To be forgiven von Melora (Zeig mir das Licht) ================================================================================ Kapitel 6: Under my mask... --------------------------- Es waren jetzt gut 5 Monate vergangen. Sie kamen dem jungen Mann vor wie Jahre – er war erschöpft und konnte nicht mehr. Der 25-jährige fühlte sich alleine gelassen. Kein Lebenszeichen hatte sie von sich gegeben, trotzdem wusste der Schwarzhaarige einfach, dass sie noch lebte. Mit ihrem Verschwinden hatte es etwas anderes auf sich – wahrscheinlich hatte der Boss ihm seine Freundin jetzt endgültig genommen und er würde sie nie wieder sehen. Gerade, als der junge Mann dabei war, erschöpft einzuschlafen, hörte man den Schlüssel im Schloss und er sprang hastig auf. Als wäre nichts gewesen, spazierte die Blondine ins Schlafzimmer, wobei sie seine Anwesenheit demonstrativ ignorierte. „Sag mal, was wird das? Wie wäre es mit einer Erklärung?“ Diesmal war er wirklich stinksauer. Diese Frau konnte doch nicht nach verdammten fünf Monaten hier reinkommen, als sei sie nie weg gewesen. Nicht einmal eine Antwort wurde ihm gegönnt, weshalb Sêiichî auf sie zuging, die sich einen Cognac einschenkte und diesen auf Ex runterkippte. „Kriege ich vielleicht mal eine Antwort?“ „Antworten sind aus – frag mich nicht so blöd!“ Er zuckte deutlich zusammen, als sie ihn so anfuhr, schließlich war er sich keinerlei Schuld bewusst – der 25-jährige hatte ihr nichts getan und wurde ohne Grund angemault, so empfand er das zumindest. „Wo warst du die ganze Zeit?“ „Denk’s dir.“ Das Geräusch der zugeschlagenen Badezimmertür war alles, was man ihm noch zu hören gab. „Großartig...“ Der junge Mann griff sich an den Kopf und fuhr sich über die Stirn, weil ihm diese schmerzte, des Weiteren war er seelisch am Ende – doch die Wut, die er anfangs auf sie gehabt hatte, wich unendlichem Mitleid. Fünf Monate waren, wie er selbst hatte erfahren müssen, eine lange Zeit. Wenn sie wirklich bei dem Boss gewesen war und er sie irgendwo festgehalten hatte, war das sicher eine miese Zeit gewesen. ‚Wer weiß, was er mit ihr angestellt hat?’ Das Schlimmste wusste der Schwarzhaarige ja noch gar nicht, er dachte nur an gewisse sexuelle Interessen seines Bosses. „Warum redest du so mit mir? Was ist passiert?“ In solchen Momenten hasste es der ehemalige Kriminalist wirklich, wenn sie schwieg. Chris öffnete die Tür und lehnte sich in den Rahmen. „Was willst du hören? Dass es toll war?“ Normalerweise wollte die Frau nicht so klingen, wie gerade eben, als würde er sie nerven nämlich. „Ich weiß auch so, dass es scheiße mit ihm war, du musst das nicht genauer erläutern. Und deine Laune kenne ich jetzt ja auch. Dass ich hier beinahe wahnsinnig geworden bin... Kannst du dir das nicht denken? Ich will bloß wissen, ob es dir gut geht.“ ‚Wie sollte es mir gut gehen? Du machst ja wohl Witze.’ Die Frau hielt kurz die Luft an, um nicht wie wild zu schreien anzufangen. „Den Umständen entsprechend ganz gut“, antwortete sie ihm und nahm vorsichtig seine Hand, als sei diese aus einem Material, das bei einer bloßen Berührung zerbrach. „Du weißt doch, dass du kein schlechtes Gewissen haben musst...“ Ein Seufzen kam von dem Schwarzhaarigen, der es sich nicht nehmen ließ, sie nun zu umarmen. „Du bist ja wieder hier...“ ‚Ja, nur ich, sonst nichts, es fehlt was... Nette Strafe hat er sich da ja diesmal ausgedacht...’ Obwohl sich die Schauspielerin vorgenommen hatte, kein Wort darüber zu verlieren, hatte sie das Bedürfnis, ihm mitzuteilen, was die letzten Monate abgelaufen war, doch sie konnte nicht. ‚Du würdest mir noch auf nicht besonders rosige Ideen kommen, wenn du das wüsstest...’ Niemand konnte etwas gegen diese Leere unternehmen, seit man ihr etwas weggenommen hatte und sie damit erpresste. Der Boss wollte etwas, das ihr gehörte, dafür benutzen, um herauszubekommen, wer es wagte, gegen seinen Willen mit ihr zusammen zu sein. Dass Sêiichî noch lebte, musste heißen, dass er eben doch nichts ahnte - zum Glück. Wenn der Boss wüsste, dass er für das Desaster verantwortlich gewesen war, hätte er ihn ohne mit der Wimper zu zucken foltern und anschließend brutal umbringen lassen. „Du darfst dir keine Fehler erlauben – er weiß darüber Bescheid, dass ich jemanden hatte. Das Einzige, was der Scheißkerl nicht weiß, ist, wer es war. Tu mir den Gefallen, und halte mal etwas Abstand. Es wäre möglich, dass er mal nachprüfen lässt, wo ich mich aufhalte. Das wäre ja nichts Neues mehr.“ „Wie hat er es rausbekommen?“ Sêiichîs Worte klangen wie eine Fangfrage, eigentlich war es auch eine, denn sie wusste wirklich nicht, was sie ihm sagen sollte. Weil dieser verdammte Arzt den Mund hatte aufmachen müssen, nur weil sie ihn mal abgewiesen hatte, wusste der Boss um ihr Geheimnis Bescheid. Sie konnte ja schlecht sagen, dass sie schwanger gewesen war, dann würde er sicher noch mehr Fragen stellen, auf die sie ihm keine Antworten geben wollte. „Der Sex war schlecht mit mir“, entschied die blonde Frau zu sagen, selbst wenn das eine glatte Lüge war. „Ich war woanders, das hat er mitbekommen, ich habe unprofessionell gehandelt.“ Herrje, sie war echt verzweifelt, immerhin redete die Blondine gerade in scharfem Ton über etwas, das ein anderer nie hätte sagen dürfen. Es war jedoch besser, wenn ihre Schauspielkünste anscheinend nachließen, als dass er jemals die Wahrheit erfuhr. „So kenne ich dich gar nicht.“ Besorgnis spiegelte sich in seinen Augen wider, der ihr mit der Hand zärtlich über die Wange streichelte, was ihre Beherrschung beinahe auf das Minimum schrumpfte. Nur sehr knapp entging sie einem Heulkrampf. Es machte die Frau einfach unendlich traurig, wenn er sich solche Sorgen machte, er sollte lieber lächeln, als sie so bekümmert ansehen. ‚Lange halte ich das nicht mehr aus’, dachte sich die 31-jährige. In letzter Zeit war alles etwas viel für ihn, also durfte sie ihn nicht zusätzlich belasten, deswegen musste wohl wieder ihre Fassade her – sie würde den ganzen Mist einfach verdrängen. „Bringe ich dich derart aus der Fassung?“ Wie ungläubig er war. „Du bist und bleibst ein Baka!“ Im blöde Fragen-stellen war der Schwarzhaarige ein Meister, wie er immer wieder beweisen musste, genauso wie jetzt. „Ich war in Gedanken eben bei dir, das kann auch mir mal passieren, wenn ich dich lange Zeit nicht sehen kann. Du weißt doch selbst, wie lange fünf Monate sind, nicht wahr?“ Unter ihrer Abwesenheit musste ihr Freund grässlich gelitten haben, er kam ja nicht einmal 2 Wochen ohne sie wirklich aus – das glich glatter Folter. Des Weiteren hatte er im Moment Probleme und war deswegen noch sehr viel anhänglicher, als sowieso schon. Wenn sie an die Umstände und ihre Situation dachte, wünschte sie sich mehr denn je, dass ihr Silverbullet irgendetwas unternehmen könnte, aber auch er war kein Übermensch. Nie würde die Frau wagen, ihn einer direkten Gefahr auszusetzen, ansonsten hätte sie ihm längst etwas verraten, das ihn zum Boss führen konnte – sie hatte schließlich die Mittel dafür. Die Gefahr, dass man ihn umbrachte, war jedoch viel zu groß. Außerdem hatte Yukiko vor kurzem schon ein Kind verloren, noch eines würde diese Frau nicht ertragen können – und Sharon wollte schon gar nicht die Schuld daran haben. ‚What should I do, but not waiting?’ War ihnen überhaupt etwas anderes möglich? Der Boss wollte im Moment Shawn zwar benutzen, um aus ihr irgendwelche Dinge heraus zu bekommen, aber was, wenn dieser Mann seine Meinung schneller änderte, als sie alle darauf gefasst sein würden? Eigentlich konnte er mit seiner Killerin derweil alles anstellen, wenn ihm danach war. Sie würde ohne Widerwehr alles tun, um ihrem Kind zu helfen. Auf seltsame Weise glaubte Sêiichî ihr im Moment nicht. Es steckten andere Dinge dahinter. Obwohl der junge Mann den Hang hatte, ihr alles zu glauben, erkannte er dieses Mal die große Lüge, als wäre sie ihr auf die Stirn geschrieben, er entschied aber, sie nicht darauf anzusprechen, sondern anders zu handeln. ‚Was macht dich zur Lügnerin? Was verschweigst du da?’ Cognac war festentschlossen, es herauszubekommen. Er war ein erfahrener Ermittler, das würde dem Mann helfen, klar zu sehen. Um etwas Wichtiges mit dem Boss persönlich zu besprechen, war Carpano in dessen Firma aufgetaucht und wartete darauf, dass man ihn herein ließ. Man hatte ihm ausdrücklich befohlen, zu warten, trotzdem war er frech genug, einfach reinzugehen. Am liebsten wäre er gleich wieder abgehauen, als er diese rotblonde Hexe sichtete, aber irgendetwas ließ ihn nicht auf dem Absatz kehrt machen. Ein Geräusch nämlich. Etwas total Untypisches für dieses Büro. So etwas hatte er hier noch nie gehört, was nicht hieß, dass er dieses Geräusch nicht kannte. ‚Was macht diese Frau da eigentlich? Die ist doch nicht etwa total billig geworden?’ Es war wirklich unter ihrem Niveau, auf so einen kleinen Hosenscheißer aufzupassen. Sie hasste diese Tätigkeit, aber der Boss hatte ihr den Auftrag erteilt, auf den Kleinen aufzupassen, weil er wichtig war, zumindest waren das seine Worte gewesen. ‚Bah, man sieht, wo der kleine Bengel hingehört, dazu muss man ihm nur in die Augen sehen.’ Das Baby gab gurrende Geräusche von sich und lutschte an seinem Finger, während es zu der Frau mit den grünen Augen schaute, fast ein wenig schüchtern wirkend, da sie ihn mit dem Blick durchbohrte. Ein Wunder, dass das Kind nicht vor Angst zu schreien begann. „Warum schaust du so, Carpano? Willst du ihn mal halten?“ Etwas erschrocken sah der junge Mann die Frau an, die ihn so eben darauf angesprochen hatte. ‚Was will die wieder? Mich zu einem Kind mit ihr überreden, oder wie?’ Er schloss die Augen und schluckte den Ärger irgendwie runter. „Ich will nicht zu dir und das Kind ist mir jetzt auch egal. Noch so ein armes Kind, das jetzt schon dazu gehört, mir kommt’s hoch! Du hast echt keinen Charakter! Da passt du zum Boss!“ Die waren beide gleich schlimm, fand er, denn sie taten alles, um die Organisation so unbesiegbar wie möglich zu gestalten. „Du hast ja schlimme Laune. Wenn man euch Männern mit Kindern kommt, rennt ihr erst mal weg. Bist du auch so, oder kannst du dich dafür begeistern, mir zu helfen?“ Carpano hatte Derartiges schon geahnt. Er wollte auch gar nicht, dass man zu viel Gutes über ihn wusste. Dass er Kinder mochte, hatte er ja schon zu sehr gezeigt. „Was hat das mit meiner Laune zu tun, wenn ich finde, dass man frei entscheiden können soll, ob man dazu gehören will? Wir hätten nicht so viele Verräter in unseren Reihen, wenn der Boss nicht ständig irgendwelche Leute zwingen würde!