Neue Katastrophen im Hause Kaiba von Tea_Kaiba (Fortsetzung zu "Die Familie Kaiba und andere Katastrophen") ================================================================================ Kapitel 6: Ausweichmanöver -------------------------- Nach einem kritischen Blick auf den Besucher, der hier um Einlass gebeten hatte, öffnete der schon etwas beleibte Polizeibeamte die Tür zum Besucherzimmer. Drinnen sah es trostlos aus, ein Tisch, zwei Stühle, Wände in einem unangenehmen grün-grau, das an schimmelige Pistazien erinnerte. Auf einem der Stühle saß ein junger Mann. Er hob den Kopf, als sein Besucher eintrat. „Sind Sie mein Anwalt?“ Er bekam keine Antwort. Wie üblich, wenn er einen Gegner zermürben wollte, den er nicht genau kannte, begnügte sich Seto damit, ihn eingehend zu mustern. „Sie haben also immer noch nicht gestanden, ja?“ fragte er schließlich, in einem Tonfall der die Umgebung sogar noch an Kälte übertraf. Sein Gegenüber runzelte trotzig die Stirn. „Nein, was denn auch? Ich habe nichts getan, und Sie sind hier, um das auch diesen Idioten von Beamten klarzumachen, oder nicht?“ Seto zog den anderen Stuhl zu sich und ließ sich darauf nieder, ohne eine Sekunde seinen Blick von dem Jungen zu nehmen. „Im Gegenteil. Ich bin hier, um Sie davon zu überzeugen, dass ein schnelles Geständnis das Beste ist, was Sie jetzt noch für sich tun können.“ Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um so kühl und sachlich zu bleiben. Dieser Kerl hatte nicht nur seine Frau vergewaltigt, er hatte auch noch die Stirn, es zu leugnen. „Und wie, wenn man fragen darf, kommen Sie zu diesem Schluss?“ fragte der nun provokant, während er sich eine seiner widerspenstigen braunen Haarstränen mit einer Geste, die offenbar lässig wirken sollte, aus dem Gesicht strich. Sein Erscheinungsbild war der blanke Hohn für Seto. Er wusste, wenn er sich vor Jahren, nachdem er das selbe Verbrechen begangen hatte wie sein Gegenüber, die Mühe gemacht hätte, sein Spiegelbild einmal eines längeren Blickes zu würdigen als er nötig war, um morgens die Haare in Ordnung zu bringen, hätte er beinahe exakt das gesehen, was ihm nun gegenüber saß. Der junge Mann war schlank, sehnig – wenn auch nicht unbedingt muskulös – und hatte volles, dunkelbraunes Haar und war nur ein paar Jahre älter als Seto damals, fünf oder sechs vielleicht – er schätzte ihn auf etwa zwanzig. Seine grünbraunen Augen – der wohl deutlichste Unterschied zu Seto mit Fünfzehn – zeigten keine Spur Bedauern, dafür aber einen Ausdruck, der sehr genau zeigte, dass er sich seines Vergehens vollauf bewusst und sehr zufrieden damit war. Wenn es nach dem Firmenleiter gegangen wäre, hätte er allein dafür hinter Gitter gehört. „Sie dürfen fragen. Vielleicht das Einzige, was Sie bald noch dürfen.“ Seto stieß langsam und unhörbar die Luft aus seinen Lungen, wobei sich seine Nasenflügel sanft wölbten. „Der Grund dafür ist ganz einfach, dass ein paar Jahre Gefängnis nichts, aber auch GAR NICHTS sein werden gegen das, was ich Ihnen bereiten werde, wenn Sie wieder draußen sind. Wenn ich Sie wäre, würde ich sogar hoffen, möglichst lange sicher hinter Gittern bleiben zu können. Und glauben Sie mir, das ist bestimmt keine leere Drohung. Ich habe sowohl die Mittel als auch den Willen, das zu tun.