Das Fremde Mädchen von Tyra-Leonar ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Sie blinzelte. Wo war sie? Das Mädchen lag in einem großen Bett in einem noch größeren Zimmer. Neben ihr stand auf einem Nachtkästchen eine Schale mit Wasser, auf ihrem Kissen lag ein feuchtes Tuch dass ihr von der Stirn ge-rutscht war, als sie sich gedreht hatte. Vor ihr Stand eine kleine Kommode und an der rechten Seite waren große Fenster mit geschnitzten Rahmen, links eine Tür. Über ihrem Bett hing ein Spiegel mit ebenfalls reichlich verziertem Rahmen, genau wie bei den Fenstern- kurz, Tiphereth erkannte, dass sie noch nie hier gewesen war. Sie drehte ihren Kopf und erschrak. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren kniete vor ihr auf dem Boden und hatte seinen Kopf auf seine Arme gelegt, die er auf der Bettkante abstützte. Er schlief, aber ein besorgter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, ein Gesicht das Tiphereth glaubte schon einmal gesehen zu haben- irgendwo, vor geraumer Zeit... aber wo? Vielleicht sollte sie ihn aufwecken? Nein, lieber nicht. So wie es aussah hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Mitleid glomm in ihr auf, aber diesen Funken löschte sie schnell wieder. Im Moment hatte sie ganz andere Probleme. Sie setzte sich auf und schaute sich noch einmal um. Die Bettdecke rutschte ihr auf den Schoß, eigentlich nichts ungewöhnliches, aber... "Oh heilige Scheiße!" rief sie aus und zog die Decke schnell über ihren Mund. So laut hatte sie gar nicht schreien wollen. Schlief der Mann noch? Langsam legte sie sich schief, um in sein Gesicht schauen zu können. Ja, er schlief noch, aber dieses Gesicht... es kam ihr so bekannt vor. Sie ließ von ihm ab und hob etwas die Bettdecke hoch. Was sie anhatte war mehr als schäbig. Ein altes, zerlöchertes und arg zerschlissenes weiß-graues Nachthemd und sie war über und über mit Bandagen bedeckt. Ihre Hände waren noch frei und mit denen tastete sie nun in ihrem Gesicht nach noch mehr Bandagen. Aber da war nichts. Vor Erleichterung seufzend nahm sie die Hände wieder herunter. Eine Weile saß sie einfach nur so da, bis sie über die Bettkante schaute um nachzusehen ob auf dem Boden etwas war wo sie drauf treten könnte. Außer einem Paar brauner Pantoffeln und eines rotem Teppichs war da aber nichts. Sie schwingt erst das eine dann das andere Bein über die Kante und steht auf. Tiphereth schwankt kurz, findet aber ihr Gleichgewicht schnell wieder. Barfuß läuft sie durch das Zimmer auf die einzige Tür im Raum zu. Davor schaut sie sich noch einmal nach dem Mann um und drückt dann die Klinke herunter und schreitet durch die Tür. Rechts von ihr erstreckt sich ein Flur dem sie folgt, die Treppe hinunter bis zum Erdgeschoss und dort in den Raum direkt vor ihr. Sie ist im Wohnzimmer gelandet. Die Sonne war schon längst aufgegangen und schien durch die großen Fenster auf den Teppich. Weiter rechts war ein Durchbruch in der Wand und dahinter die Küche. Wie ein Geist schreitet Tiphereth durch den Durchbruch und schaut sich um. Es war weniger Neugier denn sie wollte einfach feststellen wo sie war, die Ungewissheit besiegen. Der Sonnenschein beleuchtet den Küchentisch und dort die Schale mit Obst. In dem Zwielicht aus Licht und Schatten sah Tiphereth aus wie ein Geist. Die Arme schlaff herunterhängend, eine gleichgültige Miene und ein leicht schwebender Gang. Als sie auch die Küche inspiziert hatte, ging sie durch die eine spaltbreit geöffnete Tür und schloss sie hinter sich. Nun war nur noch die Eingangstür rechts, am Ende des Flurs übrig. Vielleicht konnte sie dahinter herausfinden wo sie wahr. Irgendetwas musste ihr doch bekannt vorkommen. Vor der Tür angekommen streckte sie die rechte Hand nach der blank polierten Messingklinke aus. "Na? Lust auf einen Spaziergang?" Tiphereth dreht sich zu der Stimme um. Ihre kurzen Haare wibbten beim stoppen einmal hin und her. Der schwarzhaarige Mann stand auf der vorletzten Stufe der Treppe und lehnte sich über das Geländer. Er hatte die Hände ineinander verschlungen und musterte sie neugierig. Als sie keine Antwort gab, schaute er sie erst schief an und lächelte, dann ging er auf sie zu und an ihr vorbei zur Tür und drückte die Klinke herunter. Er stieß die Tür bis zum Anschlag auf, so dass auch sie selbst hinaus schauen konnte. Das morgendliche Licht blendete sie und Tiphereth musste die Hand schützend vor ihre Augen halten um wieder sehen zu können. Nachdem sie sich an das Licht gewöhnt hatte, schaute sie sich die Umgebung genauer an. Links von sich konnte sie das Rauschen des Meeres hören und direkt vor sich sah sie den Wald. Braune und leicht gefärbte Blätter kündigten den Herbst an. Rechts vom Haus verlief ein Fluss und weiter hinten stürzte sogar ein Wasserfall in die Tiefe, dies bemerkte sie, als sie das Haus einmal umrundete, der Fremde ihr immer dicht auf den Fersen. An der Klippe zum Meer blieb sie stehen. Warum war ihr alles nur so fremd? Wie war sie überhaupt hierher gekommen? "Alles ist so... verwirrend... ich will nach Hause..." dachte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der schwarzhaarige Mann trat neben sie und sah ebenfalls aufs Meer hinaus. Tiphereth wandte ihren Kopf ihm zu und musterte ihn. Er hatte wie schon gesagt schwarze Haare und wie nun zu erkennen war auch schwarze Augen. Er trug eine ockerfarbene, ärmellose Weste und dazu eine braune Stoffhose. Auch er war barfuß. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er sie lieb an. Tiphereth errötete und schaute schnell wieder weg. Der Fremde war verdutzt über ihr Verhalten, was Tiphereth aus den Augenwinkel heraus mitbekam. Er trat an sie heran, legte ihr von hinten die Arme um die Hüften und schmiegte sich an sie. Tiphereth erschrak. Nicht nur wegen der Berührung eines Mannes, sondern auch weil ihr irgendetwas gerade durch den Kopf geschossen war und ihr nun Kopfschmerzen bereitete. Sie riss sich von ihm los und schaute ihn verwirrt an. Wieder setzte der Fremde seinen verdutzen Blick auf. Er hielt seine Arme einladend zu ihr hin und machte ein dummes Gesicht dazu. "...Wer.... bist du?" Kapitel 2: Verlorene Erinnerung ------------------------------- "...Wer.... bist du?" fragte ich. Der Fremde blickte mich nur weiterhin blöde an und gab keine Antwort. Dafür nahm er seine Arme wieder runter und schaute nun abwechselnd traurig und entschuldigend fröhlich. Wobei seine Mimik bei je-dem dritten Wort wieder umschwang. "Na ja,.... also... äh... ich bin Nant-win.... ähm..." sagte er, als ob das genügen würde und wieder nahm er seine Arme hoch. Auch diesmal ging ich nicht auf ihn zu, genau deswegen nahm er die Arme auch wieder herunter und ging stattdessen einen Schritt auf mich zu. Ich dafür einen Schritt zurück. Aber weit konnte ich nicht, da war schon die Klippe. Dies bemerkte ich, als ich einen sichernden Blick über meine Schulter warf, um nachzuschauen wie weit es noch bis zum Fallen war. Nicht weit wie sich heraus-stellte. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder dem angeblichen Nantwin zu, der mich anscheinend gut kannte oder einfach nur ein Schinkencasanova war. Schinkencasanova? Wo habe ich denn das Wort nur her? Und überhaupt, warum kann ich mich nicht mehr an meine Vergangenheit erinnern? Was ist nur mit mir passiert? Vielleicht weiß er ja etwas. "... Nantwin...? richtig?" Nantwin lächel-te mich an, anscheinend hoffte er, dass ich mich wieder erinnert hatte wer er war. Fehlgeschlagen mein Lieber... und das sag ich dir jetzt auch. "Brauchst gar nicht so zu denken... ich erinnere mich nicht ein bisschen. Weder an dich noch an das alles hier..." ich machte eine ausladende Handbewegung und meinte damit die ganze Umgebung und selbst das Haus, dann fuhr ich fort. "... Du bist mir höchst suspekt und trauen tu ich dir auch kein bisschen...!" Bei diesen Wor-ten sah er mich schockiert an und seine Kinnlade klappte nach unten. "...also, weiter im Text... wo bin ich hier und... wo komm ich her? Sprich schon!" fügte ich hinzu, als er keine Anstalten machte zu antworten. "Also... ähm..." er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und gluckste vor sich hin "das hier... ähm... das hier ist unser Haus und unser Wald.... äh" er schaute mich an, ob ich auch verstanden hatte. Aber diesmal war ich es der die Kinnlade herunter-fiel und schockiert schaute. Hastig fuhr er fort und schaute mit leicht rotem Kopf zu Boden "... nun ja und..." er kam ins Stocken und seine Stimme erstarb. "Und welche Beziehung verbindet uns zwei?" fragte ich spöttisch. Der Kerl kann überhaupt nicht gescheit erklären. Soll er doch einfach die Geschichte erzählen wie sie war und nicht rumglucksen. Oh Mann, ist dieser Kerl mir zuwider. "Nun ja..." sein Kopf wurde immer röter, doch langsam war mir das total egal. "Uns verbindet mehr als Freundschaft... puh... ich sollte von vorne anfangen." Er blickte mich an, ob ich damit auch einverstanden war. Ich wollte einen gehässi-gen Spruch von mir lassen, doch ich biss mir auf die Lippe und schluckte die bö-sen Worte wieder hinunter. Ich schloss die Augen, um ihn nicht mehr sehen zu müssen, sonst hätte ich meinen Satz doch gesagt, und nickte. "Also... chrm..." auf einmal war er so gefasst und ruhig und das Dumme war... irgendwie törnte mich das an, so´n scheiß! "Wir waren Sandkastenfreunde bis ich als ich neun Jahre alt war wegzog. Du warst damals acht, und du hast fürchterlich geweint und geschrien." Er lachte bei diesem Gedanken, was mich noch mehr antörnte. Argh verdammt... (laber net hör lieber zu! Tz tz tz!!) "Doch die Kutsche fuhr trotzdem ab. Ich konnte dich sehen, durch das Loch hinter mir und hören auch. Es war herzzerreißend. Deine Mutter fing dich schnell wieder ein und nahm dich auf den Arm um dich zu trösten, doch alles half nichts. Was noch weiter ge-schah, sollte ich erst sehr viel später erfahren." Er machte eine Pause und hol-te laut Luft. "Nach sechs Jahren kam ich wieder nach Hause, ich war zur Lehre gewesen, deswegen war ich auch gegangen. Aber was ich dann sah, stimmte mich unendlich traurig." Ich schaute ihn wie gebannt an und lauschte. Warum war er jetzt so traurig? Hatte sich die damalige Lage nicht geändert? Bestimmt schon, aber.... warum sah er dann jetzt so aus? War es so schlimm gewesen. Ich erschrak, als ich seine Hände bemerkte. Sie waren zu Fäusten geballt. Und jetzt bemerkte ich auch, was noch so war. Er zitterte am ganzen Körper:... bitte ... bitte erzähl doch weiter. Mit flehendem Blick hoffte ich, dass er auf-hörte so traurig zu sein. Aber warum wollte ich das überhaupt? Tat er mir so Leid? "Was ich dann sah, war schrecklich und vor allem war es alles meine Schuld!" schallt er sich selbst und schloss verbittert die Augen "Du... hattest aufgehört zu sprechen und nie wieder gelacht seitdem ich fortgegangen war. Deine Schulnoten hatten dadurch nicht gelitten aber ... dein Herz war schwarz gewesen. Schwarz wie die Dunkelheit..." Nun sah er mich wieder an. Sein Blick war so voller Mitleid und ich biss mir auf die Lippe, um meine Gefühle zu unter-drücken. "Auch mit mir wolltest du nicht reden. Als ich deine Mutter fragte, erzählte sie mir, dass du seit dem Tag an dem ich gefahren war in diesem Zu-stand warst und dich schon öfters versucht hättest umzubringen." Er seufzte, schüttelte den Kopf, blickte dann wieder gen Boden und schaute wieder traurig "Genau .... genau das geschah auch als ich dich wieder sah. Du ranntest vor mir weg, ich wollte dir hinterher, aber du warst schneller, viel zu schnell. Sie fan-den dich... Die Dorfbewohner fanden dich im Fluss. Halberfroren und klinisch tot. Und das Dumme ist, das passierte öfters, jedes Mal wenn du mich sahst. Aber ich lernte dazu, wurde schneller und eines Tages kam ich dir zu Hilfe. Wieder wolltest du von der Brücke in den Fluss springen... aber mit mir hattest du nicht gerechnet. Ich seh es vor mir, als würde es jetzt gerade passieren: Einen Fuß schon vorgesetzt fielst du senkrecht in die Tiefe. Ich sprang über die Brüstung der Brücke und streckte meine Hände nach dir aus. Mit einem Köpper schnappte ich dich und wir fielen ins eiskalte Wasser, es schlug über uns zu-sammen und du sahst mich an. Weder böse noch todunglücklich, dass ich dich vom Tod abgehalten hatte. Nein... erst warst du erschrocken und dann lächel-test du. Ein Lächeln, das ich vorher noch nie in meinem Leben gesehen hatte, so lieb und alles andere um dich herum hattest du vergessen. Ich schwamm mit dir wieder hinauf zur Wasseroberfläche und brachte dich ans Ufer. Keuchend beug-te ich mich über dich, um zu schauen, ob du auch okey warst. Aber du warst mehr als das... du zogst meinen Kopf herunter und meine Lippen berührten die deinen. Ich war anfangs ehrlich gesagt erschrocken, aber das legte sich bald wieder. Ich... ich schloss meine Arme um dich... und so blieben wir eine Weile liegen. Bis ich merkte, dass dir kalt war. Du musstest schleunigst aus diesen nassen Klamotten raus. Du schienst meine Gedanken gelesen zu haben und... ä-chem... na ja... du hast mir die Kleider vom Leib gerissen... und... und da konnte ich nicht anders und hab auch und na ja... also... ächem... unsere nack-ten Körper wärmten uns, so kamen wir auch um eine Lungenentzündung herum... und ähm... ich glaube, ich muss das nicht weiter erläutern..." Mit hochrotem Kopf lief er hin und her um mich nicht ansehen zu müssen. Ich schaute ihn da-für mit schiefem Blick an... was war schon dabei? Ach egal... Er blieb stehen und legte sich die Hände auf die Wangen. "Ich bin arg rot stimmt´s?" Ich schüttelte den Kopf und ging auf ihn zu. "Nein... nur ein bisschen..." ich legte ihm meine Hand auf seine eigene und schaute ihn eindringlich an "Stimmt das alles? Was ist dann passiert?" "Ah ja, ich vergaß... also ich wollte nicht weiter in diesem Dorf leben. Ich glaube sie hielten mich für einen Zauberer, weil du auf einmal wieder angefangen hattest zu sprechen. Und zu jener Zeit waren die Hexenverbrennungen gar nicht so lange her, nun du kannst dir vorstellen wie sie dann mit einem Zauberer, ob er nun einer ist oder nicht, umgehen würden. Ich wollte gehen und wieder ranntest du mir nach. Diesmal konnte ich anhalten... zum Glück. Du wolltest unbedingt mit. Ich lehnte ab, du warst dort zu Hause... aber du drohtest mir, dass du wieder schweigen würdest und so weiter... Das ließ ich nicht zu. Also nahm ich dich mit. In der nächsten Nacht verschwanden wir und bauten uns hier ein neues zu Hause auf. Was uns gut gelungen ist, nicht?" er deutete mit dem Daumen hinter sich und grinste. "Und weiter? Wa-rum kann ich mich nicht mehr erinnern?" "Nun ja, damit kommen wir zu dem Teil der Geschichte, der mir selbst komisch vorkommt. Ich fand dich im Wald. Du warst bewusstlos und außerdem seit Tagen nicht zu Hause gewesen. Also suchte ich nach dir; als ich dich fand warst du unterkühlt und fast verhungert. Ich päppelte dich wieder auf, doch bewusstlos bliebst du nach wie vor. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schwer es ist jemanden zu füttern, während er schläft oder in einem ähnlichen Zustand ist. Und heute, ja heute bist du endlich aufgewacht und...." sein Grinsen verschwand und wieder wurde seine Miene tief traurig "... und du kannst dich an nichts erinnern...." Ich blinzelte ihn ungläu-big. an "Im Wald? Bewusstlos? So ein Schmarn... Ist mir ein Ast auf den Kopf gefallen oder was? Wenn ich irgendwo runter geplumpst wäre, würde ich mich nicht wundern, aber.... war da nirgends ein Ast oder andere Spuren?" "Nein, nicht wirklich, nur die Tierspuren von den Tieren, die dich leicht angeknabbert hatten." Wieder grinste er, diesmal über seinen eigenen Witz. Ich fand das gar nicht spaßig... so was Blödes, warum konnte ich mich nur nicht erinnern. "Und... wie heiß ich?" ich wusste die Antwort, es war eher ein Test, ob er mich auch wirklich kannte und sich diese Geschichte nicht ausgedacht hatte. "Tiphereth, kannst du dich auch daran nicht erinnern?" "Nein, es war ein Test." "Du traust mir nicht, stimmt´s? Ehrlich gesagt... würde ich auch nicht, wenn ich an deiner Stelle wäre... an was kannst du dich denn noch erinnern?" ändert er das Thema schnell wieder, um nicht im schlechten Licht zu stehen. "An..." begann ich. Nantwin beugte sich zu mir herunter und schaute mich gespannt an "An...." er kam immer näher "An gar nichts" sagte ich kurz heraus. Bumm. Nantwin war umgefallen. "An nichts?" "Ja" "An wirklich gar nichts??" "Das sagte ich doch bereits!" Er schwieg, legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schaute in den Himmel. Ich ging in die Hocke und schaute ihm beim Gucken zu. Nach einer Weile fand ich ihn nicht mehr so interessant wie am Anfang, schaute mich weiter um und strich mir immer wieder eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Wind hinein geweht hatte. "Also dann!" erschrocken blickte ich zu ihm auf. Er stand wieder auf den Beinen und grinste zu mir hinun-ter. "Wollen wir was an deinen Gedächtnislücken ändern!" er reichte mir die Hand und grinste noch schelmischer. Ich ließ mich hochziehen und stand ihm nun gegenüber. Ohne weitere Worte zieht er mich von der Klippe weg und um das Haus herum. "Da drin warst du ja schon..." murmelte er vor sich hin und zieht mich weiter zum Wasserfall. Am Ufer des Flussbetts blieb er stehen und stemmte die Hände in die Hüften "Also...?" "Was also?" "Kannst du dich an et-was erinnern?" Jetzt wusste ich was er meinte und schaute mir den Wasserfall genauer an, der Fluss unter ihm kräuselte sich leicht im Wind. Ich lief weiter ans Ufer und ging wieder in die Hocke. Wie aus einem Reflex heraus, streckte ich die Hand nach dem Wasser aus und strich über die Oberfläche. Bammmm.... So viele Bilder drangen durch meinen Kopf.... Ein Mädchen... mit lila farbenem Kleid.... es weht im Wind.... sie steht vor dem Wasserfall... Bammmm.... nächstes Bild.... es regnet.... dasselbe Mädchen, dasselbe Kleid.... es dreht sich in der Hocke um.... es ist älter als vorher.... reifer und es lächelt.... Bammm.... diesmal kein Bild. Ich war umgefallen. "Au" "Was ist?" Nantwin war an meiner Seite und stütze mich. "Diese Schmerzen... es tut so weh..." er schaute mich hilflos an und überlegte fieberhaft, wie er mir helfen konnte. Was waren das für Bilder gewesen? War ich das? Diese Schmerzen.... Mit Nantwins Hilfe stand ich wieder auf. "Lass uns weggehen." Er verstand und führte mich zum Wald. Wieder blieb er stehen und wieder schaute ich mich genauer um. Ei-gentlich wollte ich mich nicht mehr erinnern. Diese Schmerzen wollte ich nicht noch einmal erleben. Zu spät.... Bammmm.... wieder die Frau.... diesmal eine Hose und ein Hemd.... verschwitzt beim Holzhacken.... ich sehe durch ihre Au-gen... da ist jemand... ich kann sein Gesicht nicht erkennen.... aber dieses Ge-fühl... hmmmm.... es ist so schön.... Bammmm..... Ein Blitz schlägt in den Baum.... jemand hält mich fest, umarmt mich..... ich kann den Kopf nicht dre-hen... wer ist das nur?...... Ich fasste mir an die Schläfe und kniff die Augen zusammen. Auch biss ich die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien. Das ging alles viel zu schnell, wie sollte ich mich da richtig erinnern! "Ach verdammt" "Was ist?" Wieder war Nantwin besorgt an meiner Seite. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die letzen Worte laut gesagt hatte. Ich zwang mich noch einmal den Wald anzuschauen. Diesmal geschah nichts. Außer, dass ein stärke-rer Wind aufkam und die Baumwipfel sich im Wind wiegten. Einige Vögel stiegen in die Luft und zwitscherten wild durcheinander. "Wir sollten uns hier draußen beeilen, es zieht ein Gewitter auf." Ich folgte seinem Blick zur Klippe und über diese hinaus. Der Horizont war vollkommen dunkel und es donnerte schon be-drohlich. Ich ging zurück auf die Klippe zu und ließ meinen Blick über den Strand darunter gleiten. Da unten lief jemand.... nein... nur ein Schemen, aber... das konnte nicht sein... wieder diese Frau.... das war ich.... ich war das Mädchen und nun diese Frau.... ja genau das war´s.... ich erinnerte mich. Es war Som-mer und ich rannte den Strand entlang gefolgt von jemandem... aber wem... verflucht... ich kann mich doch nicht ganz erinnern. Nantwin hakte sich bei mir ein. "Lass uns rein gehen, Liebes. Wir können morgen weiter versuchen dein Ge-dächtnis aufzufrischen." Wieder lächelte er, auch wenn sich dahinter nur diese tiefe Traurigkeit verbarg. Kapitel 3: Alltag ----------------- Nantwin behielt Recht. Das Gewitter war heftig. Der Regen prasselte selbst noch am späten Abend gegen das Fenster in unserem Zimmer und ich ließ noch einmal den Tag Revue passieren. Er hatte mir das obere Stockwerk gezeigt und mir alles genau erklärt. Das Zimmer in dem ich aufgewacht war stellte sich als unser gemeinsames Schlafzimmer heraus. Glücklicherweise besaß Nantwin den Anstand unten auf der Couch zu schlafen. Meine Erinnerung ließ mich nach wie vor im Stich und bis ich diese nicht wieder hatte, wollte ich ihn nicht zusammen mit mir in einem Bett schlafen lassen, das wäre ja noch schöner. Aber irgendwie tat er mir unendlich Leid. Ich vertrieb ihn aus seinem eigenen Zimmer... nein, aus unserem Zimmer.... absurde Vorstellung... ich fühlte mich nicht wie 20... eher wie immer noch 15... woran das wohl lag? (an Naivität...) Ich schlief ir-gendwann ein. (Stell sich das einer vor *Sarkasmus pur*) Der nächste Tag verlief genau wie der erste und dritte. Nantwin zeigte mir alle Stellen, an denen ich schon einmal gewesen war. Jedes Mal erinnerte ich mich ein Stückchen weiter an mich... aber nicht an ihn. Am vierten