Schwarze Wolken von --Shiranui-- ================================================================================ Kapitel 11: In der selben Nacht ------------------------------- Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit. Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit. Jedes trägt den andern mit sich herum - etwas bleibt immer zurück. (Kurt Tucholsky) (Aus, Strophe 2) Johnathan Travers saß in seinem Büro. Es war kurz nach Beginn der Nachtschicht und eigentlich sollte er um diese Uhrzeit zuhause im Bett liegen. Dennoch hatte er sich aufgrund des Krankheitsfall eines Kollegen bereit gestellt diese heutige Schicht zu übernehmen. Er verabscheute die Arbeit Nachts, weil es in Utica so gut wie nie sonderliche Vorfälle gab, die es Nachts zu erledigen galt. Vor einigen Tagen, die Kollision des Lasters mit dem PKW von Shay Brown, das war eine der wenigen Ausnahmen gewesen. Aber seitdem war nichts sonderliches mehr vorgefallen. Dennoch war selbst dieser Fall nicht von sonderlicher Bedeutung gewesen, denn es gab keine Abnormalitäten, von den Raben mal abgesehen. Der Lasterfahrer schien wieder wohl auf zu sein und was diesen Shay Brown anging... nun ja. Travers hatte sich, ehrlich gesagt, nicht mehr darum gekümmert. Wärend er in seinem Büro an seinem Schreibtisch saß und lediglich die Tischlampe den Raum erhellte, sowie das regelmäßige aufblinken des Anrufbeantworter am anderen Ende des Raumes, hatte Travers sich über einen Schmöker gebeugt. Ganz leise tickte die Wanduhr, über der Tür als plötzlich das Klingeln des Telefons die Ruhe zerstörte. Travers hielt inne und warf einen Blick auf den aufleuchtenden Display des Apperat. Kurzerhand nahm er den Hörer zur Hand und legte ihn ans Ohr. "Was gibt es, Neomi?" "Du bist doch heute Nacht im Dienst, oder?", fragte Pang an der anderen Leitung und wartete anschließend auf die Antwort ab. Travers, der seine Partnerin eigentlich nach Hause geschickt hatte, schaute etwas verwundert auf die Wanduhr und stellte fest, dass es bereits nach zwölf Uhr Nachts war. "Ja, warum? Solltest du nicht zuhause sein?" An der anderen Leitung machte Pang eine abwinkende Handbewegung. Sie war nicht nach Hause gefahren, weil sie noch eine kleine Rundfahrt durch Utica gemacht hatte um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war. Als sie den Dienstwagen wieder im Department abgeliefert hatte, um anschließend sich wirklich auf den Weg machen wollte, hatte sie zwei Kollegen getroffen. "Jeff hat einen Anruf von den Browns bekommen, dass deren Tochter verschwunden ist.", sagte die junge Asiatin dann, ohne herumschweifen. Wenn man vom Teufel sprach... oder zumindest an ihn dachte, schien er wirklich auch auf zu tauchen, dachte Travers sich dann und sah, überflüssigerweise, noch auf seine Armbanduhr, welche die selbe Uhrzeit anzeigte, wie soeben noch die Wanduhr. "Und warum rufst du mich dann an, anstatt einfach in mein Büro zu kommen?" "Ich dachte mir, vielleicht bist du unterwegs, also ab ich es erst mit anklingeln versucht. Ich denke es wäre das Richtige, wenn wir uns um die Sache kümmern, wo wir doch schon bei dem Autounfall dabei gewesen sind.", erklärte Pang kurzerhand ihre Gedankengänge, welche Travers dann auch einleuchteten. Klare Sache. Obendrein war es auch schon komisch, dass in innerhalb so kurzer Zeit zwei Unglücke auf einmal die Familie