Der Tag an dem ich dich wiedersah... von -Sessy- (Sesshoumaru x Rin) ================================================================================ Kapitel 6: Ein unerwünschter Gast, mehr nicht... ------------------------------------------------ Zu Fuß war die Strecke von der Lichtung bis zu dem Schloss doch um einiges länger und es beanspruchte sehr viel Zeit in normalem Tempo mit einer unerwünschten Begleiterin zu reisen. Sesshoumaru hatte es fast schon wieder vergessen gehabt, wie es war, mit einer Begleitung umher zu ziehen. Wenn er jetzt durch das Land streifte, dann meistens alleine. Jaken lies er im Schloss zurück, denn dieser hatte andere Aufgaben zu erledigen. Doch nun erinnerte er sich wieder wie langsam und mühselig sie voran kamen. Keiner der Beiden sprach ein Wort. Jeder hatte seine eigenen Gedanken, über die er nachdenken und auch klarkommen musste. Rin dachte darüber nach, ob es nicht doch ein Fehler von ihr war einfach so hier aufzukreuzen, während Sesshoumaru sich den Kopf darüber zerbrach, was wohl der Grund für ihr plötzliches Erscheinen war. Rin machte einen ziemlich betrübten und traurigen Eindruck. Sesshoumaru hingegen hatte Mühe seinen Ärger unbemerkt unter Kontrolle zu halten. Endlich verließen sie den Wald wieder. Rin hatte schon gedacht, er würde niemals enden. Sie gingen nun auf freiem Feld. Zumindest glaube Rin, dass das ein Feld war. Es war verkümmert. Anscheinend hatte sich niemand um die kleinen Pflanzen gekümmert und sie mit Wasser versorgt. Rin blickte sich nun um. Die Gegend gefiel ihr ganz und gar nicht. Es war trostlos und das einzig Grüne in der Nähe war der Wald. Bald darauf entdeckte sie vor ihnen das Schloss. Sie hatte es erst spät gesehen, weil Sesshoumaru vor ihr herging. Außerdem war sie damit beschäftigt gewesen die Gegend um sich herum zu erkunden, oder zumindest das, was davon übrig war. Als sie sich dem Schloss weiter näherten, sah Rin, wie die Wachmänner aufgeregt mit ihren Fackeln umher liefen. „Der Herr ist zurück! Öffnet das Tor!“, brüllte der eine. Sesshoumaru schritt durch das Tor und wieder verneigten sich die Männer vor ihm. Nach ihm ging Rin an ihnen vorbei. Die Männer sahen sie komisch an. Fragend, misstrauisch, vergnügt und gierig. Rin konnte ihre Gesichter nur sehr schlecht sehen, aber die Blicke, mit denen sie sie ansahen, mochte sie gar nicht. Sie hörte, wie hinter ihnen das Tor wieder geschlossen wurde. Sesshoumaru ging zielstrebig auf das Schloss zu. Er schien es recht eilig zu haben. Rin wagte es sich ein wenig umzusehen. Sie mussten jetzt auf einem großen Hof sein. Etwas weiter entfernt konnte sie Büsche und etwas Gestrüpp sehen. Mehr auch nicht, da es zu dunkel war. Das Schloss war riesig. Rin konnte erkennen, dass es weiß oder zumindest hellgrau sein musste. >Wenn er hier so ein Schloss besitzt, wieso ist er früher immer durch die Wälder gezogen?< Sie ereichten den Eingang des Schlosses. Sesshoumaru stieß die Tür auf und wartete nun, bis Rin vor ihm die große Halle betrat. Die Eingangshalle wurde von einigen Kerzen beleuchtet, die nur wenig Licht spendeten. Wandteppiche schmückten rechts und links die Seiten des gigantischen Raumes. Einige Portraits hingen auch an den Wänden. Wer darauf abgebildet war, konnte Rin nicht sagen. Aber es mussten wohl alles Familienmitglieder sein. Rin würde sich die Bilder alle ein anderes Mal ansehen. Weiter hinten sah sie eine große Treppe, in dessen Mitte ein dunkler Teppich ausgerollt war. Er musste Rot sein, aber da war sie sich nicht ganz sicher, da das schwache Licht der Kerzen nicht bis dort hinten reichte. Der Boden der Halle und die Treppe waren aus gelblichen