Tag verzweifelte er völlig. Er beließ es dabei und ging wieder seinen alltäglich Pflichten nach. Er erklärte mir, was ich früher getan hatte und so ging ich diesen Plan auch ein-fach weiter. Putzen, waschen, kochen und dem Manne im Haus helfen. Das sah dann so aus, dass er mich immer wieder heim schickte, da ich überhaupt nichts hinbekam. Weder das Holzhacken, welches ich in meiner Erinnerung gesehen hatte noch das Rennen am Strand entlang. Ich war tapsig und blieb fortan im Haus, denn dort konnte ich erstaunlicher Weise alles. Wirklich alles ging mir leicht von der Hand und so war die weibliche Note bald wieder hergestellt. Da-vor war alles drunter und drüber gegangen. Unabgewaschenes Geschirr im Spül-becken, ungewaschene Wäsche in einem Korb und überall verstreute Sachen. Letzteres, meinte Nantwin, läge daran, dass er sich so viel um mich gekümmert und keine Zeit für andere Dinge aufgebracht hatte. Nun ja, und das andere.... er hatte einfach keine Lust gehabt sich darum zu kümmern. Toller Mann, denn hätte ich nicht geheiratet.... ich vergaß. Wir waren nicht verheiratet, wir leb-ten nur zusammen. Mehr hätten wir auch nicht gewollt. Ich zitiere "Wir sind für einander bestimmt" würg, so ein ausgemachter Unsinn. Er meinte außerdem, dass ich dasselbe auch schon des Öfteren von mir gegeben hätte. Noch mal würg. Aber irgendwie war er süß gewesen, als er das gesagt hatte. Na wer weiß... ich legte den Kopf schief, hielt mir den Zeigefinger auf den Mund und schloss genüsslich die Augen. Mit jedem weiteren Tag, kehrte meine Erinnerung ein Stückchen weiter zurück. Auch Nantwin lernte mir wieder seine Tätigkeiten, auch wenn dies nur stockend vorwärts ging. Alles was mit ihm zu tun hatte ging sowieso nur stockend(, man denke nur an die Erinnerung). Aber ich lernte mehr schlecht als recht und dann kam der Tag, der Tag auf den er und ich schon so lange gewartet hatten. Auch wenn dieser Tag nicht so gedacht war. Es war noch früh am Morgen und ich schlüpfte in meine braune Hose, mein o-ckerfarbenes Hemd und eine passende Weste. Stülpte die braunen Stiefel über und zog meine schwarzen Handschuhe an, bei denen die Finger unbedeckt blie-ben, um später besser nützlich zu sein. Obwohl es noch früh war, war es längst viel zu spät. Die Sonne kündigte sich schon lange hinter dem Wald an und Nant-win musste schon eine Ewigkeit unten vor dem Haus warten, also rannte ich die Treppe hinunter und hinaus, warf die Tür hinter mir zu, schloss ab und weiter in den Wald, wobei ich mir im Rennen noch die beiden Körbe, die am Boden stan-den, schnappte. Ich fand Nantwin ein gutes Stück weiter im Waldesinneren. Hier war es so dunkel, dass man meinen konnte es wäre kurz vor der Dämme-rung. Als ich ihn einholte murmelte er irgendetwas vor sich hin. Ich ließ ihn grummeln und schlenderte gut gelaunt neben ihm her. Wir wollten zu einem um-gefallenen Baum, er lag schon seit dem Gewitter vor zwei Tagen und befand sich auf der anderen Seite des Waldes. Das trockene Holz konnten wir gut gebrau-chen, denn der Winter kam immer näher. Jetzt war es Herbst und ich war schon mindestens 4 Wochen bei Nantwin. Langsam wurde er immer ungemütlicher und grummelte ständig missmutig vor sich hin. Seine Geduld war bald am Ende, das wusste ich, aber ich konnte auch nichts dagegen tun. In manchen schlaflo-sen Nächten hatte ich mir ausgemalt was er tun würde, wenn es soweit war. Hirnrissige Gedanken und absolut abtrünnige Ideen waren dabei aufgekommen. Zum Beispiel, dass er mich vergewaltigen oder im Wald aussetzen würde. Bei diesem Gedanken schüttelte es mich. Wie lange würde ein Mann ohne eine Frau auskommen? Brrrr... wieder schüttelte ich mich. Ich schob diese törichten Ge-danken beiseite und ging nun weniger sorglos neben ihm her. Ständig warf ich ihm Blicke von der Seite zu und musterte ihn. Heute trug er ein dunkel grünes, ärmelloses Shirt und eine schwarze, eng anliegende Hose, die er unten umge-schlagen hatte, damit sie nicht schleifte. Darunter schwarze Schuhe und eben-falls schwarze Handschuhe, genau wie ich. Sein Gesichtsausdruck war mürrisch, aber, das wusste ich genau, er würde umschwingen sobald er an die Arbeit ge-gangen war. Wir erreichten das Ende des Waldes ohne irgendwelche Zwischen-fälle; vielleicht lag es an Nantwins mürrischer Aura, dass uns kein Tier angriff. (Wohl kaum -,-´) Der Baum lag noch genauso da, wie ihn Nantwin gefunden hatte. Dieser machte sich sofort an die Arbeit ohne sich die jetzige Situation nur einmal anzuschauen. Die Axt fest im Griff hackte er auf den dicken Stamm ein und ich, ja ich machte mich an das dünnere Geäst, löste es von den dickeren Ästen, hackte diese ab und legte sie in eine der beiden Körbe. Es wurde lang-sam dunkel, als diese voll waren und der Baum noch halb am Boden lag. Nantwin schickte mich mit einer der beiden Pistole, die wir mitgenommen hatten nach Hause, um die Körbe auszuleeren. Gesagt, getan. Ich ging. Nantwin würde wei-ter hacken, so viel stand fest. Also befestigte ich die Pistole an meinem Hosen-bund und ging nach Hause. Dort angekommen fing es an zu regnen. "Nicht schon wieder!" Ich hielt die Hand auf, um die Tropfen zu spüren und schaute in den ergrauten Himmel. Kapitel 4: Sturzbachregen ------------------------- Ein Tropfen traf mich zwischen den Augen und ich blinzelte erschrocken. Ich schloss die Tür auf und schüttete die Körbe vor dem Kamin im Wohnzimmer aus, dann machte ich mich wieder auf den Weg. Der Regen war noch schlimmer ge-worden und als ich wieder bei dem Baum ankam, schüttete es wie aus Eimern. Von Nantwin weit und breit keine Spur. "Hä? Nantwin? Nantwin!" Er war nirgends zu sehen und auch nichts war zu hören, dafür war der Regen wohl auch zu stark. Ich legte die Körbe unter den Baum damit sie nicht allzu nass wurden und ging Nantwin suchen. Was ich nicht bemerkte war, dass die Körbe sobald ich mich umgedreht hatte davon gespült wurden. Ich watete auch schon durchs Wasser, doch das alles bemerkte ich nicht vor lauter Sorge um Nantwin. Ich suchte die nähere Umgebung nach ihm ab, den Wald und die Steilwand bis ich mich entschloss meinen Kreis zu erweitern. Nach einer Weile, ich weiß nicht mehr genau wann, fing ich an zu rennen ohne mir es recht zu bemerken. Das war nicht Nantwins Art einfach zu verschwinden ohne etwas zu sagen. Ich rannte und rannte... bis zur Klippe. Der Fluss war angeschwollen und rauschte bis hierher und da sah ich es. Ein Flussabzweig war ebenfalls angeschwollen und hatte sich zu einen Nebenfluss entwickelt. Dieser riss alles mit was ihm in den Weg kam. Wirklich alles. Bäume, Sträucher, Erde und kleine Steine. "Nantwin! NANTWIN!" wieder rief ich nach ihm und schrie mir die Seele aus dem Leib. Doch es half nichts, ich bekam keine Antwort, der Fluss war einfach zu Laut... zu Laut? Das ist es! Ich zog die Pistole aus meinem Hosenbund und prüfte ob sie noch trocken genug war um einen Schuss abzufeuern. Den Finger auf dem Abzughahn hielt ich die Pistole senkrecht nach oben und hielt mir mit der anderen Hand das linke Ohr zu. PEEEENNNNNGGGGG.... ich wartete..... nichts geschah. Ich schaute nach ob noch eine Kugel in der Pistole steckte. Fehlanzeige. Na toll.... "Wie sollte ich