“ Dass ausgerechnet er Verräter kritisierte, wo er doch selbst einer war, veranlasste ihn zu innerlicher Freude. Sie alle spielten doch ihre Rolle als Bösewichte, sofern sie Verräter waren. Das hatten sie sich quasi selbst beigebracht. „Vielleicht hast du da auch Recht. Wir beide sind nicht solche Leute, wir sind freiwillige Mitglieder der Organisation. Der Junge da, er wurde in die Organisation reingeboren, ich kann auch schon sehen, von wem der ist.“ Valpolicella grinste gemein. „Er wird mal ein verwöhnter, arroganter Bengel werden, wie seine Mutter.“ So wie diese Frau sprach, wollte Carpano jetzt auch wissen, was sie meinte, ging auf die Wiege zu, die überhaupt nicht zu diesem kalt eingerichteten Büro passte und schaute hinein. Im ersten Moment, als er diese hellblauen Augen sah, zog er eine Augenbraue hoch. „Ich kenne mehrere Leute, die solche Augen haben. Aber wenn du von einem verwöhnten, arroganten Bengel redest, meinst du wohl Vermouth, oder?“ Er bezweifelte, dass Rena die Mutter war, deswegen schloss er, dass es ihr Kind war, zumal seine Augen eher einem Japaner glichen, als denen einer Amerikanerin. Außerdem war ihm dann eh klar, wer der Vater des Kindes war. ‚Wetten, der weiß von nichts?’ Wieso sollte er auch? Aber was machte dieses Kind hier beim Boss? Hatte er ihr das Kind etwa weggenommen? Er war dann ja wohl der gleiche Dreckskerl wie immer. „Ja, och die Arme. Sie möchte mal wieder ein Geheimnis aus allem machen, dann landet sie im Krankenhaus, und ein Arzt stellt fest, dass sie schwanger ist. Man hat sofort den Boss informiert. Sie sollte diesem dankbar sein, dass er sie für diesen Verrat nicht gleich getötet hat, aber irgendetwas sagt mir, dass sie es nicht ist. Mhm, sie hat wie immer etwas zu verbergen. Vom Boss selbst ist der Kleine ja mit Sicherheit nicht, sie deckt jemanden.“ „Wundert dich das? Er würde jeden töten, der so etwas wagt, also darf er es nicht wissen.“ „Das kann ihr ja egal sein, es sei denn... sie liebt ihn.“ Carpano gab jetzt ein schallendes Lachen von sich. „Ach was, die will nur attraktiv sein. Du kennst ihre Leier doch. Alles, was geheimnisvoll ist, macht sie begehrenswert. Deswegen schweigt sie, was denn sonst?“ Was für Gedanken hatten sich im Sinn dieser Hexe breit gemacht? „Aus irgendeinem Grund denke ich aber, dass sie den Vater liebt. Sie mag Kinder, das kann ich ihr ansehen. Wieso sollte sie ihr Kind ihm überlassen und das auch noch freiwillig?“ „Vielleicht will sie es einfach loswerden? Es kann ja sein, dass sie einen dummen One-Night-Stand im Vollrausch hatte, das kann man ihr zutrauen, sie ist eben... billig,... wie Baileys.“ Die Frau verschwand kurz nach draußen und kam mit einem Fläschchen wieder. „Ich halte es weiterhin für möglich, dass ihr dieses Kind sehr viel bedeutet. Und der Vater ebenso, also deckt sie ihn. Davon kannst du mich nicht abbringen.“ Die Frau hatte heimlich ein Kind bekommen wollen, so sah es Valpolicella nämlich aus. Selbst Vermouth machte das nicht einfach nur zum Spaß. ‚Ob der Mann irgendwann mal die Augen öffnet und bemerkt, wie sie ihn an der Nase herum führt?’ Man konnte Valpolicella ansehen, dass sie von Vermouth nicht besonders viel hielt, ihrer Meinung nach konnte sie weg. Dann war hier mehr Platz für andere, loyalere Personen. ‚Wenn sie erfährt, dass du ihr Kind angefasst hast, Miststück, wird sie echt wütend sein’, dachte Carpano. Beide Frauen mochten sich nicht besonders. Zu Valpolicellas Pech durfte sie der blonden Killerin nicht wehtun. Alles, was ihre Schönheit beeinträchtigen würde, war ihr vom Boss höchstpersönlich verboten. Mit anderen Worten, Vermouth konnte sich mit Valpolicella anlegen, ohne großen Ärger zu bekommen. Dass sie auch noch Kir beschützte, war Valpolicella ein Dorn im Auge. Aber das war jeder, der mit der Braunhaarigen befreundet war – außer er selbst. Ihn versuchte sie zu beeinflussen und von Kir fern zu halten, ihm die Augen zu öffnen. „Na dann, viel Spaß mit dem Kind, ich komme später wieder.