Marmor. Es war nicht sonderlich ordentlich. Verschiedene Sachen lagen überall verstreut auf der Erde herum. Sehr sauber war es auch nicht. Auf den wenigen Möbeln und den Portraits, die zu sehen waren, war eine dicke Staubschicht. Der schöne Marmorboden war ebenfalls stark verschmutzt und oben an dem Kronenleuchter hingen Spinnweben und lange Staubfäden hinunter. Rin hatte sich das ganze doch um einiges anders vorgestellt. Wieso lebte ein großer Youkai in einem Schloss, um das sich nicht gekümmert wurde? „Aoi! Mach, dass du hier auf der Stelle herunter kommst!“, rief Sesshoumaru mit seiner tiefen Stimme, die im ganzen Schloss wiederhallte. Rin hatte sich erschrocken, als Sesshoumaru seine Stimme erhob. Nach einigen Sekunden hörte man, wie oben eine Tür geöffnet wurde. Kurz darauf kam eine Person mit hastigen Schritten die Treppe hinunter gelaufen. Rin erkannte, dass es ein junges Mädchen war, vielleicht ein paar Jahre jünger als sie selbst. Sie hatte ein langes weißes Nachthemd an und ihre Haare hingen über ihren Schultern. „Ihr habt nach mir gerufen, mein Herr?“, sagte das Mädchen und knickste einmal vor ihm. Sie musste eben noch geschlafen haben, denn sie sah müde aus und ihr Haar war etwas zerzaust. „Bring sie in das Zimmer im Nordflügel und macht ja keinen Lärm. Ich will meine Ruhe habe, ist das klar?“ „Wie Ihr wünscht!“, sagte das Mädchen. Dann wandte sie sich an Rin. „Bitte folge mir.“ Das Mädchen ging voraus. Rin schaute sich noch einmal nach Sesshoumaru um. Doch der ging schon an ihr und an dem jüngeren Mädchen vorbei die Treppe hinauf. Schließlich tat Rin es ihr und Sesshoumaru gleich. Doch bevor Rin und das Mädchen oben waren, war Sesshoumaru schon in einem der anderen Zimmer verschwunden. „Wo bringst du mich hin?“, wollte Rin wissen. „Du hast von Sesshoumaru-sama ein eigenes Zimmer zugeteilt bekommen. Da kannst du dich glücklich schätzen. Normalerweise werden die Zimmer geteilt.“ „Wie ist dein Name?“, fragte Rin weiter. „Aoi.“, antwortete das Mädchen knapp, das nun neben ihr herging. „Ich bin Rin.“ „Freut mich dich kennen zu lernen.“, sagte Aoi in einem leisen Ton. Sie war müde und hatte auch nicht wirklich Lust um diese Zeit zu reden. „Sehr gesprächig bist du aber nicht.“, gab Rin von sich. „Bitte verzeih, aber Sesshoumaru-sama hat ausdrücklich befohlen leise zu sein.“ Rin sagte lieber nichts mehr. Anscheinend schienen hier alle nach seiner Nase zu tanzen. Sie gingen einen langen Flur entlang, der genau so dreckig aussah, wie die anderen auch. Endlich kamen sie am Ziel an. Aoi öffnete eine Tür, die von außen ziemlich schäbig aussah und auch laut quietschte. Rin hielt sich die Ohren zu. „Hier ist es. Das wird jetzt dein Zimmer sein. Kann ich dich nun allein lassen oder brauchst du noch etwas?“ Rin winkte ihr ab und Aoi verschwand wieder auf den Flur und anschließend in einem der anderen Zimmer, das sie sich mit jemandem teilte. Rin sah sich etwas in dem Zimmer um. >Das kann doch nicht sein ernst sein.<, dachte sie. Dieses Zimmer war die reinste Rumpelkammer. Alles war komplett eingestaubt. Ein Schrank stand in einer Ecke, an dem schon eine Türseite aus der Angel gebrochen war. Außerdem war das Holz schon morsch. Ein Tisch war auch nicht vorhanden. Die zusammengeknüllten Tücher und Decken, die auf dem Boden lagen, musste Rin als ihren Schlafplatz akzeptieren. Der Vorhang, der vor dem völlig verschmutzten Fenster hing, war schon an einigen Stellen zerrissen. Aoi hatte Rin eine Kerze auf dem Boden abgestellt, die nun schwach flackerte. Rin schob die quietschende Tür zu. „Das kann man ja nicht mal einem Hund zumuten.