Gesicht und sah aus dem Fenster. Schon wieder so ein verregneter Tag. Das schien ja gar nicht mehr aufhören zu wollen! Seit bestimmt einer Woche regnete es andauernd. Der Boden war völlig aufgeweicht und man konnte nur noch mit Gummistiefeln und Regenmantel das Haus verlassen. Andererseits kam ihm das Wetter nun auch zu gute. So konnte er einfach behaupten, er habe sich eine Erkältung eingefangen und deshalb zu Hause geblieben. Nachdem er die Tasse leergetrunken hatte, schleppte er sich ins Bad um ein bisschen Leben in seine müden Glieder zu rufen. Recht erfolglos hielt er seinen Kopf unter die kalte Dusche, wandte sich danach seiner Katzenwäsche zu. Vielleicht sollte er dazu übergehen nachts zu schlafen, dann hätte er das Problem auch nicht mehr. Obwohl man auch nicht grade sagen konnte, dass er ein ausgeprägtes Nachtleben führte oder regelmäßig durchmachte. Er schlief halt nur nie. Was beziehungsweise wer ihn daran hinderte, würde er wohl nie jemandem verraten. Die würden ihn ja eh nur für verrückt abstempeln und das konnte er nicht auch noch brauchen. Es war ja nicht so, dass er sonderlichen Kontakt zu andern suchte oder dass es ihn störte, wenn sie ihn schnitten, aber Ärger mit ihnen wollte er wirklich nicht. Zwar fanden ihn viele der Mädchen cool oder sexy – das beteuerten sie jedenfalls permanent – , aber wenn sie wüssten, was in ihm vorging, würden sie ihn meiden. Dann würden sie ihn fürchten! Er schüttelte den Kopf, verärgert über seine eigenen Gedanken. Dann trocknete er sich flüchtig die Haare mit einem Handtuch und ging wieder ins Schlafzimmer um sich anzuziehen. Jeans und Sweatshirt sollten reichen, er musste ja nirgendwohin... Seit geschlagenen zwei Stunden saß er nun schon auf seinem Bett und starrte hinaus in den Regen, der immer noch nicht abebben wollte, als er ein Klappern an der Haustür hörte. Verwirrt schreckte er auf. Nach einem kleinen Moment, den er brauchte um seine Fassung wieder zu erlangen, ging er auf den Flur. Schon von weitem sah er, was das Geräusch verursacht hatte. Jemand hatte einen nachtblauen Briefumschlag durch den Briefschlitz geschoben. Doch als er die Türe öffnete, war niemand zu sehen. Es war seltsam, dass wer immer das war, den Brief nicht unten in den Kasten gesteckt hatte, sondern all die Stufen gelaufen war um ihn direkt in seine Wohnung zu werfen... Leicht irritiert hob er den Brief auf und nahm ihn mit ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch setzte. Kurz inspizierte er das blaue Kuvert, dann öffnete er es. Darin war nur ein Zettel. Die rechte Augenbraue missbilligend hochziehend, faltete er das Blatt auseinander und las die paar Zeilen in sauberer Handschrift geschrieben: >> Komm bitte am ersten Abend des Frühlings zum Garten der Kirschen... Du wirst mich an dem Ort finden, der dem Himmel am nächsten ist... Ich brauche deine Hilfe! Bitte<< //Was soll das denn heißen? Ohne Absender... Und da soll ich irgendwohin?// Achtlos warf er Brief und Kuvert auf den Wohnzimmertisch und stand wieder auf. Hilfe... ~~~~~~~~~~~~~ Es war später Nachmittag, als Kana mit einem lauten Knall die Türe hinter sich zu fallen ließ. Ihre Eltern waren ja eh nicht da, würde sich also keiner dran stören. Genervt schmiss sie ihre Schultasche in eine Ecke und ging ins Bad um sich abzutrocknen. Die Schule war schrecklich gewesen, der Unterricht langweilig und draußen goss es wie aus Eimern. Sie war zwar oft aggressiv, doch so schlimm wie heute war es selten. Sogar den grünen Briefumschlag, der im Flur lag, hatte sie übersehen, dabei entging ihr für gewöhnlich nichts. Nachdem sie sich aus ihren nassen Sachen gepellt und trockene angezogen hatte, ging sie in die Küche ohne einen weitern Blick zur Türe zu werfen. In der Hoffnung, dass eine Tasse Tee sie vielleicht beruhigen konnte, setzte sie Wasser auf. Während sie ungeduldig wartete, dass das Wasser kochte, ging sie wieder in den Flur um doch noch ihre Tasche ordentlich wegzuräumen. Diese lag in der Ecke neben der Tür, direkt neben dem grünen Umschlag, der Kana nun sofort ins Auge stach. Mit einem kritischen Blick hob sie den Brief auf, ließ ihre Tasche doch wieder in der Ecke liegen und ging in die Küche. Dort setzte sie sich auf einen der hölzernen Stühle. Nach einer weiteren eingehenden Musterung öffnete sie den Umschlag und zog ein einzelnes Blatt heraus, mit sauberer Handschrift beschrieben. >> Komm bitte in der ersten Nacht des Frühlings zum Garten der Kirschen... Du wirst mich an dem Ort finden, der dem Himmel am nächsten ist... Ich brauche deine Hilfe! Bitte<< Skeptisch las sie den Brief ein zweites Mal. //Zum Sakura-Park? Nachts?// Jemand der glaubte, dass auf so ein anonymes Schreiben jemand reagieren würde, musste schon ganz schön naiv sein! Oder ganz schön verzweifelt... „Wieso sollte ich jemandem helfen?