Broken Wings von Nerwen_Elensar (Ein Engel mit gebrochenen Flügeln) ================================================================================ Kapitel 3: 3. Abschnitt ----------------------- Die Flucht Delilah... Größte und zu gleich geheimste Organisation Londons. An der Spitze Alexis Hargreaves. Gründer und Cardmaster Delilahs. Ihm untersteht alles, die große sowie die kleine Arkana . Sein Wort ist Gesetz und sein Wille wird ohne zu zögern ausgeführt. Wer sich nicht an seine Regeln und Gesetze hält kann von Glück reden wenn er mit dem Leben davonkommt. Jezebel betrat sein Arbeitszimmer. Die Luft hier drin war stickig und abgestanden und man konnte nur sehr schwer atmen. Für dieses Problem gab’s nur eine Lösung: Fenster auf und Luft herein lassen. Jezebel setzte dies sogleich in die Tat um und als er am offenem Fenster stand lies er es sich nicht nehmen, der Stadt eine verächtlichen Blick zu zuwerfen. London begann zu leben. Die späte Morgensonne tauchte die ganze Stadt in einen hellen Glanz, der all das Übel dieser Metropole verschwinden lies. “Sie putzt sich heraus” dachte Jezebel, als er so die Stadt betrachtete “wie ein ruchloses Weib, das willige Männer mit ihren Reizen anlockt, um sie dann einen nach dem Anderen ins Verderben zu stürzen. Welch jämmerliches Schauspiel!” Mit diesen letzten Gedanken drehte er sich um und ging zurück zu seinem Schreibtisch um die letzten Berichte zu vervollständigen. Er saß schon eine geraume Zeit an diesen Berichten und es wurde an der Zeit, das sie fertig wurden, denn wenn nicht dann standen ihm ziemliche Probleme bevor. ~Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf Morgen~ Dieser Spruch ging ihm grade durch den Kopf als er sich an den Schreibtisch setzte und das Buch heran zog. “Derjenige der diesen Spruch auf die Menschheit losgelassen hat gehört erschlagen!” dachte er grummelnd als er im Buch blätterte. Er fand nicht auf Anhieb das, was er brauchte, aber nach längerem suchen fand er es. So lass er sich teils gelangweilt, teils im Schlaf den Absatz durch. Immer wieder glitten seine Gedanken ab und er konzentrierte sich bald nicht mehr auf seine Aufgabe. Er dachte wieder an die Erinnerung. So sehr er sich auch bemühte nicht an sie zu denken, es gelang ihm nicht. Letzen Endes erlangte wieder die Erinnerung die Kontrolle über seine Gedanken. Er war so in Gedanken vertieft das er gar nicht mitbekam wie jemand sein Arbeitszimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. Die groß gewachsene Gestalt trat immer näher an Jezebel heran, der von alledem nichts mitbekam. So sehr fesselte ihn diese Erinnerung. Für ihn existierte nur noch sie. Alles andere war egal. So bemerkte er auch nicht, dass die Gestalt jetzt direkt vor ihm stand. Sein Blick war noch immer auf das Buch gerichtet. Plötzlich, ohne Vorwarnung, sauste eine Hand herab und knallte direkt vor seinem Gesicht auf das Buch. Jezebel schreckte je zusammen, sodass ihm die Brille von der Nase fiel und richtete sich so ruckartig auf, das er beinah rücklings vom Stuhl gefallen wäre. Er konnte sich grade noch an der Tischkante festhalten, sonst wäre er heute schon zum zweitenmal auf dem Hintern gelandet. Es dauerte einen Augenblick, bis er es schaffte, seine Brille unter dem Tisch aufzuspüren und sie wieder auf der Nase zu platzieren. Was er dann sah gefiel ihm nicht im Geringsten: Er schaute gerade Wegs in Kassandras grinsendes Gesicht, der sich über den Anblick des völlig verwirrten Jezebels köstlich amüsierte. “Oh mein Gott! Warum der? Hier laufen so viele andere Persönlichkeiten rum, aber ausgerechnet diese musste den Weg in mein Büro finden! Wirklich ein