aufsuchten. Zufälle gab es dabei bestimmt nicht und wenn doch: ...Travers wusste nicht, was wenn doch. "Gut, bist du draussen?" "Ja, ich steh draussen vor dem Wagen." Damit legte er auf und markierte die Seite des Buches, was er am Lesen gewesen war, mit einem Eselsohr. "Gibt es irgendjemanden, der ihrer Familie Schaden will?", fragte Travers, als er sich mit Pang im geräumigen Wohnzimmer des Hauses der Browns befand. Shay sagte nichts, schien irgendwie abwesend und in Gedanken versunken zu sein. Deshalb übernahm Freddie das Wort und meinte: "Nein, nicht dass ich wüsste. Wir wohnen hier jetzt schon seit vielen Jahren und auch mit den Nachbarn haben wir keine Probleme. Wenn ich das von uns selber sagen darf, dann würde ich uns doch als freundliche Familie bezeichnen, die keine Probleme mit irgendwelchen Leuten hat. Und ich glaube auch nicht dass irgendwelche Leute Probleme mit uns haben." Travers nickte und Pang machte einige Notizen. Dabei ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten. Als sie einige Schritte machte und an dem Schrank hängen blieb, wo viele Fotos präsentierend stand, konnte sie Freddie glauben schenken. Es sah ganz danach aus, als wenn sie es hier mit einer normalen Familie zu tun hatten. Das einzige was am stören war, war die Staubschicht, die sich scheinbar überall verbreitet zu haben schien. Aber das war ja nicht Pangs Sache. Fredrike Brown hatte in den letzten Tagen wahrscheinlich genug zu tun und andere Sorgen gehabt, als wie wild putzend durch das ziemlich groß wirkende Haus zu rennen. "Ich habe Shay aus dem Krankenhaus abgeholt, nachdem das Krankenhaus mich informiert hat, dass er wieder erwacht sei. Als wir dann wieder da waren, war unser Sohn auch noch wach. Ich habe ihn wieder in sein Zimmer gebracht, wollte nur kurz nach Sarah sehen, aber ihr Bett war leer.", erzählte Freddie und ihre Stimme zitterte etwas. Auch das notierte Pang gewissenhaft und drehte sich dann wieder zu den anderen um. Sie wusste nicht warum, aber irgendetwas war merkwürdig an diesem Haus. Es wirkte zwar freundlich und gemütlich, aber dennoch lag etwas drückendes in der Luft. Wenn nicht drückend, dann schon... unheimlich. Dieser Staub auf den Möbeln verstärkte den Eindruck noch. Instinktiv suchte sie die Decke nach Spinnenweben ab, aber konnte soweit keine entdecken. Der Staub ließ den Eindruck erwecken, dass dieses Haus seit längerem nicht mehr geputzt, oder benutzt wurde. Merkwürdig. Und das war wirklich schon eine Leistung, wenn doch zwei Kinder mit ihren Eltern hier lebten. Das Krächzen einiger Raben ließ Pang zusammenzucken. Als sie aus der Terrassentür hinaussah, bemerkte sie mindestens drei dieser Vögel, wie sie vor der Tür saßen und beinahe schon fixierend in das Wohnzimmer hinein starrten. Nur mit Mühe konnte Pang den blick von den Tieren abwenden. Sie verstärkten das unheimliche Gefühl, was Pang verspürte noch mehr. "Haben Sie mitgeschrieben, Pang?", kam es dann noch von Travers, der seine Partnerin wärend des Dienstes immer siezte und auch nur mit Nachnamen ansprach. Das waren nunmal Formalitäten, die es zu akzeptieren gab, auch wenn Pang immer das Gefühl hatte, dass Johnathan in irgendeiner Weise sauer war auf sie. "Ähm, nein. Tut mir leid. Was wurde als letztes gesagt?", gab sie verwirrt von sich und ohrfeigte sich innerlich für ihre Unachtsamkeit. "Das ist