“, sagte sie leise und schüttelte den Kopf. Dann ging sie auf den alten Schrank zu, der genau so moderig roch wie er aussah. Rin hatte gehofft dort ein paar Kleider zu finden, aber der Schrank war komplett leer, abgesehen von ein paar Silberfischen. „Das ist ja ekelhaft.“, meinte Rin und ging einen Schritt zurück. „Na toll, und was bitte soll ich jetzt anziehen?“ Sie hatte keine Wahl. Ob sie wollte oder nicht, sie musste ihren Kimono erst einmal zum trocknen aufhängen. Nachdem sie ihn dann an die Stange gehangen hatte, wo auch der zerrissene Vorhang hing, ging Rin auf den Haufen Decken zu, die wohl nur lieblos in eine Ecke geschmissen wurden. Die weicheste Decke nahm sie als Unterlage, denn sie wollte nicht unbedingt auf diesem Boden schlafen. Eine große Decke nahm sie, um sich zudecken zu können. Der Rest dienste als Kopfunterlage. „So müsste es einigermaßen gehen.“ Sie nahm die Kerze und stellte sie neben ihrem Schlafplatz ab. Das Rin diese Nacht nackt hier schlafen musste, passte ihr überhaupt nicht. Aber sie hatte keine andere Wahl, denn andere Sachen hatte sie hier nicht und ihr Kimono würde etwas Zeit zum trocknen brauchen. Warm war es nicht gerade in dem Zimmer und so versuchte Rin sich wenigstens unter der Decke aufzuwärmen. Zuletzt löschte sie die fast abgebrannte Kerze und suchte im Land der Träume nach schöneren Gedanken. Sesshoumaru schritt zu der Zeit nervös, ungeduldig und aufgebracht in einem Zimmer auf und ab, das vollgestopft war mit Schränken, in denen uralten Bücher standen, allerlei Dokumente verschiedener Art zu einem Stapel aufgetürmt und Unmengen von Pergament und Federn auf einem großen Tisch ausgebreitet waren. An der Wand über dem Tisch hing ein weiteres Portrait und jeweils rechts und links davon hingen Kronenleuchter an der Wand, die das Zimmer erhellten. „Was hat sie hier verloren? Wie hat sie mich gefunden? Das kann doch alles nicht wahr sein! Wie kann sie es nur wagen hier aufzukreuzen?“ Vor Wut schlug er einen Haufen Dokumente von dem Tisch, die dort auf einem Stapel lagen. „Allein hätte sie es unmöglich rausbekommen. Jemand muss es ihr gesagt haben. Nur welcher Idiot wäre so dumm dies auszuplaudern?“ Er blieb mit dem Gesicht zum Fenster stehen und sah raus zum Mond. „Nun, sei es drum. Sie muss hier weg, egal wie und auf welche Art. Um dieses Problem werde ich mich zu gegebener Zeit höchstpersönlich kümmern.“ Es wurde morgen und die ersten Sonnstrahlen berührten die westlichen Länder. Rin wurde aus ihrem Schlaf gerissen, doch nicht durch das Licht, das krampfhaft versuchte, durch das verschmutzte Fenster zu dringen und auch nicht durch die Schritte der Diener, die hastig auf den langen Fluren hin und her rannten. Nein, Rin wurde durch das Klirren von Metall geweckt. Zuerst nahm sie an, dass es Sesshoumaru wäre, der gegen irgendjemanden kämpfte. Doch bei genauerem Hinhören, glich das Geräusch nicht dem Schlagen zweier Schwerter. Rin wurde neugierig. Sie wollte nachsehen, woher es kam. Als sie aufstand merke sie, dass ihr Kimono verschwunden war. „Was soll das denn?“, sagte sie verärgert. „Soll ich jetzt hier nackt herumlaufen?“ In diesem Moment ging quietschend die Zimmertür auf. Rin erschrak und bedeckte hastig mit der Stoffdecke das Nötigste, um nicht völlig entblößt dazustehen. „Hey, noch nie was von anklopfen gehört, oder?“, fuhr sie die Person an, die jetzt in der Tür stand. Dann bemerkte Rin, dass es Aoi war, das Mädchen, dass sie heute Nacht hierher gebracht hatte. „Bitte verzeih, ich wollte nicht so hereinplatzen.“, sagte sie und blickte beschämt auf den Boden. „Aber du brauchst dich nicht schämen. Du hast nichts, was ich nicht auch habe.“ „Wo sind meine Sachen?