“ Er hatte keine Lust, noch länger bei ihr zu bleiben, er wollte lieber Informationen breittreten, wenn er das über sich brachte. So ganz sicher, ob man das Sêiichî sagen konnte, war er nicht. Yuichi würde in seinem Auto darüber nachdenken. Allerdings könnte den jungen Mann so eine Information auch freuen, genauso wie es ihn zu hirnrissigen Aktivitäten hinreißen könnte. Als Carpano nach draußen verschwunden war, stiegen vier Männer aus dem Aufzug aus, einer von ihnen war der Boss, zusammen mit drei Bodyguards. Der Schwarzhaarige versteckte sich lieber, als sich zu Erkennen zu geben. Dann würde man ihn nur noch einmal ins Büro holen. Als alle vier verschwunden waren, drehte sich Carpano um und ging die Treppe hinab, als der Aufzug sich erneut öffnete. Aus reiner Neugierde drehte er sich noch einmal um. Der junge, schwarzhaarige Mann, der ausgestiegen war, hatte es sehr eilig und ließ seinem Freund keine Zeit dafür, sich zu erkennen zu geben. ‚Meine Güte, hat der Boss ihn herbestellt? Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl bei der Sache.’ Sorge machte sich in dem 27-jährigen breit, der befürchtete, dass Cognac die Beherrschung verlieren könnte, wenn er spitz bekam, zu wem dieses Kind gehörte. Wenn er nicht total misstrauisch war und Chris nicht zutraute, dass sie ihn betrog, würde er es beim ersten Blick in diese unschuldigen Augen bemerken. Andererseits würde der Boss wohl dafür sorgen, dass sich Vater und Sohn begegneten. Wer wusste schon, was der Kerl gerade vor hatte? Vielleicht wollte er einfach über Sêiichî mehr herausbekommen? Wenn sie nicht redete, dann wollte er wohl Cognac dazu bringen. Irgendwie war es leicht zu erraten, was dieses Treffen sollte. Es geschah recht schnell, dass auch der schwarzgekleidete Mann von eben im Büro des Bosses verschwand, nachdem er angeklopft hatte. „Ich bin hier, Boss.“ Nicht gerade sehr freundlich, der Gute, wie immer eben. „Was gibt’s? Ging es diesmal nicht anders?“ „Ich wollte dich sehen, Cognac, weil ich dir jemanden vorstellen will!“ Verwirrt blickte der Angesprochene seinen Boss an, er traute ihm keinen Zentimeter über den Weg, wieso auch? Er quälte ihn seit Monaten auf die grausamste Weise, die Sêiichî sich vorstellen konnte – seelisch. Er zerstörte seinen Selbstwert mit jedem erzwungenen Mord ein bisschen mehr. „Wen denn?“ Der Killer wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte. Man bestellte seine Untertanten doch nicht, um ihnen jemanden vorzustellen, oder doch? Ja, stimmte, er sollte sicher mit jemandem zusammen arbeiten. Wahrscheinlich würde Jami verreisen. Mit einem bösen Grinsen hob der Boss den Jungen aus seinem Bettchen und hielt ihn so auf dem Arm, dass sein Killer das Gesicht sehen konnte. „Prächtiger kleiner Junge, oder was sagst du, Cognac? Er ist eines der Kinder, die in der nächsten Generation euch ersetzen werden. Dann, wenn ihr ins Gras gebissen habt.“ Wie verhasst und boshaft man ihm das sagte, als wolle man ihn damit treffen. ‚Jetzt werde ich Kinder töten, ich ahne es... Er weiß, dass ich Kinder mag... Ich will hier raus...’ Trotz seiner Gedanken ließ sich der Schwarzhaarige nichts davon anmerken, wie gedemütigt er sich vorkam. „Komm näher und schau ihn dir genauer an!“ befahl man Cognac, der schwerfällig ein paar Schritte ging. „Haben seine Augen nicht eine sehr schöne Farbe, mhm?