“ Bei jedem Anderen hätten diese Worte lächerlich geklungen, so aber konnte Setos Gegenspieler nur in plötzlichem Wiederkennen die Augen aufreißen und ihn entsetzt anstarren. „Das können Sie nicht. Nicht einmal Sie.“ Brachte er schließlich lahm heraus. Seto verzog verächtlich den Mundwinkel. „Gut. Lassen Sie es darauf ankommen. Es ist Ihre Entscheidung.“ Er stand auf und wollte zur Tür gehen, doch der Blick, den ihm der junge Mann zuwarf, so triumphierend und völlig selbstzufrieden, traf zielsicher den wunden Punkt an der Barriere aus Stolz und Selbstbeherrschung, hinter die er seinen Hass bisher verbannt hatte. „Verrat mir eins, Junge.“ Stieß er hervor, alle Höflichkeitsfloskeln außer Acht lassend. „Wie war es, sie so völlig verzweifelt zu sehen? Hat es dir Spaß gemacht? Oder war dir das schon egal, weil du so sehr auf deine eigenen, notgeilen Triebe fixiert warst?“ Er erntete nur Schweigen. Sich völlig bewusst, dass beim leisesten Geräusch, das draußen zu hören wäre – die Tür war zwar dick, aber nicht schalldicht, damit die Wärter jederzeit einem Besucher zu Hilfe kommen konnten, wenn ein Häftling ausrasten sollte – seine letzte Chance, mit diesem Kerl abzurechnen, bevor er vor Gericht kam, vorbei wäre, streckte Seto die Hand aus und zog ihn am Kragen näher zu sich. „Womöglich denkst du, ich weiß nicht, wovon ich rede. Aber glaub mir, ich weiß es nur zu gut, wie du in deiner grenzenlosen Selbstsucht wahrscheinlich von der ersten Frau Gebrauch gemacht hast, die dir unter die Finger kam. Ich hoffe, du wirst es eines Tages noch bitter bereuen, dass du sie dir einfach so im Dunkeln genommen hast, ohne jemals wirklich auch nur einen Funken von ihr abzubekommen, der jeden vernünftigen Mann um den Verstand bringen würde.“ Mit plötzlichem Ekel stieß Seto den Jungen von sich und riss die Tür auf. Wenige Minuten später saß er vor dem Gebäude in seinem Wagen und versuchte, seine Fassung wieder zu finden. Tea hatte diesen Mann identifiziert. Es gab keinen Zweifel daran, dass er es war, der ihr das alles angetan hatte, auch wenn die Richter das womöglich anders sehen würden. Seto grub die Nägel ins lederbespannte Steuer seines Luxusmobils. Selbst in geschlossenem Zustand zuckten seine Augenlider ein wenig. Er konnte ein leises, gequältes Stöhnen nicht unterdrücken, als ihn einmal mehr das Gefühl überkam, dass Tea jetzt die späte Rache für seine früheren Vergehen zu tragen hatte. Rowena ahnte noch immer nichts davon, was ihrer Mutter passiert war. Sie hatte zwar bemerkt, dass diese in letzter Zeit stiller war als sonst, aber wer konnte schon wissen, welche Laus Tea über die Leber gelaufen war? Das Beste war, sich still zu verhalten, bis sie sich wieder normal aufführte. Viel mehr Gedanken machte sie sich im Moment darüber, warum ein bestimmter blonder Wuschelkopf seit neuestem in ihre Klasse ging und sich auch noch frecher Weise auf dem Platz direkt vor ihrem breit gemacht hatte, so dass ihre Sicht nach vorn nun erheblich eingeschränkt war. In Ermangelung modernerer Hilfsmittel kritzelte sie schnell ein paar Zeilen auf einen Fetzen ihres Hefts, riss diesen heraus – was zweifellos wieder Ärger mit Seto geben würde, sobald er merkte, dass sich seine Tochter im Unterricht nicht nur mit dem Stoff beschäftigte – und warf ihn zielsicher an Rays Hinterkopf. Das Geschoss prallte ab, aber die Aufmerksamkeit des Blonden war trotz allem geweckt. Was machst du