“, wollte Rin wissen und hielt sich noch immer die Decke schützend vor ihren Körper. „Du hast vorhin noch tief und fest geschlafen und ich wollte dich nicht wecken. Ich habe deinen Kimono zum Reinigen gegeben. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Aber Sesshoumaru-sama hat befohlen dir diese hier bringen zu lassen.“ Sie hielt Rin mit beiden Händen einen kleinen Stapel frisch gewaschener Kleidung hin. „Was? Das hat Sesshoumaru gesagt?“, fragte Rin etwas erstaunt. Das Mädchen zuckte plötzlich zusammen und sah einmal kurz über die Schulter. „Niemals darfst du ihn so in seiner Anwesenheit anreden!“, sagte sie leise. „Nur mit ‚Sesshoumaru-sama’ oder ‚Mein Herr’. Anderenfalls wird er sehr wütend und das kann schlimmer Folgen haben.“, meinte Aoi ängstlich und blickte sich erneut um, als ob Sesshoumaru hinter der nächsten Ecke stehen und nur darauf warten würde, dass jemand etwas falsches sagt. Rin hatte ihn früher auch so genannt, aber lieber würde sie ihn jetzt nur mit seinem Vornamen anreden. Aber das hielt sie derzeit für keine besonders gute Idee. Schließlich nickte Rin Aoi zu, um das Mädchen nicht noch mehr zu ängstigen. >Wieso hat sie solche Angst vor ihm? Zugegeben, wenn er wirklich wütend ist, kriegt man es schon mit der Angst zutun, aber nur, wenn man ihm als Feind gegenüber steht. Aber doch nicht so...< „Gut, dann ziehst du dich jetzt am besten an und dann werde ich dich etwas herumführen. Das Schloss ist nämlich sehr groß und man sollte sich hier ziemlich genau auskennen. Das verlangt Sesshoumaru-sama.“ Sie übergab Rin die frischen Kleider, schloss die Tür und ging wieder auf den Flur. Etwas erstaunt darüber, dass Sesshoumaru ihr Kleider bringen lies, begutachtete sie diese. Aber sie hatte sich zu früh gefreut. Es war nichts besonderes dabei. Die Kimonos waren alle nur aus ganz normalem Stoff. Alle waren einfarbig, nicht mal das kleinste Muster war darauf zu erkennen. Sie hatte zwei weiße und einen blau-gräulichen Kimono. „Das ist zu gnädig...“, meinte Rin in einem sarkastischen Ton. Kurz danach hatte Rin sich einen der weißen Kimonos angezogen. Den Gräulichen fand sie einfach nur schrecklich. >Der sieht aus wie ein gebrauchtes Putztuch.< Sie hatte sich kurz die Haare zurecht gemacht und trat dann aus der Tür raus. Aoi stand schon im Flur und wartete auf sie. „Da bist du ja endlich. Wir müssen uns beeilen. Sesshoumaru-sama mag keine Unpünktlichkeit und wir sind schon spät dran.“, sagte sie hastig, nahm Rin an die Hand und zog sie mit sich mit. Mit eiligen Schritten ging Aoi mit Rin in die oberste Etage des Schlosses. Erstaunlicherweise musste Rin feststellen, dass es hier alles andere als verschmutzt war. Ganz im Gegenteil. Es war sauber und aufgeräumt. Edle Wandteppiche hingen in kräftigen Farben an den Wänden. An den Kronenleuchtern und den Gemälden war nicht ein Körnchen Staub zu sehen und der Boden glänzte wie eh und je. Alles war auf Hochglanz poliert. Rin konnte sich das nicht erklären und blickte nun fragend zu Aoi. „Dies hier ist die oberste Etage, mit Ausnahme der Türme. Nur Sesshoumaru-sama und von ihm ausgewähltes Personal dürfen sich hier aufhalten. Normalerweise dürften auch wir nicht hier sein. Hier sind seine Arbeitszimmer, Bibliotheken und auch sein Gemach.“ Aoi führte sie durch einige Zimmer, darunter eine sehr große Bibliothek und auch einige Zimmer, in denen er sich zurückzog, wenn er seine Ruhe haben wollte. Es gab aber auch Räume, die verschlossen waren. Rin wurde erklärt, dass Sesshoumaru dort niemand dulden würde. Es war jedem verboten sich diesen Räumen zu nähern. Der Rest des Schlosses sah eher katastrophal aus. Aoi zeigte ihr noch den Speisesaal, der auch ordentlich und sauber war, da dort täglich gespeist wurde. Dann wurde Rin in die Küche geführt und natürlich in den Festsaal, der aber nur selten genutzt wurde. „Leider haben wir hier kaum Festlichkeiten.