“ Was zum Henker wollte der Typ von ihm? Sêiichî seufzte. „Schönes Hellblau, wieso?“ Moment! Hellblau? Wie Chris. Jetzt schaute sich Cognac das Baby genauer an. Nein, der wollte ihm gerade nicht weismachen, dass seine Freundin mit dem Boss heimlich ein Kind hatte, oder? Sêiichî konnte nicht verhindern, dass ihm ein Lachen entfuhr. „Wieso lachst du?“ „Glückwunsch, wirklich! Sie wollen ihren eigenen Sohn zum Killer machen, das ist witzig. Vermouth wird Ihnen das niemals verzeihen, wenn Sie das wagen.“ „Mein Sohn? Nein, es ist nicht mein Sohn! Dass sie die Mama ist, stimmt. Fehlt nur noch Papa, nicht wahr, Cognac?“ Hämisch dreinblickend hielt der Boss Sêiichî das Kind vors Gesicht. Anscheinend konnte man ihm doch seine Gedanken ansehen. „Solange sich Papa nicht bei mir meldet, gehört er mir!“ Besitzergreifend drückte der ältere Mann das Baby an sich, so dass dieses zu schreien begann und die Arme nach seinem richtigen Vater ausstreckte, als wüsste es, dass Sêiichî ebendieser war. Dem 25-jährigen blutete das Herz, als sein Kind so bitterlich weinte, aber er konnte nichts tun. Was brachte es ihm, wenn er jetzt zugab, sein Vater zu sein? Dann würde der Kleine seinen Vater nie wieder sehen – außer vielleicht auf Bildern. ‚Du Ratte ahnst genau, wer der Vater ist, damit willst du mich quälen!’ Sêiichî ermahnte sich immer wieder, keine Gefühle zu zeigen, was ihm immens schwer fiel, je länger er den Jungen anblickte, umso schwerer wurde ihm das Herz und desto schlechter fühlte er sich. ‚Sollte ich je die Möglichkeit haben, du Arschloch, bringe ich dich auf die grausamste Art um, wie ich es jemals getan habe, dafür, dass du ein Kind mit hineinziehst!’ Er war voller Hass, durfte aber weder diesen noch seine Trauer zeigen. ‚Jetzt weiß ich, wieso sie so gelaunt war. Warum bin ich nicht eher darauf gekommen? Ob er das mit ihr genauso abgezogen hat? Wahrscheinlich...’ „Wie Sie meinen, Boss.“ Zum Glück hörte Sêiichî sich gleichgültig an, das war ziemlich harte Arbeit für ihn, so zu klingen, statt zornig und verhasst. Ja, wenn er der Boss wäre, würde er sich selbst wohl auch abkaufen, dass es ihm total egal war. „Ich verstehe nur den Sinn nicht, wieso Sie ihn mir gezeigt haben“, log der 25-jährige und schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts dafür, dass Sie die Frau nicht kontrollieren können und sie Ihnen einfach zur Seite hüpft.“ Ups, das war ihm jetzt so rausgerutscht, es stimmte eben. „Aber, lassen Sie mich raten. Sie werden sie mit dem Baby dazu bringen, treu zu sein.“ Cognac grinste dreckig, er spielte schlichtweg seine Rolle als herzloser Mistkerl. „So würde ich das nämlich machen.“ ‚Nicht schlecht, Cognac, lügen hast du gelernt, oder ich verrenne mich in etwas.’ Der Boss kannte die richtige Familie des Mannes jetzt, er wusste einfach alles über ihn – dachte er zumindest. „Übrigens schönen Gruß von Gotano, du sollst ihn mal besuchen kommen.“ Nun war Cognac überrascht, er kannte den Namen Gotano nämlich nicht. „Wer ist das?“ Sicher kam er dem Boss wie ein kleines fragendes Kind vor. „Ein Wissenschaftler, den du sehr gut kennst. Du kennst ihn dein Leben lang.“ Der Mund des Killers öffnete sich, weil es nur einen Wissenschaftler gab, den Sêiichî solange kannte. ‚Ich hab’s geahnt...’ Das war wohl die nächste Schikane. „Er hat ein paar Probleme mit einem Experiment... es ist ein Wunder, dass ich ihn noch dulde. Du solltest ihm gut zusprechen, dass er alles richtig macht, sonst kann es sein, dass es ein Abschied für immer wird!