mich da denn Verteidigen, Nantwin!!!" Peng. Ein Schuss? Ich wirbelte herum. Er war von rechts gekommen. "nantwin" flüsterte ich und rannte wieder los. Im rennen warf ich die Pistole weit von mir und sprang durch dickes Gestrüpp und tiefhängende Äste. Schon bald war mein Hemd zerrissen und ich hatte an Arme, Hände und Gesicht, ja selbst am Bauch und an den Beinen Schrammen. Ich ließ die Schmerzen hinter mir. Nantwin war in Schwierigkeiten. Ich rannte und rannte und ich schien kein Stückchen näher zu kommen. Doch dann... ich schwankte hin und her und fiel, fiel die Böschung hinunter. Im letzen Moment konnte ich mich ans Ufer klammern. Das Wasser war weit unter mir aber die Erde war viel zu weich um mich lange halten zu können. Schnell hievte ich mich wieder hinauf und atmete laut und schwer vor mich hin. Noch ein Nebenfluss hatte sich gebildet, dieser war so stark dass er das Ufer und das Flussbett soweit ausschürfte, dass das Land und das Wasser mindestens fünf Meter von einander entfernt war. "Ti - Tiphe....Tiphereth. TIPHERETH!!" Wer rief da nach mir? Nantwin? Ich schaute mich suchend um und entdeckt ihn im Fluss. Er klammerte sich verzweifelt an einem eingekeilten Baumstamm fest und schluckte ständig diese braune Brühe von Wasser. "NANTWIN!!" Wieder rannte ich, diesmal am Ufer entlang bis ich mit ihm auf gleicher Höhe war. "Nantwin! Was soll ich tun?" rief ich verzweifelt. Ich hatte echt keinen blassen Schimmer was man in so einer Situation tut. Er anscheinend auch nicht, denn er blieb stumm. Mir zusagen, ich sollte über den Baumstamm laufen und mich selbst in Gefahr bringen, wollte und konnte er nicht tun. Und was anderes fiel ihm anscheinend auch nicht ein. Na toll, los sag es... sag es schon.... nichts dergleichen kam. "Bleib da! Hast du gehört?! Bleib da! Es wird schon alles wieder gut!!" ich erwachte aus meiner Starre und schaute ihn ungläubig an. "Habe ich dich richtig verstanden, ich soll hier bleiben und zusehen wie du ertrinkst?" "NEIN, VERDAMMT! Dann geh nach HAUSE, LOS!" Ich drehte mich auf dem Absatz um und machte Anstalten wirklich wieder heim zugehen, hinter mir hörte ich ein Seufzen von Nantwin, anscheinend war er erleichtert, dass ich mich nicht in Gefahr brachte... blitzschnell drehte ich mich wieder um und sprang auf den ersten Baumstamm. Er war glitschig und ich rutschte aus. Und.... landete mit der Nase auf dem Baumstamm. "AUA" ich versetze dem Stamm einen Schlag und hielt mir danach die Hand, weil diese nun genauso wehtat wie meine Nase. Ich wischte mir den Dreck mit dem Handrücken von dieser und stand wieder auf. Anfangs etwas wackelig dann aber sicher und setzte einen Fuß vor. "GEH!!!!! DU SOLLST GEHEN!!!!" schrie er, als er mich auf dem Baumstamm stehen sah und fügte den zweiten Satz hinzu als ich auf ihn zuging. "VERGISS ES!! UND JETZT SEI STILL ICH MUSS MICH KONZEN...." wieder rutschte ich aus und musste mich am Stamm festklammern um nicht herunter zufallen. Das passierte noch einige Male bis ich zum vorletzten Stamm kam und auch diesen überquerte. Ich war jetzt ganz nah bei ihm und musste nur noch die Hand ausstrecken, aber ich war so müde. KRACK. Erschrocken schaute ich wie-der auf. Der Stamm an den sich Nantwin klammerte bewegte sich. "Um Himmels-" wieder krachte es und der Stamm löste sich. Durch den Ruck verlor Nantwin seinen Halt. BAAAMMMMMM..... Nantwin.... der Mann im Wald.... der Mann am Strand.... der Mann dem ich meinen ersten Kuss schenkte und so vieles mehr.... ein neues Bild... gemeinsam am Tisch... gemeinsam vor dem Kamin... das Feuer spiegelt sich auf seinem Gesicht wieder... ich erkenne es..... "NANTWIN" ich packte seine Hand und hielt ihn fest. "Hey!" Ich hatte die Augen gar nicht geöffnet gehabt, nach den Bildern in meinem Kopf, und öffnete sie nun um ihn anzusehen "WAS?!" "Du... du hast meinen Namen gesagt" "JA UND!!" "Nun... es war das erste Mal seit deine Erinnerung verloren gegangen ist äh war." Er grinste mich an, obwohl er in dieser misslichen Lage steckte und ich... ja ich schaute ihn verwundert an. Das hätte ich besser nicht getan denn ein großer Ast trieb geradewegs auf Nantwin zu. "Uhhh" Dieser hatte ihn mit voller Wucht am Kopf erwischt. Jetzt war er bewusstlos und hing mit dem Kopf schlaff im Wasser, ich hing blöd da und klammerte mich an den glitschigen Stamm. Der Ast trieb an Nantwin vorbei und weiter den Fluss entlang. In der Ferne konnte ich es wieder krachen hören als er irgendwo anders aufschlug, während ich Nantwin hochzog. Langsam erwachte er wieder und half mir sich hinaufzuziehen. Mir klebten die Haare im Gesicht und am Kopf und auch er sah nicht besser aus als er da so vor mir saß, wir beide auf dem Stamm. KRAAACKK. Wir waren zu schwer für den Stamm und ohne den letzten Stamm, der nun fortgespült worden war, fehlte ihm der Halt. Ich stand wieder auf und half auch Nantwin auf. Was nicht fiel brachte, denn er fiel wieder hin und saß nun wieder auf dem Stamm. Irgendwie schaffte ich es an ihm vorbei und erklärte ihm, dass er kriechen sollte. Das erste Mal seit meine Erinnerung gelöscht war, hörte er auf mich, was mich glücklich stimmte... und unvorsichtig. Beinahe wäre ich hinuntergefallen und krallte mich wieder an den Stamm. Und irgendwie schafften wir es auch bis ans Ufer und wieder nach Haus. Die Treppe hinauf schafften wir es dann schon nicht mehr und so schliefen wir zusammen auf der Couch ein. Kapitel 5: Unendliche Geschichte -------------------------------- Ineinander geschlungen fanden wir uns am nächsten Morgen auf der Couch wieder. Ohne zu wissen wie wir dahin gekommen waren. Es war alles so konfus gewesen, aber mit jeder weiteren Minute die ich wach wahr, drang alles mehr und mehr auf mich ein. Nantwin strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und riss mich damit aus meinen Gedanken, sein Gesicht war ganz nah an meinem. Ich konnte seinen Atem auf meinem Wangen spüren. Seine Hand streichelte meinen Körper und seine Lippen kamen immer näher. Näher und näher.... nur noch ein Stück. Ich beugte mich zu ihm auf.... "Nicole? Nicole! HEY!!" "Hm?" Ich blinzelte. "WAS?!" "Komm runter und schrei net!" "Warum!" "Du kannst mir helfen." Sagte meine Mum, Sina, zuckersüß. Ich, Nicole, lag auf meinem Bett und hatte überall Druckstellen im Gesicht, von dem Buch auf dem ich geschlafen hatte. Seufzend räkelte ich mich hoch um meiner Mutter folge zu leisten. Geistesabwesend schlug ich das Buch zu und ging durch die offene Tür und die Treppe hinunter um mal ein ernstes Wörtchen mit meiner Mum zu reden. Die Treppe war schon älter und knarrte bei jedem Schritt, den ich auf ihr tat. "Also Mum...." von oben waren die Stimmen unseres Gespräches nicht mehr zu hören. Eine durchsichtige Hand strich über den Buchrücken und drehte das Buch anschließend um. Ein bleicher Zeigefinger glitt die goldenen Lettern entlang, "Das Fremde Mädchen". Die Hand ließ von dem braunen und schon alten Buch ab, nur noch ein Lächeln war zu erkennen und ein Gesicht, das einem bekannt vorkommen müsste... oder vielleicht doch nicht? Der Schemen verschwand und so blieb das Zimmer allein. Die untergehende Sonne schickte ihre rot-goldenen Strahlen durch das Fenster um sich für diesen Tag zu verabschieden. Wind kam auf und ließ den Vorhang vor der offenen Balkontür mystisch wehen. Als ob die Geisterfrau hindurchgegangen wäre. Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Also ähm Hi ich bin Nicole, mich und meine Mum, Sina kennst du ja bereits und das davor... nun ja, das war mein Traum. Seitdem mir meine Großmutter dieses Buch vererbt hat, träume ich diesen Traum, immer ein Stückchen weiter. Früher, bevor ich dieses Buch besaß, waren meine Träume mehr als Bruchstückhaft und ergaben partu keinen Sinn. Aber nun... nun ja du hast es ja selbst gelesen. Meine Mum hat dieses Buch übrigens früher auch einmal gelesen. Bei ihr war es genau das selbe, was ich jetzt träume. Auch meine Oma hatte diese Träume, bis... ja bis sie sich in ihren Mann, meinen Opa, verliebte. Genau wie bei meiner Mum... schade eigentlich. Als mir meine Oma früher von ihren Träumen erzählt hatte, hatte ich mir steif und fest vorgenommen mich nie zu verlieben. Ich wollte diesen Traum ewig träumen und ihn vor allem zu Ende bringen. So kam es später aber nie. Zurück zum Buch. Der Titel ist eher unpassend, da die Hauptfigur weder fremd noch ein Mädchen ist. deswegen kläre ich das jetzt auf... für alle nachfolgenden Generationen meiner Familie. Wir, also die einzelnen Familienmitglieder, die dieses Buch lesen fangen an die Geschichte zu träumen, manchmal auch schon früher. Jedenfalls sind wir Fremde, wir gehören nicht in diese Welt, auch wenn wir die Hauptfigur meistens selbst darstellen. Jeder einzelne von uns lass dieses Buch als wir so um die 15 Jahre alt waren. Und so schließt sich auch der Buchtitel. "Die Fremden Mädchen" unserer Familie in dieser einzigartigen Welt. Aber halten können wir diese Welt nicht, denn jemand kommt und bietet uns etwas besseres so wie auch mir später... "Oma, Oma, Oma Nicole" freudig lief meine Enkelin auf mich zu. Sie war jetzt 15 Jahre alt und hing schrecklich an mir. Manchmal überkam mich die Angst, dass sie eines Tages an meinem Tod zerbrechen könnte, aber bis dahin hatte ich noch reichlich Zeit. Ihr Wohl war jetzt das wichtigste in meinem Leben. Mein Mann, John, meine Mutter und meine Oma waren nun schon lange tot, und Cäcilia, meine Tochter, starb bei einem Autounfall und Sabrinas Vater war bei einer Expedition, irgendwo in Afrika, an einer unheilbaren und unbekannten Krankheit ebenfalls gestorben. Deswegen lebte Sabrina jetzt bei mir und das schon seit sechs Jahren. "Oma? Was hast du?" Sabrina schaute mich beunruhigt an. Ich war so in meinen Gedanken gewesen, dass ich alles um mich herum vergessen hatte. "Es ist nichts, Liebes. Aber erzähl... was stimmt dich denn so glücklich, das du rumläufst als hättest du Hummeln im Hintern?" "Oma, Oma. Das Buch ist voll cool" "Das weiß ich, Sabrina. Hast du weiter geträumt?" "Aber klaro. Soll ich es dir erzählen?" Ich nickte und sie setzte sich neben meinen Stuhl auf den Rasen und fing an zu erzählen. Sie erzählte die Geschichte des Buches, des nun schon so alten Buches, so weit wie ich sie selbst nie geträumt hatte: Ich war schockiert und Nantwin ebenfalls. Da standen sie. Meine Mutter Paola, mein Vater Lennert und meine Tante Alke und ihr Mann Janos. "Jetzt haben sie uns tatsächlich gefunden..." sagte ich geistesabwesend und stierte meine Verwandten unhöflich an. "Können gleich wieder gehen!" Nantwin legte schützend einen Arm um meine Schulter. Damit provozierte er meinen Vater, meine Tante und meinen Onkel, meine Mum dagegen blieb vollkommen ruhig, ihre Meinung war eine ganz andere. Und das wusste ich. Lennert trat vor und schnappte wütend nach Luft "Lass sie endlich gehen, Nantwin, du Hexer! Nimm diesen verfluchten Zauber von ihr sonst..." "Was sonst!" donnerte Nantwin und trat ebenfalls vor. Er wusste das meine Verwandten Angst vor ihm hatten, außer meine Mutter... meine liebe gute Mutter. "Liebes..." sagte sie überglücklich als sie meinen Blick bemerkte, doch mein Vater sah dies gar nicht gern. "Hör auf Weib! Es hat ja eh keinen Sinn mit dieser..." er schaute mich herablassend an und wägte seine Worte ab "dieser Hure!" Nantwin rastete gleich aus, was mir und meiner Mutter, was sie übrigens nie tat, auch gleich passieren würde. "GEHT!" schrie ich sie alle zusammen an und Tränen traten mir in die Augen. "Ich brauche weder euch noch sonst wen aus dem Dorf... nur ihn, Nantwin! Verstanden!" Ich wollte eigentlich keine Antwort aber weder meine Tante noch mein Onkel verstanden das. "Das ist doch nicht dein Ernst? Wir verstehen dich überhaupt nicht mehr." "Lass von ihm ab, er hat dich verzaubert!" Nantwin ballte die Hände zu Fäusten um sich zurückzuhalten. Ich hakte mich bei ihm ein um ihm Stand zu geben, was er mit einem dankenden Blick erwiderte. "Das... DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN!!!!" "DOCH DAS IST WAHR. ICH GEH NICHT VON HIER WEG!!! Das ist mein zu Hause und... ich..." meine Stimme war schon vollkommen heiser, nicht nur wegen dem Schreien, ich hatte mich außerdem auch noch erkältet und stand nun mit 39,5° Fieber draußen in der Kälte und streitete mich. "Was und!! Du hast doch keine Ahnung... er benutzt dich nur!!!" Nantwin riss der Geduldsfaden und er stürmte auf Lennert zu. "Nantwin! Nein!" Zum Glück blieb er stehen. Beide Männer standen sich gegenüber. Nur eine Handbreit von einander entfernt und kampflustig, wie zwei Stiere in der Paarungszeit, wie eh und je. Nantwin war größer als mein Vater und auch mehr mit Kraftpotenzial ausgestattet. Lennert war alt geworden, seitdem ich ihn das letzte mal gesehen hatte. "Was willst du von dem?" fragten mein Vater und meine Tante wie aus einem Mund "Ja, was willst du von dem?" fragte dann auch mein Onkel. So ein Spießer, hängst doch auch nur an der Leine meiner Tante... bist ihr Schoßhund und hörig obendrein... ich schob den Hass beiseite. Lennert verengte die Augen zu Schlitzen während er Nantwin anstierte. Geduld hin oder her, Nantwin hatte keine mehr. Er stieß meinen Vater mit Leichtigkeit von den Füßen und war sogleich auch schon über ihm und schlug ihn ins Gesicht. Immer und immer wieder holte Nantwin aus und ließ seine Faust für ihn sprechen. Meine Tante wich hinter einen Baum, genau wie mein Onkel. Doch meine Mum blieb stehen und schaute mich fragend an. Gleichzeitig rannten wir auf Nantwin zu und redeten auf ihn ein. "Nantwin, bitte..." ich hielt ihn am Arm fest und zog ihn zurück. Lennert kroch ein Stück zurück, vor lauter Angst um sein erbärmliches Leben. "Vater! Tante! Onkel! Ihr könnt mich nicht fortholen! Und du Mutter auch nicht! Ich... ich liebe Nantwin und ich will bei ihm sein, in jeder Sekunde meines Lebens. Wir..." ich erinnerte mich an einen Spruch, den er mir vor langer Zeit einmal sagte, als ich meine Erinnerung verloren hatte. "Wir sind für einander bestimmt!" Meine Mutter lächelte mich an und am liebsten wäre ich ihr um den Hals gefallen, aber diese Schwäche durfte ich jetzt nicht offenbaren... das wusste sie genauso gut wie ich. "Hmpf!" meine Tante trottete davon, gefolgt von meinem Onkel, der sich immer wieder sichernd umsah, ob ihm auch kein "Schläger" hinterher kam. Lennert, mein Vater, stand auf und spuckte Blut zur Seite aus. Blut lief ihm von