gelungener Morgen!” “Guten Morgen Kassandra. Was führt dich zu mir?” brachte er nur mit Mühe freundlich hervor, den am Liebsten hätte er seinem Gegenüber die Kehle durchgeschnitten. Kassandra, immer noch am grinsen, schlich um den Schreibtisch herum und stellte sich direkt hinter Jezebel “Wie? Braucht es einen Grund um dich zu besuchen?” Während er Sprach löste er Jezebel Zopf und streichelte durch die herabfallenden Haare. Jezebel musste ein würgen unterdrücken. Ihm wurde übel als Kassandra so durch seine Haare streichelte. “Ich dachte nur ich statte dir mal einen Besuch ab. Schließlich sind wir Kollegen” “Sag mir einen triftigen Grund für dein Erscheinen oder geh wieder! Ich habe keine Zeit für deine albernen Spielchen!” Jezebel strich sich seine Haare über die Schulter, damit Kassandra nicht mehr an ihnen herumfummeln konnte, aber das Störte den Hohepriester nicht im geringsten. Statt dessen beugte er sich langsam vor, sodass sein Gesicht direkt neben Jezebels verharrte. “Oh ich habe einen triftigen Grund mein lieber Jezebel. Es ist mir heute Morgen aufgefallen als du eilig in dein Büro gestürmt bist. Du sahst aus als hättest du einen Geist gesehen. Ohne frage bist du von blasser Natur, aber so blass ist selbst für dich ungesund. Was macht dir zu schaffen?” Der warme Atem Kassandras strich jetzt an Jezebels Ohr entlang. Jezebel brachte nur noch ein zischen zustande, sosehr musste er sich bemühen die Fassung zu bewahren “Das, werter Kassandra, geht dich nicht das Geringste an! Das ist ganz allein meine Sache!” Kassandra fing von neuem an zu grinsen “Aber, aber mein lieber Jezebel! Du vergisst das, egal was du vor mir verheimlichst, ich finde es heraus. Den ich kenne dich. Ich kenne all deine Geheimnisse, all deine Ängste, all deine Wünsche! Niemand kennt dich so gut wie ich. Nicht mal du selbst.” Jezebel versuchte zu schlucken, nur wurde es von Minute zu Minute schwieriger für ihn. Er verkrampfte sich derart, das sich seine Fingernägel schon in die Armlehnen bohrten. Er wollte was sagen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Er wünschte sich Kassandra würde aufhören, aber der Hohepriester trieb es sogar noch weiter. Kassandra strich sich mit der Zunge über die Lippen und Jezebel konnte das leise schmatzen hören, welches diese Geste verursachte. Er bekam von diesem Geräusch am ganzen Körper eine Gänsehaut. Kassandra beugte sich noch ein Stückchen weiter vor und, als ob das streicheln durch seine Haare und das Anhauchens seines Ohrs nicht schon genug wäre, leckte er kurz über Jezebels Ohrläppchen. Jezebel zuckte zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Kassandra war noch nie so weit gegangen. Der Hohepriester merkte, wie sehr sein tun Jezebel aus der Fassung brachte und es bereitete ihm Vergnügen Jezebel so in der Hand zu haben. Jezebel warf einen Blick zur Tür. Am Liebsten währe aufgestanden und gegangen, nur ein gewisser Jemand hielt ihn davon ab. Kassandra war bei weitem kein Hellseher, aber, wie er schon sagte, kannte er Jezebel sehr gut und es war für ihn ein Leichtes Jezebels Gedanken voraus zu ahnen. Kassandra legte seine Hände auf Jezebels Schulter und drückte ihn zurück in den Stuhl, denn er wollte ihn jetzt noch nicht entwischen lassen. Dann strich er mit der einen Hand über Jezebels Brust und sagte “Nun? Willst du es mir nicht sagen? Muss ich erst wieder in deinen Gedanken schauen, um herauszufinden, was dich bedrückt?” Langsam löste Kassandra Jezebels Krawatte und öffnete dessen Hemd, um mit der Hand über den entblößten Hals zu streicheln, der weiß im Sonnenlicht schimmerte. Jezebel rührte sich noch immer nicht. Man könnte