“ ‚Tu das nicht, Boss, droh mir, verdammt noch mal, nicht mit meinem Vater! Das wird dir nicht bekommen!’ Damit hatte der Boss einen Stein ins Rollen gebracht. „Wenn das alles war, würde ich gerne gehen.“ Der Boss holte einen Umschlag hervor und reichte ihn Sêiichî. „Da ist eine Adresse versteckt. Fahr hin und droh ihm! Wie du das tust, ist mir egal. Bring ihn nur brav dazu, dass er weiterarbeitet... Aber töte ihn nicht. Seit Sherrys Ausfall brauche ich ihn dringend.“ Es war lange her, dass Sêiichî sich wirklich so ausgeliefert gefühlt hatte. Was wusste dieser Mann noch alles über ihn? Was wusste der überhaupt nicht? Er hatte schreckliche Angst, dass der Boss auch auf die Akajas kam, oder auf seine Freunde, die er hatte. Vielleicht würde er die alle töten lassen – mittlerweile traute er ihm wirklich alles zu, auch das. Es gab vielleicht keine Gründe dafür, aber wenn er wusste, dass Cognac sich an seinem Liebling vergriffen hatte, dann würde der Boss sich an Cognacs Freunden vergreifen, um sich zu rächen, oder nicht? Das war das Bild, welches Sêiichî von dem Mann hatte. ‚Es wird Zeit, dass etwas geschieht... Zu dumm, dass ich nicht weiß, was man tun kann...’ Zum Plaudern war Sêiichî zu feige, denn er wollte niemanden mit hinein ziehen. Spontan fiel ihm auch niemand ein, dessen Leben er aufs Spiel setzen würde, um diesen Mann zu stürzen. Wahrscheinlich würde er selbst als der schlimmste Verräter, der jemals in der Organisation gesessen hatte, enden. Ihm war bewusst, dass seine Pläne ihn zu einem gewöhnlichen Mörder machten, immerhin wollte er es aus Rache tun. Aber welcher Mann konnte zusehen, wenn man seine Freundin so behandelte? Wenn dieser wirklich liebte, musste er dafür sorgen, dass es ihr immer gut ging. So lief das im Leben gescheiter Männer nun einmal ab. Sie waren nur dafür da, die Frau ihres Lebens glücklich zu machen. Welchen Sinn sollte das Leben sonst haben, außer andere glücklich zu machen? Yuichi beoboachtete Sêiichî und ging ihm anschließend sogar nach – seiner Meinung nach sah sein Freund gemeingefährlich aus. Geradezu, als hätte er verdammt gehässige Gedanken, doch er kam zu spät. Als Cognac seinen Wagen erreichte, hatte er es ziemlich eilig und fuhr Yuichi beinahe über den Haufen. ‚Gehirnzellen durcheinander gebracht...’ dachte er sich und atmete einmal tief durch, nachdem er schnell zur Seite gehuscht war. ‚Kein guter Start, hoffentlich kommt er heil an, so wie der fährt...’ Die Reifen des Porsche quietschten, als dieser um die Ecke fuhr. Man hörte, wie er noch mehr Gas gab und jetzt wohl mit gut 120 Sachen über die Kreuzung fuhr. Die Wut trieb den Mann dazu. Nur mit viel Glück hielt ihn kein Polizist an, es hätte durchaus passieren können, er überschritt das Limit ja um Längen. Während der Fahrt hatte der Schwarzhaarige dermaßen Wut im Bauch, dass sein Gesicht sehr verhasste Züge annahm. „Dich mach ich fertig, egal wie! Du wirst dich nicht mehr über dein Leben freuen, Arschloch!“ fauchte er und bremste scharf, weil er beim Hotel angekommen war. Zur Tarnung setzte er sich eine Kappe und seine Sonnenbrille auf. In der knappen Verkleidung betrat Sêiichî dann das Hotel und klopfte gegen die Tür des Zimmers, das man ihm erlaubt hatte, zu besuchen. Die Tür wurde nicht geöffnet, also tat er es selbst, indem der 25-jährige den Kartenschlüssel für das Zimmer benutzte, den sie ihm extra gegeben hatte. Das hier war der einzige Ort, an dem sie sich treffen konnten. Finsternis herrschte, was ihn nun wirklich nicht wunderte, so war es oft, sie schien die Dunkelheit einfach zu lieben. Als der Schwarzhaarige in den Raum eintrat, konnte