“ Just in diesem Moment machte sich das kochende Wasser auf dem Herd durch ein nervtötendes Pfeifen bemerkbar. Ärgerlich ließ sie den Brief auf den Tisch fallen und stand auf um die Kanne auf ein hölzernes Brett neben den Herd zu stellen. Dann nahm sie eine der Tassen aus dem Hänge-schrank darüber, goss etwas von dem kochenden Wasser hinein und hängte sich einen Teebeutel hinein. Mit der Tasse setzte sie sich wieder an den Tisch. Den Brief schob sie ein Stück beiseite, stellte stattdessen die Tasse dort ab und ließ den Blick aus dem Fenster schweifen. Wenn es in dieser „ersten Nacht des Frühlings“ nicht regnen würde, dann würde sie vielleicht hingehen... Vielleicht, wenn ihre Eltern nicht zu Hause waren, wenn ihr langweilig war, wenn Matomi zustimmte. Das waren eindeutig zu viele „wenn“s. Unter diesen Umständen würde sie eh nicht hingehen, was machte sie sich eigentlich Gedanken. Den Blick nicht vom Fenster abwendend, griff sie nach ihrer Tasse. Bevor sie einen Schluck nahm, pustete sie leicht um sich nicht zu verbrennen. So viel Vorsicht musste sein! Nachdem die halbe Tasse geleert war, lehnte sie sich schon weitaus entspannter zurück. Wenigstens das hatte funktioniert... ~~~~~~~~~~~~~ Als Ai spät abends von Mia nach Hause kam und sie die Türe aufschloss, fiel ihr als erstes der dunkelrote Umschlag auf, der oben aus ihrem Briefkasten rausguckte. Mit einer gewissen Ahnung, was sich darin befinden würde, zog sie ihn heraus und betrat die Wohnung. „Bin wieder da!“, rief sie ins Blaue hinein. Einen Augenblick später kam ihre Mutter aus der Küche in den Flur. „Schön! Das Abendessen ist auch schon fertig, wir haben nur noch auf dich gewartet!“ Dann fiel der Blick der Frau auf die Kleidung ihrer Tochter. „Das sind aber nicht deine Sachen?“ Leicht verlegen lachte Ai und fuhr sich durch die Haare. Diesmal war sie relativ trocken geblieben, da Mia ihr einen Schirm mitgegeben hatte. „Nee, das sind Mias Sachen. Meine sind noch nass...“ „Sag bloß, du hast wieder ewig im Regen gestanden!“ „Ach was, aber ich bin eben nass geworden... Und wie du siehst hat Mia sich ja auch guut um mich gekümmert!“ Zögernd nickte ihre Mutter. „Zum Glück hast du so eine Freundin!“, meinte sie nur noch und ging wieder in die Küche. „Bring eben deine Sachen weg und komm dann essen, ja?“ „Ja!“ Schnell verschwand Ai in ihr Zimmer, zog ihre Jacke aus und stellte ihre Tasche ab, dann ließ sie sich aufs Bett fallen. Mias Sachen behielt sie gleich an. Jetzt kümmerte sie sich lieber um den Brief. Wie sie vermutet hatte, fand sie in dem Umschlag ein einzelner Zettel, sauber mit der Hand be-schrieben. >> Komm bitte in der Morgendämmerung des Frühlings zum Garten der Kirschen... Du wirst mich an dem Ort finden, der dem Himmel am nächsten ist... Ich brauche deine Hilfe! Bitte<< //War ja klar... Was soll das nur?// Verwirrt sah sie auf den Brief in ihrer Hand. Sie sollte auch nicht zeitgleich mit Mia kommen, sondern eher. Vielleicht hatten ja auch noch mehr Leute solche Briefe erhalten... ~~~~~~~~~~~~~ Und wenn Kakeru an diesem Tag nicht bei einem Freund übernachtet hätte, dann hätte er sicher auch einen Brief in seinem Briefkasten gefunden... >> Komm bitte so schnell du kannst zum Garten der Kirschen... Du wirst mich an dem Ort finden, der dem Himmel am nächsten ist... Ich brauche deine Hilfe! Bitte<< ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Jetzt ein etwas sinnloser Kommentar der Autorin XD Das ist meine erste FF vn der ich tatsächlich ein Kapitel fertig habe (Kapitel 1 ist auch schon fertig!) Es ist nicht gebetat, also verzeiht Fehler >>Bitte klingeln sie bei der Dame aus Wohnung 6, wenn sie zu mir wollen! Danke<< Mehr nicht...“ „Vielleicht ist die Person alt und die Frau kümmert sich um sie...?“ Ai schluckte leicht. „Das werden wir ja gleich sehen!“ Dann drückte sie die Klingel der Wohnung Nummer sechs. Das Haus war noch völlig altmodisch. Es gab keine automatischen Türöffner und so warteten sie, bis sie entfernt eine Türe sich öffnen und schließen hörten und kurz danach schwere Schritte auf der Treppe. „Mia... Wollen wir doch lieber wieder gehen?“ Unsicher sah Ai sie an. Solange die Türe noch nicht geöffnet war, konnten sie ohne Probleme abhauen. Mia schien nachzudenken. „Dann erfahren wir aber nie, was es damit auf sich hat...“ „O-Okay... Aber du kommst mit!“ Grade wollte Mia ihr das nickend bestätigen, als die Haustüre sich öffnete und eine alte Frau im Eingang erschien. Erschrocken zuckte Ai zusammen, doch die Alte lächelte freundlich. „Da seid ihr ja! Rei-kun wartet schon sehnsüchtig!“ Sie kicherte leicht, wobei sich die Lachfältchen an ihren Augen noch vertieften. „Ich hab ihn schon lange nicht mehr so nervös gesehen, wie heute!