der rechten Schläfe über das zugekniffene Auge und auch über sein Kinn. Er würdigte mich keines weiteren Blickes und trottete ebenfalls davon, während er etwas von Hure, Schläger und Radikal vor sich hinmurmelte. Meine Mutter wartete noch und bildete dann ungesprochene Worte: ,Viel Glück'. Auch sie verschwand im Schatten des Waldes. "Deine Mutter ist wirklich toll... aber eins versteh ich nicht..." er drehte sich zu mir um, wovon ich nicht fiel mitbekam. Halb bewusstlos lag ich am Boden und keuchte. Nantwins Augen wurden groß vor Schreck und schnell nahm er mich auf die Arme und trug mich ins Haus. Das Schloss schnappte hinter uns in die Vertiefung. "Wau... nicht schlecht..." "Sei still!" unterbrach mich meine Enkelin "Es geht noch weiter..." setzte sie leicht entschuldigend hinzu und fuhr dann fort: "Als ich wieder erwachte, fand ich mich im Wohnzimmer auf der Couch wieder. Meine Stirn glühte und irgendetwas lag darauf. Ich setze mich auf, die Decke rutschte mir auf den Schoß und der feuchte Lappen, der vorher auf meiner Stirn gelegen hatte, fiel mir in die Hände. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf den Sessel rechts von mir. Der Feuerschein des Kamins ließ Nantwins Gesicht rot leuchten, als ob er Fieber hätte, nicht ich. Er hatte sich zurück gelegt und schlief, tief und fest. Es war soo süß, er sah fast aus wie ein Baby. Ich legte den Lappen wieder in die Schüssel mit Eiswasser, gleich neben mir auf dem Tisch, und stand auf. Schwer atmend ging ich neben dem Sessel in die Hocke und berührte sanft Nantwins Arm. Dieser schreckte auf und schaute mich mit großen Augen an. Anscheinend hatte er doch nicht so tief geschlafen, wie ich gedacht hatte. "Geht es dir besser?" "Na ja..." begann ich, doch Nantwin unterbrach mich "Leg dich wieder hin und ruh dich aus." Es war weniger ein Befehl, eher eine Bitte. Schmollend ging ich wieder zurück und warf die Decke zurück. Ich wusste er wollte nur mein Bestes, aber ich wollte etwas anderes Ich griff nach der Decke und wollte mich schon wieder hinlegen, da nahm Nantwin mich hoch und trug mich, mitsamt hinterher schleifender Decke, zum Sessel. Dort setzte er sich wieder und ließ mich bequem auf ihm sitzen. Er zog die Decke über mich und ich schmiegte mich dankbar an ihn." "Ende für Heute" Ich sagte nichts, sondern schaute nur träumerisch auf den Garten. Sabrina tat es mir gleich und schwelgte in Erinnerungen. Kapitel 6: Ende des Buches -------------------------- Das Ende erlebte keiner meiner Familie. Manche lasen es, aber keiner starb in dieser Welt. Auch ich segnete das Zeitliche ohne je selbst erfahren zu haben wie Tiphereth... wie ich starb. Selbst Sabrina, die ebenfalls das Buch bis zu Ende gelesen hatte, erfuhr nie wie es war in einer anderen Welt seine letzte Zeit zu verbringen. Sabrina war ein kluges Mädchen und ebenfalls schnell im träumen. So kam sie auch weiter als ich... aber auch sie starb. Es geschah im Winter. Sie fuhr mit ihrem Mann auf einer Bundesstraße im Wald. Aus irgendeinem Grund riss ihr Mann das Auto herum und sie stürzten in den Graben, beide starben. Aber das Buch vermachten sie einer Bibliothek, wo es noch heute steht. Und auf denjenigen wartet, der es bis zum Ende schafft.... Wieder verloren die Bäume ihre Blätter, ich wusste nicht wie oft sie das schon getan hatten. Auf jeden Fall schon viel zu oft, viel zu oft für mich und Nantwin. Wir beide saßen am Esstisch in der Küche und aßen unser Abendessen, aber irgendwie wollte es nicht schmecken. Nantwin stocherte im Kartoffelbrei herum und suchte nach irgendetwas. So lange waren wir nun schon zusammen und nie hatte ich ihn so gesehen. Es stimmte mich traurig, wie er so lustlos da saß. Nantwin schob seinen Teller weit von sich und schaute unbestimmt durch die Gegend, schnell schob ich meinen Teller davon und stand auf. "Komm" Mehr musste ich nicht sagen, denn Nantwin war bereits auf den Weg zur Tür. Ich folgte ihm und gemeinsam gingen wir an der Klippe entlang. "Es wird bald Winter" "Ja" -Schweigen- "Sag mal... ach vergiss es..." Weder ich noch er wussten über was wir hätten reden können. Wenn man so lange schon zusammen ist, gibt es glaube ich nichts mehr über was man reden könnte. Ganz in unserer Nähe hatten ein paar Familien angefangen zu siedeln. Nun liefen ihre Kinder am Strand entlang und spielten Fangen. Der Wind trug ihre Stimmen und Gelächter bis zu uns nach oben. Der Wind frischte weiter auf und so zog ich meinen Schal enger um mich. Mit den Jahren wurde ich wesentlich empfindlicher gegen äußere Einflüsse. Mein hellblaues Kleid schleifte am Boden. Auf dieses Kleid war ich ganz besonders stolz, denn ich hatte es selbst genäht. Mehrere Unterröcke schützen mich vor dem Wind und raschelten sobald dieser etwas mehr wehte. Ebenfalls schweigend gingen wir durch den Wald und über die Brücke zum nächsten Fluss. Genau diesen Fluss.... der Fluss in dem Nantwin damals beinahe ertrunken wäre. Am Ufer blieben wir stehen. Die Strömung war stark und man konnte durch das blau-weiße Wasser bis auf den Grund schauen. Nantwin ging am Ufer entlang, ich blieb stehen. An meinem inneren Auge flog alles noch einmal vorbei. Das Gewitter, der braune Fluss, die Baumstämme und Nantwin, pitschnass und schon fast steif vor Kälte. Und ich erinnerte mich an die neue Brücke. Nun ja neu, war jetzt schon lange nicht mehr zutreffend. Nantwin und ich hatten sie aus dem umgefallenen Baum von damals errichtet. Ich folgte Nantwin, dieser war schon auf der anderen Seite der Brücke. Als ich über das Holz lief, klapperten meine Schritte und ich konnte die schönen Gravuren entdecken. Die Gravuren die unser Erlebnis darstellten. Ein umgefallener Baum, eine Pistole ein Fluss und die Baumstämme darin. Wir ließen den Fluss hinter uns und gingen in das Dorf. Jedes mal wenn wir an Leuten vorbeikamen wurden wir freundlich gegrüßt und wir grüßten ebenfalls zurück. Aber eine Frau war ganz besonders freundlich. Sie hakte sich bei mir ein und grinste mich fesch an. "Na? Noch so fit auf deine alten Tage?" sagte sie spöttisch und grinste noch breiter. "Sei nicht so frech, Ilja." "Oma, Oma!" Sanja und Silvain kamen auf uns zugerannt und riefen immer wieder im Chor. Meine Enkelin und mein Enkel waren zwei der Kinder gewesen, die am Strand gespielt hatten. Sie mussten uns entdeckt haben als wir an der Klippe entlang gelaufen waren, und schnell nach Hause gerannt sein. "Oma weißt du was?" "Was denn?" Ich ging in die Hocke und schaute meiner Enkelin in die Augen "Nein, erst darf ich erzählen..!" "Nein... ich!" "Nein ich!" Die Zwillinge stritten sich schon wieder, das war ihre Hauptaufgabe am Tag. Doch ich wusste wie man dem beikommt. "Also, so was... dann will ich es nicht hören!" "Nein, Oma bitte, Silvain darf auch erzählen" "Nein, nein, Sanja bitte nach dir..." "Erzählt doch jeder ein Stück..." "Also..." begann Sanja "... wir waren am Strand..." führte Silvain weiter "...und da war ein riesen großer Stein..." sagte wieder Sanja und versuchte mit ihren armen einen großen Stein zu formen, was eher misslang. ".... und der sah aus..." sprach der Junge weiter und machte große Augen "...wie ein Pferd!" sagten beide im Chor. Ich schaute verdutzt, ein