“, sagte Aoi. Anschließend gingen sie raus auf den Hof. Von außen sah das Schloss gar nicht so schäbig aus, wie man es von innen kannte. Es war aus leicht gräulichem Stein erbaut worden. An den Schlossmauern schlängelten sich verschiedene Ranken entlang. Rin wusste nicht genau welche es waren, denn die Ranken blühten nicht, sondern waren braun und verdorrt, sowie alles andere, was eigentlich grün sein sollte. Sie sah eine Schmiede und begutachtete den Stall, der schräg gegenüber auf der anderen Seite des Hofes stand und in dem man viele prächtige Pferde sah. Erst, nachdem der Rundgang durch und um das Schloss beendet war, wurde Rin klar, was Sesshoumaru überhaupt für einen großen Besitzt hatte. Aoi wandte sich schließlich an Rin. „Du hast nun das Nötigste gesehen. Es wir Zeit einen Platz zu suchen, wo du arbeiten kannst.“ Rin blickte sie ungläubig an. „Wie bitte? Das werde ganz bestimmt nicht tun!“ „Aber...“, Aoi schaute sie verwirrt an. „Das geht doch nicht. Du als Dienerin musst doch hier etwas tun. Sesshoumaru-sama kann hier niemanden gebrauchen, der sich nicht nützlich macht. Wenn er mit dir fertig ist, dann bleibt nicht mehr viel von dir über...“ Aoi blickte sich ängstlich um, als ob sie nach Sesshoumaru Ausschau halten würde. „Ich erinnere mich nicht daran, je gesagt zu haben, dass ich hier dienen würde.“, meinte Rin etwas eingeschnappt und verschränkte die Arme. „Ja, aber... wieso bist du denn dann hier?“, fragte Aoi leise. >Das ist eine berechtigte Frage<, dachte Rin. Ihr Blick wich auf den Boden aus. „Ich bin... nur ein... unerwünschter Gast. Ich werde nicht lange hier bleiben.“, sagte Rin schließlich in einem sehr leisen Ton, mehr zu sich selbst, als zu Aoi. „Das ist seltsam. Sesshoumaru-sama hat nie einen Gast“, antwortete Aoi verwundert. Rin blickte sie immer noch nicht an. „Gut, ganz wie du willst. Aber nicht, dass der Ärger nachher an mir hängen bleibt. Ich nehme an, dass du dich als Gast hier frei bewegen kannst.“, sagte Aoi und stupste sie mit dem Finger gegen die Schulter. Rin sah sie jetzt wieder an. „Frei bewegen?“ „Ja.“, sagte Aoi. „Im und um das Schloss herum. Außer die oberste Etage. Die solltest du meiden. Es ist besser so.“ Rin nickte kaum sichtbar. „Ich muss jetzt wieder zurück. Wir sehen uns noch.“ Aoi drehte sich um und ging wieder zurück zu dem großen gräulichen Gebäude. Rin stand nun allein auf dem Schlosshof und wusste nicht genau, was sie tun oder wo sie hingehen könnte. Die Wachen warfen ihr neugierige Blicke zu, die Rin sehr unangenehm waren. Schließlich machte sie sich auf den Weg zu den Gärten, oder das, was davon übrig war. Der eine war anscheinend mal ein Rosengarten gewesen. Aber mehr als ein Haufen dorniges und vertrocknetes Gestrüpp war es jetzt nicht mehr. Dann stand ein großer Baum, der schon mehrere Jahrhunderte alt sein musste, neben einem See. Den Baum und den See umschloss eine mehr oder weniger grüne Wiese. Der große und stabile Baum blühte in voller Pracht, wie es sich um diese Jahreszeit gehörte. Das lag wohl daran, dass er direkt neben dem See stand und so genug Wasser bekam. Das alles musste einmal ein wilder Garten gewesen sein. In dem dritten Teil des Gartens wurde früher wohl Obst und Gemüse gepflanzt. Es standen vereinzelte Bäumchen herum, die aber keine Früchte und nur sehr wenig Blätter trugen. Rin stand da und sah sich ihre trostlose Umgebung an. Dieser Anblick machte sie selbst auf eine Art traurig und depressiv. Sie setzte sich auf einen der Findlinge, die überall herum standen. Eine ältere Frau sah Rin dort sitzen und ging mit langsamen Schritten auf sie zu. „Es ist schade um die Gärten, nicht wahr?