“ Leicht verwirrt sahen die Mädchen sie an. Offenbar handelte es sich um einen Mann... Als wäre der Frau grade wieder eingefallen, wieso die Mädchen da waren, zog sie Ai leicht am Arm ins Haus. „Kommt doch rein! Ich habe Tee und Kuchen bereitgestellt! Es wird euch schmecken!“ Nachdem auch Mia eingetreten war, schloss sie die Türe wieder und ging langsam, sich am Gelän-der festhaltend, die Treppe nach oben. Zögernd folgten die Mädchen ihr bis in den dritten Stock, wo sie vor einer Türe stehen blieb und diese aufschloss. Sie wandte sich an Mia. „Geh doch schon mal rein. Das Wohnzimmer ist gleich grade aus.“ Mit einem Zwinkern fügte sie hinzu: „Da ist auch der Kuchen!“ Unentschlossen blieb Mia in der Türe stehen. „Und Ai?“ Die Alte zuckte entschuldigend mit den Schultern. Rei-kun möchte euch einzeln bei sich haben. Erst Ai, dann dich Mia...“ An Ai gewandt meinte sie: „Du kannst also auch schon hochgehen, die Tür ist offen! Aber erschrick nicht, er sitzt gern im Dunkeln...“ Mit einem mulmigen Gefühl im Magen nickte Ai. Das alles war ganz schön seltsam. Nachdem Mia ihr noch einmal aufmunternd zugenickt hatte, ging sie langsam wieder zu der Treppe, die sie unters Dach führen sollte. Tatsächlich war es oben völlig duster. Nur ein wenig Licht fiel aus der geöffneten Tür der Wohnung. Langsam betrat Ai den Flur der kleinen Wohnung und sah sich um. Eine einzige Türe war geöffnet, die augenscheinlich ins Wohnzimmer führte. Ein großes Fenster war zu erkennen, durch das ein wenig Licht fiel. Unsicher ging sie langsam in den Raum. Sie konnte ein Sofa erkennen und einen kleinen Glastisch davor. In einer Ecke des Raumes stand eine Kommode, der Rest wurde von der Dunkelheit verschluckt. Als sie näher kam, erkannte sie hinter dem Sofa eine Silhouette. Das musste er sein... Da er sie noch nicht angesprochen hatte, ging sie davon aus, dass er mit dem Rücken zu ihr saß. Obwohl sie nicht den Eindruck hatte, dass er gefährlich war, merkte sie wie ihre Hände leicht zitterten. Auf keinen Fall wollte sie den Unbekannten ansprechen! Wenn er nichts sagen würde, konnten sie wenn es nach ihr ging auch stunden lang nichts sagen. Irgendwie war ihr der Gedanke sogar ganz lieb. Doch nach einem Moment drehte er sich um. Ai sah etwas silbernes zwischen seinen Fingern im Licht glitzern und ein leises Quietschen war zu hören. Irgendwas erschien ihr seltsam. Nur was...? „Guten Morgen, Ai Kimigawa... Freut mich, dass du dich entschieden hast dir anzuhören, was ich zu sagen habe...“ Verwundert musterte Ai den Mann so gut es in dem fahlen Licht ging. Entgegen ihrer Erwartungen schien er noch sehr jung zu sein. Doch wieso kümmerte sich dann die alte Freu so rührend um ihn? Eigentlich müsste das ja anders rum sein... „Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich das letzte Mal Besuch hatte... Ich habe Tee und Kekse, beides steht dort drüben auf der Kommode. Wenn du möchtest kannst du dir etwas nehmen!“ Ai nickte leicht, ließ die Augen allerdings nicht von ihm. Es wurde langsam hell im Raum und sie konnte sein Gesicht teils erkennen. „Nun gut...“ Er bewegte sich leicht in die Richtung des Sofas, gab es jedoch gleich wieder auf. „Entschuldige... Könntest du mir vielleicht helfen zum Sofa zu kommen...? Du möchtest doch sicher nicht die ganze Zeit stehen!“ Ein leises Lachen war zu hören, als sie immer noch unbeweglich da stand. „Du musst natürlich nicht. Ich bin auch ein schlechter Gastgeber! Da bereite ich alles vor und bin danach zu schwach um von der Stelle zu kommen... Ich hab mich zu viel bewegt...“ „Nein, das ist es nicht!“, warf Ai hektisch ein, obwohl sie den Schalk in seiner Stimme hörte. „Ich war nur in Gedanken...“ Er musterte sie, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Dann zuckte er leicht die Schultern. „Und? Wirst du mir helfen?“ Er hielt ihr seine Hand hin und sie ging langsam zu ihm. Wie konnte sie so blind sein? Trotz der Dunkelheit war es doch gut zu erkennen gewesen... Er konnte seine Beine nicht bewegen! „Sie sitzen im Rollstuhl...“ Natürlich war es eine völlig unnötige Bemerkung, schließlich wusste er selbst das am allerbesten. Doch er überging das einfach und nickte. „Wie du siehst... Aber ich habe nicht genug Kraft in den Armen und komme nicht weit.“ Ai antwortete nicht. Zwar hatte sie seine Worte zur Kenntnis genommen, doch wusste sie nicht, was sie darauf sagen sollte. Also ließ sie es lieber gleich und schob ihn stattdessen an den Wohnzimmertisch. Dann ging sie zu der Kommode, die sie zuvor schon gesehen hatte, auf der Tee und Kekse standen. Sie nahm die Kanne in die eine Hand und wollte grade die Schüssel mit den Keksen nehmen, als ihr etwas anderes ins Auge stach. Ein umgedrehter Bilderrahmen. Auf der Rückseite stand nur ein Datum, das Bild war zehn Jahre alt. Grade wollte sie ihn nehmen und sich das Bild ansehen, als seine Stimme sie schon fast schneidend aufhielt. „Lass nur liegen... Das Bild ist alt, ich bin nur noch nicht dazu gekommen, es wegzuwerfen...