glauben ihm gefiel das, was Kassandra da tat, aber dem war nicht so. Er verabscheute es! Jede Berührung von Kassandra lies ihn sich mehr und mehr verkrampfen und eine Welle der Übelkeit durchfuhr ihn. Wenn er könnte würde er Kassandra jedes Organ einzeln rausreißen. Nur gab es da ein kleine Problem: Er durfte es nicht. Alexis hatte Kassandra die Erlaubnis gegeben Jezebel so zu behandeln und dieser nutzte jede Gelegenheit, dieses Privileg auszukosten. Würde Jezebel sich wehren, so würde er gegen den Willen Alexis appellieren und dann währe ihm der Tod gewiss. Aber... war der Tod nicht besser als das? Theoretisch war sein Körper nur noch eine leere Hülle. Eine Marionette, erschaffen durch die Hände Alexis. All jene, die er je geliebt hatte waren tot. Seine Mutter, seine Schwestern, Schnark... Jezebel schloss die Augen und versuchte Kassandras Berührungen zu ignorieren, doch es gelang ihm nicht. Warum? Wieso lies Alexis Kassandra so was mit ihm machen? Bereitet es Alexis so viel vergnügen ihn leiden zu sehn? Zu wissen wie sehr es ihn quälte? Vielleicht war es eine Strafe. Eine Strafe dafür, dass er lebte? Wenn es danach ginge brauchte Alexis nur ein Wort zu sagen und er würde für immer von dieser Welt verschwinden. Kassandra bemerkte, wie Jezebels Gedanken abwichen, und er beschloss, noch ein Stück weiter zu gehen. Er lies von Jezebels Hals ab und strich stattdessen mit den Fingerspitzen über dessen Lippen. Diese Berührung holte Jezebel aus seinen Gedanken zurück und lies ihn versteinern. Kassandra grinste in sich hinein und bewegte seinen Kopf so, das sein Mund wieder neben Jezebels Ohr verharrte. Dann tat er etwas, was er lieber hätte lassen sollen: Mit der Stimme voller Genugtuung sprach er: “Hm... Da du es mir nicht sagen willst rate ich einfach. Kann es sein, das dir die Organe deiner Schwestern nicht sonderlich gut bekommen?” Eine ungeheure Flamme des Zorn loderte in Jezebels Innern auf. Heller und heißer noch als die Flammen der Sonne, die alles zu verbrennen vermag. Und in diesem Moment verlor er jegliche Kontrolle über sich selbst. Blitzschnell, bevor Kassandra überhaupt registrieren konnte, was grade geschah, griff Jezebel in die Innentasche seines Jacketts, zog sein Skalpell hervor und rammte es Kassandra kurz oberhalb des Knies ins Bein. Kassandra schrie auf vor Schmerz und Entsetzen. Er konnte nicht glauben, was soeben passierte. Jezebel schob seinen Stuhl so wuchtvoll nach hinten, dass Kassandra, welcher den Stuhl in Magen gerammt bekam, gegen die Wand direkt hinter sich knallte. Benommen saß Kassandra an der Wand gelehnt. Jezebel, rasend vor Wut, stand vom Stuhl auf, ging auf Kassandra zu und zog das Skalpell aus dessen Bein. Vom Skalpell, das Jezebel in der zitternden Hand hielt, tropfte das dunkelrote Blut Kassandras. Jezebel selbst stand, zu seiner vollen Größe aufgerichtet, vor Kassandra und schaute ihn stumm an. In seinen Augen funkelte unbändiger Hass. Dann hob er den recht Arm, mit dem er das Skalpell festhielt und lies ihn hinabsausen. Das letzte, was Kassandra in seinem Leben sah, war die aufblitzende Klinge, die auf ihn zuraste. Dann sah er nichts mehr. Fühlte nur noch einen betäubenden Schmerz und warmes Blut, das seine Wangen hinab tropfte. Wortlos wandte sich Jezebel vom wimmernden Kassandra ab und nahm seinen Mantel vom Kleiderständer, der direkt neben der Tür stand. Er hatte nicht vor hier noch länger zu verweilen. Er öffnete die Tür, warf Kassandra einen letzten verächtlichen Blick zu und ging dann schweigend aus dem Zimmer. Weg von Kassandra, weg von Delilah und vor allem weg von Alexis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)