“, sprach sie, als sie in Rins Hörweite war. Erst jetzt bemerkte Rin die Frau und sah auf. „Ja, das ist es.“, antwortete sie. Die Frau setzte sich neben Rin auf den Findling. Sie hatte langes graues Haar, das mit leicht roten Strähnen durchzogen war. Ihr Gesicht war mit Falten gekennzeichnet, durch die man ihr ansah, dass sie schon sehr alt sein musste. Ihre grünen Augen strahlten eine gewisse Ruhe aus. Ein kurzer Blick auf ihre Ohren reichte aus, um zu sagen, dass sie eine Youkai sein musste. „Wieso kümmert sich niemand um das alles hier?“, fragte Rin. Die alte Frau seufzte einmal und blickte betrübt zu der Schwarzhaarigen, die neben ihr saß. „Der junge Herr interessiert sich nicht dafür. Ihm ist es gleich was damit geschieht. Ich habe noch nicht einmal in all den Jahren gesehen, dass der junge Herr, nach dem Tod seinen Vaters, sich um das hier bemüht hat.“ „Heißt das, dass es hier früher anders ausgesehen hat?“, fragte Rin weiter. „Natürlich, mein Kind. Einst blühten hier die wundervollsten und seltensten Blumen, in den kräftigsten Farben. Dies war der schönste Ort, den man sich nur vorstellen konnte. InuTaisho, der Vater des jungen Herren, war sehr oft hier. Doch seit InuTaisho-sama nicht mehr ist und sein ältester Sohn über dieses Land herrscht, ist nichts mehr, wie es einmal war.“ Rin hatte Sesshoumarus Vater schon einmal gesehen. Es war zwar schon lange her und er war nur einmal kurz als Geist erschienen, aber Rin konnte ihn gut erkennen. „Ich hätte sie gerne einmal blühen sehen.“, sagte Rin schließlich, nachdem einige Minuten der Stille vergangen waren. „Du bist etwas ganz Besonderes, dass weiß ich.“ Die Youkai legte Rin eine Hand auf die Schulter und lächelte. „Ich bin mir sicher, wenn es jemandem gelingen wird, den Garten zum blühen zu bringen, dann dir.“ Von der Schmiede her erklangen plötzlich laute Stimmen. Zwei Männer schienen sich sehr zu streiten. Dann hörte man ein lautes Scheppern. Kurz darauf kam Sesshoumaru aus der Schmiede. In der Hand hielt er Toukijin. Er begutachtete es einmal im Licht der Sonne und lies es dann wieder in dessen Scheide verschwinden. Dann bemerkte er die beiden Personen, die ganz in der Nähe saßen. Die alte Frau stand schnell auf. „Ich gehe lieber wieder an die Arbeit. Der junge Herr scheint heute nicht besonders gut gelaunt zu sein.“ Mit hastigen Schritten ging sie in die Richtung, aus der sie gekommen war, während Rin immer noch auf dem Findling saß und ihr verwundert nachsah. Sesshoumaru stand vor der Schmiede und warf ihr ein paar kühle Blicke zu. Rin sah ihn nicht an, aber sie wusste, dass er sie ansah. Sie spürte seinen Blick auf ihrer Haut. Als sie dann merkte, dass Sesshoumaru auf sie zuging, sank ihr Blick wieder zu Boden. Seine Schritte wurden lauter und ihr Herz fing an zu rasen. Gleich würde er bei ihr sein. Doch der Moment, in dem Rin gehofft hatte, dass er vor ihr stehen bleiben würde, blieb aus. Stattdessen schritt er einfach an ihr vorbei, als wäre sie für ihn unsichtbar. Rin sah ihm nach. Ihre Hoffnungen sanken immer mehr. Sie fühlte sich leer. Sie hatte das Gefühl zu fallen, immer tiefer und tiefer und es schien kein Ende zu nehmen. „Sesshoumaru...“, flüsterte sie, als er schon einige Meter von ihr entfernt war. Aber dank seiner guten Ohren entging ihm das nicht. Er blieb stehen und hob den Kopf etwas an. „Was ist?