“ Um ihren Gastgeber lieber nicht zu verärgern, nahm sie schnell die Kekse und ging zurück zum Sofa. Die Sachen stellte sie auf den Tisch, dann setzte sie sich zögernd in einen Sessel. „Wie du vielleicht unten an der Klingel schon gesehen hast, heiße ich Rei. Und sag doch >>du<< ...“ Sie nickte, nach seinem Nachnamen wollte sie lieber nicht fragen. Den würde er schon von alleine sagen, wenn er es für richtig hielt. „Woher wissen S... weißt du, wie ich heiße?“ Er lächelte. Fast schien ihr als würde er den ganzen Raum damit erhellen, doch seine Augen blieben dunkel. „Ich weiß viel mehr, als du denkst!“ Reis Stimme jagte Ai Schauer über den Rücken. Er war ihr unheimlich, doch sie musste feststellen, dass sie ihm trotz allem jetzt schon blind vertraute. Einen Moment musterte Rei sie, dann fuhr er fort: „Ich weiß, dass du >>schizophren<< bist...“ Als er merkte, wie Ai zusammenzuckte, fügte er lächelnd bei. „Du magst den Begriff nicht? Kann ich verstehen...“ Ai nickte leicht und sah ihn gespannt an. Sie wollte wissen, was er ihr darüber zu erzählen hatte. Nur ihre Familie wusste von ihrer „gespaltenen Persönlichkeit“. Es passierte zwar nur selten, dass sie sich veränderte, doch wenn sie wirklich wütend war, konnte sie so ausrasten, dass niemand sie wieder erkannte. Und hinterher erinnerte sie sich an nichts. ~~~~~~~~~~~~~ Als Ai völlig aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, ging Mia in die Wohnung. Die Alte folgte ihr lächelnd und schloss die Türe. Kurz nach Mia betrat sie das Wohnzimmer und ging zielstrebig zu ihrem Lieblingssessel. „Bedien dich doch!“ Sie deutete auf die fünf verschiedenen Kuchen auf dem Tisch. „Ich wusste nicht, was ihr mögt, da hab ich mehrere gekauft! Ich hätte ja gerne auch selber gebacken, aber in meinem Alter...“ Die Stimme der Alten wurde leicht wehleidig und Mia sah sie an. Eigentlich wirkte sie ja noch ganz fidel... „Worauf wollen sie hinaus?“ Die Alte guckte ertappt in die Luft. „Ach... Ich dachte nur, du könntest mir vielleicht gleich ein wenig helfen... Selbstverständlich erst nachdem du gegessen hast!“ //War ja irgendwie klar...// Mia seufzte leicht. Eigentlich war es kein großes Problem für sie. In der Küche war sie eigentlich schon immer recht gut zu gebrauchen gewesen. „Was für einen Kuchen wollen Sie denn backen?“ Einen Moment schien die Alte zu überlegen, dann lächelte sie selig. „Marmorkuchen! Das ist Rei-kuns liebster...“ Skeptisch sah Mia sie an. „Sind Sie eigentlich mit Ihm verwandt?“ Irgendwie kam ihr das seltsam vor. Wieso kümmerte sich die Alte so um diesen Rei? Enttäuscht schüttelte die Alte den Kopf. „Nein, ich habe ja keine Enkel... Aber er ist für mich genauso viel wert, wie ein richtiges Familienmitglied es wäre! Seit seine Mutter vor ein paar Jahren gestorben ist, kümmere ich mich um ihn!“ „Wie alt ist er denn...?“ „Grade mal 21 Jahre...“ Die Alte seufzte. „Der Arme muss ein Fernstudium machen, weil er nicht zur Uni kann... Nie kommt er mal hier raus! Da tu ich, was ich kann, um ihn glücklich zu machen! Überrascht starrte Mia sie an. „Erst 21 Jahre?!“ Irgendwie hatte sie erwartet, dass er älter war... Dann musste er ja krank sein oder so... „Was hat er denn?“ Die Alte schien einen Moment zu überlegen. Dann schüttelte sie den Kopf. „Das wirst du ja sehen, wenn du zu ihm gehst. Ich kann es nicht sagen, das wäre unfair...“ Zwar unzufrieden, aber doch verständnisvoll nickte Mia, als ihr die Alte unaufgefordert ein Stück Kuchen auf den Teller legte. „Den magst du doch?“ Verwirrt nickte Mia. „Woher-?!“ „Ach, ich dachte nur...“ Irgendwie lief das hier ganz anders als Mia es sich vorgestellt hatte. Nicht dass es schlecht war, nur sehr seltsam... Diese Alte und erst dieser >>Rei<<, der offenbar krank war. Wobei sollten sie ihm schon helfen? Mia nahm mit einem „Danke!“ den Teller mit dem Stück Kuchen entgegen. „Sagen Sie mal.. Haben Sie uns die Briefe vorbei gebracht?“ Die Alte nickte, als wäre es das normalste der Welt. „Ja, hab ich.“ Trotzdem sah sie, dass Mia skeptisch wirkte und fügte mit einem schelmischen Grinsen an. „Ich war früher mal Ninja!“ //Wirklich durchgeknallt die Alte...// ~~~~~~~~~~~~~ Fast zwei Stunden später kam Ai völlig verwirrt wieder aus der Dachwohnung und klingelte bei der Wohnung 6. Mia öffnete ihr. Der Kuchen, den sie mit der alten Frau gebacken hatte, war grade fertig geworden. Irritiert schloss sie die Arme um ihre Freundin, als diese sich direkt an sie lehnte. „Was ist denn los...?“ Nun machte sie sich doch Sorgen... Dabei hatte sie das ganze doch eher für ungefährlich gehalten. „Nichts eigentlich...