man ganz wenig Licht ausmachen, das vom Computer kam. Automatisch schaute Sêiichî zur Seite, wo sie konzentriert vor etwas saß. Er näherte sich der blonden Frau völlig lautlos, trotzdem hatte diese ihn bereits bemerkt. Das, was da auf dem Bildschirm stand, war ihm vollkommen egal. Sêiichî beugte sich leicht vor, so dass die 31-jährige seine Anwesenheit jetzt in Form seiner Wange an ihrer auch spüren konnte. Er hatte die Hände über ihre Schultern fallen lassen und kam so jetzt sehr gut an sie heran. Frech, wie sie ihn kannte, öffneten sie die Knöpfe ihrer Bluse, ohne dass man davon etwas mitbekam, wenn man auf etwas anderes konzentiert war. „Danke für die Frage, Sêiichî. Mir geht’s gut, dir auch?“ fragte die Blondine, schließlich hatte kein Wort seine Lippen verlassen, nicht mal ein Hallo war ihm eingefallen, also wirklich. „Immer gut, wenn ich bei dir bin“, wurde ihr ins Ohr gehaucht, bevor er in dieses seine Zunge stieß und kurz an der Stelle naschte. „Ohne Worte, oder wie meinst du?“ „Wer will schon reden, mhm?“ Zack, schon hatte er sie hochgezogen. ‚Der hat heute ja mal wieder Nerven’, dachte sich die Frau, bevor sie sich in seinen Armen wiederfand. Sêiichî drückte sie eng an sich und fuhr durch ihre Haare nach hinten, wo er über ihren Rücken strich. „Wenn du unbedingt reden willst, gut, mein Tag war mehr als beschissen, jetzt will ich mich etwas amüsieren – da kriegt man den Kopf frei.“ Obwohl es schon so eindeutig war, dass sie es verstehen würde, setzte er dem noch eins drauf. ‚Frechheit, reinkommen und amüsieren wollen – typisch!’ Heute war er wirklich mal wieder extrem frech, man musste ihm nach langer Zeit mal wieder einen Denkzettel verpassen, wie es schien. Deswegen traute er sich auch, gleich, nachdem der 25-jährige aufgetaucht war, ihren Rock nach oben zu schieben – anscheinend kam er so besser an sie heran. Seine Hände streichelten ihre Beine, also ließ sie sich gegen ihn fallen. Ja, sie hatte fies sein wollen, aber nach fünf Monaten Abwesenheit konnte ja auch ihr mal eine Sicherung durchbrennen, so wie jetzt. Ihre Hände hatten sich zu seinem Hemd gekämpft, mit dem sie sich nicht weiter aufhielt und die Knöpfe auseinander riss. ‚Ups, sorry, wenn du mich reizt, musst du damit rechnen!’, dachte sie sich überhaupt nicht reuevoll und grinste fies in sich hinein, als die Frau ihre Zähne kurz in seinen Hals bohrte und mit der Zunge anschließend über seine Halsgrube fuhr. Es schien ihm, als wolle sie sprichwörtlich flachgelegt werden, deswegen setzte sie ja ihre Nägel bei seinem Bauch an und zog sie quer über diesen, was ihn zu einem kleinen Stöhnen brachte. Er war sowieso in Stimmung für wilden Sex, da war es ihm gerade Recht, wenn sie sich so verhielt. „Na, warte, dafür räche ich mich!“ Seine Hände waren ohnehin noch unter ihrem Rock, also packte der Schwarzhaarige sie am Po und hob sie hoch. Sie schlang ihre Beine gierig um seine Taille und küsste ihn heftig auf den Mund, während er mit ihr rückwärts ging und sie gegen die Wand stieß. Sêiichî war ganz gewitzt, zog den Rock noch etwa bis zu ihrem Bauch und schwang sich ihre Beine über die Schultern, daraufhin drückte er die Blondine fest gegen die Wand, so dass er ihre Beine loslassen konnte und sie nicht festhalten musste. „Was jetzt?“ „Vorbereitungen treffen“, lachte der 25-jährige – auch wenn ihm nicht nach Lachen war. Mit Vorbereitungen meinte Sêiichî wohl, ihre Bluse aufzuknöpfen und danach zu Boden zu werfen, ebenso wie ihren BH aufzumachen und ebenfalls fallenzulassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)