“, fragte er in seiner tiefen Stimme. Rin war überrascht, dass er darauf reagiert hatte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Schnell stand sie auf und öffnete ihren Mund, doch kein einziges Wort brachte sie heraus. Sie wusste nicht, was sie in diesem Moment sagen sollte. Eigentlich hatte sie doch nur seinen Namen geflüstert. Sesshoumaru stand immer noch mit dem Rücken zu ihr gewandt und wartete. >Ich will, dass du mit mir redest. Ich will, dass du gut zu mir bist. Ich will, dass du mich in deine Arme schließt und mich festhältst. Ich will, dass sich unsere Lippen berühren und dass dieser Kuss auf Ewig anhält. Ich liebe dich...< Ein Moment des Schweigens verstrich. „Nun?“, meldete sich Sesshoumaru zu Wort. Aus irgendeinem Grund, der Rin unbekannt war, ging sie langsam auf ihn zu. >Das kann ich ihm doch nicht alles sagen. Dann kann ich ja gleich wieder gehen. Was erwartet er denn jetzt von mir zu hören?< Rin zerbrach sich den Kopf darüber, was sie Sesshoumaru nun sagen würde, während ihre Beine sie weiter zu dem Mann trugen, der kurz vor ihr stand. Ihre Wangen hatten eine leichte Röte angenommen. Nun stand sie hinter ihm, nervös und aufgeregt. Sie merkte, dass Sesshoumaru langsam ungeduldig wurde. Verärgert drehte er sich zu ihr um. „Rin, wenn du mir nichts zu sagen hast, dann hört auf, meine Zeit in Anspruch zu nehmen. Ich habe Wichtigeres zutun!“ Er setzte sich in Bewegung und entfernte sich wieder von ihr. >Wieso beachtest du mich nicht? Weißt du eigentlich, wie sehr du mich damit verletzt? Was habe ich dir getan?< Diese Gedanken hatte Rin im Kopf, als sie Sesshoumaru mit einem bedrücktem Gesichtsausdruck nachsah. Doch nur kurze Zeit später wurde Rin durch jemand anderen aus ihren Gedanken gerissen. „Hey, du. Pssst... schau doch mal her!“ Rin sah sich verunsichert um. „Hey, komm mal her.“ Ein junger Mann mit dunkelbraunen Haaren und gelben Augen stand neben der Schmiede und forderte sie mit einer Kopfbewegung auf, zu ihm zu kommen. Rin zögerte zunächst etwas, entschloss sich aber dann seiner Aufforderung nachzugehen. Der dunkelhaarige Mann kam ihr einige Schritte mit einem Lächeln entgegen. „Hallo, wen haben wir denn da? Du musst neu sein, denn ich sehe dich zum ersten Mal.“ Er studierte Rin genau und reichte ihr die Hand, als sie vor ihm stand. „Ich bin Masakazu. Und mit wem habe ich die Ehre?“ „Ich bin Rin.“, sagte sie und guckte noch etwas unschlüssig. „Ein hübscher Name. Du bist noch nicht lange hier, was?“, fragte er sie. „Ich bin gestern Abend angekommen. Aber ich werde nicht lange hier bleiben.“, meinte sie zu ihm und wollte gehen. „Das ist schade. Wieso denn? Gefällt es dir hier nicht?“, wollte Masakazu wissen. „Ehrlich gesagt, nein. Und ich glaube auch nicht, dass ich hier sehr willkommen bin. Das ist jedenfalls mein momentaner Eindruck.“ Ihr Gegenüber runzelte die Stirn. „Ach, der erste Eindruck täuscht meistens. Warte einfach noch etwas ab. Du wirst dich hier wohl fühlen.“ Rin seufzte einmal laut. „Das denke ich nicht.“ Sie schaute sich den jungen Mann, der ihr immer noch gegenüber stand, etwas genauer an. Dabei blickte sie ihm direkt in die Augen. „Du bist kein Mensch, nicht wahr?“ „Stimmt, gut erkannt. Ich bin ein Hanyou.“, grinste er. „Ich habe es an deiner Augenfarbe bemerkt.“, antwortete Rin und zeigte mit dem Finger zu ihm hoch. “Ich weiß, sonst würde man es nicht merken. Das verrät mich. Aber ich habe gelernt damit umzugehen und mich stört es nun auch nicht mehr.“ Rin kratzte sich einmal am Hals. Sie wusste nicht, über was sie sich jetzt mit ihm unterhalten sollte. Außerdem hatte sie Hunger. Seit gestern hatte sie nichts mehr gegessen. Masakazu merkte, dass sie krampfhaft nach einem Gesprächsthema suchte und er entschloss sich schließlich dazu, ihr diese Arbeit abzunehmen. „Ich muss jetzt wieder in die Schmiede. War nett sich kurz mit dir zu unterhalten. Es würde mich freuen, wenn wir uns mal wiedersehen könnten.