“ Ai seufzte leicht und kuschelte sich dichter an Mia. „Ist nur irgendwie alles ziemlich viel... Aber ich muss ihm helfen!“ „Ja? Naja, ich wird ja gleich hören, was er zu sagen hat... Am besten du gehst ins Wohnzimmer. Die Alte wird dir schon Kuchen und Tee geben!“ Das tat sie ja auch ohne zu fragen... Ai nickte leicht und löste sich von Mia. „Okay.“ Schon wieder mit einem Anflug von Lächeln im Gesicht, schob sie Mia, die den verpackten Kuchen schon in der Hand hatte, aus der Wohnung. „Er wartet schon!“ Dann ging sie einfach ins Wohnzimmer, wo die Alte schon wartete. Sie konnte Mia einfach nicht erzählen, was gewesen war... //Na, das ging ja schnell...// Mit diesem Gedanken schloss Mia die Wohnungstür und ging dann zu der Treppe, die sie zur Dachwohnung führte. Sie hasste steile Treppen, aber einmal würde sie es schon überleben... Wenigstens hatte diese hier an beiden Seiten ein Geländer! Zögernd ging sie also die Treppe hinauf, klammerte sich dabei fast schon krampfhaft ans Geländer. So brauchte sie natürlich etwas länger, aber letztendlich kam sie doch heil oben an. Die Tür zu der Wohnung stand noch offen und sie konnte direkt ins Wohnzimmer sehen. Dort sah sie Rei schon auf der Couch sitzen. Unsicher betrat sie die Wohnung. Zwar schien er nicht gefährlich und Ai hatte auch gesagt, es war nichts schlimmes, aber trotzdem war ihr unwohl. Rei hatte aus dem Fenster gesehen, doch als Mia das Wohnzimmer betrat wandte er sich gleich ihr zu. „Hallo, freut mich, dass du gekommen bist! Mia Hikaru...“ Im ersten Moment blieb ihr die Begrüßung im Hals stecken. Er kannte tatsächlich ihren vollstän-digen Namen! „Hallo...“ Rei lächelte sie freundlich an. „Setz dich doch! Ich hoffe, Ai hat dir gesagt, dass ich euch nicht fressen will?“ Mia nickte, während sie sich setzte. „Hat sie... Sie heißen Rei?“ Mit einem Lächeln bestätigte Rei, fügte allerdings noch, wie bei Ai auch, hinzu, dass sie ihn doch duzen solle. Nachdem Mia sich gesetzt hatte und etwas ratlos dreinschaute, schob er ihr die Keksschüssel hin. „Möchtest du?“ Wieder nickte Mia und nahm die Schüssel. „Auch Tee?“ Fragend sah er sie an. Die Teekanne stand am anderen Ende des Tisches, da Ai auf der anderen Seite gesessen hatte. „Wenn er nicht giftig ist.“ Rei lachte und streckte sich nach der Kanne. „Ai hat doch noch relativ lebendig ausgesehen?“ Ohne seine Beine auch nur ein Stück zu bewegen, stützte er sich leicht auf dem Tisch ab und nahm die Teekanne. Ai hatte ihm vorhin aufs Sofa geholfen, aber weg kam er alleine nicht. Verwirrt beobachtete Mia ihn bei dieser Prozedur, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. „Deine Beine... Du kannst sie nicht bewegen?“ Er nickte mit einem ertappten Lächeln. „Das hast du ja schnell gemerkt!“ „Na ja, es war kaum zu übersehen... Du bewegst sie ja kein Stück...“ „Ja... Seit einem Autounfall vor sieben Jahren sind meine Beine gelähmt... Und wenn wir schon dabei sind, kann ich auch gleich zum Punkt kommen!“ Mia nickte. Eigentlich hatte sie auch nicht wirklich Lust auf viel Drumherumgerede. „Es wäre eine lange Geschichte dir alles zu erzählen... Du bist für mich genauso eine Fremde, wie ich für die fremd bin, also werde ich dir sicher nicht alles erzählen! Nur das nötigste, was du wissen musst um zu entscheiden...Um zu entscheiden, ob du mir helfen willst, bei meiner Rache!“ ~~~~~~~~~~~~~ Ai seufzte schwer, während sie der Alten half die Küche aufzuräumen. „Ob er Mia das selbe erzählt wie mir...?“ Die Alte Dame sah sie überrascht an und lächelte dann. „Das wird er sicher nicht tun... Er lügt nicht, aber er erzählt euch verschiedene Geschichten. Jede individuell an euch angepasst, damit ihr versteht, wie er sich fühlt!“ „Meinen Sie, wir dürfen sie uns erzählen diese Geschichten?“ Die Geschichte, die er ihr erzählt hatte, hatte einen starken Eindruck auf sie gehabt. Sie würde sie gerne mit jemandem teilen, doch sie wusste nicht ob es richtig war. Irgendwie hatte sie das Gefühl, diese Geschichte war ganz allein für sie. „Nun.. Genau kann ich das nicht sagen. Aber ich denke, ihr werdet schon wissen, was zu tun ist!“ „Wenn Sie das meinen...“ Sie selbst glaubte nicht wirklich daran... ~~~~~~~~~~~~~ Langsam aber sicher merkte Mia wie Reis Stimme während seiner Erzählung begann sie einzu-lullen. Er hatte wirklich eine schöne Stimme, die einen ganz nach Belieben steuern konnte. Wenn man ihn so sah, dachte man das gar nicht... Rei hatte hellbraunes Haar und braune Augen. Er war sehr dünn und wirkte auch sonst recht zerbrechlich und schwach. Als er geendet hatte, sah er sie mit einem fragenden Lächeln an. „Wirst du mir helfen?