Steinpferd hatte ich noch nie am Strand gesehen. "Das müsst ihr mir bei Gelegenheit einmal zeigen." "Na klar..." "Komm doch gleich mit, Oma!?" "Nein, nein..." ich schüttelte den Kopf "Heute nicht, trotzdem danke" "Oooohhhhh" wieder riefen die zwei im Chor und sahen dabei so drollig aus, wie es nur Kinder sein konnten. "Geht jetzt, eure Freunde warten schon!" spornte meine Tochter, Ilja sie an. Die Zwillinge rannten davon und riefen über ihre Schultern noch Abschiedsworte, die aber keiner verstand. Rennen, hin gucken wo man hinrennt und rufen waren einfach zu viel einmal. Ich war nicht böse drum, so waren sie halt, die zwei. "Und? Wo macht ihr hin?" Ich schaute Nantwin an und stand wieder auf. Wir beide zuckten mit den Achseln. "Hm, na dann, will ich euch nicht weiter stören." Sie zwinkerte mir zu und verschwand dann. Nantwin griff nach meiner Hand und zog mich herum. "Lass uns wieder heimgehen..." "Ja, es reicht auch für heute, nicht?" "Das ist es eigentlich nicht.... eher..." er schaute sich in der Gegend um als ob er diese noch nie in seinem Leben gesehen hätte. "Also... hehe... da ist noch der Abwasch..." Nantwin ging davon und mir stand der Mund offen. "Also so was... du bist so ein Schinkencasanova.... du" "Was ist das denn für ein Wort? Und bitte sei nicht böse... ich meins ja nur gut..." "Gut nennst du das? Boah wenn ich dich erwische!" Mit erhobenen Fäusten eilte ich hinter Nantwin her. Die Dorfbewohner die uns gesehen und gehört hatten lachten bei unserem Anblick, irgendwie beruhigend wenn überhaupt jemand noch über dich Faltengesicht lachen kann. Bald war schon Weihnachten und wir feierten mit unserer Familie im Dorf. So rückte Neujahr auch näher. Das letzte Neujahr für uns zwei, wie sich herausstellte. Nantwin und ich saßen zusammen auf der Couch und warteten auf Mitternacht. Die Gläser und der Sekt standen schon bereit. "Noch 15 Minuten..." brummelte ich ungeduldig vor mich hin "Noch 14 Minuten.... Noch 13 Min..." "Jetzt sei endlich still, ich kann mich ja selbst nicht denken hören!" Er grinste und stierte nun ebenfalls ungeduldig auf die Uhr. Zehn Minuten vor Mitternacht. "Weist du was?" "Nein, aber du sagst es mir bestimmt gleich" "Wir könnten auch genauso gut Schluss machen" "Was meinst du?" "Na ja... wir hatten doch ein schönes Leben... so wie es war, nicht Liebes?" Ich schwieg und schaute ihm in die Augen. Dann ließ ich den Kopf hängen und nickte anschließend. Nun war es fünf vor... Die Arme um den jeweils anderen geschlungen, schliefen wir ein. Eine Minute noch.... alles wurde schwarz, mein Herz setze aus und auch seinen Herzschlag konnte ich nicht mehr hören. Nun knallte es draußen geräuschvoll, doch davon bekamen wir nichts mehr mit.... "Alles Gute zu Neujahr, Schatz" Als unsere Tochter und ihr Mann am nächsten Tag kamen um uns zu Neujahr zu gratulieren, fanden sie uns so vor, wie wir eingeschlafen waren. Da sie nicht genau wussten wann wir gestorben waren, wurde unser Todestag auf Silvester gelegt. Noch zwei Jahre später wurde an diesem Tag geweint und an uns gedacht. Das heißt nicht, dass sie später nicht an uns gedacht hätten. Doch das Leben geht weiter, mit oder ohne uns... doch die Liebe bleibt immer hier in deinem Herzen." "Hey du, musst du hier nicht raus?" "Hm?" Ich blinzelte. Das war doch meine Bushaltestelle, was machte die denn hier? "Aaahh" hastig stand ich auf und sprang durch die schon fast geschlossene Bustür. Draußen schnappte ich erst mal nach Luft. So was war mir noch nie passiert. In der rechten Hand meinen Ordner und auf dem Rücken meinen Schulrucksack ging ich über den Marktplatz und auf die Bibliothek zu. Die Frauen an der Theke kannten mich schon zu genüge. Und so musste ich nur noch das Buch vorzeigen und konnte es gleich wieder einsortieren. In der Abteilung Romane bog ich nach links und dann gleich wieder nach rechts, bis zu einem Regal ganz hinten, für die ganz alten Bücher. Ich schob eine Lücke auf und stellte mein bis gerade eben noch ausgeliehenes Buch hinein. Eigentlich wollte ich gleich wieder gehen aber ich blieb noch eine ganze Weile da stehen und schaute mir den Buchrücken an, als ob darauf irgendetwas interessantes stehen würde. Aber da war nichts außer der Buchtitel: "Das Fremde Mädchen". Es war schade dieses schöne Buch schon wieder abgeben zu müssen und verkaufen wollten sie es mir auch nicht, es sei ein Erbstück hatten sie gesagt. Ist ja auch egal. Ich schaute mich um ob mich auch niemand sah und ließ meinen Ordner, in der Hand, verschwinden. Den Rucksack behielt ich noch auf. Dann verließ ich die Bücherei und ging über den menschenleeren Marktplatz. Auch meine Schultasche verschwand und so sah man nur noch die schwarzen Stiefel, den schwarzen langen Mantel und meine braun-blonden langen Haare, die hinten und weit unten zu einem Zopf zusammen gebunden waren, und... wer genauer hinsah, meine blauen Augen. Ich schaute mich noch einmal um und rief dann mit einem Fingerschnippen ein schwarzes Loch. Ein schwarzes Loch das mich in meine Dimension zurück bringen sollte. Denn ich, Tyra Leonar, war hier nicht zu Hause. Aber dieses Buch hatte ich bis zu Ende geträumt. Nun ja, ich kannte ja auch die Familie, der dieses Buch gehörte. Ein Geist, ich glaube die Oma von Nicole, erzählte mir von dem Buch... warum ich es geschafft habe bis zu Ende zu träumen? Nun ja, ich bin nicht menschlich... Ich, die Graue Älteste und Hüterin der Dimensionen bin eine Dämonin von der ganz besonderen Art. Auch wenn ich erst 16 Jahre alt bin, habe ich das erreicht was sich so viele aus der damaligen Familie gewünscht haben. Ich weiß nicht ob überhaupt noch ein einziger Verwandter existiert aber wenn ja, dann... bitte bitte, ich flehe dich an, bring das zu Ende was deine Vorfahren sich so sehr wünschen... auch jetzt noch wünschen. Du wirst verstehen. "...verstehen..." flüsterte ich und trat dann mit einem Schritt in das Loch. Sofort schließt es sich hinter mir. Zurück blieb nur der leere Platz. Wind kam auf und wehte die herabgefallenen Blätter in einem Wirbel nach oben. Er ließ nach und die Blätter fielen zu Boden. In einem Bogen schoss der Wind an den Blättern vorbei und direkt durch das offene Fenster in der Bibliothek, hin zu dem einen Buch. Viele durchsichtige Hände glitten über die Lettern auf dem Buchrücken, doch alle Hände verschwanden auch schnell wieder. Der Wind zog sich zurück und wehte von dannen. Fremde Menschen in einer fremden Welt, die einem doch so bekannt vor kommt. Eine Fügung des Schicksals lässt Menschen träumen was sie träumen. Dinge die sie sich schon immer gewünscht haben, Dinge die nie wahr geworden sind... werden diese Seelen dann nie erlöst? Vielleicht.... aber es gibt den einen, der diese Träume zu ende bringt und die Seelen erlöst. Ein jemand der vom Schicksal auserwählt worden ist um zu helfen... aber nie um Hilfe zu bitten. (Der einsame Gang der Grauen Ältesten) Widmung: Dieses Buch widme ich meinen Freundinnen, wenn ich diese so nennen darf, Kara-Fenja und Sina. Zwei Mädchen die dieses Buch prägen und immer wissen was sie wollen. Zwei Mädchen die auch mich geprägt haben. Also.... Ebene Wege, Ladies. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)