“ Somit verabschiedete sich der junge Hanyou und ging zurück in das Gebäude, das aus schlichtem Holz erbaut wurde. Da Rin nun einmal sehr neugierig war, ging sie Masakazu einige Sekunden später hinterher, um zu sehen, was genau er darin tat. Sie riskierte einen Blick in die Schmiede und sah, wie Masakazu gerade dabei war einen Waffenständer wieder aufzubauen. Viele Schwerter und andere Waffen lagen auf dem Boden herum. Rin ging ein paar Schritte vor und betrat nun die Schmiede. „Warte, ich helfe dir.“, sagte sie und wollte nach den herumliegenden Waffen greifen. „Nein, bitte lass das. Eine Frau sollte sich an so etwas nicht die Hände schmutzig machen.“, meinte der junge Hanyou und blickte zu ihr auf. Rin sah ihn etwas erstaunt an. So etwas kannte sie bisher nicht. In dem Dorf, aus dem sie kam, mussten alle mit anpacken. Rin hatte auch schon oft die Schwerter der Männer gesäubert und auch geholfen sie zu schärfen. Aber das war auch schon alles, was sie wusste. Sie hatte nicht sie geringste Ahnung, wie man ein Schwert richtig hielt und erst recht nicht, wie man damit kämpfte. Sie beobachtet Masakazu ganz genau. Er bemerkte dies jedoch und schaute wieder zu Rin. „Interessierst du dich dafür?“ „Bis jetzt eigentlich nicht. Ich finde kämpfen schrecklich. Ich würde es nur im Notfall zur Verteidigung machen.“, antwortete sie ihm auf seine Frage. „Ach, komm schon. Kämpfen kann auch spaß machen.“, sagte er und fuchtelte ihr mit einem Schwert vor der Nase rum. Rin schüttelte nur den Kopf. „War das Sesshoumaru?“, fragte sie, als er wieder anfing die Waffen einzusammeln. „Ja, das macht er öfter.“, sagte er und seufzte. „Er gibt mir Toukijin, um es zu säubern und zu schärfen. Dieses Mal war er der Meinung, es hätte zu lange gedauert. Darum war er wütend.“ Masakazu grinste. „Es macht dir gar nichts aus, dass er seine Wutanfälle hier auslässt?“ Der braunhaarige Mann schüttelte den Kopf. „Am Anfang ja, da hat es mich richtig wütend gemacht. Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Es liegt schon fast an der Tagesordnung.“ Rin sagte nichts mehr. Sie schaute Masakazu noch eine Weile zu, kam sich dann aber überflüssig vor. „Ich werde dann jetzt gehen.“ „Ist gut. Wir sehen uns nachher, Rin.“, sagte er vergnügt. „Nachher?“, fragte Rin. „Ja, in dem Speisesaal. Du kommst doch zum Essen, oder nicht?“, meinte er und stellte sich wieder hin. „Essen? Sicher, hört sich gut an.“, sagte Rin. „Dann sehen wir uns nachher.“ Sie winkte ihm noch einmal kurz zu, drehte sich schließlich um und ging einige Meter auf das Schloss zu. Am Schlosseingang sah sie Sesshoumaru stehen, der sie lange ansah. Sie blieb ebenfalls stehen. Ihr gelang es, den Blickkontakt mit Sesshoumaru eine Weile aufrecht zu erhalten. Er war zwar weit entfernt, aber sein Blick fesselte Rin auf seine eigene Art und Weise. „Wieso siehst du mich so an? Bist du vielleicht doch nicht so, wie alle behaupten? Das habe ich von Anfang an nicht glauben wollen. Ich weiß, dass du gut bist. Du hast nur immer diese kühle Maske auf, damit man dich nicht durchschauen kann. Aber ich kann dich durchschauen. Das konnte ich schon immer. Ich weiß, wie es in dir aussieht, Sesshoumaru. Und ich werde dir helfen, deinen Gefühlen, die du tief in dir hast, freien Lauf zu lassen. Es ist keine Schande seine Gefühle anderen gegenüber zu zeigen. Fürchte dich nicht davor...“, flüsterte sie leise in den frischen Wind, der ihr entgegen wehte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)