“ Zögernd nickte Mia. Was sollte schon groß passieren? Sie hatte die Chance normal zu werden und konnte ihm auch noch helfen. Das konnte ja nicht schlimm sein... Dachte sie! Als wäre ein Zauber gebrochen, fiel ihr auch wieder der Kuchen ein, den sie noch immer hatte. Während er erzählt hatte, hatte sie den ganz vergessen. Nun stellte sie ihn auf den Tisch. „Du magst doch Marmorkuchen? Die Alte meinte so was...“ Erst sah er sie irritiert an, dann lächelte er, fast wie ein Kind. „Den habt ihr gebacken?“ Mia nickte und er zog den Kuchen über den Tisch zu sich. „Danke!“ Nur wenige Minuten später verließ Mia die Dachwohnung. Langsam und vorsichtig ging sie die Treppe hinunter, stets darauf bedacht, das Geländer gut festzuhalten. Grade als sie am Treppenansatz ankam, sah sie, wie ein dunkelhaariger Junge in der Wohnung der alten Frau verschwand. „Sekunde!“ Wenn die Türe schon offen war, wollte sie nicht klingeln. Einen Moment hielt der Junge in der Bewegung inne und hielt die Türe auf. Er musterte sie mit einem bohrenden Blick und als sie bei der Wohnung angekommen war, ließ er die Türe los, dass diese langsam zufiel. Gerade noch rechtzeitig konnte Mia in die Wohnung schlüpfen, bevor die Türe sich schloss. Zielstrebig ging der Junge ins Wohnzimmer, wo Ai und die Alte sich grade unterhielten. Allerdings sahen sie auf, als er den Raum betrat. Doch nach einem kurzen Blick, sah sie an ihm vorbei, wo sie Mia entdeckte und stand auf. Verwirrt sah die Alte Haku an. „Wie bist du reingekommen?!“ Gelangweilt zuckte er die Schultern. „Eine Frau aus dem Stockwerk unten hat mir aufgemacht und die Haustür hier stand eh einen Spalt weit offen...“ „Oh...“ Bevor sie noch etwas sagen konnte, hatte er sie auch schon wieder unterbrochen. „Sie sollten wirklich besser aufpassen, das kann gefährlich werden!“ ~~~~~~~~~~~~~ „Und wie war’s?“ Aufgeregt lief Ai zu Mia. „Was hat er dir erzählt? Willst du ihm helfen??“ Mia lächelte leicht, auch sie fühlte sich noch etwas beduselt. Um sich einen kleine Moment Zeit zu verschaffen, wuschelte sie Ai durchs Haar. „War ganz okay... Er ist seltsam, aber nett. Ich denke schon, das ich ihm helfen werde.“ „Du sagst mir nicht, was er dir erzählt hat?“ „Lieber nicht...“ ~~~~~~~~~~~~~ Nach einem wirklich kurzen Gespräch mit Haku waren Mia und die Alte in die Küche gegangen um das Mittagessen vorzubereiten. Wie sich herausgestellt hatte, musste Haku erst am Nachmittag zu Rei und so blieb genügend Zeit für ein Mittagessen. Sichtlich unzufrieden mit der Situation mit dem Mädchen alleine zu sein, musterte er Ai. Hübsch war sie zweifelsohne, aber nicht wirklich sein Fall. Er mochte diese Mädchen nicht, die sich so auftakelten, obwohl Ai es eigentlich noch im Rahmen ließ. Trotzdem störte ihn etwas an ihr entschieden, was genau es war, sollte er erst später herausfinden. Im Moment schob er es schlichtweg auf die Tatsache, dass er allgemein keine Mädchen mochte. Er schreckte leicht aus seinen Gedanken hoch, als Ai, die sich langsam beobachtet fühlte, ihn doch ansprach. „Du bist 16? Auf welche Schule gehst du?“ „Fast siebzehn, Fujimiamoto-High.“ „Auf die geht Mia auch... In welcher Klasse bist du denn?“ Irgendwie schien dieses Mädchen tatsächlich Konversation mit ihm betreiben zu wollen... „In die 1-d...“ Wenn er möglichst knappe Antworten gab, gab sie es ja vielleicht gleich wieder auf... Zwar war er ziemlich sicher, dass das bei DIESEM Mädchen nicht funktionieren würde, aber versuchen konnte man es ja mal... „Ach so, deshalb hat Mia dich noch nie gesehen! Eure Klassen verstehen sich ja wohl nicht so gut...“ //Dann geht sie in die 1-b...// Er hörte ein leises Seufzen und sah Ai nun wieder an. Dieses Mädchen war echt seltsam... „Was?“ „Nichts...“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Es ist nur verdammt schwierig mit dir zu reden!“ „Dich zwingt ja keiner...“ „Das nicht, aber ist ja sonst keiner da!“ „Dann geh doch und hilf in der Küche!“ Wie Haku feststellen musste, hatte er Spaß an dem kleinen Streit, der sich daraus entwickelte, doch sie wurden recht bald unterbrochen, als die Alte Geschirr aus dem großen Schrank an der gegenüberliegenden Wand holen wollte. Nebenbei erwähnte sie, dass das Essen schon so gut wie fertig sei und die beiden in die Küche kommen könnten. Da Ai noch nichts gegessen hatte außer ein paar Keksen und einem Stück Kuchen, folgte sie der Aufforderung auf der Stelle. Haku dagegen ließ sich etwas mehr Zeit. Wenig später hatten sie alle einen Haufen Reis mit Gemüse auf dem Teller liegen. Haku stocherte nur lustlos darin rum, während die andern drei kräftig zulangten. „Wie viele sollten eigentlich kommen?“ Überrascht, dass er von sich aus eine Frage gestellt hatte, wurde er von drei Augenpaaren angesehen. Dann ergriff die Alte das Wort. „Außer dir kommt nur noch eine, falls sie überhaupt erscheint... Sei ist ein wenig eigensinnig...