ziemlich ungewöhnlich.", sagte Johnathan Travers, als er sich wenig später wieder mit seiner Kollegin im Dienstwagen befand und das Gaspedal durch drückte. Sie fuhren über die leergefegte Landstraße, zurück zur Wache. Pang saß neben ihm, auf dem Beifahrersitz und starrte in die Nacht hinaus. "Was ist daran ungewöhnlich?", fragte sie dann und wandte ihren Blick dann zu Travers. "Es gibt doch viele Entführungen, die auf dem ersten Blick ungeklärt wirken." "Ist schon richtig, aber diese Gegend in der die Browns leben ist eine recht noble Gegend." "Unter jedem Haus liegen Abwasserkanäle, oder nicht?" Damit hatte Pang recht und Travers wusste das auch, aber dennoch kam ihm der gesamte Fall ein wenig aus den Fingern gezogen vor. "Diese Familie hat einen guten Eindruck gemacht, vielleicht eine der wenigen in denen keine Leiche im Keller verborgen liegt. Es mag sich komisch anhören, aber es erinnert mich an eine Art Myserieum. Ich meine, wenn diese Familie keine sogenannte Leiche im Keller hat, warum passieren gleich zwei Unglücke auf einmal und das in so kurzer Zeit?", fragte Travers und schaute kurz seiner Nachbarin ins Gesicht, und ließ die Straße ausser acht; es war eh nichts auf dieser los. "Zufall?" "Zufälle gibt es nicht, Noemi. Vielleicht macht es auf den ersten Blick diesen Eindruck, aber ich glaube an dieser Sache ist mehr dran, als das normale Auge sieht." "Jetzt wirst du aber poetisch. Meiner Meinung nach ist es eine normale Vermisstenmeldung, wie man sie jeden Tag aufs neue erhält. Wer weiß, vielleicht hat das Kind sich nur gedacht, dass sie Nachts ein wenig nach draussen geht, um sich die Sterne anzusehen.", das klang zwar selbst für Pang ein wenig weit hergeholt, aber in den meisten Fällen tauchten die vermissten nach etwa einem Tag wieder auf, als sei nie etwas passiert. "Bei einem acht-jährigem Kind?!", fragte Travers und hob eine Augenbraue. "Ja, ich weiß, das hört sich wirklich sehr bescheuert an. Aber am besten warten wir ab, so wie wir es gesagt haben. Ein oder vielleicht sogar zwei Tage. Wenn das Mädchen bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist, dann beordern wir einen Suchtrupp." Travers schmunzelte. Pang war wirklich eine sehr selbstständige Frau. In manchen Dingen machte sie den Eindruck, dass sie das gesamte Department selber leiten konnte, aber in vielen Dingen war sie auch noch naiv. Aber sie war ja auch noch nicht lange im Dienst. Das Leben würde ihr die nötigen Erfahrungen noch bringen, aber in einem war Travers sich sicher: Seine Partnerin würde bald eine hervorragende Polizistin abgeben. Shay hatte sich verkniffen irgendjemanden etwas von dem Vorfall im Keller zu erzählen. Schon mal gar nicht hatte er den beiden Polizisten erzählt, dass er seine Tochter dort gesehen hatte, bevor sie von einem schwarzen Hund angefallen wurde und sich dann in Luft aufgelöst hatte. Es lag bestimmt nur an seinem Koma. Sein Hirn war immernoch ein wenig benebelt. Als Travers und Pang das Haus verlassen hatten, saß Shay weiter auf dem Sessel und starrte in den Raum, als wolle er etwas beobachten. Verbissen schickte er sich an nicht zu den Raben zu sehen, die sich vor der Terrasse niedergelassen hatten. In dieser Gegend gab es viele dieser Vögel, aber seit dem Autounfall hatte Shay das Gefühl, dass es langsam nicht mehr mit rechten Dingen zuging und auch sein merkwürdiger