hier? Solltest du nicht zwei Klassen weiter sein? Ray tat, als müsse er ihre Schrift erst entziffern und grinste dann. Eine. Aber unsere Lehrer waren wohl der Meinung, dass ich seit meiner letzten Ehrenrunde noch nicht genug dazu gelernt habe, das heißt, ich darf jetzt hier mit euch die Zeit absitzen. Eine triumphierende Stimme, die Rowena vage als die ihres Vaters identifizieren konnte, meldete in ihrem Hinterkopf etwas das sich sehr nach „Blut ist eben doch dicker als Wasser“ anhörte, was sie aber gekonnt ignorierte. Sehr zu ihrem Leidwesen musste sich die junge Kaiba-Erbin jedoch die Chance, mehr aus Ray herauszukitzeln, erst mal entgehen lassen, denn in eben diesem Moment schallte es aus den Lautsprechern: „Rowena Kirika Kaiba bitte unverzüglich ins Direktorat. Ich wiederhole, Rowena Kirika Kaiba SOFORT ins Direktorat!“ Sie schwor sich im Stillen, dass sie ihren Vater umbringen würde, wenn er sie noch einmal so aus dem Unterricht holen ließ – denn dass er dahinter steckte, daran gab es keinen Zweifel, wer sonst hätte schließlich ohne Probleme die Möglichkeit, den Direktor zu so etwas zu bringen? – stand aber auf und begab sich wie eine schuldbewusste Schulregelbrecherin auf den Weg zum Büro des Schulleiters. Ihr Vater ließ ihr nicht viel Zeit für Fragen, sobald sie zwei Minuten später die Tür aufgeschoben hatte, marschierte er auch schon an ihr vorbei und war zu keiner anderen Äußerung bereit als: „Komm mit. Roland holt deine Sachen aus der Klasse, du bist bis auf weiteres vom Unterricht befreit.“ Der Dreizehnjährigen blieb der Mund offen stehen. Was hatte sie denn nun schon wieder angestellt? Nichts, wie sich herausstellte. Tea hatte sich in den Kopf gesetzt, ausgerechnet jetzt eine neue Tournee mit ihrer Ballettgruppe zu starten und war abgereist, ohne mehr als ein paar Zeilen auf dem Wohnzimmertisch und ihre Telephonnummer zu hinterlassen. Was GENAU ihren Vater dabei so – nun, panisch, falls man dieses Wort bei der kalten Entschlossenheit, die er an den Tag legte, benutzen durfte – machte, dass er nicht einmal die zwei Stunden hatte warten können, bis Rowenas Schultag vorbei war, begriff seine Tochter nicht ganz, allerdings hielt sie es für intelligenter, ausnahmsweise nicht zu fragen. Seto jedenfalls hatte sie ohne Umstände in seinen Wagen verfrachtet, die Lage in drei kurzen Sätzen erklärt und dann, ohne eine Antwort abzuwarten, den Motor gestartet. Jetzt schossen sie mit einer Geschwindigkeit durch Domino, dass Rowena ernsthaft befürchtete, sie würden erst wieder an einer Hauswand oder Ähnlichem zum Stehen kommen, was sich allerdings nicht ganz bewahrheitete. Seto steuerte ihr Gefährt im Gegenteil fast elegant in eine wundersamer Weise – oder vielleicht doch eher wegen des Kaiba Corp. Menschen, der bis vor zwei Sekunden noch darin gestanden hatte – freigebliebene Parklücke vor dem Flughafen und stieg ohne Umstände aus. Rowena blieb nichts anderes übrig, als ihrem Vater zu folgen. Erst an Bord der Maschine, die Seto – ohne sich natürlich um Tickets oder ähnliche Kleinigkeiten zu kümmern – betreten hatte, kam sie wieder zu Atem. Es war bezeichnend für die Eile, die Seto umtrieb, dass er sich mit dieser für seine Verhältnisse doch recht „schäbigen“ Art zu reisen abgab, anstatt erst seine Privatmaschine klar machen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)