“ Haku nickte nur leicht, seine Frage war damit beantwortet und er gab sich zufrieden um weiter in dem armen hilflosen Reis rumzubohren. „Und wieso haben ausgerechnet wir vier diese Karten gekriegt?“ Neugierig sah Mia die Alte an, doch die winkte lächelnd ab. „Ihr habt alle etwas entscheidendes gemeinsam, aber das werdet ihr sicher sehr schnell merken! Außerdem seit ihr zu fünft!“ „Fünf? War dann vor Ai schon jemand hier?“ Die Alte schüttelte den Kopf. „Nein, Kakeru-kun war schon im Herbst hier, zwei Tage nachdem ich die Briefe verteilt habe!“ „So früh schon? Wieso denn das?“ Da sie selbst nicht wusste, was genau in den Briefen gestanden hatte, konnte sie wieder nur abwinken. „Er wird schon seine Gründe gehabt haben! Soweit ich mich erinnere, hat er auch gleich zugesagt Rei zu helfen... Er steht euch also auf jeden Fall bei!“ //Das klingt, als müssten wir sterben...// ~~~~~~~~~~~~~ Nach dem Essen wurde Haku sofort nach oben zu Rei geschickt. Natürlich nicht ohne eine große Portion des Mittagsessens. Er spielte mit der noch warmen Dose in seinen Fingern, als er die Treppe hochging. Noch bevor er ganz oben war, konnte er Rei auf dem Sofa sitzen sehen. Wieder sah dieser aus dem Fenster hinaus, konnte dabei den wehleidigen Blick kaum verbergen. Mittlerweile regnete es. Als Haku den Raum betrat und ihm mit einem groben „Essen!“ die Dose auf den Schoß warf, sah Rei ihn an. „Danke.“ Rei ignorierte die ruppige Art des andern und stellte die Dose auf den Tisch. „Setz dich doch.“ Scheinbar widerwillig folgte Haku dieser Aufforderung und sah Rei wartend an. Er wollte es schnell hinter sich haben, schließlich hatte er noch andere Dinge zu tun! Rei, der dies zu merken schien, lächelte. „Wenn du mir hilfst, gebe ich dir die Freiheit, die du willst!“ „Woher-?!“ Verdutzt sah Haku ihn an. Das war sein größtes Geheimnis, er hütete es wie einen Schatz in seinem Inneren und Rei hatte es gewusst. „Nun, ich beobachte gut... Aber das muss ich auch, sonst habe ich keine Chance!“ „Was für eine Chance...?“ „Die Chance meine Rache zu erlangen!“ Haku musterte den jungen Studenten. Er sah wirklich schwach und kränklich aus... „Wieso ich? Frage jemanden, der dir deine Beine ersetzt!“ Ein Lächeln folgte von Rei. „Du besitzt offenbar auch eine gute Beobachtungsgabe...“ „Ich halte es nicht für schwer den Rollstuhl im Kücheneingang zu übersehen...“ „Mia hat ihn übersehen...“ Abfällig schnaubte Haku, als könnte man ihn damit vergleichen! „Mädchen!“ „Darum sollst du mir helfen, Haku... Damit du sie nicht mehr hassen musst! Ich will nichts weiter als meine Rache und wenn ihr tut, was ich euch sage, erfülle ich euch euren sehnlichsten Wunsch!“ ~~~~~~~~~~~~~ Fast vier Stunden später verließ Haku die Dachwohnung. Rei hatte Schwierigkeiten gehabt ihn zu überreden, doch letztendlich war es ihm doch gelungen. Nun fehlte nur noch Kana... Wenn er Kana überreden könnte ihm zu helfen, dann waren wirklich alle versammelt! Doch er bezweifelte, dass sie kommen würde. Mit einem leisen Seufzen zog er seine Beine nacheinander mit den Armen aufs Sofa und legte sich hin. Er war müde, für ihn war es ein anstrengender Tag gewesen... ***************~~~*************** Wieder seufzte Ai. Kana war tatsächlich nicht gekommen und nun sollten sie alle zusammen Kana überreden doch zu Rei zu gehen. Doch das erste Problem, das sich anbahnte, war dass Mia zu spät kam. Selbst Kakeru wurde langsam ungeduldig. Mit einem Finger schlug er in regelmäßigem Takt auf den Tisch und beobachtete dabei wie der Kakao in seiner Tasse schwappte. Haku starrte missmutig aus dem Fenster und Ai begann die anderen Kunden zu mustern, als sich ihr eine Hand auf die Schulter legte und sie erschrocken zusammen fuhr. „Mia!!“ Das schwarzhaarige Mädchen lachte. Sie zog sich die Jacke aus und setzte sich neben Ai. “War sie schon da?“ Kakeru schüttelte den Kopf. „Du bist das erste weibliche Wesen, dass hier seit zwei Stunden aufgetaucht ist...“ Selbst Haku konnte sich ein Grinsen nun nicht verkneifen. „Och, hattest du nichts zu gucken?“ Energisch schüttelte Kakeru wieder den Kopf. „Hier gibt’s ja nur Kellner!“ „Lass mich raten...“, meinte Ai und grinste ihr unschuldigstes und zugleich fiesestes Grinsen. „Bei einer KellnerIN hättest du was mit Alkohol genommen?“ Grade als er ihr eine schlagfertige Antwort um die Ohren pfeffern wollte, klingelte die Ladenglocke und sie alle sahen auf. Ein braunhaariges Mädchen hatte den Laden betreten. Sie trug eine schwarze Jeansjacke mit unglaublich vielen Taschen, eine grüne Schleife im Haar und ein grünes Halsband. Kurz sah sie sich um, dann ging sie zielstrebig auf den Tisch der Vier zu. „Ihr müsst das sein, die mich hergerufen haben?“ Einstimmiges Nicken. „Vergesst es, wenn ich mit ihm reden wollte, wäre ich schon hingegangen!