Traum mit dem kopflosen Raben spielte in seiner Vermutung eine Rolle. "Geh schlafen Freddie. Ich bleibe wach. Vielleicht hatten die beiden Recht und Sarah steht gleich vor der Tür und ist sich noch nicht einmal bewusst, dass wir uns wegen ihr große Sorgen gemacht haben.", sagte er dann mit tonloser Stimme, als Freddie wieder vor ihm stand und den Eindruck machte, als wolle sie irgendetwas sagen. "Mir ist schlecht...", kam es dann von ihr und als Shay zu ihr sah, bemerkte er, dass sie hundeelend aussah. "Ich sag doch: Geh ins Bett. Es ist ganz klar dass es dir jetzt nicht gut geht." "Shay, wie sieht es eigentlich mit deiner Amnesie aus?", fragte sie ihn, ohne auf das Gesagte einzugehen. "Wie soll es damit aussehen?" "Ich frag nur, weil... es kann doch sein dass..." "Dass ich nicht mehr weiß, wie unsere Tochter aussieht?" Freddie schwieg betreten, als Zeichen der Zustimmung. "Freddie, auf fast jedem Foto in diesem Raum kann ich sie sehen. Selbst wenn ich mich nicht an sie erinner hätte, würde ich es spätestens dann wieder wissen, wie sie aussieht, wenn ich mir diese Bilder ansehe.", sagte Shay ein wenig empört und deutete auf das Regal und hielt im nächsten Moment inne, als er sah dass auf keinem der Fotos Sarah abgebildet war. Freddie sah ebenfalls zu den Bildern, schien keine Veränderung wahr zu nehmen, deshalb schloß Shay die Augeneinmal kurz und als er die Fotos wieder betrachtete, war wirklich keine Veränderung zu sehen. Sarah war da, kein Zweifel. "Und jetzt geh schlafen..." Freddie hatte keine Anmerkungen mehr und schien auch erleichtert zu sein. Sie rang sich ein schwaches Lächeln ab und gab Shay einen leichten Kuss auf die Stirn, ehe langsam aus dem Wohnzimmer hinaus ging und damit aus seinem Blickfeld verschwand. Noch einige Momente abwartend, blieb Shay auf dem Sessel sitzen und sah zu der Terassentür. Schwarz hob sie sich von ihrer Umbegung ab und wirkte wie ein großes, quadratisches Loch. Eigentlich hatte Shay keine Angst vor der dunkelheit, aber je länger er in die gähnende Schwärze starrte, deso unbehaglicher fühlte er sich. Die Dunkelheit schien immer näher zu kommen und in seiner Vorstellungskraft drohte die Shay zu verschlingen. Er riss sich von seinen Gedanken weg und stand apruppt auf. Wie von selber führten ihn seine Beine zurück zu der Kellertür und mit einer unglaublichen vorsicht legte sich Shays Hand auf die Klinke. Er schnappte einmal nach Luft und rief sich zur Ruhe, ehe er ruckartig den Türgriff nach unten drückte und die Tür öffnen wollte, aber auf unerwarteten Widerstand stoß. Der Keller war abgeschlossen! Das alles machte Shay nicht nervös. Freddie hatte den Keller wahrschenlich verschlossen, aus Angst von irgendwo könnte ein Fremder in das Haus gelangen. Suchend blickte zu der Türklinke, aber ein Schlüssel steckte nicht dort. Wo verwahrten sie Schlüssel auf? Shay drehte sich um und erblickte an der Wand ein Schlüsselbrett. Kurzerhand nahm er alle Schlüssel zur Hand, da er sich nicht entsinnen konnte, wie derjenige, der zum Keller gehörte, aussah. Gewissenhaft steckte er einen nach dem anderen in das kleine Loch und versuchte die Verriegelung zu lösen. als das Schloss dann einmal aufknackte, seufzte Shay erleichtert auf. Erneut drückte er die Klinke herunter und riss die Tür auf. "Was zur Hölle-?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)