“ „Natürlich ,das ist uns schon klar... Aber willst du dir es wirklich nicht wenigstens mal anhören?“ „Will ich nicht!“ Kana wandte sich schon wieder zum drehen, als Kakeru einwarf: „Du könntest dich von Matomi lösen...“ Ihn böse anfunkelnd wandte sie sich ihnen wieder zu. „Mich lösen oder sie loswerden?“ Unsicher sahen sich die vier an. So genau wussten sie das eigentlich gar nicht und es war ihnen auch egal gewesen. „Ts!“ Kana fuhr sich durch ihr leicht zerzaustes haar. „Nicht einmal das wisst ihr! Kommt besser noch mal wieder, wenn ihr euch richtig informiert habt!“ „Und dein Edelstein...?“ Fragend sah Mia sie an. „Das ist der Smaragd, ich weiß. Aber den finde ich mit absoluter Sicherheit auch OHNE eure Hilfe oder die eines anderen!“ „Aber er braucht uns!“ Ein letzter kläglicher Versuch, ebenfalls zum scheitern verurteilt und Kana wandte sich um und ging. Kakeru lehnte sich zurück und seufzte, während er aus dem Fenster sah, wo Kana grade um eine Ecke bog. „Das ging wohl nach hinten los...“ Ebenfalls völlig unzufrieden mit der Situation murrte Ai: „Sie hat uns ja gar nicht zu Wort kommen lassen!“ „Irgendwas ist seltsam an ihr...“ Nach diesem Kommentar, ebenfalls von Kakeru schwiegen sie alle. Haku stützte den Arm auf den Tisch und legte den Kopf auf seiner Hand ab. „Wir müssen noch mal zu Rei...“ Irritiert wurde er von den drei andern gemustert. „Wieso? Er hat uns doch schon alles erklärt...“ Ein Grinsen schlich sich auf Hakus Gesicht. „Nein, es ist wie sie gesagt hat. Wir wissen nicht, ob sie verschwinden oder sich von uns lösen...“ Mia zuckte leicht mit den Schultern. „Das war mir eh immer egal... Ich hab kein so gutes Verhältnis zu Hikaru... Eher gar keins!“ Kakeru und Ai stimmten zu, bei ihnen war es nicht anders. Nur Haku schien keine Probleme zu haben. „Aber Kana will offenbar diese Matomi nicht loswerden. Wenn sie sich trennen könnten, wäre das ja vielleicht besser für sie...“ „Ach so... Gut, dann ruf ich ihn eben an, das geht schneller!“ Kakeru kramte in seiner Hosentasche, in der offenbar Abgründe zum Vorschein kamen, und zog ein Handy heraus. Er musterte das moderne Fotohandy kurz, dann ließ er es zurück in die Tasche sinken. „Was ist?“ Fragend sah Ai ihn an, doch er winkte gleich ab. „War nur das falsche! Dann muss das andere doch in der anderen Tasche sein...“ Mit Ordnung hatte er es nicht so, schon gar nicht in seinen Hosentaschen. Da kam alles rein, was er brauchte! Die waren bei seinen Hosen ja eh immer groß genug... Nach einer weiteren Grabung hielt er schließlich ein etwas älteres schlichtes Model in Händen. „Hab es!“ Er machte es an und tippte schnell den Pin ein. Dann suchte er Reis Nummer raus und drückte auf den grünen Hörer. Nur einen kleinen Moment musste er warten, als Rei auch schon abnahm und fragte, was er wolle. Kakeru grinste. „War ja klar, dass du weißt, wer dran ist... Also, ist eigentlich nur ein kleines Problem, eher eine Frage! Verschwinden die >>Doppelgänger<< oder trennen sie sich von uns?“ Einen Moment war Stille am andern Ende der Leitung, dann erklärte Rei, dass sie sich, soweit er wusste, nur lösten. Aber er wusste nicht, ob sie dann einen eigenen Körper bekommen würden oder als Geist existierten. „Okay, mehr wollte ich auch gar nicht...“ Wieder grinste Kakeru. „Soll ich öfter anrufen, damit du nicht so einsam bist?“ Als Rei lachend bejahte, meinte er: „Okay, du bezahlst ja den Vertrag vom Handy!“ Rei erwiderte noch etwas, dann legte Kakeru mit den Worten „Wir müssen uns beeilen, wenn wir sie heute noch erwischen wollen“ auf. Ein wenig verwundert sahen alle ihn an. Vor allem die Mädchen. „Was war das denn? Ihr redet ja als würdet ihr euch schon Jahr kennen!“ Kakeru zuckte die Schultern. „Ich kenn ihn ja auch schon seit über 4 Monaten!“ Ai nickte und mit dem Anflug eines Grinsens meinte sie: „Dann kommen wir auch schon zur nächsten Frage dieses Kurz-Interviews: Wieso warst du schon so früh bei ihm und warum zur Hölle hast du gleich ZWEI Handys?!“ „Das waren zwei Fragen...“ „Egal, antworte mir! Das muss ich wissen, sonst kann ich ihr nicht folgen!“ Kakeru seufzte gespielt. „Dann muss ich’s dir wohl sagen, Kleine...“ Beleidigt blies Ai ihre Wangen auf, während er wieder etwas aus einer Tasche suchte. „Ich bin nicht klein!“ „Aber du gehst noch auf die Mittelschule.“ „Nächstes Schuljahr wechsele ich aber auf eure!“ Etwas abwesend nickte Kakeru und zog einen völlig zerknitterten Zettel glatt. Den hielt er denn den anderen hin. „Ich weiß nicht, ob das die erste oder zweite Frage war. Jedenfalls bin ich deshalb gleich am Tag nachdem ich den Brief gefunden hab dahingegangen!“ Mia nahm ihm sofort den Zettel aus der Hand und las ihn. Sie hatte ihren Brief auch noch irgendwo, sie wusste nur nicht wo. In Kakerus stand tatsächlich >>so schnell wie möglich<